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114,365 | olgk-1999-09-03-6-u-399 | {
"id": 822,
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} | 6 U 3/99 | 1999-09-03T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:37 | 2019-02-11T10:39:15 | Urteil | ECLI:DE:OLGK:1999:0903.6U3.99.00 | <h2>Tenor</h2>
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 26.08.1998 verkündete Teilurteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 28 O 164/98 - abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline;"><b>E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :</b></span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Das zulässige Rechtsmittel des Beklagten hat auch in der Sache
Erfolg. Denn entgegen der Auffassung des Landgerichts kann
jedenfalls von dem Fortbestand des zwischen den Zeugen S. und H.
angeblich im Januar 1994 geschlossenen Interpretenvertrages über
das Jahr 1995 hinaus nicht ausgegangen werden, weil dieser Vertrag
auch dann, wenn er wirksam zustandegekommen sein sollte, durch die
fristlose Kündigungserklärung des Zeugen H. vom 24.10.1995 beendet
worden ist. Der Kläger konnte deshalb durch den mit S. am
13.02.1997 geschlossenen Vertrag Nutzungsrechte an den
streitgegenständlichen Musikstücken nicht erwerben.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Senat folgt dem Landgericht zwar in seinem gedanklichen
Ansatz, daß der Kläger Rechte, die ihm Anspruch auf Unterlassung
des weiteren Vertriebs des im Klageantrag näher bezeichneten
CD-Tonträgers sowie Anspruch auf Vernichtung, Auskunft und
Schadenersatz geben, durch den mit dem Zeugen S. am 13.02.1997
geschlossenen Vertrag nur dann erworben haben kann, wenn die Rechte
vorher bei dem Zeugen S. lagen. Wenngleich es, wie noch zu zeigen
sein wird, im Ergebnis hierauf nicht ankommt, vermag der Senat aber
schon der Auffassung des Landgerichts, der Beklagte habe den
Abschluß des Interpretenvertrages zwischen S. und H. nur
unsubstantiiert bestritten, sein diesbezüglicher Sachvortrag sei
überdies widersprüchlich und deshalb für die Entscheidung des
Rechtsstreits unbeachtlich, nicht beizupflichten. Daß der Beklagte
in dem diesem Rechtsstreit vorauslaufenden einstweiligen
Verfügungsverfahren 131 C 128/97 AG Köln den Abschluß des Vertrages
zwischen S. und H. nicht bestritten und der im Jahre 1994
volljährig gewordene Zeuge H. seinerzeit, wie der Entwurf einer
gegen S. gerichteten Zahlungsklage aus dem Jahre 1994 zeigt, von
der Wirksamkeit des Vertrages ausgegangen ist, ist für das
Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Beklagten nicht von
streitentscheidender Bedeutung. Denn der Beklagte war an dem
damaligen Vertragsschluß nicht beteiligt und vermag aus eigenem
Wissen heraus verständlicherweise nichts dazu zu sagen, ob es
zwischen H. und S. damals tatsächlich zu der von dem Kläger
behaupteten Vereinbarung gekommen ist. Deshalb durfte der Vortrag
des Beklagten, er bestreite den Abschluß eines Vertrages zwischen
S. und H., vom Landgericht nicht als unsubstantiiert und aus diesem
Grunde als entscheidungsunerheblich angesehen werden. Dies gilt um
so mehr, als sich aus dem Sachvortrag der Parteien und dem Inhalt
der Akten einige Indizien ergeben, die geeignet sein könnten, den
Sachvortrag des Beklagten zu stützen, die Unterschrift des Zeugen
H. auf dem zwischen ihm und S. angeblich geschlossenen
schriftlichen Vertrag sei gefälscht. Vergleicht man nämlich die
unstreitig von dem Zeugen H. stammenden Unterschriften auf den von
dem Beklagten vorgelegten Schreiben des Zeugen H. (Blatt 113-115
d.A.) und namentlich die Unterschrift des Zeugen H. auf seinem
Personalausweis (Blatt 58 der Beiakte) mit der angeblich von ihm
stammenden, neben das Datum "20/1/93" gesetzten Unterschrift,
spricht viel dafür, daß die letztgenannte Unterschrift nicht vom
Zeugen H. stammt. Es kommen drei weitere Ungereimtheiten hinzu, die
Anlaß geben könnten, dem diesbezüglichen Sachvortrag des Klägers
kritisch zu begegnen. Zum einen hat der Kläger nämlich keine
Erklärung dafür geben können, warum auf dem in Kopie vorgelegten
Interpretenvertrag auf der letzten Seite rechts unten das Datum des
"14/1/93" steht, während das angeblich damit korrespondierende
Vertragsangebot (Blatt 5 des Anlagenhefters) an derselben Stelle
das Datum des "14/1/94" trägt. Darüber hinaus ist auffällig, daß
das Vertragsangebot und der angeblich von H. unterschriebene
Vertrag in ihrem Papierformat nicht identisch sind. Der angeblich
von H. unterschriebene Interpretenvertrag hat andere "Umbrüche" als
der nur mit der Unterschrift des Zeugen S. versehene Vertrag. Anlaß
zu Argwohn gibt schließlich auch der Umstand, daß sich auf Seite 3
des von H. angeblich unterschriebenen Exemplars des
Interpretenvertrages ein handschriftlicher Zusatz findet, der in
dem Angebot des Zeugen S. nicht vorhanden ist, und zu dem sich der
Kläger nicht erklärt hat.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Trotz des hiernach erheblichen Bestreitens des Beklagten
bedurfte es im Ergebnis gleichwohl nicht der Vernehmung der zur
Frage des Zustandekommens des Vertrages von den Parteien benannten
Zeugen S. und H.. Denn auch dann, wenn der Vertrag wirksam
zustandegekommen sein sollte, ist er nicht mehr bei Bestand, hat
vielmehr durch die mit anwaltlichem Schreiben vom 24.10.1995 von H.
erklärte fristlose Kündigung sein Ende gefunden. Das folgt aus §
626 Abs. 1 BGB, wonach ein Dienstverhältnis von jedem Vertragsteil
aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt
werden kann, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem
Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles
und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die
Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der
Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des
Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Das ist hier der
Fall. Die Vorschrift des § 626 BGB, die auf alle
Dauerschuldverhältnisse anwendbar ist (BGH NJW 1972, 1128),
berechtigte den Zeugen H. zur fristlosen Kündigung. Denn der Kläger
ist, worauf der Senat im Termin zur mündlichen Verhandlung vom
12.05.1999 ausdrücklich hingewiesen hat, dem Sachvortrag des
Beklagten nicht hinreichend entgegengetreten, wonach S. von H.
vielfach vergeblich aufgefordert worden ist, abzurechnen und den in
§ 12 des Interpretenvertrages für jede verkaufte CD zu seinen
Gunsten vorgesehenen Betrag auszuzahlen. Dieser Vortrag, der -
anders als das Amtsgericht Köln in seinem im einstweiligen
Verfügungsverfahren ergangenen Urteil vom 20.06.1997 (131 C 128/97)
aufgrund des ihm unvollständig vorgetragenen Sachverhalts
angenommen hat - mit Rücksicht auf das Berufungsvorbringen im
Verfügungsverfahren nicht der notwendigen Substantiierung entbehrt,
gilt deshalb gemäß § 138 ZPO als zugestanden. Der Beklagte brauchte
und braucht nicht im einzelnen anzugeben, wann genau der Zeuge H.
den Zeugen S. vor der Kündigungserklärung vom 24.10.1995 zur
Abrechnung und Zahlung aufgefordert hat und welche konkrete
Produktionen davon betroffen gewesen sind. Denn der Zeuge S. hat in
seinem im Anschluß an und in Reaktion auf das Kündigungsschreiben
verfaßten und im damaligen Berufungsverfahren vorgelegten Schreiben
vom 27.10.1995 (Blatt 137 der Beiakte 131 C 128/97 AG Köln) gar
nicht in Abrede gestellt, daß er von H. zur Abrechnung und Zahlung
aufgefordert worden ist und daß er dieser Aufforderung trotz
verschiedener Anfragen nicht nachgekommen ist. Im Gegenteil: Aus
dem Schreiben des Zeugen S. ergibt sich seine endgültige
Erfüllungsverweigerung gerade in Bezug auf den
streitgegenständlichen CD-Tonträger, indem er den Zeugen H. in
offensichtlich vertragswidriger Weise darauf hingewiesen hat, H.
könne und solle sich an die GEMA wenden, dort könne er die
Verkaufszahlen feststellen. Durch den Inhalt seines Schreibens vom
27.10.1995 hat S. selbst die für den Zeugen H. bestehende
Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Vertragsverhältnisses und die
daraus folgende Berechtigung zur fristlosen Kündigung dokumentiert
und bestätigt.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Ist folglich dem nach dem Sachvortrag des Klägers zwischen S.
und H. geschlossenen Vertrag durch die Kündigungserklärung des
Zeugen H. vom 24.10.1995 der Bestand genommen, und stehen dem
Kläger deshalb Nutzungsrechte an dem streitgegenständlichen
CD-Tonträger nicht zu, war die Klage auf die Berufung des Beklagten
unter gleichzeitiger Änderung des angefochtenen Urteils
abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung
über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713
ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Wert der Beschwer des Klägers: 20.000,00 DM</p>
|
114,366 | olgk-1999-09-03-6-u-5799 | {
"id": 822,
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"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 6 U 57/99 | 1999-09-03T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:37 | 2019-02-11T10:39:15 | Urteil | ECLI:DE:OLGK:1999:0903.6U57.99.00 | <h2>Tenor</h2>
1.) Auf die Berufung des Beklagten wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das am 17.12.1998 verkündete Urteil des Landgerichts Bonn - 14 O 134/98 - teilweise abgeändert und im Hauptausspruch wie folgt neu gefaßt:
Der Beklagte wird unter Klageabweisung im übrigen verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 500.000 DM, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zur Dauer von 6 Monaten zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in Zeitungsanzeigen für eine Kfz.-Finanzierung zu werben, ohne den effektiven Jahreszins anzugeben und als solchen zu bezeichnen, wenn dies in der nachstehend wiedergegebenen Form geschieht:
2.) Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen haben der Kläger zu 1/5 und der Beklagte zu 4/5 zu tragen.
3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4.) Die Beschwer der Parteien wird wie folgt festgesetzt:
für den Kläger auf 6.000 DM,
für den Beklagten auf 24.000 DM.
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline;"><b>E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e</b></span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist zulässig, hat aber nur zu einem kleinen Teil
Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht dem Beklagten die
beanstandete Werbung durch Zeitungsinserate untersagt. Zu Unrecht
begehrt der Kläger, dessen Prozeßführungsbefugnis aus § 13 Abs. 2
Ziff.2 UWG außer Streit ist, aber darüberhinaus auch ein Verbot
dieser Werbung in anderen Werbeträgern, weil es hierfür an einer
Begehungsgefahr fehlt. Insofern ist die Berufung des Beklagten
gegen das Urteil des Landgerichts, das auch die Werbung in anderen
Werbeträgern als Zeitungsinseraten erfaßt, begründet.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die auf S.2 dieses Urteils eingeblendete streitgegenständliche
Werbung enthält einen Verstoß gegen § 4 Abs.1 PAngV, weil in ihr
die Gesamtkosten für die beworbene Kfz-Finanzierung zwar angegeben,
aber nicht als "effektiver Jahreszins" bezeichnet worden sind. Ob
dieser Verstoß sich im Hinblick auf die im Jahre 1997
vorangegangene Werbung des Beklagten bereits gem. § 1 UWG als
unlauter darstellt, kann dahinstehen. Denn die Anzeige ist darüber
hinaus aus den im einzelnen auf S.6 der angefochtenen Entscheidung
dargelegten Gründen, auf die gem. § 543 Abs.1 ZPO verwiesen wird,
irreführend und verstößt so zumindest gegen § 3 UWG. Das bedarf
keiner weiteren Begründung, weil die Gestaltung der Werbung die von
der Kammer dargelegte unrichtige Zuordnung der Angabe von 1,9 % auf
die gesamte Laufzeit von 36 Monaten nahelegt und die Parteien über
die Wettbewerbswidrigkeit der Anzeige auch nicht streiten. Die
Schaltung der zumindest irreführenden Werbung begründet im oben
tenorierten Umfange aus §§ 3, 13 Abs.2 Ziff.2 UWG den geltend
gemachten Unterlassungsanspruch. Denn aus den ebenfalls von dem
Landgericht (auf S.7 seiner Entscheidung) bereits zutreffend
dargelegten Gründen ist der Wettbewerbsverstoß geeignet, den
Wettbewerb auf dem Markt des Kfz-Handels im Sinne des § 13 Abs.2
Ziff.2 UWG wesentlich zu beeinträchtigen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht den Beklagten als
passivlegitimiert angesehen und dementsprechend zur Unterlassung
verurteilt. Entgegen der Auffassung der Kammer ergibt sich die
Haftung des Beklagten indes nicht daraus, daß dieser gem. § 13
Abs.4 UWG für ein Fehlverhalten des Zeitungsverlages bei der
Umsetzung des Anzeigenauftrages einstehen müßte. Die hiergegen von
dem Beklagten vorgebrachten Einwände werden von dem Senat geteilt.
Gleichwohl kann die Berufung keinen Erfolg haben, weil der Beklagte
- schon ausgehend von seinem eigenen Vorbringen - selbst Störer ist
und deswegen unmittelbar aus § 3 UWG in Anspruch genommen werden
kann.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Wortlaut des Anzeigenauftrages schloss die Möglichkeit einer
Veröffentlichung der Werbung mit dem irreführenden Wortlaut ein,
mit dem sie dann tatsächlich auch erschienen ist. Aus diesem Grunde
muss der Beklagte als wettbewerbsrechtlicher Störer für sie
einstehen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat bereits in erster Instanz (S.3 der
Klageerwiderung = Bl.41) vorgetragen, er habe telefonisch
<i>"darauf hingewiesen, daß der Hinweis auf die
Finanzierungsmöglichkeit über die Fiat-Bank in der Anzeige mit
demselben, unveränderten Text abgedruckt werden sollte, wie er bei
der Aktion im Oktober bis Dezember 1997 verwendet worden war".
I</i>m Berufungsverfahren (S.3 der Replik vom 21.7.1999 = Bl.127)
hat er sich ausdrücklich hierauf bezogen. In dem angegebenen
Zeitraum waren von dem Beklagten insgesamt zehn Anzeigen im Bonner
General-Anzeiger geschaltet worden. Diese Werbeanzeigen waren
bezüglich der in ihnen enthaltenen und hier allein interessierenden
Finanzierungsangebote unterschiedlich ausgestaltet. Während es
teilweise "1,9 % eff.Jz. bis 60 Mon. Laufzeit" gelautet hatte,
hatte der Text teilweise auch die Formulierungen "1,9 % eff. p.a.
bei 60 Mon." und "1,9 % eff.p.A. bis 60 Mon." enthalten.
Demgegenüber hatte der Prozentsatz in allen Anzeigen einheitlich
1,9 % gelautet. Vor diesem Hintergrund war der zitierte
fernmündliche Anzeigenauftrag dahin zu verstehen, daß die Anzeige
bezüglich des Finanzierungsangebotes alle diejenigen Elemente
wieder aufweisen sollte, die auch alle vorangegangenen Anzeigen
übereinstimmend aufgewiesen hatten. Was demgegenüber die in der
Vergangenheit unterschiedlich ausgestalteten Einzelheiten anging,
so sollte es ersichtlich - wie möglicherweise bereits in der
Vergangenheit - dem beauftragten Zeitungsverlag überlassen bleiben,
zu entscheiden, in welcher Fassung diese gedruckt würden. Diese
Unterscheidung zu treffen machte auch einen Sinn, weil nur die
Angaben über die - im vorliegenden Fall abweichend 36 Monate
betragende - Laufzeit und über die Höhe des Prozentsatzes von
wirtschaftlicher Bedeutung waren, nicht aber die Frage, wie zum
Ausdruck gebracht wurde, daß sich die Prozentzahl auf den
effektiven Jahreszins bezog. Diese Auslegung des Teiles des
fernmündlichen Anzeigenauftrages, der das Finanzierungsangebot zum
Gegenstand hatte, findet ihre Bestätigung in dem weiteren Vortrag
des Beklagten in der Klageerwiderung, wonach die Wiederauflage der
Sonderfinanzierung, also die erneute Einräumung eines Zinssatzes
von 1,9 %, Grund u.a. für die Schaltung der streitgegenständlichen
Anzeige war.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Ausgehend hiervon umfaßte der Auftrag auch die Möglichkeit, daß
der Verlag - wie es dann tatsächlich auch geschehen ist - die
Angabe, daß es sich bei den 1,9 % um den effektiven Jahreszins
handele, ganz weglassen würde. Zumindest mußte der Beklagte mit
dieser Möglichkeit rechnen und sicherstellen, daß die Bestimmungen
der Preisangabenverordnung eingehalten wurden und durch die
fehlende Angabe keine Irreführung über die Zinshöhe entstehen
konnte.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Der Umstand, daß ihm freigestellt war, in welcher Weise er die
Bezeichnung des Prozentsatzes als effektiven Jahreszins vornahm,
legte für den Verlag den Schluß nahe, daß diese Bezeichnung auch
ganz entfallen konnte. Dem Beklagten kam es mit der oben
wiedergegebenen Formulierung seines Auftrages ersichtlich nur
darauf an, daß wiederum die - wirtschaftlich einzig bedeutsame -
Angabe von 1,9 % aus der Anzeige hervorging. Überdies hatte der
Beklagte in der Vergangenheit für die Bezeichnung des effektiven
Jahreszinses teilweise Formulierungen verwendet oder geduldet, wie
etwa "1,9 % eff. p.a. bei 60 Mon.", bei denen ausgesprochen
zweifelhaft war, ob auch nur der durchschnittliche Leser aus diesen
Abkürzungen den Begriff "effektiver Jahreszins" herauslesen würde.
Mußte die Angabe aber nicht verständlich sein, so konnte sie auch
entfallen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Wegen dieser Gefahr eines irreführenden Abdruckes der Anzeige
ohne die Bezeichnung der Prozentangabe als effektiven Jahreszins
durfte der Beklagte den Anzeigenauftrag nicht auf die von ihm
selbst beschriebene Weise erteilen. Aus diesem Grunde haftet er
selbst als Störer für das Erscheinen der Anzeige in der
angegriffenen Fassung.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, daß die Parteien im
Verfahren bislang lediglich über die Frage einer Haftung des
Beklagten für ein etwaiges Fehlverhalten des Zeitungsverlages
gestritten haben, besteht entgegen der Auffassung des Beklagten
kein Anlaß, diesem die Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu
geben.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hatte im Termin zur mündlichen
Berufungsverhandlung, in dem der Senat die vorstehend dargelegte
Rechtslage erörtert hat, die Möglichkeit, hierzu Stellung zu
nehmen, und hat diese auch ausführlich genutzt. Es trifft auch
nicht zu, daß der Anzeigenauftrag - entgegen dem ausdrücklichen
bisherigen Vortrag des Beklagten in beiden Instanzen - wegen des
unterschiedlichen Wortlautes der vorangegangenen Anzeigen nicht mit
den oben wörtlich wiedergegebenen Worten erteilt worden sein könnte
und deswegen eine Klarstellung durch den Beklagten persönlich
erforderlich wäre. Daß der Auftrag mit dem vorgetragenen Wortlaut
einen eindeutigen Sinn hatte, ist vorstehend ausgeführt worden.
Ebenso ergibt sich aus der obigen Begründung, daß die
vorangegangenen Formulierungen, auf die sich der Beklagte bezogen
haben will, durchaus auch die Gefahr eines völligen Weglassens der
Bezeichnung der Prozentangabe als effektiven Jahreszins in sich
bargen. Schließlich gebietet auch die Vorschrift des § 139 ZPO
keinen weitergehenden richterlichen Hinweis. Insbesondere hatte
bereits der Kläger, nämlich auf S.5 der Berufungserwiderung (=
Bl.120), den Vortrag zur Auftragserteilung als unsubstantiiert
gerügt und darauf hingewiesen, daß die vorangegangenen Anzeigen
unterschiedlich gestaltet waren, und daraus den Schluß auf einen
gewissen Gestaltungsspielraum des Verlages gezogen. Nachdem hierauf
der Beklagte erwidert hatte (S.3 der Replik = Bl.127), er wisse
nicht, welchen substantiierten Vortrag der Kläger erwarte, dem
Anzeigenbetreuer sei wie in der Klageerwiderung vorgetragen der
richtige Anzeigentext genannt worden, bestand keine Hinweispflicht,
weil der Tatsachenvortrag eindeutig war und der Kläger zutreffend
auf die sich ergebende Rechtsfolge hingewiesen hatte. Überdies
hatte der Beklagte die bereits dargelegte Gelegenheit, im
Verhandlungstermin zu den rechtlichen Folgen seines
Tatsachenvortrages Stellung zu nehmen. Schließlich kommt eine
Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung zur Erteilung eines
Hinweises bzw. zur Ermöglichung weiteren Vortrages auch deswegen
nicht in Betracht, weil dem Beklagten die Rechtsauffassung des
Senats seit der Verhandlung am 6.8.1999 bekannt ist und er auch mit
dem Schriftsatz vom 19.8.1999, mit dem er die Möglichkeit zu
ergänzendem Sachvortrag erstrebt, nicht vorträgt, welchen von
seinem bisherigen Vortrag abweichenden Inhalt die Beauftragung des
Verlages denn tatsächlich gehabt haben soll.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Aus den vorstehenden Gründen ist die Klage im wesentlichen
begründet. Soweit der Kläger indes eine Verurteilung auch für
Werbungen in anderen Werbeträgern als Zeitungen erstrebt, ist die
Klage auf die Berufung des Beklagten abzuweisen, weil insofern eine
Begegehungsgefahr nicht besteht. Es handelt sich bei der
angegriffenen Anzeige in Stil, Größe und Aufmachung um eine
typische gewerbliche (Klein-) Anzeige. Aus diesem Grunde kann aus
ihrem Erscheinen nicht auf die Gefahr geschlossen werden, daß sie
gleichlautend auch in anderen Werbeträgern geschaltet werden
könnte, zumal die Irreführung auch durch die grafische Anordnung
der Prozentangabe geprägt wird und nicht vorgetragen ist, welche
Werbeträger insoweit im Betracht kommen sollen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Soweit der Senat im übrigen den Wortlaut des Urteilstenors
geringfügig abgeändert hat, stellt dies keine inhaltliche Änderung
dar und dient lediglich der sprachlichen Präzisierung und genaueren
Anpassung des Titels an die konkrete Verletzungsform.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs.1 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Der Senat schätzt das Interesse des Klägers an einer
Unterlassung der Werbung in anderen Werbeträgern als
Zeitungsinseraten gem. §§ 12 Abs.1 GKG, 3 ZPO auf 1/5 seines
Gesamtinteresses, weil der Beklagte bislang lediglich in einer
Zeitung inseriert hat und die Verhinderung einer Wiederholung
dieses Wettbewerbsverstosses ersichtlich ganz im Vordergrund des
klägerischen Begehrens steht.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§
708 Nr.10, 713 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die gemäß § 546 Abs.2 ZPO festgesetzte Beschwer der Parteien
entspricht dem Wert ihres Unterliegens im Rechtsstreit.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Streitwert für das Berufungsverfahren: 30.000 DM.</p>
|
114,367 | olgk-1999-09-03-6-u-9699 | {
"id": 822,
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"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 6 U 96/99 | 1999-09-03T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:37 | 2019-02-11T10:39:15 | Urteil | ECLI:DE:OLGK:1999:0903.6U96.99.00 | <h2>Tenor</h2>
Die Berufung der Antragstellerin gegen das am 10.06.1999 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 156/99 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Antragstellerin.
Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig.
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline;"><b>E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :</b></span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung der
Antragstellerin hat in der Sache keinen Erfolg. Vielmehr hat das
Landgericht seine gegen die Antragsgegnerin gerichtete, auf Antrag
der Antragstellerin vom 24.02.1999 am 02.03.1999 erlassene
einstweilige Verfügung durch das angefochtene Urteil zu Recht mit
der Begründung aufgehoben, dem Verfügungsantrag fehle die nach §§
935, 940 ZPO erforderliche Dringlichkeit, er sei deshalb
unzulässig.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Allerdings ist der Senat entgegen den vom Landgericht geäußerten
Zweifeln der Auffassung, daß die Antragstellerin mit der
Geltendmachung von Ausstattungs- und Leistungsschutzrechten bis zu
der Münchener Messe "Bau 99" im Februar 1999 zuwarten durfte, ohne
prozessuale Nachteile zu gegenwärtigen. Nähere Ausführungen hierzu
sind jedoch entbehrlich, weil das Landgericht im übrigen mit
zutreffender Begründung ausgeführt hat, daß und warum dem
Verfügungsantrag die erforderliche Dringlichkeit gefehlt hat. Der
Senat schließt sich insoweit der Begründung der angefochtenen
Entscheidung an, nimmt sie in Bezug und sieht zur Vermeidung von
Wiederholungen von der erneuten Darstellung der die Entscheidung
tragenden Gründe ab, § 543 Abs. 1 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Wie im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 13.08.1999 bereits
ausführlich erörtert worden ist, gibt das Berufungsvorbringen der
Antragstellerin dem Senat keinen Anlaß, die Richtigkeit der vom
Landgericht getroffenen Feststellung, dem Verfügungsbegehren der
Antragstellerin mangele es an der erforderlichen Dringlichkeit im
Sinne der §§ 935, 940 ZPO, in Zweifel zu ziehen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die jedenfalls für die geltend gemachten Ausstattungsansprüche
aus § 1 UWG, nach wohl herrschender Meinung (vgl. hierzu
Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 20. Auflage 1998, § 25 UWG
Rdnr. 5 einerseits und Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche,
7. Aufl., Kap. 54 Rdnr. 21 andererseits, jeweils m.w.N.) auch für
auf das Markengesetz gestützte Unterlassungsansprüche geltende
Dringlichkeitsvermutung des § 25 UWG ist im Streitfall aufgrund des
eigenen Vorbringens der Antragstellerin widerlegt. Nach ständiger
Rechtsprechung des Senats und einhelliger Auffassung in der
Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und im juristischen
Schrifttum (vgl. die Nachweise bei Baumbach/Hefermehl, a.a.O., § 25
Rdnr. 13) geht die nach Maßgabe des § 25 UWG zu vermutende
Dringlichkeit des Antrags auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung
dann verloren, wenn die antragstellende Partei trotz positiver
Kenntnis der Verletzungshandlung mit der Rechtsverfolgung zu lange
wartet, indem sie den Verletzer längere Zeit weder abgemahnt hat
noch gegen ihn gerichtlich vorgegangen ist. Denn wer in Kenntnis
der maßgeblichen Umstände und ihm fortdauernd drohenden Nachteile
ohne überzeugenden Grund längere Zeit untätig geblieben ist und
dadurch die Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs objektiv
verzögert, hat damit offenbart, daß es ihm mit dem erstrebten
Verbot in Wirklichkeit nicht so eilig ist, als daß es ihm nicht
zugemutet werden könnte, dieses im Wege eines Hauptsacheverfahrens
zu erwirken (vgl. für viele: Baumbach/Hefermehl, a.a.O., § 25 UWG
Rdnr. 13 und Teplitzky, a.a.O., Kap. 54 Rdnr. 24 und 28, jeweils
mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung und dem
Schrifttum).</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Ein solches dringlichkeitsschädliches Zuwarten ist im Streitfall
gegeben. Es kann offenbleiben, ob der Antragstellerin unter dem
Aspekt dringlichkeitsschädlichen Verhaltens bereits anzulasten ist,
daß sie nicht während des Aufbaus der Messestände an dem Wochenende
vor der Eröffnung der Messe von den unter der Bezeichnung "fibran
XPS" vertriebenen, türkisfarbenen Polystyrol-Hartschaumstoffplatten
der Antragsgegnerin Kenntnis genommen hat oder doch Kenntnis hätte
nehmen können. Denn selbst wenn man mit ihrem Sachvortrag davon
ausgehen will, tatsächlich habe sie das Produkt der
Antragsgegnerin, das die Antragstellerin namentlich wegen seiner
farblichen Ausgestaltung als unlautere Nachahmung ihrer blauen
Polystyrol-Hartschaumstoff-platten ansieht, erst am 19.01.1999 auf
der Münchener Messe "Bau '99" zur Kenntnis genommen, im übrigen
habe sie erst an diesem Tag auf der Messe ein Teilstück der von der
Antragsgegnerin dort angebotenen Hartschaumstoffplatten erhalten
können, hat die Antragstellerin selbst dann mehr als 5 Wochen
nutzlos verstreichen lassen, bevor sie schließlich am 24.02.1999
beim Landgericht Köln den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen
Verfügung gestellt hat. Unter den besonderen Umständen des
Streitfalls erweist sich dieses Zuwarten und die damit verbundene
objektive Verzögerung der Durchsetzung des jetzt geltend gemachten
Unterlassungsanspruchs als dringlichkeitsschädlich. Am 19.01.1999
hielt die Antragstellerin ein Anschauungsstück des von der
Antragsgegnerin angebotenen und vertriebenen Produkts in Händen.
Sie hätte den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung
deshalb ohne weiteres binnen weniger Tage vorbereiten und bei
Gericht einreichen können, vielleicht sogar mit dem Ziel, die
Zustellung einer etwa erlassenen einstweiligen Verfügung noch auf
der Münchener Messe zu erreichen. Besondere, intensiv zu prüfende
und deshalb zeitraubende rechtliche Problematiken konnten sich aus
Sicht der Antragstellerin nicht stellen, nachdem sie den
wesentlichen Prozeßstoff bereits zweimal, und zwar in den Jahren
1985 und 1989, aufgearbeitet hatte. Denn insoweit trägt die
Antragstellerin selbst vor, sie sei bereits in den Jahren 1985 und
1989 zweimal gezwungen gewesen, gegen Unternehmen vorzugehen, die
Polystyrol-Schaumstoffplatten in der von ihr - der Antragstellerin
- für ihre Produkte in Anspruch genommenen Farbe "blau" auf den
Deutschen Markt gebracht hatten, unstreitig habe sie seinerzeit in
den Verfahren 31 O 495/85 und 31 O 308/89 beim Landgericht Köln
entsprechende einstweilige Verfügungen erwirkt. Statt auch die
Antragsgegnerin zeitnah im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes in
Anspruch zu nehmen, hat die Antragstellerin mehr als 5 Wochen
verstreichen lassen, ohne daß sie plausibel und überzeugend hat
erklären können, warum sie so lange zugewartet hat. Namentlich ihr
Vortrag, zwar habe sie am 19.01.1999 ein Anschauungsstück des von
der Antragsgegnerin vertriebenen Produkts in Händen gehalten, sei
aber schon daran gehindert gewesen, vor dem 27.01.1999 irgendwelche
internen Schritte einzuleiten, die zur Unterbindung des gerügten
Wettbewerbsverstoßes hätten führen können, weil ihre Justitiarin
D.-R. am 21.01.1999 eine Geschäftsreise angetreten habe, von der
die Justitiarin erst am 26.01.1999 zurückgekehrt sei, entlastet sie
nicht. Abgesehen davon, daß sich die Antragstellerin nicht dazu
geäußert hat, warum sie denn gehindert gewesen sein will, die
gesellschaftsintern verantwortliche Justitiarin am Dienstag, den
19.01.1999, oder am Mittwoch, den 20.01.1999, zu informieren,
durfte sie nicht einfach die Rückkehr ihrer Justitiarin abwarten,
um sich dann von ihr sagen zu lassen, wie schon in den Jahren 1985
und 1989 sei die Einschaltung der (Kölner)
Verfahrensbevollmächtigten erforderlich, sondern hätte bereits am
19.01.1999 entweder durch direkte Einschaltung ihrer Kölner
Verfahrensbevollmächtigten oder aber durch (telefonische)
Kontaktaufnahme mit ihrer Justitiarin dafür Sorge tragen müssen,
daß umgehend das Erforderliche veranlaßt wird. Dies gilt
insbesondere vor dem Hintergrund, daß das Erscheinen der
Antragsgegnerin auf der Münchener Messe mit dem angegriffenen
Produkt die Antragsgegnerin nicht plötzlich und unerwartet
getroffen hat, jedenfalls nicht plötzlich und unerwartet treffen
durfte. Denn ungeachtet der Frage, ob die Antragstellerin die
Anmeldung der Antragsgegnerin zur Münchener Messe bereits im ersten
Halbjahr 1998 kannte, war ihr jedenfalls aus der Veröffentlichung
im Bundesanzeiger vom 08.10.1998 bekannt, daß die Antragsgegnerin
die Zulassung für eine extrudierte Polystyrol-Hartschaumplatte für
die Bundesrepublik Deutschland beantragt hatte. Deshalb sprach -
das sieht der Senat nicht anders als das Landgericht - alles dafür,
daß die Antragsgegnerin ihr türkisfarbenes Produkt in der Form und
der farblichen Ausgestaltung, wie es von der Antragsgegnerin
unstreitig seit Jahren nicht nur in Griechenland, sondern in
verschiedenen anderen nichteuropäischen und europäischen Ländern
vertrieben wird, auf der Münchener Messe vorstellen würde. Hinzu
kommt, daß es einige Zeit zuvor zwischen der Antragsgegnerin und
einem konzernverbundenen Unternehmen der Antragstellerin in
Griechenland zu einem Rechtsstreit gekommen war, in dem es
justament um den Vertrieb von türkisfarbenen Hartschaumstoffplatten
der jetzt mit der einstweiligen Verfügung angegriffenen Art in
Griechenland ging. Dann aber mußte es sich auch der Antragstellerin
geradezu aufdrängen, daß die Antragsgegnerin nach ihrem Obsiegen in
dem in Griechenland geführten Rechtsstreit nunmehr versuchen würde,
ihre türkisfarbenen Dämmplatten auch im bundesdeutschen Markt
anzubieten. Soweit die Antragstellerin in diesem Zusammenhang damit
zu argumentieren versucht hat, sie sei ein großer Konzern,
hinsichtlich ihres Kenntnisstandes komme es deshalb allein auf die
tatsächliche Kenntnis der in ihrer in S. ansässigen Rechtsabteilung
verantwortlich handelnden Personen an, greift das im gegebenen
Zusammenhang nicht. Es geht nicht darum, ob der Antragstellerin
eine Pflicht zur Marktbeobachtung oblag, ob die Antragstellerin
diese Pflicht verletzt hat und ob deshalb die
Dringlichkeitsvermutung des § 25 UWG widerlegt ist, sondern
ausschließlich darum, ob die Antragstellerin Anlaß hatte, damit zu
rechnen, die Antragsgegnerin werde ihre türkisfarbenen Dämmplatten
auf der "Bau '99" in Deutschland vorstellen. Hieran kann nach dem
Vorgesagten kein Zweifel bestehen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Gereicht es der Antragstellerin demgemäß zum Vorwurf, daß sie
nicht sofort nach Kenntnisnahme des von ihr gerügten
Wettbewerbsverstoßes tätig geworden ist, sondern die Rückkehr ihrer
Justitiarin abgewartet hat, vermag der Senat noch nachzuvollziehen,
warum die Antragstellerin zwischen dem 27.01. und dem 02.02.1999
versucht hat, über einen Mittelsmann in Erfahrung zu bringen, ob
und wo die Antragsgegnerin in der Bundesrepublik Deutschland über
eine Niederlassung verfüge. Nicht nachzuvollziehen vermag der Senat
allerdings, warum sie die Überprüfung nicht sofort nach der
Entdeckung des Produkts der Antragsgegnerin auf der Messe veranlaßt
hat und warum sie im Anschluß daran immerhin noch mehr als 3 Wochen
hat verstreichen lassen, bevor sie am 24.02.1999 den Antrag auf
Erlaß einer einstweiligen Verfügung eingereicht hat. Konkrete
Tatsachen, die das (weitere) Zuwarten plausibel oder auch nur
verständlich erscheinen lassen könnten, sind nicht vorgetragen und
auch nicht glaubhaft gemacht. Insbesondere der bloße Hinweis der
Antragstellerin, man habe einen griechischen Rechtsanwalt mit der
Prüfung der Frage beauftragt, ob eine ohne die Gewährung
rechtlichen Gehörs bei einem deutschen Gericht erwirkte
einstweilige Verfügung gegen die in Griechenland geschäftsansässige
Antragsgegnerin überhaupt würde vollstreckt werden können, läßt in
Ermangelung der näheren Darlegung (und Glaubhaftmachung) der
einzelnen unternommenen Schritte und des hierfür nötigen
Zeitaufwands die gebotene Beschleunigung der Sache nicht
erkennen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Ist die Antragstellerin demgemäß in Kenntnis der maßgeblichen
Umstände längere Zeit untätig geblieben, ohne überzeugend erklären
zu können, warum sie zwischen der Kenntniserlangung und der
Einreichung des Verfügungsantrages insgesamt mehr als 5 Wochen
gewartet hat, fehlt ihrem Verfügungsbegehren die notwendige
Dringlichkeit. Ihre Berufung gegen das angefochtene Urteil war
deshalb mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Das Urteil ist gemäß § 545 Abs. 2 Satz 1 ZPO mit seiner
Verkündung rechtskräftig.</p>
|
114,368 | olgk-1999-09-03-9-w-1799 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 9 W 17/99 | 1999-09-03T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:37 | 2019-02-11T10:39:15 | Beschluss | ECLI:DE:OLGK:1999:0903.9W17.99.00 | <span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>G r ü n d e</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat es mit Recht abgelehnt, Prozeßkostenhilfe für die beabsichtigte Klage zu bewilligen. Prozeßkostenhilfe erhält gemäß § 114 ZPO die Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung bzw. -verteidigung Aussicht auf Erfolg hat. Diese Erfolgsaussicht hat das Landgericht im Ergebnis mit Recht verneint.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat den Unfall auch dann, wenn man seine Darstellung als zutreffend unterstellt, grob fahrlässig herbeigeführt, so daß die Beklagte leistungsfrei ist, § 61 VVG. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn man annimmt, daß er zur Zeit des Unfalls infolge übermäßigen Alkoholgenusses unzurechnungsfähig war, denn in diesem Fall ergibt sich seine Verantwortlichkeit für den verursachten Schaden aus § 827 Satz 2 BGB analog. Der Kläger hat sich dann nämlich schuldhaft durch geistige Getränke in den vorübergehenden Zustand der Unzurechnungsfähigkeit versetzt. Er mußte - dies ist für den Tatbestand des § 61 VVG zusätzlich erforderlich -, als er noch zurechnungsfähig war, zumindest damit rechnen, daß er noch fahren werde und er hat dennoch keine geeigneten Vorkehrungen getroffen, um dies unmöglich zu machen (vgl. z.B. Senat r+s 1995, 205 m.Nachw.). </p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der Kläger ist nach seiner Darstellung spätestens seit 1995 alkoholkrank und hat sich verschiedenen Therapien unterzogen, weil es immer wieder zu Rückfällen kam. Er wußte, daß er dazu neigt, auch in stark alkoholisiertem Zustand Auto zu fahren. Das Landgericht hat insoweit mit Recht herausgestellt, daß er im Jahr 1996 wegen eines solchen Verstoßes zu einer Geldstrafe verurteilt worden ist. </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Kläger meint fälschlich, der unkontrollierte Alkoholgenuß, mit dem er bereits am Tag vor dem Unfall begonnen habe, sei ihm nicht anzulasten, weil er alkoholkrank sei. Auch wenn ein Alkoholkranker mit Beginn des Alkoholgenusses nicht mehr in der Lage ist, sein Trinkverhalten zu steuern, so entlastet dies den Kläger nicht, denn schon mit Aufnahme des Alkohokonsums mußte er sich darüber klar sein, daß er in den Zustand der Unzurechnungsfähigkeit geraten könnte oder zumindest in einen Zustand, in dem er sich ohne Notwendigkeit und gegen jede Vernunft entschließen würde, Auto zu fahren. Der Kläger mußte dementsprechend mit Beginn des Alkoholkonsums dafür zu sorgen, daß die Autoschlüssel für ihn nicht mehr zugänglich waren. Welche Vorkehrungen sich insoweit anboten, hat der Senat nicht aufzuzeigen. Es war Sache des Klägers, zuverlässig dafür zu sorgen, daß er in stark alkoholisiertem Zustand sein Auto nicht mehr benutzen konnte. </p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Eine Entscheidung über die Kosten erübrigt sich, vgl. § 127 Abs. 4 ZPO. Hinsichtlich der Gerichtskosten gilt GKG-KV Nr. 1908.</p>
|
114,369 | olgk-1999-09-03-ss-40999-205- | {
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"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | Ss 409/99 - 205 - | 1999-09-03T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:37 | 2019-02-11T10:39:15 | Beschluss | ECLI:DE:OLGK:1999:0903.SS409.99.205.00 | <h2>Tenor</h2>
Das angefochtene Urteil wird mit seinen Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Bergheim zurückverwiesen.<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline;"><b>G r ü n d e :</b></span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls in zwei
Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Monaten verurteilt.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die (Sprung-) Revision des Angeklagten rügt die Verletzung des §
338 Nr. 5 in Verbindung mit § 140 Abs. 2 StPO.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die ordnungsgemäß erhobene Verfahrensrüge greift durch. Die
Hauptverhandlung hat in Abwesenheit eines Verteidigers
stattgefunden, obwohl die Mitwirkung eines Verteidigers wegen der
Schwere der Tat geboten war (§ 140 Abs. 2 StPO).</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Schwere der Tat beurteilt sich vor allem nach der zu
erwartenden Rechtsfolgenentscheidung (ständige
Senatsrechtsprechung, vgl. Senatsentscheidung vom 01.04.1986 - Ss
168/86 = StV 1986, 228; vom 18.01.1991 - Ss 630/90 = wistra 1991,
194; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., § 140 Rdnr 23 m. w.
N.). Abgesehen von einfach gelagerten Ausnahmefällen, bei denen die
Mitwirkung eines Verteidigers entbehrlich sein mag, gibt eine
Straferwartung von einem Jahr Freiheitsstrafe und darüber jedoch in
der Regel Anlass zur Beiordnung eines Pflichtverteidigers (ständige
Senatsrechtsprechung, vgl. Senatsentscheidung vom 24.09.1996 - Ss
468/96; vom 02.12.1997 - Ss 693/97; Kleinknecht/Meyer-Goßner a.a.O.
m. N.). Dies gilt auch, wenn die gesamte Straferwartung nur wegen
einer erforderlichen Gesamtstrafenbildung erreicht wird
(Kleinknecht/Meyer-Goßner a.a.O. m. N.), bei der es sich auch um
die nachträgliche Bildung einer Gesamtstrafe nach § 55 Abs. 1 StGB
handeln kann. Im Übrigen kann selbst bei einer Straferwartung von
unter einem Jahr die Hinzuziehung eines Verteidigers geboten sein.
Denn es darf nicht isoliert auf den Strafausspruch im konkreten
Verfahren abgestellt werden; zu berücksichtigen sind vielmehr auch
sonstige schwerwiegende mittelbare Nachteile, etwa der drohende
Bewährungsruf in einem anderen Verfahren (vgl. Senatsentscheidung
vom 31.03.1993 - Ss 119/93 = StV 1993, 402; vom 02.12.1997 - Ss
693/93; Kleinknecht/Meyer-Goßner a.a.O., § 140 Rdnr 25 m. w.
N.).</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Nach diesen Grundsätzen hätte dem Angeklagten für die erste
Instanz ein Pflichtverteidiger bestellt werden müssen. Im Falle der
Überführung des Angeklagten war im Hinblick auf eine frühere
Verurteilung des Angeklagten eine Gesamtfreiheitsstrafe von mehr
als einem Jahr zu erwarten. Der Angeklagte ist nämlich durch Urteil
des Amtsgerichts Bergheim vom 25.02.1999 wegen gefährlicher
Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten (mit
Bewährung) verurteilt worden. Diese Strafe war gesamtstrafenfähig,
weil sie noch nicht erledigt war und die im vorliegenden Verfahren
zu beurteilenden Taten vor jenem Urteil begangen wurden (Tatzeiten
vorliegend: 12.12. und 29.12.1998). In die nachträgliche
Gesamtstrafe ist auch eine Freiheitsstrafe einzubeziehen, die zur
Bewährung ausgesetzt ist (BGH NStZ - RR 1997, 228 rechte Spalte m.
N.).</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Es lag auch nicht etwa ein einfach gelagerter Sachverhalt vor,
der trotz der genannten Straferwartung die Beiordnung eines
Pflichtverteidigers entbehrlich machte, dies schon deshalb nicht,
weil der Angeklagte bestritten hat, die beiden ihm zur Last
gelegten Ladendiebstähle begangen zu haben und jeweils Aussage
gegen Aussage stand.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Da nach allem mit Rücksicht auf die Straferwartung die
Mitwirkung eines Pflichtverteidigers gem. § 140 Abs. 2 StPO
unerlässlich war, jedoch entgegen § 338 Nr. 5 StPO unterblieben
ist, muss die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an
die Vorinstanz zurückverwiesen werden.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Zu dem Antrag im Verteidigerschriftsatz vom 12.07.1999, dem
Angeklagten Rechtsanwalt O. als Pflichtverteidiger beizuordnen, ist
anzumerken:</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Der Vorsitzende des Revisionsgerichts entscheidet über die
Beiordnung eines Pflichtverteidigers nur, wenn es um die Mitwirkung
an der Revisionshauptverhandlung geht (vgl.
Kleinknecht/Meyer-Goßner a.a.O., § 140 Rdnr 5, § 350 Rdnr 7 m. w.
N.). Im Übrigen ist das Tatgericht zuständig, auch soweit die
Verteidigerbestellung für die Revisionsbegründung begehrt wird. Da
eine rückwirkende Bestellung unzulässig ist (vgl.
Kleinknecht/Meyer-Goßner a.a.O., § 141 Rdnr 8) und die
Revisionsbegründung bereits vorliegt, war eine Übersendung der
Akten an das Amtsgericht zur vorherigen Entscheidung über den
Beiordnungsantrag nicht erforderlich.</p>
|
114,370 | olgk-1999-09-03-19-u-5499 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 19 U 54/99 | 1999-09-03T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:37 | 2019-02-11T10:39:16 | Urteil | ECLI:DE:OLGK:1999:0903.19U54.99.00 | <h2>Tenor</h2>
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Aachen vom 18. Dezember 1998 - 43 O 212/97 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 290.000,-- DM abzuwenden, wenn nicht zuvor der Gegner in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Die Sicherheiten können auch durch Bürgschaften einer deutschen Großbank, einer Genossenschaftsbank oder einer öffentlichen Sparkasse erbracht werden.
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">T a t b e s t a n d</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat von der Beklagten den Kaufpreis für gelieferte
Hard- und Software, ferner die Bezahlung von Transport-, Beratungs-
und Installationskosten sowie von Wartungspauschalen in Höhe von
insgesamt 263.882,14 DM begehrt. Die Beklagte ist eine 100%-ige
Tochter eines österreichischen Unternehmens und in Ungarn ansässig;
sie beliefert mit eigenen Fleischprodukten Großhändler und
Handelsketten.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Am 25.2.1994 bot die Klägerin der Beklagten schriftlich die
Lieferung von Hard- und Software zur elektronischen
Datenverarbeitung in deren Betrieben in Budapest und Hédervár für
die Bereiche Absatz, Einkauf/Zerlegung und Produktion zum
Gesamtpreis von mehr als 920.000,-- DM ohne Mehrwertsteuer,
Installations- und Einweisungskosten an. Dieses Angebot wurde von
der Beklagten nicht angenommen. Etwa 1 1/2 Jahre später, nämlich
mit "Produktschein" vom 9.8.1995, bestellte die Beklagte bei der
Klägerin ein Mehrplatzsystem, bestehend aus Server und
Bürostationen mit Verkabelungen sowie als "Absatzprogramme" Basis-
und Warenwirtschaftsprogramme. In einer schriftlichen
"Projektvereinbarung" vom selben Tag wurden die Verträge zu dem
"Projekt L. Stufe 1" zusammengefasst, für Hard- und Software ein
Pauschalpreis von 165.000,-- DM bestimmt und die monatliche
Vergütung aus dem gleichzeitig abgeschlossenen Wartungsvertrag für
die Software auf 0,9 % und für die Hardware auf 0,4 % des
Bruttovertragspreises festgelegt. Die Auslieferung erfolgte in den
Monaten September bis November 1995. Spätestens seit Februar/März
1996 wurde die Hard- und Software ohne Beanstandungen im Echtlauf
praktisch eingesetzt.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Im Juni 1996 verhandelte die Beklagte, die hierbei einen
Unternehmensberater eingeschaltet hatte, mit der Klägerin über den
Erwerb einer Finanzbuchhaltungssoftware. Sie wünschte dabei
ausdrücklich ein zweisprachiges (deutsch/ungarisches)
Softwaresystem, das die Einhaltung ungarischer Rechtsvorschriften
gewährleisten sollte. Unter dem 19./24.6.1996 bestellte die
Beklagte diese Software bei der Klägerin für 17.800,-- DM. In der
Folgezeit beanstandete die Beklagte Fehler dieses Programms und
hierzu nicht eingehaltene Zusagen und forderte von der Klägerin mit
Schreiben vom 3.1.1997 schließlich bis zum 21.1.1997 definitive
Zusagen und Lösungen, da sie ansonsten vom Kauf zurücktreten müsse.
Die Klägerin erwiderte mit Schreiben vom 21.1.1997, die
Beanstandungen bezögen sich ausschließlich auf die
Finanzbuchhaltung, seien überwiegend in der Zwischenzeit durch ein
Update erledigt worden und würden im übrigen den gemeinsamen
Festlegungen entsprechend erledigt. Mit Schreiben vom 20.2.1997
erklärte die Beklagte, sie trete hiermit von sämtlichen Verträgen
zurück, da die gelieferte Hard- und Software ihren Erwartungen
nicht entspräche (Bl. 51/70 d.A.).</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat behauptet, die gesamte von ihr gelieferte Hard-
und Software habe einwandfrei funktioniert. Probleme seien erst
nach Einrichtung der Finanzbuchhaltungssoftware aufgetreten und auf
manipulative Eingriffe oder Fehler von Mitarbeitern der Beklagten
zurückzuführen, die diesen trotz ausführlicher Einweisung
unterlaufen seien. Die Behebung von kleineren Fehlern habe die
Beklagte verhindert, die Handbücher zur Hard- und Software seien
vereinbarungsgemäß in deutscher Sprache geliefert worden. Fehler
der Finanzbuchhaltungssoftware berechtigten die Beklagte nicht zur
Wandlung der früher abgeschlossenen Verträge.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zu verurteilen, an sie 263.882,14 DM nebst 1 %
Zinsen monatlich aus 248.099,45 DM seit dem 3.2.1997 und 15.782,69
DM seit Klagezustellung zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Sie hat behauptet, die von der Klägerin erworbene Hard- und
Software habe von Anfang an ein Gesamtpaket darstellen sollen. Die
gelieferte Anlage habe den vertraglichen Anforderungen nicht
entsprochen. So hätten weder Umsatzsteuervoranmeldungen noch für
jeden Kunden eine monatliche Aufstellung der in Anspruch genommenen
Skonti erstellt werden können, was nach ungarischem Recht
erforderlich sei. Auch habe die Dialogfähigkeit zwischen den
einzelnen Modulen der Software gefehlt. Handbücher seien weder in
deutscher noch in ungarischer Sprache geliefert, bei den
Bildschirmmasken sei teilweise die ungarische, teilweise die
deutsche Sprache verwendet worden. Die Beklagte hat desweiteren
Probleme bei den Buchungen bemängelt und behauptet, die
beanstandeten Fehler wiederholt angemahnt zu haben, ohne dass die
Klägerin ihnen abgeholfen habe.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und
Streitstandes sowie wegen des Ergebnisses der im ersten Rechtszug
durchgeführten Beweisaufnahme wird auf den Tatbestand des
angefochtenen Urteils Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 206.987,39 DM
nebst Zinsen verurteilt und die Klage abgewiesen, soweit die
Klägerin eine Vergütung für die im Juni 1996 erworbenen Software
(Fibu) verlangt hat. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte
sei wirksam von diesen Verträgen zurückgetreten, weil die Klägerin
sie teilweise nicht erfüllt habe. So habe sie keine Handbücher in
ungarischer Sprache bereitgestellt, die gelieferten deutschen
Handbücher seien in wichtigen Punkten unvollständig gewesen. Auch
sei das Programm "Finanzbuchhaltung" zu Direktverbuchungen im
Dialogbetrieb nicht in der Lage gewesen. Das Rücktrittsrecht wegen
dieser Verträge erstrecke sich nicht auf die zuvor abgeschlossenen,
weil es sich insoweit um getrennte Verträge handele. Wegen der
weiteren Begründung wird auch insoweit auf den Inhalt der
angefochtenen Entscheidung verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Mit der form- und fristgerecht eingelegten und auch rechtzeitig
begründeten Berufung macht die Beklagte geltend:</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Verträge vom 9.8.1995 und vom 19./24.6.1996 hätten von
Anfang an eine Einheit gebildet. Das ergebe sich auch aus dem
Schreiben der Klägerin vom 21.1.1997, in dem sie im Zusammenhang
mit der Einführung der Finanzbuchhaltung von einer zweiten
Projektstufe gesprochen habe. Auch habe sich die Klägerin
verpflichtet, das Modul "Absatz" und das Modul "Finanzbuchhaltung"
auf einen einheitlichen Releasezustand zu bringen; damit seien die
einzelnen Programmteile voneinander abhängig geworden. Beide
Programme hätten auch den speziellen Anforderungen des ungarischen
Steuerrechts entsprechen und in ungarischer Sprache vorliegen
müssen. Es habe sich um speziell auf diesen Bereich zugeschnittene
Programme gehandelt, woraus folge, dass die zuerst gelieferten
Programme unbrauchbar geworden seien, nachdem die darauf
abgestimmte Finanzbuchhaltungssoftware nach dem Rücktritt nicht
mehr verfügbar sei. Auch hätten die erforderlichen Handbücher
gefehlt, für die Hardware habe die Klägerin keine Dokumentation zur
Verfügung gestellt, Handbücher für das Modul ""Absatz" in
ungarischer Sprache seien unstreitig nicht geliefert worden, obwohl
die Klägerin hierzu verpflichtet gewesen sei; das habe die Beklagte
auch bei zahlreichen Gelegenheiten mündlich beanstandet. Eine
Verzahnung zwischen den Modulen "Absatz" und "Finanzbuchhaltung"
habe nicht hergestellt werden können.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte ist der Ansicht, das mehrfache Verlangen des
Geschäftsführer der Beklagten nach Lieferung der Handbücher für die
Hardware und das Modul "Absatz" in ungarischer Sprache sei als
ausreichende Mahnung anzusehen. Einer Nachfristsetzung habe es
nicht bedurft, da die Klägerin sich in diesem Prozess auf den
Standpunkt gestellt habe, zur Lieferung derselben in ungarischer
Sprache nicht verpflichtet zu seien. Das sei als
unmissverständliche Ablehnung zu werten. Da sie wirksam
zurückgetreten sei, seien auch die Dienstleistungs- und
Wartungsverträge hinfällig geworden.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage
in vollem Umfang abzuweisen;</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">ihr zu gestatten, Sicherheiten auch durch Bürgschaften einer
deutschen Großbank, einer Genossenschaftsbank oder einer
öffentlichen Sparkasse erbringen zu können.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">die gegnerische Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Sie ist der Ansicht, die Verträge aus dem Jahr 1995 und aus dem
Jahr 1996 bildeten keine Einheit, das Rücktrittsrecht hinsichtlich
der Finanzbuchhaltung erstrecke sich deshalb nicht auf die zuvor
gelieferte Hard- und Software. Die Beklagte habe das Angebot aus
dem Jahr 1994, in dem eine einheitliche Lösung konzipiert gewesen
sei, nicht angenommen, sondern sich 1 1/2 Jahre später für eine
bescheidenere Ausstattung ihrer EDV entschieden; die
Auftragsbestätigung sei eindeutig. Das Modul "Absatz" sei
unabhängig von dem Modul "Finanzbuchhaltung", was sich bereits
daraus ergebe, dass es völlig problemlos ohne die Finanzbuchhaltung
gelaufen sei. So habe auch die Beklagte bis 1996 eine andere
Finanzbuchhaltungssoftware eingesetzt gehabt. Es sei ohne weiteres
möglich gewesen, die Finanzbuchhaltungssoftware eines anderen
Herstellers in das bestehende System zu integrieren. Die Klägerin
behauptet weiter, die Lieferung ungarischsprachiger Handbücher sei
nicht vereinbart worden, die Parteien hätten einen Vertrag nach
deutschem Recht abgeschlossen, die Beklagte habe auch gewusst, dass
das anzupassende Softwareprodukt deutschsprachig gewesen sei; sie
habe daher die Lieferung der Handbücher in ungarischer Sprache
ausdrücklich vereinbaren müssen, was nicht geschehen sei. Die
Lieferung derselben in deutscher Sprache sei abredegemäß erfolgt.
Bis zum Rechtsstreit habe die Beklagte das Fehlen derselben ihr
gegenüber auch nicht gerügt. Zu berücksichtigen sei in diesem
Zusammenhang auch, dass die Repräsentanten der Klägerin im selben
Gebäude wie die Beklagte residiert hätten und jederzeit "über den
Flur" erreichbar gewesen seien; die Betreuung durch sie sei über
die Funktion von Handbüchern weit hinausgegangen. Jedenfalls habe
die Beklagte ein auf das Fehlen von Handbüchern gestütztes
Wandlungsrecht verwirkt, da sie die Anlage über einen längeren
Zeitraum rügelos genutzt habe. Auch fehle es an der erforderlichen
Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Wegen der Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf die
Schriftsätze der Parteien nebst den überreichten Unterlagen Bezug
genommen.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Mit zutreffender Begründung hat das Landgericht festgestellt,
dass es sich bei den Verträgen vom 9.8.1995 und vom 19./24.6.1996 -
letztere betrafen die Finanzbuchhaltung - nicht um einen
einheitlichen Vertrag, sondern um zwei verschiedene Verträge
handelt. Das der Beklagten zustehende Rücktrittsrecht bezüglich des
Vertrages aus dem Jahr 1996 berechtigt sie daher nicht, gem. §§ 325
Abs. 1 S.2, 326 BGB auch von dem 1995 geschlossenen Vertrag
zurückzutreten mit der Begründung, dieser habe wegen teilweiser
Unmöglichkeit ( die Fibu betreffend ) kein Interesse mehr für sie.
Die Beklagte hat das ursprüngliche Angebot aus dem Jahr 1994, in
dem alle Leistungen der Klägerin - auch die Fibu - zu einem
Gesamtpaket zusammengefaßt waren, nicht angenommen, sondern sich 1
1/2 Jahre später zu einer kleineren Lösung entschlossen, die zwar
das Modul "Absatz", nicht aber das Modul "Fibu" zum
Vertragsgegenstand hatte (Bl. 377 d.A.) Ob und wann die Beklagte
weitere Module bei der Klägerin bestellen würde, war offen, die
1995 bestellten Programme waren ohne die Fibu voll lauffähig und
nutzbar. Daran ändert auch nichts, dass die Klägerin später, als
die Finanzbuchhaltungssoftware bereits bestellt war, von zwei
Stufen des Projekts gesprochen hat, die Beklagte hätte sich bis zur
Bestellung dieser Software auch jederzeit für eine andere Lösung
entscheiden können. Wollte die Beklagte gleichwohl die beiden
Verträge als untrennbare Einheit verstanden wissen, so hätte sie
dies ausdrücklich mit der Klägerin vereinbaren müssen, was nicht
geschehen ist.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte kann sich auch nicht zur Begründung eines
Rücktrittsrechts mit Erfolg darauf berufen, die Klägerin habe für
die 1995 gelieferte EDV keine ungarisch-sprachigen Handbücher
geliefert.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Ob die Klägerin überhaupt Handbücher in ungarischer Sprache zu
liefern verpflichtet war, ist zweifelhaft. Eine ausdrückliche
Vereinbarung ist hierüber nicht getroffen worden, explizit ist dies
erst bei der Fibu gefordert worden, wie der Zeuge Schnitter
bekundet hat (Bl. 207 d.A.). Da es sich bei der Beklagten um eine
100%ige Tochter eines österreichischen Unternehmens handelte, bei
der zumindest die Führungsebene deutschsprachig war, sprach auch
der Sitz des Unternehmens nicht zwingend für die Dokumentation in
ungarischer Sprache. Allerdings hat der Zeuge K. bekundet, man habe
schon 1995 gefordert, dass die Dokumentation auch in ungarischer
Sprache vorliegen müsse (Bl. 213 d.A.) und die Zeugen Sch. und J.
haben ausgesagt, dass bei den Masken Zweisprachigkeit ausdrücklich
gewünscht worden sei (Bl. 219, 226 d.A.), was im übrigen auch
unstreitig ist. Sollte aber das ganze System zweisprachig laufen,
was die Klägerin akzeptiert hat, so könnte man durchaus die Ansicht
vertreten, dass dann selbstverständlich auch die Dokumentation
zweisprachig sein musste. Hierfür spräche auch, dass nach Bekundung
des für die Klägerin tätigen Zeugen J. beabsichtigt war, das
deutsche Handbuch auf ungarisch zu übersetzen, wobei seiner Aussage
allerdings nicht eindeutig zu entnehmen ist, ob sich diese Absicht
nur auf die Fibu oder aber auch auf die früher bestellten Programme
bezog.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Letztlich kann diese Frage aber auf sich beruhen. Denn selbst
wenn man unterstellt, die Klägerin sei zur Lieferung
ungarischsprachiger Handbücher verpflichtet gewesen, und
desweiteren von der unter Beweis gestellten Behauptung der
Beklagten ausgeht, ihre Mitarbeiter hätten die Klägerin hieran
erinnert (Bl. 344, 118 d.A.), berechtigt dies die Beklagte nicht
zum Rücktritt vom 1995 geschlossenen Vertrag, weil es an einer
wirksamen Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung (§ 326 Abs. 1 S. 1
BGB) mangelt; diese liegt unstreitig nur hinsichtlich der Fibu
vor.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Eine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung kann allerdings
ausnahmsweise als sinnlose Förmelei entbehrlich sein, wenn der
Schuldner die Erfüllung bereits ernsthaft und endgültig verweigert
hat. An einen solchen Tatbestand sind jedoch mit Rücksicht auf die
weitreichenden Folgen strenge Anforderungen zu stellen. Solange die
Möglichkeit besteht, dass der Schuldner noch umgestimmt werden
kann, muss ein solcher Versuch unternommen werden (RGZ 102, 262,
266/67; BGH WM 1957, 1342, 1344). Für ein Absehen von dem
gesetzlichen Erfordernis der Ablehnungsandrohung ist deshalb kein
Raum, solange der Gläubiger ankündigt, nach fruchtlosem Fristablauf
einen Teil der Leistung einzuklagen, und auf diese Weise sein
fortdauerndes Erfüllungsinteresse zu erkennen gibt. Unter solchen
Umständen behält das gesetzliche Erfordernis der Fristsetzung mit
Ablehnungsandrohung vielmehr seine Funktion, klare Verhältnisse zu
schaffen und dem Schuldner in aller Deutlichkeit die Möglichkeit
abzuschneiden, sich nachträglich doch noch auf den Boden des
Vertrages zu stellen (so BGH MDR 1997, 130).</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Hiernach war eine Nachfristsetzung entgegen der Ansicht der
Beklagten nicht entbehrlich. Denn die Beklagte hat erstinstanzlich
selbst vorgetragen, die Vertretung der Klägerin in Ungarn habe
anlässlich der diversen Rügen auch wiederholt anerkannt, dass die
Verpflichtung bestehe, auch ungarische Handbücher zu liefern (Bl.
118 d.A. a.E.). Von einer ernstlichen und endgültigen
Erfüllungsverweigerung kann deshalb keine Rede sein, zumal sich
auch aus der Aussage des Zeugen J. ergibt, dass tatsächlich die
Absicht bestand, die Handbücher übersetzen zu lassen. Dass die
Klägerin sich im Prozess auf den Standpunkt gestellt hat, eine
derartige Verpflichtung bestehe nicht, diente als Rechtsansicht nur
der Verteidigung und ist insoweit unerheblich. Die Beklagte hätte
klar zu erkennen geben müssen, dass sie die Bezahlung von der
Lieferung der Handbücher abhängig mache, was sie nicht getan hat;
das gilt auch hinsichtlich der Dokumentation der Hardware. Ihr
Mahnschreiben vom 3.1.1997 (Bl. 48 d.A.) und die nachfolgende
Kündigung (Bl. 51, 70 d.A.) beschäftigen sich konkret nur mit der
Funktionsfähigkeit der Finanzbuchhaltungssoftware.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Die Kosten der hiernach erfolglosen Berufung hat nach § 97 Abs.
1 ZPO die Beklagte zu tragen. Vorläufig vollstreckbar ist das
Urteil nach §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline;">Beschwer</span> für die Beklagte: 206.987,39 DM</p>
|
114,371 | olgk-1999-09-03-19-u-6899 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 19 U 68/99 | 1999-09-03T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:37 | 2019-02-11T10:39:16 | Urteil | ECLI:DE:OLGK:1999:0903.19U68.99.00 | <h2>Tenor</h2>
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 24. Februar 1999 verkündete Schlussurteil des Landgerichts Köln - 20 O 317/96 - abgeändert und wie folgt neu ge-fasst:
Das Versäumnisurteil des Landgerichts Köln vom 21. Januar 1998 - 20 O 317/96 - wird auch hinsichtlich der Beklagten zu 1) und 2) aufrechterhalten.
Der Kläger trägt die weiteren Kosten des Rechts-streits erster Instanz, soweit über sie noch nicht entschieden ist, sowie die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die form- und fristgerecht eingelegte und auch im übrigen
zulässige Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg. Dem
Kläger steht gegen die Beklagten weder ein Anspruch auf Zahlung
eines Schmerzensgeldes zu, noch sind diese verpflichtet, ihm
zukünftige materielle und immaterielle Schäden aus dem Unfall vom
25.08.1994 in der Wohnung Car. A. T. 15, C. P. auf Mallorca zu
ersetzen, so dass auch die Feststellungsklage unbegründet ist.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Den Beklagten ist keine Verletzung einer
Verkehrssicherungspflicht vorzuwerfen, so dass Ansprüche aus §§
823, 847 BGB nicht bestehen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Nach Ansicht des Senats ist es schon äußerst zweifelhaft, ob die
Beklagten überhaupt Verpflichtete im Sinne des § 823 BGB sind.
Verpflichteter hinsichtlich der Erfüllung von
Verkehrssicherungspflichten ist grundsätzlich jeder, der in der
Lage ist, über die Sache, von der eine Gefahr ausgeht, zu verfügen.
Hier haben die Beklagten jedoch unwidersprochen vorgetragen, dass
sie selbst blind bzw. schwerst pflegebedürftig sind. Die
normalerweise mit der Rechtsposition eines Eigentümers verbundene
tatsächliche Möglichkeit, über die Sache zu verfügen, ist
angesichts dieser, den Eltern des Klägers - unwidersprochen -
bekannten Tatsache äußerst zweifelhaft. Selbst wenn man diesem
Ansatz nicht folgen wollte, so steht jedenfalls fest, dass die
Beklagten die Erfüllung der sie treffenden
Verkehrssicherungspflichten auf ihre Tochter, die Beklagte zu 3)
übertragen haben, was rechtlich zulässig ist (BGH NJW-RR 1989, 394,
siehe ausführlich hierzu Münchener Kommentar/Mertens, BGB, 3.
Aufl., § 823 Rn. 221, 227). Die Verkehrssicherungspflicht der
Beklagten zu 1) und 2) beschränkte sich daher auf eine Kontroll-
und Überwachungspflicht (BGH a.a.O.; Münchener Kommentar a.a.O. Rn.
224 m.w.N.). Dafür, dass sie diese Kontroll- und
Überwachungspflicht, die sich von ihrem Umfang her ohnehin nach den
Umständen des Einzelfalles richtet und angesichts der soeben
beschriebenen, den Eltern des Klägers bekannten Situation ohnehin
nur in einem geringen Umfang bestehen dürfte, verletzt haben, hat
der Kläger nichts vorgetragen und dies ist auch im übrigen nicht
ersichtlich.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Aber selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass die Beklagten
selbst noch versicherungspflichtig sind, bestehen Ansprüche aus §§
823, 847 BGB gegen sie nicht, da sie im Zusammenhang mit der
Vermietung der Wohnung an die Eltern des Klägers keine
Verkehrssicherungspflichten verletzt haben. Die Anforderungen des
Landgerichts an die von den Beklagten zu erfüllenden
Verkehrssicherungspflichten, die von dem Kläger geteilt werden,
sind überzogen. Vorliegend handelte es sich um eine Ferienwohnung
auf Mallorca, die nicht etwa gewerblich vermietet wurde, sondern
zum Eigennutzen angeschafft und - unwidersprochen - nur an Freunde
und Bekannte abgegeben wurde - wenn auch nicht unentgeltlich. Diese
unstreitigen Umstände haben Auswirkungen auf den Umfang der den
Beklagten obliegenden Verkehrssicherungspflichten. Denn dieser wird
u.a. auch durch die Ortsüblichkeit einerseits und den
Erwartungshorizont - in diesem Fall - des Mieters einer solchen
Ferienwohnung bestimmt (Münchener Kommentar a.a.O. Rn. 216 ff., 332
m.w.N.). Verbringt jemand seine Ferien in einem südeuropäischen
Land, so muss er sich selbst sagen, dass er dort nicht zwangsläufig
die Einhaltung deutschen Sicherheitsstandards erwarten darf.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Nach dem Vortrag des Klägers, den der Senat zwar bislang nicht
als erwiesen ansieht, den er aber zugunsten des Klägers als wahr
unterstellt, bestand die Gefahrenlage vorliegend darin, dass sich
im Schlafzimmer eine nicht voll isolierte, mit einem zweiadrigen
Anschluss versehene Nachtischlampe befand, und sowohl die Sicherung
im Stecker dieser Lampe als auch - die oder einige - Sicherungen im
Sicherungskasten mit Drähten überbrückt wurden. Abgesehen davon,
dass diese "Gefahrenlage" den Eltern des Klägers bekannt war und
von ihnen, was der Kläger sich gegebenenfalls zurechnen lassen
müsste, ohne weiteres hingenommen wurde, erlaubt diese Situation
nicht den Rückschluss auf einen objektiven Pflichtenverstoß der
Beklagten.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Das Vorhandensein von nur zweiadrigen Anschlüssen ist - wie der
Senat aus eigener Erfahrung weiß - ein in spanischen
Ferienwohnungen völlig üblicher Zustand und zwar durchaus auch im
Zusammenhang mit nicht voll isolierten Lampen. Das mag durchaus
auch den - heutigen - spanischen Sicherheitsvorschriften nicht
entsprechen. Diese Situation allein führt aber nicht zu der
Begründung einer Verkehrssicherungspflicht dahingehend, dass ein
deutscher Wohnungseigentümer in Spanien deutschen
Sicherheitsstandard in seiner Wohnung beachten muss, wenn er sie im
Freundes- und Bekanntenkreis zeitweise vermietet. Ebenso wenig wie
ein deutscher Erwerber einer spanischen Wohnung deutschen
Sicherheitsstandard als vertragsgemäße Erfüllung erwarten darf,
darf ein deutscher Urlauber erwarten, dass ihm dieser in Spanien
geboten wird. Dies zumal angesichts der Tatsache, dass selbst in
Deutschland in älteren Häusern derartige Anschlüsse heute noch
vorzufinden sind, und jeder weiß, dass dies einen gefahrerhöhenden
Zustand darstellt, auf den man sich aber ohne weiteres, vor allen
Dingen ohne Eigengefährdung, einrichten kann.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Ob - auch - das Vorhandensein überbrückter Sicherungen in
Spanien "ortsüblich" ist, vermag der Senat aus eigener Anschauung
nicht zu beurteilen. Selbst wenn diese Art der Absicherung unüblich
ist, könnte aus dem Vorhandensein einer solchen erhöhten
Gefahrenlage nur dann auf einen objektiven Pflichtenverstoß der
Beklagten geschlossen werden, wenn sie diesen Zustand entweder
gekannt und nicht beseitigt hätten, oder wenn man sie als
verpflichtet ansehen würde, ohne Anlass die Sicherungen ihrer
Wohnung daraufhin zu überprüfen/überprüfen zu lassen, ob daran
manipuliert worden ist. Beides ist nicht der Fall.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Dass die Beklagten den Zustand der Sicherungen gekannt und den
Eltern des Klägers verschwiegen haben, wird von dem Kläger zwar
behauptet. Zum einen hat er für diese Behauptung keinerlei Beweis
angetreten, zum anderen ist dies aber auch unter den gegebenen
Umständen als äußerst fernliegend zu werten. Dies folgt zum einen
daraus, dass, wie der zu Beweiszwecken vorgelegte Schalter sowie
die Lichtbilder des Sicherungskasten belegen, erstere erst aus der
Wand genommen werden musste, um die Überbrückung festzustellen bzw.
bei dem Sicherungskasten Verkleidungsteile abgebaut werden mussten,
um diese zu erkennen. Dass ein Wohnungseigentümer so etwas ohne Not
tut, ist wenig wahrscheinlich. Noch unwahrscheinlicher ist jedoch,
dass ein Wohnungseigentümer eine ja schließlich zu allererst auch
für ihn und seine Familienangehörigen selbst gefährliche Situation,
wenn er sie denn erkannt hat, hinnimmt. Ein solches gegen die
eigenen Sicherheitsinteressen gerichtetes Verhalten der Beklagten
kann jedenfalls nicht unterstellt werden.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Es überspannt nach Ansicht des Senats zudem die Pflichten des
Eigentümers einer spanischen Ferienwohnung, ohne Anlass die
Sicherungen der Wohnungen daraufhin zu überprüfen/überprüfen zu
lassen, ob daran manipuliert worden ist. Da eine Verkehrssicherung,
die jeden Unfall ausschließt, nicht erreichbar ist, muss nicht für
alle denkbaren, entfernten Möglichkeiten eines Schadenseintritts
Vorsorge getroffen werden. Auch in südeuropäischen Ländern muss man
aber nicht zwangsläufig damit rechnen, dass an Sicherungen
Überbrückungen angebracht worden sind, die deren Wirksamkeit
herabsetzen. Ohne konkreten Anlass ist das Fordern einer derartigen
Untersuchungspflicht dem Verkehrssicherungspflichtigen nicht
zumutbar.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Gibt es aber nach dem Vorhergesagten keine Anhaltspunkte dafür,
dass die Beklagten die Überbrückungen gekannt haben, und waren sie
auch nicht verpflichtet, die Wohnung ohne Anlass auf derartige
Gefahrenquellen zu untersuchen, ist für die Annahme der Verletzung
einer Verkehrssicherungspflicht nur noch unter der Voraussetzung
Raum, dass die Beklagten wussten, dass sich in der Nachttischlampe
ein Draht gelöst hatte, und diese Gefahr weder behoben, noch die
Eltern des Klägers vor diesem Zustand gewarnt haben. Dafür ist aber
weder etwas ersichtlich noch von dem Kläger vorgetragen. Dies ist
vor allem umso unwahrscheinlicher vor dem Hintergrund, dass
unstreitig nicht etwa die Beklagte zu 3) die Wohnung genutzt hatte,
bevor der Kläger mit seinen Eltern dort eingezogen ist. Vielmehr
war sie vorher von einer dritten Person benutzt worden, die sie
unmittelbar an die Eltern des Klägers übergeben hat, so dass auch
den Klägern bewusst war, dass die Beklagten vor ihrem Einzug
keinerlei Möglichkeiten mehr hatten, die Wohnung erneut auf
Sicherheitsmängel zu untersuchen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Ersatz zukünftiger
materieller Schäden gemäß § 538 BGB zu. Er ist zwar in den
Schutzbereich des von seinen Eltern mit den Beklagten geschlossenen
Mietvertrags einbezogen, und kann von daher aus eigenem Recht
Mangelfolgeschäden geltend machen (Münchener Kommentar a.a.O. §§
535, 536 Rn. 79 m.w.N.). Die Voraussetzungen einer Haftung der
Beklagten gemäß § 538 BGB sind jedoch nicht erfüllt.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Eine - verschuldensunabhängige - Garantiehaftung der Beklagten
gemäß § 538 Abs. 1 1. Alt. BGB (kritisch hierzu Münchener Kommentar
a.a.O. § 538 Rn. 4 ff.) besteht nicht. Es erscheint dem Senat schon
äußerst zweifelhaft, ob man bei der vorliegenden, bereits oben
geschilderten, konkreten Vermietungssituation hinsichtlich dieser
Ferienwohnung nicht ohnehin von einem stillschweigenden
Haftungsausschluss hinsichtlich dieser Gefährdungshaftung ausgehen
muss. Aber selbst wenn man dies verneint, scheidet eine Haftung aus
§ 538 Abs. 1 1. Alt. BGB hier aus.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Soweit man einen Mangel der Ferienwohnung in dem Vorhandensein
einer nicht voll isolierten, zweiadrigen Lampe sehen wollte,
scheitert der Ersatzanspruch des Klägers jedenfalls gemäß § 539 BGB
daran, dass seinen Eltern als den Mietern der Wohnung dieser
"Mangel" bei Vertragsschluss bekannt war. Die Lampe befand sich -
unwidersprochen - bereits in all den Jahren dort, in denen der
Kläger mit seinen Eltern zuvor Ferien in der Wohnung verbracht
hatte. Die Eltern kannten ebenso wie der Kläger selbst somit den
"mangelhaften Zustand" im Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages
über die Ferienwohnung im Jahre 1994.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Soweit man den Mangel der Mietsache in den überbrückten
Sicherungen im Sicherungskasten sehen wollte, die bekanntermaßen im
nicht überbrückten Zustand eine weitere Sicherung gegen
Stromschläge darstellen sollen, scheitert der Anspruch aus § 538
Abs. 1 1. Alt. BGB gemäß § 545 Abs. 2 BGB zum einen daran, dass die
Eltern des Klägers, die nach seinem Vortrag diesen Zustand zu
Beginn des Mietverhältnisses im Jahre 1994 erkannt haben, ihn nicht
gemäß § 545 Abs. 1 BGB den Beklagten angezeigt haben, so dass die
Beklagten nicht rechtzeitig Abhilfe schaffen konnten (Münchener
Kommentar a.a.O. § 545 Rn. 13; Palandt/Putzo, BGB, 58. Aufl., § 545
Rn. 11). Darüber hinaus spricht vieles dafür, dass diese
Sicherungssituation ausgehend von dem subjektiven Fehlerbegriff der
§§ 537, 538 BGB (siehe Staudinger/Emmerich, BGB, 13. Aufl., § 537
Rn. 4) vorliegend keinen Mangel, sondern vielmehr durchaus noch die
Erfüllung des vertragsgemäßen Gebrauchs darstellt. Insbesondere vor
dem Hintergrund der hier gegebenen, bereits oben dargestellten
besonderen Vermietungssituation spricht viel dafür, dass die Eltern
des Klägers dadurch, dass sie in Kenntnis der gefahrerhöhenden
Absicherungssituation die Wohnung weiter genutzt haben, ohne für
ihre eigene Sicherheit und die des Klägers weitere Vorkehrungen zu
treffen, diesen Zustand als an spanischen Verhältnissen gemessen
"vertragsgemäß" akzeptiert haben.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Eine Haftung käme mithin nur wegen des in der Lampe selbst
abgerissenen Drahtes in Betracht, der dazu führt, dass die Lampe
u.a. in dem Metallteil am Fuß unter Strom stand. Aber auch
bezüglich dieses Mangels sind die Voraussetzungen des § 538 BGB
nicht erfüllt. Ein Anspruch aus § 538 Abs. 1 1. Alt. BGB scheitert
daran, dass der Kläger nichts dazu vorgetragen hat und auch sonst
nichts hierfür ersichtlich ist, dass dieser Mangel bereits in dem
Zeitpunkt vorhanden war, als die Eltern des Klägers mit den
Beklagten, vertreten durch die Beklagte zu 3), den Mietvertrag über
die Ferienwohnung geschlossen haben. Gemäß § 538 Abs. 1 1. Alt. BGB
haften die Beklagten für diesen Mangel dann aber nur, wenn sie ihn
zu vertreten haben. Dafür ist von dem insoweit darlegungs- und
beweispflichtigen Kläger weder etwas vorgetragen, noch ist dies
sonst angesichts der bereits oben erwähnten Situation des
unmittelbaren Übergangs der Wohnung von einem anderen Mieter auf
die Kläger, ohne Zwischenschaltung der Beklagten, ersichtlich. Es
ist vielmehr völlig ungeklärt, wann der Draht in der
Nachttischlampe sich gelöst hat.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Da es somit selbst bei unterstellter Richtigkeit des Vortrags
des Klägers hinsichtlich der Unfallursachen bereits an einer
Anspruchsgrundlage gegenüber den Beklagten fehlt, kommt es nicht
mehr darauf an, dass auch daran, dass die für den Kläger
unbestreitbar sehr belastende Situation bezüglich seines
Augenlichts auf einen Stromschlag in der Wohnung der Beklagten
zurückzuführen ist, erhebliche Zweifel bestehen. Der
Sachverständige Sch. hat in seinem Gutachten nachvollziehbar
ausgeführt, dass der Kläger allenfalls einen leichten Stromschlag
erlitten haben kann. Demgegenüber geht das medizinische Gutachten
von einem schweren Stromschlag aus und sieht einen solchen auch als
erforderlich für die Diagnose "Blitzstar" an. Denn es wird dort im
übrigen ausgeführt, dass zwar für einen Blitzstar der elektrische
Strom nicht zwingend in Augennähe geflossen sein muss - was hier
unstreitig nicht der Fall war -, dieser vielmehr auch nach
elektrischen Verbrennungen der Extremitäten vorkomme. Der Kläger
hatte aber unstreitig keine derartigen Verletzungsfolgen an der
Hand, mit der er die Lampe berührt hat.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">3.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 10, 711, 713
ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Streitwert für das Berufungsverfahren und zugleich Wert der
Beschwer für den Kläger: 20.000,00 DM.</p>
|
114,372 | lg-dusseldorf-1999-09-02-4-o-23998 | {
"id": 808,
"name": "Landgericht Düsseldorf",
"slug": "lg-dusseldorf",
"city": 413,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 4 O 239/98 | 1999-09-02T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:37 | 2019-02-14T10:23:24 | Urteil | ECLI:DE:LGD:1999:0902.4O239.98.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Tatbestand:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin nimmt die Beklagte aus dem deutschen Anteil des europäischen Patents 0 177 330 (nachfolgend: Klagepatent, Anlage K1; deutsche Übersetzung der Beschreibung, Anlage K2) auf Unterlassung, Rechnungslegung, Auskunft, Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Das Klagepatent ist unter Inanspruchnahme der Priorität der US-amerikanischen Patentanmeldung 65 62 61 vom 1. Oktober 1984 am 1. Oktober 1985 beim Europäischen Patentamt angemeldet worden. Die Offenlegung der Patentanmeldung erfolgte am 9. April 1986, die Bekanntmachung des Hinweises auf die Patenterteilung am 19. Juni 1991.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Anspruch 1 des in der Verfahrenssprache Englisch erteilten Klagepatents, das einen Stent (medizinischen Spreizkörper zur Gefäßaufweitung) betrifft, lautet in der deutschen Übersetzung wie folgt:</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Stent (9) bzw. medizinisches Gerät zur Gefäßaufweitung, aufweisend ein Einzeldrahtstück, welches in eine geschlossene Zickzack-Gestalt geformt ist, die aus einer endlosen Aneinanderreihung von geraden Abschnitten (12) gebildet ist<b>, </b>die über eine Mehrzahl von Biegungen oder Biegestellen (13) verbunden, wobei der Stent in eine erste, kleinere Gestalt nachgiebig zusammendrückbar ist, in welcher alle geraden Abschnitte zwecks Einführung in einen Durchgang seitlich nebeneinanderliegend und dicht zueinander benachbart angeordnet sind, wobei die Biegestellen<b> </b>unter Spannung stehen, und wobei der Stent durch Freigabe der Spannung in eine zweite Gestalt nachgiebig aufweitbar ausgebildet ist, in welcher alle geraden Abschnitte einen im wesentlichen kreisförmigen oder zylindrischen Aufbau zwecks Anpressung gegen die Wand des Durchganges festlegen, um diesen offen zu halten.<b> </b></p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Wegen des ”insbesondere” geltend gemachten Patentanspruchs 2 wird auf die Klagepatentschrift Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die nachfolgend abgebildeten Figuren 1 bis 10 stammen aus der Klagepatentschrift. Die Figur 1 zeigt eine Seitenansicht eines bevorzugten Ausführungsbeispieles der Erfindung; die Figur 2 zeigt eine Draufsicht auf eine Anordnung gemäß Anspruch 1. Die Figur 3 zeigt einen Schnitt durch ein Blutgefäß, das durch einen Tumor eingeschnürt wird; die Figur 4 eine Ansicht ähnlich der Figur 3, wobei ein Schritt des Verfahrens zum Einführen des erfindungsgemäßen Stents gezeigt ist. Die Figuren 5<b> </b>und 6<b> </b>zeigen<b> </b>Ansichten anschließender Schritte des in Figur 4 dargestellten Verfahrens. Eine Ansicht ähnlich der Figur 6 zeigt die Figur 7, wobei drei Stents dargestellt sind, die gemäß einem anderen Ausführungsbeispiel der Erfindung in einem Blutgefäß positioniert sind; eine Ansicht ähnlich den Figuren 6 und 7, wobei vier Stents in einem Blutgefäß entsprechend einem weiteren Ausführungsbeispiel des erfindungsgemäßen Verfahrens überlappend positioniert sind, zeigt die Figur 8. Die Figur 9 zeigt eine Seitenansicht einer Hülse, die beim Verfahren zum Einführen des erfindungsgemäßen Stents verwendet wird und die Figur 10 einen Schnitt durch das proximale Ende der Hülse, wobei der Stent in der Hülse positioniert ist, um das Verfahren zum Einführen des erfindungsgemäßen Stents darzustellen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Ein zur Firmengruppe der Beklagten gehörendes Unternehmen hat Nichtigkeitsklage vor dem Bundespatentgericht gegen den deutschen Anteil des europäischen Patents erhoben. Diese Klage wurde mit Urteil des Bundespatentgerichts vom 29. Januar 1998 abgewiesen (Anlage K 3). Gegen das Urteil wurde Berufung zum Bundesgerichtshof eingelegt.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte bietet unter der Bezeichnung ”Vanguard” und ”Passager” zwei Typen von Stents an. Deren Ausgestaltung ergibt sich aus den von der Klägerin eingereichten Prospektblättern (Anlagen K8 und K9) sowie zwei überreichten Mustern (Anlage K 8.1 und K 9.1).</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Nachstehend abgebildet sind zwei Lichtbilder aus den Prospekten, die die beiden Ausführungsformen zeigen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat die ( … ), vor dem Landgericht München I wegen Patentverletzung auf Unterlassung, Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch genommen. Die Beklagte hat den Geschäftsbetrieb ( … ) übernommen, der sich mit der Herstellung von Stents beschäftigt. Das Landgericht München I hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens mit Urteil vom 30. Juni 1996 (Anlage B6) die Klage abgewiesen. Auf den Inhalt des Gutachtens vom 17. Mai 1998, des Ergänzungsgutachtens vom 16. November 1998 und die ergänzende Stellungsnahme vom 10. April 1999 (Anlage B3, Anlage B4 und Anlage B5) des Sachverständigen Dr. rer. nat. ( … ) wird Bezug genommen. Gegenstand des Verletzungsrechtsstreits war unter anderem auch ein Stent mit der Bezeichnung ”Stentor”, der in seiner äußeren Ausgestaltung dem Muster nach Anlage K 8.1 entspricht. </p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin sieht in den von der Beklagten angebotenen und vertriebenen Stents eine wortsinngemäße Verletzung ihres Klagepatents.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">zu erkennen wie geschehen, insbesondere wenn auch die Merkmale des Anspruchs 2 des Klagepatentes erfüllt sind.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. </p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Sie stellt eine Verletzung des Klagepatentes in Abrede.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten und zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist begründet.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatzpflicht zu, denn die Beklagte verletzt schuldhaft das Klageschutzrecht, Art. 64 Abs. 1 und Abs. 3 Europäisches Patentübereinkommen (EPÜ), §§ 9, 14, 139 Abs. 1 und Abs. 2, 140b Patentgesetz (PatG), §§ 242, 259 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), § 256 Zivilprozeßordnung (ZPO).</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die Zuerkennung des nur ”insbesondere” geltend gemachten Anspruches 2 ist entsprechend der ständigen Rechtsprechung der Kammer entbehrlich.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die Erfindung nach dem Klagepatent betrifft Stents (medizinische Spreizkörper). Die Klagepatentschrift bezeichnet es einleitend als in verschiedenen Situationen wünschenswert, über eine Einrichtung zu verfügen, mit der ein eingeengter Gefäßabschnitt aufgeweitet oder ein Durchlaß durch einen Gefäßabschnitt offen gehalten werden kann. Dies geschieht dadurch, daß der Stent stark komprimiert und mittels eines Zuführkatheters an die betreffende Gefäßstelle gebracht und dort aus dem Katheter herausgedrückt wird, wobei er sich unter Ausübung eines entsprechenden Drucks auf die Gefäßwand aufweitet, so daß diese geöffnet bzw. geweitet wird. Derartige Situationen sind beispielsweise bei der Krankheit Arteriosklerose, aber auch bei einem wachsenden Tumor gegeben, der die Blutströmung durch ein Blutgefäß einschränken oder sogar abblocken kann.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">In der Beschreibungseinleitung des Klagepatents findet sich eine ausführliche Schilderung der Entwicklung der Stents, beginnend mit einem Aufsatz von Dotter et al.. Dieser als Anlage K4 vorgelegte Aufsatz beschreibt die Verwendung von wendelförmig (spulenförmig) gewickelten Stahldrähten, die in Adern eingesetzt wurden, um diese offen zu halten.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Als weiterer Stand der Technik wird eine weitere Veröffentlichung von Dotter et. al. aus dem Jahre 1983 (Anlage K5) in der Klagepatentbeschreibung erwähnt. Bei dem sich hieraus ergebenden Stand der Technik wird ebenfalls ein<b> </b>Draht wendelförmig (spulenförmig) gewickelt. Eine Besonderheit dieses Standes der Technik ist, daß Nitinol verwendet wird, eine Metallegierung mit einem sogenannten "Formgedächtnis”. Die Legierung nimmt bei einer ersten Temperatur eine erste Gestalt und bei einer anderen Temperatur eine andere Gestalt ein. Die Figur 1 der Anlage K 5 gibt die beiden Gestalten des wendelförmigen Stents wieder. In der in der Figur 1 oben gezeigten, kleineren Gestalt kann der Stent in einfacher Weise in eine enge Hülse eingeführt werden. Befindet der Stent sich an der Stelle der Ader, wo diese aufgeweitet werden soll, wird mittels einer in die Ader eingegebenen, temperierten Flüssigkeit die Temperatur des Stents an der kritischen Stelle der Ader (also tief im Körper des Patienten) so geändert, daß der Stent auf Grund des Formgedächtnisses der verwendeten Legierung die nachfolgend gezeigte, aufgeweitete wendelförmige Gestalt annimmt und so die Ader aufweitet.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Nachstehend abgebildet ist die Figur 1 der Anlage K5.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Als weiterer Stand der Technik wird in der Beschreibung des Klagepatents eine Veröffentlichung von Cragg et al. aus dem Jahre 1983 erwähnt (Anlage K6). Auch diese Veröffentlichung schlägt wendelförmig gewickelte Drähte aus Nitinol mit Formgedächtnis vor, um in situ eine Aufweitung des Stents zu ermöglichen.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die Beschreibung des Klagepatentes bezeichnet es als Nachteil derartiger Stents aus Nitinol, daß sie in ihrer Handhabung umständlich sein können. Sie erfordern Eiswasser oder eine erwärmte Kochsalzlösung für die Positionierung. Ferner wurde bei diesen Stents festgestellt, daß bei ihnen eine Verringerung des Freiraumes innerhalb der Ader auf Grund von Fibrin–Ablagerungen (Eiweißstoff des Blutes, der bei der Gerinnung entsteht) auf den Stent-Drähten entsteht.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Das Klagepatent bezeichnet es als das technisch zu lösende Problem (die Aufgabe) der Erfindung, einen Stent bereitzustellen, der leicht zu benutzen und zu positionieren ist und der Strömungsbeeinträchtigungen, Verengungen des Freiraumes und Verstopfungen reduziert. </p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Anspruch 1 des Klagepatents löst dieses technische Problem durch folgende Merkmalskombination:</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">1. Stent (9) bzw. medizinisches Gerät zur Gefäßaufweitung,</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">2. aufweisend ein Einzeldrahtstück (10), welches in eine geschlossene Zick-Zack-Gestalt geformt ist.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">3. Die Zick-Zack-Gestalt ist durch eine endlose Aneinanderreihung gerader Abschnitte (12) gebildet, die über eine Mehrzahl von Biegungen (13) oder Biegestellen verbunden sind. </p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">4. Der Stent ist in eine erste, kleinere Gestalt federnd nachgiebig zusammendrückbar.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">5. In der ersten, kleineren Gestalt, liegen alle geraden Abschnitte zwecks Einführung in einen Durchgang seitlich nebeneinander und sind dicht zueinander benachbart angeordnet. </p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">6. In der ersten, kleineren Gestalt stehen die Biegestellen unter Spannung.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">7. Der Stent ist durch<b> </b>Freigabe der Spannung in eine zweite Gestalt nachgiebig aufweitbar ausgebildet. </p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">8. In der zweiten Gestalt legen alle geraden Abschnitte einen im wesentlichen kreisförmigen oder zylindrischen Aufbau zwecks Anpressung gegen die Wand des Durchganges fest, um diesen offen zu halten. </p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Die Klagepatentbeschreibung führt aus, daß der Draht vorzugsweise aus Edelstahl besteht (vgl. Seite 3, 4. Absatz). </p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Sie bezeichnet es als Vorteil, daß die Stents mit unterschiedlichen Durchmessern und Längen aus Edelstahl-Draht gebildet werden können, der in Zickzack-Struktur gebogen ist. Sie sind leicht perkutan in Venen und Arterien zu positionieren und sie erfordern nicht die Verwendung von Eiswasser oder heißer Kochsalzlösung, wie bei Nitinol-Spulen. Außerdem sind Fibrin-Ablagerungen auf den Stent-Drähten bei Edelstahl-Drähten, im Unterschied zu den intravaskulären Nitinol-Stents, bei denen innerhalb von vier Wochen eine Verengung des Hohlraumes aufgetreten ist, im Tierversuch nicht zu beobachten gewesen.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Die Spreizkraft des Stents kann durch Wahl des Drahtdurchmessers, der Anzahl der Drahtwindungen und der Stent-Länge eingestellt werden. Schließlich, so die Klagepatentbeschreibung auf Seite 9, 1. Absatz, können auch mehrere Stents verwendet werden. Ist je nach den Umständen der interessierende Gefäßabschnitt länger als ein Stent, so können mehrere Stents nacheinander mit geringer Überlappung an den Enden positioniert werden. Wenn die Spreizkraft eines Stents nicht ausreicht, können mehrere Stents ineinander positioniert werden, um die Spreizkraft an einer bestimmten Stelle zu erhöhen. </p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichen sämtliche Merkmale des Anspruchs 1 des Klagepatents wortsinngemäß. Der Beklagten kann weder darin gefolgt werden, daß der Sinngehalt des Anspruches 1 die Verwendung der Legierung Nitinol für die medizinischen Spreizkörper ausschließe, noch darin, daß die Merkmale 2 bis 8 des Anspruches 1 nicht von beiden angegriffenen Ausführungsformen verwirklicht würden.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Nach Art. 69 Abs. 1 EPO wird der Schutzbereich des Patents durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmt, wobei die Beschreibung und die Zeichnungen zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen sind. Inhalt bedeutet nicht Wortlaut, sondern Sinngehalt. Maßgebend ist der Offenbarungsgehalt der Patentansprüche und ergänzend - im Sinne einer Auslegungshilfe - der Offenbarungsgehalt der Patentschrift, soweit dieser Niederschlag in den Ansprüchen gefunden hat. Dies ergibt sich aus dem Protokoll über die Auslegung des Art. 69 Abs. 1 EPÜ (BGBl. 1976 II, 1000). Danach dient die Auslegung nicht nur zur Behebung etwaiger Unklarheiten in den Patentansprüchen, sondern auch zur Klarstellung der in den Patentansprüchen verwendeten technischen Begriffe sowie zur Klärung der Bedeutung und der Tragweite der Erfindung (st. Rspr. BGHZ 105, 1 - Ionenanalyse; BGHZ 133, 1 -Autowaschvorrichtung; vgl. auch zu § 14 PatG: BGHZ 98, 12 - Formstein). Für die Beurteilung entscheidend ist dabei die Sicht des auf dem jeweiligen Fachgebiet tätigen Fachmanns. Begriffe in den Patentansprüchen und in der Patentbeschreibung sind deshalb so zu deuten, wie sie der angesprochene Durchschnittsfachmann nach dem Gesamtinhalt der Patentschrift unter Berücksichtigung von Aufgabe und Lösung der Erfindung versteht (BGH Urt. v. 31. Januar 1984 - X ZR 7/82, GRUR 1984, 425, 426 - Bierklärmittel; Urt. v. 26. September 1996 - X ZR 72/94, GRUR 1997, 116, 117 f. - Prospekthalter; Urt. v. 29. April 1997 - X ZR 101/93, GRUR 1998, 133, 134 - Kunststoffaufbereitung). </p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichen die Merkmale des Anspruchs 1 des Klagepatents unter Berücksichtigung dieser Grundsätze wortsinngemäß. Unstreitig handelt es sich bei beiden angegriffenen Ausführungsformen um medizinische Geräte zur Gefäßaufweitung, sog. Stents, im Sinne des Merkmals 1. </p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Auffassung der Beklagten fallen die angegriffenen Ausführungsformen nicht schon deshalb nicht in den Schutzbereich des Anspruchs 1 des Klagepatents, weil sie aus der Legierung Nitinol bestehen.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Der Anspruch 1 selbst enthält keine Angabe über das zur Herstellung der Stents zu verwendende Material. Der Beschreibung des Klagepatentes ist zu entnehmen, daß das Klagepatent an den im Stand der Technik bereits bekannten Stents aus der Legierung Nitinol kritisiert, daß Ablagerungen von Fibrin, einem Eiweiß, auf den Stent-Drähten festgestellt wurden, durch die es zu einer Verengung des Hohlraumes gekommen ist (vgl. Anlage K2, Seite 1 am Ende/ Seite 2 oben). Auf Seite 10 der Klagepatentbeschreibung am Ende des ersten Absatzes heißt es hierzu, daß bei der Verwendung von Edelstahl-Stents keine Verengung des Freiraumes im Rahmen der Tierversuche beobachtet werden konnte. Schließlich nennt die Beschreibung noch einen weiteren Nachteil bei der Anwendung von Nitinol-Stents, nämlich daß der Einsatz von Eiswasser oder erwärmter Kochsalzlösung die Plazierung des Stents erschweren kann. Trotzdem schränkt weder die Beschreibung des Klagepatentes den Schutzbereich des Anspruchs 1 auf die Verwendung von Edelstahl für den Stent ein bzw. sie schließt die Verwendung von Nitinol als Werkstoff aus, noch läßt sich eine derartige Einschränkung aus der Aufgabenstellung des Klagepatents, die als technisch zu lösende Probleme unter anderem die leichte Positionierbarkeit des Stents und die Reduzierung von Verstopfungen der Gefäße nennt, folgern. Dies folgt insbesondere daraus, daß die Klagepatentbeschreibung auf Seite 3 im vierten Absatz ausführt: ”Der Draht besteht vorzugsweise aus Edelstahl mit ....” Bereits die Verwendung des Begriffes "vorzugsweise” zeigt, daß es sich bei Stents aus Edelstahl um eine bevorzugte Ausführungsform eines Stents nach dem Klagepatent handelt. Daß auch der Durchschnittsfachmann die Patentschrift nicht dahingehend versteht, daß auf den Werkstoff Nitinol verzichtet werden soll, hat der vom Landgericht München I beauftragte Sachverständige im übrigen auch überzeugend in seinem Gutachten vom 17. Mai 1998 auf Seite 17 dargelegt. Auf seine Begründung kann insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Beide angegriffenen Ausführungsformen erfüllen das Merkmal 2 wortsinngemäß, das verlangt, daß der Stent ein Einzeldrahtstück aufweist, welches in eine geschlossene Zick-Zack-Gestalt geformt ist, und sie erfüllen auch das Merkmal 3, das besagt, daß die Zick-Zack-Gestalt durch eine endlose Aneinanderreihung gerader Abschnitt gebildet ist, die über eine Mehrzahl von Biegungen oder Biegestellen verbunden ist. Zuzustimmen ist der Beklagten darin, daß diese beiden Merkmale die geometrische Gestalt des Stents definieren und sie daher nicht unabhängig voneinander zur Auslegung des Schutzbereiches des Anspruches 1 des Klagepatents herangezogen werden dürfen.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Betrachtet man die Gesamtgestalt der beiden angegriffenen Ausführungsformen, so bestehen diese unstreitig, wie die Klägerin und die Beklagte in der mündlichen Verhandlung anschaulich anhand der überreichten Zeichnungen und der Fotos deutlich gemacht haben, aus mehreren Einzeldrahtstücken; im Falle der angegriffenen Ausführungsform I sind es insgesamt 6 Einzeldrahtstücke (vgl. Zeichnung 2). Die Struktur der beiden Ausführungsformen weist, wie die Beklagte anhand des Fotos nach Anlage B12 dargelegt hat, eine kronen- bzw. schraubenartige Zick-Zack-Konfiguration auf, wie dies auch der vom Landgericht München I beauftragte Sachverständige auf Seite 6 seiner ergänzenden Stellungnahme vom 16. November 1998 (Anlage B5) ausgeführt hat. Der Draht wird, nachdem er die erste Etage in Zick-Zack-Form um 360° umlaufen hat, in die nächste tiefere Etage geführt und in Zick-Zack-Formung auf dieser Etage weiter geführt, um dann wieder in die nächste darunter befindliche Etage geführt zu werden etc..</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Zuzustimmen ist der Klägerin jedoch darin, daß bei der Beurteilung der Frage, ob die angegriffenen Ausführungsformen die geometrische Zick-Zack-Gestalt im Sinne der Merkmale 1 und 2 aufweisen, der Fachmann nicht auf die beiden Ausführungsformen in ihrer Gesamtheit abstellt, sondern vom Sinngehalt des Patentanspruches 1 ausgehend nur "isoliert” eine Etage des Stents, in der sich die Zick-Zack-Konfiguration des Drahtes verwirklicht, heranzieht. Anspruch 1 des Klagepatents lehrt nämlich die Ausbildung nur einer einzigen "Etage" eines Stents, das heißt nur eine einfache ringförmige Konfiguration. Diese kann jedoch je nach Bedarf in der Größe ("maßgeschneidert”) variiert werden, wenn der Gefäßdurchgang, der von dem Stent offenzuhalten ist, größer ist. Schließlich schlägt die Beschreibung des Klagepatents zusätzlich vor (vgl. Seite 9, 2. Absatz), wie die Ausführungsbeispiele nach den Figuren 7 und 8 beispielhaft zeigen, bei Bedarf mehrere Stents hintereinander in ein Blutgefäß einzuführen, wenn der offen zu haltende Gefäßabschnitt länger als ein Stent ist. In diesem Fall können mehrere Stents nacheinander mit geringer Überlappung an den Enden positioniert werden.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Wie der Sachverständige auf Seite 2 seines Gutachtens vom 17. Mai 1998 ausführt, ist unter einer geschlossenen Zick-Zack-Gestalt eine Gestalt ohne jedwedes offene Ende zu verstehen. Dieses in Merkmal 2 festgelegte Erfordernis soll in technischer Hinsicht bewirken, daß durch das Schließen der Zick-Zack-Gestalt eine Gestalt des Stents geschaffen wird, die kreisförmig (ringförmig) bzw. zylindrisch ist und die auf Grund dieser durch die Ringform bewirkten Stabilität geeignet ist, ein Körpergefäß offenzuhalten (vgl. Merkmal 8). Entscheidend ist damit, daß eine räumlich körperliche Verbindung eingegangen wird, die einen beliebigen Anfang und ein beliebiges Ende aufweist.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Ausgehend hiervon weist jede (bzw. die "erste”) Etage der angegriffenen Stents eine in sich geschlossene Zick-Zack-Gestalt auf. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 17. Mai 1998 auf Seite 2 ausgeführt, daß die Angabe, daß "der Einzeldraht in eine geschlossene Zick-Zack-Gestalt geformt ist” aus Sicht des Fachmannes bedeutet, daß "die <u>beiden Enden</u> des Drahtes, der zwei Enden aufweist, wie auch immer <u>miteinander verbunden werden müssen”</u>. Dem Sachverständigen kann darin zugestimmt werden, daß das Merkmal 2 offen läßt, mit welchen Mitteln eine Schließung des Einzeldrahtstückes, erreicht werden kann. Ihm kann schließlich auch darin gefolgt werden, daß bei dem Ausführungsbeispiel nach Figur 1 des Klagepatents die Verbindung der beiden Enden des Drahtes miteinander erforderlich ist, um eine Verletzung des Körpergefäßes zu vermeiden. Nach dem Verständnis des Fachmannes liegt eine Verbindung der <u>beiden Enden</u> des Drahtes aber auch darin, daß - bei der Betrachtung nur der ersten Etage des Gesamtstents - ein Ende, das heißt der Anfang des Drahtes, mit dem letzten Teilabschnitt der Etage, dem "anderen Ende" des Drahtes zusammengeführt wird. Das Schließen der Zick-Zack-Konfiguration im Sinne des Merkmales 2 bedeutet aus der Sicht des Fachmannes, daß überhaupt eine räumlich-körperliche Verbindung des Drahtes zur Herbeiführung der geschlossenen Zick-Zack-Gestalt hergestellt werden soll. Denn nur durch das Schließen der Zick-Zack-Konfiguration des Einzeldrahtes wird dieser in die erforderliche ringförmige Struktur bzw. zylindrische Konfiguration gebracht, die für das Offenhalten eines Gefäßdurchganges notwendig ist. Der Fachmann wird dies selbstverständlich mit dem Gedanken verbinden, daß die Enden des Einzeldrahts keine Gefahr für das Körpergefäß darstellen dürfen. Auf welche Weise dies im einzelnen sichergestellt werden wird, hierfür lassen sich weder dem Anspruch noch der Beschreibung Vorgaben entnehmen, so daß dem Fachmann insoweit die Wahl seiner Mittel freigestellt ist. Zwar führt die Beschreibung auf Seite 4 im letzten Absatz aus, daß "der Draht mittels einer Hülse geschlossen ist, die angeschweißt oder fest mit den Enden des Drahtes verpreßt ist, um eine endlose Struktur zu bilden.” Dies geschieht jedoch im Zusammenhang mit der Beschreibung des Ausführungsbeispieles nach der Figur 1 des Klagepatents. Diese Angabe kann daher nicht zu einer Einschränkung des technisch zu verstehenden Sinn des Merkmals 2 führen.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Ein Schließen der Zick-Zack-Gestalt im Sinne des Merkmales 2 liegt bei beiden angegriffenen Ausführungsformen daher darin, daß der Beginn des Drahtes, das eine "Ende” des Drahtes, bei Vollendung der ringförmigen Struktur mit dem Abschnitt des Drahtes in der ersten Etage zusammengeführt wird, der dann weiter in der nächsten Etage des Stents verläuft und der daher - betrachtet man wie geboten nur die erste "Etage" des Gesamtstents - das andere Ende des diese Etage bildenden Stents darstellt. Dieses geschieht bei beiden angegriffenen Ausführungsformen unstreitig dadurch, daß in der "ersten Etage” mittels eines weißen Filamentes eine feste Verbindung zwischen dem Anfang des Drahtes und einem hierzu parallel verlaufenden Abschnitt des Drahtes hergestellt wird, so daß die ringförmige Gestalt des Stents herbeigeführt wird, während in den übrigen Etagen jeweils zwei parallel verlaufende Abschnitte des Drahtes nach Vollendung der ringförmigen Etage miteinander ebenfalls durch ein weißes Filament fest verbunden werden. Dabei spielt es keine Rolle, daß der Draht bei beiden angegriffenen Ausführungsformen in die nächste Etage geführt wird, eine weitere zick-zack-geformte Etage durch den Draht gebildet wird und die aneinander grenzenden Biegungen des Drahtes über blaue Fäden miteinander befestigt werden, so daß mindestens zwei und auch mehrere Zick-Zack-Gestalten miteinander verknüpft werden. Der Gedanke der angegriffenen Ausführungsformen, den Draht in mehrere weitere zick-zack-geformte Etagen zu führen, mag eine über die Lehre des Klagepatentes hinausgehende erfinderische Qualität haben, wie der Sachverständige in seinem Gutachten vom 17. Mai 1998 auf Seite 3 dargestellt hat. Sie bietet zumindest eine Alternative für die in der Klagepatentschrift vorgeschlagene Lösung, im Falle eines längeren offenzuhaltenden Gefäßabschnittes mehrere Stents hintereinander mit geringfügiger Überlappung an den Stents zu positionieren, und kann dadurch durchaus gewisse Nachteile dieser in der Klagepatentschrift gezeigten - jedoch außerhalb des hier zu erörternden Anspruchs 1 liegenden - Lösung überwinden, die der Sachverständige in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 16. November 1998 (Anlage B5) auf Seite 5 ausführlich beschrieben hat, und weist ihr gegenüber sicherlich die Vorzüge auf, die die Beklagte ausführlich in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat, wie zum Beispiel den Vorteil der Vermeidung eines Umschnappens bzw. Umklappens des Stents durch die Verbindung der Biegestellen über die blauen Fäden. Beide angegriffenen Ausführungsformen greifen jedoch die Lehre der Merkmale 1 und 2 insoweit auf, als sie die Formung des Einzeldrahtes in eine geometrische geschlossene Zick-Zack-Gestalt verwirklichen und diesen Gedanken fortentwickeln.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Jede einzelne Etage der angegriffenen Ausführungsformen weist damit auch endlos aneinander gereihte gerade Abschnitte, die über eine Mehrzahl von Biegungen oder Biegestellen verbunden sind, im Sinne des Merkmals 3 auf. Die Endlosigkeit der Aneinanderreihung der geraden Abschnitte ist durch den ringförmigen Verlauf einer jeden einzelnen Etage bedingt. Das Merkmal 3 kann entgegen der Auffassung des Sachverständigen in seinem Gutachten vom 17. Mai 1998 aus den bereits dargestellten Gründen nicht deshalb verneint werden, weil nicht die Enden des Drahts oder je ein Ende zweier verschiedener Drähte miteinander verbunden seien, denn das Merkmal 3 definiert die im Merkmal 2 vorgegebene geometrische Zick-Zack-Gestalt des Einzeldrahtes. Bei der Auslegung des Merkmals 3 ist ebenso wie bei der Auslegung des Merkmals 2 nur jeweils eine Etage bzw. eine Stufe der angegriffenen Ausführungsformen in Betracht zu ziehen. </p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichen auch die Merkmale 4, 5, 6 und 7 des Anspruchs 1. Die angegriffenen Stents sind in eine erste, kleinere Gestalt federnd nachgiebig zusammendrückbar. In dieser ersten kleineren Gestalt liegen alle geraden Abschnitte zwecks Einführung in einen Durchgang seitlich nebeneinander und sind dicht zueinander benachbart (Merkmal 5); in dieser ersten kleineren Gestalt stehen auch die Biegestellen des Stents unter Spannung. Entsprechend Merkmal 7, das sich ebenso wie das Merkmal 8 mit der zweiten Gestalt des Stents beschäftigt, kann der Stent durch Freigabe der Spannung in eine zweite Gestalt nachgiebig aufgeweitet werden. </p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Es ist zwischen den Parteien unstreitig, daß die Beklagte den Nitinoldraht über eine Spindel wickelt und auf eine höhere Temperatur bringt. Danach verformt sie den Draht in die Zick-Zack-Gestalt. Anschließend werden die so hergestellten Nitinol–Stents auf eine Temperatur von 0° Celsius abgekühlt. Dadurch gerät der Stent in den martensitischen Zustand, wie der Sachverständige auf Seite 21 seiner ergänzenden Stellungnahme vom 16. November 1998 (Anlage B5) ausführt. Das heißt, die Kristallstruktur der Nitinol-Moleküle verändert sich so (pseudo-plastische Verformung), daß der Stent eine kleine Gestalt annimmt, die es erlaubt, ihn bei 0° Grad Celsius in eine Hülle bzw. einen Katheter zur späteren Einführung in ein menschliches Gefäß einzuführen. In diesem martensitischen Zustand bei einer Temperatur von 0° Celsius weist der Nitinol-Draht keine inneren Spannungen auf, die durch eine plastische Verformung entstanden sind. Es fehlt in diesem Zustand unstreitig den angegriffenen Ausführungsformen an der federnd elastischen Zusammendrückbarkeit. </p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Gleichwohl steht dies der Verwirklichung des Merkmale 4 bis 7 durch die angegriffenen Ausführungsformen nicht entgegen. Der Beklagten kann nicht darin gefolgt werden, eine Verletzung der Merkmale 4 bis 7 durch die beiden angegriffenen Ausführungsformen scheide deshalb aus, weil die von ihr hergestellten angegriffenen Nitinol-Stents bei einer Temperatur von 0° Celsius die Eigenschaft der federnden Nachgiebigkeit nicht aufweisen, wenn sie in einen Katheter eingesetzt werden, und bei ihnen folglich auch bei einer Erwärmung auf Zimmertemperatur eine durch Zusammendrücken erzeugte Spannung in den Biegestellen nicht vorhanden sei und auch deshalb eine solche durch Zusammendrücken erzeugte Spannung auch nicht freigesetzt werden könne. Der Sachverständige hat zwar diese Eigenschaften des Werkstoffes Nitinol bei einer Temperatur von 0° Celsius bestätigt und ergänzend ausgeführt, daß nach dem Gesamtverständnis des Fachmannes vom Inhalt der Merkmale 4, 6 und 7 die elastische Expandierbarkeit des Stents sowohl direkt nach dem Zusammendrücken vorliegen müsse als auch später im menschlichen Körper kurz vor dem Plazieren des Stents (vgl. Gutachten vom 17. Mai 1998, Seite 13 oben) im Gefäß. Hiervon ausgehend hat der Sachverständige eine Verwirklichung des Merkmals 7 verneint, da nicht im gesamten von der Beklagten für die Herstellung der Stents geschaffenen Temperaturbereich von 0° Celsius bis zur Raumtemperatur diese Bedingungen gegeben seien (vgl. Anlage B5, Seite 21 unten, Seite 22 oben). Dieser Schlußfolgerung des Sachverständigen kann sich die Kammer jedoch aus den nachfolgenden patentrechtlichen Überlegungen nicht anschließen.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Bei einem Vorrichtungspatent fällt jeder Gegenstand, der die anspruchsgemäßen Eigenschaften oder Merkmale aufweist, unter den Schutz des Patents. Weder wird der Schutzbereich eines Vorrichtungspatentes durch die in der Patentschrift genannten Mittel zu seiner Herstellung beschränkt, noch wird der Schutzbereich des Sachpatents dadurch eingeschränkt, daß die Art und Weise der Anwendung der Vorrichtung abweichend von den im Klagepatent genannten Bedingungen erfolgt. Der Tatsache, daß die Beklagte die Stents bei einer Temperatur von 0° Celsius in eine erste kleinere Form bringt, um sie danach in die Hülle einzuführen und die Stents dann in dieser Form auf den deutschen Markt bringt, kommt damit aus patentrechtlicher Sicht keine Bedeutung zu, und ebensowenig kommt es darauf an, ob die Beklagte in ihrer Gebrauchsanweisung dem anwendenden Arzt empfiehlt, die angegriffenen Nitinol-Stents mit 200 ml eiskalter steriler Kochsalzlösung vor der Plazierung in dem betreffenden Gefäß zu spülen (vgl. Anlage B 13).</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Entscheidend ist nur, ob die angegriffenen Ausführungsformen bei Vorliegen der von Anspruch 1 des Klagepatents nach dem Verständnis des Durchschnittsfachmannes vorausgesetzten Bedingungen die Merkmale des Anspruches 1 erfüllt. Hierzu hat der Sachverständige zutreffend ausgeführt, daß nach dem Verständnis des Durchschnittsfachmannes die elastische Expandierbarkeit des Stents zum Zeitpunkt der Einführung in ein Gefäß des menschlichen Körpers gegeben sein muß. Insofern ergibt sich aus dem Verwendungszweck des Stents auch ein gewisser Temperaturbereich (Körpertemperatur), in dem die elastische Expandierbarkeit gegeben sein muß. Für die federnd nachgiebige Komprimierbarkeit folgt hingegen eine Temperaturvorgabe weder aus dem Anspruch noch aus der Bestimmung des Stents; es genügt daher, daß sie bei irgendeiner praktisch in Betracht zu ziehenden Temperatur gegeben ist. Wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, sind die Stents bei Raumtemperatur zusammendrückbar, das heißt, es ist möglich, die beiden angegriffenen Ausführungsformen durch plastische Verformung, durch einfaches Zusammendrücken, in die erste kleinere Gestalt zu bringen. In dieser ersten Form weisen die angegriffenen Ausführungsformen die federnde Nachgiebigkeit auf, die Voraussetzung dafür ist, daß der Stent die zweite Gestalt annimmt. Dieses Verhalten der Nitinol-Stents hat auch der Sachverständige in seinem Gutachten vom 16. November 1995 auf Seite 19 und 20 bestätigt, wo er ausführt, daß der vollständig austenitische Nitinol-Stent bei Zimmertemperatur beim Zusammendrücken eine spannungsinduzierte martensitische Phase bildet, die sich beim Loslassen wieder in die austenitische Ausgangsphase elastisch zurückbildet. Der Stent reagiert in dieser Phase pseudoelastisch, denn nach dem Loslassen kehrt er elastisch in seine Ausgangsgestalt zurück ohne zurückbleibende Verformung. Der Stent enthält Spannungen in seinen Biegestellen durch das mechanische Zusammendrücken (Merkmal 6), welche sich nach dem Loslassen als vollständig elastisch erweisen (Merkmal 7), das heißt den Stent in seine Ursprungsgestalt (zweite Gestalt) zurückführen. </p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Daß in der durch mechanisches Zusammendrücken herbeigeführten ersten kleineren Gestalt alle geraden Abschnitte der angegriffenen Stents seitlich nebeneinander und dicht zueinander benachbart angeordnet sind, stellen die Beklagten nicht in Abrede (Merkmal 5). </p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichen auch das Merkmal 8 des Klagepatents wortsinngemäß. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 17. Mai 1998 (Anlage B4, Seiten 15/16) darauf hingewiesen, daß nach dem Verständnis des Durchschnittsfachmannes die zweite Gestalt des Stents in dem Bereich zwischen Raumtemperatur und Körpertemperatur vorliegen muß. Daß diese zweite Gestalt zumindest bei Erreichen der Körpertemperatur gegeben sein muß, ergibt sich daraus, daß nach dem Merkmal 8 die zweite Gestalt des Stents die Wirkung haben soll, daß die geraden Abschnitte der Zick-Zack-Gestalt sich im wesentlichen kreisförmig oder aber zylindrisch zwecks Anpressung gegen die Wand des Durchganges, also die Wand des offenzuhaltenden Gefäßes, festlegen, um dieses offenzuhalten, also der Stent eine ringförmige bzw. radiale Stützwirkung entfalten soll. Bereits bei Raumtemperatur weisen die angegriffenen Ausführungsformen diese zweite Gestalt auf, wie die von der Beklagten vorgelegten Muster zweifelsfrei zeigen. </p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Auch der Gang des Erteilungsverfahrens steht der Annahme einer Verletzung des Anspruchs 1 durch die angegriffenen Ausführungsformen nicht entgegen.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Zwar hat die Patentabteilung des Europäischen Patentamts mit Bescheid vom 8. November 1988 (Anlage B9) den Antrag der Anmelderin vom 6. Juni 1988, den Begriff ”potential energy” (potentielle Energie) in den Wortlaut des Anspruchs 1 aufzunehmen, zurückgewiesen, da sie hierin eine unzulässige Erweiterung sah. Sie hat statt dessen an dem Begriff ”having a stress” (Spannung) festgehalten. Es kann dahingestellt bleiben, ob hierin eine Beschränkung zu sehen ist, denn dies steht nicht der Annahme der Verwirklichung der Merkmale 6 und 7 entgegen, da die angegriffenen Ausführungsformen durch Zusammendrücken erzeugte Spannung in den Biegestellen aufweisen können.</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">III. </p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">1. </p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Da die Beklagte den Gegenstand des Klagepatents rechtswidrig benutzt hat, ist sie der Klägerin zur Unterlassung verpflichtet, § 139 Abs. 1 PatG.</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat der Klägerin außerdem Schadensersatz zu leisten, § 139 Abs. 2 PatG. Denn als Fachunternehmen hätte sie die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Da es hinreichend wahrscheinlich ist, daß der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist, der von der Klägerin jedoch noch nicht beziffert werden kann, weil sie den Umfang der rechtsverletzenden Benutzungshandlungen ohne ihr Verschulden nicht im einzelnen kennt, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an einer Feststellung der Schadensersatzverpflichtung anzuerkennen, § 256 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">3. </p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">Außerdem ist die Beklagte zur Rechnungslegung verpflichtet, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch beziffern zu können, § 242 BGB. Denn die Klägerin ist auf die zuerkannten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, und die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Auskünfte - die auch für die Zeit nach Schluß der mündlichen Verhandlung zu erteilen sind, § 259 ZPO - nicht unzumutbar belastet. </p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">4. </p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">Gemäß § 140b PatG hat die Beklagte schließlich über Herkunft und Vertriebsweg der rechtsverletzenden Erzeugnisse Auskunft zu erteilen. Die nach Absatz 2 dieser Vorschrift geschuldeten Angaben sind in der Urteilsformel zu I.2 mit den Angaben zusammengefaßt, die zum Zwecke der Rechnungslegung zu machen sind.</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">IV.</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709, 108 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">Der Streitwert beträgt 5 Millionen DM.</p>
<br /><span class="absatzRechts">77</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td valign="top">Dr. Meier-Beck</td>
<td valign="top">Dr. Becker</td>
<td valign="top">Dieck-Bogatzke </td>
</tr>
</table><br />
|
114,373 | lg-dusseldorf-1999-09-02-4-o-26398 | {
"id": 808,
"name": "Landgericht Düsseldorf",
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} | 4 O 263/98 | 1999-09-02T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:37 | 2019-02-14T10:23:25 | Urteil | ECLI:DE:LGD:1999:0902.4O263.98.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Tatbestand:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin nimmt die Beklagte aus dem deutschen Anteil des europäischen Patents 02 54 375 (nachfolgend: Klagepatent; Anlage K1; deutsche Übersetzung; Anlage K3) auf Unterlassung, Rechnungslegung, Auskunft und Feststellung der Schadenersatzpflicht in Anspruch.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Das Klagepatent wurde unter Beanspruchung der Priorität der niederländischen Patentanmeldung 86 01 910 vom 23. Juli 1986 beim Europäischen Patentamt am 22. Juli 1987 angemeldet. Die Veröffentlichung der Anmeldungsschrift erfolgte am 27. Januar 1988. Die Bekanntmachung der Erteilung des Klagepatents erfolgte am 9. Oktober 1991. </p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Beim Deutschen Patent- und Markenamt wird das Klagepatent unter der Patentrollennummer P 37 73 568 geführt.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Ansprüche 1 bis 3 in der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldungsschrift lauten in der Verfahrenssprache Englisch wie folgt:</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">1. Plastic pipe part made of thermoplastic material with sound-proofing properties suitable for transporting liquids in waste pipe systems, the inside of the plastic pipe part coming into contact with the liquid, characterized in that the weight per unit area of the plastic pipe part is at least 8 kg/m².</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">2. Plastic pipe part according to Claim 1, characterized in that the density of the plastic pipe part is at least 1.4 g/cm³.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">3. Plastic pipe part according to Claim 1 or 2, characterized in that the density of the plastic pipe part is 1.4 to 2.7 g/cm³. </p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Anspruch 1 in der von der Prüfungsabteilung des Europäischen Patentamts erteilten Fassung des Klagepatents (Anlage B2) lautet in deutscher Sprache wie folgt: </p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Extrudiertes oder spritzgußgeformtes Kunststoffrohrteil aus thermoplastischem Material mit schalldämmenden Eigenschaften zum Fördern von Flüssigkeiten in Abwasserrohrsystemen, wobei die Innenseite des Kunststoffrohrteils mit der Flüssigkeit in Berührung kommt, <b>dadurch gekennzeichnet,</b> daß dem Kunststoffrohrteil ein Gewicht pro Flächeneinheit von zumindest 8 kg/m² durch Einarbeitung eines Füllstoffes und eine Dichte von 1,6 bis 2,7 g/cm³ verliehen ist. </p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Gegen die Erteilung des Klagepatents wurde von mehreren Unternehmen Einspruch eingelegt. Die Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts hat die Auffassung vertreten, die Patentinhaberin habe keine Beschränkung von 1,4 auf 1,6 g/cm³ des Anspruches vornehmen können, da der Wert von 1,6 g/cm³ in der ursprünglichen Anmeldung nicht offenbart gewesen sei. Auf den Hilfsantrag der Patentinhaberin hat sie das Klagepatent mit Beschluß vom 14. Januar 1994 in folgender Fassung des Anspruchs 1 aufrechterhalten: </p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Ein extrudiertes oder spritzgußgeformtes Kunststoffrohrteil aus thermoplastischem Material mit schalldämmenden Eigenschaften geeignet zum Fördern von Flüssigkeiten in Abwasserrohrsystemen, wobei die Innenseite des Kunststoffrohrteils mit der Flüssigkeit in Berührung kommt, <b>dadurch gekennzeichnet</b>, daß dem Kunststoffrohrteil ein Gewicht pro Flächeneinheit von zumindest 8 kg/m² und eine Dichte von 1,8 bis 2,7 g/cm³ durch Aufnahme eines Bariumsulfat-Füllers in das thermoplastische Material verliehen ist. </p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung hat die Klägerin Beschwerde eingelegt, mit der sie ihren Hauptantrag weiter verfolgt hat. Die Technische Beschwerdekammer hat in einer Mitteilung vom 13. Februar 1995 (Anlage B4; deutsche Übersetzung Anlage B4a) zum Ausdruck gebracht, daß sie eine Dichte von 1,6 g/cm³ als ursprünglich offenbart ansehe, aber daß Bariumsulfat ein bekannter Füllstoff für Kunststoffe sei, insbesondere mit Blick auf die Verbesserung der Schallabsorptionseigenschaften, daß die beanspruchte Wanddicke der Abflußrohre von 5 mm bei einer Dichte von 1,6 g/cm³ und 8 kg Gewicht je Flächeneinheit innerhalb des üblichen Bereichs der Wandstärke für Abwasserrohre liege. Sie hat weiter ausgeführt, die Frage, ob der Fachmann ein Vorurteil gegen Bariumsulfat als Füllstoff bei der Herstellung von Kunststoffzusammensetzungen habe, müsse in der mündlichen Verhandlung erörtert werden. Nachdem auch die letzte Einsprechende ihre Beschwerde zurücknahm, hat die Technische Beschwerdekammer mit Bescheid vom 20. September 1995 (Anlage B5) darauf hingewiesen, daß hinsichtlich des von der Klägerin begehrten Anspruchs ein erfinderischer Schritt vorliegen müsse. Ausweislich des Verhandlungsprotokolls vom 10. Oktober 1995 (Anlage B6) über die Sitzung der Technischen Beschwerdekammer nahm die Patentinhaberin ihre Beschwerde nach Erörterung der Sach- und Rechtslage zurück. Die Veröffentlichung der Klagepatentschrift (Anlage K1) unter Hinweis auf die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 14. Januar 1994 (Anlage B3) erfolgte am 13. März 1996.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte ist ein in Italien ansässiges Unternehmen, das sich mit der Herstellung von Kunststoffohren, unter anderem auch von Abwasserrohren, beschäftigt. Unter der Bezeichnung ”Silere-schalldämmende Abflußrohre” bietet die Beklagte Kunststoffrohre auch in der Bundesrepublik Deutschland an, wie sie in dem als Anlage K 5 von der Klägerin überreichten Gesamtkatalog abgebildet sind. Die erste angegriffene Ausführungsform (nachfolgend: Ausführungsform I) besitzt einen Durchmesser von weniger als 100 mm, die zweite angegriffene Ausführungsform besitzt einen Durchmesser von 100 bis 150 mm (nachfolgend: Ausführungsform II). Das Gewicht pro Flächeneinheit der Ausführungsform I beträgt 6,8 bis 7,2 kg/m². Die Ausführungsform II weist ein Gewicht pro Flächeneinheit von 8 kg/m² bis 10,5 kg/m² auf. Die Dichte beider Ausführungsformen schwankt zwischen 1,53 bis 1,65 g/cm³. Der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung vom 1. Dezember 1998 des Deutschen Instituts für Bautechnik ist zu entnehmen, daß die Abwasserrohre mit einer mittleren Dichte von 1,6 g/cm³ <u>+</u> 0,1 g/cm³ zugelassen wurden.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin sieht in den von der Beklagten in der Bundesrepublik Deutschland angebotenen Abwasserrohren eine Verletzung ihres Klagepatents.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt nunmehr,</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">1.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu Deutsche Mark 500.000,--, ersatzweise Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, zu unterlassen, </p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">extrudierte oder spritzgußgeformte Kunststoffrohrteile aus thermoplastischem Material mit schalldämmenden Eigenschaften, die zum Fördern von Flüssigkeiten in Abwasserrohrsystemen geeignet sind, wobei die Innenseite des Kunststoffrohrteils mit der Flüssigkeit in Berührung kommt, </p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">anzubieten, in Verkehr zu bringen, gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen, </p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">bei denen den Kunststoffrohrteilen ein Gewicht pro Flächeneinheit in kg/m² und eine Dichte in g/cm³ durch Aufnahme eines Bariumsulfat-Füllers in das thermoplastische Material wie folgt verliehen ist:</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">a) Kunststoffrohrteile mit einem Durchmesser unter 100 mm (Ausführungsform I ): </p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Gewicht/pro<b> </b>Flächeneinheit: 6,8 bis 7,2 kg/m² </p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Dichte: 1,5 <b>-</b>1,65 g/cm³<b> </b></p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">b) Kunststoffrohrteile mit einem Durchmesser von 100 mm bis 150<b> </b>mm (Ausführungsform II): </p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Gewicht pro Flächeneinheit: zumindest 8 kg/m²</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:106px">Dichte: 1,5 - 1,65 g/cm³,</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">hilfsweise zu b):</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Gewicht pro Flächeneinheit: zumindest 8 kg/m²</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Dichte: von mehr als 1,6 - 1,65 g/cm³.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die zu I 1 bezeichneten Handlungen seit dem 9. November 1991 begangen hat, und zwar unter Angabe </p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der jeweiligen Abnehmer, </p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der jeweiligen Angebotsempfänger, </p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, </p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, </p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">wobei </p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">sich die Verpflichtung zur Rechnungslegung für die vor dem 1. Mai 1992 begangenen Handlungen auf solche im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in den bis zum 2. Oktober 1990 bestehenden Grenzen beschränkt, </p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nicht gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von ihr zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist; </p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">festzustellen, </p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I 1 bezeichneten, seit dem 9. November 1991 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird, wobei sich die Verpflichtung zum Schadensersatz für die vor dem 1. Mai 1992 begangenen Handlungen auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in den bis zum 2. Oktober 1990 bestehenden Grenzen beschränkt.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte bittet, die Klage abzuweisen, </p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">hilfsweise im Falle der Verurteilung zur Rechnungslegung ihr, der Beklagten, nach ihrer Wahl vorzubehalten, die Namen und Anschriften ihrer Abnehmer und Angebotsempfänger nur einem von der Klägerin zu bezeichnenden, zur Verschwiegenheit gegenüber der Klägerin verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern sie diesen ermächtigt, der Klägerin darüber Auskunft zu geben, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte stellt eine Verletzung des Klagepatents in Abrede.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten und zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Der Klägerin stehen keine Ansprüche auf Unterlassung, Rechnungslegung, Auskunft und Feststellung der Schadensersatzpflicht aus Art. 64 Abs. 1 und Abs. 3 Europäisches Patentübereinkommen (EPÜ), §§ 9, 14, 139 Abs. 1 und Abs. 2, 140b Patentgesetz (PatG), §§ 242, 259 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), § 256 Zivilprozeßordnung, denn die Beklagte verletzt das Klagepatent nicht.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Die Beschreibung des Klagepatents führt einleitend aus, daß die Erfindung ein extrudiertes oder spritzgußgeformtes Kunststoffrohrteil aus thermoplastischen Material mit schalldämmenden Eigenschaften zum Fördern von Flüssigkeiten in Abwasserrohrsystemen betrifft, wobei die Innenseite des Kunststoffrohrteils mit der Flüssigkeit in Berührung kommt. Ein derartiges Kunststoffrohrteil aus Polyvinylchlorid mit schalldämmenden Eigenschaften zum Fördern von Flüssigkeiten in Abwasserrohrsystemen ist aus der niederländischen Offenlegungsschrift 78 03 343 (= deutsche Offenlegungsschrift 27 14 576; Anlage K4) bekannt.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Zur Verringerung der Geräuschbelästigung muß das Kunststoffrohrteil jedoch mit einer Schalldämmschicht aus einem weichen Schaumkunststoff mit offenen Poren und einem anorganischen Füllstoff ummantelt werden, wobei der Schaumkunststoff eine ununterbrochene äußere Oberfläche besitzt.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Ein derartiges Kunststoffrohrteil, so kritisiert die Klagepatentbeschreibung, weist den großen Nachteil auf, daß die Herstellungskosten sehr hoch sind, da einerseits zu seiner Herstellung ein in der üblichen Weise hergestelltes Kunststoffrohrteil und andererseits eine in einem gesonderten Schritt herzustellende Verkleidung aus Schaumkunststoff verwendet werden muß.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Die Klagepatentbeschreibung bezeichnet es als das technisch zu lösende Problem (die Aufgabe) der Erfindung, ein extrudiertes oder spritzgußgeformtes Kunststoffrohrteil zu schaffen, bei dem es nicht mehr notwendig ist, eine gesonderte Schaumkunststoffschicht auf das Kunststoffrohrteil aufzubringen, und dennoch die bisher bei der Durchströmung derartiger Kunststoffrohrteile mit Flüssigkeiten aufgetretene Belästigung erheblich verringert wird.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Dieses Problem löst Patentanspruch 1 durch folgend Merkmalskombination:</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">1. Extrudiertes oder spritzgußgeformtes Kunststoffteil,</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:106px">a) das aus thermoplastischem Material mit schalldämmenden Eigenschaften besteht, </p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:106px">b) das geeignet zum Fördern von Flüssigkeiten in Abwasserrohrsystemen ist,</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:106px">c) wobei die Innenseite des Kunststoffrohres mit der Flüssigkeit in Berührung kommt.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">2. Durch Aufnahme eines Bariumsulfat-Füllers in das thermoplastische Material ist dem Kunststoffrohrteil ein Gewicht pro Flächeneinheit von zumindest 8 kg/ m² und eine Dichte von 1,8 - 2,7 g /cm³ verliehen.</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Die Klagepatentbeschreibung hebt hervor, daß, wenn ein Gewicht pro Flächeneinheit von zumindest 8 kg/m² durch Einarbeitung eines Füllstoffes verwendet wird, ein Kunststoffleitungssystem aus Rohren und Zubehörteilen gebildet werden kann, in dem die Rohrwand nicht nur das abzuführende Wasser fördert, sondern auch das unter solchen Umständen erzeugte Geräusch merklich herabsetzt.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Das Geräuschniveau nimmt im logarithmischen Verhältnis in dem Maße ab, wie das Gewicht pro Flächeneinheit zunimmt.</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Die Klagepatentbeschreibung bezeichnet es als vorteilhaft, eine Dichte von 1,8 bis 2,7 zu verwenden, so daß auf diese Weise das geforderte Gewicht pro Flächeneinheit des Kunststoffrohrteils mit verhältnismäßig dünnen Wänden erreicht werden kann und daß ein derartiges Kunststoffrohrteil für Abwassersysteme verwendet werden kann, die die Anforderungen von Temperaturschwankungen, der Förderung von Wasser bei erhöhter Temperatur und der mechanischen Haltbarkeit erfüllen.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Vorzugsweise beträgt die Dichte des Kunststoffes des Kunststoffrohrteils 1,8 bis 2,0 g/cm.</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Das Gewicht pro Flächeneinheit der Rohrwand des Kunststoffrohrteils wird zweckmäßig durch die richtige Wahl des Verhältnisses von thermoplastischem Material und Füllstoff eingestellt, in welchem Zusammenhang Bariumsulfat insbesondere als Füllstoff erwähnt werden kann, da dieser Füllstoff nicht toxisch ist. Bariumsulfat, hergestellt auf chemischem Wege (sog. "blanc fixe”) ist vorrangig geeignet, insbesondere wegen der besseren Verarbeitungseigenschaften für die Extrusion von Rohren aus thermoplastischem Material und für die Spritzgußformung von Zubehörteilen aus derartigen thermoplastischen Materialien.</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">Weiter führt die Klagepatentschrift aus, daß die Mengen auf eine solche Weise gewählt werden sollen, daß das Gewicht pro Flächeneinheit und das spezifische Gewicht nach der Erfindung gewahrt bleibt. </p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Das Klagepatent befaßt sich daher nicht mit der Herstellung von Kunststoffrohrteilen unter Verwendung von Bariumsulfat als Füllstoff zwecks Erhöhung des Gewichtes und der Dichte des Kunststoffrohres, sondern lehrt, die Menge des zuzusetzenden Füllstoffes so zu wählen, daß das Gewicht pro Flächeneinheit und die Dichte bestimmte Mindest- und Höchstgrenzen nicht unter- bzw. überschreitet, so daß die schalldämmenden Eigenschaften des mit dem Füllstoff Bariumsulfat versetzten thermoplastischen Materials bei verhältnismäßig dünnen Wänden des Kunststoffrohres erreicht werden.</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">Die angegriffenen Ausführungsformen I und II erfüllen die Merkmale des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1 des Klagepatents weder wortsinngemäß noch in äquivalenter Weise.</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Bei der angegriffenen Ausführungsform I liegt das Gewicht pro Flächeneinheit mit 6,8 bis 7,2 kg/m² unter den geforderten "zumindest 8 kg/m²”, so daß das erste Merkmal des kennzeichnenden Teils nicht wortsinngemäß verwirklicht ist. </p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">Die angegriffene Ausführungsform II verwirklicht ein Gewicht pro Flächeneinheit von 8 kg bis 10,5 kg/m², so daß das erste Merkmal des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1 wortsinngemäß gegeben ist. Mit einer Dichte von 1,53 bis 1,65 g/cm³ bzw. von mehr als 1,6 bis 1,65 g/cm³ erfüllen beide Ausführungsformen das zweite Merkmal des kennzeichnenden Teils nicht wortsinngemäß.</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Auffassung der Klägerin fallen die angegriffenen Ausführungsformen auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Äquivalenz in den Schutzbereich des Klagepatents, denn es sich handelt sich bei den im Patentanspruch 1 genannten Maßangaben zum Flächengewicht und zur Dichte um Mindest- bzw. Höchstwerte, die nach dem Verständnis des Fachmannes nicht über- oder unterschritten werden dürfen (vgl. Benkard/Ullmann, Patentgesetz, 9. Aufl., § 14 PatG, Rdnr. 74).</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">Hinsichtlich der Angabe des Flächengewichts ergibt sich dies bereits daraus, daß der Anspruch 1 selbst davon spricht, daß ”zumindest ein Flächengewicht von 8 kg/m²” erreicht werden soll. Die Beschreibung des Klagepatents wiederholt dies auf Seite 2 im zweiten Absatz. Dort heißt es, daß, wenn ein Gewicht pro Flächeneinheit von zumindest 8 kg/m² durch Einarbeitung eines Füllstoffes verwendet wird, ein Kunststoffleitungssystem gebildet werden kann, in dem die Rohrwand nicht nur das abzuführende Wasser fördert, sondern auch das unter solchen Umständen erzeugte Geräusch merklich herabsetzt.</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">Zahlenangaben im Patentanspruch sind aus dem Wesen der Erfindung, das heißt nach Problemstellung und Lösung des Erfindungsgedankens zu verstehen, insbesondere nach dem erstrebten Zweck und den erstrebten Wirkungen. In der Regel handelt es sich um ungefähre Werte. In diesen Fällen darf der Schutzbereich eines Patents, dessen Patentanspruch Zahlen oder Maßangaben enthält, nicht in Bereiche erstreckt werden, die wesentlich von denen des Patentanspruchs abweichen, wenn in diesen Zahlen- oder Maßangaben das erfinderisch Neue der Lehre des Patents zu sehen ist (vgl. BGH GRUR 1984, 425, 427-Bierklärmittel). </p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">Eine derart wesentliche Abweichung liegt bei beiden angegriffenen Ausführungsformen vor, denn die Dichte beträgt 1,5 bis 1,65 g/cm³ bzw. mehr als 1,6 bis 1,65 g/cm³ statt 1,8 bis 2,7 g/cm³. Hierbei handelt es sich um wesentliche Abweichungen von den Zahlenangaben des Patentanspruchs, nämlich um Abweichungen von 0,15 bis 0,3 g/cm³ bzw. von 8,3 bis 16,6% des vorgegebenen spezifischen Gewichtes von 1,8 g/m². Diese Abweichung ist für den Fachmann auch nicht ohne nähere erfinderische Überlegung aus der Patentschrift herleitbar, denn die Patentschrift selbst nennt sechs bevorzugte Ausführungsformen, bei denen das spezifische Gewicht zwischen 1,8 und 2,0 g/cm³ liegt. Der Fachmann kann aus der Klagepatentschrift keinen Hinweis darauf entnehmen, daß das spezifische Gewicht von 1,8 g/cm³ auch unterschritten werden könnte und schlechtere Schallpegelwerte in Kauf genommen werden können. </p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">Auch eine Gleichwirkung hinsichtlich der Schallabsorption der angegriffenen Ausführungsformen erscheint zumindest fraglich. Die von der Klägerin hinsichtlich der Ausführungsform II vorgelegten Schallpegelmessungen (vgl. Anlage K9) zeigen Abweichungen, die in einem Rahmen von 0,7 bis 6,0 dB(A) liegen, und damit nicht mehr als geringfügig anzusehen sind. </p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">Das Wesen der Erfindung des Klagepatentes liegt in den im Stand der Technik nicht genannten Zahlenangaben hinsichtlich der Dichte der Kunststoffmischung. Der Schutz des Anspruchs 1 des Klagepatents kann jedoch auch deshalb nicht auf eine Dichte von 1,6 bzw. mehr als 1,6 bis 1,65 g/cm³ erweitert werden, weil Anspruch 1 im Laufe des Erteilungs-, des Einspruchs- und Beschwerdeverfahrens auf eine Dichte von mindestens 1,8 g/cm³ beschränkt worden ist und diese Beschränkung ihren Niederschlag in der Klagepatentschrift gefunden hat. Die Übernahme bestimmter Zahlenwerte in den Hauptanspruch bedeutet in der Regel eine Einschränkung des Schutzbereichs auf die angegebenen Grenzwerte (vgl. Benkard/Ullmann, Patentgesetz, 9. Aufl., § 14 PatG, Rdnr. 83, BGH GRUR 1967, 241, 244), insbesondere dann, wenn aus dem Erteilungsverfahren erkennbar wird, daß die Zahlenwerte als erfindungswesentlich angesehen werden.</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">Daß das erfinderisch Neue der Lehre des Klagepatents in den Zahlen– und Maßangaben des Anspruchs 1 liegt, und der Patentanspruch 1 des Klagepatents entgegen der Auffassung der Klägerin nicht über seine Maßangaben unter Erstreckung auf Äquivalente ausgelegt werden kann, zeigt der Gang des Erteilungs-, des Einspruchs- und des Beschwerdeverfahrens vor dem Europäischen Patentamt. Der Gang des Erteilungsverfahrens oder der Inhalt der Erteilungsakten sind für die Bestimmung des Gegenstandes der Erfindung nach § 14 PatG zwar grundsätzlich ohne Bedeutung; dies gilt jedoch nicht, wenn er zu Beschränkungen führt, die in der Patentschrift ihren Niederschlag gefunden haben. Dies ist vorliegend der Fall. Im Laufe des Erteilungs-, des Einspruchs– und Beschwerdeverfahrens ist der Schutzumfang des Klagepatents auf die im Anspruch 1 angegebenen Grenzwerte im Hinblick auf den erörterten Stand der Technik vom Europäischen Patentamt beschränkt worden. Die Beschränkung hat ihren Niederschlag auch in der am 13. März 1996 neu veröffentlichten Klagepatentschrift gefunden (vgl. Benkard/Ullmann, a.a.O., § 14 PatG, Rdnr. 80), da diese ausdrücklich auf die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 14. Januar 1994 (Anlage B3) verweist. In der am 27. Januar 1988 veröffentlichten Patentanmeldung hat die Klägerin zunächst in Anspruch 1 keine konkret angegebene Dichte und erst in den auf Anspruch 1 rückbezogenen Unteransprüchen 2 und 3 eine Dichte von 1,4 g/m² bis 2,7 g/cm³ beansprucht. Die Prüfungsabteilung des Europäischen Patentamts hat den Anspruch 1 des Klagepatents mit einer Dichte von 1,6 bis 2,7 g/m² erteilt. In der Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 14. Januar 1994 auf Seite 6 hat diese hierzu ausgeführt, daß die Beschränkung auf den Mindestwert von 1,6 g/cm³ nicht eine freiwillige Beschränkung der Patentanmelderin gewesen sei, sondern sie sei im Hinblick darauf erfolgt, um die ursprünglich offenbarte Dichte von 1,4 g/cm³ im Hinblick auf die DIN 8062 zu unterscheiden, die bereits ebenfalls eine Dichte von 1,4 g/m² vorschlug, nämlich um die Neuheit der beanspruchten Kunststoffrohrteile zu begründen. Die Einspruchsabsteilung hat auf den Hilfsantrag der Klägerin den Anspruch 1 des Klagepatents mit einer Dichte von 1,8 bis 2,7 g/cm³ gewährt, da sie die Auffassung vertreten hat, eine Dichte von 1,6 g/cm³ stelle eine unzulässige Erweiterung im Sinne des Art. 123 Abs. 2 EPÜ dar, denn sie liege zwar innerhalb des ursprünglich offenbarten Zahlenrahmens von 1,4 bis 2,7 g/cm³, es fehle aber an der Offenbarung, daß die Erfindung gerade durch diesen Zahlenbereich von 1,6 g/cm³ bis 2,7 g/cm³ charakterisiert werde. An dieser von der Einspruchsabteilung geäußerten Auffassung hat die Technische Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts zwar nicht mehr festgehalten, wie sich aus der Mitteilung vom 13. Februar 1995 (Anlage B4 und B4a) ergibt, und den Hauptanspruch für formal zulässig angesehen. Trotzdem hat sie den Anspruch 1 mit einer Dichte von 1,6 g/m³ für nicht gewährbar gehalten, da bei einer Dichte von 1,6 g/m³ und einem Gewicht je Flächeneinheit von 8 kg/m² sich nur eine Mindestwandstärke von 5 mm ergebe, diese Wandstärke aber im üblichen für Abwasserrohre vorgegebenen Bereich liege.</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">Eine Auslegung des Schutzbereiches des Klagepatents über den im Erteilungs-, Einspruchs- und Beschwerdeverfahren beanspruchten, aber rechtskräftig versagten Gegenstand des Patents hinaus ist im vorliegenden Verletzungsstreit nicht möglich (vgl. Benkard-Ullmann, a.a.O., § 14 Rdnr. 81, 82). Dem steht auch das bei der Auslegung eines Patentanspruchs stets zu berücksichtigenden Gebot der Rechtssicherheit entgegen. Dieses Gebot steht gleichwertig neben dem der angemessenen Belohnung des Erfinders; seine Beachtung soll den Schutzbereich des Patents für Außenstehende hinreichend sicher vorhersehbar machen (vgl. hierzu BGH, GRUR 1992, 594, 596 - Mechanische Betätigungsvorrichtung). Diese sollen sich darauf verlassen und darauf einrichten können, daß die im Patent unter Schutz gestellte Erfindung mit den Merkmalen des Patentanspruchs vollständig umschrieben ist. Der Anmelder hat dafür zu sorgen, daß das, wofür er Schutz begehrt hat, sorgfältig in den Merkmalen des Patentanspruches niedergelegt ist (BGH, a.a.O.). Dies muß insbesondere dann gelten, wenn, wie im Streitfall, die Öffentlichkeit aus der Patentschrift selbst eindeutig entnehmen kann, daß Beschränkungen des Anspruchs erfolgt sind.</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">In diesem Zusammenhang kann es dahingestellt blieben, ob das Europäische Patentamt, wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, die Schutzrechtslage bzw. den Stand der Technik richtig eingeschätzt hat oder nicht, denn die Berechtigung der erfolgten Einschränkung kann das Verletzungsgericht aus Gründen der Rechtssicherheit nicht nachprüfen (vgl. Benkard/Ullmann, Patentgesetz, 9. Aufl., § 14 PatG, Rdnr. 83, 90 m.w.N.; BGH GRUR 1961, 77, 79 Blinkleuchte).</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">III.</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709, 108 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">Der Streitwert beträgt 2 Millionen DM.</p>
<br /><span class="absatzRechts">86</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td valign="top">Dr. Becker</td>
<td valign="top">Dieck-Bogatzke </td>
<td valign="top">Fricke</td>
</tr>
</table><br />
|
114,374 | lg-dortmund-1999-09-02-3-o-37298 | {
"id": 806,
"name": "Landgericht Dortmund",
"slug": "lg-dortmund",
"city": 407,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 3 O 372/98 | 1999-09-02T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:37 | 2019-02-14T10:23:25 | Urteil | ECLI:DE:LGDO:1999:0902.3O372.98.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>T a t b e s t a n d</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin begehrt von der Beklagten Restentschädigung</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">für den Ablauf eines Erbbaurechts.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Mit schriftlichem Vertrag vom 14.11.1927 verpflichtete</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">sich die Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Klägerin</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">ein Erbbaurecht an dem Grundstück N-straße 41 und</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">43 in E zu bestellen. Unter § 9 Ziff. 1 des Vertrages</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">heißt es wörtlich: "Der Erbbauberechtigte ist</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">verpflichtet, die errichteten Bauwerke nebst Zubehör</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">sowie die sonstigen Anlagen stets in gutem baulichen</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Zustande <b>.... </b>zu erhalten." Gemäß § 14 des Vertrages</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">endete das Erbbaurecht 70 Jahre nach Eintragung in das</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Grundbuch. In § 15 des Vertrages ist geregelt, dass die</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Beklagte nach dem vertragsgemäßen Ablauf des Erbbaurechtes</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">der Klägerin für die Bauwerke und Anlagen eine</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Entschädigung in Höhe von zwei Drittel des gemeinen</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Wertes gewährt, die die auf dem Erbbaugelände vorhandenen</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Bauten und Anlagen, die dem Kläger gehörten, zur</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Zeit des Ablaufs des Erbbaurechts besitzen.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin wurde als Erbbauberechtigte ins Grundbuch</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">eingetragen. Vertragsgemäß erlosch das Erbbaurecht am</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">08.03.1998.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat zur Berechnung der Entschädigung nach</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">§ 15 des Vertrages ein Privatgutachten des Sachverständigen</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">U vom 13.03.1998 eingeholt. Dieser kam zu</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">dem Ergebnis, dass der Wert der Bauwerke und Anlagen</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">auf dem Grundstück 690.000,00 DM betrug und der Klägerin</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">davon zwei Drittel, also 460.000,00 DM zustanden.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 02.04.1998 begehrte die Klägerin von</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">der Beklagten Zahlung dieser 460.000,00 DM. Mit Schreiben</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">vom 05.05.1998 überwies die Beklagte der Klägerin</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">zunächst 367.000,00 DM. Mit Schreiben vom 15.06.1998</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">forderte die Klägerin die Beklagte zur Zahlung der</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">restlichen 93.000,00 DM bis zum 30.06.1998 auf. Mit</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Schreiben vom 09.07.1998 zahlte die Beklagte weitere</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">77.000,00 DM. Die Zahlung der restlichen 16.000,00 DM</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">verweigerte sie mit der Begründung, dass ihr durch einen</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Unterhaltsrückstau am Gebäude in dieser Höhe ein</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Schaden entstanden sei.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Diese 16.000,00 DM hat die Klägerin vorliegend eingeklagt.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Sie ist der Ansicht, ihr stehe gemäß § 15 des</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Erbbauvertrages gegen die Beklagte eine Entschädigung</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">von zwei Drittel des vom Sachverständigen festgestellten</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Wertes der Liegenschaft, also 460.000,00 DM, zu.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zu verurteilen, an sie</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">16.000,00 DM nebst 6 % Zinsen seit dem</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">01.06.1998 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte ist der Ansicht, sie habe die Klageforderung</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">durch Aufrechnung getilgt.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Sie hat nämlich die Aufrechnung mit angeblichen Schadensersatzansprüchen</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">in Höhe von 16.000,00 DM gegen die Klageforderung erklärt.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Diesen Schadensersatzanspruch begründet die Beklagte</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">wie folgt: Sie behauptet, die Klägerin sei ihrer</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Pflicht, die Bauwerke in gutem baulichen Zustande zu</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">erhalten, nicht nachgekommen. An den Gebäuden habe im</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Zeitpunkt der Rückgabe an die Beklagte erhebliche Renovierungsstau</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">bestanden. Außerdem hätten sich dort Schäden</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">befunden, die die Kläger unter Verstoß gegen § 14</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">des Erbbauvertrages nicht beseitigt hätten. Insgesamt</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">machten diese Renovierungsrückstände und Schäden an Beseitigungskosten</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">und Minderwert einen Betrag von mindestens</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">48.000,00 DM aus. Hätte die Klägerin den Unterhaltungsrückstau</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">beseitigt, so würde der Wert der Liegenschaft</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">deshalb 48.000,00 DM mehr wert sein als dies</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">jetzt der Fall sei. Von diesen 48.000,00 DM hätte dann</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">die Beklagte gemäß § 15 des Erbbauvertrages der Klägerin</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">zwei Drittel als Entschädigung zu zahlen. Das restliche</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Drittel, mindestens 16.000,00 DM, wäre der Beklagten</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">als Mehrwert verblieben. Bei diesen</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">16.000,00 DM handelt es sich um die Gegenforderung, mit</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">der die Beklagte gegen die Klageforderung die Aufrechnung</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">erklärt hat.</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">Im Einzelnen trägt die Beklagte zu dem angeblichen Minderwert</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">von 48.000,00 DM Folgendes vor:</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beruft sich darauf, dass unstreitig im</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">Zeitpunkt der Rückgabe der Gebäude an die Klägerin die</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">Schäden am Dachstuhl vorlagen, die im Gutachten des</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">Sachverständigen Q vom 10.03.1998 festgestellt</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">wurden. Auf den Inhalt dieses Gutachtens wird Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">Unstreitig beträgt der Herstellungsanspruch für</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">den Dachstuhl 16.000,00 DM zuzüglich Mehrwertsteuer,</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">mithin 18.560,00 DM.</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">Ferner behaupten die Beklagten, im Treppenhaus seien an</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">den Stufen 14 Kanten ausgebrochen, davon drei größere</p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks">im ersten unteren Treppenlauf im Haustüreingangsbereich.</p>
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks">Da eine Reparatur nicht möglich sei, veranschlagt</p>
<span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks">die Beklagte dafür eine Wertminderung in Höhe</p>
<span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks">von 1.500,00 DM netto.</p>
<span class="absatzRechts">92</span><p class="absatzLinks">Ferner beruft sich die Beklagte darauf, dass die Heizungs-</p>
<span class="absatzRechts">93</span><p class="absatzLinks">und Warmwasserbereitungsanlage im Zeitpunkt der</p>
<span class="absatzRechts">94</span><p class="absatzLinks">Rückgabe des Gebäudes an sie altersbedingt erneuert</p>
<span class="absatzRechts">95</span><p class="absatzLinks">werden muss, wie unstreitig im Gutachten der Sachverständigen</p>
<span class="absatzRechts">96</span><p class="absatzLinks">U und I vom 13.03.1998 festgestellt</p>
<span class="absatzRechts">97</span><p class="absatzLinks">worden ist. Dafür sind unstreitig Kosten in</p>
<span class="absatzRechts">98</span><p class="absatzLinks">Höhe von 24.043,52 DM, weitere Mauerkosten in Höhe von</p>
<span class="absatzRechts">99</span><p class="absatzLinks">1.500,00 DM und heizungsbedingte Elektroarbeiten in</p>
<span class="absatzRechts">100</span><p class="absatzLinks">Höhe von 1.500,00 DM aufzuwenden. Ferner behauptet die</p>
<span class="absatzRechts">101</span><p class="absatzLinks">Beklagte, dazu kämen Abnahme-Immissionsgebühren durch</p>
<span class="absatzRechts">102</span><p class="absatzLinks">den Bezirksschornsteinfeger und ggf. anfallende Gebühren</p>
<span class="absatzRechts">103</span><p class="absatzLinks">beim Bauordnungsamt. Aus den Reparaturkosten für</p>
<span class="absatzRechts">104</span><p class="absatzLinks">den Dachstuhl, den Minderwert für den Ausbruch der Kanten</p>
<span class="absatzRechts">105</span><p class="absatzLinks">im Treppenhaus und die Kostenerneuerung der Heizungsanlage</p>
<span class="absatzRechts">106</span><p class="absatzLinks">errechnet die Beklagte den Gesamtbetrag von</p>
<span class="absatzRechts">107</span><p class="absatzLinks">mindestens 48.000,00 DM, von dem sie ein Drittel, mithin</p>
<span class="absatzRechts">108</span><p class="absatzLinks">16.000,00 DM, als Schaden ansetzt.</p>
<span class="absatzRechts">109</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte habe keinen</p>
<span class="absatzRechts">110</span><p class="absatzLinks">Schaden erlitten, da bereits der Sachverständige U</p>
<span class="absatzRechts">111</span><p class="absatzLinks">in seinem Gutachten die 48.000,00 DM Minderwert</p>
<span class="absatzRechts">112</span><p class="absatzLinks">berücksichtigt habe und dadurch die Klägerin weniger</p>
<span class="absatzRechts">113</span><p class="absatzLinks">Entschädigung erhalten habe, als wenn sie den Unterhaltsrückstau</p>
<span class="absatzRechts">114</span><p class="absatzLinks">beseitigt habe.</p>
<span class="absatzRechts">115</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin bestreitet mit Nichtwissen die Beschädigungen</p>
<span class="absatzRechts">116</span><p class="absatzLinks">im Treppenhaus.</p>
<span class="absatzRechts">117</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin ist der Ansicht, sie habe ihrer Pflicht,</p>
<span class="absatzRechts">118</span><p class="absatzLinks">das Gebäude in gutem baulichen Zustand zu erhalten, erfüllt.</p>
<span class="absatzRechts">119</span><p class="absatzLinks">Bei den von der Beklagten berechneten Kosten für</p>
<span class="absatzRechts">120</span><p class="absatzLinks">die Herstellung des Dachstuhls, der Heizungsanlage sowie</p>
<span class="absatzRechts">121</span><p class="absatzLinks">den Minderwert für das Treppenhaus handele es sich</p>
<span class="absatzRechts">122</span><p class="absatzLinks">um normalen altersbedingten Verschleiß.. Eine Pflicht,</p>
<span class="absatzRechts">123</span><p class="absatzLinks">den Zustand des Dachstuhls und der Heizungsanlage zu</p>
<span class="absatzRechts">124</span><p class="absatzLinks">verbessern, habe die Klägerin nicht.</p>
<span class="absatzRechts">125</span><p class="absatzLinks"><b><u>E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e</u></b></p>
<span class="absatzRechts">126</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen</p>
<span class="absatzRechts">127</span><p class="absatzLinks">Umfang begründet.</p>
<span class="absatzRechts">128</span><p class="absatzLinks">Gegen den Restanspruch der Klägerin auf Zahlung der Abfindung</p>
<span class="absatzRechts">129</span><p class="absatzLinks">aus § 15 des Erbbauvertrages in Höhe von</p>
<span class="absatzRechts">130</span><p class="absatzLinks">16.000,00 DM hat die Beklagte mit einer Schadensersatzforderung</p>
<span class="absatzRechts">131</span><p class="absatzLinks">in Höhe von 15.201,17 DM wirksam die Aufrechnung</p>
<span class="absatzRechts">132</span><p class="absatzLinks">erklärt, so dass nur eine Klageforderung in Höhe</p>
<span class="absatzRechts">133</span><p class="absatzLinks">von 798,83 DM verbleibt.</p>
<span class="absatzRechts">134</span><p class="absatzLinks">Dieser Schadensersatzanspruch aus pVV des Vertrages vom</p>
<span class="absatzRechts">135</span><p class="absatzLinks">14.11.1927 ergibt sich aus Folgendem:</p>
<span class="absatzRechts">136</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat ihre aus § 14 des Erbbauvertrages folgenden</p>
<span class="absatzRechts">137</span><p class="absatzLinks">Pflicht, die Bauwerke bis zur Rückgabe an die</p>
<span class="absatzRechts">138</span><p class="absatzLinks">Beklagte in gutem baulichen Zustand zu erhalten, nicht</p>
<span class="absatzRechts">139</span><p class="absatzLinks">erfüllt. Die Klägerin war verpflichtet, den Dachstuhl</p>
<span class="absatzRechts">140</span><p class="absatzLinks">in einem funktionsfähigen Zustand zu erhalten, bzw.</p>
<span class="absatzRechts">141</span><p class="absatzLinks">diesen wieder in einen solchen Zustand zu versetzen.</p>
<span class="absatzRechts">142</span><p class="absatzLinks">Dieser Pflicht hat die Klägerin nicht genügt, da der</p>
<span class="absatzRechts">143</span><p class="absatzLinks">Dachstuhl nach den unstreitigen Feststellungen des</p>
<span class="absatzRechts">144</span><p class="absatzLinks">Sachverständigen Q im Zeitpunkt der Rückgabe an</p>
<span class="absatzRechts">145</span><p class="absatzLinks">die Beklagte schwerste Verschleißerscheinungen und</p>
<span class="absatzRechts">146</span><p class="absatzLinks">Schäden aufwies. So sind Sparren, Streben, Binderpfosten</p>
<span class="absatzRechts">147</span><p class="absatzLinks">und Stuhlpfosten durch Braunfäule zerstört. Der</p>
<span class="absatzRechts">148</span><p class="absatzLinks">Kopfband am Walm ist zur Hälfte gesplittert. Die vordere</p>
<span class="absatzRechts">149</span><p class="absatzLinks">Mittelfette am Walm ist durch Drehbuch nicht mehr</p>
<span class="absatzRechts">150</span><p class="absatzLinks">tragfähig. Die Deckenbalken über der Dachgeschosswohnung</p>
<span class="absatzRechts">151</span><p class="absatzLinks">haben die zulässige Durchbiegung überschritten,</p>
<span class="absatzRechts">152</span><p class="absatzLinks">wichtige Teile des Daches sind von Anobiiden befallen.</p>
<span class="absatzRechts">153</span><p class="absatzLinks">Um ihrer Pflicht zur ordnungsgemäßen baulichen Instandhaltung</p>
<span class="absatzRechts">154</span><p class="absatzLinks">zu genügen, hätte die Klägerin diese Mängel beseitigen</p>
<span class="absatzRechts">155</span><p class="absatzLinks">müssen. Auch war die Klägerin verpflichtet,</p>
<span class="absatzRechts">156</span><p class="absatzLinks">die Heizungs- und Warmwasseraufbereitungsanlage in</p>
<span class="absatzRechts">157</span><p class="absatzLinks">gutem baulichen Zustand zu halten. Das hat sie nach den</p>
<span class="absatzRechts">158</span><p class="absatzLinks">Feststellungen im Gutachten der Sachverständigen U</p>
<span class="absatzRechts">159</span><p class="absatzLinks">und I nicht getan. Zu Unrecht beruft sich</p>
<span class="absatzRechts">160</span><p class="absatzLinks">die Klägerin darauf, dass sich die Heizungsanlage in</p>
<span class="absatzRechts">161</span><p class="absatzLinks">einem für ihr Alter ausreichendem Zustand befände. Unstreitig</p>
<span class="absatzRechts">162</span><p class="absatzLinks">stammt die Heizungs- und Wasseraufbereitungsanlage</p>
<span class="absatzRechts">163</span><p class="absatzLinks">noch aus der Vorkriegszeit. Nach den Feststellungen</p>
<span class="absatzRechts">164</span><p class="absatzLinks">der vorgenannten Gutachter, die auch insoweit</p>
<span class="absatzRechts">165</span><p class="absatzLinks">unstreitig sind, ist die Heizungsanlage gemessen</p>
<span class="absatzRechts">166</span><p class="absatzLinks">an den Anforderungen, die heute an eine Heizungsanlage</p>
<span class="absatzRechts">167</span><p class="absatzLinks">zu stellen sind, nicht mehr brauchbar. Zur Unterhaltungspflicht</p>
<span class="absatzRechts">168</span><p class="absatzLinks">der Klägerin gehört aber auch, dass diese</p>
<span class="absatzRechts">169</span><p class="absatzLinks">dafür Sorge trägt, dass eine den heutigen Wohn- und</p>
<span class="absatzRechts">170</span><p class="absatzLinks">Nutzungsverhältnissen entsprechende Heizungs- und</p>
<span class="absatzRechts">171</span><p class="absatzLinks">Warmwasseranlage sich im Gebäude befindet. Sie hätte</p>
<span class="absatzRechts">172</span><p class="absatzLinks">deshalb auf ihre Kosten eine neue, zeitgemäße Heizungs und</p>
<span class="absatzRechts">173</span><p class="absatzLinks">Wasseraufbereitungsanlage einbauen müssen.</p>
<span class="absatzRechts">174</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat an Kosten für die Erneuerung der Heizungs-</p>
<span class="absatzRechts">175</span><p class="absatzLinks">und Warmwasseranlage nur 27.043,52 DM ausreichend</p>
<span class="absatzRechts">176</span><p class="absatzLinks">anhand des Gutachtens substantiiert.</p>
<span class="absatzRechts">177</span><p class="absatzLinks">Zu Unrecht berufen sich die Beklagten auf einen Minderwert</p>
<span class="absatzRechts">178</span><p class="absatzLinks">durch Beschädigungen an den Treppenstufen. Die Beseitigung</p>
<span class="absatzRechts">179</span><p class="absatzLinks">der Ausbrüche an den Kanten von Stufen im</p>
<span class="absatzRechts">180</span><p class="absatzLinks">Treppenhaus geht über die Pflicht der Klägerin, die Gebäude</p>
<span class="absatzRechts">181</span><p class="absatzLinks">stets in gutem baulichen Zustand zu erhalten,</p>
<span class="absatzRechts">182</span><p class="absatzLinks">hinaus. Denn ein vernünftig wirtschaftender Eigentümer</p>
<span class="absatzRechts">183</span><p class="absatzLinks">würde diese Schäden nicht beseitigen lassen, sondern</p>
<span class="absatzRechts">184</span><p class="absatzLinks">die im übrigen funktionsfähige Treppe im gegenwärtigen</p>
<span class="absatzRechts">185</span><p class="absatzLinks">Zustande belassen. Eine Beseitigung der Ausbrüche an</p>
<span class="absatzRechts">186</span><p class="absatzLinks">den Treppenkanten ist nämlich nicht möglich, so dass</p>
<span class="absatzRechts">187</span><p class="absatzLinks">diese Schäden nur durch völlige Erneuerung der Treppe</p>
<span class="absatzRechts">188</span><p class="absatzLinks">zu erreichen wäre, was keine bauliche Erhaltungsmaßnahme</p>
<span class="absatzRechts">189</span><p class="absatzLinks">mehr darstellt.</p>
<span class="absatzRechts">190</span><p class="absatzLinks">Danach sind zu Gunsten der Beklagten folgende Schadensbeseitigungskosten</p>
<span class="absatzRechts">191</span><p class="absatzLinks">zu berücksichtigen:</p>
<span class="absatzRechts">192</span><p class="absatzLinks">Reparaturkosten des Dachstuhls 18.560,00 DM</p>
<span class="absatzRechts">193</span><p class="absatzLinks">Kosten der Erneuerung der Heizungsund</p>
<span class="absatzRechts">194</span><p class="absatzLinks">Warmwasseraufbereitungsanlage</p>
<span class="absatzRechts">195</span><p class="absatzLinks">nebst Zubehör 27.043,52 DM</p>
<span class="absatzRechts">196</span><p class="absatzLinks">Zwischensumme: 45.603,52 DM</p>
<span class="absatzRechts">197</span><p class="absatzLinks">Zu Recht geht die Beklagte davon aus, dass ihr dadurch,</p>
<span class="absatzRechts">198</span><p class="absatzLinks">dass die Klägerin diese Kosten nicht aufgewandt hat,</p>
<span class="absatzRechts">199</span><p class="absatzLinks">ein Schaden von einem Drittel, also in Höhe von</p>
<span class="absatzRechts">200</span><p class="absatzLinks">15.201,17 DM entstanden ist. Denn hätte die Klägerin</p>
<span class="absatzRechts">201</span><p class="absatzLinks">die vorgenannten Schäden am Dachstuhl beseitigt und die</p>
<span class="absatzRechts">202</span><p class="absatzLinks">Heizungs- und Warmwasseranlage erneuert, so läge der</p>
<span class="absatzRechts">203</span><p class="absatzLinks">Grundstückswert um den Betrag dieser Schadensbeseitigungs-</p>
<span class="absatzRechts">204</span><p class="absatzLinks">und Erneuerungskosten, also um 45.603,52 DM</p>
<span class="absatzRechts">205</span><p class="absatzLinks">höher. Von diesem Betrag hätte die Beklagte zwei Drittel</p>
<span class="absatzRechts">206</span><p class="absatzLinks">als Entschädigung an die Klägerin zahlen müssen.</p>
<span class="absatzRechts">207</span><p class="absatzLinks">Das restliche Drittel dieser Werterhöhung, also</p>
<span class="absatzRechts">208</span><p class="absatzLinks">15.201,17 DM, wäre aber dem Vermögen der Beklagten zugute</p>
<span class="absatzRechts">209</span><p class="absatzLinks">gekommen, woran es jetzt fehlt.</p>
<span class="absatzRechts">210</span><p class="absatzLinks">Mithin betrug der Schaden der Beklagten 15.201,17 DM.</p>
<span class="absatzRechts">211</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen richten sich nach den §§ 92</p>
<span class="absatzRechts">212</span><p class="absatzLinks">Abs. 2, 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.</p>
|
114,375 | ovgnrw-1999-09-02-13-a-332397 | {
"id": 823,
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<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> T a t b e s t a n d :</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">
Der Kläger betreibt zusammen mit dem Arzt Dr. H. , dem
Kläger im Verfahren 13 A 3326/97, eine onkologische Praxis in
der W. straße in P. . In dem Gebäude befindet
sich im Erdgeschoß auch die Engel-Apotheke. </p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Im Oktober 1995 brachte eine Apothekerin aus B. D.
dem Gesundheitsamt des Beklagten einen Vorfall zur Kenntnis,
wonach einer an Krebs erkrankten Patientin am 11. Mai 1995 in
der Praxis des Klägers zwei Rezepte mit der Bitte ausgehändigt
worden seien, "diese in der Apotheke im Haus einzulösen". Ein
Rezept habe sich auf eine Zytostatika-Rezeptur bezogen, das
andere Rezept auf "Navoban Amp. V" (ein Fertigarzneimittel
gegen Übelkeit und Erbrechen bei Zytostatika-Therapie). Die
Patientin habe beide Rezepte in der "Engel-Apotheke"
abgegeben. Sie sei dort mit den Worten in Empfang genommen
worden, sie könne wieder in die Praxis gehen, die Medikamente
würden nach oben gebracht. Nach vorheriger Anhörung untersagte
der Beklagte sowohl dem Kläger als auch Dr. H. mit
Ordnungsverfügung vom 9. November 1995, dem Inhaber der Engel-
Apotheke, Herrn T. E. , </p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks"> 1. Patienten aus seiner Praxis zuzuführen, indem er oder
sein Praxispersonal seine Patienten bei der Einlösung von
Verschreibungen insbesondere über fertige Arzneimittel
und/oder Hilfsmittel, die grundsätzlich in jeder Apotheke
erhältlich sind, an die obige Apotheke zu verweisen;</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks"> 2. Verschreibungen insbesondere über fertige Arzneimittel
und/oder Hilfsmittel zuzuweisen, die grundsätzlich in
jeder Apotheke erhältlich sind.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Zugleich drohte er für jeden Patienten, den der Kläger oder
sein Personal entgegen der Anordnung an die Engel-Apotheke
verweise, die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von
2.000 DM an. Vor dem Hintergrund, daß der Kläger in der
Vergangenheit über einen Zeitraum von mehr als fünf Jahren
unzulässige Absprachen mit anderen Apothekern über die
Zuweisung von Verschreibungen getroffen habe, versuche der
Kläger nunmehr offenbar, diese rechtswidrige Zuweisung von
Verschreibungen mit der Engel-Apotheke fortzusetzen. Durch die
Verweisung einer Patientin an die Engel-Apotheke zwecks
Einlösung einer Verschreibung über das Fertigarzneimittel
"Navoban Amp. V" sei gegen das Verbot des § 11 Apothekengesetz
- ApoG - verstoßen worden, der trotz der Normadressierung an
die Apothekeninhaber und deren Personal auch auf Ärzte
anwendbar sei. Gemäß § 14 Abs. 1 Ordnungsbehördengesetz - OBG
- könne er, der Beklagte, zuständigerweise die zur Abwehr
einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung
notwendigen Maßnahmen treffen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Den Widerspruch des Klägers, in dem dieser seine
Verantwortlichkeit bzw. das Vorliegen der Voraussetzungen für
ein ordnungsrechtliches Einschreiten bestritt, wies die
Bezirksregierung D. durch Bescheid vom 29. April 1996
mit der Begründung zurück, § 11 ApoG sei auch auf Ärzte
anwendbar und die Ordnungsverfügung des Beklagten sei zu Recht
an den Kläger gerichtet worden.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Mit seiner am 20. Mai 1996 erhobenen Klage hat der Kläger
geltend gemacht, der Tenor der Ordnungsverfügung sei zu
unbestimmt; der Begriff "grundsätzlich" müsse präzisiert
werden. Eine Absprache mit dem Inhaber der Engel-Apotheke über
die Zuweisung von Patienten oder von Verschreibungen gebe es
nicht. Er habe sein Personal vielmehr ausdrücklich angewiesen,
keine Zuweisung von Patienten usw. zugunsten einer bestimmten
Apotheke vorzunehmen. Der Sachverhalt sei auch nicht
hinreichend aufgeklärt worden. Aus dem einmaligen Vorfall, der
Gegenstand der angegriffenen Ordnungsverfügung sei, könne
nicht allgemein auf das Vorliegen einer verbotswidrigen
Absprache geschlossen werden. Um den besonderen Bedürfnissen
seiner onkologischen Praxis und der Patienten gerecht zu
werden, habe im Jahre 1991 unter Beteiligung von Mitarbeitern
des Beklagten eine Sitzung mit Vertretern der Krankenkassen
und Vertretern des Apothekervereins stattgefunden, um eine für
die Patienten interessengerechte Lösung zu finden. In der
Folgezeit habe dann der Apotheker Dr. H. seine Praxis mit
Arzneimitteln beliefert. Nunmehr erfolge dies durch die Engel-
Apotheke, die im Einzugsgebiet seiner Praxis allein
Zytostatika-Zubereitungen herstellen könne. Er, der Kläger,
sei auch nicht Verantwortlicher im ordnungsrechtlichen Sinne.
</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">die Ordnungsverfügung des Beklagten
vom 9. November 1995 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides der
Bezirksregierung D. vom 29. April
1996 aufzuheben.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Er hat geltend gemacht, bezüglich Fertigarzneimittel, die
in allen Apotheken zu beziehen seien, sei die Zuweisung von
Verordnungen durch eine Arztpraxis in eine bestimmte Apotheke
unzulässig. Vor dem Hintergrund der früheren Zuweisungspraxis
des Klägers und des Dr. H. an zwei andere Apotheker sei
von einer erneuten Absprache, nunmehr mit der Engel-Apotheke,
auszugehen. Nach den Erkenntnissen von Krankenkassen seien
deutlich mehr als 90 % aller Kunden der Engel-Apotheke
Patienten der Praxis des Klägers. </p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Mit Urteil vom 4. Juni 1997, auf dessen Gründe Bezug
genommen wird, hat das Verwaltungsgericht die fragliche
Ordnungsverfügung des Beklagten und den entsprechenden
Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung D. aufgehoben.
Für die angefochtene Unterlassungsverfügung fehle es an einer
Rechtsgrundlage, die ein Einschreiten gegen den Kläger als
Arzt rechtfertige. Eine dem § 11 ApoG vergleichbare
Verbotsnorm finde sich für Ärzte nur in der Berufsordnung der
Ärztekammer; ein Recht, Verstöße gegen ärztliche
Berufspflichten zu ahnden, stehe dem Beklagten aber nicht
zu.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Mit der - vom Senat zugelassenen - Berufung macht der
Beklagte geltend, bei dem Apothekengesetz und insbesondere bei
§ 11 ApoG handele es sich nicht um ärztliches Standesrecht,
sondern um sog. Sonderordnungsrecht, zu dessen Durchsetzung er
als Ordnungsbehörde zuständig sei. Die Zuständigkeit der
Ärztekammer beschränke sich nur auf den sog. berufsrechtlichen
Überhang, im übrigen habe die Ärztekammer in der Vergangenheit
auch nicht auf seine Berichte über unzulässige Absprachen des
Klägers mit Apothekern reagiert. § 11 ApoG sei auch auf an der
verbotenen Absprache beteiligte Ärzte anwendbar. Der Kläger
habe den Tatbestand der unzulässigen Zuführung von Patienten
verwirklicht, indem eine Patientin durch eine Arzthelferin
seiner Praxis zwecks Einlösung eines Rezeptes über ein
Fertigarzneimittel an die Engel-Apotheke verwiesen worden sei.
Vor dem Hintergrund für die Vergangenheit nachgewiesener
massiver Verstöße des Klägers gegen § 11 ApoG, deretwegen dem
Kläger rechtskräftig durch Urteil des Amtsgerichts P.
eine Geldbuße (von 35.000 DM) auferlegt worden sei, sei der
Schluß gerechtfertigt, daß die Ärzte als die eigentlich
treibende Kraft dieser unzulässigen Rechtsgeschäfte angesehen
werden müßten. Ihre Inanspruchnahme als Störer sei deshalb aus
Gründen der Effektivität geboten. Die Vorschrift des § 11 ApoG
solle eine ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung der
Bevölkerung sicherstellen. Dieser Gesetzeszweck würde
erheblich eingeschränkt, wenn präventive ordnungsbehördliche
Maßnahmen nur gegenüber den an der unzulässigen Absprache
beteiligten Apothekern zulässig wären, nicht jedoch gegenüber
den ebenfalls daran beteiligten Ärzten. </p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">das angefochtene Urteil zu ändern
und die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Er macht geltend, aus § 11 ApoG sei keine Ermächtigung für
den Beklagten herzuleiten, Maßnahmen gegen Ärzte zu treffen.
Selbst wenn dies anders gesehen würde, sei die gegen ihn
ergangene Ordnungsverfügung rechtswidrig. In bezug auf den
Vorfall, der der Verfügung zugrundeliege, sei es eindeutig,
daß eine Zuweisung des Zytostatika-Rezeptur-Rezeptes an die
Engel-Apotheke zulässig gewesen sei, da nur diese im
räumlichen Einzugsbereich der Praxis die für die Herstellung
von Zytostatika-Rezepturen erforderliche apparative
Ausstattung habe. Das andere auf "Navoban" bezogene Rezept
hätte die Patientin auch in einer anderen Apotheke einlösen
können. Es sei jedoch völlig lebensfremd, daß ein Patient, der
zeitnah eine chemotherapeutische Anwendung erhalten solle,
zwei verschiedene Apotheken aufsuche, um die beiden ärztlichen
Verordnungen ausführen zu lassen. Die Einlösung beider Rezepte
in ein und derselben Apotheke sei deshalb vollkommen natürlich
und keineswegs Ausdruck einer rechtswidrigen
Zuweisungstätigkeit in seiner Praxis. Wegen der räumlichen
Nähe zwischen Apotheke und Praxis liege es in der Natur der
Sache, daß ein Großteil seiner Patienten gerade die Engel-
Apotheke im gleichen Hause aufsuche.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird
Bezug genommen auf den Inhalt ihrer Schriftsätze, wegen des
Sachverhalts im übrigen auf die Gerichtsakte und die
Verwaltungsvorgänge der Beklagten.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">
Entscheidungsgründe:</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">
Die Berufung ist nicht begründet.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Das Verwaltungsgericht hat die angefochtenen Bescheide
jedenfalls im Ergebnis zu Recht aufgehoben. Der Senat ist zwar
- anders als das Verwaltungsgericht - der Auffassung, daß auch
Ärzte dem Anwendungsbereich des § 11 Apothekengesetz - ApoG -
i. d. F. der Bekanntmachung vom 15. Oktober 1980 (BGBl. I S.
1963) unterfallen können, hält aber den Tatbestand der
Bestimmung in bezug auf den Kläger für nicht gegeben. </p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Nach § 11 ApoG, der seit dem Inkrafttreten des
Apothekengesetzes unverändert geblieben ist, dürfen
Erlaubnisinhaber und Personal von Apotheken mit Ärzten oder
anderen Personen, die sich mit der Behandlung von Krankheiten
befassen, keine Rechtsgeschäfte vornehmen oder Absprachen
treffen, die eine bevorzugte Lieferung bestimmter
Arzneimittel, die Zuführung von Patienten, die Zuweisung von
Verschreibungen oder die Fertigung von Arzneimitteln ohne
volle Angabe der Zusammensetzung zum Gegenstand haben.
Unmittelbare Adressaten dieser Bestimmung sind zwar der
Erlaubnisinhaber, d. h. der Apotheker, dem die Erlaubnis nach
§ 1 ApoG erteilt worden ist, und das (gesamte)
Apothekenpersonal. Der Anwendungsbereich der Norm beschränkt
sich aber nicht auf diesen Personenkreis. Dies läßt sich
sowohl vom Wortlaut als auch vom Sinn und Zweck der Vorschrift
her folgern.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Es kann dahinstehen, ob von den in § 11 ApoG genannten
Tatbestandsvarianten der Komplex der "Zuweisungen von
Verschreibungen" nicht ohnehin nur durch den Arzt (und nicht
auch durch einen Apotheker) begangen werden kann, während die
anderen drei Varianten das Handeln des Apothekers bestimmen
sollen. Der Wortlaut des § 11 ApoG erfaßt mit der
ausdrücklichen Bezeichnung von "Ärzten oder anderen Personen,
die sich mit der Behandlung von Krankheiten befassen", auch
andere heilberuflich tätige Personen als das
Apothekenpersonal. Der in der Bestimmung u. a. genannte Arzt
ist jedenfalls notwendigerweise Beteiligter an einer etwaigen
unzulässigen Vereinbarung (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 5 ApoG) mit dem
Apothekenbetreiber oder dessen Personal. Den Begriffen
"Rechtsgeschäfte" und "Absprachen" ist das Mitwirken mehrerer
Personen - außer dem durch § 11 ApoG unmittelbar
angesprochenen Erlaubnisinhaber und dem Apothekenpersonal
mindestens einer weiteren Person - immanent. Auch wenn wegen
der Normadressierung an den Erlaubnisinhaber und das Personal
von Apotheken eine, nach strafrechtlichen Begriffen,
"unmittelbare Täterschaft" des Arztes in diesem Fall nicht in
Betracht kommt, wäre er aber somit "Gehilfe" einer durch den
Apotheken-Betriebserlaubnisinhaber oder das Apothekenpersonal
begangenen Tatbestandsverwirklichung einer apothekenrechtlich
unzulässigen Vereinbarung in Form eines Rechtsgeschäfts oder
einer Absprache. </p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Auch Sinn und Zweck des § 11 ApoG lassen eine Erstreckung
seines Anwendungsbereichs auf andere im Bereich der Heilkunde
tätige Personen als den Erlaubnisinhaber und das Personal von
Apotheken geboten erscheinen. § 11 ApoG, der im Laufe des
Gesetzgebungsverfahrens zum Apothekengesetz zunächst als § 10b
u.a. zusammen mit dem - dem heutigen § 10 ApoG entsprechenden
- damaligen § 10a, durch den die wirtschaftliche
Entscheidungsfreiheit und Unabhängigkeit des Apothekers
gesichert werden sollte,</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">vgl. BT-Drucks. 3/1769; BT-Drucks.,
3. Wahlperiode, S. 6382, 6396 f., </p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">eingefügt worden ist, ist Ausdruck des Grundsatzes einer
strengen Trennung zwischen dem Beruf des Arztes und dem des
Apothekers und seines Personals. Die Bestimmung soll die
Unabhängigkeit des Apothekers gegenüber den anderen
Heilberufen und den Heilhilfsberufen sichern. Die
ausdrückliche Regelung dieses Anliegens durch Gesetz belegt
die grundlegende gesundheitspolitische Bedeutung dieses Themas
für den Gesetzgeber. Die insbesondere auch in der Statuierung
eines Verbots der Zuweisung von Verschreibungen zum Ausdruck
kommende Trennung zwischen dem Beruf des Arztes und dem des
Apothekers soll einerseits gewährleisten, daß der Arzt sich
bei der Auswahl der Arzneimittel ausschließlich von fachlich-
medizinischen Gesichtspunkten und seinem ärztlichen Gewissen
leiten läßt; andererseits soll sie dazu beitragen, daß der
Apotheker die ihm zugewiesene Kontrollfunktion bei der
Lieferung und Aushändigung von Arzneimitteln sachgerecht und
eigenverantwortlich entsprechend seiner herausgehobenen
Stellung im Gesundheitssystem wahrnimmt. Dem Patienten soll
dadurch die Sicherheit gegeben werden, daß auch die Verordnung
von Medikamenten durch den Arzt nur zum Zwecke seiner Heilung
und nicht etwa wegen eines möglichen wirtschaftlichen
Interesses des Arztes oder eines Dritten getroffen wird.
Darüberhinaus trägt § 11 ApoG dazu bei, die Freiheit des
Patienten in der Wahl seiner Apotheke zu wahren.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NW, Urteile vom 12.
November 1981 - ZA 3/79 -, n.v., vom
10. Mai 1993 - 13 A 1822/91 -; BVerwG,
Beschluß vom 24. März 1994 - 3 B
49.93 -, NJW 1995, 1627 zu OVG NW 13 A
1822/91; Landesberufsgericht für
Heilberufe bei dem OVG Rheinland-Pfalz,
Urteil vom 12. Mai 1993 - LBGH A
10094/93 -, NJW 1994, 813; vgl. auch
das den Kläger betreffende Urteil des
Amtsgerichts P. vom 26. Januar
1998 - 26 a OWi 11 Js 484/97 (349/97),
UA S. 12.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Ob die Geltung des § 11 ApoG für andere als für die darin
unmittelbar angesprochenen Erlaubnisinhaber und das Personal
von Apotheken auch daraus hergeleitet werden kann, daß das
Apothekenrecht im Gegensatz beispielsweise zum Apothekerrecht,
zu dem das allgemeine Berufszulassungsrecht, das Prüfungsrecht
und das Berufs- und Standesrecht gerechnet werden kann, nicht
ausschließlich "personenbezogene" Regelungen enthält, </p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Januar
1998 - 3 C 6.97 -, BVerwGE 106, 141 zu
einem ähnlichen Gedanken zu § 69 Abs. 1
Satz 1 AMG, der eine generelle
Ermächtigung zur Überwachung des
Verkehrs mit Arzneimitteln begründen
soll und der mit dieser generellen
Auswirkung beispielsweise auch zu
ordnungsrechtlichen Maßnahmen bei
Verstößen gegen das Apothekenrecht
ermächtigt, </p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">kann angesichts des Vorstehenden dahinstehen. </p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Wenn somit im Falle einer nach § 11 ApoG verbotenen
Absprache ein daran mitwirkender Arzt notwendiger Beteiligter
ist, so muß konsequenterweise ihm gegenüber auch mit
ordnungsrechtlichen Mitteln eingeschritten werden können. Daß
das Apothekengesetz selbst insoweit keine ausdrückliche
Ermächtigungsgrundlage enthält, steht dem nicht entgegen, weil
- wie dies auch in den angefochtenen Bescheiden geschehen
ist - § 14 des Ordnungsbehördengesetzes - OBG - herangezogen
werden kann. Dadurch, daß der Arzt an einem dem Apotheker oder
seinem Personal verbotenen Rechtsgeschäft oder einer
verbotenen Absprache mitwirkt, begeht er selbst eine
Ordnungswidrigkeit, zumindest wirkt er an dem Begehen einer
solchen durch den Apotheker oder durch dessen Personal mit. In
der Mißachtung eines gesetzlichen Verbots und einem Mitwirken
an einem solchen Verstoß liegt aber eine Störung der
öffentlichen Sicherheit, die die zuständige staatliche
Ordnungsbehörde - im vorliegenden Fall den Beklagten -
grundsätzlich zum Einschreiten berechtigt. Die Auffassung, §
11 ApoG könne keine Rechtsgrundlage sein für ein Einschreiten
gegenüber einem an einer unzulässigen Absprache mit einem
Apotheker beteiligten Arzt und insoweit stehe als
Instrumentarium nur die ärztliche Berufsordnung zur Verfügung,
führt zudem zu dem eigenartigen Ergebnis, daß der Arzt wegen
seines gesetzwidrigen Verhaltens ordnungsrechtlich nicht zur
Verantwortung gezogen werden könnte und nur mit
berufsrechtlichen Konsequenzen zu rechnen hätte, während der
Apotheker über § 11 ApoG sowohl mit ordnungsrechtlichen als
auch über die entsprechende Berufsordnung mit
berufsrechtlichen Maßnahmen rechnen müßte. Wenn für die
Ahndung eines Gesetzesverstoßes, wie er im vorliegenden Fall
in Frage steht, nur berufsrechtliche Konsequenzen nach der
maßgebenden Berufsordnung in Betracht kommen sollten, wäre
außerdem die gesonderte Aufnahme einer mit entsprechenden
berufsrechtlichen Regelungen nahezu gleichlautenden Bestimmung
in einem für das Apothekenwesen im speziellen und für das
Gesundheitswesen im allgemeinen bedeutsamen Gesetz (hier: § 11
ApoG) nicht notwendig. Auch dieser Gesichtspunkt zeigt, daß
das Mitwirken eines Arztes bei einer nach § 11 ApoG
unzulässigen Vereinbarung mit einem Apotheker nicht nur
berufsrechtlichen Konsequenzen unterliegen kann. </p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Die vorstehenden Überlegungen lassen es deshalb
gerechtfertigt erscheinen, wie es das Bundesverwaltungsgericht
- möglicherweise nur beiläufig - formuliert hat, </p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Beschluß vom 24. März 1994 - 3 B
49.93 -, a.a.O., </p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">außer den Apotheker auch den Arzt "dem § 11 ApoG in vollem
Umfang zu unterwerfen". Der dort entschiedene Fall eines vom
Apotheker und Arzt gemeinsam entwickelten Arzneimittels weist
gegenüber dem vorliegenden Fall keine Besonderheiten auf, die
dazu zwingen, im Falle des Klägers von einer Anwendung des §
11 ApoG auf ihn abzusehen. Wenn schon eine gemeinsame
Entwicklung von Arzneimitteln, die ohne intensive
Zusammenarbeit zwischen Apotheker und Arzt nicht denkbar
erscheint, für beide Beteiligten die Anwendbarkeit des § 11
ApoG nach sich zieht, muß dies auch gelten für eine mögliche
Vereinbarung zwischen ihnen, auch wenn möglicherweise eine
weniger intensive Zusammenarbeit wie bei einer gemeinsamen
Arzneimittelentwicklung gegeben ist. </p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Im Falle des Klägers sind aber die seine ordnungsrechtliche
Inanspruchnahme rechtfertigenden Tatbestandsmerkmale des § 11
ApoG nicht zu bejahen.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">§ 11 ApoG bezeichnet als Inhalt verbotener Rechtsgeschäfte
und Absprachen vier Handlungsgruppen, nämlich die bevorzugte
Lieferung bestimmter Arzneimittel, die Zuführung von
Patienten, die Zuweisung von Verschreibungen oder die
Fertigung von Arzneimitteln ohne volle Angabe der
Zusammensetzung. Von diesen kommen, wovon auch die Beteiligten
ausgehen, von der Sache her nur die zweite und dritte
Fallgruppe in Betracht. Auch diese Tatbestände sind aber bei
dem Kläger nicht gegeben.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Die Fallgruppe "Zuführung von Patienten" ist nach
Auffassung des Senats für den Kläger als Arzt nicht
einschlägig. Diese Folgerung rechtfertigt sich bei
zusammenschauender Wertung der in § 11 ApoG enthaltenen
Begriffe schon deshalb, weil die Zuführung eines "Patienten"
nur als Zuführung einer Person zu einem Arzt Sinn macht (nur
insoweit ist der Begriff "Patient" gebräuchlich), während für
den Fall, daß ein Arzt seine Patienten an eine bestimmte
Apotheke verweist, allenfalls von der Zuführung von "Kunden"
an diese (nicht aber von "Patienten") gesprochen werden kann.
Diese Tatbestandsvariante richtet sich deshalb nur an den
Apotheker und sein Personal und soll verhindern, daß diese
Absprachen treffen, nach denen sie "Zubringerdienste" für
einen Arzt, Zahnarzt, Tierarzt oder Heilpraktiker leisten,
indem sie dem Publikum, insbesondere auch den Kunden ihrer
Apotheke, die Konsultation eines bestimmten Arztes empfehlen.
</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Vgl. Schiedermair/Pieck,
Apothekengesetz, 3. Aufl. 1981, § 11
ApoG, RdNr. 14 bis 16; Hoffmann, Gesetz
über das Apothekenwesen, § 11 RdNr.
8.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Der Fall der Zuführung eines Kunden durch einen Arzt an
eine bestimmte Apotheke, der im vorliegenden Fall in Frage
steht, ist mit dieser Variante hingegen nicht gemeint. Eine
solche Handlungsweise entspricht vielmehr regelmäßig dem Fall
der "Zuweisung von Verschreibungen" und wird von diesem
erfaßt. Mit der im Regelfall erfolgenden Aushändigung eines
vom Arzt ausgestellten Rezeptes an einen Patienten mit der
Bitte, dieses in einer bestimmten Apotheke einzulösen, wird
bei Einlösung des Rezeptes dieser Apotheke ein Kunde zugeführt
und zugleich das Merkmal der "Zuweisung einer Verschreibung"
erfüllt. </p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Eine verbotene Absprache in bezug auf die "Zuweisung von
Verschreibungen" ist bei dem Kläger gleichfalls nicht
festzustellen. Dazu zählt zunächst alles, was dazu dient,
ärztliche Verschreibungen unter Ausschluß anderer Apotheken
unmittelbar einer einzelnen Apotheke oder mehreren Apotheken
anteilmäßig oder im Wechsel zukommen zu lassen. Entscheidendes
Kriterium ist insoweit, daß der Arzt dem Patienten die
Verschreibung nicht aushändigt, sondern unmittelbar der
begünstigten Apotheke zugehen läßt, die dem Patienten sodann
die verschriebenen Arzneimittel abgibt. </p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Vgl. Schiedermair/Pieck, a.a.O., §
11 ApoG, RdNr. 17 ff.; Hoffmann,
a.a.O., § 11 RdNr. 9.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Bei einer solchen Verfahrensweise wird dem Patienten die
Freiheit genommen, die Apotheke, in der er ein vom Arzt
ausgestelltes Rezept einlösen will, frei zu wählen. </p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Nach diesen Kriterien unterfällt die dem Kläger
vorgeworfene Handlung, daß einer Patientin durch eine seiner
Mitarbeiterinnen zwei Rezepte mit der Bitte ausgehändigt
worden seien, diese in der Apotheke im Erdgeschoß des
Praxisgebäudes einzulösen, nicht dem Tatbestandsmerkmal der
"Zuweisung von Verschreibungen". Die Rezepte sind nicht direkt
der Engel-Apotheke zugeleitet, sondern der betreffenden
Patientin übergeben worden, die diese in der Apotheke im
Erdgeschoß des Hauses abgegeben hat. </p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Zwar erscheint die Erfüllung der Tatbestandsvariante
"Zuweisung von Verschreibungen" auch denkbar bei Überbringung
des Rezeptes durch den Patienten in die Apotheke und einer auf
Initiative des Arztes beruhenden "intensiven und den Patienten
einschüchternden" Empfehlung des Arztes oder seines
Praxispersonals, das Rezept nur in einer bestimmten Apotheke
einzulösen; andererseits bleibt auch in einem solchen Fall, in
dem der Patient im Besitz des vom Arzt ausgestellten Rezeptes
ist, diesem grundsätzlich die Möglichkeit des Einlösens in
einer Apotheke seiner Wahl. Für ein derartiges massives
Auftreten des Klägers oder seines Personals sind aber
bezüglich des Vorfalls im Mai 1995, der zum Anlaß genommen
wurde für die Ordnungsverfügung gegen den Kläger, keinerlei
Anhaltspunkte ersichtlich. </p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Im Hinblick auf den Vorfall im Mai 1995 ist zudem nach
Auffassung des Senats das für § 11 ApoG erforderliche
Tatbestandsmerkmal einer Absprache zwischen dem Apotheker und
dem Kläger nicht feststellbar. Zwar können "Absprachen" im
Sinne der Bestimmung auch stillschweigend getroffen sein und
aus einer eingespielten Übung hervorgehen oder durch
schlüssige Handlungen zustandekommen. Verifizierbare
Anhaltspunkte für eine in bezug auf die Zuweisung von
Verschreibungen bestehende Absprache zwischen dem Kläger und
dem Apotheker im Erdgeschoß desselben Hauses sind aber nicht
ersichtlich. Es erscheint schon zweifelhaft, ob sich allein
aufgrund eines einmaligen Vorfalls die Annahme einer
Absprache, d.h. eines bewußten und gewollten
Zusammenwirkens,</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">vgl. OVG NW, Urteil vom 10. Mai 1993
- 13 A 1822/91 -, </p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">rechtfertigen läßt. Zwar mag das Verhalten des Klägers und
seines Kollegen Dr. H. in der Vergangenheit, in der
nach § 11 ApoG unzulässige Absprachen u.a. mit dem Apotheker
Dr. H. bestanden haben und deretwegen der Kläger durch
Urteil des Amtsgerichts P. vom 26. Januar 1998 zu
einer Geldbuße von 35.000,-- DM verurteilt worden ist, die
Einschätzung nahelegen, daß eine entsprechende unzulässige
Absprache auch mit dem Inhaber der Engel-Apotheke im
Erdgeschoß des Praxisgebäudes bestand. Andererseits sind aber
die Besonderheiten dieses Falles und des Vorfalls im Mai 1995,
der nach Auffassung des Beklagten auch nur bezüglich einer von
zwei Rezept-Einlösungen zu beanstanden war, nicht zu
verkennen. Der Kläger betreibt eine onkologische
Schwerpunktpraxis, die eine wohnortnähere Betreuung der
Patienten als in einer Klinik ermöglicht. Die Durchführung
ambulanter Krebstherapien erfordert vielfach den Einsatz
individuell herzustellender, hochspezifischer Arzneimittel und
dementsprechend eine individuelle, auf den jeweiligen
Patienten abgestimmte Dosisfindung durch den Arzt. Ob dies zur
besseren Betreuung der Patienten generell besondere
Versorgungsstrukturen zwischen Arzt, Apotheker und Patient
erfordert, </p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">vgl. dazu beispielsweise Fischer/
Gerdelmann, "Nicht ohne
Krankenhausapotheken! Krebstherapie in
der ambulanten Versorgung", Die
Ersatzkasse 1998, 457, </p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">kann dahinstehen. Jedenfalls ist es ein am Markt zu
beobachtendes Faktum, daß sich in unmittelbarer Nachbarschaft
zu Arztpraxen, häufig sogar in ein und demselben Gebäude, auch
Apotheken befinden, insbesondere auch bei auf bestimmte
Disziplinen spezialisierten Arztpraxen, auf deren Bedürfnisse
sich die Apotheken einstellen. Dabei handelt es sich um
tatsächliche Gegebenheiten, die sich entsprechend den
Bedürfnissen am Markt und u. a. aus wirtschaftlichen
Überlegungen, denen sich auch ein Apotheker nicht verschließen
wird, entwickeln. Eine solche Situation besteht offenbar auch
im vorliegenden Fall. Wie zwischen den Beteiligten unstreitig
ist, ist die Engel-Apotheke im Erdgeschoß des Gebäudes, in dem
der Kläger seine Arztpraxis betreibt, die einzige Apotheke im
räumlichen Einzugsbereich der Praxis, die die für die
Herstellung der für die Behandlung von Krebskranken benötigten
Zytostatika-Rezepturen erforderliche apparative Ausstattung
hat. Die im Mai 1995 erfolgte Einlösung des auf ein
entsprechendes Zytostatikum bezogenen Rezepts durch die
betreffende Patientin in der Engel-Apotheke im Erdgeschoß des
Praxisgebäudes begegnet deshalb - auch nach Ansicht des
Beklagten - in bezug auf § 11 ApoG keinen Bedenken. Die
Einlösung dieses Rezepts in dieser Apotheke war praktisch
unumgänglich, wollte die Patientin nicht die Unbequemlichkeit
auf sich nehmen, eine andere Apotheke aufsuchen zu müssen, bei
der sie zudem nicht sicher sein konnte, ob diese auch zur
Herstellung des Arzneimittels in der Lage war. Nach der
Beschreibung des Vorfalls im Mai 1995 in den
Verwaltungsvorgängen des Beklagten ist der Patientin in der
Apotheke gesagt worden, sie könne wieder in die Praxis gehen
und die Medikamente würden nach oben gebracht. Dieser Hinweis
des Apothekenpersonals läßt erkennen, daß noch am selben Tage
eine weitere Behandlung der Patientin in der Praxis des
Klägers erforderlich war. Es entspricht aber nicht der
Lebenserfahrung, daß eine Patientin, die im Rahmen einer
Krebstherapie ein Rezept für ein noch herzustellendes
Arzneimittel in einer dazu geeigneten nahen Apotheke einlöst,
ein anderes - zwar auch für die Krebstherapie notwendiges,
aber ein Fertigarzneimittel betreffendes - Rezept in einer
anderen, möglicherweise weit(er) entfernten Apotheke vorlegt.
Bei unmittelbarer räumlicher Nähe zwischen Arztpraxis und
Apotheke und insbesondere, wenn sich beide in ein und
demselben Gebäude befinden, spricht vielmehr vieles dafür, daß
die ohnehin physisch, aber auch psychisch labilen Patienten
gerade einer onkologischen Praxis den "bequemsten Weg" wählen
und die im Rahmen der Krebstherapie erhaltenen Rezepte in der
nächstgelegenen und am schnellsten erreichbaren Apotheke
einlösen, zumal dann, wenn diese die einzige Apotheke im
weiteren Umkreis ist, die zur Herstellung des individuell
zusammengestellten Zytostatika-Mittels in der Lage ist. Aus
diesem Umstand erklärt sich auch die auf einer Auswertung von
Krankenkassen-Unterlagen beruhende Mitteilung des Beklagten,
die in der Engel-Apotheke eingelösten Rezepte stammten zu mehr
als 90 % aus der Praxis des Klägers und seines Kollegen.
Dieses nach den tatsächlichen Gegebenheiten und aufgrund des
Vorstehenden nicht außergewöhnliche Faktum kann nicht als
durchschlagendes Indiz für eine (apothekenrechtlich
unzulässige) Absprache zwischen dem Kläger und dem Inhaber der
Apotheke oder dem Apothekenpersonal gewertet werden. Vor dem
dargestellten Hintergrund kann die in der Schilderung des
Vorfalls von Mai 1995 wiedergegebene Bitte einer
Praxismitarbeiterin des Klägers an die Patientin, die Rezepte
in der Apotheke im Hause - Parterre - einzulösen, auch im
Sinne einer den Interessen der Patientin entgegenkommenden
Empfehlung verstanden werden, aufgrund der eine möglichst
schnelle Besorgung der notwendigen Arzneimittel und ein
möglichst rascher Abschluß der Behandlungsnotwendigkeiten
durch den Kläger oder seinen Kollegen an diesem Tag ermöglicht
werden sollte. Ein zwingendes Indiz für das Bestehen einer
unzulässigen Absprache zwischen dem Kläger und dem
Apothekenerlaubnisinhaber in bezug auf eine unzulässige
Zuweisung von Verschreibungen liegt deshalb auch darin nicht.
Dies gilt erst recht angesichts der aus den Unterlagen des
Beklagten erkennbaren, von diesen unterschriebenen Erklärung
der Mitarbeiter der Praxisgemeinschaft des Klägers, daß sie
anläßlich der Eröffnung der Engel-Apotheke im Februar 1995
nachdrücklich darüber aufgeklärt und angewiesen worden seien,
keine Patienten an die Engel-Apotheke oder andere konkrete
Apotheken verweisen zu dürfen, und daß alle Rezepte den
Patienten ausgehändigt werden müßten und nicht von
Praxismitarbeitern in die Apotheke verbracht werden dürften.
Weitere Indizien, die die Annahme einer unzulässigen Absprache
rechtfertigen können, sind aber weder von der Beklagten
dargetan worden noch sonst ersichtlich. Dies gilt auch für das
Mietverhältnis zwischen dem Kläger und dem Inhaber der Engel-
Apotheke; andernfalls wäre Letzterem wohl die
Apothekenbetriebserlaubnis nicht erteilt worden. Der nach der
Beschreibung des Vorfalls von Mai 1995 erfolgte Verzicht des
Apothekers auf die Bezahlung eines Rezeptanteils durch die
Patientin reicht, weil dies der Patientin zugute kam und für
das Verhältnis zwischen dem Kläger und dem Apotheker
unmittelbar nichts aussagt, insoweit nicht. </p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">
</p>
|
114,376 | ovgnrw-1999-09-02-4-b-155499 | {
"id": 823,
"name": "Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen",
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"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
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} | 4 B 1554/99 | 1999-09-02T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:37 | 2019-02-12T13:54:20 | Beschluss | ECLI:DE:OVGNRW:1999:0902.4B1554.99.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> G r ü n d e :</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">
Der auf die Zulassungsgründe des § 146 Abs. 4 in Verbindung
mit § 124 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 VwGO gestützte Antrag hat keinen
Erfolg. </p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Darlegungen der Antragstellerin innerhalb der
Antragsfrist begründen keine ernstlichen Zweifel an der
Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses (§ 146 Abs. 4 in
Verbindung mit § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). </p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, § 2 Abs. 1
Satz 3 UmlageVO in der im Jahre 1998 gültigen Fassung sei
unwirksam. § 8 AltPflG ermächtige den Verordnungsgeber nicht,
den in § 7 AltPflG erwähnten Begriff "alte Menschen" in § 2
Abs. 1 Satz 3 UmlageVO als "Personen nach Vollendung des 60.
Lebensjahres" zu definieren. Die Ungültigkeit des § 2 Abs. 1
Satz 3 UmlageVO führe zur Ungültigkeit der UmlageVO insgesamt.
Unmittelbar auf die gesetzlichen Regelungen in § 7 AltPflG
könne der Heranziehungsbescheid nicht gestützt werden, weil
die in § 8 AltPflG enthaltene Verordnungsermächtigung eine
Rechtsanwendungssperre enthalte. Dem ist nicht zu folgen. </p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">§ 2 Abs. 1 Satz 3 UmlageVO hatte in seiner Ursprungsfassung
vom 28. September 1994 (GV. NRW. 1994, S. 843) folgenden
Wortlaut: </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">"Bei der Umrechnung der über die
ambulanten Dienste erbrachten
Leistungsstunden für die Pflege alter
Menschen in Vollzeitstellen ist von
einer Durchschnittsarbeitszeit von 1553
Jahresarbeitsstunden für eine
Vollzeitkraft auszugehen."</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">
Die Verwendung des Begriffs "alter Menschen" entsprach der
Formulierung in § 7 Abs. 3 AltPflG. § 2 Abs. 1 Satz 3 UmlageVO
ist durch Art. I Nr. 1 b der Verordnung zur Änderung der
Verordnung über die Erhebung einer Umlage nach dem
Altenpflegegesetz vom 12. Dezember 1996 (GV. NRW. 1996, S.
520) - ÄndVO - mit Wirkung ab 1. Januar 1997 (vgl. Art. II)
geändert worden. Art. I Nr. 1 b ÄndVO lautet:</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">"§ 2 wird wie folgt geändert:</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">In Absatz 1 Satz 3 werden die Wörter
alter Menschen durch die Wörter von
Personen nach Vollendung des
60. Lebensjahres ersetzt."</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">
Es könnte sich deshalb allein die Frage stellen, ob der
Verordnungsgeber durch § 8 AltPflG zu dieser Änderung des § 2
Abs. 1 Satz 3 UmlageVO ermächtigt war. Fehlte es an einer
solchen Ermächtigung, wie die Antragstellerin meint, so wäre
Art. I Nr. 1 b ÄndVO ungültig. Das hätte allerdings nur zur
Folge, daß die UmlageVO, soweit § 2 Abs. 1 Satz 3 in Rede
steht, wieder in der ursprünglichen Fassung anzuwenden wäre.
</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Zur Fortgeltung alter
Rechtsvorschriften im Falle der
Nichtigkeit der sie ersetzenden
Regelungen vgl.: Schneider, Gesetzgebung,
1982, S. 275 f., Ipsen, Rechtsfolgen der
Verfassungswidrigkeit von Norm und
Einzelakt, 1980, S. 258 f., Pestalozza,
Verfassungsprozeßrecht, 2. Aufl. 1982, S.
175, BVerwG, Urteil vom 10. August 1990 -
4 C 3.90 ,BVerwGE 85, 289, 292.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">
Diese entspricht der gesetzlichen Vorgabe in § 7 Abs. 3
AltPflG und ist mit der Konzeption der UmlageVO im übrigen zu
vereinbaren. Aus diesem Grunde kann auch nicht angenommen
werden, daß eine Ungültigkeit des Art. I Nr. 1 b ÄndVO die
Ungültigkeit der übrigen Regelungen der ÄndVO oder gar der
UmlageVO insgesamt zur Folge hätte.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Der Vortrag der Antragstellerin, die Regelungen des § 7
Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Nrn. 3 und 4 und Abs. 5 AltPflG seien
nichtig, weil sie, soweit darin der Begriff "alte Menschen"
verwendet werde, nicht den Grundsätzen der Normklarheit und
der Justitiabilität entsprächen, genügt nicht den
Darlegungsanforderungen des § 146 Abs. 5 Satz 3 VwGO. </p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die grundsätzliche Zulässigkeit unbestimmter Begriffe
entbindet den Gesetzgeber nicht davon, eine Vorschrift so zu
fassen, daß sie den rechtsstaatlichen Grundsätzen der
Normklarheit und Justitiabilität entspricht. Sie muß in ihren
Voraussetzungen und ihrem Inhalt so formuliert sein, daß die
von ihr Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten
danach einrichten können. Die Gerichte müssen in der Lage
sein, die gesetzgeberische Entscheidung zu konkretisieren.
Andererseits kann nicht erwartet werden, daß jeder Zweifel
ausgeschlossen wird. Die Auslegungsbedürftigkeit nimmt einer
Vorschrift noch nicht die rechtsstaatlich gebotene
Bestimmtheit; es ist Aufgabe der Rechtsanwendungsorgane,
Zweifelsfragen zu klären.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">So BVerfG, Beschluß vom 7. Juli 1971
- 1 BvR 775/66 -, BVerfGE 31, 255,
264.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">
Hiervon ausgehend hätte die Antragstellerin im einzelnen und
substantiiert darlegen müssen, inwiefern die fraglichen
Vorschriften nach den vorgenannten Grundsätzen zu beanstanden
sein sollen. Daran fehlt es.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerin meint weiter, es handele sich bei der
Umlage nach dem Altenpflegegesetz um eine offensichtlich
verfassungswidrige Sonderabgabe. Das Verwaltungsgericht habe
die Offensichtlichkeit zu Unrecht verneint. Auch dieser
Einwand greift nicht durch.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat bereits in seinem Beschluß vom 16. März 1998
- 4 B 40/98 -, NWVBl. 1998, 359, ausgeführt, daß die Frage der
Verfassungswidrigkeit im Verfahren auf Gewährung vorläufigen
Rechtsschutzes nicht geklärt werden kann. Hieran hält er fest.
Deshalb läßt sich auch eine offensichtliche
Verfassungswidrigkeit nicht feststellen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Der Umstand, daß das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Beschluß vom 28. April 1999
- 7 K 7478/97 - u.a.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">
und das Verwaltungsgericht Düsseldorf </p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Beschluß vom 1. Juni 1999
- 3 K 9998/97 -</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">
in erstinstanzlich anhängigen Hauptsacheverfahren dem
Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt haben, ob die für
die Umlageerhebung maßgeblichen Vorschriften des
Altenpflegegesetzes mit dem Grundgesetz vereinbar sind,
rechtfertigt keine andere Entscheidung, zumal die Gerichte zu
durchaus unterschiedlichen rechtlichen Bewertungen gelangen.
</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Beide Gerichte gehen zwar davon aus, daß es sich bei der
Umlage um eine Sonderabgabe handelt, sind sich jedoch nicht
einig darin, an welchen der für die Erhebung einer derartigen
Abgabe erforderlichen Voraussetzungen es mangeln soll. Nach
Auffassung des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen fehlt es an
einer Gruppenhomogenität, weil Einrichtungen zur Pflege alter
Menschen nicht sachgerecht von Pflegeeinrichtungen abgegrenzt
werden könnten, die sich nicht mit der Pflege alter Menschen
befassen. Die Frage, ob - bei gleichwohl unterstellter
Homogenität - eine spezifische Beziehung zwischen dem Kreis
der Abgabepflichtigen und dem mit der Abgabenerhebung
verfolgten Zweck besteht, läßt das Gericht offen, weil der
Umfang der Gruppenverantwortung nicht geregelt sei.
Demgegenüber nimmt das Verwaltungsgericht Düsseldorf eine
hinreichende Homogenität der belasteten Gruppe an und bejaht
auch eine spezifische Beziehung. Es ist jedoch der Auffassung,
daß die Sonderabgabe nicht gruppennützig verwendet wird. </p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Lüneburg </p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Vorlagebeschluß vom 10. März 1999
- 5 A 21/98 - (= BVerfG - 2 BvL 1/99 -
)</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">
und des VGH Baden-Württemberg</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Beschluß vom 28. Juli 1998 - 2 S 624/98
-, NVwZ-RR 1999, 35 im Verfahren auf
Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes,</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">
verhalten sich nicht zur Rechtslage in Nordrhein-Westfalen.
Auch hier divergieren im übrigen die Begründungen. So ist das
Verwaltungsgericht Lüneburg der Auffassung, es liege zwar eine
Gruppenhomogenität vor, es fehle aber sowohl an der
spezifischen Sachnähe als auch an einer gruppennützigen
Verwendung, während der VGH Baden-Württemberg Bedenken
hinsichtlich der Gruppenhomogenität und
Finanzierungsverantwortlichkeit äußert. </p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerin wendet sich außerdem gegen die
Auffassung des Verwaltungsgerichts, es fehle an einem
berechtigten Interesse an der Gewährung vorläufigen
Rechtsschutzes. Fiskalische Interessen, etwa das öffentliche
Interesse an einer geordneten Haushaltswirtschaft, seien im
Rahmen der Interessenabwägung nicht zu berücksichtigen. Von
Bedeutung sei hingegen, daß die Zahlung der Umlage für sie
erhebliche Liquiditätsprobleme mit sich bringe.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Darauf kommt es im Ergebnis jedoch nicht an. Nach der
Begründung des Verwaltungsgerichts würde sich die Frage, ob
die Antragstellerin nach Abwägung der widerstreitenden
Interessen ein berechtigtes Interesse besitzt,
entscheidungserheblich nur stellen, wenn sich ernstliche
Zweifel allein aus der Verfassungswidrigkeit einer Norm
ergäben. Derartige Zweifel hat das Verwaltungsgericht aber
gerade verneint.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Abgesehen davon hat das Verwaltungsgericht bei seiner
Interessenabwägung aber auch nicht auf allgemeine fiskalische
Interessen abgestellt, sondern ausgeführt, daß durch
Einnahmeausfälle letztlich die finanzielle Ausstattung der
Fachseminare für Altenpflege in Frage gestellt werde. Weshalb
im übrigen die Zahlung der Umlage für das Jahr 1998 zu
Liquiditätsproblemen bei der Antragstellerin führen soll, ist
aufgrund der Darlegungen im Zulassungsantrag nicht
nachvollziehbar. Die erheblichen Verluste, die die
Antragstellerin nach der eidesstattlichen Versicherung ihres
Prokuristen unabhängig von Umlagezahlungen erwirtschaftet hat,
ohne daß bisher Anlaß zu einer Betriebseinstellung bestand,
deuten darauf hin, daß sie mit abgesicherten Bankkrediten
arbeitet. Weshalb gerade die Umlage für das Jahr 1998 insoweit
nicht finanzierbar sein soll, ist nicht erkennbar.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Soweit die Antragstellerin eine grundsätzliche Bedeutung
der Rechtssache geltend macht (§ 146 Abs. 4 in Verbindung mit
§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), genügt der Zulassungsantrag nicht
den Darlegungsanforderungen des § 146 Abs. 5 Satz 3 VwGO. Die
grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache ist nur dargelegt,
wenn in dem Zulassungsantrag eine konkrete Frage aufgeworfen
wird und ein Hinweis auf den Grund enthalten ist, der das
Vorliegen der grundsätzlichen Bedeutung rechtfertigen soll.
Der pauschale Hinweis auf die "für die Beurteilung des
Streitfalls maßgeblichen Rechtsfragen" reicht dafür nicht
aus.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die
Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1
GKG.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Dieser Beschluß ist unanfechtbar.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">
</p>
|
114,377 | ovgnrw-1999-09-02-16-b-155599 | {
"id": 823,
"name": "Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen",
"slug": "ovgnrw",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 16 B 1555/99 | 1999-09-02T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:37 | 2019-02-12T13:54:20 | Beschluss | ECLI:DE:OVGNRW:1999:0902.16B1555.99.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> G r ü n d e :</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks"> I.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg, weil die geltend
gemachten Zulassungsgründe entsprechend § 124 Abs. 2 Nrn. 1, 2
und 3 VwGO iVm § 146 Abs. 4 VwGO nicht hinreichend dargelegt
sind bzw. nicht vorliegen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen
Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen
nicht. Anders als von der genannten Vorschrift vorausgesetzt,
ruft das Vorbringen des Antragstellers nicht Bedenken von
solchem Gewicht gegen die Richtigkeit der erstinstanzlichen
Entscheidung hervor, daß deren Ergebnis ernsthaft in Frage
gestellt ist und bei summarischer Prüfung die Annahme
gerechtfertigt erscheint, der Erfolg des zuzulassenden
Rechsmittels sei wahrscheinlicher als dessen Mißerfolg. </p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Das Verwaltungsgericht hat die angefochtene Entscheidung im
wesentlichen darauf gestützt, der Antragsteller habe einen
Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht, weil nicht von der
örtlichen Zuständigkeit der Antragsgegnerin ausgegangen werden
könne. Da sich nicht zweifelsfrei feststellen lasse, wo der
Antragsteller vor Beginn des Strafvollzuges am 13. November
1998 im Sinne des § 86 a Abs. 2 bzw. 3 SGB VIII seinen
gewöhnlichen bzw. tatsächlichen Aufenthalt gehabt habe,
bestimme sich die Zuständigkeit des örtlichen
Jugendhilfeträgers gemäß § 86 d SGB VIII danach, wo der
Antragsteller unmittelbar vor Beginn der Aufnahme in die
Jugendwohngemeinschaft des M. e.V. seinen tatsächlichen
Aufenthalt gehabt habe. Danach scheide eine Zuständigkeit der
Antragsgegnerin zum vorläufigen Tätigwerden aus; denn
unmittelbar vor seiner Aufnahme in das Jugendwohnheim des
M. e.V. am 2. Februar 1999 habe sich der Antragsteller
in der Zeit vom 26. Januar bis zum 2. Februar 1999 in der JVA
S. aufgehalten. </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die innerhalb der Antragsfrist des § 146 Abs. 5 Satz 1 VwGO
erfolgten Darlegungen wecken keine Zweifel an der Richtigkeit
dieser Begründung und der getroffenen Entscheidung. Der
Antragsteller macht geltend, das Verwaltungsgericht hätte
seiner Würdigung den Inhalt der eidesstattlichen Versicherung
vom 12. Juli 1999 zugrundelegen müssen, wonach er sich vor
seiner Inhaftierung, wenn auch obdachlos und an wechselnden
Plätzen, im Gebiet der Stadt B. aufgehalten habe. Zu
Unrecht habe das Verwaltungsgericht einen Widerspruch zwischen
seiner eidesstattlichen Versicherung vom 12. Juli 1999 und den
Angaben in seinem handschriftlichen Lebenslauf vom 14. Januar
1999 gesehen. Tatsächlich stelle die eidesstattliche
Versicherung lediglich eine Konkretisierung des
handschriftlichen Lebenslaufes dar. </p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Auch nach Auffasssung des Senats kann indes die
eidesstattlichen Versicherung des Antragstellers vom 12. Juli
1999 nicht als bloße Konkretisierung des handschriftlichen
Lebenslaufes verstanden werden. In ihm heißt es nämlich, nach
dem Verlust der eigenen Wohnung im Sommer 1998 habe der
Antragsteller bei Freunden gewohnt und sei straffällig
geworden und am 13. November 1998 inhaftiert worden. Mit
dieser Angabe läßt sich bei der im vorliegenden Verfahren
allein möglichen summarischen Prüfung der Inhalt der
eidesstattlichen Versicherung nicht in Einklang bringen,
wonach er in der Zeit vom 30. August 1998 bis zu seiner
Inhaftierung an wechselnden öffentlichen Plätzen bzw. in
Straßen- und U-Bahnen im Stadtgebiet B. geschlafen und
lediglich "einmal ... bei einem H. F. in der
M. Straße" übernachtet habe, wobei die Formulierung
"bei einem H. F. " nahelegt, daß es sich insoweit
gerade nicht um einen Freund, sondern um einen Bekannten
gehandelt hat. Soweit in der eidesstattlichen Versicherung
überhaupt mit örtlichem Bezug von Freunden die Rede ist, heißt
es, der Antragsteller habe "Freunde in St. A. und in
S. besucht". Nimmt man hinzu, daß die Sachbearbeiterin
N. vom Jugendamt der Antragsgegnerin ausweislich eines
internen Schreibens vom 3. Mai 1999 und der zu den
Gerichtsakten gereichten Stellungnahme vom 21. Juli 1999 auf
Grund eines mit dem Antragsteller am 9. Februar 1999, über
längere Zeit auch unter vier Augen geführten Gesprächs den
Eindruck gewonnen hatte, der Antragsteller habe sich vor
seiner Inhaftierung an verschiedenen Orten im R. -S. -
Kreis aufgehalten, kann nicht mit der für die begehrte
Entscheidung erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit
davon ausgegangen werden, der Antragsteller habe vor seiner
Inhaftierung seinen gewöhnlichen oder tatsächlichen Aufenthalt
im Sinne von § 86 a Abs. 1 bis 3 SGB VIII im Stadtgebiet B.
gehabt, mag sich dies im Falle einer eventuellen späteren
Beweisaufnahme auch als zutreffend herausstellen. Die Tatorte
der dem Urteil des Amtsgerichts S. vom 2. Februar 1999
- 28 Ls 76/98 - zugrundeliegenden Straftaten ergeben insoweit
ebenfalls kein eindeutiges Bild: Zwar trifft es zu, daß die
vom Antragsteller benannten Delikte im Bereich der Stadt B.
verübt worden sind; andere Taten sind hingegen im R. -
S. -Kreis begangen worden. Ausweislich des Urteils des
Amtsgerichts S. vom 2. Februar 1999 hat der
Antragsteller etwa am 9. Oktober 1998 gegen 17.19 Uhr den Bus
der Linie 535 von S. A. -N. nach S.
ohne Fahrausweis benutzt. </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Steht nach alllem die örtliche Zuständigkeit des
Jugendhilfeträgers nach § 86 a Abs. 1 bis 3 SGB VIII nicht
fest, so hat das Verwaltungsgericht zu Recht die § 43 Abs. 1
SGB I verdrängende (vgl. § 37 Satz 1 SGB I)</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">- so auch Hauck, SGB VIII, § 86 d
Rdnr. 2 -</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">und einen Schutz der Einrichtungsorte entsprechend § 86 a
Abs. 2 SGB VIII nicht enthaltende Regelung des § 86 d SGB VIII
über die Verpflichtung zum vorläufigen Tätigwerden als
einschlägig angesehen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Aus dem Vorstehenden ergibt sich zugleich, daß der
Antragsteller sich auch auf den Zulassungsgrund des § 124 Abs.
2 Nr. 2 VwGO (besondere tatsächliche und rechtliche
Schwierigkeiten der Rechtssache) nicht berufen kann,
unabhängig davon, ob man diesen Zulassungsgrund dahin
versteht, daß er überdurchschnittliche, das normale Maß nicht
unerheblich übersteigende Schwierigkeiten erfassen will, oder
ob er dann anzunehmen ist, wenn wegen der besonderen
rechtlichen Schwierigkeiten der Sache im Zulassungsverfahren
eine Prognose über den Ausgang des Rechtsstreits nicht möglich
ist.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Vgl. Seibert, Das Verfahren auf
Zulassung der Berufung - Erfahrungen
mit der 6. VwGO-Novelle, NVwZ 1999, 113
(116).</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Zwar ist es im Hinblick auf die Handhabung der
Zuständigkeitsregelungen des § 86 a Abs. 1 bis 3 SGB VIII
möglicherweise schwierig zu klären, wo der Antragsteller sich
vor seiner Inhaftierung im November 1998 tatsächlich
aufgehalten hat. Da das Gesetz mit der Vorschrift des § 86 d
SGB VIII über die Verpflichtung zum vorläufigen Tätigwerden
jedoch eine Bestimmung enthält, die diesen Schwierigkeiten
Rechnung trägt, sind die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr.
2 iVm § 146 Abs. 4 VwGO im vorliegenden Eilverfahren nicht
erfüllt.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Auch grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr.
3 iVm § 146 Abs. 4 VwGO kommt der Rechtssache nicht zu, weil
von Seiten des Antragstellers anders als erforderlich eine
klärungsbedürftige Rechtsfrage nicht benannt worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks"> II.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Da dem Antrag auf Zulassung der Beschwerde nicht
stattgegeben werden kann, ist die vom Antragsteller
vorsorglich bereits eingelegte Beschwerde nach § 146 Abs. 4
VwGO nicht statthaft. </p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2
VwGO.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Der Beschluß ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">
</p>
|
114,378 | olgham-1999-09-02-2-ss-70899 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 2 Ss 708/99 | 1999-09-02T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:38 | 2019-02-14T10:23:26 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1999:0902.2SS708.99.00 | <span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><span style="text-decoration:underline;">G r ü n d e :</span></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Angeklagte ist durch das angefochtene Urteil wegen Steuerhehlerei in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 125 Tagessätzen zu je 35,- DM verurteilt worden.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Nach den Urteilsfeststellungen hat die Angeklagte, die sich in der Hauptverhandlung zur Sache nicht eingelassen hat, zwischen September und Dezember 1994 von dem gesondert verfolgten Zeugen H mindestens 300 Stangen (60.000 Stück) und erneut im Januar 1995 100 Stangen (20.000 Stück) unverzollte und unversteuerte Zigaretten der Marken "West" und "HB" zum Kaufpreis von 25,- DM angekauft und dadurch Abgaben (Zoll, Tabaksteuer und Einfuhrumsatzsteuer) in Höhe von insgesamt 20.924,- DM hinterzogen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil hat die Angeklagte mit Schriftsatz ihrer Verteidigerin vom 4. März 1999, eingegangen beim Amtsgericht am 8. März 1999, "Rechtsmittel" eingelegt. Das Urteil ist der Verteidigerin am 26. März 1999 zugestellt worden. Mit auf den 25. März 1999 datiertem Schriftsatz der Verteidigerin, der am 6. April 1999 beim Amtsgericht eingegangen ist, hat die Angeklagte das Rechtsmittel als "Sprungrevision" bezeichnet und</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">- ausdrücklich und ausschließlich - die Verletzung formellen Rechts gerügt. Unter der Überschrift "Verfahrensrügen" folgen sodann weitere Ausführungen, die abschließend dahin zusammengefasst werden, dass das erkennende Gericht zu einem Freispruch hätte kommen müssen und der Sprungrevision stattzugeben sei.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Revision war als unzulässig zu verwerfen. Sie ist</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">zwar form- und fristgerecht eingelegt und wirksam als</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">(Sprung-)Revision bezeichnet worden (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., § 335 Rdnr 2 und 6), doch genügt die Begründungsschrift nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Soweit die Revision Verfahrensrügen in Form von Aufklärungsrügen beinhaltet, sind diese nicht in zulässiger Weise begründet worden. Insoweit hat die Revision schon nicht dargelegt, welche Fragen im einzelnen das Gericht an die Zeugen noch hätte stellen sollen und welche Antworten die Zeugen gegeben hätten.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Davon abgesehen kann die Aufklärungsrüge nicht darauf ge-</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">stützt werden, ein vom Gericht benutztes Beweismittel sei</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">nicht voll ausgeschöpft worden (vgl. BGHSt 17, 351, 352; Kleinknecht/Meyer- Goßner, a.a.O., § 244 Rdnr. 82).</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Auch die Sachrüge ist nicht ordnungsgemäß erhoben.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Eine ausdrückliche Rüge der Verletzung sachlichen Rechts fehlt.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Ausführungen in der Rechtfertigungsschrift ergeben, dass die Beschwerdeführerin in Wahrheit nicht die Rechtsanwendung beanstandet, sondern die Beweiswürdigung und damit die Richtigkeit der Urteilsfeststellungen angreifen will (vgl. Senats-</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">beschluss vom 16. Februar 1999 in 2 Ss OWi 42/99 = DAR 1999, 276; BGH AnwBl 1994, 92; Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O.,</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">§ 344 Rdnr. 19 m.w.N.).</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Eine zulässig erhobene Sachrüge setzt aber voraus, dass die Revision - allein oder neben der Verfahrensrüge - zweifelsfrei erkennbar auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützt werden soll. Die den Inhalt der Sachrüge ausmachende - schlüssige - Behauptung, dass auf den im Urteil festgestellten Sachverhalt materielles Recht falsch angewendet worden sei, ist der Revisionsbegründung nicht zu entnehmen. Eine derartige - schlüssi-</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">ge - Behauptung kann insbesondere auch nicht in der bloßen Erklärung der Revisionseinlegung und in der Feststellung, der Tatrichter hätte zu einem Freispruch gelangen müssen, gesehen werden (vgl. BGH bei Kusch, NStZ 1993, 31).</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Aus der mit Schriftsatz vom 25. März 1999 abgegebenen Begründung der Revision ergibt sich insoweit nur, dass die Beschwerdeführerin beanstanden will, das Amtsgericht habe seine Aufklärungspflicht verletzt und die Glaubwürdigkeit des Zeugen H nicht ausreichend gewürdigt. Ob mit diesen Ausführungen zugleich auch die fehlerhafte Anwendung des materiellen Rechts geltend gemacht werden soll, ist nicht ersichtlich und auch dem Zusammenhang der Revisionsbegründung nicht zu entnehmen, zumal sich die Angriffe allein gegen die Beweiswürdigung richten (vgl. BGH NStZ 1991, 597 sowie BGHR StPO § 344 Abs. 2 S. 1,</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Revisionsbegründung 2).</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Das Rechtsmittel war daher gemäß § 349 Abs. 1 StPO mit der sich aus § 473 Abs. 1 StPO ergebenden Kostenfolge als unzulässig zu verwerfen.</p>
|
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"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
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} | 2 (s) Sbd. 6 - 161 u. 162/99 | 1999-09-02T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:38 | 2019-02-14T10:23:26 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1999:0902.2S.SBD6.161U162.9.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px"><b><span style="text-decoration:underline;">Gründe:</span></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Antragsteller begehren für ihre Tätigkeit im vorliegenden Verfahren als gerichtlich bestellte Verteidiger des Angeklagten S jeweils eine angemessene Pauschvergütung, die nach ihrer Auffassung noch über den Höchstgebühren eines Wahlverteidigers liegen sollte. </p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat bereits durch Beschluss vom 17. März 1997 (2 (s) Sbd. 5 - 240/96 und 18/97) die Anträge der Antragsteller auf Bewilligung einer Pauschvergütung abgelehnt sowie beiden Antragstellern durch Beschluss vom 8. März 1999 (2 (s) Sbd. 5 - 243/98 u. 1/99) einen Vorschuss auf eine künftige Pauschvergütung in Höhe von jeweils 25.000,- DM bewilligt. In diesen Beschlüssen hat der Senat Ausführungen zum besonderen Umfang und zur besonderen Schwierigkeit des vorliegenden Wirtschaftsstrafverfahrens gemacht. Auf diese Ausführungen wird Bezug genommen, insbesondere auch hinsichtlich der dargelegten Tätigkeit der Antragsteller. Nachdem nunmehr auch hinreichende Informationen über die - eingeschränkte - Tätigkeit der Antragsteller im Revisionsverfahren vorliegen, kann eine endgültige Entscheidung über die Pauschvergütungsanträge getroffen werden. </p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Vertreter der Staatskasse hat in seiner ausführlichen Stellungnahme vom 26. Juli 1999 die den Antragstellern zustehenden gesetzlichen Gebühren sowie die sich aus den vorliegenden Akten ergebenden Prozessdaten zutreffend wiedergegeben. Der Senat nimmt daher zur Vermeidung von Wiederholungen auch auf diese den Antragstellern bekanntgegebene Stellungnahme Bezug. Da sie zudem mit der Senatsrechtsprechung übereinstimmt, tritt ihr der Senat auch in ihrer Begründung bei. </p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Danach ist zusammenfassend festzustellen, dass es sich für beide Antragsteller um ein besonders schwieriges und auch besonders umfangreiches Verfahren gehandelt hat. Sowohl der enorme Aktenumfang als auch die insgesamt sehr lange Verfahrensdauer haben dem Verfahren das besondere Gepräge gegeben.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Bei der Bemessung der Höhe der zu bewilligenden Pauschvergütung war insbesondere zum einen zu berücksichtigen, dass die Vorbereitung der am 12. September 1996 begonnen Hauptverhandlung nach der Beiordnung der Antragsteller angesichts des außerordentlichen Umfangs des Aktenmaterials einen ganz erheblichen Arbeitsaufwand erforderte. Dies gilt auch für Rechtsanwalt X, der sich zunächst als Wahlverteidiger über einen längeren Zeitraum bereits in die Materie eingearbeitet hatte. Darüber hinaus hat die Vor- und Nachbereitung der einzelnen Hauptverhandlungstage die Antragsteller zusätzlich in erheblichem Umfang in Anspruch genommen und im übrigen auch zu zahlreichen Besprechungen der Antragsteller untereinander sowie mit ihrem Mandanten geführt. Insoweit wird auf die Ausführungen der Antragsteller in ihren Schriftsätzen verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Andererseits bedeutete es während der Hauptverhandlung für die Antragsteller jedoch auch eine Erleichterung, dass für ihren Mandanten jeweils ein weiterer Verteidiger zur Verfügung stand. Rechtsanwalt X hat von den insgesamt 98 Hauptverhandlungstagen nur an 92 Tagen und Rechtsanwalt Q nur an 88 Tagen teilgenommen. Zudem war Rechtsanwalt Q an diesen von ihm wahrgenommenen Hauptverhandlungstagen an 21 Tagen jeweils für zum Teil mehrere Stunden vorübergehend nicht anwesend, während Rechtsanwalt X nur an einem der von ihm wahrgenommenen Tage für rund eine halbe Stunde nicht anwesend war. </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Diese Umstände machen deutlich, dass die Antragsteller auch neben ihrer Tätigkeit für das vorliegende Verfahren noch die Möglichkeit hatten, in nicht unerheblichem Umfang andere Mandate wahrzunehmen und einigermaßen flexibel ihre übrige Arbeitszeit einzuteilen, was insbesondere für Rechtsanwalt Q, der zudem
</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">seine Kanzlei am Sitz des Gerichts betreibt, zutrifft. Im übrigen hat auch der Vertreter der Staatskasse bereits auf die relativ lockere Terminierung zutreffend hingewiesen. </p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Daraus folgt, dass für die Antragsteller an sich entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Senats eine Pauschvergütung in der Nähe der Höchstgebühren eines Wahlverteidigers nicht in Betracht kommen könnte. Diese Gebühren können nämlich nur dann erreicht oder in besonderen Ausnahmefällen gar überschritten werden, wenn der Verteidiger über einen sehr langen Zeitraum von vielen Monaten oder gar mehreren Jahren nahezu ausschließlich für das vorliegende Verfahren tätig gewesen wäre. </p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Wenn der Senat gleichwohl hier Pauschvergütungen jeweils in der Nähe der Wahlanwaltshöchstgebühren - bezüglich der Antragsteller gestaffelt nach der zusätzlichen Abwesenheit während nur zum Teil wahrgenommener Hauptverhandlungstage - festgesetzt hat, liegt dies in erster Linie darin begründet, dass aufgrund der enormen Fülle des Aktenmaterials und aufgrund des Umfanges der Vorbereitung auf die Hauptverhandlung jedenfalls zeitweilig andere anwaltliche Verpflichtungen kaum übernommen und wahrgenommen werden konnten. </p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände und des gesamten Vorbringens der Antragsteller erschienen dem Senat die aus dem Tenor ersichtlichen Pauschvergütungen angemessen, so dass sie - unter Ablehnung der weitergehenden Anträge - in den genannten Höhen festgesetzt worden sind. </p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Zudem stehen die bewilligten Pauschvergütungen in angemessenem Verhältnis zu denjenigen, die den Pflichtverteidigern der früheren Mitangeklagten Lohmann und I durch Senatsbeschluss vom 5. November 1998 (2 (s) Sbd. 5 - 86 - 89/98) bewilligt worden sind.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Auf die festgesetzten Beträge sind die bereits durch Senatsbeschluss vom 8. März 1999 gewährten Vorschüsse in Höhe von jeweils 25.000,- auf eine künftige Pauschvergütung sowie die darüber hinaus bereits gezahlten Vorschüsse auf die gesetzlichen Gebühren anzurechnen.</p>
|
114,380 | olgham-1999-09-02-2-ws-23999 | {
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<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>Gründe:</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Dem Verurteilten ist in der Anklage der Staatsanwaltschaft Bochum vom 25. November 1998 zur Last gelegt worden, sich durch vier selbständige Taten, in zwei Fällen eines schweren räuberischen Diebstahls, in einem Fall einer Nötigung und in einem weiteren Fall einer schweren räuberischen Erpressung schuldig gemacht zu haben. Mit Beschluss vom 3. Februar 1999 hat die 13. Strafkammer die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen und das Verfahren gegen den Verurteilten eröffnet. Im ersten Hauptverhandlungstermin vom 17. Februar 1999 hat sie das Verfahren hinsichtlich der angeklagten Nötigung gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt. Nach durchgeführter Beweisaufnahme am 17. und 22. Februar 1999 ist der Verurteilte am 24. Februar 1999 rechtskräftig wegen schweren räuberischen Diebstahls und wegen schwerer räuberischer Erpressung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt und im übrigen freigesprochen worden. In der Kostenentscheidung des Urteils heißt es: "Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens und seine Auslagen, soweit er verurteilt worden ist; im übrigen trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen."</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 25. März 1999 hat der Wahlverteidiger des Verurteilten beantragt, die dem Verurteilten entstandenen notwendigen Auslagen und Gebühren, die er mit insgesamt 2743,26 DM beziffert hat, soweit Freispruch erfolgt ist, gegen die Staatskasse festzusetzen. </p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Mit dem angefochtenen Beschluss vom 2. Juli 1999 hat die Rechtspflegerin des Landgerichts Bochum die Festsetzung von notwendigen Auslagen gegen die Landeskasse in vollem Umfang zurückgewiesen. Gegen diesen ihm am 12. Juli 1999 zugestellten Beschluss hat der Verurteilte mit am 15. Juli 1999 beim Landgericht Bochum eingegangenem Schreiben vom selben Tag "Erinne-
rung" eingelegt und die Auffassung vertreten, dass ein Hauptverhandlungstermin weniger erforderlich gewesen wäre, falls die Anklage von vornherein auf die zur Verurteilung führenden Anklagevorwürfe beschränkt gewesen wäre.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Rechtspflegerin des Landgerichts hat dem Senat das Rechtsmittel vorgelegt, ohne eine Abhilfeentscheidung zu treffen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Diese Verfahrensweise ist nach der Neufassung des § 11 RPflG aufgrund des dritten Gesetzes zur Änderung des Rechtspflegergesetzes vom 6. August 1998 (BGBl. I 2030), das am 1. Oktober 1998 in Kraft getreten ist, nicht zu beanstanden. Gemäß § 11 Abs. 1 RPflG n.F. ist gegen die Entscheidung des Rechtspflegers das Rechtsmittel gegeben, das nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften zulässig ist, hier also gemäß</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">§ 464 b Abs. 3 StPO, § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO die sofortige Beschwerde. Für diese ist gemäß § 577 Abs. 3 ZPO eine Abhilfemöglichkeit des erstinstanzlichen Gerichts nicht vorgesehen. Diese besteht nach § 11 Abs. 2 RPflG n.F. nur noch in Bezug auf Entscheidungen, gegen die nach den allgemeinen Verfahrensvorschriften kein Rechtsmittel gegeben ist. Dies betrifft im Kostenfestsetzungsverfahren in der Regel Fälle, in denen der Beschwerdewert des § 567 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht erreicht ist. Dies ist vorliegend indes nicht der Fall. </p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Verschiedene Oberlandesgerichte vertreten demgegenüber zwar die Auffassung, dass auch nach Änderung des Rechtspflegergesetzes der Rechtspfleger im Kostenfestsetzungsverfahren die Pflicht habe, eine Abhilfeentscheidung zu treffen (OLG Stuttgart, JurBüro 1999, 88; OLG München, JurBüro 1999, 86; OLG Koblenz MDR 1999, 505; OLG Köln, JurBüro 1999, 202). Begründet wird dies damit, dass die Abhilfebefugnis seit rund einhundert Jahren fester Bestandteil der Rechtsordnung im Kostenfest-</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">setzungsverfahren sei (OLG Stuttgart a.a.O.) und daher</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">nur aufgrund einer bewussten gesetzgeberischen Entscheidung geändert werden könne (OLG München a.a.O.). Aus den Gesetzes-</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">materialien ergebe sich jedoch kein Anhaltspunkt dafür, dass die Abhilfeentscheidung des Rechtspflegers entfallen solle. Es sei zudem widersprüchlich in den Bagatellsachen eine Abhil-</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">femöglichkeit einzuräumen und dies in den wichtigen Fällen auszuschließen (OLG München a.a.O., Seite 87). Auch wider-</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">spreche die Abschaffung der Abhilfemöglichkeiten den Zielen des Gesetzgebers, da sie unzweckmäßig sei und zu keiner Beschleuni-gung und Vereinfachung des Verfahrens führe (OLG Köln a.a.O.).</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Dieser Rechtsauffassung vermag der Senat indes nicht folgen (so auch Brandenburgisches OLG, Rpfleger 1999, 174; OLG Saarbrücken Rpfleger 1999, 175; Pfälzisches OLG Zweibrücken, Rechtspfleger 1999, 176; OLG Frankfurt MDR 1990, 320; OLG Karlsruhe MDR 1999, 321; OLG Hamm Beschluss vom 22. April 1999 - 4 Ws 27/99). Sie steht nämlich in Widerspruch zum eindeutigen Wortlaut des Gesetzes. Für eine diesen Wortlaut korrigierende Auslegung ist kein Raum. Ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers hat nämlich nicht vorgelegen. Wie sich aus der Regelung des § 11 Abs. 2 RPflG neuer Fassung ergibt, hat der Gesetzgeber das Problem der Abhilfebefugnis gesehen und in bestimmter Weise geregelt. Der Verzicht auf die Abhilfemöglichkeit entspricht daher seinem Willen (vgl. dazu Schneider, Rpfleger 1998, 499; Hansens, Rpfleger 1999, 105). </p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">III.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Das gemäß § 300 StPO als sofortige Beschwerde anzusehende Rechtsmittel ist gemäß §§ 464 b Satz 3 StPO, 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO, 11 Abs. 1 RPflG zulässig und auch in der Sache begründet. </p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Nach der maßgeblichen Auslagenentscheidung des Urteils kann der Verurteilte die Festsetzung seiner notwendigen Auslagen verlangen, soweit er freigesprochen oder das Verfahren eingestellt worden ist. </p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Ein Anspruch auf vollständige Erstattung seiner notwendigen Auslagen besteht demgemäß nicht. Diese ist aber vom Verurteilten, wie sich aus dem Wortlaut seines Antrages "soweit Freispruch erfolgt ist", auch nicht beantragt worden. </p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Lassen sich die Mehrkosten nicht eindeutig zuordnen, weil die Aufwendungen wie die vorliegend geltend gemachten Gebühren des Wahlverteidigers das gesamte Verfahren betreffen, so müssen sie durch einen Vergleich der dem Verurteilten tatsächlich entstandenen notwendigen Auslagen mit den im Falle des beschränkten Verfahrensgegenstandes hypothetisch erwachsenen ermittelt werden. Vom Gesamthonorar ist demgemäß das fiktive Honorar abzuziehen, das dem Verteidiger zustehen würde, wenn nur die zur Verurteilung führende Tat Gegenstand des Verfahrens wäre. Die Differenz ist dem Verurteilten zu erstatten - sogenannte Differenztheorie (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl. </p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">§ 465 Rdnr. 8 f). </p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">An dieser Rechtslage hat sich auch durch die Einführung des </p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">§ 464 d StPO nichts geändert. Diese Vorschrift gibt lediglich <u>die Möglichkeit</u> einer Kostenentscheidung nach Bruchteilen, schreibt sie jedoch auch für den Rechtspfleger im Kostenfestsetzungsverfahren nicht zwingend vor (so auch OLG Hamm a.a.O.).</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Der Senat schließt sich hinsichtlich der Höhe der dem Verurteilten entstandenen notwendigen Auslagen und den nach der Differenztheorie zu erstattenden Mehrkosten den überzeugenden Ausführungen in der Stellungnahme des Leiters des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts vom 11. August 1999, die dem Verurteilten bzw. seinem Verteidiger bekannt sind, an und macht sie zum Gegenstand seiner Entscheidung. Danach war der Erstattungsbetrag mit 516,15 DM festzusetzen.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 3 StPO.</p>
|
114,381 | olgham-1999-09-02-4-u-2699 | {
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} | 4 U 26/99 | 1999-09-02T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:38 | 2019-02-14T10:23:40 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1999:0902.4U26.99.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><span style="text-decoration:underline;">Tatbestand:</span></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Bei dem Kläger handelt es sich um die Dachorganisation der Tankstellenbetreiber und -pächter sowie des Garagengewerbes. Gemäß Satzung fördert er die gewerblichen Interessen seiner Mitglieder und der ihnen angeschlossenen Unternehmen.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Wegen des Inhaltes der Satzung des Klägers im einzelnen wird auf die Fotokopie Bl. 13 ff. d.A. verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte ist eine Mineralölgesellschaft, die ihre Produkte überwiegend über Tankstellen vertreiben läßt. Der einzelne Tankstellenbetreiber bzw. -pächter vertreibt dabei als Handelsvertreter die Produkte der Beklagten im Namen und auf Rechnung der Beklagten. Dabei werden die Vertragsbeziehungen zwischen den als Handelsvertreter auftretenden Tankstellenbetreibern/-pächtern und der Beklagten durch einen von der Beklagten vorformulierten sogenannten "Tankstellenvertrag" geregelt.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">§ 5 dieses Vertrages, der gemäß seiner Überschrift die Vergütung für den Tankstellenpächter regelt, lautet unter anderem wie folgt:</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">"1.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Für die Erfüllung aller Verpflichtungen aus diesem Vertrag erhält Partner folgende Vergütungen:</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">1.1</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Für getätigte Agentur-Geschäfte nach § 1, Ziffer 1.1</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">a) Litervergütung: DM 2,70 % Liter</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">....</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">4.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Mit den in dieser Vereinbarung genannten Vergütungen sind alle von Partner übernommenen Verpflichtungen, Aufwendungen, Leistungen und von (der Beklagten) nicht zu vertretende Risiken aus dem Tankstellenvertrag (Agenturverhältnis) abgegolten. 50 % der von (der Beklagten) an Partner nach dieser Vereinbarung zu zahlenden Agenturvergütung sind für verwaltende Tätigkeiten."</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Wegen des Inhalts des "Tankstellenvertrages" im Einzelnen wird auf die Fotokopie Bl. 18 ff. d.A. verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beanstandet im Wege der AGB-Kontrollklage nach § 13 AGBG diese zuletzt genannte Klausel, daß 50 % der Agenturvergütung für verwaltende Tätigkeit seien, als unwirksam nach § 9 AGBG, weil sie den Tankstellenpächter unangemessen benachteilige. </p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Zweck der beanstandeten Regelung sei lediglich, den Handelsvertreterausgleichsanspruch aus § 89 b HGB des ausscheidenden Tankstellenbetreibers/-pächters zu reduzieren.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Der Handelsvertreter könne den Ausgleich nach § 89 b HGB nur unter Berücksichtigung der Provision für werbende, nicht jedoch derjenigen für verwaltende Tätigkeiten beanspruchen. Durch die Festlegung in der beanstandeten Klausel sei dem ausscheidenden Tankstellenbetreiber/-pächter die Möglichkeit genommen, geltend zu machen, daß der Anteil an verwaltender Tätigkeit geringer sei als 50 %. Dies sei aber der Fall. Denn der Anteil an verwaltender Tätigkeit des Tankstellenbetreibers/-pächters betrage allenfalls 10 %.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Klausel pauschaliere damit entgegen bestehenden Rechtsgrundsätzen zum einen den Anteil der verwaltenden Tätigkeit; zum anderen stelle sie nicht klar, was im einzelnen zu den verwaltenden Tätigkeiten gehöre und welchen Anteil sie an der Gesamttätigkeit des Tankstellenpächters einnehme. Damit führe die hohe Festsetzung des Verwaltungsanteils der Provision unmittelbar zu einer Reduzierung des Handelsvertreterausgleichsanspruches nach § 89 b HGB. Die allenfalls die Inkassotätigkeit umfassende verwaltenden Tätigkeit mache - wie bereits ausgeführt - maximal 10 % der Gesamttätigkeit des Tankstellenbetreibers/-pächters aus. </p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">
</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die beanstandete Klausel sei auch unter dem Blickwinkel des Transparenzgebotes mit § 9 AGBG nicht zu vereinbaren. Zum einen sei dem Vertragspartner der Beklagten regelmäßig die Abgrenzung zwischen werbender und verwaltender Tätigkeit und deren Einfluß auf die Höhe des Handelsvertreterausgleichsanspruchs nicht bekannt. Zum anderen sei die Einschränkung des Ausgleichsanspruchs nicht etwa im Rahmen der Vertragsbeendigung geregelt, sondern unter der Überschrift "Vergütung" in § 5 des Tankstellenvertrages.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die beanstandete Klausel verstoße darüber hinaus gegen die Regelungen der §§ 9, 11 Nr. 15 b AGBG.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">In der Klausel erfolge eine Tatsachenbestätigung, die im Ergebnis dazu führe, daß der Tankstellenbetreiber/-pächter im Streitfall verpflichtet sei, der Beklagten gegenüber nachzuweisen, daß der Verwaltungsanteil seiner Tätigkeit unter der formulierten 50 %-Grenze liege. Hierin liege eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners der Beklagten. Denn grundsätzlich habe der Unternehmer - also die Beklagte - die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Behauptung, es bestehe ein höherer Verwaltungsaufwand als der von ihrem Vertragspartner substantiiert behauptete.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat durch Urteil vom 20. November 1998 der Beklagten antragsgemäß unter Androhung von Ordnungsmitteln untersagt,</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">im Zusammenhang mit dem Abschluß von Tankstellenverträgen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen folgende, oder inhaltlich gleiche Klauseln zu verwenden:</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">"50 % der von Aral an Partner nach dieser Vereinbarung zu zahlenden Agenturvergütung sind für verwaltende Tätigkeiten."</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Darüber hinaus hat es dem Kläger die Befugnis zugesprochen, die Urteilsformel zu veröffentlichen. </p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Wegen des Inhaltes des Urteils im einzelnen wird auf Bl. 216 ff. d.A. verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil hat die Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt, mit der sie ihr Klageabweisungsbegehren aus erster Instanz weiter verfolgt.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Unter Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages ist die Beklagte der Ansicht, daß die beanstandete Regelung als bloße Vergütungsregelung schon nicht der AGB - rechtlichen Inhaltskontrolle gemäß § 8 AGBG unterliege. Daß die Beklagte ihre Gesamtvergütung kalkulatorisch in zwei Preise aufgeschlüsselt habe, vermöge an der Kontrollfreiheit der hier in Rede stehenden Entgeltklausel nichts zu ändern. Dem Gericht sei es aber verwehrt, in die Kalkulation des Unternehmers über eine Inhaltskontrolle der Entgeltregelungen einzugreifen.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Dies könne auch nicht damit begründet werden, daß lediglich eine Preisnebenabrede vorliege, die der Inhaltskontrolle zugänglich sei. Dies setze voraus, daß anstelle der beanstandeten Regelung auf dispositives Gesetzesrecht zurückgegriffen werden könne. Dies sei hier nicht der Fall. Die Parteien könnten die Höhe des Verwaltungs- bzw. Vermittlungsentgeltes frei vereinbaren. Würden solche Vereinbarungen fehlen, so werde nicht auf dispositives Gesetzesrecht zurückgegriffen, sondern eine ergänzende Vertragsauslegung vorgenommen. Dispositives Gesetzesrecht existiere nämlich zu der Frage der Bemessung der Höhe der Verwaltungsprovisionsanteile nicht. Außerdem wirke die Klausel einer ständigen Verringerung des Vermittlungsprovisionsanteils in der Handelsvertretervergütung entgegen, indem sie den Anteil der jeweiligen Vergütung für die Parteien verbindlich festschreibe. Im übrigen stelle die Höhe des Entgeltes für vermittelnde bzw. verwaltende Tätigkeit im Rahmen der Anwendung des § 89 b HGB eine dem Tatbestand dieser Vorschrift vorgelagerte Prämisse da, die sich ausschließlich nach den zwischen den Parteien getroffenen Entgeltvereinbarungen richte.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Im übrigen verstoße die Klausel auch nicht gegen die Vorschriften des AGBG. Entgegen der Ansicht des Landgerichts werde durch die beanstandete Klausel nicht die Beweislast im Rahmen der Ermittlung des Handelsvertreterausgleichsanspruchs verändert. Denn die streitgegenständliche Klausel gebe lediglich eine vom Bundesgerichtshof geforderte Aufteilung vor, so daß schon von daher eine Beweislastumkehr nicht vorliege. Auch würden dem Tankstellenhalter durch die Klausel keine Gegenbeweismöglichkeiten abgeschnitten. Denn auf die Frage, ob im Betrieb des jeweils betroffenen Tankstellenbetreibers der konkrete Zeitanteil für vermittelnde Tätigkeiten höher anzusetzen sei, komme es in diesem Zusammenhang gar nicht mehr an. Denn der Tankstellenbetreiber erhalte nach dem hier in Rede stehenden Vertragswerk weder für verwaltende noch für vermittelnde Tätigkeiten ein zeitbezogenes, sondern nur ein Umsatz- und damit erfolgsbezogenes Entgelt. Dies entspreche dem gesetzlichen Leitbild des § 87 b Abs. 1 Satz 1 HGB. Ein Prinzip, wonach sich die Vergütung des Tankstellenbetreibers für verwaltende und vermittelnde Tätigkeiten vorrangig nach den tatsächlichen Verhältnissen zu richten habe, bestehe nicht.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Die angegriffene Klausel eröffne der Beklagten auch keinen ungerechtfertigten Beurteilungsspielraum, der bei ihren Vertragspartnern Unklarheiten über deren Rechte und Pflichten hinterlassen und diese von der Durchsetzung ihrer Rechte abhalten könnte. Unter Zugrundelegung der angegriffenen Klausel könne der Vertragspartner der Beklagten exakt den Anteil der Provision erkennen, der der Ausgleichsberechnung zugrunde gelegt werden dürfe. Damit liege weder ein Verstoß gegen das Transparenzgebot vor, noch benachteilige die Klausel den Tankstellenbetreiber unangemessen im Sinne des § 9 AGBG.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Auffassung des Klägers könne der von der Beklagten angesetzte Anteil der Verwaltungsprovision auch nicht als so unangemessen hoch angesehen werden, daß dies auf eine Umgehung des unabdingbaren gesetzlichen Ausgleichsanspruches nach § 89 b HGB hinausliefe. Die Beklagte habe vielmehr festgestellt, daß der durchschnittliche Zeitanteil für verwaltende Tätigkeiten eines Tankstellenhalters bei dem hier in Rede stehenden Agenturgeschäft sich auf rund 53 % belaufe. Dabei entfielen bereits rund 42 % der Tätigkeiten im Agenturgeschäft des Tankstellenhalters (Verkauf von Frostschutz- und Mineralölprodukten im Namen und auf Rechnung der Beklagten) allein auf das Inkassowesen (Beweis: Sachverständigengutachten).</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Im übrigen sei der Klageanspruch auch verwirkt. Dem Kläger sei die beanstandete Klausel seit März 1989 bekannt. Die Klausel sei eingehend mit dem Kläger besprochen worden, wobei der Kläger selbst nicht verkannt habe, daß gute Argumente für die Einführung dieser Klausel sprechen würden. Der Kläger habe lediglich gegen die Höhe des Verwaltungsanteils Einwendungen erhoben.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">die gegnerische Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Unter Ergänzung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrages ist der Kläger der Ansicht, daß die streitgegenständliche Klausel eine preisregelnde Vertragsklausel sei, die als Folge ihrer Pauschalierung Vergütungsteile zugunsten des Verwenders abzuspalten suche, ohne daß eine entsprechende Gegenleistung zugrunde liege. Wenn die vom Tankstellenpächter erbrachte Inkassodienstleistung einen geringeren Umfang als 50 % seiner Tätigkeit ausmache, beziehe sich die in der streitgegenständlichen Klausel enthaltene Inkassovergütung nicht auf eine echte Gegenleistung des Tankstellenpächters, so daß keine echte Preisbestimmung, sondern eine kontrollfähige Preisnebenabrede im Sinne des AGBG vorliege. Wenn es aber zutreffe, daß in jedem Einzelfall der Umfang der werbenden und der verwaltenden Tätigkeit eines Handelsvertreters zu ermitteln sei, um den Ausgleichsanspruch gemäß § 89 b HGB festzustellen, dann wirke sich die streitgegenständliche Klausel entgegen der Wertung des § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG i.V.m. § 11 Ziff. 15 a) AGBG dahin aus, daß dem Tankstellenpächter, bezogen auf den zu entscheidenden Einzelfall, der Nachweis für die Behauptung abgeschnitten werde, seine werbende Tätigkeit habe mehr als 50 % und seine verwaltende Tätigkeit - entgegen dem Wortlaut der streitgegenständlichen Klausel - weniger als 50 % ausgemacht. </p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Wegen des Inhaltes der Parteivorträge im einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks"><b><span style="text-decoration:underline;">Entscheidungsgründe:</span></b></p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Die Berufung der Beklagten ist unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist zulässig. Der Kläger ist nach § 13 Abs. 2 Ziff. 2 AGBG klagebefugt. Es handelt sich bei ihm um einen rechtsfähigen Verband zur Förderung gewerblicher Interessen, nämlich unter anderem der der Tankstellenpächter. </p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist auch begründet. Die beanstandete Klausel verstößt gegen § 9 Abs. 2 Ziff. 1 AGBG, weil sie den Tankstellenpächter als Vertragspartner des Verwenders, nämlich der Beklagten, unangemessen benachteiligt. Denn sie verstößt gegen § 89 b Abs. 4 HGB, indem sie den Ausgleichsanspruch des Tankstellenpächters als Handelsvertreter entgegen dem gesetzlichen Verbot verkürzt. Solche Verstöße von AGB-Klauseln gegen gesetzliche Verbote können jedenfalls auch dann im Wege der AGB-Kontrollklage nach § 13 AGBG geltend gemacht werden, wenn die verletzte Norm die gleiche Schutzrichtung hat wie die Kontrollregelung des AGBG wie hier, wo es jeweils um den Schutz des Tankstellenpächters vor der willkürlichen Verkürzung seines Ausgleichsanspruches nach § 89 b Abs. 4 HGB geht (Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch 57. Aufl. § 13 AGBG Rz. 4).</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Ansicht der Beklagten liegt hier im Ergebnis keine bloße Vergütungsregelung vor, die nach § 8 AGBG der Inhaltskontrolle entzogen ist.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">
</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Vordergründig spaltet die beanstandete Klausel lediglich die von der Beklagten dem Tankstellenpächter geschuldete Vergütung in zwei Bestandteile auf, nämlich einmal in die Vergütung für dessen werbende Tätigkeit und zum anderen in die Vergütung für dessen verwaltende Tätigkeit. Damit weicht die beanstandete Klausel ihrem Wortlaut nach nicht von anderen Rechtsvorschriften ab, wie es § 8 AGBG voraussetzt, um sie der Kontrolle nach dem AGB-Gesetz unterwerfen zu können. Der Wortlaut der Klausel spricht vielmehr für eine kontrollfreie Entgeltvereinbarung (Palandt a.a.O. § 8 AGBG Rz. 4 m.w.N.).</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Die beanstandete Klausel läßt sich nicht als bloße Preisnebenabrede auffassen, die der Kontrolle nach dem AGB-Gesetz unterliegt (zur Abgrenzung kontrollfreier Preisklauseln von kontrollfähigen Preisnebenabreden vergleiche: Ulmer/Brandner/Hensen AGBG 8. Aufl. § 8 Rdz. 14 ff.; Palandt a.a.O., § 8 AGBG Rdz. 4 ff. jeweils m.w.N.). Denn mit der beanstandeten Klausel wird lediglich die zunächst einheitlich festgesetzte Provisionsverpflichtung der Beklagten auf die beiden Tätigkeitskomplexe aufgegliedert, die der Tankstellenpächter als Handelsvertreter für die Beklagte zu erbringen und die die Beklagte demgemäß zu vergüten hat. Vordergründig liegt also lediglich eine Offenlegung der Kalkulationsgrundlage der Beklagten für die Bemessung der Gesamtvergütung vor, die keine nach § 8 AGBG kontrollfähige Preisnebenbestimmung darstellt (BGH ZIP 1998, 2097; NJW 1998, 383). </p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Es liegt auch keine willkürliche Aufspaltung der provisionspflichtigen Tätigkeit des Tankstellenpächters vor, mit der vertragsfremde Leistungsverschiebungen bezweckt würden, etwa dergestalt, daß aus der werbenden Tätigkeit etwas abgespalten würde und nur noch als verwaltende Tätigkeit honoriert würde, was ansich von der werbenden Tätigkeit umfaßt würde (vgl. zum umgekehrten Fall der Kostenüberwälzung auf den Bankkunden entgegen der gesetzlichen Kostenlastverteilung: BGH ZIP 1997, 1638; ZIP 1997, 2151; BGHZ 124, 254). Vielmehr ist die Unterscheidung von werbender und verwaltender Tätigkeit für den Tankstellenpachtvertrag grundlegend (BGH NJW RR 1988, 1061; Schreiber NJW 1998, 3757). Die vorliegende Vertragsgestaltung unterscheidet sich im Ergebnis nicht davon, als hätte die Beklagte die geschuldeten Provisionssätze für die werbende Tätigkeit einerseits und die verwaltende Tätigkeit andererseits von vornherein getrennt festgesetzt. Eine solche Aufgliederung eines Gesamtentgeltes auf unterschiedliche Gegenleistungen bleibt eine der Privatautonomie überlassenen Festsetzung der Vergütungspflicht, in die nicht über das AGB-Gesetz kontrollierend eingegriffen werden kann (BGH ZIP 1998, 2097).</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Eine kontrollfähige Preisnebenabrede könnte nur allenfalls dann angenommen werden, wenn die Beklagte in dem Vertrag festgelegt hätte, was als werbende Tätigkeit und was als verwaltende Tätigkeit anzusehen ist. Dann läge lediglich eine Bemessungsklausel vor, die als Preisnebenabrede zu qualifizieren wäre und mithin von § 8 AGBG erfaßt würde. Denn diese Trennung zwischen werbender Tätigkeit und verwaltender Tätigkeit ist eine Rechtsfrage (BGH NJW 1998, 66). Wenn die Beklagte insoweit anders trennen würde, etwa (entgegen der Entscheidung BGH NJW 1998, 66) das Lagergeschäft zur verwaltenden Tätigkeit ziehen würde, könnte eine Klausel angenommen werden, die ohne weiteres der Inhaltskontrolle des AGB-Gesetzes unterliegen würde. </p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Gleiches könnte man auch annehmen, wenn das Verhältnis von verwaltender und werbender Tätigkeit dem Umfange nach klauselmäßig festgelegt würde. Dann würde nämlich lediglich die tatsächliche Gewichtung der beiden Tätigkeitsbereiche festgeschrieben und damit wiederum lediglich ein Bemessungskriterium für die Provision festgelegt, was als Preisnebenabrede zu qualifizieren sein könnte. </p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Diese Wege hat die Beklagte im vorliegenden Fall mit der beanstandeten Klausel aber gerade nicht beschritten. Sie hat vielmehr die Vergütung selbst für die verwaltende und damit gleichzeitig auch die für die werbende Tätigkeit festgelegt. Denn wenn 50 % der Gesamtprovision auf die verwaltende Tätigkeit entfällt, entfällt damit notwendigerweise die andere Hälfte auf die werbende Tätigkeit.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">
</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Vordergründig muß es deshalb dabei bleiben, daß mit der beanstandeten Klausel lediglich die Vergütung selbst für die verwaltende und für die werbende Tätigkeit festgelegt worden ist, die zunächst einmal genau so wenig der Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz unterliegt wie die Festsetzung der Gesamtvergütung selbst. </p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Bei dieser vordergründigen Betrachtungsweise darf man aber nicht stehen bleiben. Nach § 7 AGBG findet nämlich das AGB-Gesetz auch dann Anwendung, wenn seine Vorschriften durch anderweitige Gestaltungen umgangen werden. Das bedeutet, daß es bei der Frage der Kontrollfähigkeit einer AGB-Klausel nicht auf eine formale Betrachtungsweise ankommt, sondern daß auf Inhalt und Zweck der Klausel, insbesondere auf ihren wahren Regelungsbereich abzustellen ist. So kann eine Klausel, die von Sinn und Zweck her Nebenbestimmungen des Vertrages regelt, nicht dadurch der Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz entzogen werden, daß sie in die Bestimmung der Hauptleistungspflicht "eingebaut" wird (Ulmer/Brandner/Hensen AGB-Gesetz 8. Aufl., § 7 Rdz. 12; Wolf/Horn/Lindacher AGB-Gesetz 3. Aufl. § 9 Rdz. H 103). Eine kontrollfreie Vergütungsregelung kann deshalb nur dann angenommen werden, wenn es tatsächlich nur um die bloße Festlegung der Gegenleistung, auch wirtschaftlich gesehen, geht. Nur das reine Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung ist der Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz entzogen (BGH NJW-RR 1993, 375).</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Dagegen liegt eine kontrollfähige Nebenabrede vor, wenn die Entgeltregelung auch Bestimmungen enthält, die die Abwicklung und Vergütung von Nebenpflichten regelt (BGH ZIP 1997, 1638).</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Ein solcher Fall ist hier gegeben. Denn die mit der beanstandeten Klausel vorgenommene Vergütungsaufspaltung entfaltet ihre Wirkung und Bedeutung ausschließlich erst nach Beendigung des Vertragsverhältnisses, wenn es um die Berechnung des Ausgleichsanspruches des Tankstellenpächters nach § 89 b HGB geht. Während der Laufzeit des Vertrages spielt die Aufspaltung keine Rolle. Während dieser Zeit erfolgt die Abrechnung zwischen der Beklagten und dem jeweiligen Tankstellenpächter allein nach den Bestimmungen hinsichtlich der Gesamtvergütung. Die beanstandete Klausel könnte ohne weiteres fehlen, ohne daß dies Auswirkungen auf die Abrechnung zwischen der Beklagten und dem jeweiligen Tankstellenpächter hätte. Auch die Beklagte selbst hat in diesem Zusammenhang eingeräumt, daß sie die Klausel gerade zur Vereinfachung der Berechnung des Ausgleichsanspruches des Tankstellenpächters nach § 89 b HGB eingeführt hat.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Damit stellt die beanstandete Klausel nach verfolgtem Zweck und erreichter Wirkung in Wahrheit eine vertragliche Bestimmung für die Berechnung des Ausgleichsanspruchs nach § 89 b HGB dar und ist damit eine kontrollfähige Nebenbestimmung im Sinne des § 8 AGBG, da an ihre Stelle § 89 b HGB und die zu dieser Vorschrift entwickelten Rechtsgrundsätze treten würden. Denn zum dispositiven Recht im Sinne des § 8 AGBG gehören nicht nur die gesetzlich normierten Regelungen, sondern auch alle damit zusammenhängenden Rechtsgrundsätze (BGHZ 93, 358).</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Die beanstandete Klausel ist unwirksam nach § 9 AGBG, weil sie den Tankstellenpächter als Vertragspartner der Beklagten und Verwenderin der AGB unangemessen benachteiligt, indem diese Klausel das Verschlechterungsverbot des § 89 b Abs. 4 HGB verletzt. </p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Nach dieser Bestimmung darf der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters nach Beendigung seines Vertragsverhältnisses nicht im Voraus ausgeschlossen werden. Das bedeutet, daß dieser Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters, zu dem auch der Tankstellenpächter gehört, wie in § 1 Ziff. 1 des Vertrages auch ausdrücklich festgelegt ist, im Handelsvertretervertrag auch nicht zu Ungunsten des Handelsvertreters modifiziert oder in seiner Durchsetzung erschwert werden darf. Der Ausgleichsanspruch muß dem Handelsvertreter so unverkürzt verbleiben, wie er ihm nach § 89 b HGB zusteht (BGH NJW RR 1991, 156; Staub/Brüggemann HGB 4. Aufl. § 89 b Rdz. 105; Küstner/von Manteuffel/Evers, Handbuch des gesamten Außendienstrechts Band 2 6. Aufl., Rdz. 1377). Jegliche Erschwerung bei der Berechnung und Durchführung des Ausgleichsanspruches führt zur Unwirksamkeit der entsprechenden Klausel auch nach § 9 AGBG (Graf von Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke Abschnitt "Handelsvertretervertrag" Rdz. 54, 60). Zu solchen verbotenen Einschränkungen zählen auch Berechnungsgrundsätze, die von der gesetzlichen Berechnungsart abweichen (MünchKom HGB/von Hoyningen-Huene § 89 b Rdz. 190; OLG Frankfurt NJW RR 1986, 458; anderer Ansicht: OLG Hamburg VersR 1993, 476; Heymann HGB § 89 b Rdz. 37). </p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Nicht erfaßt werden dagegen bloße mittelbare Auswirkungen vertraglicher Vereinbarungen auf den Ausgleichsanspruch, etwa ein Provisionsverzicht für bestimmte Fälle, was sich dann beim Ausgleichsanspruch als Verminderung der Berechnungsgrundlage auswirkt (MünchKomm HGB a.a.O. § 89 b Rdz. 194). Letztlich entscheidend ist der wahre Sinn und Zweck einer Regelung, ob die freie Aushandlung der Provisionshöhe im Vordergrund steht oder die Abänderung des Ausgleichsanspruches des Handelsvertreters nach § 89 b HGB zu dessen Lasten (BGHZ 58, 60; BGH NJW 1983, 1727; Küstner u.a. a.a.O. Rdz. 1364, 1394).</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Die beanstandete Klausel legt vordergründig zwar nur den Anteil für die verwaltende Tätigkeit an der Gesamtvergütung fest. Gleichwohl liegt keine bloße mittelbare Auswirkung auf den Ausgleichsanspruch nach § 89 b HGB vor, weil, wie dargelegt, Sinn und Zweck der Klausel sich erst bei der Berechnung dieses Ausgleichsanspruches entfalten sollen. Sie bestimmt den Betrag von der Gesamtprovision, der in die Berechnung des Ausgleichsanspruchs nicht eingestellt werden darf, weil sich dieser Ausgleichsanspruch nur nach den für werbende Tätigkeit erhaltenen Provisionen berechnet (BGH NJW 1985, 860; NJW 1998, 71; MünchKomm HGB a.a.O. § 89 b Rdz. 92 ff., 132). Damit beeinflußt die Klausel die Berechnung des Ausgleichsanspruches und muß sich folglich an dem Verschlechterungsverbot des § 89 b Abs. 4 HGB messen lassen.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Im Rahmen dieser Berechnung bewirkt die Klausel, wie der Beklagten zuzugeben ist, zunächst sicher eine Vereinfachung, als es nicht mehr auf mehr oder weniger komplizierte Abgrenzungsfragen ankommt, was zur verwaltenden Tätigkeit zu rechnen und wie hoch deren Anteil an der Gesamttätigkeit und der Gesamtprovision ist (vgl. BGH NJW 1998, 71; Schreiber NJW 1998, 3737). Vielmehr kann ohne weiteres die Hälfte der anrechenbaren Gesamtprovision als nicht ausgleichspflichtige Verwaltungsprovision abgezogen werden (Küstner u.a. a.a.O. Rdz. 863; MünchKom AGB § 89 b Rdz. 132).</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Allein dieser Vereinfachungseffekt läßt die Klausel aber noch nicht wirksam sein. Nach § 89 b Abs. 4 HGB darf diese Berechnungsvereinfachung jedenfalls nicht zu Lasten des Tankstellenpächters gehen. </p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Dies läßt sich zwar abstrakt nicht abschließend beurteilen. Bei einem Tankstellenpächter, bei dem die verwaltende Tätigkeit überwiegt, mag sich die Klausel auch hinsichtlich der Höhe des Ausgleichsanspruchs positiv zu dessen Gunsten auswirken, so daß sie in diesem Falle nicht gegen das Verschlechterungsverbot des § 89 b Abs. 4 HGB verstieße. </p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Im Rahmen der AGB-Kontrollklage ist aber jeweils von der kundenfeindlichsten Auslegung auszugehen (Palandt, a.a.O., § 13 AGBG Rdz. 3). Das bedeutet für den vorliegenden Fall, daß die beanstandete Klausel nur dann Bestand haben kann, wenn sie sich stets, also von ihrer Struktur her - unabhängig von den Umständen des Einzelfalles - wenn nicht zugunsten des Tankstellenpächters, so doch zumindest nicht zu seinem Nachteil auswirkt. </p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">Das ist aber jedenfalls dann nicht der Fall, wenn der Umfang der verwaltenden Tätigkeit des Tankstellenpächters im Vergleich zur Werbetätigkeit tatsächlich weniger als die Hälfte ausmacht. Auch in diesem Fall würden gleichwohl 50 % der anrechenbaren Gesamtprovision als nicht ausgleichspflichtige Verwaltungsprovision abgezogen.</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Die beanstandete Klausel bewirkt in diesem Fall auch nicht nur eine Beweislastumkehr (vgl. dazu Schreiber a.a.O.), sondern dem Tankstellenpächter ist die Geltendmachung einer höheren Ausgleichsprovision endgültig abgeschnitten. Denn die Klausel legt die Höhe der abzuziehenden Verwaltungsprovision zum Nachteil des Tankstellenpächters endgültig fest.</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">Damit weicht die beanstandete Klausel in bestimmten Fallkonstellationen von der Berechnungsregelung des Ausgleichsanspruchs nach § 89 b HGB zu Lasten des Tankstellenpächters ab und verstößt damit gegen das Verschlechterungsverbot des § 89 b Abs. 4 HGB. Denn die Klausel bewirkt durch die Aufteilung der Gesamtprovision im Ergebnis, daß dem Tankstellenpächter ggfls. auch Provisionsanteile bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs abgezogen werden, die in Wahrheit auf werbende Tätigkeit entfallen.</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">Dagegen läßt sich auch nicht einwenden, daß die Bewertung der beiden Tätigkeitsbereiche des Tankstellenpächters den Vertragsparteien grundsätzlich freistünde. Richtig ist in diesem Zusammenhang, daß die Bereiche der verwaltenden und werbenden Tätigkeit des Tankstellenpächters unterschiedlich bewertet werden können. Die Gesamtvergütung muß nicht proportional im Umfang der jeweiligen Tätigkeitsbereiche aufgeteilt werden. Hier besteht sicher ein Spielraum der Parteien bei der Festlegung der Vergütungsanteile. </p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Andererseits darf eine unterschiedliche Festlegung dieser Vergütungsanteile aber auch nicht zu einer Aushöhlung des Ausgleichsanspruchs führen (BGHZ 58, 60). Eine provisionsmäßige Bewertung der Verwaltungstätigkeit, die den wirtschaftlichen Verhältnissen nicht mehr gerecht würde, verstieße ebenfalls gegen das Verschlechterungsverbot des § 89 b Abs. 4 AGB, weil auch eine solche Regelung wirtschaftlich gesehen nur den Zweck haben kann, den Ausgleichsanspruch nach § 89 b HGB entgegen seiner gesetzlichen Regelung zu vermindern. </p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">Angesichts der rigiden Fassung der beanstandeten Klausel, die die Umstände des Einzelfalles unberücksichtigt läßt, besteht damit die naheliegende Gefahr, daß die Klausel im Einzelfall durch eine wirtschaftlich ungerechtfertigte Höhe des Abzugspostens "Verwaltungsprovision" zu einer Aushöhlung des Ausgleichsanspruches nach § 89 b HGB führt und damit gegen das Verschlechterungsverbot des § 89 b Abs. 4 HGB verstößt.</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">
</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">Damit stellt sie zugleich eine ungemessene Benachteiligung des Vertragspartners der Beklagten als Verwenderin im Sinne des § 9 Abs. 2 Ziff. 1 AGBG da, mag sich die Klausel im Einzelfall auch einmal zugunsten des Vertragspartners auswirken können. </p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">Zu Unrecht beruft sich die Beklagte auf eine Verwirkung des Unterlassungsanspruches des Klägers. Eine solche Verwirkung kommt im Rahmen des § 13 AGBG von vornherein nicht in Betracht, weil bei der hier durchgeführten AGB-Kontrollklage auch Interessen der Allgemeinheit wahrgenommen werden, denen gegenüber der Gesichtspunkt der Verwirkung zurücktreten muß (BGH NJW 1995, 1488; Ulmer u.a. a.a.O., § 13 AGBG Rdz. 33).</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung über die Veröffentlichungsbefugnis folgt aus § 18 AGBG wegen der häufigen Verwendung der beanstandeten Klausel durch die Beklagte. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Ziff. 10, 711 ZPO.</p>
|
114,382 | olgham-1999-09-02-4-uf-1599 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
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"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 4 UF 15/99 | 1999-09-02T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:38 | 2019-02-14T10:23:41 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1999:0902.4UF15.99.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>Tatbestand:</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die am 19.05.1972 geborene Klägerin und der am 11.10.1968 geborene Beklagte sind getrennt lebende Eheleute. Die Klägerin lebt seit Juni 1998 nicht mehr in der ehelichen Wohnung. Die Parteien haben ein gemeinsames Kind, und zwar den am 04.05.1995 geborenen Sohn R . Die Klägerin ist als Verkäuferin teilzeitbeschäftigt. Sie hat den Beklagten auf Zahlung von Kindesunterhalt und Trennungsunterhalt für die Zeit ab Juli 1998 in Anspruch genommen. Der Beklagte, der in erster Instanz anwaltlich nicht vertreten war, hat sich auf Kreditverbindlichkeiten berufen.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Durch das angefochtene Urteil, auf welches verwiesen wird, hat das Amtsgericht den Beklagten verurteilt, an Kindesunterhalt für Juli 1998 508,00 DM und ab August 1998 monatlich 288,00 DM, sowie ab Juli 1998 973,00 DM monatlichen Trennungsunterhalt zu zahlen. Das Amtsgericht hat das Einkommen des Beklagten auf 3.390,00 DM bemessen, davon Darlehensverbindlichkeiten in Höhe von 355,00 DM und 64,00 DM abgezogen und ist so zu einem Einkommen von 2.971,00 DM gelangt. Danach hat es den Kindesunterhalt auf einen Tabellenbetrag von 398,00 DM bemessen, für Juli 1998 110,00 DM Kindergeld hinzugerechnet und für die Zeit danach 110,00 DM Kindergeld abgezogen, weil der Beklagte bis Juli und die Klägerin ab August das Kindergeld bezogen habe. Nach Abzug des Tabellenbetrages von 398,00 DM und beruflichen Aufwendungen von 100,00 DM von dem Ausgangsbetrag von 2.971,00 DM hat das Amtsgericht der Klägerin 973,00 DM zugesprochen, weil eine höhere Leistungsfähigkeit nicht gegeben sei. Den Eigenverdienst der Klägerin hat das Amtsgericht außer Betracht gelassen, da die Tätigkeit überobligatorisch sei.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Gegen diese Entscheidung wendet sich der Beklagte mit der Berufung, mit der er den Kindesunterhalt ab Januar 1999 angreift, da er das inzwischen höhere Kindergeld berücksichtigt wissen will. Den Trennungsunterhalt greift er für die Zeit ab Juni 1998 an und trägt zur Begründung vor, das Amtsgericht habe einen weiteren Kredit mit einer monatlichen Rate von 64,70 DM, den er bei der C für eine Waschmaschine aufgenommen habe, unberücksichtigt gelassen. Außerdem sei es unzutreffend, daß das Amtsgericht den Verdienst der Klägerin außer Betracht gelassen habe, obwohl die Klägerin selbst in der Klageschrift sich 300,00 DM anrechnen lassen wolle. Sein eigenes Einkommen sei um den Gewerkschaftsbeitrag von 28,00 DM noch zu vermindern. 1999 sei das Einkommen geringer wegen Wechsel der Steuerklasse und weil Sonderzahlungen wie in 1998 nicht mehr flössen. Der Beklagte ist der Auffassung, das Einkommen der Klägerin sei im Wege der Differenzmethode in die Unterhaltsberechnung einzubeziehen, weil sie auch während des Zusammenlebens gearbeitet habe, und der Sohn von 7.30 Uhr bis 12.30 Uhr den Kindergarten besuche.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">
Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen, soweit er verurteilt worden sei, an die Klägerin Kindesunterhalt für R ab Januar 1999 von mehr als monatlich 273,00 DM</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">und Trennungsunterhalt für die Klägerin von Juli bis Dezember 1998 von mehr als monatlich 842,00 DM und ab Januar 1999 von mehr als monatlich 415,00 DM zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Sie ist der Auffassung, es könnten nur der Gewerkschaftsbeitrag von 28,00 DM und Fahrtkosten für eine Entfernung von 5 km = 77,00 DM in Abzug gebracht werden. Sie ist ferner der Auffassung, daß ihre Berufstätigkeit nur hälftig angerechnet werden könne, da sie überobligationsmäßig erfolge. Sie meint, daß ein über 300,00 DM hinausgehendes Einkommen außer Betracht zu lassen sei.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Parteien sind gem. § 141 ZPO in der mündlichen Verhandlung persönlich angehört worden.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks"><b><u>Entscheidungsgründe:</u></b></p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist zum Teil begründet.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Das Einkommen des Beklagten im Jahre 1998 ist der Dezember-Abrechnung zu entnehmen. Nach Berücksichtigung der gesetzlichen Abzüge verbleibt ein monatlicher Betrag von 3.683,00 DM. In Abzug zu bringen sind der Gewerkschaftsbeitrag mit 28,00 DM und Fahrtkosten von 77,00 DM, insgesamt also 105,00 DM. Dies ist bei der Erörterung unter den Parteien unstreitig geworden. In Abzug zu bringen sind weiterhin 35,00 DM vermögenswirksame Leistungen sowie Kredite mit einer monatlichen Rate von 355,02 DM, 64,00 DM und 64,70 DM. Auch insoweit ist zwischen den Parteien nach der Erörterung in der mündlichen Verhandlung nicht mehr streitig, daß diese Kreditraten bestehen und von dem Beklagten bedient werden. Hinzuzurechnen ist eine Steuererstattung von 25,11 DM. Daraus ergibt sich ein Einkommen des Beklagten von 3.084,98 DM. Der Kindesunterhalt mit dem Tabellenbetrag von 398,00 DM ist zwischen den Parteien ebenfalls nicht umstritten. Die Berufung des Beklagten hat insofern Erfolg, als ab Januar 1999 von diesem Tabellenbetrag das Kindergeld mit dem hälftigen Betrag von 125,00 DM in Abzug zu bringen ist, so daß ein Zahlbetrag von 273,00 DM verbleibt.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Nach Abzug des Tabellenbetrages vom errechneten Einkommen des Beklagten verbleiben noch 2.686,98 DM. Daraus ergibt sich ein Bedarf der Klägerin von 3/7 = 1.151,76 DM.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Entgegen der von dem Beklagten vertretenen Auffassung sind die Eigeneinkünfte der Klägerin nicht im Wege der Differenzmethode in die Unterhaltsberechnung einzubeziehen, weil sie die ehelichen Lebensverhältnisse nicht geprägt haben. Wenngleich die Klägerin auch während des Zusammenlebens bereits ihre jetzige Tätigkeit ausgeübt und mit ihrem Verdienst zu den Einkünften beigesteuert hat, hat eine Prägung der ehelichen Lebensverhältnisse dadurch nicht nachhaltig stattgefunden. Eine Prägung ehelicher Lebensverhältnisse kann nur durch solche Einkünfte erfolgen, von denen feststeht, daß sie nachhaltig erzielt werden können und nicht unter Umständen plötzlich aufgegeben werden müssen. Die Eheleute können nämlich nicht die Gestaltung ihrer Lebensverhältnisse auch nur teilweise durch solche Einkünfte bestimmen lassen, deren Fortbestehen mit erheblichen Unsicherheitsfaktoren behaftet ist. Eheprägende Einkünfte in diesem Sinne hat die Klägerin aber nicht erzielt und erzielt sie auch weiterhin nicht. Denn ihre Tätigkeit übt sie aus, obwohl ihr die Betreuung des gemeinsamen Kindes obliegt. Zwar kann sie ihrer Berufstätigkeit nachgehen, solange das Kind den Kindergarten besucht. Unsicherheiten ergeben sich aber daraus, daß das Kind krank werden kann und den Kindergarten nicht aufsucht und sie deshalb genötigt ist, bei dem Kind zu weilen. Darüber hinaus ist die Betreuungssituation ohnehin unsicherer, sobald das Kind in die Schule kommt, weil vor allem in den unteren Schulklassen der Grundschule oft unregelmäßiger Unterricht stattfindet und auch bei Krankheit eine Betreuung für das Kind zu Hause erforderlich ist. Aus dieser Situation ergibt sich für die Klägerin unter Umständen die Notwendigkeit, zu jeder Zeit damit rechnen zu müssen, in stärkerem Umfange als bisher für das Kind da zu sein und ihre Berufstätigkeit zurückzustecken und unter Umständen sogar ganz aufzugeben. Daß das Kind zur Zeit während ihrer Abwesenheit zeitweilig von der Großmutter betreut wird, ändert daran nichts wesentliches. Auch die Großmutter steht nicht zwangsläufig immer zur Verfügung; ob das Kind in einem solchen Fall einer anderen Betreuungsperson anvertraut werden könnte, ist spekulativ und kann nicht zugrundegelegt werden. Damit steht fest, daß aus der Betreuungssituation für das Kind eine nachhaltige Prägung der Einkünfte der Klägerin nicht angenommen werden kann, ganz abgesehen davon, daß die Klägerin als betreuender Elternteil bei einem Kind diesen Alters ohnehin nicht verpflichtet wäre, neben der Betreuung einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, auch wenn für das Kind eine anderweitige Betreuungsmöglichkeit besteht. Wegen der Unzumutbarkeit und der mangelnden Prägung der ehelichen Lebensverhältnisse können deshalb ihre Einkünfte nicht im Wege der Differenzmethode berücksichtigt werden (vgl. BGH FamRZ 1993, 146). Auf den so ermittelten Bedarf der Klägerin von 1.151,76 DM sind die Eigeneinkünfte in entsprechender Anwendung des § 1577 Abs. 2 BGB anzurechnen. Da hier keine besondere Gesichtspunkte geltend gemacht worden sind, erscheint es gerechtfertigt, die Hälfte des Eigenverdienstes auf den Bedarf anzurechnen. Dabei ist zuvor jedoch der Erwerbstätigenbonus der Klägerin anrechnungsfrei zu belassen. Bei im Senatstermin unstreitig gewordenen Einkünften von 677,00 DM ergibt sich nach Abzug des Erwerbstätigenbonus noch ein Betrag von 580,28 DM, der mit der Hälfte = 290,14 DM anzurechnen ist. Es bleibt dann noch ein Anspruch in Höhe von rund 861,00 DM übrig. Eine hälftige Anrechnung des Eigenverdienstes der Klägerin erscheint deswegen angemessen, weil dadurch der Klägerin der Erwerbstätigenbonus verbleibt und im übrigen der Vorteil ihrer Tätigkeit beiden Parteien in gleicher Weise zugute kommt. Die Klägerin hat damit insgesamt 861,00 DM + 677,00 DM zur Verfügung, also insgesamt Beträge, die oberhalb der als notwendiger Selbstbehalt angesehenen finanziellen Mitteln von 1.500,00 DM liegen, wodurch ihr Lebensunterhalt gesichert ist.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Für die Zeit von Januar bis September 1999 ergeben sich Änderungen im Einkommen des Beklagten durch Steuerklassenwechsel, wodurch eine Einkommenseinbuße beim Beklagten von etwa 629,00 DM anzunehmen ist. Dies ergibt sich aus einem Vergleich der Juli-Abrechnungen für 1998 und 1999. Dies bedeutet, daß nach Abzug des Kindesunterhalts das Einkommen des Beklagten nicht mehr 2.686,98 DM, sondern lediglich noch 2.057,98 DM beträgt. Daraus leitet sich ein Bedarf der Klägerin von 3/7 = 881,99 DM ab. Darauf ist nach § 1577 Abs. 2 BGB das Eigeneinkommen anzurechnen. Nach den Erörterungen im Senatstermin ist das Einkommen der Klägerin auf etwa 580,00 DM gesunken. Nach Abzug des Erwerbstätigenbonus verbleiben davon noch 497,14 DM. Die Hälfte davon = 248,57 DM ist auf den Bedarf anzurechnen, so daß noch ein Restbedarf von 633,42 DM besteht. Jedoch beträgt die Leistungsfähigkeit des Beklagten lediglich rd. 558,00 DM (2.057,98 DM abzüglich notwendiger Selbstbehalt von 1.500,00 DM). Damit ist der Unterhaltsanspruch für diesen Zeitraum auf 558,00 DM zu ermäßigen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Von Oktober 1999 bis Dezember 1999 ergibt sich eine Änderung daraus, daß die Kreditrate in Höhe von 64,70 DM entfällt, so daß die Leistungsfähigkeit des Beklagten auf rund 623,00 DM steigt.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Für die Monate Januar und Februar 2000 kann der Beklagte das Realsplitting geltend machen, da ein monatlicher Unterhaltsbetrag von mindestens 600,00 DM als gesichert feststeht. Bei einem Grenzsteuersatz von etwa 40 % ergibt sich dadurch eine Steuerersparnis für den Beklagten von rund 240,00 DM. Das Einkommen des Beklagten beträgt damit 2.057,98 DM + 240,00 DM Steuerersparnis + 64,70 DM Wegfall einer Kreditrate, so daß das Einkommen des Beklagten 2.362,68 DM beträgt. Daraus ergibt sich ein Bedarf für die Klägerin von 1.012,57 DM. Darauf sind 248,57 DM anzurechnen, so daß sich ein Restbedarf von rund 764,00 DM ergibt.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Für die Zeit ab März 2000 fällt auch die größere Kreditrate mit 355,02 DM weg. Dadurch erhöht sich das Einkommen des Beklagten von 2.364,70 DM auf 2.717,70 DM. Daraus ergibt sich ein Bedarf der Klägerin von 1.164,28 DM. Unter Anrechnung von Eigeneinkünften von 248,57 DM verbleibt ein Restanspruch von 916,00 DM.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 708 Ziff. 10 ZPO.</p>
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114,383 | olgham-1999-09-02-6-u-5599 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
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"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 6 U 55/99 | 1999-09-02T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:38 | 2019-02-14T10:23:42 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1999:0902.6U55.99.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>Entscheidungsgründe:</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks"><b>I.</b></p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Mit seiner Klage hat der Kläger 75 % Ersatz seiner materiellen und immateriellen Schäden nach einem Verkehrsunfall vom 04.04.1997, 17.55 Uhr auf der A 33 in Richtung ... begehrt.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Kläger war im Begriff, mit seinem Pkw auf der linken Fahrspur der Autobahn bei einer Geschwindigkeit von 150 bis 170 km/h einen auf der rechten Spur mit ca. 80 km/h fahrenden Pkw mit Pferdeanhänger der Zeugen G. und C. zu überholen. Als dieses Gespann vor dem Kläger auf die linke Fahrspur wechselte, zog der Kläger, um eine Auffahrkollision zu verhindern, sein Fahrzeug auf die rechte Spur hinüber, wo es mit einem dort befindlichen polnischen Fahrzeug der Eheleute J. kollidierte. Die Eheleute J., deren Fahrzeug bei dem Beklagten versichert ist, verstarben infolge des Unfalls. Auch der Kläger wurde erheblich verletzt.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat der Klage nach Vernehmung von Zeugen und Einholung eines Sachverständigengutachtens - mit geringfügiger Kürzung zur Höhe der materiellen Schäden - auf der Grundlage einer Haftung der Beklagten von 75 % stattgegeben. Es hat zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, den Fahrzeugführer J. treffe ein grobes Verschulden an dem Unfall, weil dieser erwiesenermaßen auf der rechten Autobahnspur rückwärts gefahren sei. Ein Mitverschulden des Klägers an dem Unfall sei dagegen nicht nachgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten, der mit näheren Ausführungen geltend macht, für die materiellen Schäden des Unfalls nach einer Haftungsquote von nicht mehr als 25 % und für die immateriellen Schäden überhaupt nicht verantwortlich zu sein, weil dem Fahrzeugführer J. ein Verschulden nicht nachzuweisen sei. Vielmehr sei davon auszugehen, daß dessen Fahrzeug unverschuldet auf der rechten Spur zum Stehen gekommen sei, vermutlich deshalb, weil dieses Fahrzeug nicht mehr fahrbereit gewesen sei. Den Kläger dagegen - so macht der Beklagte geltend - treffe ein Unfallverschulden, weil er den Pkw J. schon aus 580 m Entfernung hätte sehen und seine Geschwindigkeit darauf einstellen können.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks"><b>II.</b></p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg. Seine Berufung war deshalb zurückzuweisen, allerdings mit der (klarstellenden) Maßgabe, daß auch der künftige immaterielle Schaden nur unter Berücksichtigung eines Eigenverantwortungsanteils des Klägers von 25 % zu ersetzen ist. Der Kläger hat insoweit auf Rückfrage des Senats ausdrücklich klargestellt, daß seine erstinstanzliche Antragsbeschränkung auf eine Quote von 75 % selbstverständlich auch den Feststellungsantrag hinsichtlich der immateriellen Schäden betreffen sollte.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Mit dem Landgericht hat auch der Senat keinen Zweifel daran, daß der Fahrzeugführer J. versucht hat, mit seinem Pkw auf der rechten Spur der Autobahn rückwärts zu fahren.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Schon im Rahmen des Ermittlungsverfahrens hat das Sachverständigenbüro S. (der Sachverständige S.) die Rückleuchten des Pkw J. untersucht und festgestellt, daß die Rückfahrscheinwerfer zur Unfallzeit eingeschaltet waren. Dies ist zwischen den Parteien auch außer Streit.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Schon dies ist zwar noch kein Beweis für eine Rückwärtsfahrt, aber doch ein sehr gewichtiges Indiz dafür. Denn aus welchem Grunde hätte J. den Rückwärtsgang einlegen sollen, wenn er nur gestanden hätte und nicht auch rückwärts fahren wollte.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Örtlichkeit nach wäre ein Anlaß für eine derart verbotene und leichtsinnige Rückwärtsfahrt möglicherweise darin zu sehen, daß der Unfall sich im Bereich einer Autobahnzufahrt, kurz hinter einer Abfahrt, ereignet hat. Es erscheint naheliegend, daß der Unfallbeteiligte J. die Abfahrt verpaßt hat und möglicherweise deshalb ein kurzes Stück zurücksetzen wollte.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Schließlich aber hat auch der Zeuge G. von Anfang an ausgesagt, daß ihm der Pkw J. plötzlich rückwärts fahrend entgegengekommen sei und daß er noch im Vorbeifahren gehupt habe, um ihm zu sagen, "was er für einen Unsinn mache". </p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Für die Vermutung des Beklagten, J. Pkw sei nicht mehr fahrbereit gewesen und deshalb auf der rechten Fahrspur zum Stehen gekommen, gibt es keinerlei konkreten Anhaltspunkt. Selbst wenn J. ein Warnblinklicht eingeschaltet hatte (was nach wie vor ungeklärt erscheint), so ließe sich auch dies zwanglos damit erklären, daß er verbotswidrig rückwärts fahren wollte. Gegen einen technischen Defekt spricht aber vor allem, daß ein Fahrzeugführer in einer solchen Situation sein Fahrzeug sofort auf den Seitenstreifen bzw. auf den rechts verlaufenden Beschleunigungsstreifen der Autobahnzufahrt gelenkt hätte, nicht aber im Bereich der rechten Fahrspur angehalten hätte. </p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Ein Verschulden des Klägers an dem Unfall ist nicht feststellbar.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Der Sachverständige B. hat in seinem im jetzigen Verfahren eingeholten Gutachten eine Unfallvariante aufgezeigt, die nicht nur für den Kläger aus rechtlichen Gründen günstig, sondern darüber hinaus auch realistisch, jedenfalls aber nicht auszuräumen ist. Danach hat das Gespann des Zeugen G. möglicherweise erst 100 m vor Erreichen des rückwärtsfahrenden J. einen Spurwechsel eingeleitet, wie auch der Zeuge G. selbst ausgesagt hat. G. selbst hat offenbar das Fahrzeug des Klägers übersehen. Für den Kläger wäre in dieser Situation nicht erkennbar gewesen, ob er durch heftiges Bremsen die Geschwindigkeit seines Fahrzeugs noch hinter dem spurwechselnden Gespann G. ausreichend herabsetzen konnte, ohne aufzufahren, oder ob ein eigener Spurwechsel nach rechts herüber erfolgversprechender war. Davon gehen beide Sachverständige übereinstimmend aus.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Auch läßt sich zum Nachteil des Klägers nichts daraus herleiten, daß nach den Sichtüberprüfungen des Gutachters B. für den Kläger "grundsätzlich" eine Sichtmöglichkeit von ca. 580 m auf den polnischen Pkw J. bestand. Denn zunächst bestand für ihn kein Anlaß, dieses Fahrzeug besonders zu beachten. Im übrigen gelten diese gutachterlich mit 580 m ermittelten Sichtverhältnisse ohnehin dann nicht mehr, wenn der Kläger schneller als 150 km/h gefahren sein sollte. Der Pkw J. war dann wegen des sichtbehindernden Gespanns G. für den Kläger entweder gar nicht oder nur teilweise zu sehen, wie der Sachverständige ausgeführt hat.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Allein die Überschreitung der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h begründet noch kein Verschulden des Klägers, sondern nimmt ihm allein die Möglichkeit, sich auf die Unabwendbarkeit des Unfalls im Sinne des § 7 Abs. 2 StVG zu berufen (BGH VersR 92, 714 ff. m.w.N.).</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Ein Verschulden des Klägers läßt sich auch nicht damit begründen, daß er sich - etwa nach den Grundsätzen der sog. Haftungseinheit - die verkehrswidrige Fahrweise des Zeugen G. zurechnen lassen muß. Nach der Rechtsprechung des BGH bilden unter mehreren Unfallbeteiligten diejenigen eine Einheit, deren Verhalten sich im wesentlichen in <u>ein und demselben</u> zum Unfall führenden Ursachenbeitrag ausgewirkt hat, bevor ein weiterer Kausalverlauf hinzugetreten ist (BGH r+s 96, 261 f.; ferner BGH r+s 95, 135 f.). Die Grenze der Zulässigkeit für die Bildung einer Zurechnungseinheit ist jedoch dort erreicht, wo die Tatbeiträge nicht miteinander verschmelzen, sondern sich lediglich zu einer höheren Gefährlichkeit addieren (vgl. Steffen in DAR 90, 40 ff.). Diese besonderen Voraussetzungen des Verschmelzens der Tatbeiträge zu einer Haftungseinheit liegen hier nicht vor. Vielmehr hat erst der plötzliche Fahrspurwechsel des Zeugen G. eine Reaktion des Klägers ausgelöst, die ihrerseits unfall(mit)ursächlich geworden ist, ohne daß sich das beiderseitige Verkehrsverhalten in ein und demselben zum Unfall führenden Beitrag ausgewirkt hätte. Ob sich umgekehrt im Verhältnis zum Kläger die Verhaltensweisen des Spurwechslers G. und des rückwärts fahrenden J. als eine gefahrenträchtige Verschmelzung von Beiträgen darstellt, mag hier dahinstehen, da es im Ergebnis nicht darauf ankommt. Jedenfalls gilt dies nicht für die Beiträge des Klägers und des Zeugen G. im Verhältnis zu dem polnischen Pkw J. (vgl. auch Senat in r+s 94, 11 ff.: Auffahrunfall auf der Autobahn mit mehreren Beteiligten). </p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Berufung des Beklagten konnte nach alldem keinen Erfolg haben.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.</p>
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114,384 | olgham-1999-09-02-9-wf-3799 | {
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"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 9 WF 37/99 | 1999-09-02T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:38 | 2019-02-14T10:23:45 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1999:0902.9WF37.99.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>Gründe</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die anwaltlich vertretene Klägerin hat den Beklagten auf Feststellung verklagt, dass das während ihrer Ehe mit dem Beklagten im Juli 1999 geborene Kind N nicht das Kind des Beklagten sei. Der ebenfalls anwaltlich vertretene Beklagte ist der Klage in der Sache nicht entgegengetreten, sondern hat eingeräumt, dass das Kind nicht von ihm stammen könne, weil er schon seit Jahren keinen Verkehr mit der Klägerin gehabt habe. Er hat schriftsätzlich den Antrag ankündigen lassen, "zu erkennen, was Rechtens ist", und gleichzeitig um Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten nachgesucht. Das Familiengericht hat antragsgemäß Prozesskostenhilfe bewilligt, die Beiordnung eines Rechtsanwalts aber abgelehnt, weil die Sach- und Rechtslage einfach und der Beklagte nach eigener Darstellung nicht der Vater sei, so dass er sich im Rechtssinne nicht gegen die Klage verteidigen wolle. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beklagten, der das Familiengericht mit eingehender Begründung nicht abgeholfen hat. </p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die nach § 127 Abs. S. 2 ZPO zulässige Beschwerde ist begründet.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">
</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Nach § 121 Abs. 2 ZPO wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist. </p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Verpflichtung zur Beiordnung eines Rechtsanwalts ist zwingend, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorliegen; ein Ermessen steht dem Gericht dann nicht zu (allgemeine Meinung, z.B. <u>Zöller/Philippi</u>, ZPO, 21. Auflage, § 121 Rdn. 1; <u>Musielak/Fischer</u>, ZPO, § 121 Rdn. 10).</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Hier sind die Voraussetzungen der zweiten Alternative des § 121 Abs. 2 ZPO erfüllt, weil die Klägerin durch einen Rechtsanwalt vertreten ist. Auf die Voraussetzungen der ersten Alternative (Erforderlichkeit der Beiordnung) kommt es danach nicht an. Es ist deshalb nicht mehr zu prüfen, ob die Sach- und Rechtslage einfach ist und ob der Beklagte sich gegen die Klage "im eigentlichen Sinne" hat verteidigen wollen. </p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Hieran ändert sich auch nichts dadurch, dass im Vaterschaftsanfechtungsprozess dem beklagten Vater Prozesskostenhilfe auch dann zu bewilligen sein soll, wenn er dem Klagebegehren nicht entgegentritt und es deshalb an einer hinreichende Erfolgsaussicht (§ 114 ZPO) bietenden Verteidigung fehlt (dazu <u>Zöller/Philippi</u> aaO, § 114 Rdn. 53 m.w.N.). Ob dem zu folgen ist, kann dahinstehen. Denn der Senat hat nicht darüber zu entscheiden, ob die Bewilligung der Prozesskostenhilfe zu Recht erfolgt ist. Wenn - wie hier - Prozesskostenhilfe bewilligt wird, ist die Beiordnung eines Rechtsanwalts nach dem eindeutigen Wortlaut des § 121 Abs. 2 ZPO zwingend, sofern nur der Gegner ebenfalls anwaltlich vertreten ist.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Allerdings wird in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auch die Rechtsansicht vertreten, der Grundsatz der Waffengleichheit, auf dem die Vorschrift des § 121 Abs. 2 ZPO beruht, gebiete auch bei einer anwaltlich vertretenen Gegenpartei dann nicht die Beiordnung eines Rechtsanwalts, wenn keine einander widerstreitenden Anträge gestellt und deshalb auch keine entgegengesetzten Interessen vertreten würden (so z.B. <u>OLG Hamm</u> (6. Familiensenat) MDR 1983, 409; <u>OLG Köln</u> FamRZ 1987, 400; AnwBl. 1995, 110). Diese Ansicht wird im Schrifttum weitgehend abgelehnt (so <u>Zöller/Philippi</u> aaO, § 121 Rdn. 9; <u>MK-ZPO (Wax)</u>, § 121 Rdn. 27, 29; <u>Wieczorek/Steiner</u>, ZPO, 3. Aufl. § 121 Rdn. 9; <u>Stein/Jonas/Bork</u>, ZPO, 21. Aufl., § 121 Rdn. 10) oder als zumindest rechtlich zweifelhaft angesehen (so <u>Musielak/Fischer</u> aaO, § 121 Rdn. 10). </p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Der Senat teilt die im Schrifttum geäußerten Bedenken gegen eine solche einschränkende Auslegung des § 121 Abs. 2 ZPO. Sofern er in der Vergangenheit eine andere Ansicht vertreten hat, hält er daran nach erneuter Prüfung der Rechtslage nicht fest.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">§ 121 Abs. 2 ZPO ist seinem Wortlaut nach eindeutig. Er enthält keine Regelungslücken und verwendet - jedenfalls in der hier maßgeblichen zweiten Alternative - auch keine einer Interpretation bedürftigen unbestimmten Rechtsbegriffe. Für eine an Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung zu orientierende Gesetzesauslegung ist deshalb kein Raum. Würde die Beiordnung eines Rechtsanwalts trotz anwaltlich vertretener Gegenpartei davon abhängig gemacht, ob einander widerstreitende Interessen vertreten und streitige Anträge gestellt werden, liefe dies auf die Prüfung der Erforderlichkeit der Beiordnung hinaus, auf die es nach dem Willen des Gesetzgebers aber nur im Rahmen der ersten Alternative des § 121 Abs. 2 ZPO ankommt, nicht aber im Rahmen der aus dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit abgeleiteten zweiten Alternative. Dies widerspräche der Gesetzessystematik und dem darin zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">
b)</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Nach § 11 a Abs. 1 S. 1 ArbGG hat der Vorsitzende des Arbeitsgerichts einer Partei, die außerstande ist, ohne Beeinträchtigung des für sie und ihre Familie notwendigen Unterhalts die Kosten des Prozesses zu bestreiten, und die nicht durch ein Mitglied oder einen Angestellten einer Gewerkschaft oder einer Vereinigung von Arbeitgebern vertreten werden kann, auf ihren Antrag einen Rechtsanwalt beizuordnen, wenn die Gegenpartei durch einen Rechtsanwalt vertreten ist.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Beiordnung kann unterbleiben, wenn sie aus besonderen Gründen nicht erforderlich ist, oder wenn die Rechtsverfolgung offensichtlich mutwillig ist (Abs. 2). Im übrigen gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkostenhilfe in Verfahren vor den Gerichten in Arbeitssachen entsprechend (Abs. 3). </p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Vorschrift des § 11 a ArbGG ist danach § 121 Abs. 2, 2. Alternative, ZPO weitgehende vergleichbar. Sie unterscheidet sich davon aber wesentlich durch ihren Absatz 2, der ausdrücklich eine Ausnahme von der Pflicht zur Beiordnung eines Rechtsanwalts für den Fall fehlender Erforderlichkeit zulässt. Auch diese unterschiedliche Regelung vergleichbarer Sachverhalte verbietet es, § 121 Abs. 2, 2. Alternative, ZPO gegen seinen Wortlaut zu interpretieren und die Beiordnung eines Rechtsanwalts zusätzlich von der Erforderlichkeit abhängig zu machen. Eine entsprechende Anwendung des § 11 a Abs. 2 ArbGG kommt nicht in Betracht, weil es sich um eine Ausnahmeregelung handelt, die grundsätzlich nicht analogiefähig ist.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">c)</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Etwas anderes mag in den Fällen gelten, in denen die ZPO nur <u>entsprechende</u> Anwendung findet und das Verfahren grundsätzlich anders ausgestaltet ist als der Parteiprozess der ZPO. So lag es in den den Entscheidungen <u>BVerfG</u> NJW 1983, 1599 (Privatklageverfahren); 1989, 3271 (Konkursverfahren); <u>OLG Nürnberg</u> FamRZ 1987, 731 (FGG-Verfahren) zugrunde liegenden Fällen; hierzu auch <u>Stein/Jonas/Bork</u> aaO, § 121 Rdn. 10; <u>MK-ZPO(Wax)</u> aaO, § 121 Rdn. 27). Ein solcher Fall liegt hier jedoch schon deshalb nicht vor, weil auf den Kindschaftsprozess die ZPO unmittelbar anzuwenden ist und es sich zudem um ein grundsätzlich auf den Streit zweier Parteien mit einander widersprechenden Interessen und Anträgen ausgelegtes Verfahren handelt. Der (durch § 640 d ZPO eingeschränkte) Grundsatz der Amtsermittlung kann daran ebenso wenig ändern wie der Umstand, dass im Einzelfall einmal keine streitigen Anträge gestellt werden.</p>
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114,385 | lsgnrw-1999-09-02-l-1-al-4399 | {
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"state": 12,
"jurisdiction": "Sozialgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | L 1 AL 43/99 | 1999-09-02T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:38 | 2019-02-12T13:54:20 | Urteil | ECLI:DE:LSGNRW:1999:0902.L1AL43.99.00 | <span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Tatbestand:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Beteiligten streiten über die Höhe der Arbeitslosenhilfe im Zeitraum seit dem 01.07.1996.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Nach mehrjährigem Bezug von Arbeitslosenhilfe legte die Beklagte der Bewilligung ab 01.01.1996 ein Bemessungsentgelt von 1.470,-- DM zugrunde (Bescheid vom 22.12.1995). Mit Bescheid vom 05.07.1996 setzte die Beklagte das maßgebliche Bemessungsentgelt mit Wirkung vom 01.07.1996 auf 1.430,-- DM fest und bewilligte Arbeitslosenhilfe in Höhe von 404,40 DM wöchentlich.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein, mit dem er sich gegen die Absenkung der Arbeitslosenhilfe wandte und geltend machte, dies verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz in Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Die Höhe der Absenkung sei willkürlich gewählt. Mit Widerspruchsbescheid vom 03.09.1996 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat hiergegen am 13.09.1996 Klage erhoben, mit der er sein Begehren weiter verfolgt.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat sinngemäß beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">den Bescheid der Beklagten vom 05.07.1996 und den Widerspruchsbescheid vom 03.09.1996 sowie die weiteren den Zeitraum ab 01.07.1996 betreffenden Bescheide der Be klagten abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 01.07.1996 höhere Arbeitslosenhilfe nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu gewähren.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Sie hat auf die Gründe des Widerspruchsbescheides Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Mit Bescheiden vom 30.12.1996, 04.07.1997, 19.01.1998, 28.07.1998, und 25.01.1999 bewilligte die Beklagte Arbeitslosenhilfe zunächst nach einem Bemessungsentgelt von 1.430,-- DM wöchentlich in Höhe von 394,80 DM, ab 01.07.1997 ausgehend von einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 1.410,-- DM in Höhe von 391,20 DM und ab 01.07.1998 ausgehend von einem Bemessungsentgelt von 1.380,-- DM wöchentlich in Höhe von 387,87 DM.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Mit Gerichtsbescheid vom 07.05.1999 hat das Sozialgericht Detmold die Klage abgewiesen und zur Begründung auf die Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 25.06.1998 - B 7 AL 2/98 R und B 7 AL 128/97 R) zur Verfassungsmäßigkeit der Absenkung der Arbeitslosenhilfe nach § 136 Abs. 2 b Arbeitsförderungsgesetz (AFG) in der Fassung des Gesetzes zur Reform des Rechts der Arbeitslosenhilfe (ALHIRG) in Verbindung mit § 242 v Abs. 1 AFG in der Fassung des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Gegen den am 20.05.1999 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 18.06.1999 Berufung eingelegt. Zur Begründung macht er weiter geltend, die Absenkung der Arbeitslosenhilfe verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz in Artikel 3 GG und sei verfassungswidrig. Ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für die Ungleichbehandlung verschiedener Guppen von Arbeitslosen sei nicht vorhanden. Die Regelung sei dem Grunde und der Höhe der prozentualen Minderung nach willkürlich. Die zur Verwaltungsvereinfachung vom Gesetzgeber festgelegte Pauschalierung sei unzulässig, da die Arbeitslosenhilfe als Lohnersatzleistung sich der Höhe nach an individuellen Besonderheiten orientieren müsse.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Mit Bescheid vom 27.07.1999 bewilligte die Beklagte nach einem Bemessungsentgelt von 1360,-- DM Arbeitslosenhilfe ab 01.07.1999 in Höhe von 384, 51 DM wöchentlich. Im Termin zur mündlichen Verhandlung des Senats vom 02.09.1999 hob die Beklagte die Bescheide vom 04.07.1997, 28.07.1998 und 27.07.1999 teilweise auf und nahm die jährliche Absenkung der Arbeitslosenhilfe ab 07.07.1997, ab 31.07.1998 und ab 30.07.1999 vor. Der Kläger hat dieses Teilanerkenntnis angenommen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold vom 07.05.1999 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 05.07.1996, des Widerspruchsbescheides vom 03.09.1996 sowie der weiteren Bescheide vom 30.12.1996, vom 04.07.1997, vom 02.01.1998, vom 28.07.1998, vom 25.01.1999 und vom 27. 07. 1999 zu verurteilen, ihm ab 01.07.1996 ungeminderte Arbeitslosenhilfe ohne 3-%ige Absenkung zu gewähren, hilfweise, den Rechtsstreit dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen und die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Sie nimmt auf die Gründe des Gerichtsbescheides und die dort zitierte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts Bezug.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten (Stamm-Nr. X) Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe:</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die Berufung des Klägers sowie seine Klage gegen den während des Berufungsverfahrens ergangenen Bescheid vom 27.07.1999 über die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe sind unbegründet. Die im Klägerantrag näher bezeichneten Bescheide sind gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens geworden. Sie sind rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger hat klar gestellt, dass die Klage und die Berufung sich nicht gegen den Be scheid vom 17.02.1998 und den Widerspruchsbescheid vom 28.07.1998 richten; diese haben die Überprüfung der für die Jahre 1994 und 1995 dem Rentenversicherungsträger gemeldeten beitragspflichtigen Entgelte zum Gegenstand. Er hat ferner klargestellt, dass er mit der Klage und der Berufung nicht die Überprüfung der Folgebescheide zur Arbeitslosenhilfe in Bezug auf die übrigen Anspruchsvoraussetzungen begehrt.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat zu Recht ab 01.07.1996 sowie im Juli der Folgejahre das für die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe maßgebliche Bemessungsentgelt nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 b AFG i.V.m. der Übergangsvorschrift des § 242 v Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AFG mit einem um 0,03 verminderten Anpassungsfaktor angepaßt. Der Senat nimmt insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheides Bezug. Ebenso wie das Bundessozialgericht (Urteile vom 25.06.1998 - B 7 AL 128/97 R und B 7 AL 2/98 R - sowie vom 05.11.1998 - B 11 AL 7/98 R -) hat der Senat keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlagen für die Bemessung der Arbeitslosenhilfe in § 242 v AFG i.V.m. § 136 Abs. 2 b AFG i.d.F. des Arbeitslosenhilfe-Reformgesetzes. Diese bilden eine wirksame Ermächtigungsgrundlage für die von der Be klagten ab 01.07.1996 vorgenommene Anpassung der Arbeitslosenhilfe sowie für die durch Bescheid vom 05. 07. 1997 erfolgte weitere Herabbemessung. Der Senat sieht insbesondere in der Anwendung der gesetzlichen Vorschriften keine den Kläger in verfassungswidriger Weise benachteiligenden Auswirkungen. Die vom Kläger gerügte verfassungswidrige Ungleichbehandlung bestimmter Gruppen von Arbeitslosen ist ebenfalls nicht erkennbar.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Ebenso wie das BSG (a.a.O.) hat der Senat die Verfassungsmäßigkeit auch in Bezug auf den Gleichheitssatz aus Art 3 Abs. 1 GG geprüft. Die an der Dauer der Arbeitslosigkeit orientierte Absenkung des für die Arbeitslosenhilfe maßgeblichen Bemessungsentgelts stellt eine sachgerechte Differenzierung dar. Es ist nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber die Höhe des Bemessungsentgelts an das im Falle einer Vermittlung erreichbare Arbeitsentgelt knüpft und pauschalierend davon ausgeht, daß dieses erreichbare Arbeitsentgelt mit fortschreitender Dauer der Arbeitslosigkeit sich kontinuierlich verringert. Die Neuregelung in § 136 Abs. 2 b AFG, die eine jährlich vorzunehmende rein rechnerisch-schematische Neubemessung vorsieht, wirkt sich bei einem Langzeitarbeitslosen sogar günstiger aus als die zuvor geltende Regelung, die zu abrupten Herabbemessungen des Bemessungsentgeltes führen konnte. Schon des halb sieht der Senat in der Pauschalierungsregelung eine den Kläger nicht über Gebühr beeinträchtigende sachlich gebotene Differenzierung. Die vom Kläger zur Begründung herangezogene Entscheidung des BVerfG (Urteil vom 17.11.1992 - 1 BvL 8/87 - BVerfGE 87, 234) hat die verfassungsrechtliche Überprüfung der Einkommensanrechnung unter nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten und Partnern eheähnlicher Lebensgemeinschaften nach Maßgabe der §§ 137 Abs. 2a, 138, 139a AFG zum Gegenstand. Sie enthält keine Aussagen zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an Regelungen zur Höhe des Bemessungsentgelt bei der Alhi-Gewährung.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Die Bescheide vom 30.12.1996, 02.01.1998 und 25.01.1998, mit denen die Beklagte jeweils nach Ablauf des Bewilligungszeitraumes Arbeitslosenhilfe weiterbewilligte, sind nach Überprüfung der übrigen für Grund und Höhe der Bewilligung maßgeblichen Voraussetzungen ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Bescheide vom 04.07.1997, 28.07.1998 und 27.07.1999, mit denen die Beklagte das zuvor maßgebliche Bemessungsentgelt gemäß § 201 Satz 1 Sozialgesetzbuch 3. Buch (SGB III) angepaßt hat, sind rechtmäßig, nachdem die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung des Senats den Beginn der Absenkung der Arbeitslosenhilfe auf die Zeit vom Wirksamwerden des jeweiligen Bescheides an beschränkt hat. Die der Vorgängervorschrift in § 136 Abs. 2 b AFG nachgebildete Regelung ist ebenfalls verfassungsmäßig.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG. Die Beklagte hat durch ihr Teilanerkenntnis im Termin zur mündlichen Verhandlung des Senats nur zu einem geringen Teil dem Begehren des Klägers entsprochen. Dies rechtfertigt es nicht, ihr außergerichtliche Kosten aufzuerlegen.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 1 und 2 SGG).</p>
|
114,386 | vg-minden-1999-09-02-9-k-194298 | {
"id": 845,
"name": "Verwaltungsgericht Minden",
"slug": "vg-minden",
"city": 465,
"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 9 K 1942/98 | 1999-09-02T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:38 | 2019-02-14T10:23:46 | Urteil | ECLI:DE:VGMI:1999:0902.9K1942.98.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">T a t b e s t a n d :</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger ist seit 1988 Eigentümer des mit einem Wohnhaus
bebauten Grundstücks U. straß 10 in L. -H. . Das
Grundstück ist seit 1965 an die zunächst von der Gemeinde
H. und später von der Stadt L. betriebene
öffentliche Entwässerungsanlage angeschlossen. Im gleichen
Jahr entrichtete der frühere Eigentümer gemäß den damals
geltenden Satzungsbestimmungen einen
Kanalanschlussbeitrag.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Im Jahre 1997 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass der
in der U. straße gelegene Mischwasserkanal saniert und im
Rahmen dieser Maßnahme auch die Anschlussleitungen zu den
einzelnen Hausgrundstücken erneuert werden sollten.
Hinsichtlich der Inanspruchnahme des Grundstücks bedürfe es
des Abschlusses eines Gestattungsvertrages. Der dem Kläger
übersandte Vertragsentwurf enthielt u.a. in § 1 den Passus,
dass die Kosten für die Herstellung der Anschlussleitung und
des Kontrollschachtes auf dem Grundstück vom Anschlussnehmer
zu tragen seien.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Nachdem der Kläger den Vertragsentwurf trotz mehrfacher
Erinnerung nicht unterzeichnet hatte, forderte der Beklagte
ihn nach vorheriger Anhörung mit Ordnungsverfügung vom
19.03.1998 auf, auf seinem Grundstück bis zum 30.04.1998 einen
Kontrollschacht nach den allgemein anerkannten Regeln der
Technik in Abstimmung mit dem Tiefbauamt zu errichten. Zur
Begründung führte er aus, dass gemäß § 2 Abs. 6 b der
Entwässerungssatzung der Stadt L. vom 14.07.1997 die zur
Entwässerung der Anliegergrundstücke erforderlichen
Hausanschlußleitungen bis zu dem 2 m hinter der
straßenseitigen Grundstücksgrenze liegenden Kontrollschacht
sowie der Kontrollschacht selbst Bestandteil der öffentlichen
Abwasseranlage seien. Da auf seinem Grundstück bislang kein
Kontrollschacht vorhanden sei, sei er gemäß § 12 Abs. 7 der
Entwässerungssatzung verpflichtet, einen derartigen
Kontrollschacht auf seine Kosten zu errichten. Für den Fall,
dass der Kläger den Schacht nicht innerhalb der gesetzten
Frist errichte, kündigte der Beklagte den Erlass einer
Duldungsverfügung und eine Errichtung durch die Stadt im Wege
der Ersatzvornahme an.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Gegen den Bescheid legte der Kläger unter dem 15.04.1998
Widerspruch ein, den er damit begründete, dass er nicht
verpflichtet sei, den Kontrollschacht anlegen zu lassen, da er
bereits vor Jahren den Kanalanschlussbeitrag gezahlt habe.
Nach der damals geltenden Satzung sei die Stadt nach Zahlung
des Anschlussbeitrages verpflichtet gewesen, den
Kontrollschacht einbauen zu lassen. </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte wies den Widerspruch unter dem Briefkopf "A.
H. L. , Der Stadtdirektor" mit Widerspruchsbescheid
vom 28.04.1998 zurück, wobei er zur Begründung ergänzend
ausführte, dass der für das Grundstück im Jahre 1965 gezahlte
Kanalanschlussbeitrag die Kosten für einen Kontrollschacht
nicht umfasst habe, da nach den Regeln der damals geltenden
Entwässerungssatzung die öffentliche Anlage an der
Grundstücksgrenze geendet habe. Diese Regelung sei erst durch
die Entwässerungssatzung vom 24.07.1992 geändert worden.
Dementsprechend enthalte § 12 Abs. 7 der derzeit gültigen
Entwässerungssatzung die Regelung, dass bei bestehenden
Anlagen, die bisher über keinen erforderlichen Kontrollschacht
verfügten, die Stadt die Errichtung nach den allgemein
anerkannten Regeln der Technik im Zuge der Ausführung von
Umbau- und Sanierungsarbeiten an den öffentlichen Kanälen von
dem jeweiligen Grundstückseigentümer fordern werde, wobei die
Kosten hierfür von dem Grundstückseigentümer zu tragen
seien.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Gegen den am 29.04.1998 zugestellten Bescheid hat der
Kläger am 25.05.1998 Klage erhoben, zu deren Begründung er
darauf hinweist, dass der Widerspruchsbescheid vom 28.04.1998
bereits deshalb rechtswidrig sei, weil er von dem
Stadtdirektor erlassen worden sei, den es zur damaligen Zeit
bereits nicht mehr gegeben habe. In der Sache trägt er vor,
dass der Kanalanschluss bereits seit einigen Jahrzehnten
bestehe und die vor dem 24.07.1992 geltenden Satzungen keine
Verpflichtung zur Anlage eines Kontrollschachtes enthalten
hätten. Nach der Entwässerungssatzung vom 24.07.1992 und den
dazu später ergangenen Änderungssatzungen werde bei
Neuanschlüssen der Kontrollschacht auf Kosten der Stadt
errichtet, da diese Kosten im Kanalanschlussbeitrag enthalten
seien. Diese Regelung müsse auch für Altfälle gelten, da die
vorherigen Satzungen keine gegenteilige Regelung enthalten
hätten. Er sei der Auffassung, dass mit der Zahlung des
Kanalanschlussbeitrages im Jahre 1965 alle Maßnahmen für den
Anschluss an den öffentlichen Kanal auch für die Zukunft
bezahlt worden seien. Der Einbau eines Kontrollschachtes sei
auch nicht erforderlich, da sein Grundstück über einen
ausreichenden Prüfschacht verfüge. Der in der Nähe des
Hauseingangs etwa 3,50 m von der Grundstücksgrenze entfernt
liegende rechteckige Schacht aus Beton habe eine Größe von
0,70 m x 0,30 m und sei mit einer Metallplatte und zwei
Betonplatten abgedeckt. Er ermögliche eine Beobachtung des
Abwasserflusses und im Fall einer Verstopfung die Einführung
eines Spülschlauches.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 19.03.1998 und
den Widerspruchsbescheid der "Alten H. L. -
Der Stadtdirektor -" vom 28.04.1998 aufzuheben.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Er bezieht sich auf die Begründung der angefochtenen
Bescheide und führt ergänzend aus, dass bereits nach der zum
Zeitpunkt des Anschlusses des Grundstücks geltenden
Entwässerungssatzung der Gemeinde H. vom 30.10.1964 die
Errichtung eines Prüfschachtes auf Kosten des
Grundstückseigentümer vorgesehen gewesen sei. Auch nach der
Entwässerungssatzung der Stadt L. vom 04.11.1976 habe die
Herstellung und Unterhaltung der Abwasseranlage auf dem
Grundstück einschließlich des Prüfschachtes dem
Anschlussnehmer oblegen. Seit Inkrafttreten der
Entwässerungssatzung vom 24.07.1992 übernehme die Stadt bei
Neuanschlüssen die Herstellung der Grundstücksanschlussleitung
einschließlich des Kontrollschachtes, wobei hierfür zunächst
vom Anschlussnehmer ein Kostenersatz nach Einheitssätzen zu
zahlen gewesen sei. Seit Inkrafttreten der Änderungssatzung
vom 28.07.1994 seien die Kosten im Kanalanschlussbeitrag
enthalten. Insgesamt sei festzustellen, dass die Kosten für
die Herstellung des notwendigen Kontrollschachtes zu jedem
Zeitpunkt vom Grundstückseigentümer zu tragen gewesen seien.
Der auf dem Grundstück vorhandene Betonschacht mit einer
lichten Grundrissfläche von 0,15 m x 0,40 m, der auf die aus
Zementrohren DN 100 hergestellte und in ca. 0,60 m Tiefe
liegende Anschlußleitung aufgesetzt und mit einer Betonplatte
50/50 cm abgedeckt sei, habe bereits bei seiner Errichtung in
den 60er Jahren nicht den allgemein anerkannten Regeln der
Technik entsprochen und sei als Kontrollschacht gemäß DIN 1986
nicht ausreichend. Bereits bei der Errichtung eines Anbaus an
das vorhandene Wohnhaus sei in der hierfür erteilten
Entwässerungsgenehmigung vom 30.05.1980 und nochmals bei der
Genehmigung der Errichtung einer Garage der Voreigentümer des
Grundstücks zur Errichtung eines Kontrollschachtes
aufgefordert worden, dem jedoch nicht nachgekommen. Der Anbau
werde bis zum heutigen Tage über eine separate
Anschlussleitung ohne Kontrollschacht entwässert, die erst
hinter dem vorhandenen "Schacht" mit der Anschlussleitung des
Altbaus zusammengeführt werde. Der vorhandene "Schacht" sei
auch deshalb nicht ausreichend, weil er nur einen Teilstrom
des Abwassers erfasse. Der in den Entwässerungssatzungen
geforderte Prüfschacht habe jedoch das auf dem Grundstück
anfallende Abwasser zu bündeln, um in ihm Prüfungen des
eingeleiteten Abwassers vornehmen zu können. Er müsse daher
örtlich hinter der letzten Abwassereinleitungsstelle
positioniert werden und sei ausreichend zu dimensionieren.
Weiter bestünden auch erhebliche Bedenken, ob die vorhandene
Entwässerungsanlage hinsichtlich der Tiefenlage und des
Gefälles den Anforderungen der DIN 1986 entspreche.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des
Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des
Beklagten Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">
Entscheidungsgründe:</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet. </p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Der Bescheid des Beklagten vom 19.03.1998 und der
Widerspruchsbescheid vom 28.04.1998 sind rechtmäßig und
verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 der
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -). Der Beklagte hat den
Kläger zu Recht aufgefordert, auf seinem Grundstück auf eigene
Kosten einen Kontrollschacht in die Hausanschlussleitung
einzubauen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Ansicht des Klägers führt der Umstand, dass
der Widerspruchsbescheid vom 28.04.1998 unter dem Briefkopf
"A. H. L. - Der Stadtdirektor" erlassen wurde,
nicht zur Rechtswidrigkeit. Bei der versehentlichen Verwendung
des bereits seit Jahren überholten Briefkopfes handelt es sich
lediglich um eine auch vom Kläger zu erkennende offenbare
Unrichtigkeit im Sinne des § 42 des
Verwaltungsverfahrensgesetzes, die jederzeit berichtigt werden
kann und die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes nicht
berührt. </p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Entsprechendes gilt auch für die Bezeichnung des Bescheides
vom 19.03.1998 als "Ordnungsverfügung". Die von dem Beklagten
getroffene Regelung dient der Durchsetzung des gemeindlichen
Satzungsrechts. Sie stellt keine Maßnahme der Gefahrenabwehr,
sondern eine Ausübung von Hoheitsbefugnissen im Rahmen eines
öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnisses dar. Dies ist
auch von dem Beklagten so gesehen worden, da er gemäß § 73
Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VwGO zu Recht selbst über den Widerspruch
entschieden hat. </p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Vgl. zur Problematik OVG NW, U.v.28.11.1994
- 22 A 2466/93 -.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Rechtsgrundlage für die Verpflichtung des Klägers zum
Einbau eines Kontrollschachtes ergibt sich aus der
Entwässerungssatzung der Alten H. L. vom
14.07.1997, die ihrerseits auf den §§ 7, 8 und 9 der
Gemeindeordnung - GO NW -, dem § 18 a des
Wasserhaushaltsgesetzes - WHG - und den §§ 51 und 53 des
Landeswassergesetzes - LWG - beruht. Rechtliche Bedenken
bezüglich des formell ordnungsgemäßen Zustandekommens und
Inkrafttretens der Satzung sind nicht vorgetragen worden und
auch sonst nicht ersichtlich.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die Entwässerungssatzung ist auch - soweit das vorliegende
Verfahren Anlass zu einer Überprüfung bietet - materiell
gültiges Ortsrecht. Nach § 9 i.V.m. § 7 GO NW können Gemeinden
bei öffentlichem Bedürfnis durch Satzung für die Grundstücke
ihres Gebietes den Anschluss an die Kanalisation und deren
Benutzung vorschreiben und die für die Ausgestaltung des
öffentlich-rechtlichen Kanalbenutzungsverhältnisses
erforderlichen Regelungen im Rahmen ihres
Organisationsermessens treffen. Dass die Stadt L. mit der
hier einschlägigen Regelung des § 12 Abs. 7 der
Entwässerungssatzung die Grenzen des ihr durch die gesetzliche
Ermächtigung eingeräumten ortsgesetzgeberischen
Gestaltungsspielraums überschritten hat, ist nicht erkennbar.
Die Regelung, dass auch bei Anlagen, die bislang über keinen
Kontrollschacht verfügen oder deren Kontrollschacht zu keinem
Zeitpunkt den allgemein anerkannten Regeln der Technik
entsprach, im Zuge von Umbau- und Sanierungsarbeiten an den
öffentlichen Kanälen von dem jeweiligen Grundstückseigentümer
der Einbau eines Kontrollschachtes nach den allgemein
anerkannten Regeln der Technik gefordert wird, ist
sachgerecht, da die Kontrollschächte die Übergabepunkte
zwischen der privaten und der öffentlichen Abwasseranlage
darstellen und in ihnen zum einen die Menge und Konsistenz des
eingeleiteten Abwassers geprüft werden kann und sie zum
anderen auch der Reinigung der Kanäle dienen. </p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Hinsichtlich der Frage, welcher Anforderungen nach den
allgemein anerkannten Regeln der Technik an die Errichtung
eines Kontrollschachtes zu stellen sind, kann auf die DIN 1986
zurückgegriffen werden. Nach § 3 Abs. 3 der Landesbauordnung
- BauO NW - gelten auch die von der obersten
Bauaufsichtsbehörde durch öffentliche Bekanntmachung als
Technische Bauvorschriften eingeführten technischen Regeln als
allgemein anerkannte Regeln der Technik. Hierzu gehört auch
die mit Runderlass des Innenministers vom 04.10.1979
- VA 4 - 322.51 (MBl. NW. S. 2130) als Richtlinie
bauaufsichtlich eingeführte DIN 1986 Teil 1
- Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke; Technische
Bestimmungen für den Bau - (Ausgabe September 1978) bzw. die
davor geltende, mit Runderlass des Ministers für
Landesplanung, Wohnungsbau und öffentliche Arbeiten vom
24.05.1963 (MBl. NW S. 1100) eingeführte DIN 1986 Teil 1
(Ausgabe Juni 1962). Nach Ziffer 7.6.3. der DIN 1986 Teil 1
(Ausgabe September 1978) müssen besteigbare Schächte bei
kreisförmigen Querschnitten mindestens 1,0 m lichte Weite
haben, bei rechteckigen Querschnitten müssen die Abmessungen
mindestens 0,8 m x 1,0 m, bei quadratischen Querschnitten
mindestens 0,9 m x 0,9 m betragen. Schächte von weniger als
0,8 m Tiefe müssen mindestens die Abmessung 0,6 m x 0,8 m
haben. Diesen Anforderungen genügt der auf dem Grundstück des
Klägers vorhandene Prüfschacht selbst dann nicht, wenn man die
Angaben des Klägers zugrunde legt. Der Schacht entsprach auch
bei seiner Errichtung im Jahre 1965 nicht den damals allgemein
anerkannten Regeln der Technik, da bereits die DIN 1986 Teil 1
(Ausgabe Juni 1962) unter Ziffer 9.2. - bis auf die
Sonderregelung für Schächte unter 0,8 m Tiefe - die oben
genannten Schachtquerschnitte vorsah.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die Verpflichtung zum Einbau eines Kontrollschachtes ergibt
sich weiter auch aus der bestandskräftigen Nebenbestimmung
Nr. 3 zu der unter dem 30.05.1980 erteilten
Entwässerungsgenehmigung für den damals errichteten
Wohnhausanbau. Der darin geforderte Kontrollschacht mit einem
Durchmesser von 1.000 mm ist nie gebaut worden und das
Abwasser aus dem Hausanbau wird derzeit ohne
Kontrollmöglichkeit direkt in die öffentliche Kanalisation
eingeleitet.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Ansicht des Klägers führt die Regelung des
§ 12 Abs. 7 Satz 3 der Entwässerungssatzung, wonach die Kosten
für den nachträglichen Einbau der Kontrollschächte von den
Grundstückseigentümern zu tragen sind, auch zu keiner
Benachteiligung der Eigentümer von früher angeschlossenen
Grundstücken. Wie der Beklagte bereits zutreffend dargelegt
hat, war sowohl nach § 11 Abs. 2 der Entwässerungssatzung der
seinerzeit selbstständigen Gemeinde H. vom 30.10.1964
als auch nach § 11 Abs. 3 der Entwässerungssatzung der Stadt
L. vom 04.11.1976 der in den Satzungen geforderte
Prüfschacht auf Kosten des Grundstückseigentümers bzw. durch
ihn selbst zu errichten. Die damals erhobenen
Kanalanschlussbeiträge umfassten daher nicht die Kosten des
Prüfschachtes. Auch nachdem die Stadt dazu übergangen war,
gemäß § 6 Abs. 2 der Entwässerungssatzung vom 24.07.1992 die
Kontrollschächte selbst zu errichten, wurden die Kosten
hierfür von den Grundstückseigentümern nach Einheitssätzen
erhoben. Seit Inkrafttreten der 1. Änderungssatzung vom
28.07.1994 und nunmehr unter der Geltung der
Entwässerungssatzung vom 14.07.1997 sind die Kosten im
Kanalanschlussbeitrag enthalten (§ 12 Abs. 6), wobei diese
Regelung ausdrücklich nicht für den nachträglichen Einbau von
Kontrollschächten in vorhandene Anschlussleitungen gilt.
Insgesamt betrachtet ist daher festzustellen, dass die Kosten
für die Errichtung der Kontrollschächte immer - in der
Vergangenheit entweder direkt oder über einen Kostenersatz und
heute über einen erhöhten Kanalanschlussbeitrag - von den
Grundstückseigentümern zu tragen waren. Die Regelung des § 12
Abs. 7 Satz 3 der Entwässerungssatzung stellt daher keine
Ungleichbehandlung von Altanschlüssen dar, sondern führt im
Gegenteil den Grundsatz, dass jeder Eigentümer die Kosten des
Kontrollschachtes wirtschaftlich selbst tragen soll,
konsequent weiter.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1
VwGO abzuweisen. Die Entscheidungen über die vorläufige
Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis beruhen auf § 167
VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO.
</p>
|
114,387 | vg-koln-1999-09-01-18-l-215099a | {
"id": 844,
"name": "Verwaltungsgericht Köln",
"slug": "vg-koln",
"city": 446,
"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 18 L 2150/99.A | 1999-09-01T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:38 | 2019-02-14T10:23:48 | Beschluss | ECLI:DE:VGK:1999:0901.18L2150.99A.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> G r ü n d e</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der gemäß § 80 Abs. 5 VwGO i.V.m. § 36 Abs. 3 AsylVfG zulässige Antrag,</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">die aufschiebende Wirkung der Klage 18 K 0000/99.A - gegen den
Bescheid der Antragsgegnerin vom 12.08.1999 anzuordnen,</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">ist begründet.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Bei der vom Gericht im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden
Interessenabwägung überwiegt das private Interesse der Antragsteller an einem
weiteren Verbleib in der Bundesrepublik Deutschland bis zu einer rechtskräftigen
Entscheidung über ihren - von der Antragsgegnerin als unbeachtlich bewerteten -
Asylfolgeantrag gegenüber dem kraft Gesetzes vermuteten öffentlichen Interesse an
einer sofortigen Ausreise der Antragsteller. Denn es bestehen ernstliche Zweifel im
Sinne des § 36 Abs. 4 S. 1 AsylVfG an der Rechtmäßigkeit der in Ziffer 2 des
Bescheides vom 12.08.1999 enthaltenen Abschiebungsandrohung.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Dies ergibt sich zum einen bereits aus der gegenwärtigen Lage in der Türkei
nach der Festnahme des PKK-Führers Abdullah Öcalans, aufgrund derer nach dem
ad hoc-Bericht des Auswärtigen Amtes vom 25.02.1999 "ein erhöhtes Risiko einer
besonderen Gefährdung für abzuschiebende Türken kurdischer Volkszugehörigkeit
besteht". Nach dem zwischenzeitlich verhängten Todesurteil gegen Öcalan ist eine
weitere Verschärfung der Situation eingetreten; eine aktuelle, von dem obigen ad
hoc-Bericht abweichende Stellungnahme des Auswärtigen Amtes liegt bis heute nicht
vor, so daß die darin zum Ausdruck kommende Gefährdungseinschätzung offenbar
nach wie vor gilt. Angesichts dieser Aussage erscheint es im Rahmen der vom
Gericht im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO zu treffenden Entscheidung angezeigt,
Abschiebungsschutz zu gewähren.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Der Abschiebungsschutz ist vorliegend im Hinblick auf das individuelle
Vorbringen der Antragsteller zur Begründung ihres Asylfolgeantrages auch bis zur
Entscheidung in der Hauptsache zu gewähren. Zwar kann nicht ausgeschlossen
werden, daß hinsichtlich der vorgetragenen exilpolitischen Aktivitäten seit Januar
1998 im Rahmen der Bewegung des Wanderkirchenasyls die Dreimonatsfrist des §
51 Abs. 3 VwVfG abgelaufen ist und daher ein Anspruch auf Durchführung eines
Folgeverfahrens aus diesen Gründen nicht besteht. </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Unabhängig davon spricht jedoch vieles dafür, daß die Kläger aufgrund dieser
Aktivitäten jedenfalls einen Anspruch auf Feststellung haben, daß
Abschiebungshindernisse gemäß § 53 Abs. 1 AuslG vorliegen. Denn sie haben
substantiiert und unter Beweisantritt vorgetragen, daß sie sich im Rahmen des
Wanderkirchenasyls in individualisierbarer und öffentlichkeitswirksamer Weise für die
Belange der Kurden eingesetzt haben und hierüber in einer Vielzahl von
Zeitungsartikeln und Fernsehsendungen türkischer und deutscher Medien berichtet
wurde. Sie haben ebenfalls dargelegt, daß diese Aktionen von den türkischen
Sicherheitsbehörden genauestens beobachtet werden und diesen einzelne Teil-
nehmer namentlich bekannt geworden sind, wobei sie offenbar als PKK-Aktivisten
gelten.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b Abs. 1
AsylVfG.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">
</p>
|
114,388 | ovgnrw-1999-09-01-22-a-300499 | {
"id": 823,
"name": "Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen",
"slug": "ovgnrw",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 22 A 3004/99 | 1999-09-01T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:38 | 2019-02-12T13:54:21 | Beschluss | ECLI:DE:OVGNRW:1999:0901.22A3004.99.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> G r ü n d e :</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist unzulässig. Eine Berufung gegen das Urteil
des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 11. Juni 1999 ist nicht
statthaft, da die Berufung nicht vom Oberverwaltungsgericht
zugelassen worden ist. Als Rechtsbehelf gegen das Urteil wäre
nur der Antrag auf Zulassung der Berufung in Betracht gekommen
(§ 124 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO-). Zudem
ist die Berufung unzulässig, weil der Kläger trotz
zutreffender Rechtsmittelbelehrung nicht - wie in § 67 Abs. 1
Satz 1 VwGO vorgeschrieben - durch einen Rechtsanwalt oder
Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule vertreten ist.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Auch wenn das vom Kläger eingelegte Rechtsmittel als
(statthafter) Antrag auf Zulassung der Berufung angesehen
würde, wäre das Rechtsmittel unzulässig, da auch insoweit vor
dem Oberverwaltungsgericht gem. § 67 Abs. 1 Satz 2 VwGO
Vertretungszwang besteht.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167
VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711, 713 der
Zivilprozeßordnung.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen
des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">
</p>
|
114,389 | ovgnrw-1999-09-01-9-a-219099 | {
"id": 823,
"name": "Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen",
"slug": "ovgnrw",
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"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
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} | 9 A 2190/99 | 1999-09-01T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:38 | 2019-02-12T13:54:21 | Urteil | ECLI:DE:OVGNRW:1999:0901.9A2190.99.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> Tatbestand:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks J. -S. -
.Straße 19 in R. , das an die städtischen
Einrichtungen der Abwasser-. und Abfallbeseitigung und der
Straßenreinigung angeschlossen ist.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Mit Heranziehungsbescheid für Grundbesitzabgaben vom
16. Januar 1995 zog der Beklagte den Kläger für das genannte
Grundstück und das Jahr 1995 unter anderem zu Abwasser-. und
Abfallbeseitigungsgebühren sowie zu Straßenreinigungsgebühren
heran; wegen der Berechnung der Gebühren im einzelnen wird auf
den Inhalt des angefochtenen Bescheides Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Soweit der
Widerspruch sich gegen die Heranziehung zu
Abwasserbeseitigungsgebühren richtete, führte der Kläger zur
Begründung an, daß bei der Gebührenberechnung der reine
Frischwassermaßstab zugrundegelegt worden sei. Nach der
Rechtsprechung des Berufungsgerichts sei in großstädtischen
und relativ inhomogen bebauten Gebieten eine Veranlagung nach
dem modifizierten Frischwassermaßstab geboten. Mit
Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 1997 wies der Beklagte
den Widerspruch mit der Begründung zurück, daß die Zahl der
Fälle, in denen der Frischwassermaßstab zur Erfassung der
Niederschlagswassereinleitung ungeeignet sei, unter
Berücksichtigung der Gesamtzahl von 19.000
abwassergebührenpflichtigen Veranlagungsfällen unter 10 %
liege und daher diese Fälle bei der Maßstabsfindung nach dem
Grundsatz der Typengerechtigkeit vernachlässigt werden
könnten.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Mit am 23. Dezember 1997 bei Gericht eingegangenem
Schriftsatz hat der Kläger Klage erhoben.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Während des Klageverfahrens setzte der Rat der Stadt
R. mit der 7. Änderungssatzung vom 20. Dezember
1996 den Grenzwert für den Abzug der nachweislich auf dem
Grundstück verbrauchten oder zurückgehaltenen Wassermengen
unter anderem rückwirkend für das Jahr 1995 auf 20 cbm/Jahr
herab (§ 2 Abs. 4 Satz 4 in der Fassung des § 1 Nr. 1 der 7.
Änderungssatzung vom 20. Dezember 1996).</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger, soweit diese
sich gegen die Erhebung der Abwasserbeseitigungsgebühren
gerichtet hat, im wesentlichen folgendes geltend gemacht: Die
Ermittlung der Gebührensätze verstoße gegen das
Kostenüberschreitungsverbot. Nach betriebswirtschaftlichen
Grundsätzen sei die in der Gebührenkalkulation praktizierte
Kombination von Abschreibungen auf der Grundlage von
Wiederbeschaffungszeitwerten und kalkulatorischen Zinsen auf
der Grundlage von Anschaffungswerten i.V.m. einem
Nominalzinssatz unzulässig. Im übrigen könne von einer
homogenen Bebauungsstruktur in R. nicht
ausgegangen werden. Weder die erkennende Kammer noch das
Berufungsgericht hätten sich bislang mit der Rechtsfrage
auseinandergesetzt, ob unter Berücksichtigung der
Rechtsprechung eine Verpflichtung bestehe, auch in
R. als Ruhrgebietsstadt den modifizierten
Frischwassermaßstab einzuführen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Nachdem der Kläger seine Klage hinsichtlich der
festgesetzten Straßenreinigungsgebühren zurückgenommen hat und
die Beteiligten nach Aufhebung des angefochtenen Bescheides
hinsichtlich der festgesetzten Abfallentsorgungsgebühren den
Rechtsstreit insoweit übereinstimmend in der Hauptsache für
erledigt erklärt haben, hat der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">den Grundbesitzabgabenbescheid vom
16. Januar 1995 hinsichtlich der
festgesetzten
Abwasserbeseitigungsgebühren sowie
insoweit den Widerspruchsbescheid vom
18. Dezember 1997 aufzuheben.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Er ist der Auffassung gewesen, daß insoweit der
Gebührensatz gemäß den geltenden rechtlichen Anforderungen
kalkuliert worden und der auf dieser Grundlage erlassene
Heranziehungsbescheid daher rechtmäßig sei.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid hat das
Verwaltungsgericht das Verfahren hinsichtlich der
Straßenreinigungs-. und Abfallbeseitigungsgebühren eingestellt
und im übrigen der Klage gegen die
Abwasserbeseitigungsgebühren stattgegeben. Soweit es der Klage
stattgegeben hat, hat es zur Begründung ausgeführt, daß das
Abzugskapital zu gering bemessen worden sei, da
Kanalanschlußbeiträge insoweit nicht berücksichtigt worden
seien. Wegen der weiteren Begründung im einzelnen wird auf den
Inhalt des angefochtenen Gerichtsbescheides Bezug
genommen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Hiergegen richtet sich die zugelassene Berufung des
Beklagten. Zur Begründung macht er im wesentlichen folgendes
geltend: Entgegen der Feststellung des Verwaltungsgerichts
seien die Kanalanschlußbeiträge bei der Erstellung der
Gebührenbedarfsberechnung dem Abzugskapital zugeordnet und
somit bei der Ermittlung der kalkulatorischen Zinsen nicht dem
zu verzinsenden Kapital zugerechnet worden. Die angewandte
Kalkulationsmethode entspreche den Vorgaben des
Kommunalabgabengesetzes und der neueren Rechtsprechung des
Berufungsgerichts. </p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">den angefochtenen Gerichtsbescheid
zu ändern und die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">
Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Zur Begründung macht er im wesentlich folgendes geltend:
Die Gebührensätze seien methodisch fehlerhaft kalkuliert. In
der bislang vom erkennenden Senat des Berufungsgerichts bei
dem Ansatz der kalkulatorischen Kosten tolerierten doppelten
Erfassung des Inflationsausgleichs sei ein Verstoß gegen Art.
3 Abs. 1, 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) sowie gegen das aus
dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Äquivalenzprinzip zu
sehen. Wie das Verwaltungsgericht in anderen Entscheidungen
festgestellt habe, sei die von dem Berufungsgericht tolerierte
Kalkulationsmethode auch nach den insoweit maßgeblichen
betriebswirtschaftlichen Grundsätzen unzulässig. Unter
Bezugnahme auf sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren
trägt der Kläger weiter vor, daß das Stadtgebiet von
R. im Sinne der einschlägigen Rechtsprechung als
nicht homogen strukturiert anzusehen sei. Vielmehr sei davon
auszugehen, daß in bestimmten Stadtteilen, speziell in den
industriell geprägten Stadtteilen im Süden und Osten
(Stadtteile H. , S. , H. , K. -.L. ,
O. und S. ) eine wesentlich intensivere Nutzung
anzutreffen sei, als in den anderen, vornehmlich dem Wohnen
dienenden Stadtteilen im nördlichen und westlichen Bereich von
R. . Die namentlich aufgeführten Stadtteile
verfügten über ausgedehnte Gewerbe-. und Industriegebiete
(einschließlich großräumiger Industrie-. und Zechenbrachen),
wo eine wesentlich intensivere Grundstücksnutzung stattfinde
bzw. möglich sei als in den Wohnbereichen. In den modernen
Großgemeinden fehle es an dem Wahrscheinlichkeitszusammenhang
zwischen Wasserverbrauch und der Menge des abgeleiteten
Niederschlagswassers.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des
Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der hierzu sowie zu den Verfahren 9 A 3341/98
und 9 A 3342/98 beigezogenen Verwaltungsvorgänge des
Beklagten, auf das Lehrbuch von Wöhe "Einführung in die
allgemeine Betriebswirtschaftslehre", 19. Auflage 1996, sowie
auf weitere betriebswirtschaftliche Lehrbücher (Schmidt,
Kostenrechnung, 1996; Mayer/Liessmann/Mertens, Kostenrechnung,
6. Aufl. 1996; Steger, Kosten-. und Leistungsrechnung, 1996;
Hoitsch, Kosten-. und Erlösrechnung, 2. Aufl. 1997; Freidank,
Kostenrechnung, 6. Aufl. 1997; Kicherer, Kosten-. und
Leistungsrechnung, 1998; Schweitzer/Küpper, Systeme der
Kosten-. und Erlösrechnung, 7. Aufl. 1998) Bezug genommen; die
vorgenannten Verwaltungsvorgänge und sonstigen Unterlagen sind
zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe:</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die zugelassene Berufung des Beklagten ist begründet. </p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Der Grundbesitzabgabenbescheid des Beklagten vom 16. Januar
1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.
Dezember 1997 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in
seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), soweit darin für
das Jahr 1995 Abwasserbeseitigungsgebühren festgesetzt worden
sind.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Rechtsgrundlage der angefochtenen Gebührenerhebung ist die
Gebührensatzung der Stadt R. für die
Abwasserbeseitigung vom 21. Dezember 1990 in der Gestalt der
5. Änderungssatzung vom 22. Dezember 1994 und der 7.
Änderungssatzung vom 20. Dezember 1996 (AGS). Deren Regelungen
sind, soweit die Satzung im Berufungsverfahren der rechtlichen
Überprüfung unterliegt, gültiges Satzungsrecht. </p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Der Gebührenmaßstab (einheitlicher Frischwassermaßstab nach § 2 AGS) ist für die
Umlegung der Kosten sowohl der Schmutzwasserbeseitigung als auch der
Niederschlagswasserbeseitigung grundsätzlich ein zulässiger Wahrscheinlichkeitsmaßstab
i.S.d. § 6 Abs. 3 Satz 2 des Kommunalabgabengesetzes für das Land Nordrhein-.Westfalen
vom 21. Oktober 1969, GV NRW S. 712, in der für den Veranlagungszeitraum 1995
geltenden Fassung des Änderungsgesetzes vom 16. Dezember 1992, GV NRW S. 561 (KAG
a.F.).</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. September 1997 -. 9
A 3373/96 -., NVwZ-.RR 1998, 392, m.w.N.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Konkrete Anhaltspunkte, die in bezug auf die Siedlungsstruktur,</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">vgl. hierzu: BVerwG, Beschluß vom 25. Februar 1972
-. 7 B 92/70 -., KStZ 1972, 111 (112); OVG NRW, Urteil
vom 15. April 1991 -. 9 A 803/88 -., Urteil vom 5. August
1994 -. 9 A 1248/92 -., insoweit nicht veröffentlicht, Urteil
vom 25. April 1997 -. 9 A 4821/95 -., </p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">in der Stadt R. für seine Unzulässigkeit sprechen, drängen sich dem erkennenden
Senat aus den vorliegenden Unterlagen nicht auf. Da dem erkennenden Senat die
Bebauungsstruktur in der Stadt R. im Jahr 1995 auch aus anderen Verfahren nicht
bekannt ist, ist auf der Grundlage der vorliegenden Verwaltungsvorgänge auch unter der
Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§§ 125 Abs. 1, 86 Abs. 1 VwGO) eine weitere
Aufklärung des Sachverhalts in dieser Richtung nicht geboten.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, daß es sich bei der Stadt
R. -. unstreitig -. nicht mehr um eine kleinere ländliche Gemeinde ohne größere
Gewerbeflächen und ohne zum Teil stark verdichtete Bebauung handelt. Ein allgemeiner
Grundsatz, daß der einheitliche Frischwassermaßstab in Städten von der Größenordnung der
Stadt R. oder allgemein in Ruhrgebietsstädten regelmäßig unzulässig ist, besteht nach
der Rechtsprechung des erkennenden Senats nicht. Vielmehr kommt es unter dem insoweit
entscheidenden, sich aus Art. 3 Abs. 1 GG ergebenden Aspekt der Typengerechtigkeit auf das
Verhältnis der Wassergroßverbraucher mit relativ kleinen versiegelten Flächen ,</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">vgl. zu den Wassergroßverbrauchern: BVerwG,
Beschluß vom 25. Februar 1972, a.a.O.; OVG NRW, Urteil
vom 15. April 1991, a.a.O., Urteil vom 25. April 1997,
a.a.O.,</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">und der großflächig versiegelten Grundstücke mit relativ geringem Wasserverbrauch zur
Gesamtzahl der von der Maßstabsregelung betroffenen Fälle an. </p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Vgl. zum Grundsatz der Typengerechtigkeit und der in
diesem Rahmen zur Anwendung gelangenden 10%-.Regel
etwa: BVerwG, Urteil vom 1. August 1986 -. 8 C 112.84 -.,
David, a.a.O., Nr. 63; OVG NRW, Urteil vom 15. April
1991, a.a.O., Urteil vom 25. April 1997, a.a.O.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Dieses Verhältnis ist für jede Gemeinde unterschiedlich. Es unterliegt zudem
entsprechend der wirtschaftlichen und baulichen Entwicklung selbst innerhalb der einzelnen
Gemeinde nachhaltigen Veränderungen und entzieht sich damit von vornherein
pauschalierenden Verallgemeinerungen, die etwa an die schlichte Größenordnung einer
Gemeinde anknüpfen. </p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Eine Verpflichtung des erkennenden Senats, den Sachverhalt weiter aufzuklären, ergibt
sich auch nicht aus dem klägerischen Vorbringen. Die Begründung des Widerspruchs, nach
der Rechtsprechung des Berufungsgerichts sei in großstädtischen und relativ inhomogen
bebauten Gebieten eine Veranlagung nach dem modifizierten Frischwassermaßstab geboten,
ist zu unsubstantiiert, um daraus in bezug auf die Bebauungsstruktur der Stadt R.
konkrete Anhaltspunkte entnehmen zu können, die eine Überprüfung der Zulässigkeit des
reinen Frischwassermaßstabs in tatsächlicher Hinsicht geboten hätten. Daß die Größe einer
Stadt allein insoweit nicht aussagekräftig ist, ist bereits oben dargelegt worden. </p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Auch das Vorbringen des Klägers im erstinstanzlichen Verfahren, auf das im
Berufungsverfahren zunächst Bezug genommen worden ist, bleibt hinsichtlich der
erforderlichen Substantiierung defizitär. Insoweit kann nicht unberücksichtigt bleiben, daß der
Beklagte im Widerspruchsbescheid unter Bezugnahme auf die Gesamtzahl der
Veranlagungsfälle (19.000) ausgeführt hat, daß die Grenze von 10 % eingehalten werde. In
diesem Fall erfordert die den Kläger treffende Mitwirkungspflicht (§ 86 Abs. 1 Satz 1 2.
Halbsatz VwGO) nun seinerseits in hinreichend konkreter Form Anhaltspunkte dafür
vorzutragen, daß die Bewertung des Beklagten unzutreffend ist. Von dem Kläger wird damit
weder eine kartographische Erfassung der Bebauungsstruktur des Stadtgebiets verlangt noch
muß er unter Bezeichnung der einzelnen Grundstücke darlegen, daß die nach dem Grundsatz
der Typengerechtigkeit geltende Grenze von 10 % der betroffenen Fälle überschritten wird.
Stellt der Kläger, wie hier, die Gesamtzahl der Veranlagungsfälle nicht in Frage, ist er zur
Entkräftung des Vorbringens des Beklagten lediglich gehalten, die Bebauungsgebiete grob zu
bezeichnen, in denen seiner Auffassung nach Wassergroßverbraucher mit relativ kleinen
versiegelten Flächen und/oder großflächig versiegelte Grundstücke mit relativ geringem
Wasserverbrauch vorhanden sind. Darüber hinaus obliegt es ihm, gegenüber dem Gericht die
Größenordnung der seiner Auffassung nach bestehenden Abweichungen darzulegen. Auch
insoweit bedarf es keiner genauen zahlenmäßigen Erfassung, vielmehr reicht eine ungefähre
Angabe, etwa orientiert an dem Verhältnis der seiner Auffassung nach betroffenen Stadtteile
zum gesamten Stadtgebiet, aus. Ein derartiges Vorbringen ist im erstinstanzlichen
Klageverfahren und zunächst auch im Berufungsverfahren auf die gerichtliche Verfügung
vom 18. Juni 1999 nicht erfolgt. Vielmehr hat sich der Kläger darauf beschränkt, ohne
Anknüpfung an konkrete tatsächliche Gegebenheiten in der Stadt R. seine pauschale
Einschätzung von der Unzulässigkeit des reinen Frischwassermaßstabs vorzutragen.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Erstmals mit Schriftsatz vom 24. August 1999 sind von dem Kläger einzelne Stadtteile
konkret benannt worden, in denen nach seiner Auffassung ausgedehnte Gewerbe-. und
Industriegebiete (einschließlich großräumiger Industrie-. und Zechenbrachen) vorhanden sein
sollen. Ob dieser Vortrag den Anforderungen, die nach dem oben Dargelegten an die
Mitwirkungspflicht zu stellen sind, im Hinblick auf die erforderliche Darlegung der
Größenordnung der nach Auffassung des Klägers vorhandenen Abweichungen genügt, kann
dahingestellt bleiben. Selbst wenn man davon ausgeht, daß das Vorbringen den erkennenden
Senat im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes zu weiterer Sachaufklärung verpflichtet
hätte, konnte gleichwohl ohne weitere Ermittlungen zur Zulässigkeit des reinen
Frischwassermaßstabs in der Sache entschieden werden. Denn ein derartiges, als hinreichend
substantiiert anzusehendes Vorbringen ist nach §§ 125 Abs. 1, 87 b Abs. 2 VwGO als
verspätet zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Der Kläger ist nach § 87 b Abs. 1 Satz 1 VwGO mit gerichtlicher Verfügung vom 18.
Juni 1999 unter Fristsetzung von 3 Wochen zur Angabe der Tatsachen, durch deren
Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren er sich beschwert
fühlt, aufgefordert worden. Diese Verfügung ist dem Kläger am 23. Juni 1999 zugestellt
worden. Gemäß § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 ZPO, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB lief die Frist
mit dem 14. Juli 1999 ab. Der Schriftsatz des Klägers vom 24. August 1999, der an
demselben Tag per Telefax dem Gericht übermittelt wurde, ging mithin i.S.d. § 87 b Abs. 3
Satz 1 VwGO verspätet bei Gericht ein.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Nach der Überzeugung des erkennenden Senats hätte die Zulassung des Vorbringens die
Erledigung des Rechtsstreits i.S.d. § 87 b Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO verzögert. Allein
aufgrund dieses als hinreichend substantiiert anzusehenden Vorbringens hätte die
Bebauungsstruktur in der Stadt R. einschließlich der Großwasserverbraucher mit
relativ kleinen versiegelten Flächen und der großflächig versiegelten Grundstücke mit
geringem Wasserverbrauch im einzelnen für das Jahr 1995 ermittelt werden müssen. Diese
angesichts der Gesamtzahl von 19.000 Veranlagungsfällen zeitaufwendige
Sachverhaltsfeststellung hätte nach der aus anderen Verfahren insoweit gewonnenen
Erfahrung des erkennenden Senats innerhalb der vom Zugang des Schriftsatzes (24. August
1999, 15.03 Uhr) bis zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 1. September 1999 noch
verbleibenden Zeit von lediglich 5 Werktagen nicht mit einem gerichtsverwertbaren Ergebnis
(§ 108 Abs. 2 VwGO) erfolgen können. </p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat die Verspätung auch nicht genügend i.S.d. § 87 b Abs. 3 Satz 1 Nr. 2
VwGO entschuldigt. Er hat keinen Grund vorgebracht, warum er diesen Vortrag dem Gericht
nicht innerhalb der ihm hierfür gesetzten 3-.Wochen-.Frist übermitteln konnte. Im Termin zur
mündlichen Verhandlung hat er zudem selbst eingeräumt, daß er seinem innerhalb der
gesetzten Frist eingegangenen Schriftsatz vom 14. Juli 1999 irrtümlich seine Stellungnahme
aus einem die Stadt G. betreffenden Verfahren beigefügt habe.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Eine Belehrung des Klägers i. S. d. § 87 b Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 VwGO über die Folgen der
Fristversäumung ist mit der gerichtlichen Aufforderung zur Stellungnahme vom 18. Juni 1999
erfolgt. Die Voraussetzungen des § 87 b Abs. 3 Satz 3 VwGO liegen nicht vor, da die
Bebauungsstruktur der Stadt R. im Jahr 1995 auch ohne den Kläger nicht mit
geringem Aufwand festzustellen ist. </p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Soweit die Regelung in § 2 Abs. 4 der Gebührensatzung i.d.F. der 5. Änderungssatzung
vom 22. Dezember 1994 hinsichtlich des Grenzwertes von 60 cbm für den Abzug von
nachweislich auf dem Grundstück verbrauchten oder zurückgehaltenen Wassermengen für
laufend wiederkehrende Verwendungszwecke (§ 2 Abs. 4 a der Gebührensatzung) und des
darüber hinaus festgelegten vollständigen Ausschlusses von zur Speisung von
Heizungsanlagen verbrauchtem, von hauswirtschaftlich genutztem und von zum Sprengen
von Hof und Vorgärten verwendetem Wasser (§ 2 Abs. 4 b-.d der Gebührensatzung)
angesichts der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des erkennenden
Senats,</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">vgl. die Zusammenfassung in OVG NRW, Urteil vom
19. September 1997, a.a.O.,</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">begründeten Zweifeln unterlag, hat der Rat der Stadt R. diesen Bedenken
Rechnung getragen. Mit der 7. Änderungssatzung vom 20. Dezember 1996 hat er
rückwirkend unter anderem für den hier maßgebenden Veranlagungszeitraum 1995 die
Ausschlußtatbestände des § 2 Abs. 4 b -. d der Gebührensatzung aufgehoben und den
nunmehr für sämtliche zurückgehaltenen oder verbrauchten Wassermengen geltenden
Grenzwert auf 20 cbm reduziert. Eine darüber hinausgehende Reduzierung des Grenzwertes
auf einen Wert unter 20 cbm oder ein völliges Absehen von einem Grenzwert ist für den
Veranlagungszeitraum nicht zwingend geboten. Vielmehr sind im Rahmen des dem
Ortsgesetzgeber bei der Festlegung des Gebührenmaßstabes zustehenden weiten
Organisationsermessens,</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. September 1997,
a.a.O., m.w.N.,</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">etwaige verbleibende Ungleichbehandlungen innerhalb der Gruppen der
Gebührenpflichtigen durch den Grundsatz der Verwaltungspraktikabilität gerechtfertigt. Die
sich ergebenden Jahresbeträge liegen mit 68,00 DM (3,40 DM -. § 3 Abs. 1 AGS -. x 20
cbm), 38,00 DM (1,90 DM -. § 3 Abs. 2 AGS -. x 20 cbm) und 30,00 DM (1,50 DM -. § 3
Abs. 3 AGS -. x 20 cbm) unter der Schwelle der Erheblichkeit.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Die hier streitigen Gebührensätze des § 3 AGS begegnen im Ergebnis keinen materiell-
.rechtlichen Bedenken.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Ein Verstoß gegen das Kostenüberschreitungsverbot des § 6 Abs. 1 Satz 3 KAG a.F. liegt
nicht vor.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Konkrete Anhaltspunkte dafür, daß in den in der Gebührenkalkulation mit 3.189.544,00
DM veranschlagten Personalkosten Kosten für Mitarbeiter enthalten sind, die nach der
Prognose im Veranlagungszeitraum 1995 nicht für die gemeindliche Einrichtung
Abwasserbeseitigung tätig werden sollten, oder daß etwa die anteiligen Kosten der
Querschnittsämter der Höhe nach fehlerhaft veranschlagt worden sind, sind nicht ersichtlich.
Das zur Ermittlung der anteiligen Kosten der zentralen Verwaltungsbereiche
(Verwaltungsgemeinkosten) praktizierte und vom Beklagten im Berufungsverfahren erläuterte
Gesamtkostenverfahren läßt fehlerhafte methodische Ansätze nicht erkennen. Der
veranschlagte Betrag ist auch der Höhe nach nicht geeignet, den erkennenden Senat im
Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes zu weitergehenden Sachverhaltsermittlungen zu
veranlassen. Er bewegt sich nach der aus einer Vielzahl von Verfahren gewonnenen
Erfahrung des erkennenden Senats in einem für gebührenkalkulierende Einrichtungen der
Abwasserbeseitigung üblichen Rahmen. Der Personalkostenansatz läßt auch im Verhältnis zu
den veranschlagten Gesamtkosten von 30.895.016,00 DM (10,3 %) bzw. 25.232.906,00 DM
(12,6 %) nicht einmal ansatzweise ein signifikantes Ungleichgewicht erkennen, das auf die
unzulässige Einbeziehung betriebsfremder Kosten hindeuten könnte. </p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Konkrete Anhaltspunkte lassen sich insbesondere nicht dem Schriftsatz des Klägers vom
31. August 1999 entnehmen, in dem er erstmals zu den Personalkosten vorträgt. Unabhängig
von der auch insoweit eingetretenen Verfristung (§ 87b VwGO) wird der Beklagte lediglich
aufgefordert, anhand vorzulegender Unterlagen substantiiert die Betriebsnotwendigkeit des
Personalkostenansatzes darzulegen. Daß und ggf. aus welchem Grund in der
Gebührenkalkulation unzulässige Personalkostenansätze enthalten sein sollen, ist auch nicht
ansatzweise vorgetragen. Ohne eine diesbezügliche Substantiierung ist der erkennende Senat
nicht gehalten, gleichsam ungefragt in eine Überprüfung der lediglich pauschal
angesprochenen Kostenposition einzutreten. </p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Auch die Veranschlagung der Verbandsbeiträge mit insgesamt 11.181.933,00 DM
(E. : 11.082.594,00 DM; L. : 99.339,00 DM) hält der rechtlichen
Überprüfung stand. Der Vortrag, die Verbände entwässerten durch Bergsenkungen
entstandene Polderflächen und der überwiegende Teil der laufenden Betriebskosten der
hierfür erforderlichen Pumpen werde von den Mitgliedskommunen bezahlt, obwohl diese
Pumpwerke allein zur Vermeidung, Verminderung oder Beseitigung von Bergschäden in der
Landschaft dienten, rechtfertigt selbst dann, wenn diese Schilderung zuträfe, nicht die
Annahme, daß die Kostenprognose insoweit fehlerhaft ist.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Gemäß § 7 Abs. 1 KAG a.F. ist die Gemeinde berechtigt, die von ihr für die
Mitgliedschaft in einem Wasser-. oder Bodenverband zu zahlenden Beiträge und Umlagen
nach den Grundsätzen des § 6 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 KAG a.F. durch Gebühren denjenigen
aufzuerlegen, die Einrichtungen und Anlagen des Verbandes in Anspruch nehmen oder denen
der Verband durch seine Einrichtungen, Anlagen und Maßnahmen Vorteile gewährt. Nach
dem Gesetzeswortlaut sind damit sämtliche seitens der Gemeinde dem Verband geschuldeten
(... zu zahlenden ...) Verbandslasten durch eine selbständige Abwälzungsgebühr umlegbar, da
§ 7 Abs. 1 KAG a.F. darauf ausgerichtet ist, den Gemeinden eine vollständige
Refinanzierungsmöglichkeit bezüglich der in § 7 Abs. 1 KAG a.F. aufgeführten
Verbandslasten zu verschaffen. Den Kreis derjenigen, auf die die (gesamten) Verbandslasten
umgelegt werden können, legt § 7 Abs. 1 Satz 1 KAG a.F. auf diejenigen fest, die -. überhaupt
-. Einrichtungen und Anlagen des Verbandes in Anspruch nehmen oder denen der Verband -.
allgemein -. durch seine Einrichtungen, Anlagen und Maßnahmen Vorteile gewährt. Das
Gesetz enthält keine Verknüpfung dahin, daß den Betreffenden Verbandslasten nur für die
speziell von ihnen benutzten Verbandsanlagen oder den ihnen durch den Verband im
Einzelfall konkret gewährten Vorteil überbürdet werden dürfen. </p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. Juli
1997 -. 9 A 2933/95 -. StuGR 1998,
306.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Statt eine selbständige Abwälzungsgebühr zu erheben, können die Verbandslasten auch
im Rahmen einer Benutzungsgebühr, hier der Abwasserbeseitigungsgebühr, abgewälzt
werden. Dies gilt jedoch nur mit Einschränkungen. In die Entwässerungsgebühren können nur
diejenigen Kosten einbezogen werden, die der Gemeinde für ihre Verbandsmitgliedschaft im
Zusammenhang mit der von ihr betriebenen gemeindlichen Einrichtung der
Abwasserbeseitigung entstehen. </p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 26. Februar
1982 -. 2 A 1667/79 -., GemH 1983, 113,
Urteil vom 1. Februar 1988 -. 2 A
1883/80 -., OVGE 39, 277 (281 f),
Urteil vom 15. Februar 1989 -. 2 A
2452/85 -., Urteil vom 22. März 1990 -.
2 A 2113/86 -..</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Ein derartiger Zusammenhang zwischen dem auf das Abpumpen der Polderflächen
entfallenden Beitragsanteil und der Abwasserbeseitigung durch die Stadt R. liegt auf
der Hand: würde das Abpumpen unterbleiben, liefen, wie ausdrücklich vorgetragen worden
ist, die Poldergebiete voll und große, zum Teil dicht besiedelte Gebiete stünden unter Wasser.
In den dicht besiedelten und damit auch kanalisierten Gebieten würde das Wasser, sei es über
die Kanalöffnungen, sei es über undichte Rohre bzw. undichte Rohrverbindungen in die
Kanalisation eindringen und sich angesichts der für diese Wassermassen nicht ausgelegten
Kanalquerschnitte auf-. und zurückstauen und damit die Ableitung des Abwassers gefährden,
wenn nicht gar verhindern. </p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Daß der Grund für die Notwendigkeit, die Poldergebiete zu entwässern, möglicherweise
allein durch den Bergbau gesetzt worden ist -. wie behauptet wird -., mag zutreffen. Hierauf
kommt es jedoch nicht an. Denn, wie im Fall der selbständigen Abwälzungsgebühr, ist dann,
wenn -. wie hier -. der Verband der Gemeinde bzw. den Anschlußnehmern durch seine
Maßnahmen überhaupt einen Vorteil gewährt, auch über die Benutzungsgebühr insoweit die
vollständige Refinanzierung zulässig. </p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Eine Grenze bei der Veranschlagung der Verbandsbeiträge ist -. wie in anderen Fällen der
Kostenprognose auch -. lediglich dort gegeben, wo aufgrund des Kenntnisstandes im
Prognosezeitpunkt eine Reduzierung des Verbandsbeitrages abzusehen und selbst unter
Berücksichtigung eines etwaigen Prozeßrisikos oder sonstiger Unwägbarkeiten jeder andere
als der niedrigere Kostenansatz unvertretbar, d.h. ermessensfehlerhaft, gewesen wäre.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Vgl. zum Prognosespielraum zuletzt: OVG NRW,
Beschluß vom 9. August 1999 -. 9 A 3133/97 -..</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Hier ist bereits die erste Voraussetzung nicht erfüllt. Eine Reduzierung des
Verbandsbeitrages aus Rechtsgründen war für die Stadt R. im Zeitpunkt der
Kostenprognose Ende 1994 nicht abzusehen. Denn die unter anderem der Finanzierung des
Ausgleichs bergbaubedingter wasserwirtschaftlicher Veränderungen dienenden Beiträge zur
E. und zum L. , </p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">vgl. §§ 2 Abs. 1 Nr. 5, 3, 24 ff. des Gesetzes über die
E. -. Emschergenossenschaftsgesetz -.
(EmscherGG) vom 7. Februar 1990, GV NRW S. 144, in
der Fassung des Änderungsgesetzes vom 15. Dezember
1992, GV NRW 1993, S. 62, und §§ 2 Abs. 1 Nr. 5, 3, 25
ff. des Gesetzes über den L. -. Lippeverbandsgesetz
-. (LippeVG) vom 7. Februar 1990, GV NRW S. 162, in
der Fassung des Änderungsgesetzes vom 15. Dezember
1992, GV NRW 1993, S. 62,</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">waren im Veranlagungszeitraum 1995 zu verteilen nach dem Verhältnis zum einen der
mittelbaren oder unmittelbaren Vorteile, die die Genossen/Mitglieder von der Durchführung
der Aufgaben der Genossenschaft/des Verbandes haben oder zu erwarten haben und zum
anderen der Kosten, die die Genossenschaft/der Verband auf sich nimmt, um von
Genossen/Verbandsmitgliedern herbeigeführte oder zu erwartende nachteilige Veränderungen
im Genossenschaftsgebiet/Verbandsgebiets zu vermeiden, zu vermindern, zu beseitigen oder
auszugleichen oder ihnen obliegende Leistungen abzunehmen. Für die Festlegung der
Beitragsmaßstäbe in den Veranlagungsgrundsätzen reichte eine annähernde Ermittlung der
Vorteile und nachteiligen Veränderungen aus. </p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Vgl. §§ 25 Abs. 1 und 3, 26 Abs. 1
EmscherGG und § 20 Abs. 1 der Satzung
für die E. vom 22.
Januar 1991, GV NRW S. 26; § 26 Abs. 1
und 3, 27 Abs. 1 LippeVG und § 20 Abs.
1 der Satzung für den L. vom
29. Januar 1991, GV NRW S. 30.</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Anhaltspunkte dafür, daß diese Beitragsmaßstäbe als solche mit höherrangigem Recht
unvereinbar sind, sind nicht gegeben; auch von der Klägerseite sind insoweit keine Einwände
vorgebracht worden. Daß in Anwendung dieser Grundsätze der den Verbänden zukommende
Bewertungsspielraum überschritten worden ist, ist nicht ersichtlich. Ein Ermessensfehler
ergibt sich insbesondere nicht daraus, daß, wie vorgetragen worden ist, die laufenden
Betriebskosten für den Betrieb der Pumpwerke zur Entwässerung der Polderflächen zum
überwiegenden Teil auf die Mitgliedsgemeinden umgelegt worden seien. Denn die
Mitbeteiligung der Gemeinden der Bergbauregionen an der Entwässerung der Polderflächen
ist dem Grunde nach sachlich gerechtfertigt. Sie trägt zum einen der unauflösbaren
Gemengelage von Bergbau und gleichzeitigem kontinuierlichem Siedlungsbau in bzw. in der
Nähe von Bergbaugebieten und den insoweit nicht ohne weiteres ausschließlich dem Bergbau
zuzurechnenden Verursachungsanteilen an den wasserwirtschaftlichen Mißständen in den
besiedelten Gebieten und zum anderen den aus dieser Gemengelage sowohl seitens der
Gemeinden als auch seitens des Bergbaus in der Vergangenheit gezogenen Vorteilen
Rechnung. Anhaltspunkte dafür, daß mit der konkreten Ausgestaltung der Kostenaufteilung
(Kosten des Baus und der Erweiterung der Pumpen sowie der kleinere Teil der laufenden
Betriebskosten zu Lasten der Bergbauunternehmen, der übrige Teil der laufenden
Betriebskosten zu Lasten der Gemeinden) die Grenze der lediglich "annähernd" zu
erfolgenden Vorteils-. und Nachteilsbemessung überschritten worden ist und seitens der Stadt
R. im Zeitpunkt der Kostenprognose Ende 1994 für den Veranlagungszeitraum 1995
mit einer Änderung der Beitragsbemessung und einer deutlichen Senkung des auf sie
entfallenden Genossenschafts-./Verbandsbeitrages zu rechnen war, sind weder ersichtlich
noch vorgetragen. </p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Schließlich hat auch die Veranschlagung der kalkulatorischen Kosten (Abschreibungen
und Zinsen) im Ergebnis Bestand. </p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Die Methode der Ermittlung der kalkulatorischen Kosten ist nicht zu beanstanden.</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist der Ansatz kalkulatorischer Zinsen
auf der Grundlage von Anschaffungs(rest)werten in Verbindung mit einem Nominalzins auch
dann nach § 6 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz i.V.m. § 6 Abs. 1 KAG a.F. in der
Gebührenkalkulation zulässig, wenn die kalkulatorischen Abschreibungen, wie hier teilweise,
auf der Grundlage von Wiederbeschaffungszeitwerten berechnet werden.</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Dies entspricht nach wie vor betriebswirtschaftlichen Grundsätzen i.S.d. § 6 Abs. 2 Sätze
1 u. 2 KAG a.F. und der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats.</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. August 1994 -. 9 A
1248/92 -., GemH 1994, 233 m.w.N., zuletzt bestätigt
unter Bezugnahme auf das mittlerweile in der 19. Auflage
erschienene betriebswirtschaftliche Standardwerk des
anerkannten Betriebswirtschaftlers Prof. Dr. Dr. h.c. mult.
Wöhe, "Einführung in die allgemeine
Betriebswirtschaftslehre", S. 1263, 1266: OVG NRW,
Urteil vom 19. Mai 1998 -. 9 A 5709/97 -., StuGR 1998,
310.</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">Soweit das Verwaltungsgericht zu der Auffassung gelangt ist, daß die Ausführungen in
dem vorgenannten betriebswirtschaftlichen Lehrbuch zu den einzelnen kalkulatorischen
Kosten, insbesondere Abschreibungen nach Wiederbeschaffungszeitwert und Nominalzinsen
vom Anschaffungsrestwert, nur jeweils für sich zu betrachten seien, ohne eine Aussage über
eine Kombination beider Rechenweisen zu treffen, fehlt es für eine derartige einschränkende
Interpretation an konkreten Anhaltspunkten. Vielmehr enthält das entsprechende Kapitel -.
bezeichnenderweise unter der Überschrift "II. Die Betriebsabrechnung, 1. Die
Kostenartenrechnung, b) Die Erfassung der wichtigsten Kostenarten, dd) Die kalkulatorischen
Kostenarten" -. unter den Gliederungspunkt "(1) Begriff und Aufgaben" eine Auflistung der
wichtigsten in der Betriebswirtschaft anerkannten kalkulatorischen Kostenansätze (Die
kalkulatorischen Abschreibungen, die kalkulatorischen Zinsen, der kalkulatorische
Unternehmerlohn, die kalkulatorischen Wagniszuschläge und die kalkulatorische Miete), die
in den folgenden Gliederungspunkten (2) -. (6) näher erläutert werden und in ihrer Gesamtheit
gerade ohne jede wechselseitige Einschränkung dem Zweck dienen sollen, die Genauigkeit
der Kostenrechnung zu erhöhen. </p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Die isolierte, traditionelle Kostenbetrachtung im Rahmen betriebswirtschaftlicher
Grundsätze, wie sie im Ergebnis in der Rechtsprechung des erkennenden Senats zum
Ausdruck kommt, ist auch nach neuesten Erkenntnissen (weiterhin) zulässig, weil die damit
verbundenen Kostenanschauungen in der Betriebswirtschaftslehre unverändert mit
beachtlichem wissenschaftlichen Gewicht vertreten werden "und in der Praxis sogar
überragende Bedeutung haben."</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">Vgl. Gawel, Zur Interdependenz kalkulatorischer
Kostenarten in der Gebührenbedarfsberechnung, KStZ
1999, 61 (91); im übrigen auch: Tettinger, Entgelte in der
Entsorgungswirtschaft, NWVBl. 1996, 81 (84), sowie die
in der Fachhochschul-. und Universitätsausbildung
verwendeten aktuellen Werke, wie z. B.: Schmidt,
Kostenrechnung, 1996, S.61 ff. und 75 ff.;
Mayer/Liessmann/ Mertens, Kostenrechnung, 6. Aufl.
1996, S. 123 ff. und 130 ff.; Steger, Kosten-. und
Leistungsrechnung, 1996, S. 189 ff. und 219 ff.; Hoitsch,
Kosten-. und Erlösrechnung, 2. Aufl. 1997, S. 233 ff.;
Freidank, Kostenrechnung, 6. Aufl. 1997, S. 111 ff. und
125 ff.; Kicherer, Kosten-. und Leistungsrechnung, 1998,
S. 97 ff. und 106 ff.; Schweitzer/Küpper, Systeme der
Kosten-. und Erlösrechnung, 7. Aufl. 1998, S. 114 ff.</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">Aufgrund der durch die ständige Befassung mit der Materie vorhandenen und durch die
vorzitierten betriebswirtschaftlichen Werke dem erkennenden Senat zusätzlich vermittelten
Sachkunde war die Einholung eines Sachverständigengutachtens nach dem
Amtsermittlungsgrundsatz nicht geboten. </p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">Vgl. zur Entbehrlichkeit der Einholung eines
Sachverständigengutachtens bei eigener Sachkunde des
Gerichts etwa: BVerwG, Urteil vom 10. November 1983 -.
3 C 56.82 -., BVerwGE 68, 177 (182), Beschlüsse vom 19.
November 1998 -. 8 B 148.98 -., und vom 11. Februar
1999 -. 9 B 381.98 -., InfAuslR 1999, 365.</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">Ein allgemeiner Wandel in den betriebswirtschaftlichen Lehrmeinungen dahingehend,
daß es im Veranlagungszeitraum (1995) allgemein bei Wirtschaftsbetrieben (und nicht nur bei
Wirtschaftsbetrieben der öffentlichen Hand) nur noch zulässig gewesen sein soll, eine
kalkulatorische Nominalverzinsung auf der Grundlage von Anschaffungs(rest)werten
ausschließlich i.V.m. Abschreibungen auf Anschaffungswertbasis zu berechnen, ist damit
entgegen der Meinung des Verwaltungsgerichts nicht eingetreten. </p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">Vgl. Gawel, a.a.O., S. 94 f.</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">Nicht gefolgt werden kann der Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Definition des
Begriffs der betriebswirtschaftlichen Grundsätze seitens des erkennenden Senats verstoße
gegen juristische Auslegungsgrundsätze und sei mit Art. 19 Abs. 4 GG nicht zu vereinbaren,
weil eine gesetzliche Zielbestimmung bei der Auswahl der betriebswirtschaftlichen
Grundsätze außer acht gelassen werde.</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">Vgl. VG G. , Urteil vom 5. November 1998 -.
13 K 8767/96 -., GemH 1999, S. 18 ff. (19).</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">Abgesehen davon, daß der innere Zusammenhang der hier zu entscheidenden materiell-
.rechtlichen Fragen mit der vom Verwaltungsgericht angeführten prozessualen
Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG jedenfalls nicht ohne weiteres erkennbar ist, trifft
die Kritik auch in der Sache nicht zu. Die Definition der betriebswirtschaftlichen Grundsätze
i.S.d. § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG a.F. als beachtliche Lehrmeinungen, die für allgemeine
Wirtschaftsbetriebe und nicht für Wirtschaftsbetriebe der öffentlichen Hand gelten, entspricht
dem insoweit eindeutigen Willen des Gesetzgebers.</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">Der Landesgesetzgeber hat über § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG a.F. gerade in Anerkennung der
Regelungsdefizite der öffentlichen Haushaltswirtschaft in bezug auf die nach § 4 Abs. 2 KAG
a.F. erforderliche periodengerechte Kostenverteilung den in der Privatwirtschaft
maßgebenden betriebswirtschaftlichen Grundsätzen bewußt den Vorrang eingeräumt, im
übrigen aber sogar ausdrücklich auf eine erschöpfende Regelung des betriebswirtschaftlichen
Kostenbegriffs aufgrund der in der Betriebswirtschaftslehre herrschenden
Meinungsverschiedenheiten verzichtet.</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">Vgl. LT-.Drucks. 6/810 S. 34, 35.</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">Die damit intendierte Übernahme betriebswirtschaftlicher Grundsätze der Privatwirtschaft
unter bewußtem Verzicht auf eine umfassende normative Entscheidung zwischen
divergierenden betriebswirtschaftlichen Auffassungen schließt eine Verengung des zu
berücksichtigenden Kreises der beachtlichen betriebswirtschaftlichen Lehrmeinungen durch
die Rechtsprechung grundsätzlich aus, es sei denn, dem Gesetz selbst sind -. sei es durch
Auslegung sei es durch ausdrückliche Regelungen -. bestimmte Festlegungen zu den
ansatzfähigen Kosten zu entnehmen. </p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">Vgl. zum Vorrang gesetzlicher Vorgaben etwa: OVG
NRW, Urteil vom 5. August 1994, a.a.O., S. 233.</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">Soweit es an solchen Vorgaben fehlt, beanspruchen sämtliche in der Betriebswirtschaft
mit beachtlichem Gewicht vertretenen Lehrmeinungen über § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG a.F.
Rechtsgeltung und eröffnen der Gemeinde ein diesbezügliches Wahlrecht. </p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. August 1994, a.a.O.,
S. 233 m.w.N.</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">Es ist nicht Aufgabe der Verwaltungsgerichte zu entscheiden, welche insoweit zu
berücksichtigende betriebswirtschaftlich begründete Auffassung "richtig" ist.</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">Vgl. schon: OVG NRW, Urteil vom 26. Februar 1982,
a.a.O., S. 117.</p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks">In bezug auf die Ansatzfähigkeit der kalkulatorischen Kosten sind finanzwirtschaftliche
Festlegungen des Landesgesetzgebers, die eine Beschränkung der zulässigen
Kalkulationsmethoden allein auf das vom Verwaltungsgericht alternativ für zulässig erachtete
Anschaffungswert-. oder Wiederbeschaffungswertmodell geböten, nicht festzustellen. Im
Gegenteil, eine derartige Zielbestimmung widerspricht eindeutig der Intention des
Landesgesetzgebers, wie sie sich in bezug auf die kalkulatorischen Kosten aus dem Gesetz
selbst und den zur Auslegung heranzuziehenden Gesetzesmaterialien ergibt.</p>
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks">Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, hat der erkennende Senat in
seinem Urteil vom 5. August 1994, a.a.O., den Sinn und Zweck des Gesetzes dahingehend
interpretiert, daß die Gemeinden in die Lage versetzt werden sollen, die dem gemeindlichen
Betrieb obliegende Aufgabenerfüllung ohne Belastung des allgemeinen Verwaltungshaushalts
auf Dauer dadurch sicherzustellen, daß kostendeckende Gebühren erhoben werden. "Aus
dieser Zielsetzung folgt, daß nicht nur die mit dem Betrieb der Anlage verbundenen
pagatorischen Ausgaben über Gebühreneinnahmen erwirtschaftet werden müssen, sondern
auch ausreichende finanzielle Mittel für die Ersatzbeschaffung der Anlage anzusammeln
sind".</p>
<span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. August 1994, a.a.O.,
S. 236.</p>
<span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks">Hieraus allerdings den Schluß zu ziehen, daß danach die Gemeinde durch die
Gebühreneinnahmen am Ende der Nutzungszeit wirtschaftlich so gestellt werden solle wie zu
deren Beginn,</p>
<span class="absatzRechts">92</span><p class="absatzLinks">vgl. VG G. , Urteil vom 5. November 1998,
a.a.O., S. 20, </p>
<span class="absatzRechts">93</span><p class="absatzLinks">bzw. daß der Gemeinde durch die in einen eigenen Betrieb getätigten Investitionen auf
Dauer weder Nutzen entstehen noch ein solcher entzogen werden dürfe,</p>
<span class="absatzRechts">94</span><p class="absatzLinks">vgl. das hier angefochtene Urteil des VG G. , S.
11 UA, sowie VG G. , Urteil vom 9. Oktober 1997
-. 13 K 3766/95 -., NWVBl. 1998, 32 (33),</p>
<span class="absatzRechts">95</span><p class="absatzLinks">erweist sich als unzutreffend. Denn eine derartige Zielbestimmung widerspricht eindeutig
der Intention des Landesgesetzgebers.</p>
<span class="absatzRechts">96</span><p class="absatzLinks">Hiernach sind entgegen der vom Verwaltungsgericht vertretenen Interdependenz der
kalkulatorischen Kostenarten (Abschreibun-.gen und Zinsen) die kalkulatorischen Zinsen
einerseits und die kalkulatorischen Abschreibungen andererseits in ihrer jeweiligen
finanzwirtschaftlichen Funktion zu trennen.</p>
<span class="absatzRechts">97</span><p class="absatzLinks">Den kalkulatorischen Zinsen ist dabei gerade nicht eine unmittelbar auf die
Substanzerhaltung der jeweiligen zur Leistungserbringung eingesetzten Anlage gerichtete
Funktion zuzumessen; Zweck und innere Rechtfertigung der über die Gebühren
umzulegenden Kosten der kalkulatorischen Verzinsung ist vielmehr (und allein) die
Gewährleistung eines Ausgleichs für die durch die Aufbringung des in der Anlage
gebundenen Kapitals seitens der Gemeinde zu tragenden finanziellen Belastungen. </p>
<span class="absatzRechts">98</span><p class="absatzLinks">Der Begründung der Landesregierung zum (zweiten) Entwurf eines
Kommunalabgabengesetzes für das Land Nordrhein-.Westfalen vom 9. Juli 1968 ist zu
entnehmen, daß die gebührenrelevante Kapitalverzinsung sowohl das Fremdkapital als auch
das Eigenkapital umfaßt. Sie sei zusammengefaßt worden, um einen einheitlichen Satz für das
gesamte Kapital (soweit es nicht nach dem letzten Halbsatz von der Verzinsung
ausgeschlossen sei) zuzulassen. Dies ermögliche einen gleichmäßigen Gebührensatz auch bei
schwankender oder -. wie bei Annuitätendarlehen -. jährlich abnehmender Höhe der
Fremdkapitalzinsen. Es bleibe den Gemeinden aber freigestellt, den Fremdkapitalzins in
voller Höhe (Hervorhebung durch den Senat) und im übrigen einen angemessenen
Eigenkapitalzins anzusetzen.</p>
<span class="absatzRechts">99</span><p class="absatzLinks">Vgl. LT-.Drucks. 6/810, S. 35, 36.</p>
<span class="absatzRechts">100</span><p class="absatzLinks">Der danach zugelassene Ansatz der Fremdkapitalzinsen in voller Höhe kennzeichnet
eindeutig die Zielsetzung, über die kalkulatorische Verzinsung des für die jeweilige
Investition aufgenommenen Fremdkapitals einen Ausgleich der tatsächlichen finanziellen
Zinsbelastung (Effektivzinsen, Nominalzinsen) der Gemeinde zu bewirken, ihr im Rahmen
der Bestimmung des "angemessenen" Zinssatzes aber darüber hinaus die Möglichkeit zu
eröffnen, von einer zeit-. und kostenintensiven Erfassung schwankender tatsächlicher
Zinsbelastungen abzusehen und insoweit für die Leistungsperiode einen an der tatsächlichen
Zinsbelastung ausgerichteten einheitlichen Zinssatz der Gebührenkalkulation
zugrundezulegen. </p>
<span class="absatzRechts">101</span><p class="absatzLinks">Entsprechendes galt nach der Vorstellung des Landesgesetzgebers auch für die ebenfalls
über die Gebühren umzulegenden Kosten der Eigenkapitalverzinsung. Der Eigenkapitalzins -.
wie der Fremdkapitalzins Wertverzehr der Leistungserstellung -. rechtfertige sich aus der
Erwägung heraus, daß der Benutzer einer kommunalen Einrichtung dem allgemeinen
Steuerzahler, der die Einrichtung ganz oder teilweise finanziert habe, dafür einen Zins zu
entrichten habe.</p>
<span class="absatzRechts">102</span><p class="absatzLinks">Vgl. LT-.Drucks. 6/810, S. 36; im übrigen auch:
Protokoll Nr. 1246/69 des Kommunalpolitischen
Ausschusses über die 57. Sitzung vom 23. Mai 1969, S. 2
(Ausführungen zum Änderungsvorschlag Nr. 29 der
Vorlage 903).</p>
<span class="absatzRechts">103</span><p class="absatzLinks">Dies beruht letztlich auf dem Gedanken, daß das in der Anlage gebundene Eigenkapital
der Gemeinde nicht zur Erfüllung anderweitiger öffentlicher Aufgaben eingesetzt werden und
daher an anderer Stelle zu Lasten des allgemeinen Haushalts keine Zinserträge erwirtschaften
bzw. Zinsleistungen für Fremdkapital ersparen kann.</p>
<span class="absatzRechts">104</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Beschluß vom 19. September 1983 -. 8
B 117.82 -., KStZ 1984, 11; OVG NRW, Urteil vom 5.
August 1994, a.a.O., S. 238. </p>
<span class="absatzRechts">105</span><p class="absatzLinks">Die somit nach dem Willen des Landesgesetzgebers der kalkulatorischen Verzinsung des
Eigenkapitals zukommende Ausgleichsfunktion zielt ihrer Natur nach ebenfalls auf die am
Kapitalmarkt zu erlangenden tatsächlichen Zinsen (Effektiv-. bzw. Nominalzinsen) ab. Daß
während des Gesetzgebungsverfahrens, insbesondere in bezug auf die Verzinsung des
Eigenkapitals, ausschließlich die tatsächlichen Kapitalmarktkonditionen in den Blick
genommen wurden, verdeutlicht etwa die Beratung des Kommunalpolitischen Ausschusses
vom 23. Mai 1969. Im Lauf der Beratungen kam der Änderungsvorschlag Nr. 31 der Vorlage
903 zur Sprache. Hierbei handelte es sich um die Anregung des Verbandes der Deutschen
Gas-. und Wasserwerke, wonach in dem Gesetz bestimmt werden solle, daß das Eigenkapital
zu einem Satz verzinst werde, der dem Kapitalmarktzins für langfristige Anlagen entspreche.
Dieser Anregung wurde mit der Begründung nicht entsprochen, daß es nicht "den" Zins für
langfristige Anlagen gebe, "sondern es gebe unterschiedliche Zinssätze für die verschiedenen
Teilmärkte des Kapitalmarkts."</p>
<span class="absatzRechts">106</span><p class="absatzLinks">Vgl. Ausschußprot. Nr. 1246/69, S. 3.</p>
<span class="absatzRechts">107</span><p class="absatzLinks">Die damit seitens des Landesgesetzgebers der kalkulatorischen Verzinsung zugedachte
finanzwirtschaftliche Funktion eines Belastungsausgleichs für das in der Anlage gebundene
Kapital zugunsten der Fremkapitalgläubiger und des allgemeinen Haushalts bietet keinen
Anhaltspunkt, im Wege der Auslegung zu einer anderweitigen Zweckbestimmung der aus der
kalkulatorischen Verzinsung erwirtschafteten Gebührenbeträge zu gelangen. </p>
<span class="absatzRechts">108</span><p class="absatzLinks">Darüber hinaus hindert die Orientierung der kalkulatorischen Verzinsung an den
tatsächlichen Zinskonditionen des Kapitalmarkts die Annahme, der Landesgesetzgeber habe
die Gemeinden verpflichten wollen, nunmehr zu ihren Lasten den Kapitalmarktzins auf einen
sog. "Realzins" zu reduzieren und den insoweit noch offenen Belastungsausgleich anderweitig
zu finanzieren.</p>
<span class="absatzRechts">109</span><p class="absatzLinks">Erschöpft sich damit die finanzwirtschaftliche Funktion der kalkulatorischen Verzinsung
in der Gewährleistung des Belastungsausgleichs, kommt allein der kalkulatorischen
Abschreibung die Funktion zu, diejenigen finanziellen Mittel zu erwirtschaften, die es der
Gemeinde ermöglichen, eine Ersatzbeschaffung/Wiederbeschaffung der Anlage zu
finanzieren. Dementsprechend hat auch der erkennende Senat im Verfahren 9 A 1248/92 bei
der Korrektur der Grundlage der kalkulatorischen Verzinsung in Übereinstimmung mit den
Ausführungen des seinerzeit beauftragten Sachverständigen nicht der kalkulatorischen
Verzinsung die Funktion der Substanzerhaltung (der Anlage) beigemessen. "Dem
Substanzerhaltungserfordernis werde schon durch die Abschreibung vom
Wiederbeschaffungszeitwert -. und damit innerhalb der zutreffenden Kostenart -. Rechnung
getragen".</p>
<span class="absatzRechts">110</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. August 1994, a.a.O.,
S. 238. </p>
<span class="absatzRechts">111</span><p class="absatzLinks">Die isolierte Betrachtung der beiden kalkulatorischen Kostenarten Abschreibung und
Verzinsung gilt nach dem Willen des Landesgesetzgebers auch dann, wenn die
Abschreibungen nach dem Wiederbeschaffungszeitwert vorgenommen werden. Insoweit kann
nicht unberücksichtigt bleiben, daß -. worauf das Berufungsgericht in ständiger
Rechtsprechung hingewiesen hat -. der Landesgesetzgeber zugunsten der Gemeinden
ausdrücklich die Wahlmöglichkeit eröffnen wollte, Abschreibungen nach dem
Wiederbeschaffungszeitwert vorzunehmen,</p>
<span class="absatzRechts">112</span><p class="absatzLinks">vgl. OVG NRW, Urteil vom 21. Juni 1979 -. II A
1628/77 -., MittNWStGB 1979, 334, Urteil vom 26.
Februar 1982, a.a.O., Urteil vom 27. Oktober 1992 -. 9 A
835/91 -., StuGR 1993, 313, Urteil vom 5. August 1994,
a.a.O., S. 235,</p>
<span class="absatzRechts">113</span><p class="absatzLinks">ohne insoweit mit Blick auf die Funktion der kalkulatorischen Verzinsung und deren
Orientierung an den tatsächlichen Kapitalmarktkonditionen wechselseitige Einschränkungen -
. etwa aus dem Verständnis der betriebswirtschaftlichen Grundsätze als einem übergreifenden
Ordnungssystem -. auch nur ansatzweise in Betracht zu ziehen. </p>
<span class="absatzRechts">114</span><p class="absatzLinks">Angesichts der divergierenden Funktionsbestimmungen der kalkulatorischen Verzinsung
einerseits und der kalkulatorischen Abschreibung andererseits bestand hierfür auch kein
Anlaß. Denn, wie der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 5. August 1994
ausgeführt hat, ergibt die Summe der Abschreibungen nach Wiederbeschaffungszeitwerten
nicht den Wiederbeschaffungswert für eine Anlage gleicher Art und Güte,</p>
<span class="absatzRechts">115</span><p class="absatzLinks">vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. August 1994, a.a.O., S.
236; im übrigen auch: Wöhe, a.a.O., S. 1263 für den
Regelfall eintretender Preissteigerungen,</p>
<span class="absatzRechts">116</span><p class="absatzLinks">so daß sich angesichts dieser strukturellen Deckungslücke die Frage einer Überdeckung
und hieran anknüpfender Korrekturmechanismen für den Landesgesetzgeber von vornherein
nicht stellte. </p>
<span class="absatzRechts">117</span><p class="absatzLinks">Das gilt auch in Ansehung etwaiger Zinsgewinne, die mit den je nach Femdkapitalanteil
mehr oder weniger verbleibenden Abschreibungserlösen erwirtschaftet werden können. Denn
mit dem Rückfluß des Investivkapitals über die Abschreibungen gehen die nach der
Schuldtilgung übrigen Abschreibungsbeträge in das Eigenkapital der Gemeinde über und
stehen rechtlich dem allgemeinen Haushalt zur (freien) Verfügung.</p>
<span class="absatzRechts">118</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. August 1994, a.a.O.,
S. 236.</p>
<span class="absatzRechts">119</span><p class="absatzLinks">Hiervon abweichende rechtliche Bindungen sollten durch das Gebührenrecht nicht
begründet werden; insbesondere war nicht beabsichtigt, auf der Grundlage des § 6 KAG a.F.
die zurückfließenden Abschreibungsbeträge (und die hiermit etwa erwirtschafteten
Zinsgewinne) allein dem Gebührenhaushalt zuzuordnen, so daß diese einer rentierlichen
Nutzung zugunsten des allgemeinen Haushalts entzogen waren. Denn die
betriebswirtschaftliche Aufgabe der Abschreibungen erschöpfte sich in der periodengerechten
Verteilung der durch die Leistungserbringung und dem damit verbundenen Wertverzehr
entstehenden gegenwärtigen Kosten der Gemeinde.</p>
<span class="absatzRechts">120</span><p class="absatzLinks">Vgl. LT-.Drucks. 6/810, S. 34, 35 unter ausdrücklicher
Bezugnahme auf Nds. OVG, Urteil vom 16. November
1967 -. III OVG A 111/65 -., KStZ 1968, 77, wonach
selbst die Rücklagenbildung nicht zur Vorfinanzierung
künftiger Aufwendungen erfolgt, sondern bereits einen
gegenwärtigen, nämlich den auf Abnutzung beruhenden
Wertverzehr berücksichtigt.</p>
<span class="absatzRechts">121</span><p class="absatzLinks">Die Beschränkung auf die Funktion der Kostenverteilung folgt schon aus dem Umstand,
daß die Ansatzmöglichkeit kalkulatorischer Kosten in der Kostenrechnung lediglich ein
innerbetriebliches Instrument ist, um die durch den Betrieb bedingte Kostenbelastung
möglichst zutreffend zu erfassen. Dabei mögen betriebswirtschaftliche Zielbestimmungen zu
unterschiedlichen Ergebnissen bei der Art und Weise der Ermittlung der einzelnen
kalkulatorischen Kosten führen. Hierauf kommt es indes nicht an. Denn die verschiedenen
innerbetrieblichen Zielbestimmungen begründen keine rechtliche Verpflichtung der hiernach
kalkulierenden Wirtschaftsbetriebe im Außenverhältnis gegenüber ihren Abnehmern, die über
die Preise vereinnahmten Gelder nur der kalkulatorischen Zielbestimmung entsprechend zu
verwenden. Soweit mit der jeweiligen Kostenkalkulation bestimmte Zielbestimmungen
verbunden sind, schaffen die Betriebe, wenn sie ihre Preise entsprechend gestalten und auf
dem Markt erzielen können, lediglich die finanziellen Möglichkeiten, der kalkulatorischen
Zielbestimmung entsprechend zu verfahren. Nichts anderes gilt nach der Definition der
betriebswirtschaftlichen Grundsätze, wie sie in der Rechtsprechung des Senats in
Übereinstimmung mit dem Willen des Landesgesetzgebers getroffen worden ist, auch für die
gebührenkalkulierenden Betriebe der öffentlichen Hand. </p>
<span class="absatzRechts">122</span><p class="absatzLinks">Die weitere Verwendung der eingenommenen Gebührenbeträge, etwa die schon im
Gesetzgebungsverfahren diskutierte -. fakultative -. Zuführung der Abschreibungsbeträge zu
einer Erneuerungsrücklage nach der seinerzeit geltenden Rücklagenverordnung, </p>
<span class="absatzRechts">123</span><p class="absatzLinks">vgl. LT-.Drucks. 6/810, S. 35,</p>
<span class="absatzRechts">124</span><p class="absatzLinks">war daher von vornherein nicht Regelungsgegenstand der gemeindlichen Kostenrechnung
und vollzieht sich danach außerhalb gebührenrechtlicher Bindungen.</p>
<span class="absatzRechts">125</span><p class="absatzLinks">A.A. VG Köln , Urteil vom 20. Oktober 1998 -. 14 K
765 u.a. -., NWVBl 1999, 228 (229 f.), unter Hinweis
darauf, daß die Abschreibungserlöse mit dem Ziel
vereinnahmt würden, eine notwendige Erneuerung der
Anlage zu finanzieren und daher nicht als Fremdmittel
oder zu verzinsendes Eigenkapital behandelt werden
könnten.</p>
<span class="absatzRechts">126</span><p class="absatzLinks">Die beschränkte Kostenverteilungsfunktion war und ist bei Abschreibungen nach dem
Anschaffungs-. bzw. nach dem Herstellungswert auch offenkundig, denn insoweit fließt über
die Abschreibungen -. verteilt über die mutmaßliche Nutzungsdauer -. lediglich von der
Gemeinde vorverauslagtes Kapital zum Nennwert an den Investor zurück, nachdem der
Gebührenpflichtige durch die Leistungserbringung in den Genuß seines Vorteils,</p>
<span class="absatzRechts">127</span><p class="absatzLinks">vgl. hierzu BVerwG, Beschluß vom 19. September
1983, a.a.O., S. 12,</p>
<span class="absatzRechts">128</span><p class="absatzLinks">gelangt und damit die Bilanz von Leistung und Gegenleistung innerhalb der
Gebührenperiode ausgeglichen ist. Ein unter dem Blickwinkel des Art. 3 Abs. 1 GG
zwingender sachgerechter Grund, den schon aus der Leistungserbringung an sich
resultierenden Vorteil des Gebührenschuldners noch dadurch zu erweitern, daß das
Eigenkapital, das vor der jeweiligen Investition dem allgemeinen Haushalt der Gemeinde
(frei) zur Verfügung gestanden hat, nach dem Durchlauf durch den Gebührenhaushalt
nunmehr für alle Zukunft allein diesem zugeordnet und zu Lasten der Gemeinde dem
allgemeinen Haushalt entzogen wird, ist nicht erkennbar.</p>
<span class="absatzRechts">129</span><p class="absatzLinks">Auf die reine Kostenverteilungsfunktion sind die Abschreibungen in ihrer
gebührenrechtlichen Wirkung auch dann begrenzt, wenn nach Wiederbeschaffungszeitwerten
abgeschrieben wird. Denn hinsichtlich des Anteils, über den der Anschaffungs-. bzw.
Herstellungswert erfaßt wird, gilt das vorstehend Ausgeführte. Soweit über den
Inflationsindex der Anlagenwert eine Aufwertung zum "Tageswert" erfährt, die über die
Abschreibungsbeträge zeitanteilig der Gemeinde zufließt, handelt es sich der Sache nach um
einen Bemessungsfaktor zur Bestimmung des Anteils der gegenwärtigen Nutzer an der
Substanzerhaltung der im Veranlagungszeitraum zur Leistungserbringung aktuell eingesetzten
Anlage. </p>
<span class="absatzRechts">130</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Beschluß vom 25. März 1985 -. 8 B
11.84 -., KStZ 1985, 129.</p>
<span class="absatzRechts">131</span><p class="absatzLinks">Die Einbeziehung der aktuellen Nutzer in die Kostenverteilung auf der Basis des
Tageswertes ist schon deshalb gerechtfertigt, weil der Wertverzehr an der aktuell eingesetzten
Anlage im Rahmen der von der Gemeinde auf Dauer -. über die mutmaßliche Nutzungsdauer
der einzelnen Anlage hinaus -. zu gewährleistenden Leistungserbringung die Notwendigkeit
der inflationsbedingt teureren Ersatzinvestition zum Zweck der Substanzerhaltung
(mit)begründet. </p>
<span class="absatzRechts">132</span><p class="absatzLinks">Vgl. Stellungnahme des Städtetages vom 7. Oktober
1968, Zuschrift Nr. 801, S. 9, die als Stellungnahme der
kommunalen Spitzenverbände Eingang in die
Beratungsvorlage Nr. 903 (Änderungsvor-.schlag Nr. 26 -.
fakultative Zulassung der Abschreibung von
Wiederbeschaffungszeitwerten -.) gefunden hat; diesem
Änderungsvorschlag wurde letztlich zugestimmt (vgl. u.a.
die Ausschußprotokolle 1126/69, S. 28, 1246/69, S. 2, und
den Bericht des Kommunalpolitischen Ausschusses zur 2.
Lesung LT-.Drucks. 6/1493) und führte zur Änderung des
§ 6 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz des Regierungsentwurfs
"Dazu gehören auch ... Abschreibungen, die nach der
mutmaßlichen Nutzungsdauer und dem Anschaffungs-.
oder Herstellungsaufwand gleichmäßig zu bemessen sind,
..." in die schließlich Gesetz gewordene Fassung "Dazu
gehören auch ... Abschreibungen, die nach der
mutmaßlichen Nutzungsdauer ... gleichmäßig zu bemessen
sind, ... ."</p>
<span class="absatzRechts">133</span><p class="absatzLinks">Damit erlangt der in dieser Weise ermittelte Betrag des anteiligen Wertverzehrs bereits in
der aktuellen Gebührenperiode den Charakter eines gegenwärtigen Kostenbetrages, </p>
<span class="absatzRechts">134</span><p class="absatzLinks">vgl. auch BVerwG, Beschluß vom 25. März 1985,
a.a.O., S. 130,</p>
<span class="absatzRechts">135</span><p class="absatzLinks">zu dessen Ausgleich die Abschreibungen über die Gebühren umgelegt werden können
und sich in ihrer gebührenrechtlichen Wirkung auch darin -. wie in den sonstigen Fällen des
Kostenausgleichs -. erschöpfen. Angesichts dessen bedarf es keiner weiteren Darlegung, daß
die haushaltsnützige Verwendung der verbleibenden Abschreibungsbeträge gegenüber den
Gebührenpflichtigen keinen Verstoß gegen den auch im öffentlichen Recht geltenden
Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) in der Form des widersprüchlichen Verhaltens
darstellt.</p>
<span class="absatzRechts">136</span><p class="absatzLinks">Vgl. hierzu VG Köln, Urteil vom 20. Oktober 1998,
a.a.O., S. 230.</p>
<span class="absatzRechts">137</span><p class="absatzLinks">Der der Abschreibung nach Wiederbeschaffungszeitwerten innewohnende
Substanzerhaltungsgedanke (Prinzip der reproduktiven Substanzerhaltung) erfordert daher
nur, daß die Gemeinde entsprechend ihrer auf Dauer angelegten Pflicht zur Gewährleistung
der Leistungserbringung am Ende der Nutzungsdauer der Anlage die erforderlichen
Haushaltsmittel für eine Wiederbeschaffung bereitstellt.</p>
<span class="absatzRechts">138</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. August 1994, a.a.O.,
S. 236.</p>
<span class="absatzRechts">139</span><p class="absatzLinks">Dieser auf den periodengerechten Kostenausgleich beschränkten und damit die weitere
Verwendung der eingenommenen Beträge nicht erfassenden Funktion sowohl der
kalkulatorischen Zinsen als auch der Abschreibungen entspricht folgerichtig der weite
gesetzliche Eigenkapitalbegriff (§ 6 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz KAG a.F.) des Gebührenrechts,
der -. bezogen auf die Abschreibungen -. keinerlei inhaltlichen Beschränkungen unterliegt und
damit grundsätzlich jedes zur Leistungserbringung eingesetzte Kapital unabhängig von seiner
Herkunft erfaßt.</p>
<span class="absatzRechts">140</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 27. Oktober 1992, a.a.O.,
Urteil vom 5. August 1994, a.a.O., S. 234.</p>
<span class="absatzRechts">141</span><p class="absatzLinks">Soweit von der kalkulatorischen Verzinsung der aus Zuschüssen und Beiträgen gebildete
Eigenkapitalanteil ausgenommen worden ist, läßt diese beschränkte Ausnahme des 2.
Halbsatzes des Absatzes 2 Satz 2 des § 6 KAG a.F. im rechtssystematischen Zusammenhang
mit dem 1. Halbsatz besonders deutlich erkennen, daß das Eigenkapital der Gemeinde im
übrigen unabhängig von der Herkunft der einzelnen Einnahmen generell der Verzinsung
unterliegt. Bestätigt wird diese Auffassung dadurch, daß der Landesgesetzgeber etwa die
kalkulatorische Verzinsung als Instrument der Stärkung der Einnahmesituation der
Gemeinden -. nicht des Gebührenhaushalts -. ansah. Dies "habe den Sinn, der Finanzkraft der
Gemeinde eine Expansion aus sich heraus zu ermöglichen. </p>
<span class="absatzRechts">142</span><p class="absatzLinks">Vgl. Ausschußprot. Nr. 1246/69, S. 2.</p>
<span class="absatzRechts">143</span><p class="absatzLinks">Dem finanzwirtschaftlichen Ziel der Gewährleistung oder sogar der Steigerung der
Eigenkapitalausstattung der Gemeinden diente darüber hinaus auch und gerade die Zulassung
der Abschreibung vom Wiederbeschaffungszeitwert.</p>
<span class="absatzRechts">144</span><p class="absatzLinks">Vgl. Ausschußprot. Nr. 1126/69, S. 28.</p>
<span class="absatzRechts">145</span><p class="absatzLinks">Diese nicht zuletzt in den Materialien zum Ausdruck kommende Zielsetzung kann daher
bei der Frage nach dem Sinn und Zweck der gemeindlichen Gebührenkalkulation und damit
zusammenhängend bei der Frage nach einer hieraus zu bestimmenden Kostenobergrenze nicht
unberücksichtigt bleiben. Sie läßt die vom Verwaltungsgericht abgeleitete Zielvorgabe -. die
Gemeinde dürfe sich nach Ablauf der Nutzungsdauer wirtschaftlich nicht besser stehen als
vor der Investition -. schon als im Ansatz unzutreffend erkennen.</p>
<span class="absatzRechts">146</span><p class="absatzLinks">Der Einsatz von Abschreibungserlösen für eine Wiederbeschaffung führt zwar im
Ergebnis dazu, daß mit der Aufwendung dieses Kapitals und seiner Bindung in einer neuen
Anlage dessen kalkulatorische Verzinsung zu Lasten des Gebührenpflichtigen eröffnet wird.
Die Erwirtschaftung von Abschreibungserlösen (nach Abzug etwaiger Tilgungsleistungen)
ändert jedoch nichts an dem Umstand, daß diese, wie oben dargelegt, lediglich dem Ausgleich
der in den vergangenen Leistungsperioden durch die Leistungserbringung verursachten
Kosten dienen. Die über die Abschreibungen zurückgeflossenen Finanzmittel sind daher wie
die vorher für die jeweilige Investition bereitgestellten Mittel Kapital der Gemeinde.
Insbesondere handelt es sich nicht um Kapital des Gebührenschuldners. Im Falle der
Aufwendung dieses Kapitals für die Wiederbeschaffung steht es anderen rentierlichen
Zwecken zu Lasten des allgemeinen Haushalts nicht mehr zur Verfügung. Damit greift die
seitens des Landesgesetzgebers der kalkulatorischen Verzinsung beigemessene
finanzwirtschaftliche Funktion des Belastungsausgleichs ein. </p>
<span class="absatzRechts">147</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts Köln läßt sich aus dem Beschluß des
Bundesverwaltungsgerichts vom 19. September 1983, a.a.O., S. 12, eine Zuordnung der über
die Abschreibungen erwirtschafteten Finanzmittel ausschließlich zum Gebührenhaushalt nicht
begründen. Soweit das Bundesverwaltungsgericht in dem genannten Beschluß ausführt, daß,
soweit die Grundstückseigentümer mit dem Entwässerungsbeitrag oder auf andere Weise zu
dem Aufwand für die Herstellung oder Erweiterung der Entwässerungsanlage beigetragen
hätten, der Ausgleich über die Eigenkapitalverzinsung seine Grenze finde und
Eigenkapitalzinsen deshalb sachgerecht nur von dem Herstellungs-. bzw.
Anschaffungsaufwand berechnet werden dürften, der um das Aufkommen aus
Entwässerungsbeiträgen und diesen gleichstehenden Leistungen der Benutzer vermindert
worden sei, sind mit den "gleichstehenden Leistungen" jedenfalls nicht die erwirtschafteten
Abschreibungsbeträge gemeint. Denn mit den vereinnahmten Abschreibungsbeträgen erfolgt,
wie oben dargelegt, lediglich der Kostenausgleich für die mit der Benutzung einhergehende
Abnutzung der aktuell eingesetzten Anlage, ohne daß damit eine Beteiligung an dem
Herstellungsaufwand für die Wiederbeschaffung verbunden ist. Soweit sich die
Grundstückseigentümer über die von ihnen gezahlten Abschreibungen mittelbar an dem
Finanzierungsaufwand für die bestehende Anlage beteiligen, wird diesem Umstand dadurch
Rechnung getragen, daß nur der um die Abschreibungen verminderte Anschaffungswert (An-
.schaffungsrestwert) der kalkulatorischen Verzinsung unterliegt und damit eine Verzinsung
der jeweiligen "Beteiligungsrate" ausgeschlossen ist. Im übrigen, d.h. im Hinblick auf
Beiträge (und Zuschüsse), gewährleistet § 6 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz KAG a.F., daß das
insoweit aufgebrachte Kapital als Beitrag zum Aufwand für die Herstellung oder Erweiterung
der Entwässerungsanlage i.S.d. oben genannten Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichts
von der Verzinsung ausgenommen wird.</p>
<span class="absatzRechts">148</span><p class="absatzLinks">Die Zuordnung der erwirtschafteten Abschreibungsbeträge zum Gebührenhaushalt ergibt
sich auch nicht aus dem gemeindlichen Haushaltsrecht, dessen Grundsatz der Gesamtdeckung
(§ 16 der Gemeindehaushaltsverordnung -. GemHVO -.) einer gesonderten rechtlichen
Zuordnung der eingenommenen Abschreibungsbeträge ausschließlich zum Gebührenhaushalt
gerade entgegensteht. Eine rechtliche Verpflichtung i.S.d. § 17 Abs. 1 Satz 1 GemHVO, diese
Einnahmen auf die Verwendung für die Wiederbeschaffung zu beschränken und sie damit der
Gesamtdeckung zu entziehen, besteht nicht; insbesondere ergibt sich eine solche rechtliche
Verpflichtung, wie oben dargelegt, nicht aus dem Gebührenrecht. Soweit das
Verwaltungsgericht Köln darauf abhebt, daß § 17 Abs. 1 Satz 2 GemHVO eine
Zweckbindung von Einnahmen ermögliche,</p>
<span class="absatzRechts">149</span><p class="absatzLinks">vgl. Urteil vom 20. Oktober 1998, a.a.O., S. 229 f.,
</p>
<span class="absatzRechts">150</span><p class="absatzLinks">mag dies zutreffend sein, ohne daß es insoweit einer Entscheidung bedarf. Denn mit der
fakultativen haushaltsrechtlichen Zweckbindung begibt sich die Gemeinde lediglich vorweg
der Möglichkeit, die Gebühreneinnahmen noch anderweitig haushaltsnützig zu verwenden.
Diese Zweckbindung ist in ihren gebührenrechtlichen Wirkungen aber nicht anders zu
bewerten als die Zurverfügungstellung der entsprechenden Gebührenbeträge aus allgemeinen
Haushaltsmitteln erst unmittelbar vor der jeweiligen Investition. In dem einen wie in dem
anderen Fall werden dem allgemeinen Haushalt Finanzmittel entzogen und trägt allein die
Gemeinde die finanzielle Belastung, die dadurch entsteht, daß das investierte Kapital nicht
mehr zugunsten des allgemeinen Haushalts verwendet werden kann. Abgesehen davon
schließt selbst ein wirksamer Haushaltsvermerk über die Zweckbindung nicht aus, daß die
Ausgaben, auf deren Deckung die zweckgebundenen Einnahmen beschränkt sind, daneben
nicht auch aus allgemeinen Deckungsmitteln gedeckt werden können.</p>
<span class="absatzRechts">151</span><p class="absatzLinks">Vgl. Scheel/Steup/Schneider/Lienen,
Gemeindehaushaltsrecht Nordrhein-.
Westfalen, 5. Aufl. 1997, Rdnr. 1
zu § 17 GemHVO.</p>
<span class="absatzRechts">152</span><p class="absatzLinks">Soweit zur Begründung des Ausschlusses der erwirtschafteten Abschreibungsbeträge von
der kalkulatorischen Verzinsung auf das Urteil des Senats vom 27. Oktober 1992 -. 9 A
835/91 -., a.a.O., S. 101, und die darin verwendete Formulierung der "vorübergehenden
Verausgabung" verwiesen wird, </p>
<span class="absatzRechts">153</span><p class="absatzLinks">vgl. VG Köln, Urteil vom 20. Oktober 1998, a.a.O., S.
229,</p>
<span class="absatzRechts">154</span><p class="absatzLinks">geht dies fehl. Denn die in dem genannten Urteil des Senats für zulässig gehaltene
"vorübergehende Verausgabung" von Abschreibungsbeträgen zugunsten des allgemeinen
Haushalts bezog sich ersichtlich auf die haushaltsnützige Verwendung dieser Beträge bis zur
Wiederbeschaffung und besagt deshalb noch nichts über deren Behandlung bei der Ermittlung
der kalkulatorischen Verzinsung nach diesem Zeitpunkt.</p>
<span class="absatzRechts">155</span><p class="absatzLinks">Soweit danach über die Gebühren vereinnahmte Abschreibungsbeträge zugunsten des
allgemeinen Haushalts verwendet worden sind, mag dies zu faktischen Benachteiligungen
führen, </p>
<span class="absatzRechts">156</span><p class="absatzLinks">vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. August 1994, a.a.O., S.
236 f.,</p>
<span class="absatzRechts">157</span><p class="absatzLinks">ein Verstoß gegen § 6 Abs. 2 KAG a.F. bzw. ein widerrechtliches Verhalten ist darin
nicht zu sehen.</p>
<span class="absatzRechts">158</span><p class="absatzLinks">Aufgrund der dargelegten unterschiedlichen finanzwirtschaftlichen Zielsetzungen der
kalkulatorischen Kostenarten erledigt sich auch der -. wiederholte -. Hinweis des
Verwaltungsgerichts auf den Umstand, daß eine Gebührenkalkulation auf der Grundlage der
Rechtsprechung des erkennenden Senats gegenüber den von ihm, dem Verwaltungsgericht,
alternativ für zulässig erachteten Kalkulationsmodellen zu einem "erhöhten Kapitalendwert"
bzw. zu einer "Überdeckung" oder einer "doppelten" Verrechnung der Geldentwertungsrate
führe. </p>
<span class="absatzRechts">159</span><p class="absatzLinks">Vgl. das hier angefochtene Urteil des VG G. ,
S. 12 UA, VG G. , Urteil vom 9. Oktober 1997,
a.a.O., S 34, Urteil vom 5. November 1998, a.a.O., S. 20
f.</p>
<span class="absatzRechts">160</span><p class="absatzLinks">Dies ist die Folge dieser unterschiedlichen Zweckbestimmungen, mithin systemimmanent
und mit Blick auf die beabsichtigte Stärkung der Eigenkapitalausstattung der Gemeinde auch
gewollt.</p>
<span class="absatzRechts">161</span><p class="absatzLinks">Die insoweit vom Verwaltungsgericht angeführten und in § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG a.F.
statuierten betriebswirtschaftlichen Grundsätze vermögen an der finanzwirtschaftlichen
Funktions-. und Zweckbestimmung der kalkulatorischen Kostenarten nichts zu ändern. Denn
anders als das Verwaltungsgericht meint, hat der Landesgesetzgeber selbst die Übernahme
betriebswirtschaftlicher Grundsätze der Kostenrechnung nicht als Übertragung (materieller)
kaufmännischer Zielsetzungen in die öffentliche Haushaltswirtschaft verstanden; vielmehr sei
die Methode der betriebswirtschaftlichen Kostenberechnung lediglich ein "Instrument zur
optimalen Erreichung finanzwirtschaftlicher Zwecke", </p>
<span class="absatzRechts">162</span><p class="absatzLinks">vgl. LT-.Drucks. 6/810, S. 35,</p>
<span class="absatzRechts">163</span><p class="absatzLinks">um den Anforderungen des Periodenprinzips gerecht zu werden und die mit der
"einfachen Einnahmen-.Ausgabenrechnung" allein nicht zu lösende Verteilung der Ausgaben
"entsprechend dem Verbrauch der durch sie beschafften Güter auf die einzelnen
Nutzungsperioden" zu gewährleisten.</p>
<span class="absatzRechts">164</span><p class="absatzLinks">Vgl. LT-.Drucks. 6/810, S. 34.</p>
<span class="absatzRechts">165</span><p class="absatzLinks">Der Einwand des Verwaltungsgerichts, in bezug auf den Ausschluß der "Abschreibungen
unter Null" weiche die Rechtsprechung des erkennenden Senats selbst von dem im Urteil vom
5. August 1994, a.a.O., S. 233, näher erläuterten Begriff der betriebswirtschaftlichen
Grundsätze ab,</p>
<span class="absatzRechts">166</span><p class="absatzLinks">vgl. VG G. , Urteil vom 5. November 1998,
a.a.O., S. 19,</p>
<span class="absatzRechts">167</span><p class="absatzLinks">greift nicht durch. Wie bereits ausgeführt, ist auf die betriebswirtschaftlichen Grundsätze
nur abzustellen, soweit das Gesetz keine eigenständige Regelung trifft. Eine solche Regelung
hat der erkennende Senat aber § 6 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz KAG a.F. entnommen, wonach
die Abschreibungen nach der mutmaßlichen Nutzungsdauer gleichmäßig zu bemessen sind.
Ein Rückgriff auf davon abweichende betriebswirtschaftliche Grundsätze scheidet danach
aus. </p>
<span class="absatzRechts">168</span><p class="absatzLinks">Daß vor diesem Hintergrund die vom Verwaltungsgericht angeführten
Kalkulationsgrundsätze aus anderen Rechtsgebieten, wie etwa aus dem Handels-., dem
Steuer-. und dem Preisprüfungsrecht -. die im übrigen jeweils eigenen finanzpolitischen
Zielvorgaben folgen -.,</p>
<span class="absatzRechts">169</span><p class="absatzLinks">vgl. die unterschiedlichen Zielsetzungen in der
Handels-. und Steuerbilanz einerseits und in der
Kostenrechnung andererseits: Wöhe, a.a.O., S. 1263,</p>
<span class="absatzRechts">170</span><p class="absatzLinks">für die Bestimmung des Sinns und Zwecks der gemeindlichen Gebührenkalkulation
unbeachtlich sind, bedarf keiner näheren Erläuterung.</p>
<span class="absatzRechts">171</span><p class="absatzLinks">Die Abschreibung nach Wiederbeschaffungszeitwerten in Verbindung mit einer
Verzinsung des aufgewandten Kapitals auf der Grundlage von Anschaffungs(rest)werten mit
einem Nominalzins führt weder zu einer Verletzung des Äquivalenzprinzips,</p>
<span class="absatzRechts">172</span><p class="absatzLinks">vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. August 1994, a.a.O., S.
235 ,</p>
<span class="absatzRechts">173</span><p class="absatzLinks">noch zu einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Soweit ein solcher Verstoß wegen einer
Ungleichbehandlung der Gebührenpflichtigen gegenüber der Allgemeinheit angenommen
wird,</p>
<span class="absatzRechts">174</span><p class="absatzLinks">vgl. etwa VG Köln, Urteil vom 20. Oktober 1998,
a.a.O., S. 228 f.,</p>
<span class="absatzRechts">175</span><p class="absatzLinks">wird übersehen, daß Art. 3 Abs. 1 GG dem Gebührengesetzgeber bei der Aufstellung der
Gebührensätze einen weiten Entscheidungsspielraum beläßt. Art. 3 Abs. 1 GG fordert in dem
hier zu beurteilenden Zusammenhang nur, daß sich "die Verknüpfung zwischen den Kosten
der Staatsleistung und den dafür auferlegten Gebühren nicht in einer Weise gestaltet, die,
bezogen auf den Zweck der gänzlichen oder teilweisen Kostendeckung, sich unter keinem
vernünftigen Gesichtspunkt als sachgerecht erweist".</p>
<span class="absatzRechts">176</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerfG, Beschluß vom 6. Februar 1979 -. 2 BvL
5/76-., BVerfGE 50, 217 (227); BVerwG, Beschluß vom
19. September 1983, a.a.O., Beschluß vom 25. März 1985,
a.a.O., S. 130.</p>
<span class="absatzRechts">177</span><p class="absatzLinks">Insoweit ist in die Bewertung der Umstand einzustellen, daß die Gebührenpflichtigen der
Gemeinde gegenüber -. anders als die Steuerzahler -. in einem besonderen Leistungs-. und
Gegenleistungsverhältnis stehen (§ 4 Abs. 2 KAG a.F.) und aus der Leistungserbringung
seitens der Gemeinde einen besonderen Vorteil erlangen (§ 6 Abs. 1 Satz 1 KAG a.F.), der es
sachlich grundsätzlich rechtfertigt, die Gebührenpflichtigen finanziell stärker zu belasten als
den Steuerzahler. </p>
<span class="absatzRechts">178</span><p class="absatzLinks">Auch die kalkulatorischen Kostenansätze im einzelnen
begegnen, soweit der vorliegende Fall Anlaß zur Überprüfung
gebietet, im Ergebnis keinen durchgreifenden Bedenken.</p>
<span class="absatzRechts">179</span><p class="absatzLinks">Soweit pauschal Zweifel an der ordnungsgemäßen
Ausschreibung von Kanalbaumaßnahmen geäußert worden sind und
damit wohl ein erhöhter Ausgangswert für die Berechnung
geltend gemacht werden soll, mangelt es an konkreten
Anhaltspunkten, die eine weitere Sachaufklärung gebieten. Der
Hinweis darauf, daß lediglich zwei Baufirmen "im Geschäft"
seien, läßt allein nicht den Schluß zu, daß insoweit
Unregelmäßigkeiten tatsächlich erfolgt sein könnten; insoweit
könnte es sich auch um diejenigen Firmen handeln, die aufgrund
ihrer günstigen Angebote jeweils zu Recht den Zuschlag
erhalten haben. </p>
<span class="absatzRechts">180</span><p class="absatzLinks">Unabhängig davon sind etwaige Fehler bei der Ausschreibung
für die Gebührenkalkulation unerheblich, solange die von dem
beauftragten Unternehmen in Rechnung gestellten Kosten nicht
in jeder Hinsicht außer Verhältnis zu den erbrachten
Leistungen stehen und damit mit den Grundsätzen des
Äquivalenzprinzips unvereinbar sind oder sich die
Auftragsvergabe nicht als rein willkürliche, ausschließlich
die Gesamtkosten erhöhende Maßnahme darstellt, die sich der
Sache nach nicht mehr mit dem weiten Organisationsermessen des
Entsorgungsträgers, seine Aufgabe entsprechend seinen
Zweckmäßigkeitserwägungen durchzuführen, in Einklang bringen
läßt.</p>
<span class="absatzRechts">181</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschluß vom 19.
Januar 1990 -. 2 A 2171/87 -., Urteil
vom 30. Januar 1991 -. 9 A 765/88 -.,
Teilurteil vom 15. Dezember 1994 -. 9 A
2251/93 -., NWVBl. 1995, 173.</p>
<span class="absatzRechts">182</span><p class="absatzLinks">Hierfür bieten das Vorbringen und die dem erkennenden Senat
vorliegenden Unterlagen nicht einmal ansatzweise einen
konkreten Anhaltspunkt.</p>
<span class="absatzRechts">183</span><p class="absatzLinks">Nicht zu beanstanden ist die mit 50 Jahren angesetzte
mutmaßliche Nutzungsdauer der Kanäle. Angesichts der für die
prognostische Bestimmung der Nutzungsdauer maßgebenden
sachgerechten Kriterien der Siedlungsverdichtung (einseitige
hohe Bodenpressung durch Wohnbebauung und
Verkehrsbeanspruchung bei variierender Tragfähigkeit des
Bodens, Grundwassereinwirkungen, nennenswerte
Unterbemessungen), der Werkstoffbeschaffenheit (Pro-.duktionen
minderer Qualität, Materialunverträglichkeiten (Be-
.tonmischungen) und Probleme mit der Haftfestigkeit in der
Stutzentechnik) und des Wurzeleinwuchses von Bäumen wird die
für die Prognose maßgebende Grenze der Willkür nicht erreicht.
Da der Ansatz einer mutmaßlichen Nutzungsdauer von 50 Jahren
nach Kenntnis des Senats nicht unüblich ist,</p>
<span class="absatzRechts">184</span><p class="absatzLinks">vgl. etwa OVG NRW, Urteil vom 5.
August 1994, a.a.O., S. 237, sowie die
Nachweise bei Dudey, Abhängigkeiten der
kalkulatorischen Kosten von der
Nutzungsdauer eines Kanalnetzes, GemH
1994, 1 ff. (je nach Material 30-.66
Jahre (Steenbock), 50-.80 Jahre
(Pecher), 50-.100 Jahre (KGST und ATV
Regelwerk A 133)); im übrigen auch:
Brod/Steenbock, Preiskalkulation bei
Wasser und Abwasser, 1980, Anhang 10:
je nach Material 30-.100 Jahre,</p>
<span class="absatzRechts">185</span><p class="absatzLinks">und sonstige konkrete Anhaltspunkte, die die getroffene
Einschätzung der Nutzungsdauer unter Berücksichtigung des
gemeindlichen Prognosespielraums und des durch die
Kanaluntersuchungen ermittelten Schadensumfangs als
schlichtweg unvertretbar erscheinen lassen, sich nicht
aufdrängen, ist eine weitere Sachaufklärung nach dem
Amtsermittlungsgrundsatz nicht geboten.</p>
<span class="absatzRechts">186</span><p class="absatzLinks">Der Einwand, bei dem Ansatz der kalkulatorischen Kosten
seien Schadensersatzansprüche gegenüber dem Bergbau zu Lasten
der Gebührenschuldner nicht kostenmindernd berücksichtigt
worden, greift nicht durch. Die Ermittlung der Kosten in bezug
auf den Betrieb der der Leistungserbringung dienenden Anlage,
insbesondere die Bestimmung der mutmaßlichen Nutzungsdauer und
die Bewertung von Kanalisationsanlagen, erfolgt grundsätzlich
unabhängig davon, welche Gründe für den Zustand bzw. die
Ausgestaltung der Anlage maßgebend sind. Danach ist es von den
Gebührenpflichtigen in Bergbauregionen grundsätzlich
hinzunehmen, daß die öffentlichen Entwässerungseinrichtungen
wegen bestimmter, in solchen Regionen anzutreffender
besonderer Entwässerungsverhältnisse möglicherweise mit
höheren Kosten belastet werden als die Gebührenpflichtigen in
anderen Regionen.</p>
<span class="absatzRechts">187</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. April
1991, a.a.O..</p>
<span class="absatzRechts">188</span><p class="absatzLinks">Dies betrifft sowohl die Instandhaltungs-./Reparaturkosten
(Personal-. und Sachkosten) als auch die wegen der höheren
Investitionskosten und ggf. kürzeren Nutzungsdauern höheren
kalkulatorischen Kosten.</p>
<span class="absatzRechts">189</span><p class="absatzLinks">Die Ermittlung der kalkulatorischen Zinsen hat im Ergebnis
ebenfalls Bestand. </p>
<span class="absatzRechts">190</span><p class="absatzLinks">Der in Ansatz gebrachte Zinssatz von 8 % entspricht der
ständigen Rechtsprechung des Senats. </p>
<span class="absatzRechts">191</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. August
1994, a.a.O., S. 238.</p>
<span class="absatzRechts">192</span><p class="absatzLinks">Eine Verpflichtung, diesen Zinssatz im Rahmen der Kostenprognose und der der
Gemeinde zum Zweck der Gewährleistung einer "angemessenen Verzinsung" (§ 6 Abs. 2 Satz
2 1. Halbsatz KAG a.F.) eröffneten Befugnis zur Bestimmung eines einheitlichen Zinssatzes
zu reduzieren, bestand nicht. Der Ansatz von 8 % bewegt sich noch innerhalb des hierdurch
eröffneten Prognose-. und Ermessensspielraums; insbesondere erweist er sich nicht als
willkürlich. Angesichts der im vorzitierten Verfahren erfolgten Ermittlung des Zinssatzes auf
der Grundlage des langfristigen Durchschnittszinssatzes für die Jahre 1952 bis 1992 konnte
davon ausgegangen werden, daß die -. kurzfristige -. Zinsentwicklung der Jahre 1993 bis
einschließlich 1995 eine langfristig niedrigere Tendenz des maßgebenden
Durchschnittszinssatzes nicht vermittelte und daher bei der Bestimmung des ansatzfähigen
Zinssatzes außer Betracht bleiben konnte.</p>
<span class="absatzRechts">193</span><p class="absatzLinks">Das die Ermittlung der Grundlage der Verzinsung betreffende
Mißverständnis hinsichtlich des Ansatzes der
Kanalanschlußbeiträge im Rahmen des Abzugskapitals ist durch
die Vorlage der diesbezüglichen Kalkulationsunterlagen
ausgeräumt. Hieraus ergibt sich, daß bei der
Gebührenbedarfsberechnung das Abzugskapital einschließlich der
Kanalanschlußbeiträge jeweils bezogen auf das einzelne
Anlagegut herausgerechnet und damit nicht verzinst worden
ist.</p>
<span class="absatzRechts">194</span><p class="absatzLinks">Allerdings ist die Ermittlung des Anschaffungsrestwertes
insoweit überhöht, als im Rahmen der Abschreibung für den
Veranlagungszeitraum zwar ein Abschreibungsbetrag in Ansatz
gebracht worden ist, bei der kalkulatorischen Verzinsung
jedoch der Jahresabschreibungsbetrag nicht in demselben
Veranlagungszeitraum, sondern erst in der Folgeperiode
abgezogen worden ist. Die sich aus der Nichtberücksichtigung
der Abschreibung im Jahr der Indienststellung und der
Verschiebung der Abschreibungsbeträge in das jeweilige
Folgejahr ergebende Überhöhung hat der erkennende Senat nach
eigener, im Termin zur mündlichen Verhandlung offen gelegter
Berechnung mit 200.463,29 DM ermittelt. Dieser
Überhöhungsbetrag führt jedoch nicht zur Unwirksamkeit des
Gebührensatzes, wie im nachfolgenden Zusammenhang dargelegt
wird.</p>
<span class="absatzRechts">195</span><p class="absatzLinks">Offen bleiben kann des weiteren, ob die Abschreibungs-. und
Zinsbeträge für das sog. Sonderinteresse (163.223,00 DM),</p>
<span class="absatzRechts">196</span><p class="absatzLinks">vgl. zur Abschreibungsfähigkeit
anlagenbezogener Verbandsbeiträge: OVG
NRW, Urteil vom 18. Juli 1997,
a.a.O.,</p>
<span class="absatzRechts">197</span><p class="absatzLinks">und das Kanalkataster (170.842,00 DM), </p>
<span class="absatzRechts">198</span><p class="absatzLinks">vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Mai
1998, a.a.O.,</p>
<span class="absatzRechts">199</span><p class="absatzLinks">zu Recht angesetzt worden sind. Rechnet man zu den
vorgenannten Beträgen den Überhöhungsbetrag aus der
kalkulatorischen Verzinsung (200.463,29 DM) hinzu, ergibt dies
einen Gesamtbetrag von 534.528,29 DM, der im Verhältnis zu den
gerechtfertigten Gesamtkosten lediglich 1,76 % (bei
30.895.016,00 DM Gesamtkosten) bzw. 2,16 % (bei 25.232.906,00
DM Gesamtkosten) ausmacht und damit in jedem Fall unterhalb
der für die Gebührenkalkulation maßgebenden Grenze von 3
%,</p>
<span class="absatzRechts">200</span><p class="absatzLinks">vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. August
1994, a.a.O., S. 239,</p>
<span class="absatzRechts">201</span><p class="absatzLinks">bleibt. </p>
<span class="absatzRechts">202</span><p class="absatzLinks">Weitere Kostenminderungen sind nicht vorzunehmen.
Insbesondere war die Stadt R. nicht verpflichtet,
Schadensersatzleistungen des Bergbaus auf der Einnahmeseite zu
veranschlagen.</p>
<span class="absatzRechts">203</span><p class="absatzLinks">Im Hinblick auf den Umstand, daß bei der nach § 6 Abs. 1
Satz 3 KAG a.F. vorzunehmenden Veranschlagung der Kosten -.
und damit auch der ggf. zu erwartenden kostenmindernden
Einnahmen -. grundsätzlich eine Prognoseentscheidung zu
treffen ist, </p>
<span class="absatzRechts">204</span><p class="absatzLinks">vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 9.
August 1999, a.a.O.,</p>
<span class="absatzRechts">205</span><p class="absatzLinks">steht der Gemeinde ein weiter Ermessensspielraum zu,
innerhalb dessen auch die bei dem Nachweis der
Schadensverursachung üblicherweise bestehenden Probleme (vgl.
auch die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 15.
September 1998 sowie in der Sitzungsvorlage -. Drucksache Nr.
693/1998 -. vom 21. Juli 1998, S. 2 f.) Berücksichtigung
finden können.</p>
<span class="absatzRechts">206</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. April
1991, a.a.O.</p>
<span class="absatzRechts">207</span><p class="absatzLinks">Dabei ist nicht ausgeschlossen, daß die Gemeinde selbst
dann, wenn sie intern -. etwa auf der Grundlage von
Rechtsgutachten -. zu der Auffassung gelangt ist, daß ihr ein
Schadensersatzanspruch in einer bestimmten Höhe zusteht,
aufgrund einer vertretbaren Bewertung des mit der Realisierung
des Anspruchs verbundenen Prozeßrisikos im Einzelfall einen
Abschlag von dem zu ersetzenden Betrag einkalkuliert oder von
der Geltendmachung des Anspruchs insgesamt absieht und
dementsprechend in der Gebührenkalkulation keine Einnahmen
veranschlagt. </p>
<span class="absatzRechts">208</span><p class="absatzLinks">Geht die Gemeinde -. etwa aufgrund der Eindeutigkeit des
jeweiligen Schadensbildes -. im Zeitpunkt der Veranschlagung
der Kosten von der Realisierung von Schadensersatzforderungen
aus, ist sie lediglich dann verpflichtet, die prognostizierte
Schadensersatzleistung als Einnahme zugunsten der
Gebührenpflichtigen zu veranschlagen, wenn die
Gebührenpflichtigen über die Gebühren auch die aus dem
Schadensereignis resultierenden finanziellen Belastungen
tragen. Dementsprechend entfällt die Verpflichtung der
Gemeinde zur Gutschrift von veranschlagten
Schadensersatzleistungen, wenn der Schaden außerhalb der
Kalkulation abgewickelt wird und damit die Gebührenpflichtigen
für den Schaden auch nicht über die Gebühren in Anspruch
genommen werden.</p>
<span class="absatzRechts">209</span><p class="absatzLinks">Letzteres ist hier für den Veranlagungszeitraum 1995
angesichts der im Berufungsverfahren substantiiert
geschilderten Praxis der direkten Kostenbeteiligung des
Bergbaus durch Naturalrestitution gegeben. Hiernach werden die
Gebührenpflichtigen gerade nicht mit den aufgrund der
Bergbauschäden erforderlichen Investitionskosten belastet.
Soweit in diesem Zusammenhang vorgebracht worden ist, aus dem
Widerspruchsbescheid vom 15. August 1998 gehe hervor, daß der
Bergbau regelmäßig an den städtischen Kanalbaumaßnahmen
beteiligt werde, handelt es sich offenbar um ein
Mißverständnis. Die Beteiligung des Bergbaus stellt sich auf
der Grundlage der Schilderung des Beklagten nicht als
unmittelbare Beteiligung an den Kosten der seitens der Stadt
durchgeführten Umbaumaßnahmen dar, sondern als Kostenbeitrag
im Wege der Übernahme der Errichtung bestimmter
Entwässerungsanlagen auf eigene Rechnung. </p>
<span class="absatzRechts">210</span><p class="absatzLinks">Eine weitergehende Überprüfung der Art und Weise sowie des
Umfangs der Kostenbeteiligung des Bergbaus ist auch unter der
Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes nicht angezeigt.
Hiernach sind die Verwaltungsgerichte zwar verpflichtet, jede
mögliche Aufklärung des Sachverhalts bis an die Grenze der
Zumutbarkeit zu versuchen, sofern die Aufklärung nach ihrer
Meinung für die Entscheidung des Rechtsstreits erforderlich
ist. Bei der Überprüfung einer Kalkulation geht der erkennende
Senat aufgrund der Bindung des Beklagten an Gesetz und Recht
gemäß Art. 20 Abs. 3 GG jedoch grundsätzlich davon aus, daß
dessen Auskünfte der Wahrheit entsprechen.
Aufklärungsmaßnahmen sind daher nur insoweit aufgezeigt, als
sich dem Gericht etwa Widersprüche nach dem Sachvortrag der
klagenden Partei oder aber den beigezogenen Unterlagen
aufdrängen. Läßt es die klagende Partei insoweit an
substantiiertem Sachvortrag fehlen und ergibt sich auch aus
den Unterlagen kein konkreter Anhaltspunkt für einen
fehlerhaften Kostenansatz, hat es hiermit sein Bewenden. Die
Untersuchungsmaxime ist keine prozessuale Hoffnung, das
Gericht werde mit ihrer Hilfe schon die klagebegründenden
Tatsachen finden.</p>
<span class="absatzRechts">211</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19.
September 1997, a.a.O., m.w.N.</p>
<span class="absatzRechts">212</span><p class="absatzLinks">Gemessen hieran ist eine weitere Überprüfung der Art der
Kostenbeteiligung des Bergbaus nicht geboten; die
substantiierten Darlegungen des Beklagten zur Art und Weise
der Beteiligung der Bergbauunternehmen an dem Ausgleich
bergbaubedingter Schäden sind von der Klägerseite nicht
substantiiert in Frage gestellt worden. Insbesondere reicht
insoweit der Hinweis darauf nicht aus, daß die
haushaltsrechtliche und kalkulationsmäßige Behandlung der als
Ersatzleistung übernommenen und der nicht mehr benötigten
Anlagen "unklar" sei. Soweit moniert wird, daß die
übernommenen Anlagen nicht nachgewiesen seien, hat dies
offensichtlich seinen Grund darin, daß die mit diesen Anlagen
verbundenen Kosten, wie der Beklagte dargelegt hat, nicht zu
Lasten der Gebührenpflichtigen in der Kalkulation angesetzt
worden sind, so daß sie auch nicht zum Nachweis der
Zulässigkeit der Kostenansätze aufgeführt werden müssen.
Dafür, daß der Umfang der außerhalb der Kalkulation
abgewickelten Kostenbeteiligung des Bergbaus die Grenzen des -
. oben dargelegten -. gemeindlichen Prognose-. und
Bewertungsspielraums überschreitet, sind konkrete
Anhaltspunkte weder vorgebracht noch drängen sich solche aus
den beigezogenen Unterlagen auf.</p>
<span class="absatzRechts">213</span><p class="absatzLinks">Soweit in bezug auf die Schadensverursachung durch Einleiter von der Geltendmachung
von Schadensersatzansprüchen in den meisten Fällen vollständig abgesehen wird, ist dies in
Ermangelung eindeutiger, die Verursachung durch einen bestimmten Einleiter
kennzeichnender Schadensbilder aus Kostengründen gerechtfertigt. Auch dem
Gebührenhaushalt ist nicht damit gedient, mit kostenintensiven Gerichtsverfahren
einschließlich etwaiger Beweiserhebungen durch Sachverständige trotz zweifelhafter
Erfolgsaussichten und ggf. nur begrenzter Verursachungsbeiträge im Einzelfall belastet zu
werden.</p>
<span class="absatzRechts">214</span><p class="absatzLinks">Angesichts der hiernach im vollen Umfang den gesetzlichen Anforderungen
entsprechenden Gebührenkalkulation kommt es zur Rechtfertigung der Gebührensätze auf die
vorgelegte Betriebsabrechnung nicht mehr an.</p>
<span class="absatzRechts">215</span><p class="absatzLinks">Der Hinweis, in Süddeutschland seien die Gebühren niedriger, ist rechtlich unbeachtlich,
insbesondere kann hiermit eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes des Art. 3 Abs. 1 GG
nicht mit Erfolg geltend gemacht werden. Höherrangiges Bundesrecht gebietet keine
einheitliche Gebührenbemessung, weil es keinen einheitlichen bundesrechtlichen Begriff der
Gebühr gibt, an den die Landesgesetzgebung gebunden wäre.</p>
<span class="absatzRechts">216</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Beschluß vom 9. September 1997 -. 8 B
185.97 -., ZKF 1998, 62, m.w.N.</p>
<span class="absatzRechts">217</span><p class="absatzLinks">Der Anspruch auf Gleichbehandlung gilt von vornherein nur innerhalb der Grenzen der
Rechtsetzungsgewalt der jeweiligen Gebietskörperschaft, </p>
<span class="absatzRechts">218</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Beschluß vom 9. September 1997,
a.a.O., S. 63, m.w.N.,</p>
<span class="absatzRechts">219</span><p class="absatzLinks">so daß es auf die Rechtslage in anderen Bundesländern und die dort ggf. gesetzlich
beschränkten Kalkulationsspielräume nicht ankommt.</p>
<span class="absatzRechts">220</span><p class="absatzLinks">Anhaltspunkte dafür, daß die individuelle Heranziehung auf der Grundlage der hiernach
wirksamen Satzungsbestimmungen der Höhe nach Fehler aufweist, sind nicht ersichtlich und
auch nicht geltend gemacht worden.</p>
<span class="absatzRechts">221</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 155 Abs.
1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit
beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">222</span><p class="absatzLinks">Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen
des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind. </p>
<span class="absatzRechts">223</span><p class="absatzLinks">
</p>
|
114,390 | ovgnrw-1999-09-01-9-a-334298 | {
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<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> Tatbestand:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks S. weg 15
in R. , das an die städtischen Einrichtungen der
Abwasser- und Abfallbeseitigung angeschlossen ist.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Mit Heranziehungsbescheid für Grundbesitzabgaben vom
16. Januar 1995 zog der Beklagte den Kläger für das genannte
Grundstück und das Jahr 1995 unter anderem zu Abwasser- und
Abfallbeseitigungsgebühren heran; wegen der Berechnung der
Gebühren im einzelnen wird auf den Inhalt des angefochtenen
Bescheides Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Nach erfolglosem Vorverfahren hat der Kläger hiergegen
Klage erhoben.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Während des Klageverfahrens setzte der Rat der Stadt
R. mit der 7. Änderungssatzung vom 20. Dezember
1996 den Grenzwert für den Abzug der nachweislich auf dem
Grundstück verbrauchten oder zurückgehaltenen Wassermengen
unter anderem rückwirkend für das Jahr 1995 auf 20 cbm/Jahr
herab (§ 2 Abs. 4 Satz 4 in der Fassung des § 1 Nr. 1 der 7.
Änderungssatzung vom 20. Dezember 1996).</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger, soweit diese
sich gegen die Erhebung der Abwasserbeseitigungsgebühren
gerichtet hat, geltend gemacht, daß die Gebühren, insbesondere
im Vergleich zu süddeutschen Städten, überhöht seien. </p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">den Grundbesitzabgabenbescheid vom
16. Januar 1995 hinsichtlich der
festgesetzten
Abwasserbeseitigungsgebühren und
Abfallentsorgungsgebühren und den
Widerspruchsbescheid vom 3. März 1995
aufzuheben.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Er hat die Auffassung vertreten, daß der Gebührensatz gemäß
den insoweit geltenden rechtlichen Anforderungen kalkuliert
worden und der auf dieser Grundlage erlassene
Heranziehungsbescheid daher rechtmäßig sei.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht der
Klage wegen Verstoßes gegen das Kostenüberschreitungsverbot
stattgegeben. Hinsichtlich der Abwasserbeseitigungsgebühren
hat es zur Begründung ausgeführt, daß das Abzugskapital zu
gering bemessen worden sei, da Kanalanschlußbeiträge insoweit
nicht berücksichtigt worden seien. Darüber hinaus liege eine
Verletzung des Kostenüberschreitungsverbots auch deshalb vor,
weil die hier zur Anwendung gelangte Kalkulationsmethode der
Kombination von Abschreibungen auf der Grundlage von
Wiederbeschaffungszeitwerten i.V.m. einer kalkulatorischen
Verzinsung mit einem Nominalzinssatz nach
betriebswirtschaftlichen Grundsätzen unzulässig sei. Wegen der
weiteren Begründung im einzelnen wird auf den Inhalt des
angefochtenen Urteils Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Hiergegen richtet sich die in bezug auf die
Abwasserbeseitigungsgebühren zugelassene Berufung des
Beklagten. Zur Begründung macht er im wesentlichen folgendes
geltend: Entgegen der Feststellung des Verwaltungsgerichts
seien die Kanalanschlußbeiträge bei der Erstellung der
Gebührenbedarfsberechnung dem Abzugskapital zugeordnet und
somit bei der Ermittlung der kalkulatorischen Zinsen nicht dem
zu verzinsenden Kapital zugerechnet worden. Die angewandte
Kalkulationsmethode entspreche den Vorgaben des
Kommunalabgabengesetzes und der neueren Rechtsprechung des
Berufungsgerichts. Die Umlage der Personalkosten für das
Leitungspersonal erfolge nach dem Gesamtkostenverfahren, einem
vereinfachenden Alternativverfahren, das ebenfalls von der
Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung
als praxisnahes Verfahren anerkannt sei. Soweit geltend
gemacht worden sei, daß bergbaubedingte Schäden und
Belastungen unzulässigerweise auf die Gebührenpflichtigen
abgewälzt würden, sei darauf hinzuweisen, daß weder im
Haushaltsplan noch in der Gebührenbedarfsberechnung
Schadensersatzleistungen für Bergbauschäden kalkuliert würden.
Die Stadt R. mache gleichwohl Schadensersatz
gegenüber dem Bergbau geltend. Dieser werde aber seitens des
Bergbaus nicht in Geld, sondern im Wege der sog.
Naturalrestitution geleistet. Die Festlegung der mutmaßlichen
Nutzungsdauer der Abwasseranlagen auf 50 Jahre sei in der
Siedlungsverdichtung, der Werkstoffbeschaffenheit und der
Zunahme von allgemeinen Haftungsansprüchen begründet. Bei der
kalkulatorischen Verzinsung sei ein Nominalzinssatz von 8 % in
Ansatz gebracht worden, der sich auf der Grundlage der
Rechtsprechung des Berufungsgerichts rechtfertige. In seinem
Urteil vom 5. August 1994 - 9 A 1248/92 - habe das
Berufungsgerichts für den langfristigen Zeitraum von 1952 bis
1992 einen derartigen Zinssatz für zulässig erachtet. Die
Durchschnittsverhältnisse, die bei der Ermittlung des
Zinssatzes für den hier in Rede stehenden Veranlagungszeitraum
1995 zugrundezulegen seien, hätten angesichts des lediglich um
drei Jahre erweiterten Betrachtungszeitraums eine Herabsetzung
des langfristigen durchschnittlichen Zinssatzes nicht geboten.
Abschließend werde auf das nunmehr vorliegende
Betriebsergebnis hingewiesen, das eine Kostenunterdeckung
ausweise.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">das angefochtene Urteil teilweise zu
ändern und die Klage gegen die
Heranziehung zu
Abwasserbeseitigungsgebühren
abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Zur Begründung macht er im wesentlich folgendes geltend: Es
bestehe der Verdacht, daß der Beklagte die Kosten für das
Leitungspersonal nicht entsprechend den Empfehlungen der
Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung,
sondern willkürlich umgelegt habe. In den vergangenen Jahren,
also auch im Veranlagungsjahr 1995, habe die Stadt
R. auf Schadensersatzforderungen gegenüber dem
Bergbau ganz oder fast ganz verzichtet, die durch die
Beseitigung von Bergbauschäden verursachten Kosten jedoch zu
Lasten des Gebührenzahlers in der Gebührenkalkulation bei
verschiedenen Kostenarten (Unterhaltung der Abwasseranlagen,
Abschreibung, Verzinsung) in Ansatz gebracht. Entsprechendes
gelte hinsichtlich der Schadensersatzforderungen gegen
Einleiter, die durch ihre Einleitungen Schäden an den
Entwässerungsanlagen verursacht hätten. Soweit im Rahmen der
Naturalrestitution neue Anlagen erworben worden seien, würden
diese nicht in den Unterlagen erscheinen. Wie dieser
Vermögenszuwachs bei der Gebührenkalkulation berücksichtigt
worden sei, sei ebenso unklar wie der Umgang mit den nicht
mehr benötigten Brunnen und anderen überflüssigen Anlagen. Im
übrigen werde die behauptete Naturalrestitution bezweifelt.
Die Abschreibungszeit für Abwasseranlagen von 50 Jahren sei
ungewöhnlich kurz. Angesichts der Information, daß nur zwei
Baufirmen für Kanalbaumaßnahmen im Geschäft seien, habe er
Zweifel, daß für Kanalbaumaßnahmen im Jahr 1995 die
Ausschreibung ordnungsgemäß durchgeführt worden sei. Die
Behauptung des Beklagten, das Abzugskapital sei nicht zu
gering bemessen, sei eine späte Ausrede. Diese Behauptung
werde vom Tatbestand des Urteils widerlegt. Die Höhe des
Zinssatzes von 8 % lasse die Niedrigzinsphase außer Betracht
und sei daher willkürlich. Aus dem Abwasserbeseitigungskonzept
gehe nicht hervor, daß die Kanalsanierungsmaßnahmen aus den
über die Abschreibungen erzielten Rücklagen finanziert würden.
Obwohl die Abschreibungen für diesen baulichen Zweck in die
Abwassergebühr eingerechnet worden seien, würden sie
widerrechtlich für ganz andere Zwecke ausgegeben. Im übrigen,
hinsichtlich der zur Anwendung gelangten Kalkulationsmethoden,
macht der Kläger sich die Auffassung des Verwaltungsgerichts
zu eigen. Darüber hinaus trägt er vor, daß auch die von der
Stadt R. veranschlagten Genossenschaftsbeiträge
zur Emschergenossenschaft zu hoch seien, weil die
Genossenschaftsbeiträge des Bergbaus zum Haushalt der
Emschergenossenschaft zu niedrig bemessen seien. Die
Emschergenossenschaft betreibe in ihrem Genossenschaftsgebiet
rund 100 Entwässerungspumpwerke zur Entwässerung von
Polderflächen. Nach telefonischer Auskunft der
Emschergenossenschaft würden der größere Teil der
Energiekosten und die anderen laufenden Betriebskosten der
Pumpen von den Mitgliedskommunen bezahlt. Entsprechendes
treffe auch auf den Lippeverband zu. Die laufenden
Betriebskosten der Entwässerungspumpwerke seien jedoch
ausschließlich von den Bergwerksgesellschaften zu übernehmen,
da die Entwässerung der Polderflächen allein zur Vermeidung,
Verminderung und Beseitigung von Bergschäden in der Landschaft
dienten.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des
Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der hierzu sowie zum Verfahren 9 A 3341/98
beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten, auf das
Lehrbuch von Wöhe "Einführung in die allgemeine
Betriebswirtschaftslehre", 19. Auflage 1996, sowie auf weitere
betriebswirtschaftliche Lehrbücher (Schmidt, Kostenrechnung,
1996; Mayer/Liessmann/Mertens, Kostenrechnung, 6. Aufl. 1996;
Steger, Kosten- und Leistungsrechnung, 1996; Hoitsch, Kosten-
und Erlösrechnung, 2. Aufl. 1997; Freidank, Kostenrechnung, 6.
Aufl. 1997; Kicherer, Kosten- und Leistungsrechnung, 1998;
Schweitzer/Küpper, Systeme der Kosten- und Erlösrechnung, 7.
Aufl. 1998) Bezug genommen; die vorgenannten
Verwaltungsvorgänge und sonstigen Unterlagen sind zum
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe:</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die zugelassene Berufung des Beklagten ist begründet. </p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Der Grundbesitzabgabenbescheid des Beklagten vom 16. Januar
1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. März
1995 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen
Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), soweit darin für das Jahr
1995 Abwasserbeseitigungsgebühren festgesetzt worden sind.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Rechtsgrundlage der angefochtenen Gebührenerhebung ist die
Gebührensatzung der Stadt R. für die
Abwasserbeseitigung vom 21. Dezember 1990 in der Gestalt der
5. Änderungssatzung vom 22. Dezember 1994 und der 7.
Änderungssatzung vom 20. Dezember 1996 (AGS). Deren Regelungen
sind, soweit die Satzung im Berufungsverfahren der rechtlichen
Überprüfung unterliegt, gültiges Satzungsrecht. </p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Der Gebührenmaßstab (einheitlicher Frischwassermaßstab nach § 2 AGS) ist für die
Umlegung der Kosten sowohl der Schmutzwasserbeseitigung als auch der
Niederschlagswasserbeseitigung grundsätzlich ein zulässiger Wahrscheinlichkeitsmaßstab
i.S.d. § 6 Abs. 3 Satz 2 des Kommunalabgabengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen
vom 21. Oktober 1969, GV NRW S. 712, in der für den Veranlagungszeitraum 1995
geltenden Fassung des Änderungsgesetzes vom 16. Dezember 1992, GV NRW S. 561 (KAG
a.F.).</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. September 1997 - 9 A
3373/96 -, NVwZ-RR 1998, 392, m.w.N..</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Er ist von der Klägerseite im Verfahren nicht beanstandet worden. Konkrete
Anhaltspunkte, die in bezug auf die Siedlungsstruktur,</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">vgl. hierzu: BVerwG, Beschluß vom 25. Februar 1972
- 7 B 92/70 -, KStZ 1972, 111 (112); OVG NRW, Urteil
vom 15. April 1991 - 9 A 803/88 -, Urteil vom 5. August
1994 - 9 A 1248/92 -, insoweit nicht veröffentlicht, Urteil
vom 25. April 1997 - 9 A 4821/95 -, </p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">in der Stadt R. für seine Unzulässigkeit sprechen, drängen sich dem erkennenden
Senat aus den vorliegenden Unterlagen nicht auf, so daß auch unter der Geltung des
Amtsermittlungsgrundsatzes (§§ 125 Abs. 1, 86 Abs. 1 VwGO) eine weitere Aufklärung des
Sachverhalts in dieser Richtung nicht geboten ist.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Soweit die Regelung in § 2 Abs. 4 der Gebührensatzung i.d.F. der 5. Änderungssatzung
vom 22. Dezember 1994 hinsichtlich des Grenzwertes von 60 cbm für den Abzug von
nachweislich auf dem Grundstück verbrauchten oder zurückgehaltenen Wassermengen für
laufend wiederkehrende Verwendungszwecke (§ 2 Abs. 4 a der Gebührensatzung) und des
darüber hinaus festgelegten vollständigen Ausschlusses von zur Speisung von
Heizungsanlagen verbrauchtem, von hauswirtschaftlich genutztem und von zum Sprengen
von Hof und Vorgärten verwendetem Wasser (§ 2 Abs. 4 b-d der Gebührensatzung)
angesichts der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des erkennenden
Senats,</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">vgl. die Zusammenfassung in OVG NRW, Urteil vom
19. September 1997, a.a.O.,</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">begründeten Zweifeln unterlag, hat der Rat der Stadt R. diesen Bedenken
Rechnung getragen. Mit der 7. Änderungssatzung vom 20. Dezember 1996 hat er
rückwirkend unter anderem für den hier maßgebenden Veranlagungszeitraum 1995 die
Ausschlußtatbestände des § 2 Abs. 4 b - d der Gebührensatzung aufgehoben und den nunmehr
für sämtliche zurückgehaltenen oder verbrauchten Wassermengen geltenden Grenzwert auf 20
cbm reduziert. Eine darüber hinausgehende Reduzierung des Grenzwertes auf einen Wert
unter 20 cbm oder ein völliges Absehen von einem Grenzwert ist für den
Veranlagungszeitraum nicht zwingend geboten. Vielmehr sind im Rahmen des dem
Ortsgesetzgeber bei der Festlegung des Gebührenmaßstabes zustehenden weiten
Organisationsermessens,</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. September 1997,
a.a.O., m.w.N.,</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">etwaige verbleibende Ungleichbehandlungen innerhalb der Gruppen der
Gebührenpflichtigen durch den Grundsatz der Verwaltungspraktikabilität gerechtfertigt. Die
sich ergebenden Jahresbeträge liegen mit 68,00 DM (3,40 DM - § 3 Abs. 1 AGS - x 20 cbm),
38,00 DM (1,90 DM - § 3 Abs. 2 AGS - x 20 cbm) und 30,00 DM (1,50 DM - § 3 Abs. 3
AGS - x 20 cbm) unter der Schwelle der Erheblichkeit.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Die hier streitigen Gebührensätze des § 3 AGS begegnen im Ergebnis keinen materiell-
rechtlichen Bedenken.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Ein Verstoß gegen das Kostenüberschreitungsverbot des § 6 Abs. 1 Satz 3 KAG a.F. liegt
nicht vor.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Konkrete Anhaltspunkte dafür, daß in den in der Gebührenkalkulation mit
3.189.544,00 DM veranschlagten Personalkosten Kosten für Mitarbeiter enthalten sind, die
nach der Prognose im Veranlagungszeitraum 1995 nicht für die gemeindliche Einrichtung
Abwasserbeseitigung tätig werden sollten, oder daß etwa die anteiligen Kosten der
Querschnittsämter der Höhe nach fehlerhaft veranschlagt worden sind, sind nicht ersichtlich.
Das zur Ermittlung der anteiligen Kosten der zentralen Verwaltungsbereiche
(Verwaltungsgemeinkosten) praktizierte und vom Beklagten im Berufungsverfahren erläuterte
Gesamtkostenverfahren läßt fehlerhafte methodische Ansätze nicht erkennen. Der
veranschlagte Betrag ist auch der Höhe nach nicht geeignet, den erkennenden Senat im
Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes zu weitergehenden Sachverhaltsermittlungen zu
veranlassen. Er bewegt sich nach der aus einer Vielzahl von Verfahren gewonnenen
Erfahrung des erkennenden Senats in einem für gebührenkalkulierende Einrichtungen der
Abwasserbeseitigung üblichen Rahmen. Der Personalkostenansatz läßt auch im Verhältnis zu
den veranschlagten Gesamtkosten von 30.895.016,00 DM (10,3 %) bzw. 25.232.906,00 DM
(12,6 %) nicht einmal ansatzweise ein signifikantes Ungleichgewicht erkennen, das auf die
unzulässige Einbeziehung betriebsfremder Kosten hindeuten könnte. </p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Auch die Veranschlagung der Verbandsbeiträge mit insgesamt 11.181.933,00 DM
(Emschergenossenschaft: 11.082.594,00 DM; Lippeverband: 99.339,00 DM) hält der
rechtlichen Überprüfung stand. Der Vortrag, die Verbände entwässerten durch
Bergsenkungen entstandene Polderflächen und der überwiegende Teil der laufenden
Betriebskosten der hierfür erforderlichen Pumpen werde von den Mitgliedskommunen
bezahlt, obwohl diese Pumpwerke allein zur Vermeidung, Verminderung oder Beseitigung
von Bergschäden in der Landschaft dienten, rechtfertigt selbst dann, wenn diese Schilderung
zuträfe, nicht die Annahme, daß die Kostenprognose insoweit fehlerhaft ist.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Gemäß § 7 Abs. 1 KAG a.F. ist die Gemeinde berechtigt, die von ihr für die
Mitgliedschaft in einem Wasser- oder Bodenverband zu zahlenden Beiträge und Umlagen
nach den Grundsätzen des § 6 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 KAG a.F. durch Gebühren denjenigen
aufzuerlegen, die Einrichtungen und Anlagen des Verbandes in Anspruch nehmen oder denen
der Verband durch seine Einrichtungen, Anlagen und Maßnahmen Vorteile gewährt. Nach
dem Gesetzeswortlaut sind damit sämtliche seitens der Gemeinde dem Verband geschuldeten
(... zu zahlenden ...) Verbandslasten durch eine selbständige Abwälzungsgebühr umlegbar, da
§ 7 Abs. 1 KAG a.F. darauf ausgerichtet ist, den Gemeinden eine vollständige
Refinanzierungsmöglichkeit bezüglich der in § 7 Abs. 1 KAG a.F. aufgeführten
Verbandslasten zu verschaffen. Den Kreis derjenigen, auf die die (gesamten) Verbandslasten
umgelegt werden können, legt § 7 Abs. 1 Satz 1 KAG a.F. auf diejenigen fest, die - überhaupt
- Einrichtungen und Anlagen des Verbandes in Anspruch nehmen oder denen der Verband -
allgemein - durch seine Einrichtungen, Anlagen und Maßnahmen Vorteile gewährt. Das
Gesetz enthält keine Verknüpfung dahin, daß den Betreffenden Verbandslasten nur für die
speziell von ihnen benutzten Verbandsanlagen oder den ihnen durch den Verband im
Einzelfall konkret gewährten Vorteil überbürdet werden dürfen. </p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. Juli
1997 - 9 A 2933/95 - StuGR 1998,
306.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Statt eine selbständige Abwälzungsgebühr zu erheben, können die Verbandslasten auch
im Rahmen einer Benutzungsgebühr, hier der Abwasserbeseitigungsgebühr, abgewälzt
werden. Dies gilt jedoch nur mit Einschränkungen. In die Entwässerungsgebühren können nur
diejenigen Kosten einbezogen werden, die der Gemeinde für ihre Verbandsmitgliedschaft im
Zusammenhang mit der von ihr betriebenen gemeindlichen Einrichtung der
Abwasserbeseitigung entstehen. </p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 26. Februar
1982 - 2 A 1667/79 -, GemH 1983, 113,
Urteil vom 1. Februar 1988 - 2 A
1883/80 -, OVGE 39, 277 (281 f), Urteil
vom 15. Februar 1989 - 2 A 2452/85 -,
Urteil vom 22. März 1990 - 2 A
2113/86 -.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Ein derartiger Zusammenhang zwischen dem auf das Abpumpen der Polderflächen
entfallenden Beitragsanteil und der Abwasserbeseitigung durch die Stadt R. liegt auf
der Hand: würde das Abpumpen unterbleiben, liefen, wie ausdrücklich vorgetragen worden
ist, die Poldergebiete voll und große, zum Teil dicht besiedelte Gebiete stünden unter Wasser.
In den dicht besiedelten und damit auch kanalisierten Gebieten würde das Wasser, sei es über
die Kanalöffnungen, sei es über undichte Rohre bzw. undichte Rohrverbindungen in die
Kanalisation eindringen und sich angesichts der für diese Wassermassen nicht ausgelegten
Kanalquerschnitte auf- und zurückstauen und damit die Ableitung des Abwassers gefährden,
wenn nicht gar verhindern. </p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Daß der Grund für die Notwendigkeit, die Poldergebiete zu entwässern, möglicherweise
allein durch den Bergbau gesetzt worden ist - wie behauptet wird -, mag zutreffen. Hierauf
kommt es jedoch nicht an. Denn, wie im Fall der selbständigen Abwälzungsgebühr, ist dann,
wenn - wie hier - der Verband der Gemeinde bzw. den Anschlußnehmern durch seine
Maßnahmen überhaupt einen Vorteil gewährt, auch über die Benutzungsgebühr insoweit die
vollständige Refinanzierung zulässig. </p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Eine Grenze bei der Veranschlagung der Verbandsbeiträge ist - wie in anderen Fällen der
Kostenprognose auch - lediglich dort gegeben, wo aufgrund des Kenntnisstandes im
Prognosezeitpunkt eine Reduzierung des Verbandsbeitrages abzusehen und selbst unter
Berücksichtigung eines etwaigen Prozeßrisikos oder sonstiger Unwägbarkeiten jeder andere
als der niedrigere Kostenansatz unvertretbar, d.h. ermessensfehlerhaft, gewesen wäre.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Vgl. zum Prognosespielraum zuletzt: OVG NRW,
Beschluß vom 9. August 1999 - 9 A 3133/97 -.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Hier ist bereits die erste Voraussetzung nicht erfüllt. Eine Reduzierung des
Verbandsbeitrages aus Rechtsgründen war für die Stadt R. im Zeitpunkt der
Kostenprognose Ende 1994 nicht abzusehen. Denn die unter anderem der Finanzierung des
Ausgleichs bergbaubedingter wasserwirtschaftlicher Veränderungen dienenden Beiträge zur
Emschergenossenschaft und zum Lippeverband, </p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">vgl. §§ 2 Abs. 1 Nr. 5, 3, 24 ff. des Gesetzes über die
Emschergenossenschaft - Emschergenossenschaftsgesetz -
(EmscherGG) vom 7. Februar 1990, GV NRW S. 144, in
der Fassung des Änderungsgesetzes vom 15. Dezember
1992, GV NRW 1993, S. 62, und §§ 2 Abs. 1 Nr. 5, 3, 25
ff. des Gesetzes über den Lippeverband -
Lippeverbandsgesetz - (LippeVG) vom 7. Februar 1990,
GV NRW S. 162, in der Fassung des Änderungsgesetzes
vom 15. Dezember 1992, GV NRW 1993, S. 62,</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">waren im Veranlagungszeitraum 1995 zu verteilen nach dem Verhältnis zum einen der
mittelbaren oder unmittelbaren Vorteile, die die Genossen/Mitglieder von der Durchführung
der Aufgaben der Genossenschaft/des Verbandes haben oder zu erwarten haben und zum
anderen der Kosten, die die Genossenschaft/der Verband auf sich nimmt, um von
Genossen/Verbandsmitgliedern herbeigeführte oder zu erwartende nachteilige Veränderungen
im Genossenschaftsgebiet/Verbandsgebiets zu vermeiden, zu vermindern, zu beseitigen oder
auszugleichen oder ihnen obliegende Leistungen abzunehmen. Für die Festlegung der
Beitragsmaßstäbe in den Veranlagungsgrundsätzen reichte eine annähernde Ermittlung der
Vorteile und nachteiligen Veränderungen aus. </p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Vgl. §§ 25 Abs. 1 und 3, 26 Abs. 1
EmscherGG und § 20 Abs. 1 der Satzung
für die Emschergenossenschaft vom
22. Januar 1991, GV NRW S. 26; § 26
Abs. 1 und 3, 27 Abs. 1 LippeVG und
§ 20 Abs. 1 der Satzung für den
Lippeverband vom 29. Januar 1991, GV
NRW S. 30.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Anhaltspunkte dafür, daß diese Beitragsmaßstäbe als solche mit höherrangigem Recht
unvereinbar sind, sind nicht gegeben; auch von der Klägerseite sind insoweit keine Einwände
vorgebracht worden. Daß in Anwendung dieser Grundsätze der den Verbänden zukommende
Bewertungsspielraum überschritten worden ist, ist nicht ersichtlich. Ein Ermessensfehler
ergibt sich insbesondere nicht daraus, daß, wie vorgetragen worden ist, die laufenden
Betriebskosten für den Betrieb der Pumpwerke zur Entwässerung der Polderflächen zum
überwiegenden Teil auf die Mitgliedsgemeinden umgelegt worden seien. Denn die
Mitbeteiligung der Gemeinden der Bergbauregionen an der Entwässerung der Polderflächen
ist dem Grunde nach sachlich gerechtfertigt. Sie trägt zum einen der unauflösbaren
Gemengelage von Bergbau und gleichzeitigem kontinuierlichem Siedlungsbau in bzw. in der
Nähe von Bergbaugebieten und den insoweit nicht ohne weiteres ausschließlich dem Bergbau
zuzurechnenden Verursachungsanteilen an den wasserwirtschaftlichen Mißständen in den
besiedelten Gebieten und zum anderen den aus dieser Gemengelage sowohl seitens der
Gemeinden als auch seitens des Bergbaus in der Vergangenheit gezogenen Vorteilen
Rechnung. Anhaltspunkte dafür, daß mit der konkreten Ausgestaltung der Kostenaufteilung
(Kosten des Baus und der Erweiterung der Pumpen sowie der kleinere Teil der laufenden
Betriebskosten zu Lasten der Bergbauunternehmen, der übrige Teil der laufenden
Betriebskosten zu Lasten der Gemeinden) die Grenze der lediglich "annähernd" zu
erfolgenden Vorteils- und Nachteilsbemessung überschritten worden ist und seitens der Stadt
R. im Zeitpunkt der Kostenprognose Ende 1994 für den Veranlagungszeitraum 1995
mit einer Änderung der Beitragsbemessung und einer deutlichen Senkung des auf sie
entfallenden Genossenschafts-/Verbandsbeitrages zu rechnen war, sind weder ersichtlich noch
vorgetragen. </p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Schließlich hat auch die Veranschlagung der kalkulatorischen Kosten (Abschreibungen
und Zinsen) im Ergebnis Bestand. </p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Die Methode der Ermittlung der kalkulatorischen Kosten ist nicht zu beanstanden.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist der Ansatz kalkulatorischer Zinsen
auf der Grundlage von Anschaffungs(rest)werten in Verbindung mit einem Nominalzins auch
dann nach § 6 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz i.V.m. § 6 Abs. 1 KAG a.F. in der
Gebührenkalkulation zulässig, wenn die kalkulatorischen Abschreibungen, wie hier teilweise,
auf der Grundlage von Wiederbeschaffungszeitwerten berechnet werden.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Dies entspricht nach wie vor betriebswirtschaftlichen Grundsätzen i.S.d. § 6 Abs. 2 Sätze
1 u. 2 KAG a.F. und der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. August 1994 - 9 A
1248/92 -, GemH 1994, 233 m.w.N., zuletzt bestätigt unter
Bezugnahme auf das mittlerweile in der 19. Auflage
erschienene betriebswirtschaftliche Standardwerk des
anerkannten Betriebswirtschaftlers Prof. Dr. Dr. h.c. mult.
Wöhe, "Einführung in die allgemeine
Betriebswirtschaftslehre", S. 1263, 1266: OVG NRW,
Urteil vom 19. Mai 1998 - 9 A 5709/97 -, StuGR 1998,
310.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Soweit das Verwaltungsgericht zu der Auffassung gelangt ist, daß die Ausführungen in
dem vorgenannten betriebswirtschaftlichen Lehrbuch zu den einzelnen kalkulatorischen
Kosten, insbesondere Abschreibungen nach Wiederbeschaffungszeitwert und Nominalzinsen
vom Anschaffungsrestwert, nur jeweils für sich zu betrachten seien, ohne eine Aussage über
eine Kombination beider Rechenweisen zu treffen, fehlt es für eine derartige einschränkende
Interpretation an konkreten Anhaltspunkten. Vielmehr enthält das entsprechende Kapitel -
bezeichnenderweise unter der Überschrift "II. Die Betriebsabrechnung, 1. Die
Kostenartenrechnung, b) Die Erfassung der wichtigsten Kostenarten, dd) Die kalkulatorischen
Kostenarten" - unter den Gliederungspunkt "(1) Begriff und Aufgaben" eine Auflistung der
wichtigsten in der Betriebswirtschaft anerkannten kalkulatorischen Kostenansätze (Die
kalkulatorischen Abschreibungen, die kalkulatorischen Zinsen, der kalkulatorische
Unternehmerlohn, die kalkulatorischen Wagniszuschläge und die kalkulatorische Miete), die
in den folgenden Gliederungspunkten (2) - (6) näher erläutert werden und in ihrer Gesamtheit
gerade ohne jede wechselseitige Einschränkung dem Zweck dienen sollen, die Genauigkeit
der Kostenrechnung zu erhöhen. </p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Die isolierte, traditionelle Kostenbetrachtung im Rahmen betriebswirtschaftlicher
Grundsätze, wie sie im Ergebnis in der Rechtsprechung des erkennenden Senats zum
Ausdruck kommt, ist auch nach neuesten Erkenntnissen (weiterhin) zulässig, weil die damit
verbundenen Kostenanschauungen in der Betriebswirtschaftslehre unverändert mit
beachtlichem wissenschaftlichen Gewicht vertreten werden "und in der Praxis sogar
überragende Bedeutung haben."</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Vgl. Gawel, Zur Interdependenz kalkulatorischer
Kostenarten in der Gebührenbedarfsberechnung, KStZ
1999, 61 (91); im übrigen auch: Tettinger, Entgelte in der
Entsorgungswirtschaft, NWVBl. 1996, 81 (84), sowie die
in der Fachhochschul- und Universitätsausbildung
verwendeten aktuellen Werke, wie z. B.: Schmidt,
Kostenrechnung, 1996, S.61 ff. und 75 ff.; Mayer/Liess-
mann/Mertens, Kostenrechnung, 6. Aufl. 1996, S. 123 ff.
und 130 ff.; Steger, Kosten- und Leistungsrechnung, 1996,
S. 189 ff. und 219 ff.; Hoitsch, Kosten- und
Erlösrechnung, 2. Aufl. 1997, S. 233 ff.; Freidank,
Kostenrechnung, 6. Aufl. 1997, S. 111 ff. und 125 ff.;
Kicherer, Kosten- und Leistungsrechnung, 1998, S. 97 ff.
und 106 ff.; Schweitzer/Küpper, Systeme der Kosten- und
Erlösrechnung, 7. Aufl. 1998, S. 114 ff..</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Aufgrund der durch die ständige Befassung mit der Materie vorhandenen und durch die
vorzitierten betriebswirtschaftlichen Werke dem erkennenden Senat zusätzlich vermittelten
Sachkunde war die Einholung eines Sachverständigengutachtens nach dem
Amtsermittlungsgrundsatz nicht geboten. </p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Vgl. zur Entbehrlichkeit der Einholung eines
Sachverständigengutachtens bei eigener Sachkunde des
Gerichts etwa: BVerwG, Urteil vom 10. November 1983 -
3 C 56.82 -, BVerwGE 68, 177 (182), Beschlüsse vom
19. November 1998 - 8 B 148.98 -, und vom 11. Februar
1999 - 9 B 381.98 -, InfAuslR 1999, 365.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Ein allgemeiner Wandel in den betriebswirtschaftlichen Lehrmeinungen dahingehend,
daß es im Veranlagungszeitraum (1995) allgemein bei Wirtschaftsbetrieben (und nicht nur bei
Wirtschaftsbetrieben der öffentlichen Hand) nur noch zulässig gewesen sein soll, eine
kalkulatorische Nominalverzinsung auf der Grundlage von Anschaffungs(rest)werten
ausschließlich i.V.m. Abschreibungen auf Anschaffungswertbasis zu berechnen, ist damit
entgegen der Meinung des Verwaltungsgerichts nicht eingetreten. </p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Vgl. Gawel, a.a.O., S. 94 f..</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Nicht gefolgt werden kann der Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Definition des
Begriffs der betriebswirtschaftlichen Grundsätze seitens des erkennenden Senats verstoße
gegen juristische Auslegungsgrundsätze und sei mit Art. 19 Abs. 4 GG nicht zu vereinbaren,
weil eine gesetzliche Zielbestimmung bei der Auswahl der betriebswirtschaftlichen
Grundsätze außer acht gelassen werde.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 5. November
1998 - 13 K 8767/96 -, GemH 1999, S. 18 ff. (19).</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Abgesehen davon, daß der innere Zusammenhang der hier zu entscheidenden materiell-
rechtlichen Fragen mit der vom Verwaltungsgericht angeführten prozessualen
Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG jedenfalls nicht ohne weiteres erkennbar ist, trifft
die Kritik auch in der Sache nicht zu. Die Definition der betriebswirtschaftlichen Grundsätze
i.S.d. § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG a.F. als beachtliche Lehrmeinungen, die für allgemeine
Wirtschaftsbetriebe und nicht für Wirtschaftsbetriebe der öffentlichen Hand gelten, entspricht
dem insoweit eindeutigen Willen des Gesetzgebers.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Der Landesgesetzgeber hat über § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG a.F. gerade in Anerkennung der
Regelungsdefizite der öffentlichen Haushaltswirtschaft in bezug auf die nach § 4 Abs. 2 KAG
a.F. erforderliche periodengerechte Kostenverteilung den in der Privatwirtschaft
maßgebenden betriebswirtschaftlichen Grundsätzen bewußt den Vorrang eingeräumt, im
übrigen aber sogar ausdrücklich auf eine erschöpfende Regelung des betriebswirtschaftlichen
Kostenbegriffs aufgrund der in der Betriebswirtschaftslehre herrschenden
Meinungsverschiedenheiten verzichtet.</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Vgl. LT-Drucks. 6/810 S. 34, 35.</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">Die damit intendierte Übernahme betriebswirtschaftlicher Grundsätze der Privatwirtschaft
unter bewußtem Verzicht auf eine umfassende normative Entscheidung zwischen
divergierenden betriebswirtschaftlichen Auffassungen schließt eine Verengung des zu
berücksichtigenden Kreises der beachtlichen betriebswirtschaftlichen Lehrmeinungen durch
die Rechtsprechung grundsätzlich aus, es sei denn, dem Gesetz selbst sind - sei es durch
Auslegung sei es durch ausdrückliche Regelungen - bestimmte Festlegungen zu den
ansatzfähigen Kosten zu entnehmen. </p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Vgl. zum Vorrang gesetzlicher Vorgaben etwa: OVG
NRW, Urteil vom 5. August 1994, a.a.O., S. 233.</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">Soweit es an solchen Vorgaben fehlt, beanspruchen sämtliche in der Betriebswirtschaft
mit beachtlichem Gewicht vertretenen Lehrmeinungen über § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG a.F.
Rechtsgeltung und eröffnen der Gemeinde ein diesbezügliches Wahlrecht. </p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. August 1994, a.a.O.,
S. 233 m.w.N..</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Es ist nicht Aufgabe der Verwaltungsgerichte zu entscheiden, welche insoweit zu
berücksichtigende betriebswirtschaftlich begründete Auffassung "richtig" ist.</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">Vgl. schon: OVG NRW, Urteil vom 26. Februar 1982,
a.a.O., S. 117.</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">In bezug auf die Ansatzfähigkeit der kalkulatorischen Kosten sind finanzwirtschaftliche
Festlegungen des Landesgesetzgebers, die eine Beschränkung der zulässigen
Kalkulationsmethoden allein auf das vom Verwaltungsgericht alternativ für zulässig erachtete
Anschaffungswert- oder Wiederbeschaffungswertmodell geböten, nicht festzustellen. Im
Gegenteil, eine derartige Zielbestimmung widerspricht eindeutig der Intention des
Landesgesetzgebers, wie sie sich in bezug auf die kalkulatorischen Kosten aus dem Gesetz
selbst und den zur Auslegung heranzuziehenden Gesetzesmaterialien ergibt.</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, hat der erkennende Senat in
seinem Urteil vom 5. August 1994, a.a.O., den Sinn und Zweck des Gesetzes dahingehend
interpretiert, daß die Gemeinden in die Lage versetzt werden sollen, die dem gemeindlichen
Betrieb obliegende Aufgabenerfüllung ohne Belastung des allgemeinen Verwaltungshaushalts
auf Dauer dadurch sicherzustellen, daß kostendeckende Gebühren erhoben werden. "Aus
dieser Zielsetzung folgt, daß nicht nur die mit dem Betrieb der Anlage verbundenen
pagatorischen Ausgaben über Gebühreneinnahmen erwirtschaftet werden müssen, sondern
auch ausreichende finanzielle Mittel für die Ersatzbeschaffung der Anlage anzusammeln
sind".</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. August 1994, a.a.O.,
S. 236.</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">Hieraus allerdings den Schluß zu ziehen, daß danach die Gemeinde durch die
Gebühreneinnahmen am Ende der Nutzungszeit wirtschaftlich so gestellt werden solle wie zu
deren Beginn,</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 5. November
1998, a.a.O., S. 20, </p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">bzw. daß der Gemeinde durch die in einen eigenen Betrieb getätigten Investitionen auf
Dauer weder Nutzen entstehen noch ein solcher entzogen werden dürfe,</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">vgl. das hier angefochtene Urteil des VG
Gelsenkirchen, S. 11 UA, sowie VG Gelsenkirchen, Urteil
vom 9. Oktober 1997 - 13 K 3766/95 -, NWVBl. 1998, 32
(33),</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">erweist sich als unzutreffend. Denn eine derartige Zielbestimmung widerspricht eindeutig
der Intention des Landesgesetzgebers.</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">Hiernach sind entgegen der vom Verwaltungsgericht vertretenen Interdependenz der
kalkulatorischen Kostenarten (Abschrei-bungen und Zinsen) die kalkulatorischen Zinsen
einerseits und die kalkulatorischen Abschreibungen andererseits in ihrer jeweiligen
finanzwirtschaftlichen Funktion zu trennen.</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">Den kalkulatorischen Zinsen ist dabei gerade nicht eine unmittelbar auf die
Substanzerhaltung der jeweiligen zur Leistungserbringung eingesetzten Anlage gerichtete
Funktion zuzumessen; Zweck und innere Rechtfertigung der über die Gebühren
umzulegenden Kosten der kalkulatorischen Verzinsung ist vielmehr (und allein) die
Gewährleistung eines Ausgleichs für die durch die Aufbringung des in der Anlage
gebundenen Kapitals seitens der Gemeinde zu tragenden finanziellen Belastungen. </p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">Der Begründung der Landesregierung zum (zweiten) Entwurf eines
Kommunalabgabengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 9. Juli 1968 ist zu
entnehmen, daß die gebührenrelevante Kapitalverzinsung sowohl das Fremdkapital als auch
das Eigenkapital umfaßt. Sie sei zusammengefaßt worden, um einen einheitlichen Satz für das
gesamte Kapital (soweit es nicht nach dem letzten Halbsatz von der Verzinsung
ausgeschlossen sei) zuzulassen. Dies ermögliche einen gleichmäßigen Gebührensatz auch bei
schwankender oder - wie bei Annuitätendarlehen - jährlich abnehmender Höhe der
Fremdkapitalzinsen. Es bleibe den Gemeinden aber freigestellt, den Fremdkapitalzins in
voller Höhe (Hervorhebung durch den Senat) und im übrigen einen angemessenen
Eigenkapitalzins anzusetzen.</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">Vgl. LT-Drucks. 6/810, S. 35, 36.</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">Der danach zugelassene Ansatz der Fremdkapitalzinsen in voller Höhe kennzeichnet
eindeutig die Zielsetzung, über die kalkulatorische Verzinsung des für die jeweilige
Investition aufgenommenen Fremdkapitals einen Ausgleich der tatsächlichen finanziellen
Zinsbelastung (Effektivzinsen, Nominalzinsen) der Gemeinde zu bewirken, ihr im Rahmen
der Bestimmung des "angemessenen" Zinssatzes aber darüber hinaus die Möglichkeit zu
eröffnen, von einer zeit- und kostenintensiven Erfassung schwankender tatsächlicher
Zinsbelastungen abzusehen und insoweit für die Leistungsperiode einen an der tatsächlichen
Zinsbelastung ausgerichteten einheitlichen Zinssatz der Gebührenkalkulation
zugrundezulegen. </p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">Entsprechendes galt nach der Vorstellung des Landesgesetzgebers auch für die ebenfalls
über die Gebühren umzulegenden Kosten der Eigenkapitalverzinsung. Der Eigenkapitalzins -
wie der Fremdkapitalzins Wertverzehr der Leistungserstellung - rechtfertige sich aus der
Erwägung heraus, daß der Benutzer einer kommunalen Einrichtung dem allgemeinen
Steuerzahler, der die Einrichtung ganz oder teilweise finanziert habe, dafür einen Zins zu
entrichten habe.</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">Vgl. LT-Drucks. 6/810, S. 36; im übrigen auch:
Protokoll Nr. 1246/69 des Kommunalpolitischen
Ausschusses über die 57. Sitzung vom 23. Mai 1969, S. 2
(Ausführungen zum Änderungsvorschlag Nr. 29 der
Vorlage 903).</p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks">Dies beruht letztlich auf dem Gedanken, daß das in der Anlage gebundene Eigenkapital
der Gemeinde nicht zur Erfüllung anderweitiger öffentlicher Aufgaben eingesetzt werden und
daher an anderer Stelle zu Lasten des allgemeinen Haushalts keine Zinserträge erwirtschaften
bzw. Zinsleistungen für Fremdkapital ersparen kann.</p>
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Beschluß vom 19. September 1983 - 8
B 117.82 -, KStZ 1984, 11; OVG NRW, Urteil vom
5. August 1994, a.a.O., S. 238. </p>
<span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks">Die somit nach dem Willen des Landesgesetzgebers der kalkulatorischen Verzinsung des
Eigenkapitals zukommende Ausgleichsfunktion zielt ihrer Natur nach ebenfalls auf die am
Kapitalmarkt zu erlangenden tatsächlichen Zinsen (Effektiv- bzw. Nominalzinsen) ab. Daß
während des Gesetzgebungsverfahrens, insbesondere in bezug auf die Verzinsung des
Eigenkapitals, ausschließlich die tatsächlichen Kapitalmarktkonditionen in den Blick
genommen wurden, verdeutlicht etwa die Beratung des Kommunalpolitischen Ausschusses
vom 23. Mai 1969. Im Lauf der Beratungen kam der Änderungsvorschlag Nr. 31 der Vorlage
903 zur Sprache. Hierbei handelte es sich um die Anregung des Verbandes der Deutschen
Gas- und Wasserwerke, wonach in dem Gesetz bestimmt werden solle, daß das Eigenkapital
zu einem Satz verzinst werde, der dem Kapitalmarktzins für langfristige Anlagen entspreche.
Dieser Anregung wurde mit der Begründung nicht entsprochen, daß es nicht "den" Zins für
langfristige Anlagen gebe, "sondern es gebe unterschiedliche Zinssätze für die verschiedenen
Teilmärkte des Kapitalmarkts."</p>
<span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks">Vgl. Ausschußprot. Nr. 1246/69, S. 3.</p>
<span class="absatzRechts">92</span><p class="absatzLinks">Die damit seitens des Landesgesetzgebers der kalkulatorischen Verzinsung zugedachte
finanzwirtschaftliche Funktion eines Belastungsausgleichs für das in der Anlage gebundene
Kapital zugunsten der Fremkapitalgläubiger und des allgemeinen Haushalts bietet keinen
Anhaltspunkt, im Wege der Auslegung zu einer anderweitigen Zweckbestimmung der aus der
kalkulatorischen Verzinsung erwirtschafteten Gebührenbeträge zu gelangen. </p>
<span class="absatzRechts">93</span><p class="absatzLinks">Darüber hinaus hindert die Orientierung der kalkulatorischen Verzinsung an den
tatsächlichen Zinskonditionen des Kapitalmarkts die Annahme, der Landesgesetzgeber habe
die Gemeinden verpflichten wollen, nunmehr zu ihren Lasten den Kapitalmarktzins auf einen
sog. "Realzins" zu reduzieren und den insoweit noch offenen Belastungsausgleich anderweitig
zu finanzieren.</p>
<span class="absatzRechts">94</span><p class="absatzLinks">Erschöpft sich damit die finanzwirtschaftliche Funktion der kalkulatorischen Verzinsung
in der Gewährleistung des Belastungsausgleichs, kommt allein der kalkulatorischen
Abschreibung die Funktion zu, diejenigen finanziellen Mittel zu erwirtschaften, die es der
Gemeinde ermöglichen, eine Ersatzbeschaffung/Wiederbeschaffung der Anlage zu
finanzieren. Dementsprechend hat auch der erkennende Senat im Verfahren 9 A 1248/92 bei
der Korrektur der Grundlage der kalkulatorischen Verzinsung in Übereinstimmung mit den
Ausführungen des seinerzeit beauftragten Sachverständigen nicht der kalkulatorischen
Verzinsung die Funktion der Substanzerhaltung (der Anlage) beigemessen. "Dem
Substanzerhaltungserfordernis werde schon durch die Abschreibung vom
Wiederbeschaffungszeitwert - und damit innerhalb der zutreffenden Kostenart - Rechnung
getragen".</p>
<span class="absatzRechts">95</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. August 1994, a.a.O.,
S. 238. </p>
<span class="absatzRechts">96</span><p class="absatzLinks">Die isolierte Betrachtung der beiden kalkulatorischen Kostenarten Abschreibung und
Verzinsung gilt nach dem Willen des Landesgesetzgebers auch dann, wenn die
Abschreibungen nach dem Wiederbeschaffungszeitwert vorgenommen werden. Insoweit kann
nicht unberücksichtigt bleiben, daß - worauf das Berufungsgericht in ständiger
Rechtsprechung hingewiesen hat - der Landesgesetzgeber zugunsten der Gemeinden
ausdrücklich die Wahlmöglichkeit eröffnen wollte, Abschreibungen nach dem
Wiederbeschaffungszeitwert vorzunehmen,</p>
<span class="absatzRechts">97</span><p class="absatzLinks">vgl. OVG NRW, Urteil vom 21. Juni 1979 - II A
1628/77 -, MittNWStGB 1979, 334, Urteil vom
26. Februar 1982, a.a.O., Urteil vom 27. Oktober 1992 - 9
A 835/91 -, StuGR 1993, 313, Urteil vom 5. August 1994,
a.a.O., S. 235 ,</p>
<span class="absatzRechts">98</span><p class="absatzLinks">ohne insoweit mit Blick auf die Funktion der kalkulatorischen Verzinsung und deren
Orientierung an den tatsächlichen Kapitalmarktkonditionen wechselseitige Einschränkungen -
etwa aus dem Verständnis der betriebswirtschaftlichen Grundsätze als einem übergreifenden
Ordnungssystem - auch nur ansatzweise in Betracht zu ziehen. </p>
<span class="absatzRechts">99</span><p class="absatzLinks">Angesichts der divergierenden Funktionsbestimmungen der kalkulatorischen Verzinsung
einerseits und der kalkulatorischen Abschreibung andererseits bestand hierfür auch kein
Anlaß. Denn, wie der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 5. August 1994
ausgeführt hat, ergibt die Summe der Abschreibungen nach Wiederbeschaffungszeitwerten
nicht den Wiederbeschaffungswert für eine Anlage gleicher Art und Güte,</p>
<span class="absatzRechts">100</span><p class="absatzLinks">vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. August 1994, a.a.O.,
S. 236; im übrigen auch: Wöhe, a.a.O., S. 1263 für den
Regelfall eintretender Preissteigerungen,</p>
<span class="absatzRechts">101</span><p class="absatzLinks">so daß sich angesichts dieser strukturellen Deckungslücke die Frage einer Überdeckung
und hieran anknüpfender Korrekturmechanismen für den Landesgesetzgeber von vornherein
nicht stellte. </p>
<span class="absatzRechts">102</span><p class="absatzLinks">Das gilt auch in Ansehung etwaiger Zinsgewinne, die mit den je nach Femdkapitalanteil
mehr oder weniger verbleibenden Abschreibungserlösen erwirtschaftet werden können. Denn
mit dem Rückfluß des Investivkapitals über die Abschreibungen gehen die nach der
Schuldtilgung übrigen Abschreibungsbeträge in das Eigenkapital der Gemeinde über und
stehen rechtlich dem allgemeinen Haushalt zur (freien) Verfügung.</p>
<span class="absatzRechts">103</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. August 1994, a.a.O.,
S. 236.</p>
<span class="absatzRechts">104</span><p class="absatzLinks">Hiervon abweichende rechtliche Bindungen sollten durch das Gebührenrecht nicht
begründet werden; insbesondere war nicht beabsichtigt, auf der Grundlage des § 6 KAG a.F.
die zurückfließenden Abschreibungsbeträge (und die hiermit etwa erwirtschafteten
Zinsgewinne) allein dem Gebührenhaushalt zuzuordnen, so daß diese einer rentierlichen
Nutzung zugunsten des allgemeinen Haushalts entzogen waren. Denn die
betriebswirtschaftliche Aufgabe der Abschreibungen erschöpfte sich in der periodengerechten
Verteilung der durch die Leistungserbringung und dem damit verbundenen Wertverzehr
entstehenden gegenwärtigen Kosten der Gemeinde.</p>
<span class="absatzRechts">105</span><p class="absatzLinks">Vgl. LT-Drucks. 6/810, S. 34, 35 unter ausdrücklicher
Bezugnahme auf Nds. OVG, Urteil vom 16. November
1967 - III OVG A 111/65 -, KStZ 1968, 77, wonach selbst
die Rücklagenbildung nicht zur Vorfinanzierung künftiger
Aufwendungen erfolgt, sondern bereits einen
gegenwärtigen, nämlich den auf Abnutzung beruhenden
Wertverzehr berücksichtigt.</p>
<span class="absatzRechts">106</span><p class="absatzLinks">Die Beschränkung auf die Funktion der Kostenverteilung folgt schon aus dem Umstand,
daß die Ansatzmöglichkeit kalkulatorischer Kosten in der Kostenrechnung lediglich ein
innerbetriebliches Instrument ist, um die durch den Betrieb bedingte Kostenbelastung
möglichst zutreffend zu erfassen. Dabei mögen betriebswirtschaftliche Zielbestimmungen zu
unterschiedlichen Ergebnissen bei der Art und Weise der Ermittlung der einzelnen
kalkulatorischen Kosten führen. Hierauf kommt es indes nicht an. Denn die verschiedenen
innerbetrieblichen Zielbestimmungen begründen keine rechtliche Verpflichtung der hiernach
kalkulierenden Wirtschaftsbetriebe im Außenverhältnis gegenüber ihren Abnehmern, die über
die Preise vereinnahmten Gelder nur der kalkulatorischen Zielbestimmung entsprechend zu
verwenden. Soweit mit der jeweiligen Kostenkalkulation bestimmte Zielbestimmungen
verbunden sind, schaffen die Betriebe, wenn sie ihre Preise entsprechend gestalten und auf
dem Markt erzielen können, lediglich die finanziellen Möglichkeiten, der kalkulatorischen
Zielbestimmung entsprechend zu verfahren. Nichts anderes gilt nach der Definition der
betriebswirtschaftlichen Grundsätze, wie sie in der Rechtsprechung des Senats in
Übereinstimmung mit dem Willen des Landesgesetzgebers getroffen worden ist, auch für die
gebührenkalkulierenden Betriebe der öffentlichen Hand. </p>
<span class="absatzRechts">107</span><p class="absatzLinks">Die weitere Verwendung der eingenommenen Gebührenbeträge, etwa die schon im
Gesetzgebungsverfahren diskutierte - fakultative - Zuführung der Abschreibungsbeträge zu
einer Erneuerungsrücklage nach der seinerzeit geltenden Rücklagenverordnung, </p>
<span class="absatzRechts">108</span><p class="absatzLinks">vgl. LT-Drucks. 6/810, S. 35,</p>
<span class="absatzRechts">109</span><p class="absatzLinks">war daher von vornherein nicht Regelungsgegenstand der gemeindlichen Kostenrechnung
und vollzieht sich danach außerhalb gebührenrechtlicher Bindungen.</p>
<span class="absatzRechts">110</span><p class="absatzLinks">A.A. VG Köln , Urteil vom 20. Oktober 1998 - 14 K
765 u.a. -, NWVBl. 1999, 228 (229 f.), unter Hinweis
darauf, daß die Abschreibungserlöse mit dem Ziel
vereinnahmt würden, eine notwendige Erneuerung der
Anlage zu finanzieren und daher nicht als Fremdmittel
oder zu verzinsendes Eigenkapital behandelt werden
könnten.</p>
<span class="absatzRechts">111</span><p class="absatzLinks">Die beschränkte Kostenverteilungsfunktion war und ist bei Abschreibungen nach dem
Anschaffungs- bzw. nach dem Herstellungswert auch offenkundig, denn insoweit fließt über
die Abschreibungen - verteilt über die mutmaßliche Nutzungsdauer - lediglich von der
Gemeinde vorverauslagtes Kapital zum Nennwert an den Investor zurück, nachdem der
Gebührenpflichtige durch die Leistungserbringung in den Genuß seines Vorteils,</p>
<span class="absatzRechts">112</span><p class="absatzLinks">vgl. hierzu BVerwG, Beschluß vom 19. September
1983, a.a.O., S. 12,</p>
<span class="absatzRechts">113</span><p class="absatzLinks">gelangt und damit die Bilanz von Leistung und Gegenleistung innerhalb der
Gebührenperiode ausgeglichen ist. Ein unter dem Blickwinkel des Art. 3 Abs. 1 GG
zwingender sachgerechter Grund, den schon aus der Leistungserbringung an sich
resultierenden Vorteil des Gebührenschuldners noch dadurch zu erweitern, daß das
Eigenkapital, das vor der jeweiligen Investition dem allgemeinen Haushalt der Gemeinde
(frei) zur Verfügung gestanden hat, nach dem Durchlauf durch den Gebührenhaushalt
nunmehr für alle Zukunft allein diesem zugeordnet und zu Lasten der Gemeinde dem
allgemeinen Haushalt entzogen wird, ist nicht erkennbar.</p>
<span class="absatzRechts">114</span><p class="absatzLinks">Auf die reine Kostenverteilungsfunktion sind die Abschreibungen in ihrer
gebührenrechtlichen Wirkung auch dann begrenzt, wenn nach Wiederbeschaffungszeitwerten
abgeschrieben wird. Denn hinsichtlich des Anteils, über den der Anschaffungs- bzw.
Herstellungswert erfaßt wird, gilt das vorstehend Ausgeführte. Soweit über den
Inflationsindex der Anlagenwert eine Aufwertung zum "Tageswert" erfährt, die über die
Abschreibungsbeträge zeitanteilig der Gemeinde zufließt, handelt es sich der Sache nach um
einen Bemessungsfaktor zur Bestimmung des Anteils der gegenwärtigen Nutzer an der
Substanzerhaltung der im Veranlagungszeitraum zur Leistungserbringung aktuell eingesetzten
Anlage. </p>
<span class="absatzRechts">115</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Beschluß vom 25. März 1985 - 8 B
11.84 -, KStZ 1985, 129.</p>
<span class="absatzRechts">116</span><p class="absatzLinks">Die Einbeziehung der aktuellen Nutzer in die Kostenverteilung auf der Basis des
Tageswertes ist schon deshalb gerechtfertigt, weil der Wertverzehr an der aktuell eingesetzten
Anlage im Rahmen der von der Gemeinde auf Dauer - über die mutmaßliche Nutzungsdauer
der einzelnen Anlage hinaus - zu gewährleistenden Leistungserbringung die Notwendigkeit
der inflationsbedingt teureren Ersatzinvestition zum Zweck der Substanzerhaltung
(mit)begründet. </p>
<span class="absatzRechts">117</span><p class="absatzLinks">Vgl. Stellungnahme des Städtetages vom 7. Oktober
1968, Zuschrift Nr. 801, S. 9, die als Stellungnahme der
kommunalen Spitzenverbände Eingang in die
Beratungsvorlage Nr. 903 (Änderungs-vorschlag Nr. 26 -
fakultative Zulassung der Abschreibung von
Wiederbeschaffungszeitwerten -) gefunden hat; diesem
Änderungsvorschlag wurde letztlich zugestimmt (vgl. u.a.
die Ausschußprotokolle 1126/69, S. 28, 1246/69, S. 2, und
den Bericht des Kommunalpolitischen Ausschusses zur 2.
Lesung LT-Drucks. 6/1493) und führte zur Änderung des
§ 6 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz des Regierungsentwurfs
"Dazu gehören auch ... Abschreibungen, die nach der
mutmaßlichen Nutzungsdauer und dem Anschaffungs-
oder Herstellungsaufwand gleichmäßig zu bemessen sind,
..." in die schließlich Gesetz gewordene Fassung "Dazu
gehören auch ... Abschreibungen, die nach der
mutmaßlichen Nutzungsdauer ... gleichmäßig zu bemessen
sind, ... ."</p>
<span class="absatzRechts">118</span><p class="absatzLinks">Damit erlangt der in dieser Weise ermittelte Betrag des anteiligen Wertverzehrs bereits in
der aktuellen Gebührenperiode den Charakter eines gegenwärtigen Kostenbetrages, </p>
<span class="absatzRechts">119</span><p class="absatzLinks">vgl. auch BVerwG, Beschluß vom 25. März 1985,
a.a.O., S. 130,</p>
<span class="absatzRechts">120</span><p class="absatzLinks">zu dessen Ausgleich die Abschreibungen über die Gebühren umgelegt werden können
und sich in ihrer gebührenrechtlichen Wirkung auch darin - wie in den sonstigen Fällen des
Kostenausgleichs - erschöpfen. Angesichts dessen bedarf es keiner weiteren Darlegung, daß
die haushaltsnützige Verwendung der verbleibenden Abschreibungsbeträge gegenüber den
Gebührenpflichtigen keinen Verstoß gegen den auch im öffentlichen Recht geltenden
Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) in der Form des widersprüchlichen Verhaltens
darstellt.</p>
<span class="absatzRechts">121</span><p class="absatzLinks">Vgl. hierzu VG Köln, Urteil vom 20. Oktober 1998,
a.a.O., S. 230.</p>
<span class="absatzRechts">122</span><p class="absatzLinks">Der der Abschreibung nach Wiederbeschaffungszeitwerten innewohnende
Substanzerhaltungsgedanke (Prinzip der reproduktiven Substanzerhaltung) erfordert daher
nur, daß die Gemeinde entsprechend ihrer auf Dauer angelegten Pflicht zur Gewährleistung
der Leistungserbringung am Ende der Nutzungsdauer der Anlage die erforderlichen
Haushaltsmittel für eine Wiederbeschaffung bereitstellt.</p>
<span class="absatzRechts">123</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. August 1994, a.a.O.,
S. 236.</p>
<span class="absatzRechts">124</span><p class="absatzLinks">Dieser auf den periodengerechten Kostenausgleich beschränkten und damit die weitere
Verwendung der eingenommenen Beträge nicht erfassenden Funktion sowohl der
kalkulatorischen Zinsen als auch der Abschreibungen entspricht folgerichtig der weite
gesetzliche Eigenkapitalbegriff (§ 6 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz KAG a.F.) des Gebührenrechts,
der - bezogen auf die Abschreibungen - keinerlei inhaltlichen Beschränkungen unterliegt und
damit grundsätzlich jedes zur Leistungserbringung eingesetzte Kapital unabhängig von seiner
Herkunft erfaßt.</p>
<span class="absatzRechts">125</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 27. Oktober 1992, a.a.O.,
Urteil vom 5. August 1994, a.a.O., S. 234.</p>
<span class="absatzRechts">126</span><p class="absatzLinks">Soweit von der kalkulatorischen Verzinsung der aus Zuschüssen und Beiträgen gebildete
Eigenkapitalanteil ausgenommen worden ist, läßt diese beschränkte Ausnahme des 2.
Halbsatzes des Absatzes 2 Satz 2 des § 6 KAG a.F. im rechtssystematischen Zusammenhang
mit dem 1. Halbsatz besonders deutlich erkennen, daß das Eigenkapital der Gemeinde im
übrigen unabhängig von der Herkunft der einzelnen Einnahmen generell der Verzinsung
unterliegt. Bestätigt wird diese Auffassung dadurch, daß der Landesgesetzgeber etwa die
kalkulatorische Verzinsung als Instrument der Stärkung der Einnahmesituation der
Gemeinden - nicht des Gebührenhaushalts - ansah. Dies "habe den Sinn, der Finanzkraft der
Gemeinde eine Expansion aus sich heraus zu ermöglichen. </p>
<span class="absatzRechts">127</span><p class="absatzLinks">Vgl. Ausschußprot. Nr. 1246/69, S. 2.</p>
<span class="absatzRechts">128</span><p class="absatzLinks">Dem finanzwirtschaftlichen Ziel der Gewährleistung oder sogar der Steigerung der
Eigenkapitalausstattung der Gemeinden diente darüber hinaus auch und gerade die Zulassung
der Abschreibung vom Wiederbeschaffungszeitwert.</p>
<span class="absatzRechts">129</span><p class="absatzLinks">Vgl. Ausschußprot. Nr. 1126/69, S. 28.</p>
<span class="absatzRechts">130</span><p class="absatzLinks">Diese nicht zuletzt in den Materialien zum Ausdruck kommende Zielsetzung kann daher
bei der Frage nach dem Sinn und Zweck der gemeindlichen Gebührenkalkulation und damit
zusammenhängend bei der Frage nach einer hieraus zu bestimmenden Kostenobergrenze nicht
unberücksichtigt bleiben. Sie läßt die vom Verwaltungsgericht abgeleitete Zielvorgabe - die
Gemeinde dürfe sich nach Ablauf der Nutzungsdauer wirtschaftlich nicht besser stehen als
vor der Investition - schon als im Ansatz unzutreffend erkennen.</p>
<span class="absatzRechts">131</span><p class="absatzLinks">Der Einsatz von Abschreibungserlösen für eine Wiederbeschaffung führt zwar im
Ergebnis dazu, daß mit der Aufwendung dieses Kapitals und seiner Bindung in einer neuen
Anlage dessen kalkulatorische Verzinsung zu Lasten des Gebührenpflichtigen eröffnet wird.
Die Erwirtschaftung von Abschreibungserlösen (nach Abzug etwaiger Tilgungsleistungen)
ändert jedoch nichts an dem Umstand, daß diese, wie oben dargelegt, lediglich dem Ausgleich
der in den vergangenen Leistungsperioden durch die Leistungserbringung verursachten
Kosten dienen. Die über die Abschreibungen zurückgeflossenen Finanzmittel sind daher wie
die vorher für die jeweilige Investition bereitgestellten Mittel Kapital der Gemeinde.
Insbesondere handelt es sich nicht um Kapital des Gebührenschuldners. Im Falle der
Aufwendung dieses Kapitals für die Wiederbeschaffung steht es anderen rentierlichen
Zwecken zu Lasten des allgemeinen Haushalts nicht mehr zur Verfügung. Damit greift die
seitens des Landesgesetzgebers der kalkulatorischen Verzinsung beigemessene
finanzwirtschaftliche Funktion des Belastungsausgleichs ein. </p>
<span class="absatzRechts">132</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts Köln läßt sich aus dem Beschluß des
Bundesverwaltungsgerichts vom 19. September 1983, a.a.O., S. 12, eine Zuordnung der über
die Abschreibungen erwirtschafteten Finanzmittel ausschließlich zum Gebührenhaushalt nicht
begründen. Soweit das Bundesverwaltungsgericht in dem genannten Beschluß ausführt, daß,
soweit die Grundstückseigentümer mit dem Entwässerungsbeitrag oder auf andere Weise zu
dem Aufwand für die Herstellung oder Erweiterung der Entwässerungsanlage beigetragen
hätten, der Ausgleich über die Eigenkapitalverzinsung seine Grenze finde und
Eigenkapitalzinsen deshalb sachgerecht nur von dem Herstellungs- bzw.
Anschaffungsaufwand berechnet werden dürften, der um das Aufkommen aus
Entwässerungsbeiträgen und diesen gleichstehenden Leistungen der Benutzer vermindert
worden sei, sind mit den "gleichstehenden Leistungen" jedenfalls nicht die erwirtschafteten
Abschreibungsbeträge gemeint. Denn mit den vereinnahmten Abschreibungsbeträgen erfolgt,
wie oben dargelegt, lediglich der Kostenausgleich für die mit der Benutzung einhergehende
Abnutzung der aktuell eingesetzten Anlage, ohne daß damit eine Beteiligung an dem
Herstellungsaufwand für die Wiederbeschaffung verbunden ist. Soweit sich die
Grundstückseigentümer über die von ihnen gezahlten Abschreibungen mittelbar an dem
Finanzierungsaufwand für die bestehende Anlage beteiligen, wird diesem Umstand dadurch
Rechnung getragen, daß nur der um die Abschreibungen verminderte Anschaffungswert
(Anschaffungsrestwert) der kalkulatorischen Verzinsung unterliegt und damit eine
Verzinsung der jeweiligen "Beteiligungs-rate" ausgeschlossen ist. Im übrigen, d.h. im
Hinblick auf Beiträge (und Zuschüsse), gewährleistet § 6 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz KAG a.F.,
daß das insoweit aufgebrachte Kapital als Beitrag zum Aufwand für die Herstellung oder
Erweiterung der Entwässerungsanlage i.S.d. oben genannten Beschlusses des
Bundesverwaltungsgerichts von der Verzinsung ausgenommen wird.</p>
<span class="absatzRechts">133</span><p class="absatzLinks">Die Zuordnung der erwirtschafteten Abschreibungsbeträge zum Gebührenhaushalt ergibt
sich auch nicht aus dem gemeindlichen Haushaltsrecht, dessen Grundsatz der Gesamtdeckung
(§ 16 der Gemeindehaushaltsverordnung - GemHVO -) einer gesonderten rechtlichen
Zuordnung der eingenommenen Abschreibungsbeträge ausschließlich zum Gebührenhaushalt
gerade entgegensteht. Eine rechtliche Verpflichtung i.S.d. § 17 Abs. 1 Satz 1 GemHVO, diese
Einnahmen auf die Verwendung für die Wiederbeschaffung zu beschränken und sie damit der
Gesamtdeckung zu entziehen, besteht nicht; insbesondere ergibt sich eine solche rechtliche
Verpflichtung, wie oben dargelegt, nicht aus dem Gebührenrecht. Soweit das
Verwaltungsgericht Köln darauf abhebt, daß § 17 Abs. 1 Satz 2 GemHVO eine
Zweckbindung von Einnahmen ermögliche,</p>
<span class="absatzRechts">134</span><p class="absatzLinks">vgl. Urteil vom 20. Oktober 1998, a.a.O., S. 229 f.,
</p>
<span class="absatzRechts">135</span><p class="absatzLinks">mag dies zutreffend sein, ohne daß es insoweit einer Entscheidung bedarf. Denn mit der
fakultativen haushaltsrechtlichen Zweckbindung begibt sich die Gemeinde lediglich vorweg
der Möglichkeit, die Gebühreneinnahmen noch anderweitig haushaltsnützig zu verwenden.
Diese Zweckbindung ist in ihren gebührenrechtlichen Wirkungen aber nicht anders zu
bewerten als die Zurverfügungstellung der entsprechenden Gebührenbeträge aus allgemeinen
Haushaltsmitteln erst unmittelbar vor der jeweiligen Investition. In dem einen wie in dem
anderen Fall werden dem allgemeinen Haushalt Finanzmittel entzogen und trägt allein die
Gemeinde die finanzielle Belastung, die dadurch entsteht, daß das investierte Kapital nicht
mehr zugunsten des allgemeinen Haushalts verwendet werden kann. Abgesehen davon
schließt selbst ein wirksamer Haushaltsvermerk über die Zweckbindung nicht aus, daß die
Ausgaben, auf deren Deckung die zweckgebundenen Einnahmen beschränkt sind, daneben
nicht auch aus allgemeinen Deckungsmitteln gedeckt werden können.</p>
<span class="absatzRechts">136</span><p class="absatzLinks">Vgl. Scheel/Steup/Schneider/Lienen,
Gemeindehaushaltsrecht Nordrhein-West-falen, 5. Aufl.
1997, Rdnr. 1 zu § 17 GemHVO.</p>
<span class="absatzRechts">137</span><p class="absatzLinks">Soweit zur Begründung des Ausschlusses der erwirtschafteten Abschreibungsbeträge von
der kalkulatorischen Verzinsung auf das Urteil des Senats vom 27. Oktober 1992 - 9 A
835/91 -, a.a.O., S. 101, und die darin verwendete Formulierung der "vorübergehenden
Verausgabung" verwiesen wird, </p>
<span class="absatzRechts">138</span><p class="absatzLinks">vgl. VG Köln, Urteil vom 20. Oktober 1998, a.a.O.,
S. 229,</p>
<span class="absatzRechts">139</span><p class="absatzLinks">geht dies fehl. Denn die in dem genannten Urteil des Senats für zulässig gehaltene
"vorübergehende Verausgabung" von Abschreibungsbeträgen zugunsten des allgemeinen
Haushalts bezog sich ersichtlich auf die haushaltsnützige Verwendung dieser Beträge bis zur
Wiederbeschaffung und besagt deshalb noch nichts über deren Behandlung bei der Ermittlung
der kalkulatorischen Verzinsung nach diesem Zeitpunkt.</p>
<span class="absatzRechts">140</span><p class="absatzLinks">Soweit danach über die Gebühren vereinnahmte Abschreibungsbeträge zugunsten des
allgemeinen Haushalts verwendet worden sind, mag dies zu faktischen Benachteiligungen
führen, </p>
<span class="absatzRechts">141</span><p class="absatzLinks">vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. August 1994, a.a.O.,
S. 236 f.,</p>
<span class="absatzRechts">142</span><p class="absatzLinks">ein Verstoß gegen § 6 Abs. 2 KAG a.F. bzw. ein widerrechtliches Verhalten ist darin
nicht zu sehen.</p>
<span class="absatzRechts">143</span><p class="absatzLinks">Aufgrund der dargelegten unterschiedlichen finanzwirtschaftlichen Zielsetzungen der
kalkulatorischen Kostenarten erledigt sich auch der - wiederholte - Hinweis des
Verwaltungsgerichts auf den Umstand, daß eine Gebührenkalkulation auf der Grundlage der
Rechtsprechung des erkennenden Senats gegenüber den von ihm, dem Verwaltungsgericht,
alternativ für zulässig erachteten Kalkulationsmodellen zu einem "erhöhten Kapitalendwert"
bzw. zu einer "Überdeckung" oder einer "doppelten" Verrechnung der Geldentwertungsrate
führe. </p>
<span class="absatzRechts">144</span><p class="absatzLinks">Vgl. das hier angefochtene Urteil des VG
Gelsenkirchen, S. 12 UA, VG Gelsenkirchen, Urteil vom
9. Oktober 1997, a.a.O., S 34, Urteil vom 5. November
1998, a.a.O., S. 20 f..</p>
<span class="absatzRechts">145</span><p class="absatzLinks">Dies ist die Folge dieser unterschiedlichen Zweckbestimmungen, mithin systemimmanent
und mit Blick auf die beabsichtigte Stärkung der Eigenkapitalausstattung der Gemeinde auch
gewollt.</p>
<span class="absatzRechts">146</span><p class="absatzLinks">Die insoweit vom Verwaltungsgericht angeführten und in § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG a.F.
statuierten betriebswirtschaftlichen Grundsätze vermögen an der finanzwirtschaftlichen
Funktions- und Zweckbestimmung der kalkulatorischen Kostenarten nichts zu ändern. Denn
anders als das Verwaltungsgericht meint, hat der Landesgesetzgeber selbst die Übernahme
betriebswirtschaftlicher Grundsätze der Kostenrechnung nicht als Übertragung (materieller)
kaufmännischer Zielsetzungen in die öffentliche Haushaltswirtschaft verstanden; vielmehr sei
die Methode der betriebswirtschaftlichen Kostenberechnung lediglich ein "Instrument zur
optimalen Erreichung finanzwirtschaftlicher Zwecke", </p>
<span class="absatzRechts">147</span><p class="absatzLinks">vgl. LT-Drucks. 6/810, S. 35,</p>
<span class="absatzRechts">148</span><p class="absatzLinks">um den Anforderungen des Periodenprinzips gerecht zu werden und die mit der
"einfachen Einnahmen-Ausgabenrechnung" allein nicht zu lösende Verteilung der Ausgaben
"entsprechend dem Verbrauch der durch sie beschafften Güter auf die einzelnen
Nutzungsperioden" zu gewährleisten.</p>
<span class="absatzRechts">149</span><p class="absatzLinks">Vgl. LT-Drucks. 6/810, S. 34.</p>
<span class="absatzRechts">150</span><p class="absatzLinks">Der Einwand des Verwaltungsgerichts, in bezug auf den Ausschluß der "Abschreibungen
unter Null" weiche die Rechtsprechung des erkennenden Senats selbst von dem im Urteil vom
5. August 1994, a.a.O., S. 233, näher erläuterten Begriff der betriebswirtschaftlichen
Grundsätze ab,</p>
<span class="absatzRechts">151</span><p class="absatzLinks">vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 5. November
1998, a.a.O., S. 19,</p>
<span class="absatzRechts">152</span><p class="absatzLinks">greift nicht durch. Wie bereits ausgeführt, ist auf die betriebswirtschaftlichen Grundsätze
nur abzustellen, soweit das Gesetz keine eigenständige Regelung trifft. Eine solche Regelung
hat der erkennende Senat aber § 6 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz KAG a.F. entnommen, wonach
die Abschreibungen nach der mutmaßlichen Nutzungsdauer gleichmäßig zu bemessen sind.
Ein Rückgriff auf davon abweichende betriebswirtschaftliche Grundsätze scheidet danach
aus. </p>
<span class="absatzRechts">153</span><p class="absatzLinks">Daß vor diesem Hintergrund die vom Verwaltungsgericht angeführten
Kalkulationsgrundsätze aus anderen Rechtsgebieten, wie etwa aus dem Handels-, dem Steuer-
und dem Preisprüfungsrecht - die im übrigen jeweils eigenen finanzpolitischen Zielvorgaben
folgen -,</p>
<span class="absatzRechts">154</span><p class="absatzLinks">vgl. die unterschiedlichen Zielsetzungen in der
Handels- und Steuerbilanz einerseits und in der
Kostenrechnung andererseits: Wöhe, a.a.O., S. 1263,</p>
<span class="absatzRechts">155</span><p class="absatzLinks">für die Bestimmung des Sinns und Zwecks der gemeindlichen Gebührenkalkulation
unbeachtlich sind, bedarf keiner näheren Erläuterung.</p>
<span class="absatzRechts">156</span><p class="absatzLinks">Die Abschreibung nach Wiederbeschaffungszeitwerten in Verbindung mit einer
Verzinsung des aufgewandten Kapitals auf der Grundlage von Anschaffungs(rest)werten mit
einem Nominalzins führt weder zu einer Verletzung des Äquivalenzprinzips,</p>
<span class="absatzRechts">157</span><p class="absatzLinks">vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. August 1994, a.a.O.,
S. 235 ,</p>
<span class="absatzRechts">158</span><p class="absatzLinks">noch zu einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Soweit ein solcher Verstoß wegen einer
Ungleichbehandlung der Gebührenpflichtigen gegenüber der Allgemeinheit angenommen
wird,</p>
<span class="absatzRechts">159</span><p class="absatzLinks">vgl. etwa VG Köln, Urteil vom 20. Oktober 1998,
a.a.O., S. 228 f.,</p>
<span class="absatzRechts">160</span><p class="absatzLinks">wird übersehen, daß Art. 3 Abs. 1 GG dem Gebührengesetzgeber bei der Aufstellung der
Gebührensätze einen weiten Entscheidungsspielraum beläßt. Art. 3 Abs. 1 GG fordert in dem
hier zu beurteilenden Zusammenhang nur, daß sich "die Verknüpfung zwischen den Kosten
der Staatsleistung und den dafür auferlegten Gebühren nicht in einer Weise gestaltet, die,
bezogen auf den Zweck der gänzlichen oder teilweisen Kostendeckung, sich unter keinem
vernünftigen Gesichtspunkt als sachgerecht erweist".</p>
<span class="absatzRechts">161</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerfG, Beschluß vom 6. Februar 1979 - 2 BvL
5/76-, BVerfGE 50, 217 (227); BVerwG, Beschluß vom
19. September 1983, a.a.O., Beschluß vom 25. März 1985,
a.a.O., S. 130.</p>
<span class="absatzRechts">162</span><p class="absatzLinks">Insoweit ist in die Bewertung der Umstand einzustellen, daß die Gebührenpflichtigen der
Gemeinde gegenüber - anders als die Steuerzahler - in einem besonderen Leistungs- und
Gegenleistungsverhältnis stehen (§ 4 Abs. 2 KAG a.F.) und aus der Leistungserbringung
seitens der Gemeinde einen besonderen Vorteil erlangen (§ 6 Abs. 1 Satz 1 KAG a.F.), der es
sachlich grundsätzlich rechtfertigt, die Gebührenpflichtigen finanziell stärker zu belasten als
den Steuerzahler. </p>
<span class="absatzRechts">163</span><p class="absatzLinks">Auch die kalkulatorischen Kostenansätze im einzelnen
begegnen, soweit der vorliegende Fall Anlaß zur Überprüfung
gebietet, im Ergebnis keinen durchgreifenden Bedenken.</p>
<span class="absatzRechts">164</span><p class="absatzLinks">Soweit pauschal Zweifel an der ordnungsgemäßen
Ausschreibung von Kanalbaumaßnahmen geäußert worden sind und
damit wohl ein erhöhter Ausgangswert für die Berechnung
geltend gemacht werden soll, mangelt es an konkreten
Anhaltspunkten, die eine weitere Sachaufklärung gebieten. Der
Hinweis darauf, daß lediglich zwei Baufirmen "im Geschäft"
seien, läßt allein nicht den Schluß zu, daß insoweit
Unregelmäßigkeiten tatsächlich erfolgt sein könnten; insoweit
könnte es sich auch um diejenigen Firmen handeln, die aufgrund
ihrer günstigen Angebote jeweils zu Recht den Zuschlag
erhalten haben. </p>
<span class="absatzRechts">165</span><p class="absatzLinks">Unabhängig davon sind etwaige Fehler bei der Ausschreibung
für die Gebührenkalkulation unerheblich, solange die von dem
beauftragten Unternehmen in Rechnung gestellten Kosten nicht
in jeder Hinsicht außer Verhältnis zu den erbrachten
Leistungen stehen und damit mit den Grundsätzen des
Äquivalenzprinzips unvereinbar sind oder sich die
Auftragsvergabe nicht als rein willkürliche, ausschließlich
die Gesamtkosten erhöhende Maßnahme darstellt, die sich der
Sache nach nicht mehr mit dem weiten Organisationsermessen des
Entsorgungsträgers, seine Aufgabe entsprechend seinen
Zweckmäßigkeitserwägungen durchzuführen, in Einklang bringen
läßt.</p>
<span class="absatzRechts">166</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschluß vom
19. Januar 1990 - 2 A 2171/87 -, Urteil
vom 30. Januar 1991 - 9 A 765/88 -,
Teilurteil vom 15. Dezember 1994 - 9 A
2251/93 -, NWVBl. 1995, 173.</p>
<span class="absatzRechts">167</span><p class="absatzLinks">Hierfür bieten das Vorbringen und die dem erkennenden Senat
vorliegenden Unterlagen nicht einmal ansatzweise einen
konkreten Anhaltspunkt.</p>
<span class="absatzRechts">168</span><p class="absatzLinks">Nicht zu beanstanden ist die mit 50 Jahren angesetzte
mutmaßliche Nutzungsdauer der Kanäle. Angesichts der für die
prognostische Bestimmung der Nutzungsdauer maßgebenden
sachgerechten Kriterien der Siedlungsverdichtung (einseitige
hohe Bodenpressung durch Wohnbebauung und
Verkehrsbeanspruchung bei variierender Tragfähigkeit des
Bodens, Grundwassereinwirkungen, nennenswerte
Unterbemessungen), der Werkstoffbeschaffenheit (Pro-duktionen
minderer Qualität, Materialunverträglichkeiten (Be-
tonmischungen) und Probleme mit der Haftfestigkeit in der
Stutzentechnik) und des Wurzeleinwuchses von Bäumen wird die
für die Prognose maßgebende Grenze der Willkür nicht erreicht.
Da der Ansatz einer mutmaßlichen Nutzungsdauer von 50 Jahren
nach Kenntnis des Senats nicht unüblich ist,</p>
<span class="absatzRechts">169</span><p class="absatzLinks">vgl. etwa OVG NRW, Urteil vom
5. August 1994, a.a.O., S. 237, sowie
die Nachweise bei Dudey, Abhängigkeiten
der kalkulatorischen Kosten von der
Nutzungsdauer eines Kanalnetzes, GemH
1994, 1 ff. (je nach Material 30-66
Jahre (Steenbock), 50-80 Jahre
(Pecher), 50-100 Jahre (KGST und ATV
Regelwerk A 133)); im übrigen auch:
Brod/Steenbock, Preiskalkulation bei
Wasser und Abwasser, 1980, Anhang 10:
je nach Material 30-100 Jahre,</p>
<span class="absatzRechts">170</span><p class="absatzLinks">und sonstige konkrete Anhaltspunkte, die die getroffene
Einschätzung der Nutzungsdauer unter Berücksichtigung des
gemeindlichen Prognosespielraums und des durch die
Kanaluntersuchungen ermittelten Schadensumfangs als
schlichtweg unvertretbar erscheinen lassen, sich nicht
aufdrängen, ist eine weitere Sachaufklärung nach dem
Amtsermittlungsgrundsatz nicht geboten.</p>
<span class="absatzRechts">171</span><p class="absatzLinks">Der Einwand, bei dem Ansatz der kalkulatorischen Kosten
seien Schadensersatzansprüche gegenüber dem Bergbau zu Lasten
der Gebührenschuldner nicht kostenmindernd berücksichtigt
worden, greift nicht durch. Die Ermittlung der Kosten in bezug
auf den Betrieb der der Leistungserbringung dienenden Anlage,
insbesondere die Bestimmung der mutmaßlichen Nutzungsdauer und
die Bewertung von Kanalisationsanlagen, erfolgt grundsätzlich
unabhängig davon, welche Gründe für den Zustand bzw. die
Ausgestaltung der Anlage maßgebend sind. Danach ist es von den
Gebührenpflichtigen in Bergbauregionen grundsätzlich
hinzunehmen, daß die öffentlichen Entwässerungseinrichtungen
wegen bestimmter, in solchen Regionen anzutreffender
besonderer Entwässerungsverhältnisse möglicherweise mit
höheren Kosten belastet werden als die Gebührenpflichtigen in
anderen Regionen.</p>
<span class="absatzRechts">172</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. April
1991, a.a.O..</p>
<span class="absatzRechts">173</span><p class="absatzLinks">Dies betrifft sowohl die Instandhaltungs-/Reparaturkosten
(Personal- und Sachkosten) als auch die wegen der höheren
Investitionskosten und ggf. kürzeren Nutzungsdauern höheren
kalkulatorischen Kosten.</p>
<span class="absatzRechts">174</span><p class="absatzLinks">Die Ermittlung der kalkulatorischen Zinsen hat im Ergebnis
ebenfalls Bestand. </p>
<span class="absatzRechts">175</span><p class="absatzLinks">Der in Ansatz gebrachte Zinssatz von 8 % entspricht der
ständigen Rechtsprechung des Senats. </p>
<span class="absatzRechts">176</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. August
1994, a.a.O., S. 238.</p>
<span class="absatzRechts">177</span><p class="absatzLinks">Eine Verpflichtung, diesen Zinssatz im Rahmen der Kostenprognose und der der
Gemeinde zum Zweck der Gewährleistung einer "angemessenen Verzinsung" (§ 6 Abs. 2
Satz 2 1. Halbsatz KAG a.F.) eröffneten Befugnis zur Bestimmung eines einheitlichen
Zinssatzes zu reduzieren, bestand nicht. Der Ansatz von 8 % bewegt sich noch innerhalb des
hierdurch eröffneten Prognose- und Ermessensspielraums; insbesondere erweist er sich nicht
als willkürlich. Angesichts der im vorzitierten Verfahren erfolgten Ermittlung des Zinssatzes
auf der Grundlage des langfristigen Durchschnittszinssatzes für die Jahre 1952 bis 1992
konnte davon ausgegangen werden, daß die - kurzfristige - Zinsentwicklung der Jahre 1993
bis einschließlich 1995 eine langfristig niedrigere Tendenz des maßgebenden
Durchschnittszinssatzes nicht vermittelte und daher bei der Bestimmung des ansatzfähigen
Zinssatzes außer Betracht bleiben konnte.</p>
<span class="absatzRechts">178</span><p class="absatzLinks">Das die Ermittlung der Grundlage der Verzinsung betreffende
Mißverständnis hinsichtlich des Ansatzes der
Kanalanschlußbeiträge im Rahmen des Abzugskapitals ist durch
die Vorlage der diesbezüglichen Kalkulationsunterlagen
ausgeräumt. Hieraus ergibt sich, daß bei der
Gebührenbedarfsberechnung das Abzugskapital einschließlich der
Kanalanschlußbeiträge jeweils bezogen auf das einzelne
Anlagegut herausgerechnet und damit nicht verzinst worden
ist.</p>
<span class="absatzRechts">179</span><p class="absatzLinks">Allerdings ist die Ermittlung des Anschaffungsrestwertes
insoweit überhöht, als im Rahmen der Abschreibung für den
Veranlagungszeitraum zwar ein Abschreibungsbetrag in Ansatz
gebracht worden ist, bei der kalkulatorischen Verzinsung
jedoch der Jahresabschreibungsbetrag nicht in demselben
Veranlagungszeitraum, sondern erst in der Folgeperiode
abgezogen worden ist. Die sich aus der Nichtberücksichtigung
der Abschreibung im Jahr der Indienststellung und der
Verschiebung der Abschreibungsbeträge in das jeweilige
Folgejahr ergebende Überhöhung hat der erkennende Senat nach
eigener, im Termin zur mündlichen Verhandlung offen gelegter
Berechnung mit 200.463,29 DM ermittelt. Dieser
Überhöhungsbetrag führt jedoch nicht zur Unwirksamkeit des
Gebührensatzes, wie im nachfolgenden Zusammenhang dargelegt
wird.</p>
<span class="absatzRechts">180</span><p class="absatzLinks">Offen bleiben kann des weiteren, ob die Abschreibungs- und
Zinsbeträge für das sog. Sonderinteresse (163.223,00 DM),</p>
<span class="absatzRechts">181</span><p class="absatzLinks">vgl. zur Abschreibungsfähigkeit
anlagenbezogener Verbandsbeiträge: OVG
NRW, Urteil vom 18. Juli 1997,
a.a.O.,</p>
<span class="absatzRechts">182</span><p class="absatzLinks">und das Kanalkataster (170.842,00 DM), </p>
<span class="absatzRechts">183</span><p class="absatzLinks">vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Mai
1998, a.a.O.,</p>
<span class="absatzRechts">184</span><p class="absatzLinks">zu Recht angesetzt worden sind. Rechnet man zu den
vorgenannten Beträgen den Überhöhungsbetrag aus der
kalkulatorischen Verzinsung (200.463,29 DM) hinzu, ergibt dies
einen Gesamtbetrag von 534.528,29 DM, der im Verhältnis zu den
gerechtfertigten Gesamtkosten lediglich 1,76 % (bei
30.895.016,00 DM Gesamtkosten) bzw. 2,16 % (bei
25.232.906,00 DM Gesamtkosten) ausmacht und damit in jedem
Fall unterhalb der für die Gebührenkalkulation maßgebenden
Grenze von 3 %,</p>
<span class="absatzRechts">185</span><p class="absatzLinks">vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. August
1994, a.a.O., S. 239,</p>
<span class="absatzRechts">186</span><p class="absatzLinks">bleibt. </p>
<span class="absatzRechts">187</span><p class="absatzLinks">Weitere Kostenminderungen sind nicht vorzunehmen.
Insbesondere war die Stadt R. nicht verpflichtet,
Schadensersatzleistungen des Bergbaus auf der Einnahmeseite zu
veranschlagen.</p>
<span class="absatzRechts">188</span><p class="absatzLinks">Im Hinblick auf den Umstand, daß bei der nach § 6 Abs. 1
Satz 3 KAG a.F. vorzunehmenden Veranschlagung der Kosten - und
damit auch der ggf. zu erwartenden kostenmindernden Einnahmen
- grundsätzlich eine Prognoseentscheidung zu treffen ist, </p>
<span class="absatzRechts">189</span><p class="absatzLinks">vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom
9. August 1999, a.a.O.,</p>
<span class="absatzRechts">190</span><p class="absatzLinks">steht der Gemeinde ein weiter Ermessensspielraum zu,
innerhalb dessen auch die bei dem Nachweis der
Schadensverursachung üblicherweise bestehenden Probleme (vgl.
auch die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom
15. September 1998 sowie in der Sitzungsvorlage - Drucksache
Nr. 693/1998 - vom 21. Juli 1998, S. 2 f.) Berücksichtigung
finden können.</p>
<span class="absatzRechts">191</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. April
1991, a.a.O..</p>
<span class="absatzRechts">192</span><p class="absatzLinks">Dabei ist nicht ausgeschlossen, daß die Gemeinde selbst
dann, wenn sie intern - etwa auf der Grundlage von
Rechtsgutachten - zu der Auffassung gelangt ist, daß ihr ein
Schadensersatzanspruch in einer bestimmten Höhe zusteht,
aufgrund einer vertretbaren Bewertung des mit der Realisierung
des Anspruchs verbundenen Prozeßrisikos im Einzelfall einen
Abschlag von dem zu ersetzenden Betrag einkalkuliert oder von
der Geltendmachung des Anspruchs insgesamt absieht und
dementsprechend in der Gebührenkalkulation keine Einnahmen
veranschlagt. </p>
<span class="absatzRechts">193</span><p class="absatzLinks">Geht die Gemeinde - etwa aufgrund der Eindeutigkeit des
jeweiligen Schadensbildes - im Zeitpunkt der Veranschlagung
der Kosten von der Realisierung von Schadensersatzforderungen
aus, ist sie lediglich dann verpflichtet, die prognostizierte
Schadensersatzleistung als Einnahme zugunsten der
Gebührenpflichtigen zu veranschlagen, wenn die
Gebührenpflichtigen über die Gebühren auch die aus dem
Schadensereignis resultierenden finanziellen Belastungen
tragen. Dementsprechend entfällt die Verpflichtung der
Gemeinde zur Gutschrift von veranschlagten
Schadensersatzleistungen, wenn der Schaden außerhalb der
Kalkulation abgewickelt wird und damit die Gebührenpflichtigen
für den Schaden auch nicht über die Gebühren in Anspruch
genommen werden.</p>
<span class="absatzRechts">194</span><p class="absatzLinks">Letzteres ist hier für den Veranlagungszeitraum 1995
angesichts der im Berufungsverfahren substantiiert
geschilderten Praxis der direkten Kostenbeteiligung des
Bergbaus durch Naturalrestitution gegeben. Hiernach werden die
Gebührenpflichtigen gerade nicht mit den aufgrund der
Bergbauschäden erforderlichen Investitionskosten belastet.
Soweit in diesem Zusammenhang vorgebracht worden ist, aus dem
Widerspruchsbescheid vom 15. August 1998 gehe hervor, daß der
Bergbau regelmäßig an den städtischen Kanalbaumaßnahmen
beteiligt werde, handelt es sich offenbar um ein
Mißverständnis. Die Beteiligung des Bergbaus stellt sich auf
der Grundlage der Schilderung des Beklagten nicht als
unmittelbare Beteiligung an den Kosten der seitens der Stadt
durchgeführten Umbaumaßnahmen dar, sondern als Kostenbeitrag
im Wege der Übernahme der Errichtung bestimmter
Entwässerungsanlagen auf eigene Rechnung. </p>
<span class="absatzRechts">195</span><p class="absatzLinks">Eine weitergehende Überprüfung der Art und Weise sowie des
Umfangs der Kostenbeteiligung des Bergbaus ist auch unter der
Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes nicht angezeigt.
Hiernach sind die Verwaltungsgerichte zwar verpflichtet, jede
mögliche Aufklärung des Sachverhalts bis an die Grenze der
Zumutbarkeit zu versuchen, sofern die Aufklärung nach ihrer
Meinung für die Entscheidung des Rechtsstreits erforderlich
ist. Bei der Überprüfung einer Kalkulation geht der erkennende
Senat aufgrund der Bindung des Beklagten an Gesetz und Recht
gemäß Art. 20 Abs. 3 GG jedoch grundsätzlich davon aus, daß
dessen Auskünfte der Wahrheit entsprechen.
Aufklärungsmaßnahmen sind daher nur insoweit aufgezeigt, als
sich dem Gericht etwa Widersprüche nach dem Sachvortrag der
klagenden Partei oder aber den beigezogenen Unterlagen
aufdrängen. Läßt es die klagende Partei insoweit an
substantiiertem Sachvortrag fehlen und ergibt sich auch aus
den Unterlagen kein konkreter Anhaltspunkt für einen
fehlerhaften Kostenansatz, hat es hiermit sein Bewenden. Die
Untersuchungsmaxime ist keine prozessuale Hoffnung, das
Gericht werde mit ihrer Hilfe schon die klagebegründenden
Tatsachen finden.</p>
<span class="absatzRechts">196</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom
19. September 1997, a.a.O., m.w.N..
</p>
<span class="absatzRechts">197</span><p class="absatzLinks">Gemessen hieran ist eine weitere Überprüfung der Art der
Kostenbeteiligung des Bergbaus nicht geboten; die
substantiierten Darlegungen des Beklagten zur Art und Weise
der Beteiligung der Bergbauunternehmen an dem Ausgleich
bergbaubedingter Schäden sind von der Klägerseite nicht
substantiiert in Frage gestellt worden. Insbesondere reicht
insoweit der Hinweis darauf nicht aus, daß die
haushaltsrechtliche und kalkulationsmäßige Behandlung der als
Ersatzleistung übernommenen und der nicht mehr benötigten
Anlagen "unklar" sei. Soweit moniert wird, daß die
übernommenen Anlagen nicht nachgewiesen seien, hat dies
offensichtlich seinen Grund darin, daß die mit diesen Anlagen
verbundenen Kosten, wie der Beklagte dargelegt hat, nicht zu
Lasten der Gebührenpflichtigen in der Kalkulation angesetzt
worden sind, so daß sie auch nicht zum Nachweis der
Zulässigkeit der Kostenansätze aufgeführt werden müssen.
Dafür, daß der Umfang der außerhalb der Kalkulation
abgewickelten Kostenbeteiligung des Bergbaus die Grenzen des -
oben dargelegten - gemeindlichen Prognose- und
Bewertungsspielraums überschreitet, sind konkrete
Anhaltspunkte weder vorgebracht noch drängen sich solche aus
den beigezogenen Unterlagen auf.</p>
<span class="absatzRechts">198</span><p class="absatzLinks">Soweit in bezug auf die Schadensverursachung durch Einleiter von der Geltendmachung
von Schadensersatzansprüchen in den meisten Fällen vollständig abgesehen wird, ist dies in
Ermangelung eindeutiger, die Verursachung durch einen bestimmten Einleiter
kennzeichnender Schadensbilder aus Kostengründen gerechtfertigt. Auch dem
Gebührenhaushalt ist nicht damit gedient, mit kostenintensiven Gerichtsverfahren
einschließlich etwaiger Beweiserhebungen durch Sachverständige trotz zweifelhafter
Erfolgsaussichten und ggf. nur begrenzter Verursachungsbeiträge im Einzelfall belastet zu
werden.</p>
<span class="absatzRechts">199</span><p class="absatzLinks">Angesichts der hiernach im vollen Umfang den gesetzlichen Anforderungen
entsprechenden Gebührenkalkulation kommt es zur Rechtfertigung der Gebührensätze auf die
vorgelegte Betriebsabrechnung nicht mehr an.</p>
<span class="absatzRechts">200</span><p class="absatzLinks">Der Hinweis, in Süddeutschland seien die Gebühren niedriger, ist rechtlich unbeachtlich,
insbesondere kann hiermit eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes des Art. 3 Abs. 1 GG
nicht mit Erfolg geltend gemacht werden. Höherrangiges Bundesrecht gebietet keine
einheitliche Gebührenbemessung, weil es keinen einheitlichen bundesrechtlichen Begriff der
Gebühr gibt, an den die Landesgesetzgebung gebunden wäre.</p>
<span class="absatzRechts">201</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Beschluß vom 9. September 1997 - 8 B
185.97 -, ZKF 1998, 62, m.w.N..</p>
<span class="absatzRechts">202</span><p class="absatzLinks">Der Anspruch auf Gleichbehandlung gilt von vornherein nur innerhalb der Grenzen der
Rechtsetzungsgewalt der jeweiligen Gebietskörperschaft, </p>
<span class="absatzRechts">203</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Beschluß vom 9. September 1997,
a.a.O., S. 63, m.w.N.,</p>
<span class="absatzRechts">204</span><p class="absatzLinks">so daß es auf die Rechtslage in anderen Bundesländern und die dort ggf. gesetzlich
beschränkten Kalkulationsspielräume nicht ankommt.</p>
<span class="absatzRechts">205</span><p class="absatzLinks">Anhaltspunkte dafür, daß die individuelle Heranziehung auf der Grundlage der hiernach
wirksamen Satzungsbestimmungen der Höhe nach Fehler aufweist, sind nicht ersichtlich und
auch nicht geltend gemacht worden.</p>
<span class="absatzRechts">206</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 155
Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 10, 711
ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">207</span><p class="absatzLinks">Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen
des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind. </p>
<span class="absatzRechts">208</span><p class="absatzLinks">
</p>
|
114,391 | ovgnrw-1999-09-01-9-a-520598 | {
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"name": "Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen",
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<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> Tatbestand:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks
S. weg 3 in R. , das an die
städtische Einrichtung der Abwasserbeseitigung angeschlossen
ist.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Mit Heranziehungsbescheid für Grundbesitzabgaben vom
16. Januar 1995 zog der Beklagte den Kläger für das genannte
Grundstück und das Jahr 1995 unter anderem zu
Abwasserbeseitigungsgebühren heran; wegen der Berechnung der
Gebühren im einzelnen wird auf den Inhalt des angefochtenen
Bescheides Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Nach erfolglosem Vorverfahren hat der Kläger hiergegen
Klage erhoben.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Während des Klageverfahrens setzte der Rat der Stadt
R. mit der 7. Änderungssatzung vom 20. Dezember
1996 den Grenzwert für den Abzug der nachweislich auf dem
Grundstück verbrauchten oder zurückgehaltenen Wassermengen
unter anderem rückwirkend für das Jahr 1995 auf 20 cbm/Jahr
herab (§ 2 Abs. 4 Satz 4 in der Fassung des § 1 Nr. 1 der 7.
Änderungssatzung vom 20. Dezember 1996).</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger im wesentlichen
geltend gemacht, daß der nach der Gebührensatzung für die
Gebührenbemessung maßgebende Zeitraum des Vorvorjahres
unzulässig sei und zu Abrechnungsproblemen mit den jeweiligen
Mietern führe.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">den Grundbesitzabgabenbescheid vom
16. Januar 1995 hinsichtlich der
festgesetzten
Abwasserbeseitigungsgebühren und den
Widerspruchsbescheid vom 20. November
1995 aufzuheben.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Er hat die Auffassung vertreten, daß der Gebührensatz gemäß
den insoweit geltenden rechtlichen Anforderungen kalkuliert
worden, die Bemessung der Gebühren nach dem
Vorvorjahreszeitraum zulässig und damit der auf dieser
Grundlage erlassene Heranziehungsbescheid rechtmäßig sei.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid hat das
Verwaltungsgericht der Klage wegen Verstoßes gegen das
Kostenüberschreitungsverbot stattgegeben. Zur Begründung hat
es ausgeführt, daß das Abzugskapital zu gering bemessen worden
sei, da Kanalanschlußbeiträge insoweit nicht berücksichtigt
worden seien. Wegen der weiteren Begründung im einzelnen wird
auf den Inhalt des angefochtenen Gerichtsbescheides Bezug
genommen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Hiergegen richtet sich die zugelassene Berufung des
Beklagten. Zur Begründung macht er im wesentlichen folgendes
geltend: Entgegen der Feststellung des Verwaltungsgerichts
seien die Kanalanschlußbeiträge bei der Erstellung der
Gebührenbedarfsberechnung dem Abzugskapital zugeordnet und
somit bei der Ermittlung der kalkulatorischen Zinsen nicht dem
zu verzinsenden Kapital zugerechnet worden. Die angewandte
Kalkulationsmethode entspreche den Vorgaben des
Kommunalabgabengesetzes und der neueren Rechtsprechung des
Berufungsgerichts.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">den angefochtenen Gerichtsbescheid
zu ändern und die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Zur Begründung bezieht er sich auf sein Vorbringen in der
I. Instanz.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des
Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der hierzu sowie zu den Verfahren 9 A 3341/98
und 9 A 3342/98 beigezogenen Verwaltungsvorgänge des
Beklagten, auf das Lehrbuch von Wöhe "Einführung in die
allgemeine Betriebswirtschaftslehre", 19. Auflage 1996, sowie
auf weitere betriebswirtschaftliche Lehrbücher (Schmidt,
Kostenrechnung, 1996; Mayer/Liessmann/Mertens, Kostenrechnung,
6. Aufl. 1996; Steger, Kosten- und Leistungsrechnung, 1996;
Hoitsch, Kosten- und Erlösrechnung, 2. Aufl. 1997; Freidank,
Kostenrechnung, 6. Aufl. 1997; Kicherer, Kosten- und
Leistungsrechnung, 1998; Schweitzer/Küpper, Systeme der
Kosten- und Erlösrechnung, 7. Aufl. 1998) Bezug genommen; die
vorgenannten Verwaltungsvorgänge und sonstigen Unterlagen sind
zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe:</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die zugelassene Berufung des Beklagten ist begründet. </p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Der Grundbesitzabgabenbescheid des Beklagten vom 16. Januar
1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
20. November 1995 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht
in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), soweit darin für
das Jahr 1995 Abwasserbeseitigungsgebühren festgesetzt worden
sind.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Rechtsgrundlage der angefochtenen Gebührenerhebung ist die
Gebührensatzung der Stadt R. für die
Abwasserbeseitigung vom 21. Dezember 1990 in der Gestalt der
5. Änderungssatzung vom 22. Dezember 1994 und der 7.
Änderungssatzung vom 20. Dezember 1996 (AGS). Deren Regelungen
sind, soweit die Satzung im Berufungsverfahren der rechtlichen
Überprüfung unterliegt, gültiges Satzungsrecht. </p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Der Gebührenmaßstab (einheitlicher Frischwassermaßstab nach § 2 AGS) ist für die
Umlegung der Kosten sowohl der Schmutzwasserbeseitigung als auch der
Niederschlagswasserbeseitigung grundsätzlich ein zulässiger Wahrscheinlichkeitsmaßstab
i.S.d. § 6 Abs. 3 Satz 2 des Kommunalabgabengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen
vom 21. Oktober 1969, GV NRW S. 712, in der für den Veranlagungszeitraum 1995
geltenden Fassung des Änderungsgesetzes vom 16. Dezember 1992, GV NRW S. 561 (KAG
a.F.).</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. September 1997 - 9 A
3373/96 -, NVwZ-RR 1998, 392, m.w.N..</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Er ist von der Klägerseite im Verfahren nicht beanstandet worden. Konkrete
Anhaltspunkte, die in bezug auf die Siedlungsstruktur,</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">vgl. hierzu: BVerwG, Beschluß vom 25. Februar 1972
- 7 B 92/70 -, KStZ 1972, 111 (112); OVG NRW, Urteil
vom 15. April 1991 - 9 A 803/88 -, Urteil vom 5. August
1994 - 9 A 1248/92 -, insoweit nicht veröffentlicht, Urteil
vom 25. April 1997 - 9 A 4821/95 -, </p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">in der Stadt R. für seine Unzulässigkeit sprechen, drängen sich dem erkennenden
Senat aus den vorliegenden Unterlagen nicht auf, so daß auch unter der Geltung des
Amtsermittlungsgrundsatzes (§§ 125 Abs. 1, 86 Abs. 1 VwGO) eine weitere Aufklärung des
Sachverhalts in dieser Richtung nicht geboten ist.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Die Unzulässigkeit des Frischwassermaßstabs ergibt sich auch nicht daraus, daß nach § 2
Abs. 2 Satz 1 AGS die dem Grundstück zugeführten oder auf dem Grundstück geförderten
Wassermengen des vorletzten einjährigen Ablesezeitraums zugrundegelegt werden. Eine
derartige Ausgestaltung des Frischwassermaßstabes als Wahrscheinlichkeitsmaßstab ist
rechtlich unbedenklich. </p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschluß vom 9. Mai
1990 - 2 A 2797/87 - m.w.N. </p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Daß in einem solchen Fall bei der Umlegung der Abwassergebühren auf Mieter
Verrechnungsprobleme auftreten können, liegt auf der Hand. § 6 Abs. 3 Satz 2 KAG a.F. legt
jedoch nur die im Verhältnis der Gemeinde zu den jeweiligen Gebührenpflichtigen an den
Gebührenmaßstab zu stellenden Anforderungen fest und beinhaltet keine Gewährleistung der
Refinanzierungsmöglichkeiten des jeweils in Anspruch genommenen Gebührenschuldners
gegenüber Dritten.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschluß vom
17. Januar 1997 - 9 B 37/97 -, Beschluß
vom 14. Juni 1999 - 9 B 1054/99 -,
m.w.N.. </p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Soweit die Regelung in § 2 Abs. 4 der Gebührensatzung i.d.F. der 5. Änderungssatzung
vom 22. Dezember 1994 hinsichtlich des Grenzwertes von 60 cbm für den Abzug von
nachweislich auf dem Grundstück verbrauchten oder zurückgehaltenen Wassermengen für
laufend wiederkehrende Verwendungszwecke (§ 2 Abs. 4 a der Gebührensatzung) und des
darüber hinaus festgelegten vollständigen Ausschlusses von zur Speisung von
Heizungsanlagen verbrauchtem, von hauswirtschaftlich genutztem und von zum Sprengen
von Hof und Vorgärten verwendetem Wasser (§ 2 Abs. 4 b-d der Gebührensatzung)
angesichts der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des erkennenden
Senats,</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">vgl. die Zusammenfassung in OVG NRW, Urteil vom
19. September 1997, a.a.O.,</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">begründeten Zweifeln unterlag, hat der Rat der Stadt R. diesen Bedenken
Rechnung getragen. Mit der 7. Änderungssatzung vom 20. Dezember 1996 hat er
rückwirkend unter anderem für den hier maßgebenden Veranlagungszeitraum 1995 die
Ausschlußtatbestände des § 2 Abs. 4 b - d der Gebührensatzung aufgehoben und den nunmehr
für sämtliche zurückgehaltenen oder verbrauchten Wassermengen geltenden Grenzwert auf 20
cbm reduziert. Eine darüber hinausgehende Reduzierung des Grenzwertes auf einen Wert
unter 20 cbm oder ein völliges Absehen von einem Grenzwert ist für den
Veranlagungszeitraum nicht zwingend geboten. Vielmehr sind im Rahmen des dem
Ortsgesetzgeber bei der Festlegung des Gebührenmaßstabes zustehenden weiten
Organisationsermessens,</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. September 1997,
a.a.O., m.w.N.,</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">etwaige verbleibende Ungleichbehandlungen innerhalb der Gruppen der
Gebührenpflichtigen durch den Grundsatz der Verwaltungspraktikabilität gerechtfertigt. Die
sich ergebenden Jahresbeträge liegen mit 68,00 DM (3,40 DM - § 3 Abs. 1 AGS - x 20 cbm),
38,00 DM (1,90 DM - § 3 Abs. 2 AGS - x 20 cbm) und 30,00 DM (1,50 DM - § 3 Abs. 3
AGS - x 20 cbm) unter der Schwelle der Erheblichkeit.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Die hier streitigen Gebührensätze des § 3 AGS begegnen im Ergebnis keinen materiell-
rechtlichen Bedenken.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Ein Verstoß gegen das Kostenüberschreitungsverbot des § 6 Abs. 1 Satz 3 KAG a.F. liegt
nicht vor.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Konkrete Anhaltspunkte dafür, daß in den in der Gebührenkalkulation mit
3.189.544,00 DM veranschlagten Personalkosten Kosten für Mitarbeiter enthalten sind, die
nach der Prognose im Veranlagungszeitraum 1995 nicht für die gemeindliche Einrichtung
Abwasserbeseitigung tätig werden sollten, oder daß etwa die anteiligen Kosten der
Querschnittsämter der Höhe nach fehlerhaft veranschlagt worden sind, sind nicht ersichtlich.
Das zur Ermittlung der anteiligen Kosten der zentralen Verwaltungsbereiche
(Verwaltungsgemeinkosten) praktizierte und vom Beklagten im Berufungsverfahren erläuterte
Gesamtkostenverfahren läßt fehlerhafte methodische Ansätze nicht erkennen. Der
veranschlagte Betrag ist auch der Höhe nach nicht geeignet, den erkennenden Senat im
Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes zu weitergehenden Sachverhaltsermittlungen zu
veranlassen. Er bewegt sich nach der aus einer Vielzahl von Verfahren gewonnenen
Erfahrung des erkennenden Senats in einem für gebührenkalkulierende Einrichtungen der
Abwasserbeseitigung üblichen Rahmen. Der Personalkostenansatz läßt auch im Verhältnis zu
den veranschlagten Gesamtkosten von 30.895.016,00 DM (10,3 %) bzw. 25.232.906,00 DM
(12,6 %) nicht einmal ansatzweise ein signifikantes Ungleichgewicht erkennen, das auf die
unzulässige Einbeziehung betriebsfremder Kosten hindeuten könnte. </p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Auch die Veranschlagung der Verbandsbeiträge mit insgesamt 11.181.933,00 DM
(Emschergenossenschaft: 11.082.594,00 DM; Lippeverband: 99.339,00 DM) hält der
rechtlichen Überprüfung stand. Der Vortrag, die Verbände entwässerten durch
Bergsenkungen entstandene Polderflächen und der überwiegende Teil der laufenden
Betriebskosten der hierfür erforderlichen Pumpen werde von den Mitgliedskommunen
bezahlt, obwohl diese Pumpwerke allein zur Vermeidung, Verminderung oder Beseitigung
von Bergschäden in der Landschaft dienten, rechtfertigt selbst dann, wenn diese Schilderung
zuträfe, nicht die Annahme, daß die Kostenprognose insoweit fehlerhaft ist.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Gemäß § 7 Abs. 1 KAG a.F. ist die Gemeinde berechtigt, die von ihr für die
Mitgliedschaft in einem Wasser- oder Bodenverband zu zahlenden Beiträge und Umlagen
nach den Grundsätzen des § 6 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 KAG a.F. durch Gebühren denjenigen
aufzuerlegen, die Einrichtungen und Anlagen des Verbandes in Anspruch nehmen oder denen
der Verband durch seine Einrichtungen, Anlagen und Maßnahmen Vorteile gewährt. Nach
dem Gesetzeswortlaut sind damit sämtliche seitens der Gemeinde dem Verband geschuldeten
(... zu zahlenden ...) Verbandslasten durch eine selbständige Abwälzungsgebühr umlegbar, da
§ 7 Abs. 1 KAG a.F. darauf ausgerichtet ist, den Gemeinden eine vollständige
Refinanzierungsmöglichkeit bezüglich der in § 7 Abs. 1 KAG a.F. aufgeführten
Verbandslasten zu verschaffen. Den Kreis derjenigen, auf die die (gesamten) Verbandslasten
umgelegt werden können, legt § 7 Abs. 1 Satz 1 KAG a.F. auf diejenigen fest, die - überhaupt
- Einrichtungen und Anlagen des Verbandes in Anspruch nehmen oder denen der Verband -
allgemein - durch seine Einrichtungen, Anlagen und Maßnahmen Vorteile gewährt. Das
Gesetz enthält keine Verknüpfung dahin, daß den Betreffenden Verbandslasten nur für die
speziell von ihnen benutzten Verbandsanlagen oder den ihnen durch den Verband im
Einzelfall konkret gewährten Vorteil überbürdet werden dürfen. </p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. Juli
1997 - 9 A 2933/95 - StuGR 1998,
306.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Statt eine selbständige Abwälzungsgebühr zu erheben, können die Verbandslasten auch
im Rahmen einer Benutzungsgebühr, hier der Abwasserbeseitigungsgebühr, abgewälzt
werden. Dies gilt jedoch nur mit Einschränkungen. In die Entwässerungsgebühren können nur
diejenigen Kosten einbezogen werden, die der Gemeinde für ihre Verbandsmitgliedschaft im
Zusammenhang mit der von ihr betriebenen gemeindlichen Einrichtung der
Abwasserbeseitigung entstehen. </p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 26. Februar
1982 - 2 A 1667/79 -, GemH 1983, 113,
Urteil vom 1. Februar 1988 - 2 A
1883/80 -, OVGE 39, 277 (281 f), Urteil
vom 15. Februar 1989 - 2 A 2452/85 -,
Urteil vom 22. März 1990 - 2 A
2113/86 -.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Ein derartiger Zusammenhang zwischen dem auf das Abpumpen der Polderflächen
entfallenden Beitragsanteil und der Abwasserbeseitigung durch die Stadt R. liegt auf
der Hand: würde das Abpumpen unterbleiben, liefen, wie ausdrücklich vorgetragen worden
ist, die Poldergebiete voll und große, zum Teil dicht besiedelte Gebiete stünden unter Wasser.
In den dicht besiedelten und damit auch kanalisierten Gebieten würde das Wasser, sei es über
die Kanalöffnungen, sei es über undichte Rohre bzw. undichte Rohrverbindungen in die
Kanalisation eindringen und sich angesichts der für diese Wassermassen nicht ausgelegten
Kanalquerschnitte auf- und zurückstauen und damit die Ableitung des Abwassers gefährden,
wenn nicht gar verhindern. </p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Daß der Grund für die Notwendigkeit, die Poldergebiete zu entwässern, möglicherweise
allein durch den Bergbau gesetzt worden ist - wie behauptet wird -, mag zutreffen. Hierauf
kommt es jedoch nicht an. Denn, wie im Fall der selbständigen Abwälzungsgebühr, ist dann,
wenn - wie hier - der Verband der Gemeinde bzw. den Anschlußnehmern durch seine
Maßnahmen überhaupt einen Vorteil gewährt, auch über die Benutzungsgebühr insoweit die
vollständige Refinanzierung zulässig. </p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Eine Grenze bei der Veranschlagung der Verbandsbeiträge ist - wie in anderen Fällen der
Kostenprognose auch - lediglich dort gegeben, wo aufgrund des Kenntnisstandes im
Prognosezeitpunkt eine Reduzierung des Verbandsbeitrages abzusehen und selbst unter
Berücksichtigung eines etwaigen Prozeßrisikos oder sonstiger Unwägbarkeiten jeder andere
als der niedrigere Kostenansatz unvertretbar, d.h. ermessensfehlerhaft, gewesen wäre.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Vgl. zum Prognosespielraum zuletzt: OVG NRW,
Beschluß vom 9. August 1999 - 9 A 3133/97 -.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Hier ist bereits die erste Voraussetzung nicht erfüllt. Eine Reduzierung des
Verbandsbeitrages aus Rechtsgründen war für die Stadt R. im Zeitpunkt der
Kostenprognose Ende 1994 nicht abzusehen. Denn die unter anderem der Finanzierung des
Ausgleichs bergbaubedingter wasserwirtschaftlicher Veränderungen dienenden Beiträge zur
E. und zum L. , </p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">vgl. §§ 2 Abs. 1 Nr. 5, 3, 24 ff. des Gesetzes über die
E. - E. - (EmscherGG) vom
7. Februar 1990, GV NRW S. 144, in der Fassung des
Änderungsgesetzes vom 15. Dezember 1992, GV NRW
1993, S. 62, und §§ 2 Abs. 1 Nr. 5, 3, 25 ff. des Gesetzes
über den L. - L. - (LippeVG) vom
7. Februar 1990, GV NRW S. 162, in der Fassung des
Änderungsgesetzes vom 15. Dezember 1992, GV NRW
1993, S. 62,</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">waren im Veranlagungszeitraum 1995 zu verteilen nach dem Verhältnis zum einen der
mittelbaren oder unmittelbaren Vorteile, die die Genossen/Mitglieder von der Durchführung
der Aufgaben der Genossenschaft/des Verbandes haben oder zu erwarten haben und zum
anderen der Kosten, die die Genossenschaft/der Verband auf sich nimmt, um von
Genossen/Verbandsmitgliedern herbeigeführte oder zu erwartende nachteilige Veränderungen
im Genossenschaftsgebiet/Verbandsgebiets zu vermeiden, zu vermindern, zu beseitigen oder
auszugleichen oder ihnen obliegende Leistungen abzunehmen. Für die Festlegung der
Beitragsmaßstäbe in den Veranlagungsgrundsätzen reichte eine annähernde Ermittlung der
Vorteile und nachteiligen Veränderungen aus. </p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Vgl. §§ 25 Abs. 1 und 3, 26 Abs. 1
EmscherGG und § 20 Abs. 1 der Satzung
für die E. vom
22. Januar 1991, GV NRW S. 26; § 26
Abs. 1 und 3, 27 Abs. 1 LippeVG und
§ 20 Abs. 1 der Satzung für den
L. vom 29. Januar 1991, GV
NRW S. 30.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Anhaltspunkte dafür, daß diese Beitragsmaßstäbe als solche mit höherrangigem Recht
unvereinbar sind, sind nicht gegeben; auch von der Klägerseite sind insoweit keine Einwände
vorgebracht worden. Daß in Anwendung dieser Grundsätze der den Verbänden zukommende
Bewertungsspielraum überschritten worden ist, ist nicht ersichtlich. Ein Ermessensfehler
ergibt sich insbesondere nicht daraus, daß, wie vorgetragen worden ist, die laufenden
Betriebskosten für den Betrieb der Pumpwerke zur Entwässerung der Polderflächen zum
überwiegenden Teil auf die Mitgliedsgemeinden umgelegt worden seien. Denn die
Mitbeteiligung der Gemeinden der Bergbauregionen an der Entwässerung der Polderflächen
ist dem Grunde nach sachlich gerechtfertigt. Sie trägt zum einen der unauflösbaren
Gemengelage von Bergbau und gleichzeitigem kontinuierlichem Siedlungsbau in bzw. in der
Nähe von Bergbaugebieten und den insoweit nicht ohne weiteres ausschließlich dem Bergbau
zuzurechnenden Verursachungsanteilen an den wasserwirtschaftlichen Mißständen in den
besiedelten Gebieten und zum anderen den aus dieser Gemengelage sowohl seitens der
Gemeinden als auch seitens des Bergbaus in der Vergangenheit gezogenen Vorteilen
Rechnung. Anhaltspunkte dafür, daß mit der konkreten Ausgestaltung der Kostenaufteilung
(Kosten des Baus und der Erweiterung der Pumpen sowie der kleinere Teil der laufenden
Betriebskosten zu Lasten der Bergbauunternehmen, der übrige Teil der laufenden
Betriebskosten zu Lasten der Gemeinden) die Grenze der lediglich "annähernd" zu
erfolgenden Vorteils- und Nachteilsbemessung überschritten worden ist und seitens der Stadt
R. im Zeitpunkt der Kostenprognose Ende 1994 für den Veranlagungszeitraum 1995
mit einer Änderung der Beitragsbemessung und einer deutlichen Senkung des auf sie
entfallenden Genossenschafts-/Verbandsbeitrages zu rechnen war, sind weder ersichtlich noch
vorgetragen. </p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Schließlich hat auch die Veranschlagung der kalkulatorischen Kosten (Abschreibungen
und Zinsen) im Ergebnis Bestand. </p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Die Methode der Ermittlung der kalkulatorischen Kosten ist nicht zu beanstanden.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist der Ansatz kalkulatorischer Zinsen
auf der Grundlage von Anschaffungs(rest)werten in Verbindung mit einem Nominalzins auch
dann nach § 6 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz i.V.m. § 6 Abs. 1 KAG a.F. in der
Gebührenkalkulation zulässig, wenn die kalkulatorischen Abschreibungen, wie hier teilweise,
auf der Grundlage von Wiederbeschaffungszeitwerten berechnet werden.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Dies entspricht nach wie vor betriebswirtschaftlichen Grundsätzen i.S.d. § 6 Abs. 2 Sätze
1 u. 2 KAG a.F. und der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. August 1994 - 9 A
1248/92 -, GemH 1994, 233 m.w.N., zuletzt bestätigt unter
Bezugnahme auf das mittlerweile in der 19. Auflage
erschienene betriebswirtschaftliche Standardwerk des
anerkannten Betriebswirtschaftlers Prof. Dr. Dr. h.c. mult.
Wöhe, "Einführung in die allgemeine
Betriebswirtschaftslehre", S. 1263, 1266: OVG NRW,
Urteil vom 19. Mai 1998 - 9 A 5709/97 -, StuGR 1998,
310.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Soweit das Verwaltungsgericht zu der Auffassung gelangt ist, daß die Ausführungen in
dem vorgenannten betriebswirtschaftlichen Lehrbuch zu den einzelnen kalkulatorischen
Kosten, insbesondere Abschreibungen nach Wiederbeschaffungszeitwert und Nominalzinsen
vom Anschaffungsrestwert, nur jeweils für sich zu betrachten seien, ohne eine Aussage über
eine Kombination beider Rechenweisen zu treffen, fehlt es für eine derartige einschränkende
Interpretation an konkreten Anhaltspunkten. Vielmehr enthält das entsprechende Kapitel -
bezeichnenderweise unter der Überschrift "II. Die Betriebsabrechnung, 1. Die
Kostenartenrechnung, b) Die Erfassung der wichtigsten Kostenarten, dd) Die kalkulatorischen
Kostenarten" - unter den Gliederungspunkt "(1) Begriff und Aufgaben" eine Auflistung der
wichtigsten in der Betriebswirtschaft anerkannten kalkulatorischen Kostenansätze (Die
kalkulatorischen Abschreibungen, die kalkulatorischen Zinsen, der kalkulatorische
Unternehmerlohn, die kalkulatorischen Wagniszuschläge und die kalkulatorische Miete), die
in den folgenden Gliederungspunkten (2) - (6) näher erläutert werden und in ihrer Gesamtheit
gerade ohne jede wechselseitige Einschränkung dem Zweck dienen sollen, die Genauigkeit
der Kostenrechnung zu erhöhen. </p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Die isolierte, traditionelle Kostenbetrachtung im Rahmen betriebswirtschaftlicher
Grundsätze, wie sie im Ergebnis in der Rechtsprechung des erkennenden Senats zum
Ausdruck kommt, ist auch nach neuesten Erkenntnissen (weiterhin) zulässig, weil die damit
verbundenen Kostenanschauungen in der Betriebswirtschaftslehre unverändert mit
beachtlichem wissenschaftlichen Gewicht vertreten werden "und in der Praxis sogar
überragende Bedeutung haben."</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Vgl. Gawel, Zur Interdependenz kalkulatorischer
Kostenarten in der Gebührenbedarfsberechnung, KStZ
1999, 61 (91); im übrigen auch: Tettinger, Entgelte in der
Entsorgungswirtschaft, NWVBl. 1996, 81 (84), sowie die
in der Fachhochschul- und Universitätsausbildung
verwendeten aktuellen Werke, wie z. B.: Schmidt,
Kostenrechnung, 1996, S.61 ff. und 75 ff.; Mayer/Liess-
mann/Mertens, Kostenrechnung, 6. Aufl. 1996, S. 123 ff.
und 130 ff.; Steger, Kosten- und Leistungsrechnung, 1996,
S. 189 ff. und 219 ff.; Hoitsch, Kosten- und
Erlösrechnung, 2. Aufl. 1997, S. 233 ff.; Freidank,
Kostenrechnung, 6. Aufl. 1997, S. 111 ff. und 125 ff.;
Kicherer, Kosten- und Leistungsrechnung, 1998, S. 97 ff.
und 106 ff.; Schweitzer/Küpper, Systeme der Kosten- und
Erlösrechnung, 7. Aufl. 1998, S. 114 ff..</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Aufgrund der durch die ständige Befassung mit der Materie vorhandenen und durch die
vorzitierten betriebswirtschaftlichen Werke dem erkennenden Senat zusätzlich vermittelten
Sachkunde war die Einholung eines Sachverständigengutachtens nach dem
Amtsermittlungsgrundsatz nicht geboten. </p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Vgl. zur Entbehrlichkeit der Einholung eines
Sachverständigengutachtens bei eigener Sachkunde des
Gerichts etwa: BVerwG, Urteil vom 10. November 1983 -
3 C 56.82 -, BVerwGE 68, 177 (182), Beschlüsse vom
19. November 1998 - 8 B 148.98 -, und vom 11. Februar
1999 - 9 B 381.98 -, InfAuslR 1999, 365.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Ein allgemeiner Wandel in den betriebswirtschaftlichen Lehrmeinungen dahingehend,
daß es im Veranlagungszeitraum (1995) allgemein bei Wirtschaftsbetrieben (und nicht nur bei
Wirtschaftsbetrieben der öffentlichen Hand) nur noch zulässig gewesen sein soll, eine
kalkulatorische Nominalverzinsung auf der Grundlage von Anschaffungs(rest)werten
ausschließlich i.V.m. Abschreibungen auf Anschaffungswertbasis zu berechnen, ist damit
entgegen der Meinung des Verwaltungsgerichts nicht eingetreten. </p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Vgl. Gawel, a.a.O., S. 94 f..</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">Nicht gefolgt werden kann der Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Definition des
Begriffs der betriebswirtschaftlichen Grundsätze seitens des erkennenden Senats verstoße
gegen juristische Auslegungsgrundsätze und sei mit Art. 19 Abs. 4 GG nicht zu vereinbaren,
weil eine gesetzliche Zielbestimmung bei der Auswahl der betriebswirtschaftlichen
Grundsätze außer acht gelassen werde.</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 5. November
1998 - 13 K 8767/96 -, GemH 1999, S. 18 ff. (19).</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">Abgesehen davon, daß der innere Zusammenhang der hier zu entscheidenden materiell-
rechtlichen Fragen mit der vom Verwaltungsgericht angeführten prozessualen
Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG jedenfalls nicht ohne weiteres erkennbar ist, trifft
die Kritik auch in der Sache nicht zu. Die Definition der betriebswirtschaftlichen Grundsätze
i.S.d. § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG a.F. als beachtliche Lehrmeinungen, die für allgemeine
Wirtschaftsbetriebe und nicht für Wirtschaftsbetriebe der öffentlichen Hand gelten, entspricht
dem insoweit eindeutigen Willen des Gesetzgebers.</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">Der Landesgesetzgeber hat über § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG a.F. gerade in Anerkennung der
Regelungsdefizite der öffentlichen Haushaltswirtschaft in bezug auf die nach § 4 Abs. 2 KAG
a.F. erforderliche periodengerechte Kostenverteilung den in der Privatwirtschaft
maßgebenden betriebswirtschaftlichen Grundsätzen bewußt den Vorrang eingeräumt, im
übrigen aber sogar ausdrücklich auf eine erschöpfende Regelung des betriebswirtschaftlichen
Kostenbegriffs aufgrund der in der Betriebswirtschaftslehre herrschenden
Meinungsverschiedenheiten verzichtet.</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Vgl. LT-Drucks. 6/810 S. 34, 35.</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">Die damit intendierte Übernahme betriebswirtschaftlicher Grundsätze der Privatwirtschaft
unter bewußtem Verzicht auf eine umfassende normative Entscheidung zwischen
divergierenden betriebswirtschaftlichen Auffassungen schließt eine Verengung des zu
berücksichtigenden Kreises der beachtlichen betriebswirtschaftlichen Lehrmeinungen durch
die Rechtsprechung grundsätzlich aus, es sei denn, dem Gesetz selbst sind - sei es durch
Auslegung sei es durch ausdrückliche Regelungen - bestimmte Festlegungen zu den
ansatzfähigen Kosten zu entnehmen. </p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">Vgl. zum Vorrang gesetzlicher Vorgaben etwa: OVG
NRW, Urteil vom 5. August 1994, a.a.O., S. 233.</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">Soweit es an solchen Vorgaben fehlt, beanspruchen sämtliche in der Betriebswirtschaft
mit beachtlichem Gewicht vertretenen Lehrmeinungen über § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG a.F.
Rechtsgeltung und eröffnen der Gemeinde ein diesbezügliches Wahlrecht. </p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. August 1994, a.a.O.,
S. 233 m.w.N..</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">Es ist nicht Aufgabe der Verwaltungsgerichte zu entscheiden, welche insoweit zu
berücksichtigende betriebswirtschaftlich begründete Auffassung "richtig" ist.</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">Vgl. schon: OVG NRW, Urteil vom 26. Februar 1982,
a.a.O., S. 117.</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">In bezug auf die Ansatzfähigkeit der kalkulatorischen Kosten sind finanzwirtschaftliche
Festlegungen des Landesgesetzgebers, die eine Beschränkung der zulässigen
Kalkulationsmethoden allein auf das vom Verwaltungsgericht alternativ für zulässig erachtete
Anschaffungswert- oder Wiederbeschaffungswertmodell geböten, nicht festzustellen. Im
Gegenteil, eine derartige Zielbestimmung widerspricht eindeutig der Intention des
Landesgesetzgebers, wie sie sich in bezug auf die kalkulatorischen Kosten aus dem Gesetz
selbst und den zur Auslegung heranzuziehenden Gesetzesmaterialien ergibt.</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, hat der erkennende Senat in
seinem Urteil vom 5. August 1994, a.a.O., den Sinn und Zweck des Gesetzes dahingehend
interpretiert, daß die Gemeinden in die Lage versetzt werden sollen, die dem gemeindlichen
Betrieb obliegende Aufgabenerfüllung ohne Belastung des allgemeinen Verwaltungshaushalts
auf Dauer dadurch sicherzustellen, daß kostendeckende Gebühren erhoben werden. "Aus
dieser Zielsetzung folgt, daß nicht nur die mit dem Betrieb der Anlage verbundenen
pagatorischen Ausgaben über Gebühreneinnahmen erwirtschaftet werden müssen, sondern
auch ausreichende finanzielle Mittel für die Ersatzbeschaffung der Anlage anzusammeln
sind".</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. August 1994, a.a.O.,
S. 236.</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">Hieraus allerdings den Schluß zu ziehen, daß danach die Gemeinde durch die
Gebühreneinnahmen am Ende der Nutzungszeit wirtschaftlich so gestellt werden solle wie zu
deren Beginn,</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 5. November
1998, a.a.O., S. 20, </p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">bzw. daß der Gemeinde durch die in einen eigenen Betrieb getätigten Investitionen auf
Dauer weder Nutzen entstehen noch ein solcher entzogen werden dürfe,</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">vgl. das hier angefochtene Urteil des VG
Gelsenkirchen, S. 11 UA, sowie VG Gelsenkirchen, Urteil
vom 9. Oktober 1997 - 13 K 3766/95 -, NWVBl. 1998, 32
(33),</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">erweist sich als unzutreffend. Denn eine derartige Zielbestimmung widerspricht eindeutig
der Intention des Landesgesetzgebers.</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">Hiernach sind entgegen der vom Verwaltungsgericht vertretenen Interdependenz der
kalkulatorischen Kostenarten (Abschrei-bungen und Zinsen) die kalkulatorischen Zinsen
einerseits und die kalkulatorischen Abschreibungen andererseits in ihrer jeweiligen
finanzwirtschaftlichen Funktion zu trennen.</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">Den kalkulatorischen Zinsen ist dabei gerade nicht eine unmittelbar auf die
Substanzerhaltung der jeweiligen zur Leistungserbringung eingesetzten Anlage gerichtete
Funktion zuzumessen; Zweck und innere Rechtfertigung der über die Gebühren
umzulegenden Kosten der kalkulatorischen Verzinsung ist vielmehr (und allein) die
Gewährleistung eines Ausgleichs für die durch die Aufbringung des in der Anlage
gebundenen Kapitals seitens der Gemeinde zu tragenden finanziellen Belastungen. </p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks">Der Begründung der Landesregierung zum (zweiten) Entwurf eines
Kommunalabgabengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 9. Juli 1968 ist zu
entnehmen, daß die gebührenrelevante Kapitalverzinsung sowohl das Fremdkapital als auch
das Eigenkapital umfaßt. Sie sei zusammengefaßt worden, um einen einheitlichen Satz für das
gesamte Kapital (soweit es nicht nach dem letzten Halbsatz von der Verzinsung
ausgeschlossen sei) zuzulassen. Dies ermögliche einen gleichmäßigen Gebührensatz auch bei
schwankender oder - wie bei Annuitätendarlehen - jährlich abnehmender Höhe der
Fremdkapitalzinsen. Es bleibe den Gemeinden aber freigestellt, den Fremdkapitalzins in
voller Höhe (Hervorhebung durch den Senat) und im übrigen einen angemessenen
Eigenkapitalzins anzusetzen.</p>
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks">Vgl. LT-Drucks. 6/810, S. 35, 36.</p>
<span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks">Der danach zugelassene Ansatz der Fremdkapitalzinsen in voller Höhe kennzeichnet
eindeutig die Zielsetzung, über die kalkulatorische Verzinsung des für die jeweilige
Investition aufgenommenen Fremdkapitals einen Ausgleich der tatsächlichen finanziellen
Zinsbelastung (Effektivzinsen, Nominalzinsen) der Gemeinde zu bewirken, ihr im Rahmen
der Bestimmung des "angemessenen" Zinssatzes aber darüber hinaus die Möglichkeit zu
eröffnen, von einer zeit- und kostenintensiven Erfassung schwankender tatsächlicher
Zinsbelastungen abzusehen und insoweit für die Leistungsperiode einen an der tatsächlichen
Zinsbelastung ausgerichteten einheitlichen Zinssatz der Gebührenkalkulation
zugrundezulegen. </p>
<span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks">Entsprechendes galt nach der Vorstellung des Landesgesetzgebers auch für die ebenfalls
über die Gebühren umzulegenden Kosten der Eigenkapitalverzinsung. Der Eigenkapitalzins -
wie der Fremdkapitalzins Wertverzehr der Leistungserstellung - rechtfertige sich aus der
Erwägung heraus, daß der Benutzer einer kommunalen Einrichtung dem allgemeinen
Steuerzahler, der die Einrichtung ganz oder teilweise finanziert habe, dafür einen Zins zu
entrichten habe.</p>
<span class="absatzRechts">92</span><p class="absatzLinks">Vgl. LT-Drucks. 6/810, S. 36; im übrigen auch:
Protokoll Nr. 1246/69 des Kommunalpolitischen
Ausschusses über die 57. Sitzung vom 23. Mai 1969, S. 2
(Ausführungen zum Änderungsvorschlag Nr. 29 der
Vorlage 903).</p>
<span class="absatzRechts">93</span><p class="absatzLinks">Dies beruht letztlich auf dem Gedanken, daß das in der Anlage gebundene Eigenkapital
der Gemeinde nicht zur Erfüllung anderweitiger öffentlicher Aufgaben eingesetzt werden und
daher an anderer Stelle zu Lasten des allgemeinen Haushalts keine Zinserträge erwirtschaften
bzw. Zinsleistungen für Fremdkapital ersparen kann.</p>
<span class="absatzRechts">94</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Beschluß vom 19. September 1983 - 8
B 117.82 -, KStZ 1984, 11; OVG NRW, Urteil vom
5. August 1994, a.a.O., S. 238. </p>
<span class="absatzRechts">95</span><p class="absatzLinks">Die somit nach dem Willen des Landesgesetzgebers der kalkulatorischen Verzinsung des
Eigenkapitals zukommende Ausgleichsfunktion zielt ihrer Natur nach ebenfalls auf die am
Kapitalmarkt zu erlangenden tatsächlichen Zinsen (Effektiv- bzw. Nominalzinsen) ab. Daß
während des Gesetzgebungsverfahrens, insbesondere in bezug auf die Verzinsung des
Eigenkapitals, ausschließlich die tatsächlichen Kapitalmarktkonditionen in den Blick
genommen wurden, verdeutlicht etwa die Beratung des Kommunalpolitischen Ausschusses
vom 23. Mai 1969. Im Lauf der Beratungen kam der Änderungsvorschlag Nr. 31 der Vorlage
903 zur Sprache. Hierbei handelte es sich um die Anregung des Verbandes der Deutschen
Gas- und Wasserwerke, wonach in dem Gesetz bestimmt werden solle, daß das Eigenkapital
zu einem Satz verzinst werde, der dem Kapitalmarktzins für langfristige Anlagen entspreche.
Dieser Anregung wurde mit der Begründung nicht entsprochen, daß es nicht "den" Zins für
langfristige Anlagen gebe, "sondern es gebe unterschiedliche Zinssätze für die verschiedenen
Teilmärkte des Kapitalmarkts."</p>
<span class="absatzRechts">96</span><p class="absatzLinks">Vgl. Ausschußprot. Nr. 1246/69, S. 3.</p>
<span class="absatzRechts">97</span><p class="absatzLinks">Die damit seitens des Landesgesetzgebers der kalkulatorischen Verzinsung zugedachte
finanzwirtschaftliche Funktion eines Belastungsausgleichs für das in der Anlage gebundene
Kapital zugunsten der Fremkapitalgläubiger und des allgemeinen Haushalts bietet keinen
Anhaltspunkt, im Wege der Auslegung zu einer anderweitigen Zweckbestimmung der aus der
kalkulatorischen Verzinsung erwirtschafteten Gebührenbeträge zu gelangen. </p>
<span class="absatzRechts">98</span><p class="absatzLinks">Darüber hinaus hindert die Orientierung der kalkulatorischen Verzinsung an den
tatsächlichen Zinskonditionen des Kapitalmarkts die Annahme, der Landesgesetzgeber habe
die Gemeinden verpflichten wollen, nunmehr zu ihren Lasten den Kapitalmarktzins auf einen
sog. "Realzins" zu reduzieren und den insoweit noch offenen Belastungsausgleich anderweitig
zu finanzieren.</p>
<span class="absatzRechts">99</span><p class="absatzLinks">Erschöpft sich damit die finanzwirtschaftliche Funktion der kalkulatorischen Verzinsung
in der Gewährleistung des Belastungsausgleichs, kommt allein der kalkulatorischen
Abschreibung die Funktion zu, diejenigen finanziellen Mittel zu erwirtschaften, die es der
Gemeinde ermöglichen, eine Ersatzbeschaffung/Wiederbeschaffung der Anlage zu
finanzieren. Dementsprechend hat auch der erkennende Senat im Verfahren 9 A 1248/92 bei
der Korrektur der Grundlage der kalkulatorischen Verzinsung in Übereinstimmung mit den
Ausführungen des seinerzeit beauftragten Sachverständigen nicht der kalkulatorischen
Verzinsung die Funktion der Substanzerhaltung (der Anlage) beigemessen. "Dem
Substanzerhaltungserfordernis werde schon durch die Abschreibung vom
Wiederbeschaffungszeitwert - und damit innerhalb der zutreffenden Kostenart - Rechnung
getragen".</p>
<span class="absatzRechts">100</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. August 1994, a.a.O.,
S. 238. </p>
<span class="absatzRechts">101</span><p class="absatzLinks">Die isolierte Betrachtung der beiden kalkulatorischen Kostenarten Abschreibung und
Verzinsung gilt nach dem Willen des Landesgesetzgebers auch dann, wenn die
Abschreibungen nach dem Wiederbeschaffungszeitwert vorgenommen werden. Insoweit kann
nicht unberücksichtigt bleiben, daß - worauf das Berufungsgericht in ständiger
Rechtsprechung hingewiesen hat - der Landesgesetzgeber zugunsten der Gemeinden
ausdrücklich die Wahlmöglichkeit eröffnen wollte, Abschreibungen nach dem
Wiederbeschaffungszeitwert vorzunehmen,</p>
<span class="absatzRechts">102</span><p class="absatzLinks">vgl. OVG NRW, Urteil vom 21. Juni 1979 - II A
1628/77 -, MittNWStGB 1979, 334, Urteil vom
26. Februar 1982, a.a.O., Urteil vom 27. Oktober 1992 - 9
A 835/91 -, StuGR 1993, 313, Urteil vom 5. August 1994,
a.a.O., S. 235,</p>
<span class="absatzRechts">103</span><p class="absatzLinks">ohne insoweit mit Blick auf die Funktion der kalkulatorischen Verzinsung und deren
Orientierung an den tatsächlichen Kapitalmarktkonditionen wechselseitige Einschränkungen -
etwa aus dem Verständnis der betriebswirtschaftlichen Grundsätze als einem übergreifenden
Ordnungssystem - auch nur ansatzweise in Betracht zu ziehen. </p>
<span class="absatzRechts">104</span><p class="absatzLinks">Angesichts der divergierenden Funktionsbestimmungen der kalkulatorischen Verzinsung
einerseits und der kalkulatorischen Abschreibung andererseits bestand hierfür auch kein
Anlaß. Denn, wie der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 5. August 1994
ausgeführt hat, ergibt die Summe der Abschreibungen nach Wiederbeschaffungszeitwerten
nicht den Wiederbeschaffungswert für eine Anlage gleicher Art und Güte,</p>
<span class="absatzRechts">105</span><p class="absatzLinks">vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. August 1994, a.a.O.,
S. 236; im übrigen auch: Wöhe, a.a.O., S. 1263 für den
Regelfall eintretender Preissteigerungen,</p>
<span class="absatzRechts">106</span><p class="absatzLinks">so daß sich angesichts dieser strukturellen Deckungslücke die Frage einer Überdeckung
und hieran anknüpfender Korrekturmechanismen für den Landesgesetzgeber von vornherein
nicht stellte. </p>
<span class="absatzRechts">107</span><p class="absatzLinks">Das gilt auch in Ansehung etwaiger Zinsgewinne, die mit den je nach Femdkapitalanteil
mehr oder weniger verbleibenden Abschreibungserlösen erwirtschaftet werden können. Denn
mit dem Rückfluß des Investivkapitals über die Abschreibungen gehen die nach der
Schuldtilgung übrigen Abschreibungsbeträge in das Eigenkapital der Gemeinde über und
stehen rechtlich dem allgemeinen Haushalt zur (freien) Verfügung.</p>
<span class="absatzRechts">108</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. August 1994, a.a.O.,
S. 236.</p>
<span class="absatzRechts">109</span><p class="absatzLinks">Hiervon abweichende rechtliche Bindungen sollten durch das Gebührenrecht nicht
begründet werden; insbesondere war nicht beabsichtigt, auf der Grundlage des § 6 KAG a.F.
die zurückfließenden Abschreibungsbeträge (und die hiermit etwa erwirtschafteten
Zinsgewinne) allein dem Gebührenhaushalt zuzuordnen, so daß diese einer rentierlichen
Nutzung zugunsten des allgemeinen Haushalts entzogen waren. Denn die
betriebswirtschaftliche Aufgabe der Abschreibungen erschöpfte sich in der periodengerechten
Verteilung der durch die Leistungserbringung und dem damit verbundenen Wertverzehr
entstehenden gegenwärtigen Kosten der Gemeinde.</p>
<span class="absatzRechts">110</span><p class="absatzLinks">Vgl. LT-Drucks. 6/810, S. 34, 35 unter ausdrücklicher
Bezugnahme auf Nds. OVG, Urteil vom 16. November
1967 - III OVG A 111/65 -, KStZ 1968, 77, wonach selbst
die Rücklagenbildung nicht zur Vorfinanzierung künftiger
Aufwendungen erfolgt, sondern bereits einen
gegenwärtigen, nämlich den auf Abnutzung beruhenden
Wertverzehr berücksichtigt.</p>
<span class="absatzRechts">111</span><p class="absatzLinks">Die Beschränkung auf die Funktion der Kostenverteilung folgt schon aus dem Umstand,
daß die Ansatzmöglichkeit kalkulatorischer Kosten in der Kostenrechnung lediglich ein
innerbetriebliches Instrument ist, um die durch den Betrieb bedingte Kostenbelastung
möglichst zutreffend zu erfassen. Dabei mögen betriebswirtschaftliche Zielbestimmungen zu
unterschiedlichen Ergebnissen bei der Art und Weise der Ermittlung der einzelnen
kalkulatorischen Kosten führen. Hierauf kommt es indes nicht an. Denn die verschiedenen
innerbetrieblichen Zielbestimmungen begründen keine rechtliche Verpflichtung der hiernach
kalkulierenden Wirtschaftsbetriebe im Außenverhältnis gegenüber ihren Abnehmern, die über
die Preise vereinnahmten Gelder nur der kalkulatorischen Zielbestimmung entsprechend zu
verwenden. Soweit mit der jeweiligen Kostenkalkulation bestimmte Zielbestimmungen
verbunden sind, schaffen die Betriebe, wenn sie ihre Preise entsprechend gestalten und auf
dem Markt erzielen können, lediglich die finanziellen Möglichkeiten, der kalkulatorischen
Zielbestimmung entsprechend zu verfahren. Nichts anderes gilt nach der Definition der
betriebswirtschaftlichen Grundsätze, wie sie in der Rechtsprechung des Senats in
Übereinstimmung mit dem Willen des Landesgesetzgebers getroffen worden ist, auch für die
gebührenkalkulierenden Betriebe der öffentlichen Hand. </p>
<span class="absatzRechts">112</span><p class="absatzLinks">Die weitere Verwendung der eingenommenen Gebührenbeträge, etwa die schon im
Gesetzgebungsverfahren diskutierte - fakultative - Zuführung der Abschreibungsbeträge zu
einer Erneuerungsrücklage nach der seinerzeit geltenden Rücklagenverordnung, </p>
<span class="absatzRechts">113</span><p class="absatzLinks">vgl. LT-Drucks. 6/810, S. 35,</p>
<span class="absatzRechts">114</span><p class="absatzLinks">war daher von vornherein nicht Regelungsgegenstand der gemeindlichen Kostenrechnung
und vollzieht sich danach außerhalb gebührenrechtlicher Bindungen.</p>
<span class="absatzRechts">115</span><p class="absatzLinks">A.A. VG Köln , Urteil vom 20. Oktober 1998 - 14 K
765 u.a. -, NWVBl. 1999, 228 (229 f.), unter Hinweis
darauf, daß die Abschreibungserlöse mit dem Ziel
vereinnahmt würden, eine notwendige Erneuerung der
Anlage zu finanzieren und daher nicht als Fremdmittel
oder zu verzinsendes Eigenkapital behandelt werden
könnten.</p>
<span class="absatzRechts">116</span><p class="absatzLinks">Die beschränkte Kostenverteilungsfunktion war und ist bei Abschreibungen nach dem
Anschaffungs- bzw. nach dem Herstellungswert auch offenkundig, denn insoweit fließt über
die Abschreibungen - verteilt über die mutmaßliche Nutzungsdauer - lediglich von der
Gemeinde vorverauslagtes Kapital zum Nennwert an den Investor zurück, nachdem der
Gebührenpflichtige durch die Leistungserbringung in den Genuß seines Vorteils,</p>
<span class="absatzRechts">117</span><p class="absatzLinks">vgl. hierzu BVerwG, Beschluß vom 19. September
1983, a.a.O., S. 12,</p>
<span class="absatzRechts">118</span><p class="absatzLinks">gelangt und damit die Bilanz von Leistung und Gegenleistung innerhalb der
Gebührenperiode ausgeglichen ist. Ein unter dem Blickwinkel des Art. 3 Abs. 1 GG
zwingender sachgerechter Grund, den schon aus der Leistungserbringung an sich
resultierenden Vorteil des Gebührenschuldners noch dadurch zu erweitern, daß das
Eigenkapital, das vor der jeweiligen Investition dem allgemeinen Haushalt der Gemeinde
(frei) zur Verfügung gestanden hat, nach dem Durchlauf durch den Gebührenhaushalt
nunmehr für alle Zukunft allein diesem zugeordnet und zu Lasten der Gemeinde dem
allgemeinen Haushalt entzogen wird, ist nicht erkennbar.</p>
<span class="absatzRechts">119</span><p class="absatzLinks">Auf die reine Kostenverteilungsfunktion sind die Abschreibungen in ihrer
gebührenrechtlichen Wirkung auch dann begrenzt, wenn nach Wiederbeschaffungszeitwerten
abgeschrieben wird. Denn hinsichtlich des Anteils, über den der Anschaffungs- bzw.
Herstellungswert erfaßt wird, gilt das vorstehend Ausgeführte. Soweit über den
Inflationsindex der Anlagenwert eine Aufwertung zum "Tageswert" erfährt, die über die
Abschreibungsbeträge zeitanteilig der Gemeinde zufließt, handelt es sich der Sache nach um
einen Bemessungsfaktor zur Bestimmung des Anteils der gegenwärtigen Nutzer an der
Substanzerhaltung der im Veranlagungszeitraum zur Leistungserbringung aktuell eingesetzten
Anlage. </p>
<span class="absatzRechts">120</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Beschluß vom 25. März 1985 - 8 B
11.84 -, KStZ 1985, 129.</p>
<span class="absatzRechts">121</span><p class="absatzLinks">Die Einbeziehung der aktuellen Nutzer in die Kostenverteilung auf der Basis des
Tageswertes ist schon deshalb gerechtfertigt, weil der Wertverzehr an der aktuell eingesetzten
Anlage im Rahmen der von der Gemeinde auf Dauer - über die mutmaßliche Nutzungsdauer
der einzelnen Anlage hinaus - zu gewährleistenden Leistungserbringung die Notwendigkeit
der inflationsbedingt teureren Ersatzinvestition zum Zweck der Substanzerhaltung
(mit)begründet. </p>
<span class="absatzRechts">122</span><p class="absatzLinks">Vgl. Stellungnahme des Städtetages vom 7. Oktober
1968, Zuschrift Nr. 801, S. 9, die als Stellungnahme der
kommunalen Spitzenverbände Eingang in die
Beratungsvorlage Nr. 903 (Änderungs-vorschlag Nr. 26 -
fakultative Zulassung der Abschreibung von
Wiederbeschaffungszeitwerten -) gefunden hat; diesem
Änderungsvorschlag wurde letztlich zugestimmt (vgl. u.a.
die Ausschußprotokolle 1126/69, S. 28, 1246/69, S. 2, und
den Bericht des Kommunalpolitischen Ausschusses zur 2.
Lesung LT-Drucks. 6/1493) und führte zur Änderung des
§ 6 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz des Regierungsentwurfs
"Dazu gehören auch ... Abschreibungen, die nach der
mutmaßlichen Nutzungsdauer und dem Anschaffungs-
oder Herstellungsaufwand gleichmäßig zu bemessen sind,
..." in die schließlich Gesetz gewordene Fassung "Dazu
gehören auch ... Abschreibungen, die nach der
mutmaßlichen Nutzungsdauer ... gleichmäßig zu bemessen
sind, ... ."</p>
<span class="absatzRechts">123</span><p class="absatzLinks">Damit erlangt der in dieser Weise ermittelte Betrag des anteiligen Wertverzehrs bereits in
der aktuellen Gebührenperiode den Charakter eines gegenwärtigen Kostenbetrages, </p>
<span class="absatzRechts">124</span><p class="absatzLinks">vgl. auch BVerwG, Beschluß vom 25. März 1985,
a.a.O., S. 130,</p>
<span class="absatzRechts">125</span><p class="absatzLinks">zu dessen Ausgleich die Abschreibungen über die Gebühren umgelegt werden können
und sich in ihrer gebührenrechtlichen Wirkung auch darin - wie in den sonstigen Fällen des
Kostenausgleichs - erschöpfen. Angesichts dessen bedarf es keiner weiteren Darlegung, daß
die haushaltsnützige Verwendung der verbleibenden Abschreibungsbeträge gegenüber den
Gebührenpflichtigen keinen Verstoß gegen den auch im öffentlichen Recht geltenden
Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) in der Form des widersprüchlichen Verhaltens
darstellt.</p>
<span class="absatzRechts">126</span><p class="absatzLinks">Vgl. hierzu VG Köln, Urteil vom 20. Oktober 1998,
a.a.O., S. 230.</p>
<span class="absatzRechts">127</span><p class="absatzLinks">Der der Abschreibung nach Wiederbeschaffungszeitwerten innewohnende
Substanzerhaltungsgedanke (Prinzip der reproduktiven Substanzerhaltung) erfordert daher
nur, daß die Gemeinde entsprechend ihrer auf Dauer angelegten Pflicht zur Gewährleistung
der Leistungserbringung am Ende der Nutzungsdauer der Anlage die erforderlichen
Haushaltsmittel für eine Wiederbeschaffung bereitstellt.</p>
<span class="absatzRechts">128</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. August 1994, a.a.O.,
S. 236.</p>
<span class="absatzRechts">129</span><p class="absatzLinks">Dieser auf den periodengerechten Kostenausgleich beschränkten und damit die weitere
Verwendung der eingenommenen Beträge nicht erfassenden Funktion sowohl der
kalkulatorischen Zinsen als auch der Abschreibungen entspricht folgerichtig der weite
gesetzliche Eigenkapitalbegriff (§ 6 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz KAG a.F.) des Gebührenrechts,
der - bezogen auf die Abschreibungen - keinerlei inhaltlichen Beschränkungen unterliegt und
damit grundsätzlich jedes zur Leistungserbringung eingesetzte Kapital unabhängig von seiner
Herkunft erfaßt.</p>
<span class="absatzRechts">130</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 27. Oktober 1992, a.a.O.,
Urteil vom 5. August 1994, a.a.O., S. 234.</p>
<span class="absatzRechts">131</span><p class="absatzLinks">Soweit von der kalkulatorischen Verzinsung der aus Zuschüssen und Beiträgen gebildete
Eigenkapitalanteil ausgenommen worden ist, läßt diese beschränkte Ausnahme des 2.
Halbsatzes des Absatzes 2 Satz 2 des § 6 KAG a.F. im rechtssystematischen Zusammenhang
mit dem 1. Halbsatz besonders deutlich erkennen, daß das Eigenkapital der Gemeinde im
übrigen unabhängig von der Herkunft der einzelnen Einnahmen generell der Verzinsung
unterliegt. Bestätigt wird diese Auffassung dadurch, daß der Landesgesetzgeber etwa die
kalkulatorische Verzinsung als Instrument der Stärkung der Einnahmesituation der
Gemeinden - nicht des Gebührenhaushalts - ansah. Dies "habe den Sinn, der Finanzkraft der
Gemeinde eine Expansion aus sich heraus zu ermöglichen. </p>
<span class="absatzRechts">132</span><p class="absatzLinks">Vgl. Ausschußprot. Nr. 1246/69, S. 2.</p>
<span class="absatzRechts">133</span><p class="absatzLinks">Dem finanzwirtschaftlichen Ziel der Gewährleistung oder sogar der Steigerung der
Eigenkapitalausstattung der Gemeinden diente darüber hinaus auch und gerade die Zulassung
der Abschreibung vom Wiederbeschaffungszeitwert.</p>
<span class="absatzRechts">134</span><p class="absatzLinks">Vgl. Ausschußprot. Nr. 1126/69, S. 28.</p>
<span class="absatzRechts">135</span><p class="absatzLinks">Diese nicht zuletzt in den Materialien zum Ausdruck kommende Zielsetzung kann daher
bei der Frage nach dem Sinn und Zweck der gemeindlichen Gebührenkalkulation und damit
zusammenhängend bei der Frage nach einer hieraus zu bestimmenden Kostenobergrenze nicht
unberücksichtigt bleiben. Sie läßt die vom Verwaltungsgericht abgeleitete Zielvorgabe - die
Gemeinde dürfe sich nach Ablauf der Nutzungsdauer wirtschaftlich nicht besser stehen als
vor der Investition - schon als im Ansatz unzutreffend erkennen.</p>
<span class="absatzRechts">136</span><p class="absatzLinks">Der Einsatz von Abschreibungserlösen für eine Wiederbeschaffung führt zwar im
Ergebnis dazu, daß mit der Aufwendung dieses Kapitals und seiner Bindung in einer neuen
Anlage dessen kalkulatorische Verzinsung zu Lasten des Gebührenpflichtigen eröffnet wird.
Die Erwirtschaftung von Abschreibungserlösen (nach Abzug etwaiger Tilgungsleistungen)
ändert jedoch nichts an dem Umstand, daß diese, wie oben dargelegt, lediglich dem Ausgleich
der in den vergangenen Leistungsperioden durch die Leistungserbringung verursachten
Kosten dienen. Die über die Abschreibungen zurückgeflossenen Finanzmittel sind daher wie
die vorher für die jeweilige Investition bereitgestellten Mittel Kapital der Gemeinde.
Insbesondere handelt es sich nicht um Kapital des Gebührenschuldners. Im Falle der
Aufwendung dieses Kapitals für die Wiederbeschaffung steht es anderen rentierlichen
Zwecken zu Lasten des allgemeinen Haushalts nicht mehr zur Verfügung. Damit greift die
seitens des Landesgesetzgebers der kalkulatorischen Verzinsung beigemessene
finanzwirtschaftliche Funktion des Belastungsausgleichs ein. </p>
<span class="absatzRechts">137</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts Köln läßt sich aus dem Beschluß des
Bundesverwaltungsgerichts vom 19. September 1983, a.a.O., S. 12, eine Zuordnung der über
die Abschreibungen erwirtschafteten Finanzmittel ausschließlich zum Gebührenhaushalt nicht
begründen. Soweit das Bundesverwaltungsgericht in dem genannten Beschluß ausführt, daß,
soweit die Grundstückseigentümer mit dem Entwässerungsbeitrag oder auf andere Weise zu
dem Aufwand für die Herstellung oder Erweiterung der Entwässerungsanlage beigetragen
hätten, der Ausgleich über die Eigenkapitalverzinsung seine Grenze finde und
Eigenkapitalzinsen deshalb sachgerecht nur von dem Herstellungs- bzw.
Anschaffungsaufwand berechnet werden dürften, der um das Aufkommen aus
Entwässerungsbeiträgen und diesen gleichstehenden Leistungen der Benutzer vermindert
worden sei, sind mit den "gleichstehenden Leistungen" jedenfalls nicht die erwirtschafteten
Abschreibungsbeträge gemeint. Denn mit den vereinnahmten Abschreibungsbeträgen erfolgt,
wie oben dargelegt, lediglich der Kostenausgleich für die mit der Benutzung einhergehende
Abnutzung der aktuell eingesetzten Anlage, ohne daß damit eine Beteiligung an dem
Herstellungsaufwand für die Wiederbeschaffung verbunden ist. Soweit sich die
Grundstückseigentümer über die von ihnen gezahlten Abschreibungen mittelbar an dem
Finanzierungsaufwand für die bestehende Anlage beteiligen, wird diesem Umstand dadurch
Rechnung getragen, daß nur der um die Abschreibungen verminderte Anschaffungswert (An-
schaffungsrestwert) der kalkulatorischen Verzinsung unterliegt und damit eine Verzinsung der
jeweiligen "Beteiligungsrate" ausgeschlossen ist. Im übrigen, d.h. im Hinblick auf Beiträge
(und Zuschüsse), gewährleistet § 6 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz KAG a.F., daß das insoweit
aufgebrachte Kapital als Beitrag zum Aufwand für die Herstellung oder Erweiterung der
Entwässerungsanlage i.S.d. oben genannten Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichts von
der Verzinsung ausgenommen wird.</p>
<span class="absatzRechts">138</span><p class="absatzLinks">Die Zuordnung der erwirtschafteten Abschreibungsbeträge zum Gebührenhaushalt ergibt
sich auch nicht aus dem gemeindlichen Haushaltsrecht, dessen Grundsatz der Gesamtdeckung
(§ 16 der Gemeindehaushaltsverordnung - GemHVO -) einer gesonderten rechtlichen
Zuordnung der eingenommenen Abschreibungsbeträge ausschließlich zum Gebührenhaushalt
gerade entgegensteht. Eine rechtliche Verpflichtung i.S.d. § 17 Abs. 1 Satz 1 GemHVO, diese
Einnahmen auf die Verwendung für die Wiederbeschaffung zu beschränken und sie damit der
Gesamtdeckung zu entziehen, besteht nicht; insbesondere ergibt sich eine solche rechtliche
Verpflichtung, wie oben dargelegt, nicht aus dem Gebührenrecht. Soweit das
Verwaltungsgericht Köln darauf abhebt, daß § 17 Abs. 1 Satz 2 GemHVO eine
Zweckbindung von Einnahmen ermögliche,</p>
<span class="absatzRechts">139</span><p class="absatzLinks">vgl. Urteil vom 20. Oktober 1998, a.a.O., S. 229 f.,
</p>
<span class="absatzRechts">140</span><p class="absatzLinks">mag dies zutreffend sein, ohne daß es insoweit einer Entscheidung bedarf. Denn mit der
fakultativen haushaltsrechtlichen Zweckbindung begibt sich die Gemeinde lediglich vorweg
der Möglichkeit, die Gebühreneinnahmen noch anderweitig haushaltsnützig zu verwenden.
Diese Zweckbindung ist in ihren gebührenrechtlichen Wirkungen aber nicht anders zu
bewerten als die Zurverfügungstellung der entsprechenden Gebührenbeträge aus allgemeinen
Haushaltsmitteln erst unmittelbar vor der jeweiligen Investition. In dem einen wie in dem
anderen Fall werden dem allgemeinen Haushalt Finanzmittel entzogen und trägt allein die
Gemeinde die finanzielle Belastung, die dadurch entsteht, daß das investierte Kapital nicht
mehr zugunsten des allgemeinen Haushalts verwendet werden kann. Abgesehen davon
schließt selbst ein wirksamer Haushaltsvermerk über die Zweckbindung nicht aus, daß die
Ausgaben, auf deren Deckung die zweckgebundenen Einnahmen beschränkt sind, daneben
nicht auch aus allgemeinen Deckungsmitteln gedeckt werden können.</p>
<span class="absatzRechts">141</span><p class="absatzLinks">Vgl. Scheel/Steup/Schneider/Lienen,
Gemeindehaushaltsrecht Nordrhein-West-falen, 5. Aufl.
1997, Rdnr. 1 zu § 17 GemHVO.</p>
<span class="absatzRechts">142</span><p class="absatzLinks">Soweit zur Begründung des Ausschlusses der erwirtschafteten Abschreibungsbeträge von
der kalkulatorischen Verzinsung auf das Urteil des Senats vom 27. Oktober 1992 - 9 A
835/91 -, a.a.O., S. 101, und die darin verwendete Formulierung der "vorübergehenden
Verausgabung" verwiesen wird, </p>
<span class="absatzRechts">143</span><p class="absatzLinks">vgl. VG Köln, Urteil vom 20. Oktober 1998, a.a.O.,
S. 229,</p>
<span class="absatzRechts">144</span><p class="absatzLinks">geht dies fehl. Denn die in dem genannten Urteil des Senats für zulässig gehaltene
"vorübergehende Verausgabung" von Abschreibungsbeträgen zugunsten des allgemeinen
Haushalts bezog sich ersichtlich auf die haushaltsnützige Verwendung dieser Beträge bis zur
Wiederbeschaffung und besagt deshalb noch nichts über deren Behandlung bei der Ermittlung
der kalkulatorischen Verzinsung nach diesem Zeitpunkt.</p>
<span class="absatzRechts">145</span><p class="absatzLinks">Soweit danach über die Gebühren vereinnahmte Abschreibungsbeträge zugunsten des
allgemeinen Haushalts verwendet worden sind, mag dies zu faktischen Benachteiligungen
führen, </p>
<span class="absatzRechts">146</span><p class="absatzLinks">vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. August 1994, a.a.O.,
S. 236 f.,</p>
<span class="absatzRechts">147</span><p class="absatzLinks">ein Verstoß gegen § 6 Abs. 2 KAG a.F. bzw. ein widerrechtliches Verhalten ist darin
nicht zu sehen.</p>
<span class="absatzRechts">148</span><p class="absatzLinks">Aufgrund der dargelegten unterschiedlichen finanzwirtschaftlichen Zielsetzungen der
kalkulatorischen Kostenarten erledigt sich auch der - wiederholte - Hinweis des
Verwaltungsgerichts auf den Umstand, daß eine Gebührenkalkulation auf der Grundlage der
Rechtsprechung des erkennenden Senats gegenüber den von ihm, dem Verwaltungsgericht,
alternativ für zulässig erachteten Kalkulationsmodellen zu einem "erhöhten Kapitalendwert"
bzw. zu einer "Überdeckung" oder einer "doppelten" Verrechnung der Geldentwertungsrate
führe. </p>
<span class="absatzRechts">149</span><p class="absatzLinks">Vgl. das hier angefochtene Urteil des VG
Gelsenkirchen, S. 12 UA, VG Gelsenkirchen, Urteil vom
9. Oktober 1997, a.a.O., S 34, Urteil vom 5. November
1998, a.a.O., S. 20 f..</p>
<span class="absatzRechts">150</span><p class="absatzLinks">Dies ist die Folge dieser unterschiedlichen Zweckbestimmungen, mithin systemimmanent
und mit Blick auf die beabsichtigte Stärkung der Eigenkapitalausstattung der Gemeinde auch
gewollt.</p>
<span class="absatzRechts">151</span><p class="absatzLinks">Die insoweit vom Verwaltungsgericht angeführten und in § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG a.F.
statuierten betriebswirtschaftlichen Grundsätze vermögen an der finanzwirtschaftlichen
Funktions- und Zweckbestimmung der kalkulatorischen Kostenarten nichts zu ändern. Denn
anders als das Verwaltungsgericht meint, hat der Landesgesetzgeber selbst die Übernahme
betriebswirtschaftlicher Grundsätze der Kostenrechnung nicht als Übertragung (materieller)
kaufmännischer Zielsetzungen in die öffentliche Haushaltswirtschaft verstanden; vielmehr sei
die Methode der betriebswirtschaftlichen Kostenberechnung lediglich ein "Instrument zur
optimalen Erreichung finanzwirtschaftlicher Zwecke", </p>
<span class="absatzRechts">152</span><p class="absatzLinks">vgl. LT-Drucks. 6/810, S. 35,</p>
<span class="absatzRechts">153</span><p class="absatzLinks">um den Anforderungen des Periodenprinzips gerecht zu werden und die mit der
"einfachen Einnahmen-Ausgabenrechnung" allein nicht zu lösende Verteilung der Ausgaben
"entsprechend dem Verbrauch der durch sie beschafften Güter auf die einzelnen
Nutzungsperioden" zu gewährleisten.</p>
<span class="absatzRechts">154</span><p class="absatzLinks">Vgl. LT-Drucks. 6/810, S. 34.</p>
<span class="absatzRechts">155</span><p class="absatzLinks">Der Einwand des Verwaltungsgerichts, in bezug auf den Ausschluß der "Abschreibungen
unter Null" weiche die Rechtsprechung des erkennenden Senats selbst von dem im Urteil vom
5. August 1994, a.a.O., S. 233, näher erläuterten Begriff der betriebswirtschaftlichen
Grundsätze ab,</p>
<span class="absatzRechts">156</span><p class="absatzLinks">vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 5. November
1998, a.a.O., S. 19,</p>
<span class="absatzRechts">157</span><p class="absatzLinks">greift nicht durch. Wie bereits ausgeführt, ist auf die betriebswirtschaftlichen Grundsätze
nur abzustellen, soweit das Gesetz keine eigenständige Regelung trifft. Eine solche Regelung
hat der erkennende Senat aber § 6 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz KAG a.F. entnommen, wonach
die Abschreibungen nach der mutmaßlichen Nutzungsdauer gleichmäßig zu bemessen sind.
Ein Rückgriff auf davon abweichende betriebswirtschaftliche Grundsätze scheidet danach
aus. </p>
<span class="absatzRechts">158</span><p class="absatzLinks">Daß vor diesem Hintergrund die vom Verwaltungsgericht angeführten
Kalkulationsgrundsätze aus anderen Rechtsgebieten, wie etwa aus dem Handels-, dem Steuer-
und dem Preisprüfungsrecht - die im übrigen jeweils eigenen finanzpolitischen Zielvorgaben
folgen -,</p>
<span class="absatzRechts">159</span><p class="absatzLinks">vgl. die unterschiedlichen Zielsetzungen in der
Handels- und Steuerbilanz einerseits und in der
Kostenrechnung andererseits: Wöhe, a.a.O., S. 1263,</p>
<span class="absatzRechts">160</span><p class="absatzLinks">für die Bestimmung des Sinns und Zwecks der gemeindlichen Gebührenkalkulation
unbeachtlich sind, bedarf keiner näheren Erläuterung.</p>
<span class="absatzRechts">161</span><p class="absatzLinks">Die Abschreibung nach Wiederbeschaffungszeitwerten in Verbindung mit einer
Verzinsung des aufgewandten Kapitals auf der Grundlage von Anschaffungs(rest)werten mit
einem Nominalzins führt weder zu einer Verletzung des Äquivalenzprinzips,</p>
<span class="absatzRechts">162</span><p class="absatzLinks">vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. August 1994, a.a.O.,
S. 235,</p>
<span class="absatzRechts">163</span><p class="absatzLinks">noch zu einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Soweit ein solcher Verstoß wegen einer
Ungleichbehandlung der Gebührenpflichtigen gegenüber der Allgemeinheit angenommen
wird,</p>
<span class="absatzRechts">164</span><p class="absatzLinks">vgl. etwa VG Köln, Urteil vom 20. Oktober 1998,
a.a.O., S. 228 f.,</p>
<span class="absatzRechts">165</span><p class="absatzLinks">wird übersehen, daß Art. 3 Abs. 1 GG dem Gebührengesetzgeber bei der Aufstellung der
Gebührensätze einen weiten Entscheidungsspielraum beläßt. Art. 3 Abs. 1 GG fordert in dem
hier zu beurteilenden Zusammenhang nur, daß sich "die Verknüpfung zwischen den Kosten
der Staatsleistung und den dafür auferlegten Gebühren nicht in einer Weise gestaltet, die,
bezogen auf den Zweck der gänzlichen oder teilweisen Kostendeckung, sich unter keinem
vernünftigen Gesichtspunkt als sachgerecht erweist".</p>
<span class="absatzRechts">166</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerfG, Beschluß vom 6. Februar 1979 - 2 BvL
5/76-, BVerfGE 50, 217 (227); BVerwG, Beschluß vom
19. September 1983, a.a.O., Beschluß vom 25. März 1985,
a.a.O., S. 130.</p>
<span class="absatzRechts">167</span><p class="absatzLinks">Insoweit ist in die Bewertung der Umstand einzustellen, daß die Gebührenpflichtigen der
Gemeinde gegenüber - anders als die Steuerzahler - in einem besonderen Leistungs- und
Gegenleistungsverhältnis stehen (§ 4 Abs. 2 KAG a.F.) und aus der Leistungserbringung
seitens der Gemeinde einen besonderen Vorteil erlangen (§ 6 Abs. 1 Satz 1 KAG a.F.), der es
sachlich grundsätzlich rechtfertigt, die Gebührenpflichtigen finanziell stärker zu belasten als
den Steuerzahler. </p>
<span class="absatzRechts">168</span><p class="absatzLinks">Auch die kalkulatorischen Kostenansätze im einzelnen
begegnen, soweit der vorliegende Fall Anlaß zur Überprüfung
gebietet, im Ergebnis keinen durchgreifenden Bedenken.</p>
<span class="absatzRechts">169</span><p class="absatzLinks">Soweit pauschal Zweifel an der ordnungsgemäßen
Ausschreibung von Kanalbaumaßnahmen geäußert worden sind und
damit wohl ein erhöhter Ausgangswert für die Berechnung
geltend gemacht werden soll, mangelt es an konkreten
Anhaltspunkten, die eine weitere Sachaufklärung gebieten. Der
Hinweis darauf, daß lediglich zwei Baufirmen "im Geschäft"
seien, läßt allein nicht den Schluß zu, daß insoweit
Unregelmäßigkeiten tatsächlich erfolgt sein könnten; insoweit
könnte es sich auch um diejenigen Firmen handeln, die aufgrund
ihrer günstigen Angebote jeweils zu Recht den Zuschlag
erhalten haben. </p>
<span class="absatzRechts">170</span><p class="absatzLinks">Unabhängig davon sind etwaige Fehler bei der Ausschreibung
für die Gebührenkalkulation unerheblich, solange die von dem
beauftragten Unternehmen in Rechnung gestellten Kosten nicht
in jeder Hinsicht außer Verhältnis zu den erbrachten
Leistungen stehen und damit mit den Grundsätzen des
Äquivalenzprinzips unvereinbar sind oder sich die
Auftragsvergabe nicht als rein willkürliche, ausschließlich
die Gesamtkosten erhöhende Maßnahme darstellt, die sich der
Sache nach nicht mehr mit dem weiten Organisationsermessen des
Entsorgungsträgers, seine Aufgabe entsprechend seinen
Zweckmäßigkeitserwägungen durchzuführen, in Einklang bringen
läßt.</p>
<span class="absatzRechts">171</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschluß vom
19. Januar 1990 - 2 A 2171/87 -, Urteil
vom 30. Januar 1991 - 9 A 765/88 -,
Teilurteil vom 15. Dezember 1994 - 9 A
2251/93 -, NWVBl. 1995, 173.</p>
<span class="absatzRechts">172</span><p class="absatzLinks">Hierfür bieten das Vorbringen und die dem erkennenden Senat
vorliegenden Unterlagen nicht einmal ansatzweise einen
konkreten Anhaltspunkt.</p>
<span class="absatzRechts">173</span><p class="absatzLinks">Nicht zu beanstanden ist die mit 50 Jahren angesetzte
mutmaßliche Nutzungsdauer der Kanäle. Angesichts der für die
prognostische Bestimmung der Nutzungsdauer maßgebenden
sachgerechten Kriterien der Siedlungsverdichtung (einseitige
hohe Bodenpressung durch Wohnbebauung und
Verkehrsbeanspruchung bei variierender Tragfähigkeit des
Bodens, Grundwassereinwirkungen, nennenswerte
Unterbemessungen), der Werkstoffbeschaffenheit (Pro-duktionen
minderer Qualität, Materialunverträglichkeiten (Be-
tonmischungen) und Probleme mit der Haftfestigkeit in der
Stutzentechnik) und des Wurzeleinwuchses von Bäumen wird die
für die Prognose maßgebende Grenze der Willkür nicht erreicht.
Da der Ansatz einer mutmaßlichen Nutzungsdauer von 50 Jahren
nach Kenntnis des Senats nicht unüblich ist,</p>
<span class="absatzRechts">174</span><p class="absatzLinks">vgl. etwa OVG NRW, Urteil vom
5. August 1994, a.a.O., S. 237, sowie
die Nachweise bei Dudey, Abhängigkeiten
der kalkulatorischen Kosten von der
Nutzungsdauer eines Kanalnetzes, GemH
1994, 1 ff. (je nach Material 30-66
Jahre (Steenbock), 50-80 Jahre
(Pecher), 50-100 Jahre (KGST und ATV
Regelwerk A 133)); im übrigen auch:
Brod/Steenbock, Preiskalkulation bei
Wasser und Abwasser, 1980, Anhang 10:
je nach Material 30-100 Jahre,</p>
<span class="absatzRechts">175</span><p class="absatzLinks">und sonstige konkrete Anhaltspunkte, die die getroffene
Einschätzung der Nutzungsdauer unter Berücksichtigung des
gemeindlichen Prognosespielraums und des durch die
Kanaluntersuchungen ermittelten Schadensumfangs als
schlichtweg unvertretbar erscheinen lassen, sich nicht
aufdrängen, ist eine weitere Sachaufklärung nach dem
Amtsermittlungsgrundsatz nicht geboten.</p>
<span class="absatzRechts">176</span><p class="absatzLinks">Der Einwand, bei dem Ansatz der kalkulatorischen Kosten
seien Schadensersatzansprüche gegenüber dem Bergbau zu Lasten
der Gebührenschuldner nicht kostenmindernd berücksichtigt
worden, greift nicht durch. Die Ermittlung der Kosten in bezug
auf den Betrieb der der Leistungserbringung dienenden Anlage,
insbesondere die Bestimmung der mutmaßlichen Nutzungsdauer und
die Bewertung von Kanalisationsanlagen, erfolgt grundsätzlich
unabhängig davon, welche Gründe für den Zustand bzw. die
Ausgestaltung der Anlage maßgebend sind. Danach ist es von den
Gebührenpflichtigen in Bergbauregionen grundsätzlich
hinzunehmen, daß die öffentlichen Entwässerungseinrichtungen
wegen bestimmter, in solchen Regionen anzutreffender
besonderer Entwässerungsverhältnisse möglicherweise mit
höheren Kosten belastet werden als die Gebührenpflichtigen in
anderen Regionen.</p>
<span class="absatzRechts">177</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. April
1991, a.a.O..</p>
<span class="absatzRechts">178</span><p class="absatzLinks">Dies betrifft sowohl die Instandhaltungs-/Reparaturkosten
(Personal- und Sachkosten) als auch die wegen der höheren
Investitionskosten und ggf. kürzeren Nutzungsdauern höheren
kalkulatorischen Kosten.</p>
<span class="absatzRechts">179</span><p class="absatzLinks">Die Ermittlung der kalkulatorischen Zinsen hat im Ergebnis
ebenfalls Bestand. </p>
<span class="absatzRechts">180</span><p class="absatzLinks">Der in Ansatz gebrachte Zinssatz von 8 % entspricht der
ständigen Rechtsprechung des Senats. </p>
<span class="absatzRechts">181</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. August
1994, a.a.O., S. 238.</p>
<span class="absatzRechts">182</span><p class="absatzLinks">Eine Verpflichtung, diesen Zinssatz im Rahmen der Kostenprognose und der der
Gemeinde zum Zweck der Gewährleistung einer "angemessenen Verzinsung" (§ 6 Abs. 2
Satz 2 1. Halbsatz KAG a.F.) eröffneten Befugnis zur Bestimmung eines einheitlichen
Zinssatzes zu reduzieren, bestand nicht. Der Ansatz von 8 % bewegt sich noch innerhalb des
hierdurch eröffneten Prognose- und Ermessensspielraums; insbesondere erweist er sich nicht
als willkürlich. Angesichts der im vorzitierten Verfahren erfolgten Ermittlung des Zinssatzes
auf der Grundlage des langfristigen Durchschnittszinssatzes für die Jahre 1952 bis 1992
konnte davon ausgegangen werden, daß die - kurzfristige - Zinsentwicklung der Jahre 1993
bis einschließlich 1995 eine langfristig niedrigere Tendenz des maßgebenden
Durchschnittszinssatzes nicht vermittelte und daher bei der Bestimmung des ansatzfähigen
Zinssatzes außer Betracht bleiben konnte.</p>
<span class="absatzRechts">183</span><p class="absatzLinks">Das die Ermittlung der Grundlage der Verzinsung betreffende
Mißverständnis hinsichtlich des Ansatzes der
Kanalanschlußbeiträge im Rahmen des Abzugskapitals ist durch
die Vorlage der diesbezüglichen Kalkulationsunterlagen
ausgeräumt. Hieraus ergibt sich, daß bei der
Gebührenbedarfsberechnung das Abzugskapital einschließlich der
Kanalanschlußbeiträge jeweils bezogen auf das einzelne
Anlagegut herausgerechnet und damit nicht verzinst worden
ist.</p>
<span class="absatzRechts">184</span><p class="absatzLinks">Allerdings ist die Ermittlung des Anschaffungsrestwertes
insoweit überhöht, als im Rahmen der Abschreibung für den
Veranlagungszeitraum zwar ein Abschreibungsbetrag in Ansatz
gebracht worden ist, bei der kalkulatorischen Verzinsung
jedoch der Jahresabschreibungsbetrag nicht in demselben
Veranlagungszeitraum, sondern erst in der Folgeperiode
abgezogen worden ist. Die sich aus der Nichtberücksichtigung
der Abschreibung im Jahr der Indienststellung und der
Verschiebung der Abschreibungsbeträge in das jeweilige
Folgejahr ergebende Überhöhung hat der erkennende Senat nach
eigener, im Termin zur mündlichen Verhandlung offen gelegter
Berechnung mit 200.463,29 DM ermittelt. Dieser
Überhöhungsbetrag führt jedoch nicht zur Unwirksamkeit des
Gebührensatzes, wie im nachfolgenden Zusammenhang dargelegt
wird.</p>
<span class="absatzRechts">185</span><p class="absatzLinks">Offen bleiben kann des weiteren, ob die Abschreibungs- und
Zinsbeträge für das sog. Sonderinteresse (163.223,00 DM),</p>
<span class="absatzRechts">186</span><p class="absatzLinks">vgl. zur Abschreibungsfähigkeit
anlagenbezogener Verbandsbeiträge: OVG
NRW, Urteil vom 18. Juli 1997,
a.a.O.,</p>
<span class="absatzRechts">187</span><p class="absatzLinks">und das Kanalkataster (170.842,00 DM), </p>
<span class="absatzRechts">188</span><p class="absatzLinks">vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Mai
1998, a.a.O.,</p>
<span class="absatzRechts">189</span><p class="absatzLinks">zu Recht angesetzt worden sind. Rechnet man zu den
vorgenannten Beträgen den Überhöhungsbetrag aus der
kalkulatorischen Verzinsung (200.463,29 DM) hinzu, ergibt dies
einen Gesamtbetrag von 534.528,29 DM, der im Verhältnis zu den
gerechtfertigten Gesamtkosten lediglich 1,76 % (bei
30.895.016,00 DM Gesamtkosten) bzw. 2,16 % (bei
25.232.906,00 DM Gesamtkosten) ausmacht und damit in jedem
Fall unterhalb der für die Gebührenkalkulation maßgebenden
Grenze von 3 %,</p>
<span class="absatzRechts">190</span><p class="absatzLinks">vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. August
1994, a.a.O., S. 239,</p>
<span class="absatzRechts">191</span><p class="absatzLinks">bleibt. </p>
<span class="absatzRechts">192</span><p class="absatzLinks">Weitere Kostenminderungen sind nicht vorzunehmen.
Insbesondere war die Stadt R. nicht verpflichtet,
Schadensersatzleistungen des Bergbaus auf der Einnahmeseite zu
veranschlagen.</p>
<span class="absatzRechts">193</span><p class="absatzLinks">Im Hinblick auf den Umstand, daß bei der nach § 6 Abs. 1
Satz 3 KAG a.F. vorzunehmenden Veranschlagung der Kosten - und
damit auch der ggf. zu erwartenden kostenmindernden Einnahmen
- grundsätzlich eine Prognoseentscheidung zu treffen ist, </p>
<span class="absatzRechts">194</span><p class="absatzLinks">vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom
9. August 1999, a.a.O.,</p>
<span class="absatzRechts">195</span><p class="absatzLinks">steht der Gemeinde ein weiter Ermessensspielraum zu,
innerhalb dessen auch die bei dem Nachweis der
Schadensverursachung üblicherweise bestehenden Probleme (vgl.
auch die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom
15. September 1998 sowie in der Sitzungsvorlage - Drucksache
Nr. 693/1998 - vom 21. Juli 1998, S. 2 f.) Berücksichtigung
finden können.</p>
<span class="absatzRechts">196</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. April
1991, a.a.O..</p>
<span class="absatzRechts">197</span><p class="absatzLinks">Dabei ist nicht ausgeschlossen, daß die Gemeinde selbst
dann, wenn sie intern - etwa auf der Grundlage von
Rechtsgutachten - zu der Auffassung gelangt ist, daß ihr ein
Schadensersatzanspruch in einer bestimmten Höhe zusteht,
aufgrund einer vertretbaren Bewertung des mit der Realisierung
des Anspruchs verbundenen Prozeßrisikos im Einzelfall einen
Abschlag von dem zu ersetzenden Betrag einkalkuliert oder von
der Geltendmachung des Anspruchs insgesamt absieht und
dementsprechend in der Gebührenkalkulation keine Einnahmen
veranschlagt. </p>
<span class="absatzRechts">198</span><p class="absatzLinks">Geht die Gemeinde - etwa aufgrund der Eindeutigkeit des
jeweiligen Schadensbildes - im Zeitpunkt der Veranschlagung
der Kosten von der Realisierung von Schadensersatzforderungen
aus, ist sie lediglich dann verpflichtet, die prognostizierte
Schadensersatzleistung als Einnahme zugunsten der
Gebührenpflichtigen zu veranschlagen, wenn die
Gebührenpflichtigen über die Gebühren auch die aus dem
Schadensereignis resultierenden finanziellen Belastungen
tragen. Dementsprechend entfällt die Verpflichtung der
Gemeinde zur Gutschrift von veranschlagten
Schadensersatzleistungen, wenn der Schaden außerhalb der
Kalkulation abgewickelt wird und damit die Gebührenpflichtigen
für den Schaden auch nicht über die Gebühren in Anspruch
genommen werden.</p>
<span class="absatzRechts">199</span><p class="absatzLinks">Letzteres ist hier für den Veranlagungszeitraum 1995
angesichts der im Berufungsverfahren substantiiert
geschilderten Praxis der direkten Kostenbeteiligung des
Bergbaus durch Naturalrestitution gegeben. Hiernach werden die
Gebührenpflichtigen gerade nicht mit den aufgrund der
Bergbauschäden erforderlichen Investitionskosten belastet.
Soweit in diesem Zusammenhang vorgebracht worden ist, aus dem
Widerspruchsbescheid vom 15. August 1998 gehe hervor, daß der
Bergbau regelmäßig an den städtischen Kanalbaumaßnahmen
beteiligt werde, handelt es sich offenbar um ein
Mißverständnis. Die Beteiligung des Bergbaus stellt sich auf
der Grundlage der Schilderung des Beklagten nicht als
unmittelbare Beteiligung an den Kosten der seitens der Stadt
durchgeführten Umbaumaßnahmen dar, sondern als Kostenbeitrag
im Wege der Übernahme der Errichtung bestimmter
Entwässerungsanlagen auf eigene Rechnung. </p>
<span class="absatzRechts">200</span><p class="absatzLinks">Eine weitergehende Überprüfung der Art und Weise sowie des
Umfangs der Kostenbeteiligung des Bergbaus ist auch unter der
Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes nicht angezeigt.
Hiernach sind die Verwaltungsgerichte zwar verpflichtet, jede
mögliche Aufklärung des Sachverhalts bis an die Grenze der
Zumutbarkeit zu versuchen, sofern die Aufklärung nach ihrer
Meinung für die Entscheidung des Rechtsstreits erforderlich
ist. Bei der Überprüfung einer Kalkulation geht der erkennende
Senat aufgrund der Bindung des Beklagten an Gesetz und Recht
gemäß Art. 20 Abs. 3 GG jedoch grundsätzlich davon aus, daß
dessen Auskünfte der Wahrheit entsprechen.
Aufklärungsmaßnahmen sind daher nur insoweit aufgezeigt, als
sich dem Gericht etwa Widersprüche nach dem Sachvortrag der
klagenden Partei oder aber den beigezogenen Unterlagen
aufdrängen. Läßt es die klagende Partei insoweit an
substantiiertem Sachvortrag fehlen und ergibt sich auch aus
den Unterlagen kein konkreter Anhaltspunkt für einen
fehlerhaften Kostenansatz, hat es hiermit sein Bewenden. Die
Untersuchungsmaxime ist keine prozessuale Hoffnung, das
Gericht werde mit ihrer Hilfe schon die klagebegründenden
Tatsachen finden.</p>
<span class="absatzRechts">201</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom
19. September 1997, a.a.O., m.w.N..
</p>
<span class="absatzRechts">202</span><p class="absatzLinks">Gemessen hieran ist eine weitere Überprüfung der Art der
Kostenbeteiligung des Bergbaus nicht geboten; die
substantiierten Darlegungen des Beklagten zur Art und Weise
der Beteiligung der Bergbauunternehmen an dem Ausgleich
bergbaubedingter Schäden sind von der Klägerseite nicht
substantiiert in Frage gestellt worden. Insbesondere reicht
insoweit der Hinweis darauf nicht aus, daß die
haushaltsrechtliche und kalkulationsmäßige Behandlung der als
Ersatzleistung übernommenen und der nicht mehr benötigten
Anlagen "unklar" sei. Soweit moniert wird, daß die
übernommenen Anlagen nicht nachgewiesen seien, hat dies
offensichtlich seinen Grund darin, daß die mit diesen Anlagen
verbundenen Kosten, wie der Beklagte dargelegt hat, nicht zu
Lasten der Gebührenpflichtigen in der Kalkulation angesetzt
worden sind, so daß sie auch nicht zum Nachweis der
Zulässigkeit der Kostenansätze aufgeführt werden müssen.
Dafür, daß der Umfang der außerhalb der Kalkulation
abgewickelten Kostenbeteiligung des Bergbaus die Grenzen des -
oben dargelegten - gemeindlichen Prognose- und
Bewertungsspielraums überschreitet, sind konkrete
Anhaltspunkte weder vorgebracht noch drängen sich solche aus
den beigezogenen Unterlagen auf.</p>
<span class="absatzRechts">203</span><p class="absatzLinks">Soweit in bezug auf die Schadensverursachung durch Einleiter von der Geltendmachung
von Schadensersatzansprüchen in den meisten Fällen vollständig abgesehen wird, ist dies in
Ermangelung eindeutiger, die Verursachung durch einen bestimmten Einleiter
kennzeichnender Schadensbilder aus Kostengründen gerechtfertigt. Auch dem
Gebührenhaushalt ist nicht damit gedient, mit kostenintensiven Gerichtsverfahren
einschließlich etwaiger Beweiserhebungen durch Sachverständige trotz zweifelhafter
Erfolgsaussichten und ggf. nur begrenzter Verursachungsbeiträge im Einzelfall belastet zu
werden.</p>
<span class="absatzRechts">204</span><p class="absatzLinks">Angesichts der hiernach im vollen Umfang den gesetzlichen Anforderungen
entsprechenden Gebührenkalkulation kommt es zur Rechtfertigung der Gebührensätze auf die
vorgelegte Betriebsabrechnung nicht mehr an.</p>
<span class="absatzRechts">205</span><p class="absatzLinks">Der Hinweis, in Süddeutschland seien die Gebühren niedriger, ist rechtlich unbeachtlich,
insbesondere kann hiermit eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes des Art. 3 Abs. 1 GG
nicht mit Erfolg geltend gemacht werden. Höherrangiges Bundesrecht gebietet keine
einheitliche Gebührenbemessung, weil es keinen einheitlichen bundesrechtlichen Begriff der
Gebühr gibt, an den die Landesgesetzgebung gebunden wäre.</p>
<span class="absatzRechts">206</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Beschluß vom 9. September 1997 - 8 B
185.97 -, ZKF 1998, 62, m.w.N..</p>
<span class="absatzRechts">207</span><p class="absatzLinks">Der Anspruch auf Gleichbehandlung gilt von vornherein nur innerhalb der Grenzen der
Rechtsetzungsgewalt der jeweiligen Gebietskörperschaft, </p>
<span class="absatzRechts">208</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Beschluß vom 9. September 1997,
a.a.O., S. 63, m.w.N.,</p>
<span class="absatzRechts">209</span><p class="absatzLinks">so daß es auf die Rechtslage in anderen Bundesländern und die dort ggf. gesetzlich
beschränkten Kalkulationsspielräume nicht ankommt.</p>
<span class="absatzRechts">210</span><p class="absatzLinks">Anhaltspunkte dafür, daß die individuelle Heranziehung auf der Grundlage der hiernach
wirksamen Satzungsbestimmungen der Höhe nach Fehler aufweist, sind nicht ersichtlich und
auch nicht geltend gemacht worden.</p>
<span class="absatzRechts">211</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 155
Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 10, 711
ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">212</span><p class="absatzLinks">Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen
des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind. </p>
<span class="absatzRechts">213</span><p class="absatzLinks">
</p>
|
114,392 | ovgnrw-1999-09-01-9-a-571598 | {
"id": 823,
"name": "Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen",
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"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
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} | 9 A 5715/98 | 1999-09-01T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:39 | 2019-02-12T13:54:21 | Urteil | ECLI:DE:OVGNRW:1999:0901.9A5715.98.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> Tatbestand:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks F. straße 214 in G. ,
das an die städtische Einrichtung der Entwässerung angeschlossen ist.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Mit Heranziehungsbescheid für Grundbesitzabgaben vom 12. Januar 1996 zog
der Beklagte die Kläger für das genannte Grundstück und das Jahr 1996 unter
anderem zu Entwässerungsgebühren heran; wegen der Berechnung der Gebühren
im einzelnen wird auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides Bezug
genommen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Nach erfolglosem Vorverfahren haben die Kläger Klage erhoben. Zur
Begründung haben sie im wesentlichen folgendes geltend gemacht: Die Ermittlung
der Gebührensätze verstoße gegen das Kostenüberschreitungsverbot. Nach
betriebswirtschaftlichen Grundsätzen sei die in der Gebührenkalkulation praktizierte
Kombination von Abschreibung auf der Grundlage von
Wiederbeschaffungszeitwerten und kalkulatorischen Zinsen auf der Grundlage von
Anschaffungswerten i.V.m. einem Nominalzinssatz unzulässig. Ob die Verteilung der
Kosten für die Beseitigung des Schmutzwassers einerseits und die Beseitigung des
Niederschlagswassers andererseits sachgerecht erfolgt sei, sei zweifelhaft. Auch
seien die Bedenken hinsichtlich der Übernahme der ungeprüften Angaben der
Gebührenpflichtigen zur befestigten Grundstücksfläche nicht ausgeräumt. Der Begriff
der "befestigten Grundstücksfläche" sei unbestimmt. Die Gebührenbemessung
lediglich nach der "befestigten" Fläche trage dem Differenzierungsgebot nicht
genügend Rechnung, da je nach Oberflächenbelag der jeweilige Versiegelungsgrad
und damit der prozentuale Anteil des abfließenden bzw. versickernden
Niederschlagswassers höchst unterschiedlich sein könne.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Kläger haben beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">den Grundbesitzabgabenbescheid vom
12. Januar 1996 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 29. November 1996
hinsichtlich der Schmutz- und
Niederschlagswassergebühr aufzuheben.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Er hat die Auffassung vertreten, daß die Gebührensätze gemäß den insoweit
geltenden rechtlichen Anforderungen kalkuliert worden seien und der auf dieser
Grundlage erlassene Heranziehungsbescheid daher rechtmäßig sei.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht der Klage wegen
Verstoßes gegen das Kostenüberschreitungsverbot stattgegeben. Zur Begründung
hat es im wesentlichen ausgeführt, daß die zur Anwendung gelangte
Kalkulationsmethode der Kombination von Abschreibungen auf der Grundlage von
Wiederbeschaffungszeitwerten i.V.m. einer kalkulatorischen Verzinsung mit einem
Nominalzinssatz nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen unzulässig sei. Darüber
hinaus sei der Ansatz der kalkulatorischen Zinsen überhöht, weil in dem der
Verzinsung zugrundegelegten Anschaffungswert von 432.442.100,00 DM Kosten für
Anlagen im Bau in Höhe von 4.620.000,00 DM berücksichtigt worden seien.
Derartige Vorfinanzierungskosten dürften jedoch nicht in die Gebührenkalkulation
eingestellt werden. Des weiteren sei der Anschaffungswert teilweise durch
Rückrechnung aus dem Wiederbeschaffungszeitwert ohne die insoweit erforderlichen
Abschläge ermittelt worden. Auch die zwischenzeitlich vorgelegte
Betriebsabrechnung weise eine Überdeckung aus. Wegen der weiteren Begründung
im einzelnen wird auf den Inhalt des angefochtenen Urteils Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Hiergegen richtet sich die zugelassene Berufung des Beklagten, zu dessen
Begründung er im wesentlichen geltend macht, die angewandte Kalkulationsmethode
entspreche den Vorgaben des Kommunalabgabengesetzes und der neueren
Rechtsprechung des Berufungsgerichts. Die des weiteren beanstandeten
Kostenansätze würden insgesamt weniger als 3 % der zulässigen Gesamtkosten
ausmachen, so daß allein deshalb die in der Gebührensatzung festgelegten
Gebührensätze nicht unwirksam seien.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage
abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Kläger beantragen,</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Zur Begründung wiederholen sie ihr Vorbringen aus dem erstinstanzlichen
Verfahren und machen sich die Auffassung des Verwaltungsgerichts zu eigen.
Ergänzend tragen sie vor, daß in der bislang vom erkennenden Senat des
Berufungsgerichts bei dem Ansatz der kalkulatorischen Kosten tolerierten doppelten
Erfassung des Inflationsausgleichs ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1, 19 Abs. 4 des
Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) sowie gegen das aus dem
Rechtsstaatsprinzips abzuleitende Äquivalenzprinzip zu sehen sei. Der Beklagte
werde des weiteren aufgefordert, anhand vorzulegender Unterlagen substantiiert
darzulegen, daß für die prognostizierten Personalausgaben nur Personal
Berücksichtigung gefunden habe, was ausschließlich im Bereich
Abwasserbeseitigung tätig sei, und daß auf mehreren Verwaltungssektoren tätiges
Personal bei der Ermittlung der Kosten für die Entwässerungsgebühren nur anteilig
(sektoral) mit den entsprechenden Zeitanteilen Berücksichtigung gefunden habe.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der
Beteiligten im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der hierzu
beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten, auf das Lehrbuch von Wöhe
"Einführung in die allgemeine Betriebswirtschaftslehre", 19. Auflage 1996, sowie auf
weitere betriebswirtschaftliche Lehrbücher (Schmidt, Kostenrechnung, 1996;
Mayer/Liess-mann/Mertens, Kostenrechnung, 6. Aufl. 1996; Steger, Kosten- und
Leistungsrechnung, 1996; Hoitsch, Kosten- und Erlösrechnung, 2. Aufl. 1997;
Freidank, Kostenrechnung, 6. Aufl. 1997; Kicherer, Kosten- und Leistungsrechnung,
1998; Schweitzer/Küpper, Systeme der Kosten- und Erlösrechnung, 7. Aufl. 1998)
Bezug genommen; die vorgenannten Verwaltungsvorgänge und sonstigen
Unterlagen sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht
worden.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">
Entscheidungsgründe:</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die zugelassene Berufung des Beklagten ist begründet. </p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Der Grundbesitzabgabenbescheid des Beklagten vom 12. Januar 1996 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Novem-ber 1996 ist rechtmäßig und
verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), soweit darin
für das Jahr 1996 Entwässerungsgebühren festgesetzt worden sind.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Rechtsgrundlage der angefochtenen Gebührenerhebung sind die §§ 1 - 5, 7 - 10
der Entwässerungsgebührensatzung der Stadt G. vom 17. Dezember 1992 in
der Fassung der 5. Änderungssatzung vom 13. Dezember 1995 (EGS).</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die genannten Bestimmungen sind formell gültiges Satzungsrecht; sie sind,
soweit hier von Belang, auch in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht zu
beanstanden.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Dies gilt sowohl für den in § 3 EGS enthaltenen Frischwassermaßstab als
Gebührenmaßstab zur Bemessung der Schmutzwassergebühren als auch für den in
§ 4 EGS geregelten Maßstab der bebauten oder befestigten angeschlossenen
Grundstücksfläche zur Bemessung der Niederschlagswassergebühren. Beide
Maßstäbe genügen den nach § 6 Abs. 3 Satz 2 des Kommunalabgabengesetzes für
das Land Nordrhein-Westfalen vom 21. Oktober 1969, GV NRW S. 712, in der für
den Veranlagungszeitraum 1996 geltenden Fassung des Änderungsgesetzes vom
16. Dezember 1992, GV NRW S. 561 (KAG a.F.) an einen
Wahrscheinlichkeitsmaßstab zu stellenden Anforderungen.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 20. März 1997 - 9 A
1921/95 -, NWVBl. 1997, 422, Urteil vom 24. Juni
1998 - 9 A 1924/98 -.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Der in § 3 Abs. 2 EGS im Rahmen des Frischwassermaßstab enthaltene
Grenzwert für den Abzug von nachweislich nicht in die öffentliche Abwasseranlage
gelangte Abwassermengen von 20 cbm ist mit höherrangigem Recht vereinbar.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 20. März 1997,
a.a.O.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Auch für den Veranlagungszeitraum 1996 sind die durch den vorgenannten
Grenzwert bedingten Ungleichbehandlungen innerhalb der Gruppen der
Gebührenpflichtigen durch den Grundsatz der Verwaltungspraktikabilität
gerechtfertigt, zumal die sich ergebenden Jahresbeträge für die
Schmutzwasserbeseitigung mit 45,20 DM (Nichtverbandsmitglieder) und 24,20 DM
(Verbands-mitglieder) nach wie vor im Bagatellbereich anzusiedeln sind. </p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Der in § 4 Abs. 1 Satz 1 EGS verwandte Begriff der "befestig-ten
Grundstücksfläche" ist hinreichend bestimmt.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Vgl. die Definition in OVG NRW, Urteil vom 20.
März 1997, a.a.O.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Den insoweit geäußerten - pauschalen - Bedenken schließt sich der erkennende
Senat nicht an. </p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Eine weitere Differenzierung in der Gebührensatzung hinsichtlich der Art und
Weise der jeweiligen Befestigung ist nicht geboten. Denn wenn - wie hier - der
Satzungsgeber berechtigt ist, überhaupt einen Wahrscheinlichkeitsmaßstab zu
wählen, ist er in der Auswahl des Maßstabes weitgehend frei.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. März 1996 - 9 A
428/93 -.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Es genügt dabei, daß der von der Maßstabsregelung vorausgesetzte
Zusammenhang zwischen Gebührenbemessung und Art und Umfang der
Inanspruchnahme denkbar und nicht offensichtlich unmöglich ist. </p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 25. August 1995 - 9 A
3907/93 -.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Diesen Anforderungen genügt der vom Satzungsgeber gewählte Maßstab der
"befestigten" Grundstücksfläche. Dieser berücksichtigt zwar nur einen der für das
Maß der Inanspruchnahme aussagekräftigen Parameter, nämlich die Befestigung als
solche. Die damit verbundene Vernachlässigung aller übrigen Parameter, wie etwa
der Verschmutzung des Niederschlagswassers, des jeweiligen Neigungswinkels und
der Art der Befestigung und - damit verbunden - des Grades der Bodenverdichtung,
ist jedoch gerechtfertigt. Denn im Rahmen der zulässigen Pauschalierung kann
davon ausgegangen werden, daß bei der mit einer Befestigung verbundenen
Verdichtung des Bodens das bei Regenfällen schlagartig auftretende
Niederschlagswasser mangels ausreichender Versickerung oder Verdunstung zur
Beseitigung abgeleitet werden muß, und daß die Menge des abzuleitenden Wassers
steigt, je größer die befestigte Grundstücksfläche ist. </p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Daß mit dem Begriff der "befestigten Grundstücksfläche" die unterschiedlichen
Befestigungsmaterialien und -arten und das damit korrespondierende, differierende
Maß der Oberflächenverdichtung und - damit zusammenhängend - die Menge des
abgeleiteten Oberflächenwassers nicht im einzelnen berücksichtigt werden, liegt auf
der Hand, aber auch im Rahmen des dem Ortsgesetzgeber bei der Ausgestaltung
des Wahrscheinlichkeitsmaßstabes im Sinne des § 6 Abs. 3 Satz 2 KAG a.F.
zukommenden, weiten Ermessensspielraums. </p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 20. März 1997,
a.a.O..</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Konkrete Anhaltspunkt dafür, daß insoweit der im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG
zu beachtende Grundsatz der Typengerechtigkeit, </p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">vgl. zum Grundsatz der Typengerechtigkeit und
der in diesem Rahmen zur Anwendung gelangenden
10%-Regel etwa: BVerwG, Urteil vom 1. August 1986
- 8 C 112.84 -, David, Abgabenrecht, Nr. 63; OVG
NRW, Urteil vom 15. April 1991 - 9 A 803/88 -,
Urteil vom 25. April 1997 - 9 A 4821/95 -,</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">verletzt ist, sind nicht vorgetragen und drängen sich dem Senat auch im übrigen
nicht auf. </p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Soweit aufgrund der Verwendung besonderer Befestigungsmaterialien das auf
dem jeweiligen Grundstück anfallende Niederschlagswasser insgesamt dort
verbleibt, wird diesem Umstand dadurch Rechnung getragen, daß nach § 4 Abs. 1
Satz 1 EGS Niederschlagswassergebühren nur insoweit erhoben werden, als von
dem jeweiligen Grundstück überhaupt Niederschlagswasser "in die öffentliche
Abwasseranlage gelangt". </p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Eine andere rechtliche Bewertung ist auch nicht deshalb geboten, weil in § 4
Abs. 1 Satz 3 EGS bei begrünten Dachflächen der durch die technische Ausstattung
bedingten teilweisen Zurückhaltung von Oberflächenwasser durch einen
Gebührennachlaß Rechnung getragen wird. Dies beruht auf der im Rahmen einer
pauschalierenden Betrachtung gewonnenen Erkenntnis, daß eine ordnungsgemäß
dimensionierte und ausgeführte Dachflächenbegrünung grundsätzlich geeignet ist,
dauerhaft einen signifikanten Teil des bei Niederschlägen auftreffenden
Oberflächenwassers aufzunehmen, ohne ihn - auch nicht verzögert - abzuleiten.
Demgegenüber konnte jedenfalls für den Veranlagungszeitraum 1996 eine
entsprechende Eignung anderer Materialien zur Oberflächenbefestigung,
insbesondere unter dem Aspekt der Gewährleistung einer dauerhaften Absorption,
nicht generell unterstellt werden. Denn anders als bei der Dachflächenbegrünung
kommt es zur Beurteilung der Absorptionsfähigkeit nicht nur auf das zur
Bodenbefestigung unmittelbar verwendete Material sondern auch auf die Art und
Weise der jeweiligen Gründung im Einzelfall an, was der Annahme einer der
Dachflächenbegrünung entsprechenden generellen Eignung dieser Materialien zur
Aufnahme von Niederschlagswasser von vornherein entgegensteht.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Auch die hier streitigen Gebührensätze für die Bemessung der Schmutzwasser-
und Niederschlagswassergebühren begegnen keinen durchgreifenden materiell-
recht-lichen Bedenken.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Ein Verstoß gegen das Kostenüberschreitungsverbot des § 6 Abs. 1 Satz 3 KAG
a.F. liegt im Ergebnis nicht vor. </p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Dies gilt zunächst in bezug auf die kalkulatorischen Kosten (Abschreibung und
Zinsen). Ihre Ermittlung ist in methodischer Hinsicht nicht zu beanstanden.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist der Ansatz kalkulatorischer
Zinsen auf der Grundlage von Anschaffungs(rest)werten in Verbindung mit einem
Nominalzins auch dann nach § 6 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz i.V.m. § 6 Abs. 1 KAG
a.F. in der Gebührenkalkulation zulässig, wenn die kalkulatorischen Abschreibungen,
wie hier teilweise, auf der Grundlage von Wiederbeschaffungszeitwerten berechnet
werden.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Dies entspricht nach wie vor betriebswirtschaftlichen Grundsätzen i.S.d. § 6 Abs.
2 Sätze 1 u. 2 KAG a.F. und der ständigen Rechtsprechung des erkennenden
Senats.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. August 1994 - 9 A
1248/92 -, GemH 1994, 233 m.w.N., zuletzt bestätigt
unter Bezugnahme auf das mittlerweile in der 19.
Auflage erschienene betriebswirtschaftliche
Standardwerk des anerkannten
Betriebswirtschaftlers Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Wöhe,
"Einführung in die allgemeine
Betriebswirtschaftslehre", S. 1263, 1266: OVG NRW,
Urteil vom 19. Mai 1998 - 9 A 5709/97 -, StuGR
1998, 310.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Soweit das Verwaltungsgericht zu der Auffassung gelangt ist, daß die
Ausführungen in dem vorgenannten betriebswirtschaftlichen Lehrbuch zu den
einzelnen kalkulatorischen Kosten, insbesondere Abschreibungen nach
Wiederbeschaffungszeitwert und Nominalzinsen vom Anschaffungsrestwert, nur
jeweils für sich zu betrachten seien, ohne eine Aussage über eine Kombination
beider Rechenweisen zu treffen, fehlt es für eine derartige einschränkende
Interpretation an konkreten Anhaltspunkten. Vielmehr enthält das entsprechende
Kapitel - bezeichnenderweise unter der Überschrift "II. Die Betriebsabrechnung, 1.
Die Kostenartenrechnung, b) Die Erfassung der wichtigsten Kostenarten, dd) Die
kalkulatorischen Kostenarten" - unter den Gliederungspunkt "(1) Begriff und
Aufgaben" eine Auflistung der wichtigsten in der Betriebswirtschaft anerkannten
kalkulatorischen Kostenansätze (Die kalkulatorischen Abschreibungen, die
kalkulatorischen Zinsen, der kalkulatorische Unternehmerlohn, die kalkulatorischen
Wagniszuschläge und die kalkulatorische Miete), die in den folgenden
Gliederungspunkten (2) - (6) näher erläutert werden und in ihrer Gesamtheit gerade
ohne jede wechselseitige Einschränkung dem Zweck dienen sollen, die Genauigkeit
der Kostenrechnung zu erhöhen. </p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Die isolierte, traditionelle Kostenbetrachtung im Rahmen betriebswirtschaftlicher
Grundsätze, wie sie im Ergebnis in der Rechtsprechung des erkennenden Senats
zum Ausdruck kommt, ist auch nach neuesten Erkenntnissen (weiterhin) zulässig,
weil die damit verbundenen Kostenanschauungen in der Betriebswirtschaftslehre
unverändert mit beachtlichem wissenschaftlichen Gewicht vertreten werden "und in
der Praxis sogar überragende Bedeutung haben."</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Vgl. Gawel, Zur Interdependenz kalkulatorischer
Kostenarten in der Gebührenbedarfsberechnung,
KStZ 1999, 61 (91); im übrigen auch: Tettinger,
Entgelte in der Entsorgungswirtschaft, NWVBl. 1996,
81 (84), sowie die in der Fachhochschul- und
Universitätsausbildung verwendeten aktuellen
Werke, wie z. B.: Schmidt, Kostenrechnung, 1996,
S.61 ff. und 75 ff.; Mayer/Liess-mann/Mertens,
Kostenrechnung, 6. Aufl. 1996, S. 123 ff. und 130 ff.;
Steger, Kosten- und Leistungsrechnung, 1996, S.
189 ff. und 219 ff.; Hoitsch, Kosten- und
Erlösrechnung, 2. Aufl. 1997, S. 233 ff.; Freidank,
Kostenrechnung, 6. Aufl. 1997, S. 111 ff. und 125 ff.;
Kicherer, Kosten- und Leistungsrechnung, 1998, S.
97 ff. und 106 ff.; Schweitzer/Küpper, Systeme der
Kosten- und Erlösrechnung, 7. Aufl. 1998, S. 114
ff..</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Aufgrund der durch die ständige Befassung mit der Materie vorhandenen und
durch die vorzitierten betriebswirtschaftlichen Werke dem erkennenden Senat
zusätzlich vermittelten Sachkunde war die Einholung eines
Sachverständigengutachtens nach dem Amtsermittlungsgrundsatz nicht geboten.
</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Vgl. zur Entbehrlichkeit der Einholung eines
Sachverständigengutachtens bei eigener Sachkunde
des Gerichts etwa: BVerwG, Urteil vom 10.
November 1983 - 3 C 56.82 -, BVerwGE 68, 177
(182), Beschlüsse vom 19. November 1998 - 8 B
148.98 -, und vom 11. Februar 1999 - 9 B 381.98 -,
InfAuslR 1999, 365.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Ein allgemeiner Wandel in den betriebswirtschaftlichen Lehrmeinungen
dahingehend, daß es im Veranlagungszeitraum (1995) allgemein bei
Wirtschaftsbetrieben (und nicht nur bei Wirtschaftsbetrieben der öffentlichen Hand)
nur noch zulässig gewesen sein soll, eine kalkulatorische Nominalverzinsung auf der
Grundlage von Anschaffungs(rest)werten ausschließlich i.V.m. Abschreibungen auf
Anschaffungswertbasis zu berechnen, ist damit entgegen der Meinung des
Verwaltungsgerichts nicht eingetreten. </p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Vgl. Gawel, a.a.O., S. 94 f..</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Nicht gefolgt werden kann der Auffassung des Verwaltungsgerichts, die
Definition des Begriffs der betriebswirtschaftlichen Grundsätze seitens des
erkennenden Senats verstoße gegen juristische Auslegungsgrundsätze und sei mit
Art. 19 Abs. 4 GG nicht zu vereinbaren, weil eine gesetzliche Zielbestimmung bei der
Auswahl der betriebswirtschaftlichen Grundsätze außer acht gelassen werde.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Vgl. das angefochtene Urteil, S. 7 UA, zugleich
VG Gelsenkirchen, Urteil vom 5. November 1998 -
13 K 8767/96 -, GemH 1999, S. 18 ff. (19).</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Abgesehen davon, daß der innere Zusammenhang der hier zu entscheidenden
materiell-rechtlichen Fragen mit der vom Verwaltungsgericht angeführten
prozessualen Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG jedenfalls nicht ohne
weiteres erkennbar ist, trifft die Kritik auch in der Sache nicht zu. Die Definition der
betriebswirtschaftlichen Grundsätze i.S.d. § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG a.F. als beachtliche
Lehrmeinungen, die für allgemeine Wirtschaftsbetriebe und nicht für
Wirtschaftsbetriebe der öffentlichen Hand gelten, entspricht dem insoweit eindeutigen
Willen des Gesetzgebers.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Der Landesgesetzgeber hat über § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG a.F. gerade in
Anerkennung der Regelungsdefizite der öffentlichen Haushaltswirtschaft in bezug auf
die nach § 4 Abs. 2 KAG a.F. erforderliche periodengerechte Kostenverteilung den in
der Privatwirtschaft maßgebenden betriebswirtschaftlichen Grundsätzen bewußt den
Vorrang eingeräumt, im übrigen aber sogar ausdrücklich auf eine erschöpfende
Regelung des betriebswirtschaftlichen Kostenbegriffs aufgrund der in der
Betriebswirtschaftslehre herrschenden Meinungsverschiedenheiten verzichtet.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Vgl. LT-Drucks. 6/810 S. 34, 35.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Die damit intendierte Übernahme betriebswirtschaftlicher Grundsätze der
Privatwirtschaft unter bewußtem Verzicht auf eine umfassende normative
Entscheidung zwischen divergierenden betriebswirtschaftlichen Auffassungen
schließt eine Verengung des zu berücksichtigenden Kreises der beachtlichen
betriebswirtschaftlichen Lehrmeinungen durch die Rechtsprechung grundsätzlich
aus, es sei denn, dem Gesetz selbst sind - sei es durch Auslegung sei es durch
ausdrückliche Regelungen - bestimmte Festlegungen zu den ansatzfähigen Kosten
zu entnehmen. </p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Vgl. zum Vorrang gesetzlicher Vorgaben etwa:
OVG NRW, Urteil vom 5. August 1994, a.a.O., S.
233.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Soweit es an solchen Vorgaben fehlt, beanspruchen sämtliche in der
Betriebswirtschaft mit beachtlichem Gewicht vertretenen Lehrmeinungen über § 6
Abs. 2 Satz 1 KAG a.F. Rechtsgeltung und eröffnen der Gemeinde ein
diesbezügliches Wahlrecht. </p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. August 1994,
a.a.O., S. 233 m.w.N..</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Es ist nicht Aufgabe der Verwaltungsgerichte zu entscheiden, welche insoweit zu
berücksichtigende betriebswirtschaftlich begründete Auffassung "richtig" ist.</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Vgl. schon: OVG NRW, Urteil vom 26. Februar
1982, a.a.O., S. 117.</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">In bezug auf die Ansatzfähigkeit der kalkulatorischen Kosten sind
finanzwirtschaftliche Festlegungen des Landesgesetzgebers, die eine Beschränkung
der zulässigen Kalkulationsmethoden allein auf das vom Verwaltungsgericht
alternativ für zulässig erachtete Anschaffungswert- oder
Wiederbeschaffungswertmodell geböten, nicht festzustellen. Im Gegenteil, eine
derartige Zielbestimmung widerspricht eindeutig der Intention des
Landesgesetzgebers, wie sie sich in bezug auf die kalkulatorischen Kosten aus dem
Gesetz selbst und den zur Auslegung heranzuziehenden Gesetzesmaterialien
ergibt.</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, hat der erkennende Senat
in seinem Urteil vom 5. August 1994, a.a.O., den Sinn und Zweck des Gesetzes
dahingehend interpretiert, daß die Gemeinden in die Lage versetzt werden sollen, die
dem gemeindlichen Betrieb obliegende Aufgabenerfüllung ohne Belastung des
allgemeinen Verwaltungshaushalts auf Dauer dadurch sicherzustellen, daß
kostendeckende Gebühren erhoben werden. "Aus dieser Zielsetzung folgt, daß nicht
nur die mit dem Betrieb der Anlage verbundenen pagatorischen Ausgaben über
Gebühreneinnahmen erwirtschaftet werden müssen, sondern auch ausreichende
finanzielle Mittel für die Ersatzbeschaffung der Anlage anzusammeln sind".</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. August 1994,
a.a.O., S. 236.</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">Hieraus allerdings den Schluß zu ziehen, daß danach die Gemeinde durch die
Gebühreneinnahmen am Ende der Nutzungszeit wirtschaftlich so gestellt werden
solle wie zu deren Beginn,</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">vgl. das angefochtene Urteil, S. 10 UA, zugleich
VG Gelsenkirchen, Urteil vom 5. November 1998,
a.a.O., S. 20, </p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">bzw. daß der Gemeinde durch die in einen eigenen Betrieb getätigten
Investitionen auf Dauer weder Nutzen entstehen noch ein solcher entzogen werden
dürfe,</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 9. Oktober
1997 - 13 K 3766/95 -, NWVBl. 1998, 32 (33),</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">erweist sich als unzutreffend. Denn eine derartige Zielbestimmung widerspricht
eindeutig der Intention des Landesgesetzgebers.</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">Hiernach sind entgegen der vom Verwaltungsgericht vertretenen Interdependenz
der kalkulatorischen Kostenarten (Abschrei-bungen und Zinsen) die kalkulatorischen
Zinsen einerseits und die kalkulatorischen Abschreibungen andererseits in ihrer
jeweiligen finanzwirtschaftlichen Funktion zu trennen.</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">Den kalkulatorischen Zinsen ist dabei gerade nicht eine unmittelbar auf die
Substanzerhaltung der jeweiligen zur Leistungserbringung eingesetzten Anlage
gerichtete Funktion zuzumessen; Zweck und innere Rechtfertigung der über die
Gebühren umzulegenden Kosten der kalkulatorischen Verzinsung ist vielmehr (und
allein) die Gewährleistung eines Ausgleichs für die durch die Aufbringung des in der
Anlage gebundenen Kapitals seitens der Gemeinde zu tragenden finanziellen
Belastungen. </p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">Der Begründung der Landesregierung zum (zweiten) Entwurf eines
Kommunalabgabengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 9. Juli 1968 ist
zu entnehmen, daß die gebührenrelevante Kapitalverzinsung sowohl das
Fremdkapital als auch das Eigenkapital umfaßt. Sie sei zusammengefaßt worden,
um einen einheitlichen Satz für das gesamte Kapital (soweit es nicht nach dem
letzten Halbsatz von der Verzinsung ausgeschlossen sei) zuzulassen. Dies
ermögliche einen gleichmäßigen Gebührensatz auch bei schwankender oder - wie
bei Annuitätendarlehen - jährlich abnehmender Höhe der Fremdkapitalzinsen. Es
bleibe den Gemeinden aber freigestellt, den Fremdkapitalzins in voller Höhe
(Hervorhebung durch den Senat) und im übrigen einen angemessenen
Eigenkapitalzins anzusetzen.</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">Vgl. LT-Drucks. 6/810, S. 35, 36.</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">Der danach zugelassene Ansatz der Fremdkapitalzinsen in voller Höhe
kennzeichnet eindeutig die Zielsetzung, über die kalkulatorische Verzinsung des für
die jeweilige Investition aufgenommenen Fremdkapitals einen Ausgleich der
tatsächlichen finanziellen Zinsbelastung (Effektivzinsen, Nominalzinsen) der
Gemeinde zu bewirken, ihr im Rahmen der Bestimmung des "angemessenen"
Zinssatzes aber darüber hinaus die Möglichkeit zu eröffnen, von einer zeit- und
kostenintensiven Erfassung schwankender tatsächlicher Zinsbelastungen abzusehen
und insoweit für die Leistungsperiode einen an der tatsächlichen Zinsbelastung
ausgerichteten einheitlichen Zinssatz der Gebührenkalkulation zugrundezulegen.
</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">Entsprechendes galt nach der Vorstellung des Landesgesetzgebers auch für die
ebenfalls über die Gebühren umzulegenden Kosten der Eigenkapitalverzinsung. Der
Eigenkapitalzins - wie der Fremdkapitalzins Wertverzehr der Leistungserstellung -
rechtfertige sich aus der Erwägung heraus, daß der Benutzer einer kommunalen
Einrichtung dem allgemeinen Steuerzahler, der die Einrichtung ganz oder teilweise
finanziert habe, dafür einen Zins zu entrichten habe.</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">Vgl. LT-Drucks. 6/810, S. 36; im übrigen auch:
Protokoll Nr. 1246/69 des Kommunalpolitischen
Ausschusses über die 57. Sitzung vom 23. Mai 1969,
S. 2 (Ausführungen zum Änderungsvorschlag Nr. 29
der Vorlage 903).</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">Dies beruht letztlich auf dem Gedanken, daß das in der Anlage gebundene
Eigenkapital der Gemeinde nicht zur Erfüllung anderweitiger öffentlicher Aufgaben
eingesetzt werden und daher an anderer Stelle zu Lasten des allgemeinen Haushalts
keine Zinserträge erwirtschaften bzw. Zinsleistungen für Fremdkapital ersparen
kann.</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Beschluß vom 19. September
1983 - 8 B 117.82 -, KStZ 1984, 11; OVG NRW,
Urteil vom 5. August 1994, a.a.O., S. 238. </p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">Die somit nach dem Willen des Landesgesetzgebers der kalkulatorischen
Verzinsung des Eigenkapitals zukommende Ausgleichsfunktion zielt ihrer Natur nach
ebenfalls auf die am Kapitalmarkt zu erlangenden tatsächlichen Zinsen (Effektiv-
bzw. Nominalzinsen) ab. Daß während des Gesetzgebungsverfahrens, insbesondere
in bezug auf die Verzinsung des Eigenkapitals, ausschließlich die tatsächlichen
Kapitalmarktkonditionen in den Blick genommen wurden, verdeutlicht etwa die
Beratung des Kommunalpolitischen Ausschusses vom 23. Mai 1969. Im Lauf der
Beratungen kam der Änderungsvorschlag Nr. 31 der Vorlage 903 zur Sprache.
Hierbei handelte es sich um die Anregung des Verbandes der Deutschen Gas- und
Wasserwerke, wonach in dem Gesetz bestimmt werden solle, daß das Eigenkapital
zu einem Satz verzinst werde, der dem Kapitalmarktzins für langfristige Anlagen
entspreche. Dieser Anregung wurde mit der Begründung nicht entsprochen, daß es
nicht "den" Zins für langfristige Anlagen gebe, "sondern es gebe unterschiedliche
Zinssätze für die verschiedenen Teilmärkte des Kapitalmarkts."</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">Vgl. Ausschußprot. Nr. 1246/69, S. 3.</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">Die damit seitens des Landesgesetzgebers der kalkulatorischen Verzinsung
zugedachte finanzwirtschaftliche Funktion eines Belastungsausgleichs für das in der
Anlage gebundene Kapital zugunsten der Fremkapitalgläubiger und des allgemeinen
Haushalts bietet keinen Anhaltspunkt, im Wege der Auslegung zu einer
anderweitigen Zweckbestimmung der aus der kalkulatorischen Verzinsung
erwirtschafteten Gebührenbeträge zu gelangen. </p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">Darüber hinaus hindert die Orientierung der kalkulatorischen Verzinsung an den
tatsächlichen Zinskonditionen des Kapitalmarkts die Annahme, der
Landesgesetzgeber habe die Gemeinden verpflichten wollen, nunmehr zu ihren
Lasten den Kapitalmarktzins auf einen sog. "Realzins" zu reduzieren und den
insoweit noch offenen Belastungsausgleich anderweitig zu finanzieren.</p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks">Erschöpft sich damit die finanzwirtschaftliche Funktion der kalkulatorischen
Verzinsung in der Gewährleistung des Belastungsausgleichs, kommt allein der
kalkulatorischen Abschreibung die Funktion zu, diejenigen finanziellen Mittel zu
erwirtschaften, die es der Gemeinde ermöglichen, eine
Ersatzbeschaffung/Wiederbeschaffung der Anlage zu finanzieren. Dementsprechend
hat auch der erkennende Senat im Verfahren 9 A 1248/92 bei der Korrektur der
Grundlage der kalkulatorischen Verzinsung in Übereinstimmung mit den
Ausführungen des seinerzeit beauftragten Sachverständigen nicht der
kalkulatorischen Verzinsung die Funktion der Substanzerhaltung (der Anlage)
beigemessen. "Dem Substanzerhaltungserfordernis werde schon durch die
Abschreibung vom Wiederbeschaffungszeitwert - und damit innerhalb der
zutreffenden Kostenart - Rechnung getragen".</p>
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. August 1994,
a.a.O., S. 238. </p>
<span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks">Die isolierte Betrachtung der beiden kalkulatorischen Kostenarten Abschreibung
und Verzinsung gilt nach dem Willen des Landesgesetzgebers auch dann, wenn die
Abschreibungen nach dem Wiederbeschaffungszeitwert vorgenommen werden.
Insoweit kann nicht unberücksichtigt bleiben, daß - worauf das Berufungsgericht in
ständiger Rechtsprechung hingewiesen hat - der Landesgesetzgeber zugunsten der
Gemeinden ausdrücklich die Wahlmöglichkeit eröffnen wollte, Abschreibungen nach
dem Wiederbeschaffungszeitwert vorzunehmen,</p>
<span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks">vgl.: OVG NRW, Urteil vom 21. Juni 1979 - II A
1628/77 -, MittNWStGB 1979, 334, Urteil vom 26.
Februar 1982, a.a.O., Urteil vom 27. Oktober 1992 -
9 A 835/91 -, StuGR 1993, 313, Urteil vom 5. August
1994, a.a.O., S. 235,</p>
<span class="absatzRechts">92</span><p class="absatzLinks">ohne insoweit mit Blick auf die Funktion der kalkulatorischen Verzinsung und
deren Orientierung an den tatsächlichen Kapitalmarktkonditionen wechselseitige
Einschränkungen - etwa aus dem Verständnis der betriebswirtschaftlichen
Grundsätze als einem übergreifenden Ordnungssystem - auch nur ansatzweise in
Betracht zu ziehen. </p>
<span class="absatzRechts">93</span><p class="absatzLinks">Angesichts der divergierenden Funktionsbestimmungen der kalkulatorischen
Verzinsung einerseits und der kalkulatorischen Abschreibung andererseits bestand
hierfür auch kein Anlaß. Denn, wie der erkennende Senat bereits in seinem Urteil
vom 5. August 1994 ausgeführt hat, ergibt die Summe der Abschreibungen nach
Wiederbeschaffungszeitwerten nicht den Wiederbeschaffungswert für eine Anlage
gleicher Art und Güte,</p>
<span class="absatzRechts">94</span><p class="absatzLinks">vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. August 1994,
a.a.O., S. 236; im übrigen auch: Wöhe, a.a.O., S.
1263 für den Regelfall eintretender
Preissteigerungen,</p>
<span class="absatzRechts">95</span><p class="absatzLinks">so daß sich angesichts dieser strukturellen Deckungslücke die Frage einer
Überdeckung und hieran anknüpfender Korrekturmechanismen für den
Landesgesetzgeber von vornherein nicht stellte. </p>
<span class="absatzRechts">96</span><p class="absatzLinks">Das gilt auch in Ansehung etwaiger Zinsgewinne, die mit den je nach
Femdkapitalanteil mehr oder weniger verbleibenden Abschreibungserlösen
erwirtschaftet werden können. Denn mit dem Rückfluß des Investivkapitals über die
Abschreibungen gehen die nach der Schuldtilgung übrigen Abschreibungsbeträge in
das Eigenkapital der Gemeinde über und stehen rechtlich dem allgemeinen Haushalt
zur (freien) Verfügung.</p>
<span class="absatzRechts">97</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. August 1994,
a.a.O., S. 236.</p>
<span class="absatzRechts">98</span><p class="absatzLinks">Hiervon abweichende rechtliche Bindungen sollten durch das Gebührenrecht
nicht begründet werden; insbesondere war nicht beabsichtigt, auf der Grundlage des
§ 6 KAG a.F. die zurückfließenden Abschreibungsbeträge (und die hiermit etwa
erwirtschafteten Zinsgewinne) allein dem Gebührenhaushalt zuzuordnen, so daß
diese einer rentierlichen Nutzung zugunsten des allgemeinen Haushalts entzogen
waren. Denn die betriebswirtschaftliche Aufgabe der Abschreibungen erschöpfte sich
in der periodengerechten Verteilung der durch die Leistungserbringung und dem
damit verbundenen Wertverzehr entstehenden gegenwärtigen Kosten der
Gemeinde.</p>
<span class="absatzRechts">99</span><p class="absatzLinks">Vgl. LT-Drucks. 6/810, S. 34, 35 unter
ausdrücklicher Bezugnahme auf Nds. OVG, Urteil
vom 16. November 1967 - III OVG A 111/65 -, KStZ
1968, 77, wonach selbst die Rücklagenbildung nicht
zur Vorfinanzierung künftiger Aufwendungen erfolgt,
sondern bereits einen gegenwärtigen, nämlich den
auf Abnutzung beruhenden Wertverzehr
berücksichtigt.</p>
<span class="absatzRechts">100</span><p class="absatzLinks">Die Beschränkung auf die Funktion der Kostenverteilung folgt schon aus dem
Umstand, daß die Ansatzmöglichkeit kalkulatorischer Kosten in der Kostenrechnung
lediglich ein innerbetriebliches Instrument ist, um die durch den Betrieb bedingte
Kostenbelastung möglichst zutreffend zu erfassen. Dabei mögen
betriebswirtschaftliche Zielbestimmungen zu unterschiedlichen Ergebnissen bei der
Art und Weise der Ermittlung der einzelnen kalkulatorischen Kosten führen. Hierauf
kommt es indes nicht an. Denn die verschiedenen innerbetrieblichen
Zielbestimmungen begründen keine rechtliche Verpflichtung der hiernach
kalkulierenden Wirtschaftsbetriebe im Außenverhältnis gegenüber ihren Abnehmern,
die über die Preise vereinnahmten Gelder nur der kalkulatorischen Zielbestimmung
entsprechend zu verwenden. Soweit mit der jeweiligen Kostenkalkulation bestimmte
Zielbestimmungen verbunden sind, schaffen die Betriebe, wenn sie ihre Preise
entsprechend gestalten und auf dem Markt erzielen können, lediglich die finanziellen
Möglichkeiten, der kalkulatorischen Zielbestimmung entsprechend zu verfahren.
Nichts anderes gilt nach der Definition der betriebswirtschaftlichen Grundsätze, wie
sie in der Rechtsprechung des Senats in Übereinstimmung mit dem Willen des
Landesgesetzgebers getroffen worden ist, auch für die gebührenkalkulierenden
Betriebe der öffentlichen Hand. </p>
<span class="absatzRechts">101</span><p class="absatzLinks">Die weitere Verwendung der eingenommenen Gebührenbeträge, etwa die schon
im Gesetzgebungsverfahren diskutierte - fakultative - Zuführung der
Abschreibungsbeträge zu einer Erneuerungsrücklage nach der seinerzeit geltenden
Rücklagenverordnung, </p>
<span class="absatzRechts">102</span><p class="absatzLinks">vgl. LT-Drucks. 6/810, S. 35,</p>
<span class="absatzRechts">103</span><p class="absatzLinks">war daher von vornherein nicht Regelungsgegenstand der gemeindlichen
Kostenrechnung und vollzieht sich danach außerhalb gebührenrechtlicher
Bindungen.</p>
<span class="absatzRechts">104</span><p class="absatzLinks">A.A. VG Köln , Urteil vom 20. Oktober 1998 - 14
K 765 u.a. -, NWVBl. 1999, 228 (229 f.), unter
Hinweis darauf, daß die Abschreibungserlöse mit
dem Ziel vereinnahmt würden, eine notwendige
Erneuerung der Anlage zu finanzieren und daher
nicht als Fremdmittel oder zu verzinsendes
Eigenkapital behandelt werden könnten.</p>
<span class="absatzRechts">105</span><p class="absatzLinks">Die beschränkte Kostenverteilungsfunktion war und ist bei Abschreibungen nach
dem Anschaffungs- bzw. nach dem Herstellungswert auch offenkundig, denn
insoweit fließt über die Abschreibungen - verteilt über die mutmaßliche
Nutzungsdauer - lediglich von der Gemeinde vorverauslagtes Kapital zum Nennwert
an den Investor zurück, nachdem der Gebührenpflichtige durch die
Leistungserbringung in den Genuß seines Vorteils,</p>
<span class="absatzRechts">106</span><p class="absatzLinks">vgl. hierzu BVerwG, Beschluß vom 19.
September 1983, a.a.O., S. 12,</p>
<span class="absatzRechts">107</span><p class="absatzLinks">gelangt und damit die Bilanz von Leistung und Gegenleistung innerhalb der
Gebührenperiode ausgeglichen ist. Ein unter dem Blickwinkel des Art. 3 Abs. 1 GG
zwingender sachgerechter Grund, den schon aus der Leistungserbringung an sich
resultierenden Vorteil des Gebührenschuldners noch dadurch zu erweitern, daß das
Eigenkapital, das vor der jeweiligen Investition dem allgemeinen Haushalt der
Gemeinde (frei) zur Verfügung gestanden hat, nach dem Durchlauf durch den
Gebührenhaushalt nunmehr für alle Zukunft allein diesem zugeordnet und zu Lasten
der Gemeinde dem allgemeinen Haushalt entzogen wird, ist nicht erkennbar.</p>
<span class="absatzRechts">108</span><p class="absatzLinks">Auf die reine Kostenverteilungsfunktion sind die Abschreibungen in ihrer
gebührenrechtlichen Wirkung auch dann begrenzt, wenn nach
Wiederbeschaffungszeitwerten abgeschrieben wird. Denn hinsichtlich des Anteils,
über den der Anschaffungs- bzw. Herstellungswert erfaßt wird, gilt das vorstehend
Ausgeführte. Soweit über den Inflationsindex der Anlagenwert eine Aufwertung zum
"Tageswert" erfährt, die über die Abschreibungsbeträge zeitanteilig der Gemeinde
zufließt, handelt es sich der Sache nach um einen Bemessungsfaktor zur
Bestimmung des Anteils der gegenwärtigen Nutzer an der Substanzerhaltung der im
Veranlagungszeitraum zur Leistungserbringung aktuell eingesetzten Anlage. </p>
<span class="absatzRechts">109</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Beschluß vom 25. März 1985 - 8 B
11.84 -, KStZ 1985, 129.</p>
<span class="absatzRechts">110</span><p class="absatzLinks">Die Einbeziehung der aktuellen Nutzer in die Kostenverteilung auf der Basis des
Tageswertes ist schon deshalb gerechtfertigt, weil der Wertverzehr an der aktuell
eingesetzten Anlage im Rahmen der von der Gemeinde auf Dauer - über die
mutmaßliche Nutzungsdauer der einzelnen Anlage hinaus - zu gewährleistenden
Leistungserbringung die Notwendigkeit der inflationsbedingt teureren
Ersatzinvestition zum Zweck der Substanzerhaltung (mit)begründet. </p>
<span class="absatzRechts">111</span><p class="absatzLinks">Vgl. Stellungnahme des Städtetages vom 7.
Oktober 1968, Zuschrift Nr. 801, S. 9, die als
Stellungnahme der kommunalen Spitzenverbände
Eingang in die Beratungsvorlage Nr. 903
(Änderungs-vorschlag Nr. 26 - fakultative Zulassung
der Abschreibung von
Wiederbeschaffungszeitwerten -) gefunden hat;
diesem Änderungsvorschlag wurde letztlich
zugestimmt (vgl. u.a. die Ausschußprotokolle
1126/69, S. 28, 1246/69, S. 2, und den Bericht des
Kommunalpolitischen Ausschusses zur 2. Lesung
LT-Drucks. 6/1493) und führte zur Änderung des § 6
Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz des Regierungsentwurfs
"Dazu gehören auch ... Abschreibungen, die nach
der mutmaßlichen Nutzungsdauer und dem
Anschaffungs- oder Herstellungsaufwand
gleichmäßig zu bemessen sind, ..."in die schließlich
Gesetz gewordene Fassung "Dazu gehören auch ...
Abschreibungen, die nach der mutmaßlichen
Nutzungsdauer ... gleichmäßig zu bemessen sind, ...
."</p>
<span class="absatzRechts">112</span><p class="absatzLinks">Damit erlangt der in dieser Weise ermittelte Betrag des anteiligen Wertverzehrs
bereits in der aktuellen Gebührenperiode den Charakter eines gegenwärtigen
Kostenbetrages, </p>
<span class="absatzRechts">113</span><p class="absatzLinks">vgl. auch BVerwG, Beschluß vom 25. März 1985,
a.a.O., S. 130,</p>
<span class="absatzRechts">114</span><p class="absatzLinks">zu dessen Ausgleich die Abschreibungen über die Gebühren umgelegt werden
können und sich in ihrer gebührenrechtlichen Wirkung auch darin - wie in den
sonstigen Fällen des Kostenausgleichs - erschöpfen. Angesichts dessen bedarf es
keiner weiteren Darlegung, daß die haushaltsnützige Verwendung der verbleibenden
Abschreibungsbeträge gegenüber den Gebührenpflichtigen keinen Verstoß gegen
den auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242
BGB) in der Form des widersprüchlichen Verhaltens darstellt.</p>
<span class="absatzRechts">115</span><p class="absatzLinks">Vgl. hierzu VG Köln, Urteil vom 20. Oktober
1998, a.a.O., S. 230.</p>
<span class="absatzRechts">116</span><p class="absatzLinks">Der der Abschreibung nach Wiederbeschaffungszeitwerten innewohnende
Substanzerhaltungsgedanke (Prinzip der reproduktiven Substanzerhaltung) erfordert
daher nur, daß die Gemeinde entsprechend ihrer auf Dauer angelegten Pflicht zur
Gewährleistung der Leistungserbringung am Ende der Nutzungsdauer der Anlage
die erforderlichen Haushaltsmittel für eine Wiederbeschaffung bereitstellt.</p>
<span class="absatzRechts">117</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. August 1994,
a.a.O., S. 236.</p>
<span class="absatzRechts">118</span><p class="absatzLinks">Dieser auf den periodengerechten Kostenausgleich beschränkten und damit die
weitere Verwendung der eingenommenen Beträge nicht erfassenden Funktion
sowohl der kalkulatorischen Zinsen als auch der Abschreibungen entspricht
folgerichtig der weite gesetzliche Eigenkapitalbegriff (§ 6 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz
KAG a.F.) des Gebührenrechts, der - bezogen auf die Abschreibungen - keinerlei
inhaltlichen Beschränkungen unterliegt und damit grundsätzlich jedes zur
Leistungserbringung eingesetzte Kapital unabhängig von seiner Herkunft erfaßt.</p>
<span class="absatzRechts">119</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 27. Oktober 1992,
a.a.O., Urteil vom 5. August 1994, a.a.O., S.
234.</p>
<span class="absatzRechts">120</span><p class="absatzLinks">Soweit von der kalkulatorischen Verzinsung der aus Zuschüssen und Beiträgen
gebildete Eigenkapitalanteil ausgenommen worden ist, läßt diese beschränkte
Ausnahme des 2. Halbsatzes des Absatzes 2 Satz 2 des § 6 KAG a.F. im
rechtssystematischen Zusammenhang mit dem 1. Halbsatz besonders deutlich
erkennen, daß das Eigenkapital der Gemeinde im übrigen unabhängig von der
Herkunft der einzelnen Einnahmen generell der Verzinsung unterliegt. Bestätigt wird
diese Auffassung dadurch, daß der Landesgesetzgeber etwa die kalkulatorische
Verzinsung als Instrument der Stärkung der Einnahmesituation der Gemeinden -
nicht des Gebührenhaushalts - ansah. Dies "habe den Sinn, der Finanzkraft der
Gemeinde eine Expansion aus sich heraus zu ermöglichen. </p>
<span class="absatzRechts">121</span><p class="absatzLinks">Vgl. Ausschußprot. Nr. 1246/69, S. 2.</p>
<span class="absatzRechts">122</span><p class="absatzLinks">Dem finanzwirtschaftlichen Ziel der Gewährleistung oder sogar der Steigerung
der Eigenkapitalausstattung der Gemeinden diente darüber hinaus auch und gerade
die Zulassung der Abschreibung vom Wiederbeschaffungszeitwert.</p>
<span class="absatzRechts">123</span><p class="absatzLinks">Vgl. Ausschußprot. Nr. 1126/69, S. 28.</p>
<span class="absatzRechts">124</span><p class="absatzLinks">Diese nicht zuletzt in den Materialien zum Ausdruck kommende Zielsetzung kann
daher bei der Frage nach dem Sinn und Zweck der gemeindlichen
Gebührenkalkulation und damit zusammenhängend bei der Frage nach einer hieraus
zu bestimmenden Kostenobergrenze nicht unberücksichtigt bleiben. Sie läßt die vom
Verwaltungsgericht abgeleitete Zielvorgabe - die Gemeinde dürfe sich nach Ablauf
der Nutzungsdauer wirtschaftlich nicht besser stehen als vor der Investition - schon
als im Ansatz unzutreffend erkennen.</p>
<span class="absatzRechts">125</span><p class="absatzLinks">Der Einsatz von Abschreibungserlösen für eine Wiederbeschaffung führt zwar im
Ergebnis dazu, daß mit der Aufwendung dieses Kapitals und seiner Bindung in einer
neuen Anlage dessen kalkulatorische Verzinsung zu Lasten des Gebührenpflichtigen
eröffnet wird. Die Erwirtschaftung von Abschreibungserlösen (nach Abzug etwaiger
Tilgungsleistungen) ändert jedoch nichts an dem Umstand, daß diese, wie oben
dargelegt, lediglich dem Ausgleich der in den vergangenen Leistungsperioden durch
die Leistungserbringung verursachten Kosten dienen. Die über die Abschreibungen
zurückgeflossenen Finanzmittel sind daher wie die vorher für die jeweilige Investition
bereitgestellten Mittel Kapital der Gemeinde. Insbesondere handelt es sich nicht um
Kapital des Gebührenschuldners. Im Falle der Aufwendung dieses Kapitals für die
Wiederbeschaffung steht es anderen rentierlichen Zwecken zu Lasten des
allgemeinen Haushalts nicht mehr zur Verfügung. Damit greift die seitens des
Landesgesetzgebers der kalkulatorischen Verzinsung beigemessene
finanzwirtschaftliche Funktion des Belastungsausgleichs ein. </p>
<span class="absatzRechts">126</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts Köln läßt sich aus dem
Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. September 1983, a.a.O., S. 12,
eine Zuordnung der über die Abschreibungen erwirtschafteten Finanzmittel
ausschließlich zum Gebührenhaushalt nicht begründen. Soweit das
Bundesverwaltungsgericht in dem genannten Beschluß ausführt, daß, soweit die
Grundstückseigentümer mit dem Entwässerungsbeitrag oder auf andere Weise zu
dem Aufwand für die Herstellung oder Erweiterung der Entwässerungsanlage
beigetragen hätten, der Ausgleich über die Eigenkapitalverzinsung seine Grenze
finde und Eigenkapitalzinsen deshalb sachgerecht nur von dem Herstellungs- bzw.
Anschaffungsaufwand berechnet werden dürften, der um das Aufkommen aus
Entwässerungsbeiträgen und diesen gleichstehenden Leistungen der Benutzer
vermindert worden sei, sind mit den "gleichstehenden Leistungen" jedenfalls nicht die
erwirtschafteten Abschreibungsbeträge gemeint. Denn mit den vereinnahmten
Abschreibungsbeträgen erfolgt, wie oben dargelegt, lediglich der Kostenausgleich für
die mit der Benutzung einhergehende Abnutzung der aktuell eingesetzten Anlage,
ohne daß damit eine Beteiligung an dem Herstellungsaufwand für die
Wiederbeschaffung verbunden ist. Soweit sich die Grundstückseigentümer über die
von ihnen gezahlten Abschreibungen mittelbar an dem Finanzierungsaufwand für die
bestehende Anlage beteiligen, wird diesem Umstand dadurch Rechnung getragen,
daß nur der um die Abschreibungen verminderte Anschaffungswert
(Anschaffungsrestwert) der kalkulatorischen Verzinsung unterliegt und damit eine
Verzinsung der jeweiligen "Beteili-gungsrate" ausgeschlossen ist. Im übrigen, d.h. im
Hinblick auf Beiträge (und Zuschüsse), gewährleistet § 6 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz
KAG a.F., daß das insoweit aufgebrachte Kapital als Beitrag zum Aufwand für die
Herstellung oder Erweiterung der Entwässerungsanlage i.S.d. oben genannten
Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichts von der Verzinsung ausgenommen
wird.</p>
<span class="absatzRechts">127</span><p class="absatzLinks">Die Zuordnung der erwirtschafteten Abschreibungsbeträge zum
Gebührenhaushalt ergibt sich auch nicht aus dem gemeindlichen Haushaltsrecht,
dessen Grundsatz der Gesamtdeckung (§ 16 der Gemeindehaushaltsverordnung -
GemHVO -) einer gesonderten rechtlichen Zuordnung der eingenommenen
Abschreibungsbeträge ausschließlich zum Gebührenhaushalt gerade entgegensteht.
Eine rechtliche Verpflichtung i.S.d. § 17 Abs. 1 Satz 1 GemHVO, diese Einnahmen
auf die Verwendung für die Wiederbeschaffung zu beschränken und sie damit der
Gesamtdeckung zu entziehen, besteht nicht; insbesondere ergibt sich eine solche
rechtliche Verpflichtung, wie oben dargelegt, nicht aus dem Gebührenrecht. Soweit
das Verwaltungsgericht Köln darauf abhebt, daß § 17 Abs. 1 Satz 2 GemHVO eine
Zweckbindung von Einnahmen ermögliche,</p>
<span class="absatzRechts">128</span><p class="absatzLinks">vgl. Urteil vom 20. Oktober 1998, a.a.O., S. 229
f., </p>
<span class="absatzRechts">129</span><p class="absatzLinks">mag dies zutreffend sein, ohne daß es insoweit einer Entscheidung bedarf. Denn
mit der fakultativen haushaltsrechtlichen Zweckbindung begibt sich die Gemeinde
lediglich vorweg der Möglichkeit, die Gebühreneinnahmen noch anderweitig
haushaltsnützig zu verwenden. Diese Zweckbindung ist in ihren gebührenrechtlichen
Wirkungen aber nicht anders zu bewerten als die Zurverfügungstellung der
entsprechenden Gebührenbeträge aus allgemeinen Haushaltsmitteln erst unmittelbar
vor der jeweiligen Investition. In dem einen wie in dem anderen Fall werden dem
allgemeinen Haushalt Finanzmittel entzogen und trägt allein die Gemeinde die
finanzielle Belastung, die dadurch entsteht, daß das investierte Kapital nicht mehr
zugunsten des allgemeinen Haushalts verwendet werden kann. Abgesehen davon
schließt selbst ein wirksamer Haushaltsvermerk über die Zweckbindung nicht aus,
daß die Ausgaben, auf deren Deckung die zweckgebundenen Einnahmen
beschränkt sind, daneben nicht auch aus allgemeinen Deckungsmitteln gedeckt
werden können.</p>
<span class="absatzRechts">130</span><p class="absatzLinks">Vgl. Scheel/Steup/Schneider/Lienen,
Gemeindehaushaltsrecht Nordrhein-
Westfalen, 5. Aufl. 1997, Rdnr. 1
zu § 17 GemHVO.</p>
<span class="absatzRechts">131</span><p class="absatzLinks">Soweit zur Begründung des Ausschlusses der erwirtschafteten
Abschreibungsbeträge von der kalkulatorischen Verzinsung auf das Urteil des Senats
vom 27. Oktober 1992 - 9 A 835/91 -, a.a.O., S. 101, und die darin verwendete
Formulierung der "vorübergehenden Verausgabung" verwiesen wird, </p>
<span class="absatzRechts">132</span><p class="absatzLinks">vgl. VG Köln, Urteil vom 20. Oktober 1998,
a.a.O., S. 229,</p>
<span class="absatzRechts">133</span><p class="absatzLinks">geht dies fehl. Denn die in dem genannten Urteil des Senats für zulässig
gehaltene "vorübergehende Verausgabung" von Abschreibungsbeträgen zugunsten
des allgemeinen Haushalts bezog sich ersichtlich auf die haushaltsnützige
Verwendung dieser Beträge bis zur Wiederbeschaffung und besagt deshalb noch
nichts über deren Behandlung bei der Ermittlung der kalkulatorischen Verzinsung
nach diesem Zeitpunkt.</p>
<span class="absatzRechts">134</span><p class="absatzLinks">Soweit danach über die Gebühren vereinnahmte Abschreibungsbeträge
zugunsten des allgemeinen Haushalts verwendet worden sind, mag dies zu
faktischen Benachteiligungen führen, </p>
<span class="absatzRechts">135</span><p class="absatzLinks">vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. August 1994,
a.a.O., S. 236 f.,</p>
<span class="absatzRechts">136</span><p class="absatzLinks">ein Verstoß gegen § 6 Abs. 2 KAG a.F. bzw. ein widerrechtliches Verhalten ist
darin nicht zu sehen.</p>
<span class="absatzRechts">137</span><p class="absatzLinks">Aufgrund der dargelegten unterschiedlichen finanzwirtschaftlichen Zielsetzungen
der kalkulatorischen Kostenarten erledigt sich auch der - wiederholte - Hinweis des
Verwaltungsgerichts auf den Umstand, daß eine Gebührenkalkulation auf der
Grundlage der Rechtsprechung des erkennenden Senats gegenüber den von ihm,
dem Verwaltungsgericht, alternativ für zulässig erachteten Kalkulationsmodellen zu
einem "erhöhten Kapitalendwert" bzw. zu einer "Überdeckung" oder einer
"doppelten" Verrechnung der Geldentwertungsrate führe. </p>
<span class="absatzRechts">138</span><p class="absatzLinks">Vgl. das hier angefochtene Urteil des VG
Gelsenkirchen, S. 12 UA, zugleich Urteil vom
5. November 1998, a.a.O., S 20 f., VG
Gelsenkirchen, Urteil vom 9. Oktober 1997, a.a.O., S
34.</p>
<span class="absatzRechts">139</span><p class="absatzLinks">Dies ist die Folge dieser unterschiedlichen Zweckbestimmungen, mithin
systemimmanent und mit Blick auf die beabsichtigte Stärkung der
Eigenkapitalausstattung der Gemeinde auch gewollt.</p>
<span class="absatzRechts">140</span><p class="absatzLinks">Die insoweit vom Verwaltungsgericht angeführten und in § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG
a.F. statuierten betriebswirtschaftlichen Grundsätze vermögen an der
finanzwirtschaftlichen Funktions- und Zweckbestimmung der kalkulatorischen
Kostenarten nichts zu ändern. Denn anders als das Verwaltungsgericht meint, hat
der Landesgesetzgeber selbst die Übernahme betriebswirtschaftlicher Grundsätze
der Kostenrechnung nicht als Übertragung (materieller) kaufmännischer
Zielsetzungen in die öffentliche Haushaltswirtschaft verstanden; vielmehr sei die
Methode der betriebswirtschaftlichen Kostenberechnung lediglich ein "Instrument
zur optimalen Erreichung finanzwirtschaftlicher Zwecke", </p>
<span class="absatzRechts">141</span><p class="absatzLinks">vgl. LT-Drucks. 6/810, S. 35,</p>
<span class="absatzRechts">142</span><p class="absatzLinks">um den Anforderungen des Periodenprinzips gerecht zu werden und die mit der
"einfachen Einnahmen-Ausgabenrechnung" allein nicht zu lösende Verteilung der
Ausgaben "entsprechend dem Verbrauch der durch sie beschafften Güter auf die
einzelnen Nutzungsperioden" zu gewährleisten.</p>
<span class="absatzRechts">143</span><p class="absatzLinks">Vgl. LT-Drucks. 6/810, S. 34.</p>
<span class="absatzRechts">144</span><p class="absatzLinks">Der Einwand des Verwaltungsgerichts, in bezug auf den Ausschluß der
"Abschreibungen unter Null" weiche die Rechtsprechung des erkennenden Senats
selbst von dem im Urteil vom 5. August 1994, a.a.O., S. 233, näher erläuterten
Begriff der betriebswirtschaftlichen Grundsätze ab,</p>
<span class="absatzRechts">145</span><p class="absatzLinks">vgl. das angefochtene Urteil, S. 9 UA, zugleich
VG Gelsenkirchen, Urteil vom 5. November 1998,
a.a.O., S. 19,</p>
<span class="absatzRechts">146</span><p class="absatzLinks">greift nicht durch. Wie bereits ausgeführt, ist auf die betriebswirtschaftlichen
Grundsätze nur abzustellen, soweit das Gesetz keine eigenständige Regelung trifft.
Eine solche Regelung hat der erkennende Senat aber § 6 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz
KAG a.F. entnommen, wonach die Abschreibungen nach der mutmaßlichen
Nutzungsdauer gleichmäßig zu bemessen sind. Ein Rückgriff auf davon
abweichende betriebswirtschaftliche Grundsätze scheidet danach aus. </p>
<span class="absatzRechts">147</span><p class="absatzLinks">Daß vor diesem Hintergrund die vom Verwaltungsgericht angeführten
Kalkulationsgrundsätze aus anderen Rechtsgebieten, wie etwa aus dem Handels-,
dem Steuer- und dem Preisprüfungsrecht - die im übrigen jeweils eigenen
finanzpolitischen Zielvorgaben folgen -,</p>
<span class="absatzRechts">148</span><p class="absatzLinks">vgl. die unterschiedlichen Zielsetzungen in der
Handels- und Steuerbilanz einerseits und in der
Kostenrechnung andererseits: Wöhe, a.a.O., S.
1263,</p>
<span class="absatzRechts">149</span><p class="absatzLinks">für die Bestimmung des Sinns und Zwecks der gemeindlichen
Gebührenkalkulation unbeachtlich sind, bedarf keiner näheren Erläuterung.</p>
<span class="absatzRechts">150</span><p class="absatzLinks">Die Abschreibung nach Wiederbeschaffungszeitwerten in Verbindung mit einer
Verzinsung des aufgewandten Kapitals auf der Grundlage von Anschaffungs-
(rest)werten mit einem Nominalzins führt weder zu einer Verletzung des
Äquivalenzprinzips,</p>
<span class="absatzRechts">151</span><p class="absatzLinks">vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. August 1994,
a.a.O., S. 235,</p>
<span class="absatzRechts">152</span><p class="absatzLinks">noch zu einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Soweit ein solcher Verstoß
wegen einer Ungleichbehandlung der Gebührenpflichtigen gegenüber der
Allgemeinheit angenommen wird,</p>
<span class="absatzRechts">153</span><p class="absatzLinks">vgl. etwa VG Köln, Urteil vom 20. Oktober 1998,
a.a.O., S. 228 f.,</p>
<span class="absatzRechts">154</span><p class="absatzLinks">wird übersehen, daß Art. 3 Abs. 1 GG dem Gebührengesetzgeber bei der
Aufstellung der Gebührensätze einen weiten Entscheidungsspielraum beläßt. Art. 3
Abs. 1 GG fordert in dem hier zu beurteilenden Zusammenhang nur, daß sich "die
Verknüpfung zwischen den Kosten der Staatsleistung und den dafür auferlegten
Gebühren nicht in einer Weise gestaltet, die, bezogen auf den Zweck der gänzlichen
oder teilweisen Kostendeckung, sich unter keinem vernünftigen Gesichtspunkt als
sachgerecht erweist".</p>
<span class="absatzRechts">155</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerfG, Beschluß vom 6. Februar 1979 - 2
BvL 5/76-, BVerfGE 50, 217 (227); BVerwG,
Beschluß vom 19. September 1983, a.a.O.,
Beschluß vom 25. März 1985, a.a.O., S. 130.</p>
<span class="absatzRechts">156</span><p class="absatzLinks">Insoweit ist in die Bewertung der Umstand einzustellen, daß die
Gebührenpflichtigen der Gemeinde gegenüber - anders als die Steuerzahler - in
einem besonderen Leistungs- und Gegenleistungsverhältnis stehen (§ 4 Abs. 2 KAG
a.F.) und aus der Leistungserbringung seitens der Gemeinde einen besonderen
Vorteil erlangen (§ 6 Abs. 1 Satz 1 KAG a.F.), der es sachlich grundsätzlich
rechtfertigt, die Gebührenpflichtigen finanziell stärker zu belasten als den
Steuerzahler. </p>
<span class="absatzRechts">157</span><p class="absatzLinks">Auch die Ansätze der kalkulatorischen Kosten im einzelnen ergeben, soweit der
vorliegende Fall Anlaß zur Überprüfung gebietet, zu durchgreifenden rechtlichen
Bedenken keinen Anlaß.</p>
<span class="absatzRechts">158</span><p class="absatzLinks">Sie haben auf der Grundlage der Gebührenbedarfsberechnung 1996 und der in
zulässiger Weise nachgereichten,</p>
<span class="absatzRechts">159</span><p class="absatzLinks">vgl. zur Zulässigkeit des Nachschiebens von
Betriebsabrechnungen und sonstigen
Nachberechnungen: OVG NRW, Urteil vom 5.
August 1994, a.a.O., S. 239 sowie etwa OVG NRW,
Urteil vom 19. September 1997, a.a.O., </p>
<span class="absatzRechts">160</span><p class="absatzLinks">Nachberechnung Bestand.</p>
<span class="absatzRechts">161</span><p class="absatzLinks">Die in der Nachberechnung nunmehr mit 11.388.500,00 DM ausgewiesenen
kalkulatorischen Abschreibungen sind, wie oben dargelegt, in methodischer Hinsicht
in zulässiger Weise nach dem Wiederbeschaffungszeitwert berechnet worden. Die
zur Anwendung gelangten Abschreibungssätze von 1,5 % (für vor 1962 hergestellte
Kanäle) und 1,0 % (für ab 1962 hergestellte Kanäle) hat der Senat ebenso für
zulässig erachtet, wie die Einbeziehung von anlagenbezogenen Eigenleistungen in
die Ermittlungen des Wiederbeschaffungszeitwertes. Diese waren bislang lediglich
für den Zeitpunkt ab 1987 berücksichtigt worden, sind in der Nachberechnung
nunmehr zu Recht auf den Zeitraum bis 1986 einschließlich in Ansatz gebracht
worden. Methodische Fehler bei der nachträglichen Einbeziehung dieser Kosten sind
nicht ersichtlich; insbesondere ist der neu berücksichtigte Anteil der
Ingenieureigenleistung von 5 % lediglich auf den Wiederbeschaffungszeitwert bis
1986 einschließlich bezogen worden. Die Höhe des insoweit zur Anwendung
gelangten Prozentsatzes von 5 % ist nicht zu beanstanden; </p>
<span class="absatzRechts">162</span><p class="absatzLinks">vgl. zum Ganzen: OVG NRW, Urteil vom 20.
März 1997, a.a.O., Urteil vom 24. Juni 1998,
a.a.O.,</p>
<span class="absatzRechts">163</span><p class="absatzLinks">Gegenteiliges ist nicht geltend gemacht worden.</p>
<span class="absatzRechts">164</span><p class="absatzLinks">Demgegenüber war die Berechnung der kalkulatorischen Zinsen in der
Gebührenbedarfsberechnung (21.441.700,00 DM) fehlerhaft, da in unzulässiger
Weise Zinsen für "Anlagen im Bau" von 275.800,00 DM berücksichtigt worden sind,
darüber hinaus der bei der Ermittlung des Anschaffungswertes im Fall der
Rückrechnung grundsätzlich erforderliche Abschlag, </p>
<span class="absatzRechts">165</span><p class="absatzLinks">vgl. OVG NRW, Urteil vom 20. März 1997,
a.a.O.,</p>
<span class="absatzRechts">166</span><p class="absatzLinks">unterblieben und das Abzugskapital nach der unzulässigen Prozentmethode,</p>
<span class="absatzRechts">167</span><p class="absatzLinks">vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. Juni 1997 - 9 A
2933/95 -, StuGR 1998, 306, </p>
<span class="absatzRechts">168</span><p class="absatzLinks">berechnet worden ist. Mit der vorliegenden Nachberechnung sind diese Fehler
jedoch beseitigt worden. "Anlagen im Bau" sind in der Berechnung des
Anschaffungswertes nicht mehr enthalten. </p>
<span class="absatzRechts">169</span><p class="absatzLinks">Für den 31. Dezember 1995/1. Januar 1996 ergibt sich auf der Grundlage der Ist-
Kosten-Rechnung ein Anschaffungswert des Entwässerungsnetzes von
425.990.559,00 DM, </p>
<span class="absatzRechts">170</span><p class="absatzLinks">vgl. zum identischen Wert: OVG NRW, Urteil
vom 24. Juni 1998, a.a.O., S. 23 UA,</p>
<span class="absatzRechts">171</span><p class="absatzLinks">der aufgrund der Zugänge im Jahr 1996 (8.430.028,00 DM) unter gleichzeitiger
Berücksichtigung der Abgänge (568.716,00 DM) auf 433.851.871,00 DM zu erhöhen
ist. Abzüglich der Gesamtsumme der nicht indexierten Abschreibungen
(124.320.424,00 DM) errechnet sich ein Restbuchwert zum 31. Dezember 1996 von
309.531.447,00 DM. Dieser Wert ist niedriger als der mit 310.020.400,00 DM (ohne
die Anlagen im Bau) in der Gebührenbedarfsberechnung veranschlagte
Anschaffungsrestwert und soll daher - zugunsten der Gebührenpflichtigen - der
weiteren Berechnung zugrundegelegt werden.</p>
<span class="absatzRechts">172</span><p class="absatzLinks">Der genannte Betrag ist um die Ingenieureigenleistungen für den Zeitraum bis
1986 in Höhe von 12.594.109,00 DM einschließlich,</p>
<span class="absatzRechts">173</span><p class="absatzLinks">vgl. die Ermittlung in: OVG NRW, Urteil vom 24.
Juni 1998, a.a.O., S. 23 UA,</p>
<span class="absatzRechts">174</span><p class="absatzLinks">auf 322.125.556,00 DM zu erhöhen. Abzüglich des für den Zeitraum der
Rückrechnung bis 1990 einschließlich anzusetzenden Abschlags von 8,44 %
(24.679.113,00 DM),</p>
<span class="absatzRechts">175</span><p class="absatzLinks">vgl. die Ermittlung in: OVG NRW, Urteil vom 24.
Juni 1998, a.a.O., S. 23 UA,</p>
<span class="absatzRechts">176</span><p class="absatzLinks">verbleibt ein Anschaffungsrestbuchwert von 297.446.443,00 DM. </p>
<span class="absatzRechts">177</span><p class="absatzLinks">Hiervon ist gemäß § 6 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz KAG a.F. der noch nicht
abgeschriebene Teil des Abzugskapitals abzuziehen. </p>
<span class="absatzRechts">178</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 20. März 1997,
a.a.O..</p>
<span class="absatzRechts">179</span><p class="absatzLinks">Nach der Neuberechnung des Beklagten, die nicht mehr nach der
Prozentmethode vorgenommen worden ist und der Berechnung des Senats im
Verfahren 9 A 1921/95 entspricht, ergibt sich ein Betrag von 40.958.712,00 DM.
Ausgehend von einem hieraus zu ermittelnden Restbuchwert von 256.487.731,00
DM errechnet sich unter Anwendung eines - wie oben dargelegt - zulässigen
Nominalzinssatzes von 8 % ein Zinsbetrag von rund 20.519.018,00 DM. Zuzüglich
der veranschlagten Zinsen für Geräte im Gebührenbereich in Höhe von 15.100,00
DM ergibt sich danach ein Zinsbetrag von insgesamt 20.534.118,00 DM.</p>
<span class="absatzRechts">180</span><p class="absatzLinks">Der in Ansatz gebrachte Zinssatz von 8 % entspricht der ständigen
Rechtsprechung des Senats. </p>
<span class="absatzRechts">181</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. August 1994,
a.a.O., S. 238.</p>
<span class="absatzRechts">182</span><p class="absatzLinks">Eine Verpflichtung, diesen Zinssatz im Rahmen der Kostenprognose und der der
Gemeinde zum Zweck der Gewährleistung einer "angemessenen Verzinsung" (§ 6
Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz KAG a.F.) eröffneten Befugnis zur Bestimmung eines
einheitlichen Zinssatzes zu reduzieren, bestand nicht. Der Ansatz von 8 % bewegt
sich noch innerhalb des hierdurch eröffneten Prognose- und Ermessensspielraums;
insbesondere erweist er sich nicht als willkürlich. Angesichts der im vorzitierten
Verfahren erfolgten Ermittlung des Zinssatzes auf der Grundlage des langfristigen
Durchschnittszinssatzes für die Jahre 1952 bis 1992 konnte davon ausgegangen
werden, daß die - kurzfristige - Zinsentwicklung der Jahre 1993 bis einschließlich
1996 eine langfristig niedrigere Tendenz des maßgebenden Durchschnittszinssatzes
nicht vermittelte und daher bei der Bestimmung des ansatzfähigen Zinssatzes außer
Betracht bleiben konnte.</p>
<span class="absatzRechts">183</span><p class="absatzLinks">Schließlich sind die in der Gebührenbedarfsberechnung 1996 aufgeführten
Personalkosten i.H.v. 2.038.000,00 DM ebenso wie die "ZVA-Kosten" entsprechend
der Rechtsprechung des erkennenden Senats,</p>
<span class="absatzRechts">184</span><p class="absatzLinks">vgl. OVG NRW, Urteil vom 24. Juli 1995 - 9 A
2251/93 -, StuGR 1995, 486, </p>
<span class="absatzRechts">185</span><p class="absatzLinks">um die anlagenbezogenen Eigenleistungen bereinigt worden. </p>
<span class="absatzRechts">186</span><p class="absatzLinks">Konkrete Anhaltspunkte dafür, daß in den veranschlagten Personalkosten
Kosten für Mitarbeiter enthalten sind, die nach der Prognose im
Veranlagungszeitraum 1996 nicht für die gemeindliche Einrichtung
Abwasserbeseitigung tätig werden sollten, oder daß etwa die anteiligen Kosten der
Querschnittsämter der Höhe nach fehlerhaft veranschlagt worden sind, sind nicht
ersichtlich. Der veranschlagte Betrag ist auch der Höhe nach nicht geeignet, den
erkennenden Senat im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes zu weitergehenden
Sachverhaltsermittlungen zu veranlassen. Er bewegt sich nach der aus einer Vielzahl
von Verfahren gewonnenen Erfahrung des erkennenden Senats in einem für
gebührenkalkulierende Einrichtungen der Abwasserbeseitigung üblichen Rahmen.
Der Personalkostenansatz läßt auch im Verhältnis zu den veranschlagten
Gesamtkosten von 72.112.646,00 DM (rund 2,8 %) nicht einmal ansatzweise ein
signifikantes Ungleichgewicht erkennen, das auf die unzulässige Einbeziehung
betriebsfremder Kosten hindeuten könnte. </p>
<span class="absatzRechts">187</span><p class="absatzLinks">Insgesamt errechnen sich unter Berücksichtigung der übrigen unstreitigen
Kosten der Gebührenbedarfsberechnung 1996 ohne die Kosten für die Fortführung
des Kanalkatasters (35.000,00 DM) Gesamtkosten in Höhe von 71.665.164,00 DM.
Der sich gegenüber dem veranschlagten Gebührenaufkommen von 72.112.646,00
DM ergebende Differenzbetrag (447.482,00 DM) liegt selbst unter Zugrundelegung
des niedrigeren Anschaffungsrestwertes aus der Ist-Kosten-Rechnung mit rund 0,6
% vom gerechtfertigten Kostenansatz deutlich unterhalb der Bagatellgrenze von 3 %.
Die Gebührensätze haben danach auch ohne eine Entscheidung darüber, ob Kosten
der Fortführung des Kanalkatasters nur abgeschrieben oder aber in voller Höhe im
Zeitpunkt der Zahlung angesetzt werden können, Bestand.</p>
<span class="absatzRechts">188</span><p class="absatzLinks">Vgl. zur Tendenz, derartige Kosten als nicht
abschreibungsfähig, sondern als im Zeitpunkt der
Zahlung ansatzfähig anzusehen: OVG NRW, Urteil
vom 24. Juni 1998, a.a.O., S. 24 UA.</p>
<span class="absatzRechts">189</span><p class="absatzLinks">Auch die Ermittlung des Schlüssels für die Verteilung der Kosten auf die Sparten
Schmutzwasser (58 %) und Niederschlagswasser (42 %) in dem der
Gebührenberechnung zugrundeliegenden Gutachten vom 18. August 1995 keinen
durchgreifenden Bedenken. Das Ausgangsgutachten vom 24. Juli 1992 ist bereits
vom erkennenden Senat überprüft und insbesondere von der Methodik her für
beanstandungsfrei erachtet worden.</p>
<span class="absatzRechts">190</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 20. März 1997 a.a.O..
</p>
<span class="absatzRechts">191</span><p class="absatzLinks">Die nun vorliegende, an die aktuellen Verhältnisse angepaßte Neubewertung
vom 18. August 1995 ist auf der Grundlage der insoweit bestätigten methodischen
Ansätze erfolgt, wobei lediglich Korrekturen bei der Einzelbewertung aufgrund der
Kosten- und Abgabenentwicklung vorgenommen worden sind. Substantiierte
Einwände, die gegen die Verwertbarkeit des Gutachtens sprächen, sind nicht geltend
gemacht worden und drängen sich dem Senat auch nicht auf.</p>
<span class="absatzRechts">192</span><p class="absatzLinks">Die von der Stadt G. praktizierte Art und Weise der Ermittlung der
befestigten Grundstücksflächen verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die aufgrund
der "Selbstveranlagung" trotz der von der Stadt G. herangezogenen weiteren
Erkenntnisquellen, der Plausibilitätskontrolle und des ständigen
Veränderungsdienstes verbleibenden Ungerechtigkeiten sind aus Gründen der
Verwaltungspraktikabilität gerechtfertigt. </p>
<span class="absatzRechts">193</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 20. März 1997,
a.a.O.</p>
<span class="absatzRechts">194</span><p class="absatzLinks">Es liegt auf der Hand, daß die Kosten einer Ermittlung/Vermessung der einzelnen
befestigten Grundstücksfläche vor Ort bei ca. 33.000 Grundstücken völlig außer
Verhältnis zu dem Gerechtigkeitsgewinn stehen würden.</p>
<span class="absatzRechts">195</span><p class="absatzLinks">Anhaltspunkte dafür, daß auf der Grundlage der hiernach wirksamen
Satzungsbestimmungen die individuelle Heranziehung der Höhe nach Fehler
aufweist, sind nicht ersichtlich und auch nicht geltend gemacht worden.</p>
<span class="absatzRechts">196</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO. Die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708
Nr. 10, 711 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">197</span><p class="absatzLinks">Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2
VwGO nicht gegeben sind. </p>
<span class="absatzRechts">198</span><p class="absatzLinks">
</p>
|
114,393 | ovgnrw-1999-09-01-21-a-252799a | {
"id": 823,
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<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Antrag bleibt erfolglos.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Hinsichtlich der unter I. der Antragsschrift formulierten
Frage,</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">"ob bei Personen, die schon einmal wegen der
Unterstützung der LTTE von den srilankischen
Gerichten verurteilt worden sind, eine erhöhte
Gefährdung im Sinne einer beachtlichen
Wahrscheinlichkeit politischer Verfolgung im Falle
einer nunmehrigen Rückkehr nach Sri Lanka
besteht,"</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">
besteht kein grundsätzlicher Klärungsbedarf. Der
Rechtsprechung des Senats liegt seit jeher zugrunde, daß für
die Prognose im Hinblick auf eine Gefährdung bei der Rückkehr
besondere individuelle Umstände, die sich gefahrbegründend
oder -erhöhend auswirken können, zu berücksichtigen sind. In
der Rechtsprechung des Senats ist in Auswertung des
Auskunftsmaterials ferner geklärt, daß zu diesen Umständen
auch und insbesondere Verbindungen zur LTTE oder dahingehende
Verdachtsmomente zu rechnen sind; daß dies auch und erst recht
für erfolgte staatliche Maßnahmen in Anknüpfung an einen LTTE-
Verdacht, mithin auch für eine entsprechende Verurteilung
gilt, liegt auf der Hand. Schließlich hat der Senat wiederholt
ausgesprochen, daß nur anhand der Umstände des Einzelfalles
entschieden werden kann, ob wegen der angesprochenen Umstände
mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung
droht (vgl. etwa Urteile vom 7. März 1996 - 21 A 3644/94.A -,
vom 13. Juni 1997 - 21 A 3223/96.A -, vom 17. Juni 1998 - 21 A
4925/95.A - und vom 5. Februar 1999 - 21 A 4118/96.A - sowie
Beschluß vom 28. Januar 1998 - 21 A 3532/96.A -). Ebenso ist
geklärt, daß Rückkehrer im Hinblick auf die bei staatlichen
Behörden bekannten Aktivitäten der LTTE bzw. ihrer
Auslandsorganisationen und wegen der Besorgnis der
Infiltration nicht allgemein als in besonderem Maße gefährdet
anzusehen sind (vgl. zuletzt Urteil vom 28. Juli 1999 -
1969/96.A -). Daß der vorliegende Fall Anlaß gibt sowie die
Möglichkeit und Notwendigkeit bietet, über die danach
gegebenen Grundsätze hinaus nähere verallgemeinerungsfähige
Aussagen zu den bei der Frage nach dem Grad der Gefahrenlage
einzustellenden Umständen und deren Gewicht zu treffen, ist
nicht nachvollziehbar aufgezeigt. Abgesehen davon, daß die
Spannweite erwägenswerter Umstände zu groß und das mögliche
Zusammentreffen verschiedener Ansätze zu vielfältig ist, um
für die Weiterentwicklung und Einheitlichkeit der
Rechtsprechung förderliche grundsätzliche Aussagen zu machen,
und sich die maßgeblichen Aspekte auch ohne weitere
berufungsgerichtliche Vorgaben erschließen, bietet gerade der
vorliegende Fall keine Grundlage für eine gewissermaßen
typisierende Betrachtung. Es liegt auf der Hand, daß die
Rückkehrgefährdung eines Asylbewerbers, der sich nach einer
Verurteilung noch weit über ein Jahr in seinem Heimatland
aufgehalten hat, nicht ohne Berücksichtigung seiner Situation
in dieser Zeit gerichtet werden kann. Denn es spricht viel
dafür, daß denkbare Nachwirkungen einer Verurteilung sich auch
damals schon - insbesondere wenn behauptete Meldeauflagen
nicht befolgt wurden - gezeigt hätten, wenn sie denn drohen.
Dafür, daß erst und allein ein Auslandsaufenthalt die
Möglichkeit von Nachwirkungen einer Verurteilung schafft,
spricht hingegen nach den Feststellungen in dem vorgenannten
Urteil nichts Überzeugendes. Zu dem danach wesentlichen
Umstand des weiteren Aufenthalts des Beigeladenen in Sri Lanka
nach seiner angeführten Verurteilung zu einer Geldstrafe sowie
seiner Freilassung aus der Haft aber hat das
Verwaltungsgericht, ohne daß insofern Rügen angebracht oder
sonst Bedenken ersichtlich wären, angesichts der grob
widersprüchlichen Angaben des Beigeladenen keine
Feststellungen treffen können. Insgesamt ergibt sich so, daß
die Fragestellung in der Antragsschrift zu abstrakt angelegt
ist, um im vorliegenden Verfahren beantwortet werden zu
können. Zugleich bestätigt der Fall die Schwierigkeiten,
angesichts der Vielfalt konkreter Konstellationen über die in
der Rechtsprechung des Senats anerkannte Möglichkeit einer im
Falle der Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit
drohenden politischen Verfolgung und über das Aufzeigen
einzustellender Aspekte hinaus verallgemeinerungsfähige
Aussagen zu machen. Das Weitere ist der Aufarbeitung in
tatsächlicher und wertender Hinsicht im Einzelfall zu
überlassen, wobei es auch Sache des Asylbewerbers ist, die in
seinem Fall in Betracht zu ziehenden Umstände, ihr Gewicht
sowie ihre Verbindungen untereinander im Hinblick auf das
Hervorrufen oder Steigern einer Gefährdung im Falle der
Rückkehr deutlich aufzuzeigen, und dies angesichts der
Beschränkung des Zugangs zum Berufungsverfahren bereits in der
ersten Instanz.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Hinsichtlich der unter II. aufgeworfenen Frage geht der
Senat nicht abschließend auf die zumindest schwerwiegenden
Mängel in der Darlegung des für sie ebenfalls in Anspruch
genommenen Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung
ein. Diese ergeben sich insbesondere daraus, daß die
Fragestellung wegen ihrer zahlreichen - oft nur für den
Einzelfall festzustellenden, insofern aber nicht konsequent
für den konkreten Fall aufgearbeiteten - Prämissen und
sonstigen Kautelen schon die gebotene Präzisierung und damit
gemessen an den rechtlichen Kriterien die Klärungsfähigkeit
fehlen dürfte und die für den gesehenen Klärungsbedarf
aufgezeigten Entwicklungen ohne jegliche Aufbereitung vor dem
Hintergrund des bei Antragstellung bereits erreichten Standes
der den Prozeßbevollmächtigten seit vielen Jahren bekannten,
laufend fortentwickelten Senatsrechtsprechung und ohne Blick
auf die möglicherweise berührten einzelnen Elemente in den
Voraussetzungen für das jeweils in Rede stehende Begehren
aneinandergereiht werden. Der Antrag ist auch insoweit
jedenfalls unbegründet, weil die aufgezeigten Umstände
insbesondere im Hinblick auf den Maßstab der beachtlichen
Wahrscheinlichkeit, bei besorgten Maßnahmen nach den
geänderten Bestimmungen des Ein- und Ausreise- sowie Paßrechts
auch im Hinblick auf das Kriterium der politischen Verfolgung
zu einer Änderung der Senatsrechtsprechung keinen Anlaß geben.
Hierzu wird - unter Verzicht auf weitere Begründung, § 78 Abs.
5 Satz 1 AsylVfG - auf das schon erwähnte, den
Prozeßbevollmächtigten bekannte Senatsurteil vom 28. Juli 1999
- 21 A 1969/96.A - verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die unter III. aufgeworfene Frage stellt sich im
vorliegenden Verfahren nicht.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">
</p>
|
114,394 | olgham-1999-09-01-12-u-10598 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
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"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 12 U 105/98 | 1999-09-01T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:39 | 2019-02-14T10:23:55 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1999:0901.12U105.98.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>Tatbestand:</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin macht aus gemäß § 67 VVG übergegangenem Recht gegen die Beklagte Ansprüche ihrer
Versicherungsnehmerin auf Schadensersatz gemäß § 823 Abs. 1 BGB und aus positiver Vertragsverletzung
wegen eines Brandschadens in S geltend, wo in der Nacht vom 04. auf den 05. Mai 1993 durch Brandstiftung
unbekannter Täter das bei der Klägerin als Gebäudeversicherer versicherte Mehrfamilienwohnhaus A-Straße
ihrer Versicherungsnehmerin, der Firma X1 in S GmbH (im folgenden: Firma X1) beschädigt wurde.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Bei diesem Gebäude handelt es sich um ein Mehrfamilienhaus, welches aus zwei zusammen errichteten
Gebäudeblöcken besteht. Das Gebäude hat 5 Obergeschosse und ist auf Stahlbetonstützen und -unterzügen
errichtet. Im Erdgeschoß des Gebäudes sind offene Durchfahrten und Plätze sowie massive Einbauten der
Treppenhäuser und teilweise massive Abgrenzungen für Mieterabstellräume vorhanden. In jedem Geschoß
befinden sich insgesamt 16 Mietwohnungen, die unterschiedliche Wohnungsgrößen aufweisen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Unmittelbar neben diesem Gebäude befand sich im Jahre 1993 die Baustelle der Gesellschaft bürgerlichen
Rechts "T", die dort ein Einkaufszentrum mit Geschäften sowie Arztpraxen errichtete und deren
Generalunternehmerin die Beklagte war. Dieses Bauvorhaben war Anfang Mai im Rohbau fertig gestellt.
Bei dem geplanten Neubau handelte es sich überwiegend um Geschäftsräume, die einseitig bis an das
Gebäude der Firma X1 herangeführt wurden. In diesem Zusammenhang sollte auch ein Teil des Wohnhauses
(Gebäude Nr. #) unterbaut werden, um dort ebenfalls Geschäftsräume zu errichten. Zu diesem Zwecke
beabsichtigte die GbR T den Abschluß eines Pachtvertrages über die betreffende Fläche mit der Firma X1.
In dem Entwurf eines schriftlichen Pachtvertrages war die gewerbliche Unterbauung, nicht aber die
Nutzung als Baustofflager gestattet.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte lagerte in den Hohlraum (Durchgang) des auf Betonpfeilern erstellten Gebäudes
Baumaterial ab, bei dem es sich um Betonschutzmatten des Fabrikats "F", Brandgefahrenklasse B 2 der
DIN 4102 (schwer entflammbar), nämlich auf Rollen gewickelte Dämmatten, sowie um leere Klebstoffeimer
handelte, die nach der Behauptung der Klägerin Reste von leicht entzündbarem Klebstoff auf Bitumenbasis enthielten.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Nach der Behauptung der Beklagten erfolgte ihre Lagerung dort mit Einverständnis der GbR T. </p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Den Zugang zu den abgelagerten Materialien und zu dem durch Stelzen abgegrenzten Raum sicherte die
Beklagte durch einen 2 m hohen Bauzaun aus ca. 6 mm starkem Draht mit Stahlrohrstützen, der aus 3 bis 4 m
breiten, mit Draht verbundenen Einzelelementen bestand. </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">In der Nacht vom 04. auf den 05. Mai 1993 setzten unbekannte Täter das gelagerte Material in Brand.
An dem Gebäude entstand erheblicher Schaden. Verschiedene Bewohner des Hauses erlitten Rauchvergiftungen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Staatsanwaltschaft Rostock leitete wegen der Brandstiftung das Ermittlungsverfahren 234 Js 17576/93
ein, das mangels Ermittlung der Täter inzwischen gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist. Im
Schlußvermerk der Polizei vom 09.07.1993 heißt es unter anderem, daß als Brandursache die Zündung der
Betonschutzmatten mit offener Flamme anzusehen sei; es sei nicht ausgeschlossen, daß zur Zündung
Treibmittel verwendet worden seien.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat zunächst mit ihrem am 24.12.1997 bei Gericht eingegangenen und am 19.01.1998
zugestellten Mahnbescheid Schadensersatz von 781.432,00 DM verlangt. Sodann hat sie mit ihrer
Klagebegründung, auf deren Inhalt insoweit Bezug genommen wird, den von ihr nach ihrem Vortrag an
ihre Versicherungsnehmerin X1 geleisteten Schadensersatz mit 697.492,53 DM geltend gemacht.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Im einzelnen errechnet die Klägerin den genannten Schadensbetrag wie folgt:</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">1. </p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Zeitwertschaden gemäß Gutachten des </p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Sachverständigen Bauassessor Architekt </p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Dipl.-Ing. C vom 15.03.1994: 635.876,00 DM</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Aufräumungs- und Abbruchkosten gemäß </p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Gutachten des Sachverständigen C: 24.437,50 DM</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">3.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Rechnung des Ingenieur- und Planungsbüros </p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">X2 vom 03.08.1993 an die Klägerin </p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">über brutto: 9.572,60 DM</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">4.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Rechnung des chemischen Labors X3</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">und Partner vom 12.10.1993 an die Klägern </p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">über brutto: 13.197,86 DM</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">5.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Rechnung des Sachverständigen C vom</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">18.03.1994 an die Klägerin über brutto 14.408,57 DM</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Den Gesamtbetrag von 697.492,53 DM nebst 5 % Zinsen seit Rechtshängigkeit macht die Klägerin nunmehr
gegen die Beklagte geltend.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte hafte ihr aus gemäß § 67 VVG übergegangenem Recht
auf Schadensersatz gemäß § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung von Sorgfaltspflichten und wegen positiver
Vertragsverletzung aus einem Vertrag vom 29.04.1993, dessen Nebenpflichten über die Materiallagerung
die Beklagte bewußt verletzt habe.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Insoweit hatte die Beklagte unabhängig von dem Bauvorhaben der GbR T mit der Firma X1 einen
schriftlichen VOB-Bauvertrag vom 29.04.1993 über die Fassadensanierung des Wohnhauses A-Straße
abgeschlossen. In den vereinbarten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Firma X1 heißt es unter anderem:</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">"Die Lagerung feuergefährlicher bzw. leicht entflammbarer Materialien in den Baulichkeiten ist
unzulässig.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Die Lagerung anderer Materialien muß von der Bauleitung ausdrücklich gestattet werden." </p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Zum Zeitpunkt des Schadens hatte die Beklagte mit ihren Arbeiten aufgrund dieses Vertrages noch
nicht begonnen. Als vertragliche Frist für den Beginn der Ausführungsleistungen war insoweit der
07.06.1993 vereinbart. Bei sämtlichen gelagerten Materialien handelte es sich um solche, die mit
diesem Vertrag nicht in Zusammenhang standen.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">die Beklagte zu verurteilen, </p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">an die Klägerin 697.492,53 DM nebst 5 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat einen Anspruch der Klägerin nach Grund und Höhe bestritten. Sie ist der Auffassung,
keine Sorgfaltspflichten verletzt zu haben.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Ferner hat die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 06.05.1998, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird,
im wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, daß die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflichten nicht
verletzt habe und sie kein Verschulden treffe. Ein Anspruch aus positiver Vertragsverletzung scheide
schon deshalb aus, weil die Beklagte das Material nicht im Rahmen des Vertrages vom 29.04.1993 dort
abgelagert habe.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerechte Berufung der Klägerin, die unter Vertiefung
und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiterhin ihre streitige Forderung in vollem Umfange verfolgt.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin ist der Auffassung, mit seiner Verfahrensweise habe das Landgericht ihren Anspruch auf
rechtliches Gehör verletzt, weil es zu Unrecht Vortrag der Beklagten aus der Klageerwiderung vom 29.04.1998
als unstreitig angesehen und zur Grundlage seiner Entscheidung vom 06.05.1998 gemacht habe, ohne der
Klägerin die Möglichkeit zu der im Termin beantragten Stellungnahme binnen 2 Wochen zu geben. So habe
das Landgericht fälschlicherweise den Abschluß eines Pachtvertrages der GbR mit der Firma X1 über die
Lagerfläche und die Berechtigung der Beklagten zur dortigen Lagerung aufgrund ihres Vertrages mit der
GbR zugrunde gelegt.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">unter Abänderung des angefochtenen Urteils </p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">1.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">die Beklagte zu verurteilen,</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">an die Klägerin 697.492,53 DM nebst 5 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen,</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">2.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">hilfsweise, </p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Sache zur erneuten Verhandlung
und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Sie bestreitet weiterhin einen Anspruch der Klägerin nach Grund und Höhe einschließlich Zinsen. Sie tritt
unter Vertiefung sowie Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens dem Sachvortrag der Klägerin entgegen.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Wegen der Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der
gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen in den Akten verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Die Akten 334 Js 17576/93 StA Rostock waren zu Informationszwecken Gegenstand der mündlichen Verhandlung.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks"><b><u>Entscheidungsgründe:</u></b></p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung der Klägerin führt gemäß § 538 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO zur Zurückverweisung der nicht
entscheidungsreifen Sache an das Landgericht, das zu Unrecht den nach Grund und Höhe streitigen Anspruch
der Klägerin auf Schadensersatz als unbegründet abgewiesen hat.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Der Schadensersatzanspruch der Klägerin aus übergegangenem Recht gemäß § 67 VVG, § 823 Abs. 1 BGB ist
dem Grunde nach gerechtfertigt, da der Versicherungsnehmerin der Klägerin, der Firma X1 GmbH in S (im
folgenden: Firma X1), gegen die Beklagte ein Anspruch auf Ersatz ihres Schadens aus der Brandstiftung vom
04./05.05.1993 zusteht und die Klägerin ihrer Versicherungsnehmerin den Schaden ersetzt hat (§ 67 I 1 VVG).</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Es kann dahinstehen, ob das Verfahren in erster Instanz entsprechend der Auffassung der Klägerin an einem
wesentlichen Verfahrensfehler im Sinne von § 539 ZPO leidet, weil nach Ansicht der Klägerin ihr das Landgericht
das rechtliche Gehör zu der von der Beklagten am 29.04.1998 eingereichten Klageerwiderung durch Versagung
der beantragten Schriftsatzfrist verweigert und deshalb seiner Entscheidung vom 06.05.1998 einen unzutreffenden
Sachverhalt als unstreitig zugrunde gelegt hat. Gegen die Auffassung der Klägerin spricht, daß die Frist des
§ 132 Abs. 1 ZPO bei dem Schriftsatz der Beklagten vom 29.04.1998 gewahrt gewesen war. Jedenfalls kann aber
die Frage eines Verfahrensfehlers offenbleiben, weil eine eigene Sachentscheidung des Senats zum Grunde des
Anspruchs ohne Beweisaufnahme möglich und deshalb gemäß § 540 ZPO sachdienlich war.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Die Aktivlegitimation der Klägerin folgt aus § 67 Abs. 1 VVG i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB, dessen Voraussetzungen
entgegen der Auffassung des Landgerichts vorliegen.</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte bestreitet in ihrer Berufungserwiderung ohne Erfolg, daß zwischen der Klägerin und der Firma
X1 versicherungsvertragliche Beziehungen bestehen, ferner daß die Klägerin für den streitigen Schadensfall
eintrittspflichtig war und daß sie den behaupteten Schaden ausgeglichen hat. Die Klägerin hat in ihrer
Klagebegründung vom 30.03.1998 vorgetragen, daß sie die Gebäudeversicherung der Firma X1 betreffend deren
Gebäude A-Straße in S ist und sie deren Schaden aus der Brandstiftung vom 04./05.05.1993 gemäß § 67 VVG
aus übergegangenem Recht geltend macht. Die Beklagte hat in ihrer Klageerwiderung vom 29.04.1998 vorgetragen,
der streitgegenständliche Vorgang werde im Kern zutreffend angegeben. Die Beklagte hat sich in diesem
Schriftsatz lediglich gegen ihren streitigen Verstoß gegen Verkehrssicherungspflichten sowie gegen die
bestrittene Anspruchshöhe gewandt. Sie hat aber nicht die weiteren Voraussetzungen des § 67 VVG wie das
Bestehen eines Versicherungsvertrages der Klägerin mit der Firma X1 und eines Schadensausgleiches durch
die Klägerin in Abrede gestellt. Die Beklagte ist deshalb aufgrund ihres Schriftsatzes vom 29.04.1998,
der Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 06.05.1998 war, unter dem Gesichtspunkt des prozessualen
Geständnisses nach § 288 ZPO mit für die Berufungsinstanz bindender Wirkung (§ 532 ZPO) gehindert, jetzt
erstmals diese laut Klageerwiderung "zutreffend angegebenen" versicherungsvertraglichen Beziehungen der
Klägerin mit der Firma X1 und den Schadensausgleich seitens der Klägerin dem Grunde nach zu bestreiten.
Im übrigen hat der Senat angesichts der zu den Akten gereichten Unterlagen und nach dem Inhalt der
beigezogenen Ermittlungsakte der StA Rostock keinen Zweifel daran, daß die Klägerin tatsächlich die
Gebäudeversicherung der Firma X1 für deren Gebäude A-Straße in S ist und sie der Firma X1 auch den
streitigen Schaden ersetzt hat. In den Unterlagen und in der Ermittlungsakte ist stets vom Gebäude der
Firma X1 als der Geschädigten aus der Brandstiftung vom 04./05.05.1993 die Rede. Die Klägerin hat den
Bericht des Sachverständigen C vom 16.03.1994 zur Ermittlung der Schadenshöhe aus dem genannten Vorfall
zur Schadensnummer ######## sowie zu ihrer Versicherungsscheinnummer ###### betreffend ihren
Versicherungsnehmer X1 in Auftrag gegeben. Aus dem weiteren Schreiben der Klägerin vom 30.03.1999 ist
zu entnehmen, daß sie die Überweisung der dort genannten Zahlung in einer die streitige Klageforderung
übersteigenden Höhe an die Firma X1 veranlaßt hat. Angesichts dessen kann kein vernünftiger Zweifel
daran bestehen, daß die Klägerin als Gebäudeversicherer der Firma X1 dieser den streitigen Schaden
ersetzt hat und insoweit die Voraussetzungen des § 67 Abs. 1 Satz 1 VVG vorliegen.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Der Schadensersatzanspruch der Firma X1 gegen die Beklagte folgt aus § 823 Abs. 1 BGB, wobei die Beklagte
entsprechend § 31 BGB für den von ihrem örtlichen Bauleiter verursachten Schaden haftet.</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Die Lagerung der Dämmstoffmatten im Erdgeschoß unterhalb der Wohnungen des Gebäudes A-Straße verletzte
das Eigentum der Firma X1 und war rechtswidrig.</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hatte kein Recht, das Grundstück der Versicherungsnehmerin der Klägerin zur Lagerung von
Baumaterialien zu nutzen. Das Landgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, daß die Beklagte aufgrund des
von der Firma X1 mit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts "T" geschlossenen Pachtvertrages im Verhältnis
zur Firma X1 berechtigt gewesen sei, das Baumaterial auf dem Grundstück der Firma X1 unter dem in deren
Eigentum stehenden Gebäude zu lagern. Ein solcher Pachtvertrag war entgegen den Feststellungen des
Landgerichts zwischen der Firma X1 und der GbR T als der Auftraggeberin der Beklgten zur damaligen Zeit
nicht abgeschlossen worden. Das ist im Berufungsverfahren unstreitig geworden und folgt aus dem an die
damalige Auftraggeberin der Beklagten gerichteten Schreiben der Firma X1 vom 07.05.1993, in dem es hierzu heißt:</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">"Da zwischen uns und Ihnen über den vom Brand betroffenen Teil des Gebäudes in der A-Straße noch kein
Pachtvertrag abgeschlossen worden ist, der vorliegende Entwurf des Pachtvertrages darüber hinaus Ihnen
nur die gewerbliche Unterbauung, nicht aber die Nutzung des Baustofflager gestattet und sie dort
Baumaterial (ohne unsere Zustimmung) eingelagert haben, ...."</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">Die Parteien haben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat insoweit die inhaltliche Richtigkeit
dieses Schreibens eingeräumt. Das Schreiben beweist, daß zwar seinerzeit zwischen der Firma X1 sowie der
GbR T Verhandlungen über den Abschluß eines Pachtvertrages geführt worden waren und daß nach dem
vorliegenden Entwurf des Pachtvertrages eine gewerbliche Unterbauung, nicht die Einlagerung von Baumaterial,
im fraglichen Bereich vorgesehen war, aber jedenfalls zur Zeit der Brandstiftung vom 04./05.05.1993 noch
kein Pachtvertrag abgeschlossen worden war. Aus einem Pachtvertrag zwischen der Firma X1 und ihrer
Auftraggeberin konnte die Beklagte deshalb ihre Berechtigung zur Lagerung von Baumaterial im hier in
Rede stehenden Bereich nicht herleiten. Auf die weitere Frage, ob auch bei Abschluß des vorgesehenen
Pachtvertrages nach den vertraglichen Vereinbarungen dann überhaupt die Ablagerung von Baumaterial in
diesem Bereich zulässig gewesen wäre, kommt es deshalb nicht mehr an. Offensichtlich war in dem geplanten
Pachtvertrag keine Erlaubnis für die Einlagerung von Baumaterial vorgesehen, wie dem zitierten Schreiben
der Firma X1 an die GbR vom 07.05.1993 zu entnehmen ist.</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">Sonstige konkrete Anhaltspunkte für das erforderliche Einverständnis der Firma X1 mit der Lagerung
des streitigen Materials durch die Beklagte in dem hier in Rede stehenden Gebäudebereich liegen nicht
vor. Aus dem genannten Schreiben vom 07.05.1993 ergibt sich, daß die Einlagerung des Baumaterials ohne
Zustimmung der Firma X1 erfolgt war und sie davon vor dem Schadensfalls auch keine Kenntnis besessen
hatte. Gegen ihr Einverständnis spricht außerdem der von ihr am 29.04.1993 mit der Beklagten geschlossene
schriftliche Bauvertrag über die Fassadensanierung der in Rede stehenden Wohnanlage durch die Beklagte,
wo es in den vertraglich vereinbarten Besonderen Vertragsbedingungen der Firma X1 zu Ziff. 4 der ZVB
wie folgt heißt:</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">"Materiallagerung:</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">Die Lagerung feuergefährlicher bzw. leicht entflammbarer Materialien in den Baulichkeiten ist unzulässig.</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">Die Lagerung anderer Materialien muß von der Bauleitung ausdrücklich gestattet werden."</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">Diese Klausel beschränkt sich bei verständiger Würdigung ihres Wortlauts sowie ihres Sinnzusammenhanges
(§§ 133, 157 BGB) nicht nur auf den Fall der Lagerung <u>in</u> den Baulichkeiten selbst, sondern erfaßt
angesichts der Besonderheit des hier auf Betonstützen errichteten Gebäudes auch die Einlagerung <u>unterhalb</u>
dieses Hauses, die einer Lagerung im Gebäude selbst gleichzusetzen ist. Nach der zitierten Vorschrift war
daher die Lagerung feuergefährlicher bzw. leicht entflammbarer Materialien durch die Beklagte generell
unzulässig und mußte die Lagerung anderer Materialien von der Bauleitung ausdrücklich gestattet sein.
Daran fehlt es hier. In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, daß die Beklagte das Baumaterial nicht
mit Rücksicht auf den Fassadenrenovierungsvertrag vom 29.04.1993 gelagert hatte. Denn wenn die Beklagte
schon im Rahmen dieses Vertrages dort kein Material einlagern durfte, jedenfalls nicht ohne die ausdrückliche
und hier fehlende Erlaubnis der Firma X1, dann war sie erst recht nicht im Zusammenhang mit der Ausführung
eines anderen Bauvertrages, den die Beklagte mit der GbR T abgeschlossen hatte, dazu berechtigt. Die von
der Klägerin bestrittene Erlaubnis der GbR zur Lagerung des Baumaterials hat keine rechtliche Bedeutung,
weil es keine wirksame Erlaubnis eines Dritten zu Lasten anderer gibt.</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">Die nach alledem rechtswidrige Eigentumsverletzung der Beklagten durch die ungenehmigte Lagerung des
Baumaterials auf dem Grundstück der Versicherungsnehmerin der Klägerin war für den eingetretenen Schaden kausal.</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">Die gelagerten Baumaterialien sind nach dem Tatbestand des angefochtenen Urteils, dessen Berichtigung
nach § 320 I ZPO die Beklagte nicht beantragt hat, und nach den polizeilichen Feststellungen in der
Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Rostock in der Nacht vom 04. auf den 05.05.1993 von unbekannten
Tätern in Brand gesetzt worden und haben den in Rede stehenden Schaden am Gebäude der Firma X1 verursacht.
Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, daß es sich bei den in Brand gesetzten Materialien um
Betonschutzmatten der Marke F handelte, die gemäß DIN 4102 der Brandgefahrenklasse B 2 (schwer entflammbar)
angehören. Unstreitig sind jedenfalls diese Dämmatten in Brand gesetzt worden, wie auch die Beklagte
eingeräumt hat. Andere Brandursachen scheiden ersichtlich aus und hat die Beklagte nicht schlüssig
dargelegt. Nach den polizeilichen Feststellungen in der Ermittlungsakte sind technische Ursachen und
eine Selbstentzündung des Materials ausgeschlossen. Vielmehr wurde der streitige Brandschaden am Gebäude
der Firma X1 dadurch verursacht, daß unbekannte Täter die Dämmatten in Brand setzten. Darauf, ob entsprechend
dem Vortrag der Klägerin von der Beklagten außerdem auch leere Eimer mit Resten von Klebstoffen auf
Bitumenbasis dort gelagert worden waren, kommt es deshalb nicht mehr an.</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">Der Brandschaden ist entgegen der Auffassung des Landgerichts eine adäquat kausale Folge der Verletzungshandlung
der Beklagten, also ihrer rechtswidrigen Lagerung des Baumaterials auf dem Grundstück der Firma X1. Nach der
Lebenserfahrung liegt es nicht außerhalb aller Wahrscheinlichkeit, daß in einer Großstadt zur Nachtzeit
kriminelle Personen versuchen, abgelagertes Baumaterial in Brand zu setzen, wie es hier geschehen ist. Die
Möglichkeit eines solchen Schadenseintritts ist nicht so entfernt, daß sie nach der Erfahrung des Lebens
vernünftigerweise nicht in Betracht gezogen werden kann (vgl. dazu RGZ 78, 272; Palandt-Heinrichs, BGB,
58. Aufl. 1999, Vorb. vor § 249 Rdn. 59 m.w.N.). Die von der Klägerin überreichte polizeiliche Kriminalstatistik
für die Stadt S weist allein für das in Rede stehende Jahr 1993 insgesamt 144 Brandstiftungen aus. Dem steht
der von der Beklagten zum Schutz des Materials errichtete Bauzaun nicht entgegen, weil er Brandstiftungen
durch Dritte offensichtlich nicht zuverlässig verhindern konnte. Auch das Landgericht räumt in seinem
angefochtenen Urteil ein, daß es für einen "zündelnden Täter" ein leichtes gewesen wäre, ohne Beiseiteschieben
des Zaunes einen brennenden Gegenstand in den Materialbereich zu werfen (eine Lunte, ein Stück brennendes Papier
oder ein Stück brennendes Holz).</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">Der Kausalzusammenhang wird entgegen der Auffassung der Beklagten durch das vorsätzliche Handeln der
unbekannten Täter nicht unterbrochen.</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">Es ist anerkannt, daß aus dem vorsätzlichen Verhalten Dritter entstehende Schäden dem Erstschädiger
nach dem Schutzzweck der verletzten Norm zuzurechnen sein können (vgl. Palandt a.a.O. Rdn. 76; BGHZ 106,
313, 316 = NJW 1989, 2127 ff.). Eine solche Zurechnung muß unter den vorliegenden Umständen erfolgen. Wie
der BGH in der vorstehend zitierten Entscheidung darlegt, wird durch das auf freier Entschließung beruhende
Verhalten eines Dritten die Kausalität eines früheren haftungsbegründenden Umstandes (Ereignisses)
allenfalls dann unterbrochen, wenn dieser frühere Zustand (dieses frühere Ereignis) für das Dazutreten
des Dritten und sein Verhalten völlig bedeutungslos und indifferent, mithin das Verhalten des Dritten von
dem Vorhandensein oder von dem Nichtvorhandensein des früheren Umstandes (Ereignisses) gänzlich unabhängig
war; hingegen wird die Ursächlichkeit des ersten, den konkreten Haftungsgrund bildenden Umstandes nicht
ausgeschlossen, wenn dieser Umstand für das Verhalten des Dritten irgendwie bedingend war oder gar dieses
Verhalten durch den ersten Umstand erst ausgelöst oder veranlaßt wurde.</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">Danach ist hier eine Unterbrechung der Kausalität der Einlagerung des Baumaterials durch die Beklagte
auf dem Grundstück der Firma X1 für den durch die Brandstiftung unbekannter Dritter entstandenen Schaden
der Firma X1 nicht festzustellen. Vielmehr ist davon auszugehen, daß der durch die Brandstiftung verursachte
Schaden gerade durch die Lagerung der Materialien auf dem Grundstück der Firma X1 ausgelöst worden ist. Es
entspricht der Lebenserfahrung, daß Baustellen nicht selten das Ziel von vandalistischen Attacken
einschließlich der Inbrandsetzung von Baumaterialien sind. Es war hier deshalb nicht völlig ungewöhnlich,
daß die gelagerten Baustoffe im Erdgeschoß des Gebäudes der Firma X1 für entsprechend veranlagte Personen
einen Anreiz dazu geben würden, zu versuchen, diese in Brand zu setzen. Angesichts dessen ist auch der
Zurechnungszusammenhang zwischen der rechtswidrigen Materiallagerung der Beklagten und dem geltend
gemachten Schaden zu bejahen.</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">Die Zurechnung des Schadens wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß dieser erst unmittelbar durch das
weitere Ereignis, das Eingreifen eines Dritten, die Brandstiftung, ausgelöst worden ist. Nach gefestigter
Rechtsprechung wäre dafür erforderlich, daß die Ursächlichkeit des ersten Umstandes für das zweite Ereignis
bei rechtlicher Wertung nach dem Schutzzweck der Norm völlig unerheblich war (vgl. dazu BGH a.a.O. und
NJW-RR 1988, 731 sowie VersR 1988, 640). Bei der gebotenen rechtlich wertenden Betrachtung ergibt sich
hier, daß die Folgen des haftungsbegründenden Tuns der Beklagten noch in den Bereich der Gefahr fallen,
zu deren Abwehr § 823 Abs. 1 BGB erlassen worden ist. Diese Vorschrift dient auch der Verhinderung und
dem Ausgleich von Schäden, die durch rechtswidrige Eingriffe in das Eigentum, wie sie die vorliegende
rechtswidrige Materiallagerung auf einem fremden Grundstück darstellt, verursacht werden. Ein solcher
Schaden hat sich hier verwirklicht. </p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat schließlich auch fahrlässig schuldhaft gehandelt (§ 276 BGB).</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">Ihr fahrlässiges Verhalten bezieht sich sowohl auf die Verletzungshandlung, die rechtswidrige
Materiallagerung, als auch auf den Eintritt des Schadens. Die Beklagte hatte aus den dargelegten
Gründen keinen konkreten Anhaltspunkt dafür, anzunehmen, daß ihr die Firma X1 die Lagerung der in
Rede stehenden Baumaterialien auf ihrem Grundstück gestattet hatte. Aufgrund der zitierten Klausel
des Fassadensanierungsvertrages mußte sie davon ausgehen, daß die Lagerung feuergefährlicher bzw.
leicht entflammbarer Materialien generell unzulässig war und die Lagerung anderer Materialien auf
dem Grundstück der Firma X1 ausdrücklich gestattet sein mußte. Aber auch unabhängig von dieser
Klausel hätte sich die Beklagte bei der Versicherungsnehmerin der Klägerin zumindest danach erkundigen
müssen, ob sie überhaupt das streitige Material in dem in Rede stehenden Bereich des Grundstückes,
das bekanntermaßen nicht der Auftraggeberin der Beklagten gehörte, abgelagert werden durfte. Das hat
die Beklagte unstreitig unterlassen und ist ihr vorzuwerfen. Das fahrlässige Verschulden der Beklagten
erstreckt sich auch auf die schädigende Brandstiftung, weil die Beklagte damit hätte rechnen müssen,
daß auf unbefugte dritte Personen durch die abgelagerten Baumaterialien ein Anreiz zur Brandstiftung
verübt werden konnte und daß der aufgestellte Drahtzaun von seiner Beschaffenheit her wegen der
dargelegten Möglichkeit, brennende Stoffe über diesen Zaun auf das Material zu werfen, nicht dazu
geeignet war, eine solche Brandstiftung mit den daraus resultierenden Gebäudeschäden für die Firma X1
zu verhindern.</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat deshalb aus übergegangenem Recht ihrer Versicherungsnehmerin gegen die Beklagte
Anspruch auf Schadensersatz gemäß §§ 823 Abs. 1 BGB, 67 I 1 VVG.</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">Die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche sind nicht nach § 852 Abs. 1 BGB verjährt.</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">Zwar hat die Beklagte ihre erstinstanzlich erhobene Einrede der Verjährung in der Berufungsinstanz nicht
ausdrücklich wiederholt. Dies war aber auch nicht erforderlich, da es genügt, wenn die Verjährungseinrede
einmal erhoben worden ist (vgl. BGH NJW 1990, 326). Dafür, daß sich die Beklagte jetzt nicht mehr auf die
angeblich eingetretene Verjährung berufen will, liegt kein konkreter Anhaltspunkt vor. Jedoch ist die
Verjährungseinrede nicht begründet, weil ausweislich der unstreitigen vorprozessualen Korrespondenz die
Beklagte mit Schreiben vom 1.09.1995 einen Verjährungsverzicht bis zum 23.08.1996 erklärt hat. Mit Schreiben
vom 23.05.1996 wurde der Verjährungsverzicht bis zum 31.12.1996 verlängert. Schließlich hat die Beklagte
durch ihre Haftpflichtversicherung mit Schreiben vom 30.12.1996 auf die Einrede der Verjährung bis zum
31.12.1997 verzichtet. Die Verjährung ist demnach durch den am 24.12.1997 beantragten Mahnbescheid vom
9.1.1998 rechtzeitig unterbrochen worden (§ 693 Abs. 2 ZPO, § 209 II 1 BGB).</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">Die Höhe des Schadens, mit der sich das Landgericht konsequenterweise nicht befaßt hat, ist weiterhin
streitig und nicht ohne Beweisaufnahme entscheidungsreif. Schon jetzt ist aber nach dem bisherigen Sach-
und Streitstand davon auszugehen, daß der geltend gemachte Anspruch mit hoher Wahrscheinlichkeit der Höhe
nach wenigstens teilweise besteht, was für ein Grundurteil ausreichend ist (vgl. z.B. BGH ZfBR 1995, 292, 296).</p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks">Auf die Berufung der Klägerin war nach alledem gemäß § 538 I 3 ZPO der Rechtsstreit zur weiteren
Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht
zurückzuverweisen. Von einer eigenen Sachentscheidung nach § 540 ZPO hat der Senat abgesehen. Zur
Klärung der Höhe des Schadensersatzanspruches bedarf es der Durchführung einer umfangreichen
Beweisaufnahme. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, daß die durch die Zurückverweisung verursachte
Verfahrensverzögerung die Aussicht der Klägerin auf eine Realisierung des ihr zustehenden Anspruches
verringern wird. Daher erscheint im Rahmen der gebotenen Abwägung zwischen der mit einer Zurückverweisung
verbundenen Verzögerung und Verteuerung des Verfahrens auf der einen und dem Interesse der Parteien an
der Wahrung des vollen Instanzenzuges auf der anderen Seite (vgl. dazu BGH ZfBR 1993, 221, 222) unter
den vorliegenden Umständen eine eigene Sachentscheidung des Senats zur Höhe gemäß § 540 ZPO nicht als
sachdienlich.</p>
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Ziff. 10, 711, 546 Abs. 2 ZPO.</p>
|
114,395 | olgham-1999-09-01-3-u-1199 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 3 U 11/99 | 1999-09-01T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:39 | 2019-02-14T10:23:59 | Grund- und Teilurteil | ECLI:DE:OLGHAM:1999:0901.3U11.99.00 | <span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">T a t b e s t a n d :</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der am ####1916 geborene Kläger verlangt von der Beklagten, die medizinische Geräte vertreibt, Schadensersatz.</p><span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Am 30.06.1995 wurde der Kläger in das X-Hospital in X2 eingeliefert, wo festgestellt wurde, daß er eine neue Herzklappe benötigte. Zur Durchführung der Operation erfolgte am 09.07.1997 die Verlegung in die Universitätsklinik X2. Dort wurde dem Kläger am selben Tag eine neue Herzklappe eingesetzt. Nach der Operation wurde ihm auf der Intensivstation der Universitätsklinik eine Drainage angelegt, um aus dem Wundbereich Sekret abzusaugen.</p><span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Hierbei wurde eine Flaschenkombination mit entsprechenden Schlauchverbindungen verwendet, die die Universitätsklinik von der Beklagten bezogen hatte. Es handelte sich um zwei Plastikflaschen mit einem Inhaltsvolumen von je 1 l, die nebeneinander in einer Halterung aus Drahtgeflecht untergebracht waren. Jede Flasche hat oben einen Drehverschluß, aus dem jeweils zwei Plastikschläuche herausführen. Der eine Schlauch wird zum Wundbereich der Operationsstelle verlegt, der andere Schlauch ist dazu bestimmt, die Verbindung zu einem separaten Luftabsauggerät herzustellen, so daß durch den Luftabsog in der Flasche ein Vakuum erzeugt werden kann, das bewirken soll, daß das Sekret aus dem Wundbereich abgesaugt und in die Auffangflasche transportiert wird. Die Vakuumanlage ist auf bestimmten Stationen der Universitätsklinik mit einem eigenen Sicherungssystem ausgestattet, um zu verhindern, daß Sekretreste in die Schläuche gelangen, wodurch eine lebensbedrohliche Situation für den Patienten ausgelöst werden könnte. Üblicherweise ist eine Thoraxdrainage mit dem Sicherungssystem eines sogenannten Wasserschlosses versehen. Wegen des bereits vorhandenen Sicherungssystems forderte die Universitätsklinik unter dem 19.02.1991 bei der Beklagten unter der Bezeichnung „Thorax-Drainage-System 1045 Sonderanfertigung X2“ 1.500 dieser sogenannten Zwei-Flaschen-Sets an (Bl. 129 d. A.). Entsprechend lieferte die Beklagte diese Zwei-Flaschen-Sets an die Universitätsklinik. Das hier im Streit stehende Zwei-Flaschen-Set wurde frühestens am 03.02.1995 von der Beklagten an die Universitätsklinik geliefert.</p><span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Am 10.07.1995 wurde der Kläger gegen 16:00 Uhr in das X-Hospital zurückverlegt. Während des Transports wurde das verwendete Zwei-Flaschen-Set mitgeführt, um die Drainageschläuche in dem Operationsbereich am Körper des Klägers belassen zu können. Auf der Intensivstation des X-Hospitals sollte das Absaugen von Wundsekret fortgesetzt werden.</p><span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Das X-Hospital verfügt über keine eigene Vakuumanlage. Dort wurde der Vakuumschlauch - ohne das zur Sicherung dienende Wasserschloß - an einen Ejektor angeschlossen. Infolge einer Funktionsstörung in dem Ejektor kam es dazu, daß statt der Absaugwirkung ein Pumpeffekt eintrat. Hierdurch bedingt fiel der Kläger in ein Koma, das bis heute andauert.</p><span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat die Beklagte auf Zahlung eines Schmerzensgeldes - Vorstellung: 200.000,00 DM -, Ersatz materieller Schäden und Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz aller materiellen und immateriellen Schäden in Anspruch genommen. Er hat behauptet, daß das mangelhaft gelieferte Zwei-Flaschen-Set die Funktionsstörung in der Ejektoranlage im X-Hospital verursacht habe. Das Zwei-Flaschen-Set habe entweder eine Sicherheitseinrichtung oder einen entsprechenden Warnhinweis aufweisen müssen. Die Beklagten haben bestritten, daß sie das Zwei-Flaschen-Set hergestellt hätten. Das verwendete Flaschen-Set sei voll funktionsfähig und nicht mit Fehlern behaftet. Auch die Höhe der materiellen Schadensbeträge und die tatsächlichen Bemessungsgrundlagen zum Schmerzensgeld haben die Beklagte bestritten. Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens und der in erster Instanz gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils verwiesen.</p><span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, daß der Beklagten weder eine fehlende Sicherung des Zwei-Flaschen-Sets noch das Unterlassen eines Warnhinweises angelastet werden könne.</p><span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit der Berufung und beantragt,</p><span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">1.</p><span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zu verurteilen, an ihn 40.720,59 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 27.09.1997 zu zahlen;</p><span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">2.</p><span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen seit dem 27.09.1997 zu zahlen;</p><span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">3.</p><span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihm alle materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die aus dem Vorfall vom 10.07.1995 resultieren, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen seien bzw. übergehen würden.</p><span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p><span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">1.</p><span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">die gegnerische Berufung zurückzuweisen;</p><span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">2.</p><span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">ihr zu gestatten, eine von ihr zu leistende Sicherheit auch durch die Bürgschaft einer Großbank, Sparkasse oder Genossenschaftsbank zu erbringen.</p><span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die Parteien wiederholen, vertiefen und ergänzen ihren erstinstanzlichen Vortrag. Wegen der Einzelheiten ihres Vorbringens in der Berufungsinstanz wird auf die in dieser Instanz gewechselten Schriftsätze mit ihren Anlagen Bezug genommen.</p><span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens gemäß Beweisbeschluß vom 8. März 1999 (Bl. 343, 344 d. A.), den Prokuristen der Beklagten angehört und den Sachverständigen sein schriftliches Gutachten vom 28.06.1999 erläutern lassen. Insoweit wird auf das schriftliche Gutachten und auf den Vermerk des Berichterstatters zum Senatstermin vom 1. September 1999 verwiesen.</p><span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :</span></strong></p><span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die Berufung hat in dem zuerkannten Umfang Erfolg.</p><span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">I.</p><span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Der geltend gemachte materielle Schaden (Klageantrag zu 1) und der Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes (Klageantrag zu 2) bestehen dem Grunde nach gem. §§ 823, 847 BGB.</p><span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">1.</p><span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat gegen die Beklagte materielle und immaterielle Schadensersatzansprüche gem. §§ 823 Abs. 2 BGB, 3 Abs. 2, Abs. 3 Gerätesicherheitsgesetz (GSG), 847 BGB.</p><span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Es ist anerkannt, daß § 3 Abs. 3 GSG ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB ist (BGH VersR 1988, 635, 636; Kullmann/Pfister, Kza 2450, A I).</p><span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Dahinstehen kann, ob auch gegen ein weiteres Schutzgesetz, und zwar gegen § 3 der Medizingeräteverordnung verstoßen worden ist oder ob diese Bestimmung bei Sonderanfertigungen nicht anzuwenden ist (vgl. Nöthlichs, Sicherheitstechnik, Kza 6712).</p><span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Die Anwendung des GSG ist jedenfalls nicht, und zwar auch nicht durch § 48 Abs. 2 S. 1 Medizinproduktegesetz (MPG) ausgeschlossen, weil das Zwei-Flaschen-Set nicht <strong>nach den Vorschriften des Medizinproduktegesetzes</strong> erstmalig in Verkehr gebracht worden ist.</p><span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Bei dem Zwei-Flaschen-Set handelt es sich um ein technisches Arbeitsmittel im Sinne von § 2 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 2, Nr. 3, Abs. 2 b GSG. Die Beklagte hat gegen das Schutzgesetz des § 3 Abs. 3 GSG verstoßen. Die in § 3 Abs. 3 GSG enthaltene Schutzbestimmung ist nicht gem. § 3 Abs. 2 GSG dadurch ausgeschlossen worden, daß das Zwei-Flaschen-Set hier nach den schriftlichen Angaben des Verwenders - der Medizinischen Einrichtungen der Westfälischen Wilhelms-Universität vom 19.02.1991 (Bl. 129 d. A.) - als „Sonderanfertigung X2“ hergestellt und geliefert werden sollte. § 3 Abs. 2 GSG bestimmt nur, daß die Schutzbestimmungen des § 3 Abs. 1 S. 2 GSG nicht gelten. Diese Regelung beruht auf dem Gedanken, daß derjenige, der ein technisches Arbeitsmittel in den Verkehr bringt, nicht in die Pflicht genommen werden soll, wenn er auf die sicherheitstechnischen Ausführungen der Geräte keinen Einfluß hatte. Mit der ausdrücklichen Regelung in § 3 Abs. 2 GSG ist deutlich zum Ausdruck gebracht worden, daß <strong>nur</strong> die Schutzbestimmungen des § 3 Abs. 1 S. 2 GSG nicht gelten, dagegen ist § 3 Abs. 3 GSG auf die darin bezeichnete Sonderanfertigung von technischen Arbeitsmitteln anzuwenden (vgl. Kullmann/Pfister, Kza 2450 B. III 4 e).</p><span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Die in § 3 Abs. 3 GSG bestimmte Instruktionspflicht, insbesondere zur Verhinderung von Gefahren bei der Verwendung des Zwei-Flaschen-Sets hat die Beklagte nicht erfüllt. Allein die Angabe auf der Verpackung, daß es sich um eine Sonderanfertigung handelt, genügt den Anforderungen an diese Instruktionspflicht nicht. Die Instruktions- und Warnpflichten können zwar deutlich herabgesetzt sein, wenn das Produkt - wie hier - an Fachpersonal in Verkehr gebracht wird, sind aber keineswegs schon allgemein deshalb ausgeschlossen, weil das betroffene Produkt von Fachpersonal gehandhabt wird (BGH NJW 1996, 2224, 2226). Je gewichtiger die Gefahr für Gesundheit und Leben ist, desto höhere Anforderungen sind an die Gestaltung der Warnhinweise zu stellen (vgl. Bundesverfassungsgericht NJW 1997, 249). Die insoweit erforderlichen Warnhinweise fehlten hier völlig. Es hätte nahegelegen einen deutlichen Hinweis, zum Beispiel des Inhalts auf den Flaschen anzubringen: <strong>Sonderanfertigung,</strong> darf nur auf Stationen ... der Universitätsklinik X2 verwendet werden, sonst droht <strong>Lebensgefahr.</strong></p><span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Die Warnpflicht erstreckt sich nicht nur auf den bestimmungsgemäßen Gebrauch des Produktes, sondern auch auf den naheliegenden Fehlgebrauch innerhalb des allgemeinen Verwendungszwecks (BGH MDR 1989, 534; 1999, 936, 937). Der Sachverständige Y hat hierzu ausgeführt, daß das Pflegepersonal für die Intensivmedizin hätte wissen müssen, daß solche Flaschen-Sets nicht ohne Wasserschloß zur Anwendung kommen dürfen. Gleichwohl lag der Fehlgebrauch hier deshalb nahe, weil - so der Sachverständige Y - die Erfahrung in der Praxis lehre, daß sich das Personal bei Verlegungen nicht hinreichend um das Problem von Sonderanfertigungen kümmere.</p><span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Daß der Vorfall und der Schaden am 10.07.1995 durch die Verwendung des streitgegenständlichen Flaschen-Sets verursacht worden ist, hat der Sachverständige bestätigt. Das Thorax-Drainage-Set hätte - ohne Wasserschloß - nicht an den im X-Hospital vorhandenen Ejektor angeschlossen werden dürfen. Ein entsprechender Warnhinweis hätte den Anschluß an den dortigen Ejektor verhindert. Dafür, daß ein solcher Warnhinweis beachtet worden wäre, spricht eine tatsächliche Vermutung (vgl. BGH NJW 1992, 560; 1994, 3349;). Diese Vermutung hat die Beklagte nicht widerlegt.</p><span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte haftet der Klägerin für die in Rede stehenden Ansprüche. Dabei kann dahinstehen, ob die Beklagte als Herstellerin oder Einführerin - nur diese waren Normadressaten der bis Ende 1992 geltenden Fassung des GSG - anzusehen ist. Jedenfalls hat die Beklagte die Flaschen-Sets als Lieferantin in den Verkehr gebracht. Seit Anfang des Jahres 1993 zählen auch diejenigen zu den Normadressaten des § 3 GSG, die das technische Arbeitsmittel in Verkehr gebracht haben. Das hier im Streit stehende Flaschen-Set ist frühestens am 03.02.1995 geliefert worden.</p><span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Das Verhalten der Beklagten wertet der Senat schon deshalb als schuldhaft gem. § 823 Abs. 2 S. 2, 276 BGB, weil sie die sich aufdrängende Instruktionspflicht nicht beachtet und den naheliegenden Fehlgebrauch des nicht gesicherten Zwei-Flaschen-Sets hätte voraussehen können.</p><span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">2.</p><span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat gegen die Beklagte einen weiteren Anspruch gem. §§ 823 Abs. 1, 847 BGB.</p><span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat bei der Inverkehrgabe der Zwei-Flaschen-Sets durch Unterlassen eines gebotenen Warnhinweises gegen die ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht verstoßen und dadurch die Verletzung des Klägers verursacht. Die Beklagte hätte den naheliegenden Fehlgebrauch des Thorax-Drainage-Sets erkennen und davor deutlich warnen müssen. Dies gilt auch für den Fall, wenn man der Auffassung sein sollte, daß es sich bei dem Zwei-Flaschen-Set nicht um ein technisches Arbeitsmittel handelt und deshalb die Vorschriften des GSG nicht einschläglich sein sollten. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, daß sich die allgemeine Verkehrssicherungspflicht nicht auf die Einhaltung von normierten sicherheitstechnischen Regeln beschränkt, weil solche Vorschriften lediglich entsprechende Sorgfaltspflichten konkretisieren, dagegen keine abschließende Festlegung der Verantwortlichkeit darstellen (zuletzt BGH MDR 1999, 936, 937). Ist wie hier die naheliegende Möglichkeit einer nicht sicherheitsgerechten Anwendung vorhersehbar, muß davor gewarnt werden. Das hat die Beklagte nicht getan.</p><span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">II.</p><span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Das Feststellungsbegehren des Klägers ist aufgrund der umfassenden Haftung des Beklagten sowohl wegen der materiellen als auch wegen der immateriellen Schäden begründet, die nicht bereits von den Klageanträgen zu 1) und 2) erfaßt werden.</p><span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">III.</p><span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Bezüglich der Höhe der geltend gemachten Zahlungsansprüche war die nicht entscheidungsreife Sache gem. § 538 Abs. 1 Ziff. 3) an das Landgericht zurückzuverweisen, das die nach Grund und Höhe streitigen Ansprüche des Klägers als unbegründet abgewiesen hat. Eine eigene Sachentscheidung im Sinne von §§ 540 ZPO hielt der Senat nicht für sachdienlich. Die Beweisaufnahme auch zur Schadenshöhe vor dem Senat durchzuführen, erschien weder zweckmäßig noch liegt dies hier im Interesse der Parteien an der Wahrnehmung der Sachaufklärungsmöglichkeiten von zwei Instanzen, zumal der Kläger die Zurückverweisung insoweit ausdrücklich in der Berufungsbegründung angeregt hat (Bl. 318 d. A.).</p><span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">IV.</p><span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Das Urteil beschwert die Beklagte mit mehr als 60.000,00 DM.</p>
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114,396 | olgham-1999-09-01-3-u-24798 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
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} | 3 U 247/98 | 1999-09-01T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:39 | 2019-02-14T10:24:00 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1999:0901.3U247.98.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>Entscheidungsgründe:</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">(Von der Darstellung des <u><b>Tatbestandes</b></u> wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.) </p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Berufung des Beklagten und die Anschlußberufung der Klägerin sind nur teilweise begründet. </p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der Klägerin steht gegen den Beklagten gem. §§ 823 Abs. 1, 847 BGB ein angemessenes Schmerzensgeld zu, weil die zahnärztliche Behandlung der Klägerin durch den Beklagten teilweise fehlerhaft war. Aus dem gleichen Grund und aus dem Aspekt der Schlechterfüllung des Behandlungsvertrages steht der Klägerin materiell ein Schadensersatzanspruch in Höhe von insgesamt DM 5.500,00 zu.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat zunächst auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts. Die ergänzende Beweisaufnahme durch den Senat hat im wesentlichen keine anderen Ergebnisse erbracht. </p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">a) Die Behandlung der Klägerin durch den Beklagten war insoweit fehlerhaft, als der Beklagte die Zähne 35 und 44 bis 46 zu stark beschliffen hat. Das zu starke Beschleifen bezieht sich nicht nur auf den Zahn 44, sondern auch auf die anderen vorgenannten Zähne. Der Sachverständige hat eindrucksvoll und überzeugend anhand einer Skizze belegt, daß die äußeren Zähne sich bereits vor dem Abschleifen unterhalb der Kauebene befanden und deshalb ein Beschleifen der Oberfläche nicht erforderlich und somit unnötig war. </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Soweit der Beklagte Nachbesserungsarbeiten durchgeführt hat, erschließt sich hieraus nicht zwingend, daß deshalb etwa der Zahn 44 nicht zu stark beschliffen worden sein kann. Der Sachverständige weist überzeugend darauf hin, daß schon das zu starke Abschleifen als solches Grund für die Nachbesserungsarbeiten gewesen sein kann. Gerade für den Zahn 44 existiert ein Röntgenbild, das nach der Darstellung des Sachverständigen das zu starke konische Abschleifen belegt. </p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Durch das zu starke Abschleifen zumindest des Zahns 44 ist es zu einer Traumatisierung des Zahns und zu einer akuten und schmerzhaften Pulpitis gekommen. Der Sachverständige hat mit einer überzeugenden Begründung im einzelnen ausgeführt, daß durch das zu starke Beschleifen die Pulpa fast tangiert wurde und letztlich dieses Beschleifen für die wenn auch erst später aufgetretene akute Pulpitis verantwortlich ist. Dem steht nicht entgegen, daß der Sachverständige andere Ursachen nicht mit letzter Sicherheit ausschließen konnte. Letzte Sicherheit und der Ausschluß jeglicher anderer, in der Medizin theoretisch immer denkbaren Möglichkeiten ist nicht erforderlich. Es genügt ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewißheit, der vorliegend erreicht ist. So ist schon außer einer im wesentlichen nur theoretischen Möglichkeit kein anderer Grund als das zu starke Beschleifen ersichtlich, der die akute Pulpitis im Dezember 1996 und die dadurch bedingten Schmerzen verursacht haben könnte. Durch Karies oder durch Bohren konnte die Pulpitis nicht verursacht worden sein, weil gerade dieser Zahn 44 kariesfrei war, also nicht entsprechend zu behandeln war. Die Zeitspanne von dem Beschleifen des Zahns im April 1996 bis zu der erstmaligen Beschwerdesymptomatik im Dezember steht dem nicht entgegen. Auch nach einer solchen, auf den ersten Blick durchaus lang erscheinenden Zeitspanne kann es noch zu einer kausal durch das Abschleifen bedingten akuten Pulpitis mit entsprechenden Schmerzzuständen kommen. Nach Abwägung aller Umstände hält der Senat die Überlegung des Sachverständigen für überzeugend, daß durch das zu starke Beschleifen des Zahns die Pulpa zu weit an die Oberfläche gelangte, es durch eine Erhitzung zu einem Schaden und dann später zu einer Schmerzreaktion kam. </p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Nicht ursächlich war die schon aus Sicht des Beklagten vor seiner Behandlung insoweit angegriffene Zahnsubstanz der Klägerin. Zwar mag die Zahnhartsubstanz schon früher bis in Pulpennähe erkrankt gewesen sein; jedoch war diese, wie der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt hat, bereits durch den Vorbehandler saniert und offenbar ohne Reaktion. Denn von einer früher bereits aufgetretenen Pulpitis ist in der Dokumentation des Beklagten keine Rede. Ganz im Gegenteil bewirkte der vorgefundene Zustand die Notwendigkeit besonderer Vorsicht und die nur eingeschränkte und geringfügige Möglichkeit, den Zahn zu beschleifen. Gerade dieser Umstand spricht deshalb eher dafür, daß das zu starke Beschleifen das spätere Trauma bedingt hat. </p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Pulpitis hat der Beklagte fehlerhaft behandelt. Der Sachverständige hat im einzelnen ausgeführt, daß die endodontischen Maßnahmen "anders hätten verlaufen müssen". Der Beklagte hat es unterlassen, eine Initialaufnahme und insbesondere eine Meßaufnahme zu fertigen. Die Messungen waren nach den Ausführungen des Sachverständigen unbedingt erforderlich, weil sonst ungeklärt blieb, ob man zu weit bis in den Knochen gelangte oder aber zu wenig Gewebe herausnahm. Dabei kann sich der Beklagte nicht auf etwaige Vorarbeiten des von der Klägerin in Anspruch genommenen zahnärztlichen Notdienstes berufen. Dessen Erkenntnisse lagen dem Beklagten bei Durchführung seiner Arbeiten nicht vor. Es war allein seine Aufgabe, aufgrund eigener Untersuchungen und entsprechender Messungen die erforderlichen Arbeiten durchzuführen. </p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Der Sachverständige hat insbesondere die durchzuführenden Messungen, die an allen letztlich extrahierten Zähnen nicht vorgenommen wurden, als ganz wichtig, als fundamental bezeichnet. Ein Student hätte bei einem solchen Unterlassen im Examen die Prüfung nicht bestanden. Auf der Basis dieser Ausführungen bewertet der Senat deshalb den Verstoß gegen den zahnärztlichen Standard als aus objektiver ärztlicher Sicht nicht mehr verständlich und deshalb als grob behandlungsfehlerhaft. </p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">c)</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Infolge des groben Behandlungsfehlers des Beklagten kommt es zu einer Beweislastumkehr mit der Folge, daß der Beklagte zu beweisen hatte, daß die nachfolgenden Beschwerden der Klägerin unvermeidbar und die nachfolgenden Zahnextraktionen notwendig und unabdingbar waren. Diesen Beweis hat der Beklagte nicht erbracht. Die Dokumentation des Beklagten als solche läßt nicht den Schluß zu, daß der Beklagte alles unternommen hat, um die Extraktion zu vermeiden. Ganz im Gegenteil hat der Sachverständige angenommen, daß das Pulpengewebe wegen zu kleiner Instrumente nicht vollständig ausgeräumt wurde, es hierdurch zu Beschwerden kam und die Extraktion der Zähne bei konsequent durchgeführter fachgerechter Behandlung mit allergrößter Wahrscheinlichkeit hätte vermieden werden können. Unerheblich ist dabei, ob letztlich die Extraktion der Zähne wegen der Beschwerden auf Wunsch und mit Einverständnis der Klägerin erfolgte. </p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">d)</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Fehlerhaft war auch die Bißlage im linken Unterkieferbereich. Auch insoweit hat die ergänzende Beweisaufnahme durch den Senat keine anderen Ergebnisse gebracht. Der Sachverständige hat noch einmal ausgeführt, daß durch sachgerechtes zahnärztliches Verhalten der richtige Biß hätte erreicht werden können. </p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">e)</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Aufgrund der Fehlbehandlung und der damit verbundenen Beschwerden und gesundheitlichen Beeinträchtigungen steht der Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld zu. Das Landgericht mag sich bei der Bemessung des Schmerzensgeldes u.a. an der Zeitspanne von etwa 17 1/2 Monaten von Mitte April 1996 bis Oktober 1997 orientiert und u.a. deshalb insgesamt ein Schmerzensgeld von 17.500,00 DM zugesprochen haben. Der Senat ist der Ansicht, daß auf der Basis der übrigen landgerichtlichen Erwägungen zur Höhe des Schmerzensgeldes und unter nochmaliger Berücksichtigung aller Umstände höchstens ein Schmerzensgeld von DM 15.000,00 DM erforderlich und angemessen ist. Mit diesem Betrag sind die erlittenen Beschwerden, psychischen Beeinträchtigungen und der Verlust der extrahierten Zähne ausreichend abgegolten. Ein höheres Schmerzensgeld ist auch nicht deshalb angezeigt, weil die Behandlung der Klägerin durch den Beklagten teilweise grob fehlerhaft erfolgte. </p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">f)</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Berechtigt sind auch die zugesprochenen Kosten von insgesamt DM 5.500,00. Diese (Mehr-)Kosten für die zwei Implantate im Unterkiefer rechts und für die augmentativen Maßnahmen sind durch die Behandlungsfehler des Beklagten bedingt. Auch diesbezüglich kann auf die Ausführungen in der landgerichtlichen Entscheidung Bezug genommen werden. Soweit die Klägerin mit der Hilfsanschlußberufung die Differenz zwischen zugesprochenem Schmerzensgeld und ihrer Begehrensvorstellung (insgesamt 5.000,00 DM) "aufzufüllen" versucht, bleibt dies ohne Erfolg. Soweit die Mehrkosten bezifferbar sind, ist eine Verurteilung des Beklagten erfolgt. Ein weiterer bezifferbarer Anspruch steht der Klägerin nicht zu. Der Sachverständige hat auch vor dem Senat die durch die Fehler des Beklagten bedingten Kosten mit insgesamt maximal DM 5.500,00 geschätzt. Nichts konkret anderes ergibt sich aus dem vorgelegten Heil- und Kostenplan. </p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Begründet ist jedoch der Feststellungsantrag, unabhängig davon, daß wie ausgeführt ein weiterer konkreter materieller Schaden nicht zugesprochen werden konnte. </p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">3.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">4.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die Beschwer des Beklagten beträgt DM 53.500,00 (DM 15.000,00 Schmerzensgeld + DM 5.500,00 Zahlung + DM 33.000,00 Feststellung). </p>
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114,397 | olgham-1999-09-01-5-uf-8499 | {
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} | 5 UF 84/99 | 1999-09-01T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:39 | 2019-02-14T10:24:02 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1999:0901.5UF84.99.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks"><b><u>Entscheidungsgründe:</u></b></p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Berufung der Antragsgegnerin ist zulässig und begründet.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Zwar scheitert die Zulässigkeit des von dem Antragsteller unter dem 26. November 1997 erhobenen Scheidungsantrags nicht daran, daß er nicht ordnungsgemäß zugestellt worden ist. Denn der Mangel, daß er der Antragsgegnerin entgegen § 199 ZPO nicht förmlich über die zuständigen Behörden zugeleitet worden ist, ist gemäß § 187 ZPO dadurch geheilt, daß sie den Scheidungsantrag auf den Postweg per Einschreiben mit Rückschein tatsächlich erhalten hat. § 187 ZPO ist auch auf Zustellungsmängel im internationalen Rechtsverkehr anzuwenden (vgl. Zöller-Geimer, ZPO, 21. Aufl., § 199 Randziffer 17). Wie sich aus dem Rückschein und dem Vergleich der dortigen Unterschrift mit derjenigen auf der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 03. Juni 1999 ergibt, hat die Antragsgegnerin den Empfang der gerichtlichen Sendung am 20. Mai 1998 quittiert. Auch das - nicht unterzeichnete - Erwiderungsschreiben vom 20. Juli 1998 macht deutlich, daß ihr die Antragsschrift tatsächlich zugegangen ist.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Jedoch sind die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für die Scheidung der am 07. November 1996 geschlossenen Ehe der Parteien zur Zeit noch nicht erfüllt. Das Familiengericht hat die Haltung der Antragsgegnerin zur Scheidung nicht hinreichend untersucht, indem es sie entgegen § 613 Abs. 1 ZPO nicht persönlich angehört hat. Die Pflicht zur Anhörung der Antragsgegnerin entfällt vorliegend nicht deshalb, weil sie sich im Ausland aufhält und unter dem 20. Juli 1998 an das Gericht geschrieben hat. Ob dieses Schreiben in jedem Satz von ihrem Willen getragen wird, läßt sich nicht feststellen. Zum einen fehlt die Unterschrift, zum anderen kann die Antragsgegnerin kein Deutsch, so daß ohne den Vergleich mit dem rumänischen Text, der nicht vorliegt, nicht festgestellt werden kann, ob sie das, was ihr privater Übersetzer geschrieben hat, in dieser Weise erklären wollte.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Eine Ausnahme von der Pflicht zur Anhörung besteht unter den augenblicklichen Umständen noch nicht. Wenn die Antragsgegnerin nicht doch noch vor dem deutschen Gericht erscheint, muß versucht werden, sie in Rumänien anzuhören (vgl. Zöller-Philippi, ZPO 21. Aufl., § 613 Randziffer 4). Daß die dortigen Behörden die Rechtshilfe verweigern werden, kann man derzeit nicht feststellen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Der Verstoß gegen § 613 ZPO stellt einen schwerwiegenden Verfahrensverstoß dar, der zur Aufhebung und Zurückverweisung gemäß § 539 ZPO führt. Gegen eine eigene Sachentscheidung des Senats gemäß § 540 ZPO spricht neben der fehlenden Entscheidungsreife der Umstand, daß nur auf diesem Weg der Antragsgegnerin Gelegenheit gegeben werden kann, den nachehelichen Unterhalt im Verbund geltend zu machen (§ 623 Abs. 4 ZPO). Die dadurch eintretende Verfahrensverzögerung fällt gegenüber der übrigen Verfahrensdauer nicht besonders ins Gewicht.</p>
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114,398 | lsgnrw-1999-09-01-l-12-al-15798 | {
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"name": "Landessozialgericht NRW",
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"jurisdiction": "Sozialgerichtsbarkeit",
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} | L 12 AL 157/98 | 1999-09-01T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:39 | 2019-02-12T13:54:21 | Urteil | ECLI:DE:LSGNRW:1999:0901.L12AL157.98.00 | <span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Tatbestand:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Umstritten ist, ob die Beklagte zu Recht die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe ab dem 02.02.1996 aufgehoben hat.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der am ... geborene Kläger beantragte am 06.12.1995 die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für die Zeit ab 01.01.1996. Am 05.12.1995 hatte er die 2. juristische Staatsprüfung bestanden. Das Referendargehalt wurde ihm bis Ende Dezember 1995 gezahlt.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Mit Bescheiden vom 21.12.1995 und 09.01.1996 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosenhilfe vom 01.01. bis 28.12.1996 in Höhe von wöchentlich 259,80 DM. Die Ehefrau des Klägers hatte zu der Zeit kein Einkommen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Am 15.01.1996 teilte der Kläger der Beklagten mit, daß seiner Frau durch Bescheid der Universität zu Köln vom 08.01.1996 ein Habilitationsstipendium im Rahmen des Lise-Meitner-Programms bewilligt worden sei. Das Stipendium von insgesamt 3.900,-- DM monatlich setze sich zusammen aus einem Grundbetrag von 3.400,-- DM, einem Sach- und Reisekostenzuschuß von 200,-- DM und einem Kinderbetreuungszuschlag von 300,-- DM. Die Bewilligung erfolgte für die Dauer von zwei Jahren. Die erste Auszahlung fand am 02.02.1996 statt.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Daraufhin teilte die Beklagte dem Kläger mit Bescheiden vom 23.01.1996, 15.04.1996 und 02.05.1996 mit, daß die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe ab 02.02.1996 aufgehoben werde, weil unter Berücksichtigung des Einkommens seiner Ehefrau Bedürftigkeit nicht mehr gegeben sei. - Mit seinem Widerspruch wandte sich der Kläger gegen die Berücksichtigung des Stipendiums. In keinem Falle dürfe der volle Betrag angerechnet werden, sondern allenfalls der Grund betrag von 3.400,-- DM. Weiterhin müßten Werbungskosten und Versicherungsbeiträge abgezogen werden. Der Anrechnung des Stipendiums stehe § 138 Abs. 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) entgegen. Die Leistung sei allein dafür bestimmt, seiner Frau bei der Erstellung der Habilitationsschrift zu helfen. Das Stipendium diene nicht zur Sicherung der allgemeinen Lebensführung. Das Fehlen des Verheiratetenzuschlages, wie er sonst im öffentlichen Recht gezahlt werde, zeige, daß das Stipendium nicht für die Erfüllung ehelicher Unterhaltspflichten gewährt werde.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Mit Widerspruchsbescheid vom 31.05.1996 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück und führte aus, bei dem nach § 138 Abs. 3 AFG zu berücksichtigenden Einkommen müsse es sich nicht um Arbeitsentgelt im Sinne von § 14 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IV) handeln. Zugrunde gelegt werden müsse der Grundbetrag von 3.400,-- DM. Selbst wenn man Aufwendungen in Höhe von 667,84 DM als abzugsfähig anerkenne, verbleibe ein anzurechnendes Einkommen von wöchentlich 260,39 DM. Bei einem Leistungssatz des Klägers von 259,80 DM ergebe sich kein Auszahlungsbetrag.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Gegen den am 05.06.1996 zugestellten Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 4.07.1996 Klage bei dem Sozialgericht in Köln erhoben. Er hat weiterhin die Auffassung vertreten, daß angesichts des besonderen Charakters des Stipendiums eine Berücksichtigung als an rechenbares Einkommen im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung nicht erfolgen dürfe. Es handele sich bei dem Stipendium um eine zweckgebundene Leistung zur Berufsausbildung.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Seit dem 29.02.1996 ist der Kläger als Rechtsanwalt selbständig tätig. Vor dem Sozialgericht hat der Kläger selbst beantragt, die Bescheide der Beklagten vom 23.01.1996, 15.04.1996 und 02.05.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.05.1996 insoweit aufzuheben, als sie den Zeitraum bis zum 28.02.1996 einschließlich betreffen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat an ihrer im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren vertretenen Rechtsauffassung festgehalten.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Mit Urteil vom 27.02.1997 hat das Sozialgericht der Klage entsprochen und die angefochtenen Bescheide insoweit aufgehoben, als sie die Zeit bis zum 28.02.1996 einschließlich betreffen. Das Sozialgericht hat die Auffassung vertreten: Bei dem Stipendium der Ehefrau des Klägers handele es sich um eine zweckgebundene Leistung im Sinne von § 138 Abs. 3 AFG, die nicht auf die Arbeitslosenhilfe des Klägers angerechnet werden dürfe. Die Nichtanrechnung erfolge weder deshalb, weil es sich bei dem Stipendium nicht um Entgelt im Sinne von § 14 SGB IV handele noch deshalb, weil die Leistung steuerfrei sei. Maßgebend für die Entscheidung sei, daß die Höhe des Stipendiums sich ausschließlich am Lebensalter des Stipendiaten, nicht aber an seinen Lebens- oder Familienstand orientiere. Mit dem Geld solle nur der eigene Lebensunterhalt zum Zweck der zügigen und zielgerichteten Erstellung der Habilitationsschrift abgedeckt werden. Der Grundbetrag von 3.400,-- DM diene in keiner Weise auch zur Bestreitung des Lebensunterhaltes von Kindern oder Ehegatten. Die Begrenztheit des Stipendiums zeige sich auch darin, daß Versicherungen wie Kranken-, Unfall- und Haftpflichtversicherungen nicht im Stipendium enthalten seien, sondern vom Betreffen den selbst aufgebracht werden müßten. Die Zielgerichtetheit der Zuwendung aus dem Stipendium ergebe sich aus dem im Bewilligungsbescheid ersichtlichen Verpflichtungen, die der Stipendiat zu er füllen habe. Ein Vergleich mit dem Unterhaltsgeld nach dem AFG, welches vom Bundessozialgericht (BSG) als anrechenbar angesehen worden sei, komme nicht in Betracht. Das Unterhaltsgeld habe Lohnersatzfunktion und diene durchaus der Sicherung des allgemeinen Lebensunterhalts. Es sei in der Höhe abhängig vom Familienstrand.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Im Gegensatz hierzu werde das Stipendium im Grundbetrag unabhängig vom Familienstand und Elternschaft ausdrücklich nach dem Lebensalter berechnet.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Dieses mit einer falschen Rechtsmittelbelehrung versehene Urteil wurde der Beklagten am 07.04.1997 zugestellt. Sie hat zunächst am 02.05.1997 Berufung eingelegt. Auf einen entsprechenden Hinweis des Senates hin hat sie die Berufung zurückgenommen und am 30.03.1998 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Daraufhin ist die Berufung vom Sozialgericht mit Beschluss vom 10.09.1998 zugelassen worden.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte vertritt die Auffassung, § 138 Abs. 3 Nr. 3 AFG stehe der Anrechnung des Stipendiums auf die Arbeitslosenhilfe des Klägers nicht entgegen. Vom Wesensgehalt dieser Vorschrift her würden nur solche Leistungen privilegiert, die einen besonderen Aufwand abgelten sollten; nicht zweckgebunden seien dagegen Leistungen, die als Lohnersatz dem allgemeinen Lebensunterhalt dienten. Bei einer Habilitation handele es sich dem Wesen nach nicht um eine Ausbildung, wie bereits das BSG entschieden habe. Eine Zweckgebundenheit zur Berufsausbildung sei daher zu verneinen. Das Stipendium der Ehefrau diene auch nicht einer besonderen Zweckbindung, indem es etwa einen besonderen Bedarf des Stipendiaten abdecken solle, sondern es diene in erster Linie der Sicherstellung des Lebensunterhaltes während der Dauer der Habilitation. Eine Zweckbindung des Stipendiums könne nur teilweise anerkannt werden. Der Stipendienbetrag weise neben dem Grundbetrag separat noch einen Kinderbetreuungszuschuß sowie einen Sach- und Reisekostenzuschuß aus. Diese Zuschüsse seien zweifelsfrei zweckgebunden und damit nicht anrechenbar. Der Grundbetrag diene dagegen zur Deckung der allgemeinen Lebenshaltungskosten. Auch die Steuerfreiheit des Stipendiums deute eher auf eine Anrechenbarkeit hin. Stipendien zur Förderung der wissenschaftlichen Fortbildung seien nämlich selbst dann steuerfrei, wenn sie nur für die Bestreitung des Lebensunterhalts bestimmt seien. Die Steuerbefreiung des Stipendiums könne somit für die Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts nicht zu Gunsten des Klägers entscheidend sein.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 27.02.1997 abzuändern und die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen und die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Köln vom 27.02.1997 zu verurteilen, ihm Arbeitslosenhilfe auch für die Zeit vom 29.02.1996 bis 31.05.1996 zu gewähren.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hält das angefochtene Urteil hinsichtlich der Zeit bis zum 28.02.1996 für zutreffend. Beim Stipendium seiner Ehefrau handele es sich um eine zweckgebundene Leistung. Dies folge daraus, daß der Ehefrau die staatlichen Leistungen allein zum Zwecke der Anfertigung einer Habilitationsschrift und zur Vorbereitung für die spätere Professur bewilligt worden seien. Die Habilitationsschrift sei für den Einstieg in den wissenschaftlichen Dienst als Professor an einer Hochschule unabdingbar, so daß die Habilitation als Berufsausbildung zu werten sei. Die Zweckgebundenheit des bewilligten Stipendiums zeige sich auch darin, daß ein Widerruf des Bewilligungsbescheides jederzeit möglich sei, wenn die vergebenen Mittel nicht zweckentsprechend verwendet würden oder das Vorhaben abgebrochen werde. Die Zweckbindung zeige sich darin, daß die Stipendiatin ihre Arbeitskraft auf das Habilitationsvorhaben zu konzentrieren habe. Zutreffend habe das Sozialgericht darauf hinge wiesen, daß das Stipendium unabhängig vom Familienstand gewährt werde und folglich mit dem zur Verfügung gestellten Geld nur der eigene Lebensunterhalt zum Zwecke der zügigen und zielgerichteten Erstellung der Habilitationsschrift abgedeckt werden sollen. Dies zeige sich auch daran, daß der Grundbetrag von 3.400,-- DM stets konstant bleibe, unabhängig davon, ob Kinder vorhanden seien oder nicht. Der Grundbetrag diene ersichtlich nicht der Bestreitung des Unterhalts dritter Personen. Er beinhalte noch nicht einmal die notwendigen Aufwendungen zum Abschluß notwendiger Versicherungen. Eine andere Betrachtung führe zu dem nicht nachvollziehbaren Ergebnis, daß der Stipendiat die im Falle einer privaten Krankenversicherung zu entrichtenden erheblichen Beiträge nicht nur für sich, sondern auch für den Ehegatten zu entrichten hätte. Dies würde jedoch zu einer solchen Minderung des dem Stipendiaten zur Verfügung stehenden Etats führen, daß der mit der Zahlung des Stipendiums verfolgte Zweck gefährdet werde. Das Stipendium könne auch nicht, wie vom Sozialgericht zutreffend ausgeführt, mit der Zahlung von Übergangsgeld im Sinne des AFG verglichen werden.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Der Kläger begehrt im Termin zur mündlichen Verhandlung am 01.09.199 erstmals die Zahlung von Arbeitslosenhilfe bis zum 31.05.1996. Die erfolgte Einschränkung auf die Zeit bis zum 28.02.1996 sei zu Unrecht erfolgt. Zwar sei er ab 29.02.1996 selbständig als Rechtsanwalt tätig, diese Tätigkeit sei jedoch vom zeitlichen Aufwand her bis Ende Mai 1996 so geringfügig gewesen, daß dies der Gewährung von Arbeitslosenhilfe nicht entgegengestanden habe.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat der Klageänderung widersprochen.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat dem Kläger aufgegeben, Unterlagen und Belege für Aufwendungen vorzulegen, die von Stipendium abzuziehen sein könnten, wenn man es als anrechenbar ansehen sollte. Der Kläger hat mitgeteilt, daß er hiervon absehen wolle.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe:</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist zulässig. Zwar war bei Einlegung der Berufung nur ein Betrag von 995,90 DM (23 Tage x 43,30 DM) streitig, worauf der Senat die Beteiligten mit Verfügung vom 10.03.1998 hingewiesen hat. Jedoch war das angefochtene Urteil mit einer unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung versehen, so daß die am 30.03.1998 eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten gemäß § 66 Abs. 2 SGG noch rechtzeitig war. Da das Sozialgericht der Beschwerde abgeholfen und die Berufung zugelassen hat, war das Verfahren gemäß § 145 Abs. 5 S. 1, 1 HS SGG als Berufungsverfahren fortzusetzen.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die in zweiter Instanz erhobene Klage auf Zahlung von Arbeitslosenhilfe auch für die Zeit vom 29.02. bis 31.05.1996 war als unzu lässig abzuweisen. Dem Kläger war ursprünglich Arbeitslosenhilfe bis zum 28.12.1996 bewilligt worden. Mit der Aufhebung dieser Bewilligung ab 02.02.1996 wird also auch die Zeit vom 29.02. bis 31.05.1996 erfaßt. Der Kläger hat jedoch in erster Instanz sein Klagebegehren ausdrücklich auf die Zeit bis zum 28.02.1996 beschränkt. Eine solche Beschränkung des Klageantrages ist zulässig. Damit wurden die ursprünglich angefochtenen Bescheide für die Zeit ab dem 29.02.1996 bestandskräftig. Der erstmals in zweiter Instanz vorgetragene Sachverhalt für die Zeit ab 29.02.1996 ist völlig neu. Bis zum 28.02.1996 war zu prüfen, ob das Stipendium der Ehefrau bei der Arbeitslosenhilfe des arbeitslosen Klägers anzurechnen war oder nicht. Hiermit haben sich die Beklagte im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren und das Sozialgericht auseinandergesetzt. Nunmehr aber stellt sich die zusätzliche Frage, in wie weit trotz Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit in zeitlicher Hinsicht noch Verfügbarkeit angenommen werden kann und ob nunmehr nicht eigenes Einkommen aus Erwerbstätigkeit den Anspruch aus schließen könnte. Eine solche Klageänderung, der die Beklagte ausdrücklich widersprochen hat, hält der Senat nicht für sachdienlich im Sinne von § 99 SGG. Auch § 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG greift nicht ein, da jedenfalls der Klagegrund für die Zeit ab 29.02.1996 er weitert wird.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die Berufung bezüglich der Zeit vom 02.02. bis 28.02.1996 erweist sich als begründet. Die Klage war auch bezogen auf diesen Zeitraum abzuweisen, weil der Kläger durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert ist. Die Beklagte hat die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe ab 02.02.1996 zu Recht aufgehoben. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe ab dem 02.02.1996, weil das Stipendium seiner Ehefrau entgegen der Auffassung des Sozialgerichtes auf seine Arbeitslosenhilfe anzurechnen ist und der Anrechnungsbetrag seinen Leistungsanspruch übersteigt, so daß sich ein Auszahlungsbetrag für ihn nicht ergibt.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Dem Kläger wurde für die Zeit nach Beendigung seiner Referendarausbildung ab 01.01.1996 Arbeitslosenhilfe in Höhe von 259,80 DM zuerkannt. Diese Entscheidung war rechtmäßig. Der Kläger war arbeitslos, hatte Arbeitslosenhilfe beantragt, stand der Arbeitsvermittlung zur Verfügung und war bedürftig im Sinne des § 134 AFG. Der Kläger war insbesondere nicht erwerbstätig, seine Ehefrau bezog keine Leistungen, die nach § 138 AFG als Einkommen anrechnungsfähig gewesen wären. Dies hat sich ab dem 02.02.1996 geändert. An diesem Tag ist der Ehefrau erstmals die Leistung in Höhe von 3.900,-- DM aus dem Stipendium zugeflossen. Hierbei handelt es sich um eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X, die Beklagte berechtigt, den Verwaltungsakt über Bewilligung von Arbeitslosenhilfe mit Wirkung für die Zukunft ab Änderung der Verhältnisse aufzuheben. Dies hat die Beklagte auch gesetzeskonform umgesetzt.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Seit dem 02.02.1996 bezog die Ehefrau des Klägers fortlaufend monatlich ein Stipendium im Rahmen des Lise-Maitner-Programms zur Vorbereitung ihrer Habilitation von 3.900,-- DM monatlich. In Höhe von 3.400,-- DM (Grundbetrag des Stipendiums) ist dieser Geldzufluß als Einkommen nach § 138 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AFG auf die Arbeitslosenhilfe des Klägers anzurechnen. Das Habilitationsstipendium ist entgegen der Ansicht des Klägers und des Sozialgerichtes nicht nach § 138 Abs. 3 Nr. 3 AFG von der Anrechnung ausgeschlossen. Es ist weder als Leistung zur Berufsausbildung noch als sonstige zweckgebundene Leistung anzusehen.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Die Vorbereitung auf die Habilitation ist keine Berufsausbildung im Sinne von § 138 Abs. 3 Nr. 3 AFG. Berufsausbildung liegt nur dann vor, wenn es sich dem Wesen nach um eine Ausbildung handelt und diese dazu dient, Fähigkeiten zu erlangen, die die Ausübung des zukünftigen Berufes ermöglichen. Sie setzt ein echtes Ausbildungsverhältnis voraus, das nach Inhalt und zeitlicher Gestaltung sowie Leistungskontrolle einem von vornherein festgelegten Plan entspricht und sich an einem bestimmten Ausbildungsziel orientiert. Dazu gehört in der Regel, daß sachkundige verantwortliche Ausbilder bestellt sind, die den Ausbildenden anleiten, belehren und ihn mit dem Ziel unterweisen, ihm die für den erstrebten Beruf notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln. Einen derartigen Ausbildungscharakter hat die Habilitation nicht. Für den von der Ehefrau erstrebten Beruf einer Hochschullehrerin sind zwar außer einem abgeschlossenen Hochschulstudium u.a. die Promotion und nachfolgend die Habilitation regelmäßig Einstellungsvoraussetzungen. Dies rechtfertigt es jedoch nicht, die Habilitation als Berufsausbildung zu qualifizieren, denn sie dient dem Nachweis der Befähigung zu eigenständiger wissenschaftlicher Arbeit bzw. zusätzlichen wissenschaftlichen Leistungen. Sie erfolgt weder nach einem bestimmten, festen Zeitplan noch ist eine Leistungskontrolle bzw. Unterweisung oder Belehrung durch einen Ausbilder festgelegt. Die im Einzelfall erfolgende Betreuung durch einen "Habilitationsvater" ist einem geregelten Ausbildungsgang nicht vergleichbar. Dies ist vom Bundessozialgericht (BSG) bereits mit Urteil vom 21.03.1996 - 11 RAr 95/95 - entschieden worden. Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung des BSG an.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Der Umstand, daß nicht von Ausbildung gesprochen werden kann, führt jedoch nicht zwangsläufig zur Anrechenbarkeit des Stipendiums. Es war ferner zu prüfen, ob es sich nicht um eine sonstige zweckgebundene Leistung im Sinne von § 138 Abs. 3 Nr. 3 AFG handelt. Die Bezeichnung "zweckgebunden" ist nicht so eng auszulegen, daß darunter lediglich solche Leistungen zu verstehen wären, die der Empfänger nur zu dem im Gesetz oder in einer Vereinbarung vor gesehenen Zweck verwenden darf und bei denen der Leistende ein Kontrollrecht oder einen Einfluß auf die Verwendung hat. Vielmehr fallen darunter auch solche Beträge, die aus einem bestimmten Anlaß sowie in einer bestimmten Erwartung gegeben werden und die der Empfänger zwar im allgemeinen für einen bestimmten Zweck verwenden wird, ohne daß er jedoch dazu angehalten werden könnte. Die vom Gesetzgeber vorgenommene Aufzählung in § 138 Abs. 3 Nr. 3 AFG ist nicht erschöpfend, gleichartig privilegierte Leistungen sind eben falls anrechnungsfrei (vgl. BSG SozR 4100 § 138 Nr. 13; BSG in SozR 3 4100 § 138 Nr. 1 mit weiteren Nachweisen). Als zweckgebun den in diesem Sinne sieht der Senat den Kinderbetreuungszuschuß in Höhe von 300,-- DM an, da die Kinderbetreuungskosten nachgewiesen werden müssen und ein Differenzbetrag zurückzuzahlen ist (vgl. Ziffer II 1 b des Lise-Meitner-Programms). Auch der Sach- und Reisekostenzuschuß in Höhe von 200,-- DM (vgl. Ziffer II 1 c) ist in diesem Sinne zweckgebunden. Bei dem Grundbetrag von 3.400,-- DM vermag der Senat im Gegensatz zu dem Kläger und dem Sozialgericht eine Zweckbindung nicht zu erkennen. Nicht als von der Anrechnung ausgenommene zweckgebundene Leistungen im Sinne des § 138 Abs. 3 Nr. 3 AFG sind nämlich solche Leistungen, deren Zweck darin besteht, dem allgemeinen Lebensunterhalt des Empfängers zu dienen (vgl. BSG a.a.O.).</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Zur Überzeugung des Senates dient der Grundbetrag im wesentlichen dem Lebensunterhalt der Ehefrau des Klägers. Der Umstand, daß keine familienbezogenen Leistungen gewährt werden und sich die Ehefrau selbst um ihre Kranken-, Renten- und Unfallversicherung kümmern muß, stehen dem nicht entgegen. Das Stipendium wird hochqualifzierten Wissenschaftlerinnen gewährt, die sich dadurch voll auf ihre Habilitation konzentrieren können. Ihnen wird dadurch "der Rücken frei gehalten", um sich ihrer Habilitation widmen zu können. Diese allgemeine Zweckbindung reicht jedoch nicht aus, eine Anrechnung nach § 138 Abs. 3 nr. 3 AFG auszuschließen. Zur Überzeugung des Senates muß auf die Zweckbindung des Geldes abgestellt werden. Das Stipendium dient grade dazu, den Lebensunterhalt der Ehefrau wegen der Inanspruchnahme durch die Habilitation sicherzustellen. Dafür spricht auch, daß das Stipendium nicht gewährt wird, soweit Übergangsgelder aus öffentlichen Kassen zu stehen. Solche Übergangsgelder sind aber nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (Urteil vom 21.03.1996), anrechenbar im Sinne der vorgenannten Vorschrift. Zwar wurde Übergangsgeld im Falle des BSG in einem Betrag ausbezahlt. Es kann jedoch zur Überzeugung des Senates keinen Unterschied machen bei der Anrechnung nach § 138 Abs. 3 Nr. 3 AFG, ob der Betrag in einer Summe oder monatlich laufend ausgezahlt wird.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Auch wenn das Stipendium keine familienbezogenen Anteile enthält, ist die Anrechnung sachgerecht. Auch Arbeitsentgelt wird in der freien Wirtschaft nicht familienbezogen gewährt. Es unterliegt je doch keinem Zweifel, daß Arbeitsentgelt eines Ehegatten anrechnungsfähig ist. Ist dieses so hoch, daß (bei Berücksichtigung aller Freibeträge), noch ein Unterhaltsbeitrag für den Ehegatten geleistet werden kann, so ist die Anrechnung geboten. Der Senat vermag nicht zu erkennen, warum dies bei dem Grundbetrag des Stipendiums anders sein sollte. Rein theoretisch könnte auch ein wohlhabender Bekannter des Habilitanden einen Zuschuß mit gleicher Intension wie beim Lise-Meitner-Programm gewähren und dies in nach oben unbegrenzter Höhe. Die Anrechnung ist sozial geboten, um Mißbräuchen vorzubeugen. Je geringer das Stipendium oder die freiwillige Leistung eines Dritten ist, desto weniger werden sich durch die Berücksichtigung von Freibeträgen sozial ungerechtfertigte Ergebnisse ergeben.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Der Umstand, daß das Stipendium bei Vernachlässigung der Habilitation möglicherweise zurückgefordert werden kann, ist kein Grund, von der Anrechnung abzusehen. Auf einen eventuellen Erstattungsanspruch, der sich nur bei vertrauenswidrigem Verhalten des Begünstigten realisiert, kann man sich nicht berufen (vgl. BSG Urteil vom 18.03.1999 - B 14 KG 5/98 R-).</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Wenn aber der Grundbetrag des Stipendiums der Ehefrau des Klägers auf die Arbeitslosenhilfe des Klägers anzurechnen ist, dann ergibt sich für den Kläger kein Zahlbetrag, so daß die Entscheidungen der Beklagten auch rechnerisch zu bestätigen waren. Im Februar 1996 hatte der Kläger Anspruch auf Arbeitslosenhilfe in Höhe von 259,80 DM pro Woche. Das anrechenbare Einkommen der Ehefrau betrug 3.400,-- DM im Monat. Von diesem Betrag sind abzusetzen:</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">- Freibetrag nach § 138 Abs. 1 Satz 2 AFG 1.203,80 DM
- Kinderfreibetrag (Düsseldorfer Tabelle Stand 0101.1996) 435,-- DM
- Krankenversicherung Ehefrau 473,50 DM
- Unfallversicherung Ehefrau 37,40 DM
- Lebensversicherung der Ehefrau (abzüglich Angaben im Termin vom 01.09.1999) 14,50 DM</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Damit sind 2.164,20 DM abzusetzen, so daß ein anrechenbares Ein kommen in Höhe von 1.235,80 DM verbleibt. Diese Abzüge hält der Senat nach der allgemeinen Lebenserfahrung für üblich und damit für glaubhaft. Weitere Absetzungen hätten sich aufgrund entsprechender Nachweise ergeben können. Der Kläger hat jedoch trotz entsprechender Aufforderung durch den Senat keine weiteren Belege vorgelegt. Die Kraftfahrzeugversicherung, die eigene Lebensversicherung und die Familienversicherung waren daher mangels Nach weises nicht absetzbar. Ausgehend von einem anrechnungsfähigen Einkommen der Ehefrau von 1.235,80 DM (dieses x 3: 13) ergibt sich ein wöchentliches anrechenbares Einkommen in Höhe von 285,18 DM. Damit übersteigt der wöchentliche Anrechnungsbetrag von 285,18 DM den Leistungsbetrag des Klägers in Höhe von 259,80 DM. Die Be klagte hat somit im Ergebnis zutreffend entschieden, daß sich für den Kläger ab 02.02.1996 kein Auszahlungsbetrag an Arbeitslosenhilfe mehr ergibt.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Auf die Berufung der Beklagten war somit das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat die Revision zugelassen, weil er der Frage grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG beigemessen hat, ob Bezüge (der Ehefrau) aus einem Habilitationsstipendium nach § 138 Abs. 3 Nr. 3 AFG auf die Arbeitslosenhilfe des Leistungsbeziehers anzurechnen sind.</p>
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114,399 | lsgnrw-1999-09-01-l-12-al-4998 | {
"id": 799,
"name": "Landessozialgericht NRW",
"slug": "lsgnrw",
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"jurisdiction": "Sozialgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | L 12 AL 49/98 | 1999-09-01T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:39 | 2019-02-12T13:54:22 | Urteil | ECLI:DE:LSGNRW:1999:0901.L12AL49.98.00 | <span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Tatbestand:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Umstritten ist, ob der Kläger auch für die Zeit vom 01.08. bis zum 19.09.1997 einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Kläger war vom 09.07.1990 bis zum 30.06.1997 als Schweißer bei der Firma I. in B. beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung des Arbeitgebers vom 30.04.1997 zum 30.06.1997 wegen hoher krankheitsbedingter Fehlzeiten. Die Kündigungsfrist des Arbeitgebers betrug zwei Monate zum Monatsende. Der Kläger erhielt eine Abfindung von 16.000,-- DM. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses hatte er noch einen Urlaubsabgeltungsanspruch, der einem Urlaub bis zum 21.07.1997 entsprach.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Am 25.06.1997 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Am 09.07.1997 erkrankte der Kläger und war bis zum 19.09.1997 arbeitsunfähig. Vom 09. bis 31.07.1997 erhielt er Krankengeld.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Mit Bescheid vom 01.09.1997 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab mit der Begründung, er habe bis einschließlich 21.07.1997 eine Urlaubsabgeltung erhalten bzw. zu beanspruchen. Bis zu diesem Zeitpunkt ruhe sein Anspruch auf Leistungen gemäß § 117 Abs. 1 a AFG. Ab 09.07.1997 habe er einen vorrangigen Anspruch auf Krankengeld (§ 118 AFG).</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Auf seinen erneuten Antrag vom 19.09.1997 bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 08.10.1997 Arbeitslosengeld ab 20.09.1997.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Gegen den Bescheid vom 01.09.1997 erhob der Kläger am 15.09.1997 Widerspruch. Zur Begründung trug er im wesentlichen vor: Wegen des Beginns der Arbeitsunfähigkeit ab 09.07.1997 habe ein Krankengeldanspruch nur bis zum 31.07.1997 bestanden, da ab diesem Zeitpunkt eine Mitgliedschaft bei der Krankenversicherung nicht mehr gegeben gewesen sei. Demgemäß sei Arbeitslosengeld spätestens ab 21.07.1997 zu zahlen, da eine Gewährung von Arbeitslosengeld wegen Arbeitsunfähigkeit gemäß § 105 b AFG auch dann zu erfolgen habe, wenn zugleich die Voraussetzungen des Ruhens des Arbeitslosengel des infolge einer Urlaubsabgeltung wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfüllt seien.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Mit Widerspruchsbescheid vom 23.10.1997 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte sie im wesentlichen aus: Ein Anspruch folge nicht aus § 105 b AFG. Diese Regelung könne nur dann zu einem Anspruch auf Arbeitslosengeld führen, wenn der Arbeitslose während des Bezuges von Arbeitslosengeld arbeitsunfähig erkranke. Der Anspruch des Klägers habe aber am 09.07.1997, als er arbeitsunfähig geworden sei, geruht.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Gegen den ihm am 27.10.1997 zugestellten Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 28.10.1997 Klage vor dem Sozialgericht Köln erhoben. Er hat im wesentlichen sein früheres Vorbringen wiederholt und er gänzend darauf hingewiesen, er habe die Urlaubsabgeltung erst am 10.07.1997 erhalten, als er bereits arbeitsunfähig gewesen sei. Er habe daher einen Anspruch auf Gleichwohlgewährung gehabt.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">den Bescheid der Beklagten vom 01.09.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.10.1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01.08. bis zum 19.09.1997 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Durch Urteil vom 23.01.1998 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es im wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe für die streitige Zeit vom 01.08. bis zum 19.09.1997 keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Wegen seiner Arbeitsunfähigkeit bedingenden Erkrankung sei der Kläger nicht verfügbar im Sinne von § 103 AFG gewesen. Arbeitslosengeld könne trotz des Wegfalls der Verfügbarkeit wegen Arbeitsunfähigkeit dem Arbeitslosen nur dann zustehen, wenn er während des Bezuges von Arbeitslosengeld arbeitsunfähig werde (§ 105 b AFG). Wie der Formulierung "Bezug" entnommen werden müsse, sei nicht entscheidend, ob ein Stammrecht auf Arbeitslosengeld bestehe, sondern ob tat sächlich ein realisierbarer Anspruch vorhanden sei, der nicht nach den §§ 116 ff. AFG ruhe. Das Gesetz knüpfe allein daran an, daß die Arbeitsunfähigkeit während des Bezuges von Arbeitslosengeld eintrete. Dies und die vom Gesetzgeber gewählte Formulierung, daß der Arbeitslose den Anspruch für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit "nicht verliere", mache deutlich, daß die Fortzahlung des Arbeitslosengeldes grundsätzlich nur in Betracht kommen solle, wenn im Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit Arbeitslosengeld zu zahlen sei und weiterzuzahlen wäre, wenn die Arbeitsunfähigkeit nicht eingetreten wäre. Dies sei hier nicht der Fall. Der Kläger sei zu einem Zeitpunkt arbeitsunfähig geworden, als ein Anspruch auf Arbeitslosengeld noch nach § 117 Abs. 1 a AFG wegen des Anspruchs auf Urlaubsabgeltung geruht habe. Seine Arbeitsunfähigkeit sei am 09.07.1997 eingetreten. Sein Anspruch habe aber bis zum 21.07.1997 wegen der Urlaubsabgeltung geruht. Er sei damit nicht während des Bezuges von Arbeitslosengeld arbeitsunfähig geworden. Abweichend von der Wortbedeutung habe das Bundessozialgericht (BSG) jedoch Zeiten des Ruhens eines Anspruchs Zeiten eines Bezuges gleichgestellt, wenn eine am gesetzlichen Wortlaut orientierte Auslegung dem erkennbaren Zweck und objektiven Willen des Gesetzgebers zuwiderlaufe. Dies könne jedoch bei § 105 b AFG nicht angenommen werden. Zweck dieser Vorschrift sei es, bei kürzeren Arbeitsunfähigkeitszeiten die mit einem Wechsel des Leistungsträgers verbundenen Unannehmlichkeiten zu verhindern. Dieser Zielsetzung entspreche es, wenn § 105 b AFG nur Anwendung finde, sofern die Beklagte bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit Leistungen zu er bringen habe. Dem Bezug von Arbeitslosengeld könne der ruhende Anspruch auf diese Leistung nicht gleichgestellt werden. Denn das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld bei Erhalt einer das Ruhen auslösenden anderen Leistung solle gerade bewirken, daß die Beklagte vorerst nicht Leistungsträger sei. Ein realisierbarer Anspruch habe auch nicht deshalb bestanden, weil der Kläger erst am 10.07.1997 die Urlaubsabgeltung von seinem Arbeitgeber erhalten, also zu Beginn der Arbeitslosigkeit der Arbeitgeber den Anspruch nicht bereits erfüllt habe. Daraus folge kein Anspruch nach § 117 Abs. 4 AFG. Nach dieser Vorschrift bestehe nur dann ein Anspruch, wenn der Arbeitgeber eine Leistung, die nach § 117 zum Ruhen führe, zum Fälligkeitszeitpunkt nicht gezahlt habe oder wenn deutlich werde, daß eine Zahlung nicht zu er warten sei. Hier habe der Arbeitgeber aber zum tariflichen Fälligkeitszeitpunkt am 10.07.1997 die Urlaubsabgeltung gezahlt und zu keinem Zeitpunkt erkennen lassen, daß er die geschuldete Urlaubsabgeltung nicht habe zahlen wollen. Auch eine verfassungskonforme Auslegung führe nicht zu einem Anspruch ab 01.08.1997. Allerdings habe die Neuregelung des § 19 Abs. 2 SGB V zur Folge, daß der Kläger ohne Lohnfortzahlungsschutz ab diesem Zeitpunkt sei. Während vor den Regelungen des Gesundheitsreformgesetzes der Krankengeldanspruch auch dann bestehen geblieben sei, wenn die Arbeitsunfähigkeit binnen vier Wochen nach dem Ausscheiden aus der Versicherung eingetreten sei, ende die dem Beschäftigungsverhältnis nachfolgende Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung nun nach Ablauf von einem Monat, ohne daß der Anspruch auf Krankengeld - auch nicht durch Abschluß einer freiwilligen Versicherung - erhalten werden könne. Zusammen mit der unverändert gebliebenen Regelung des § 105 b AFG in Verbindung mit § 117 Abs. 1 a AFG sowie des § 155 AFG führe dies da zu, daß der Arbeitslose seinen Krankengeldanspruch aus der nach gehenden Versicherung verliere, aber keinen neuen Lohnersatzanspruch erwerben könne, auch wenn er über den Ruhenszeitraum hinaus arbeitsunfähig bleibe. Dies sei problematisch, da der erkrankte Arbeitslose ohne Absicherung sei, obwohl die Ruhensregelung nur den Bezug einer Doppelleistung verhindern wolle. Nach dem Ende des Ruhenszeitraumes erhalte der Arbeitslose nun überhaupt keine Leistungen mehr. Auch sei es für den Arbeitslosen nur schwer nach vollziehbar, daß derjenige, der die Urlaubsabgeltung wegen Zahlungsverzuges oder Konkurses des Arbeitgebers nicht oder verspätet erhalte, durch den Bezug von Arbeitslosengeld nach § 117 Abs. 4 AFG Leistungen erhalte, während der Arbeitslose, dessen Arbeitgeber seine Verpflichtungen erfülle, schutzlos bleibe. Eine verfassungskonforme Regelung dürfe sich aber nicht über die Grenzen hin wegsetzen, die sich aus dem möglichen Wortsinn und dem Bedeutungszusammenhang des Gesetzes ergäben. Andernfalls läge nicht mehr ei ne Auslegung sondern eine Gesetzeskorrektur vor. So sei es aber hier. Denn nach Wortlaut und Zweck des § 105 b AFG solle die Bundesanstalt für Arbeit nur dann Arbeitslosengeld trotz des Wegfalls der Verfügbarkeit fortzahlen, wenn sie im Zeitpunkt der Arbeitsunfähigkeit bereits für die Leistungsgewährung zuständig gewesen sei. Auch die in der Regelung des § 155 Abs. 2 AFG liegende Lücke, daß für die Zeit der Urlaubsabgeltung der Krankenversicherungsschutz nur eingeschränkt weitergelte, könne nur durch den Gesetzgeber geschlossen werden.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Gegen das ihm am 05.03.1998 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20.03.1998 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er im wesentlichen vor: Nach der Entscheidung des BSG vom 26.06.1991 - 10 RAr 9/90 - trete die Ruhensregelung des § 117 Abs. 1 a AFG nicht ein, wenn der Arbeitslose während dieses Zeitraumes arbeitsunfähig erkranke. Denn die Ruhensregelung des § 117 Abs. 1 a AFG berühre die Gewährung von Arbeitslosengeld nach § 105 b AFG nicht. Dies bedeute, daß der Arbeitslosengeldanspruch des Klägers ab 01.08.1997 nicht mehr geruht habe, der angefochtene Bescheid daher rechtswidrig sei.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 23.01.1998 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 01.09.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.10.1997 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 01.08. bis zum 19.09.1997 Arbeitslosengeld zu gewähren.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Nach ihrer Auffassung ist das genannte Urteil des Bundessozialgerichts nicht einschlägig. In jenem Fall - so die Beklagte - habe sich der Kläger am 24.03. arbeitslos gemeldet, bevor er am 26.03. arbeitsunfähig erkrankt sei. Damit habe er ab 24.03. rechtmäßig einen Anspruch auf Arbeitslosengeld gehabt, der an sich gemäß § 117 Abs. 1 a AFG wegen der noch ausstehenden Urlaubsabgeltung geruht hätte. Da die Auszahlung der Urlaubsabgeltung infolge des Konkurses des ehemaligen Arbeitgebers nicht erfolgt sei, sei Arbeitslosengeld nach § 117 Abs. 4 AFG gezahlt worden. Aufgrund des rechtmäßigen Anspruchs auf Arbeitslosengeld sei der Leistungsempfänger in jenem Fall unter die Regelung des § 105 b AFG gefallen. Anders verhalte es sich dagegen im vorliegenden Fall. Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld gemäß § 105 b AFG sei nicht entstanden, da Arbeitsunfähigkeit eingetreten sei, als der Anspruch gemäß § 117 Abs. 1 a AFG geruht habe. Die Vorschrift des § 117 Abs. 4 AFG finde keine Anwendung, weil keine Anhaltspunkt dafür vorgelegen hätten, daß eine Verzögerung der Auszahlung der Urlaubsabgeltung eintreten werde. § 105 b AFG greife im vorliegenden Fall daher nicht, weil ein Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht bestanden habe.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe:</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zu lässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Der Kläger ist nicht beschwert im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG, denn die angefochtenen Be scheide der Beklagten sind nicht rechtswidrig.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Das Sozialgericht ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, daß der Kläger im streitbefangenen Zeitraum vom 01.08. bis zum 19.09.1997 keinen Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld hat. Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld hat gemäß § 100 AFG nur, wer u. a. der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht. Der Arbeitsvermittlung steht zur Verfügung, wer eine zumutbare, nach § 168 AFG die Beitragspflicht begründende Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben kann und darf. Da der Kläger im streitbefangenen Zeitraum arbeitsunfähig erkrankt war - er wurde operiert - war er bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt nicht verfügbar.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Der Kläger kann seinen Anspruch auch nicht auf § 105 b AFG stützen. Wird nach dieser Vorschrift der Arbeitslose während des Bezuges von Arbeitslosengeld infolge Krankheit oder infolge einer nicht rechtswidrigen Sterilisation oder eines nicht rechtswidrigen Abbruchs der Schwangerschaft durch einen Arzt arbeitsunfähig oder wird er während des Bezuges von Arbeitslosengeld auf Kosten der Krankenkasse stationär behandelt, so verliert er dadurch nicht den Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit oder stationären Behandlung bis zur Dauer von sechs Wochen.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Zutreffend ist das Sozialgericht zu dem Ergebnis gekommen, Voraussetzung für die Anwendung dieser Vorschrift sei, daß die Arbeitsunfähigkeit während des tatsächlichen Bezuges von Arbeitslosengeld eingetreten sein muß. Das ist hier nicht der Fall. Der Senat hat dem angefochtenen Urteil des Sozialgerichts insoweit nichts hinzu zufügen. Er hält es in der Begründung und im Ergebnis nach eigener Überprüfung und Überzeugung in vollem Umfang für zutreffend. Es wird deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Das Vorbringen im Berufungsverfahren gibt zu einer anderen Beurteilung keinen Anlaß. Die vom Kläger erwähnte Entscheidung des BSG vom 26.06.1991 - 10 RAr 9/90 - kann nach Auffassung des Senats auf den vorliegenden Fall keine Anwendung finden. Wenn der Arbeitgeber bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Urlaubsabgeltung zahlt, ruht das Arbeitslosengeld nach § 117 Abs. 1 a AFG für die Dauer der Abgeltung. Das gilt auch bei einer Erkrankung, weil § 105 b AFG die Fortzahlung von Arbeitslosengeld nur vorsieht, wenn die Arbeitsunfähigkeit während des Bezuges von Arbeitslosengeld eintritt (vgl. BSG vom 24.07.1986 - 7 RAr 13/85 -). Der vom BSG entschiedene Fall unterscheidet sich vom vorliegenden dadurch, daß dort wegen des Konkurses des Arbeitgebers und der daraus folgenden Nichtzahlung der Urlaubsabgeltung zunächst nach § 117 Abs. 4 AFG Arbeitslosengeld tatsächlich gezahlt worden ist. Bei der Leistung nach § 117 Abs. 4 AFG handelt es sich um eine echte Zahlung von Arbeitslosengeld im Sinne von § 100 AFG. § 105 b AFG ist aber nicht anwendbar, wenn das Arbeitslosengeld vor der Erkrankung nach § 117 Abs. 1 a AFG ruht (vgl. Gagel, AFG, vor § 105 a und § 105 b Randnr. 3). Nach Auffassung des Senates stellt das BSG in der genannten Entscheidung aber erkennbar darauf ab, daß tatsächlich Arbeitslosengeld gezahlt worden ist, bevor die Arbeitsunfähigkeit bedingende Erkrankung eintrat. Kern der Vorschrift des § 105 b AFG ist nach der Rechtsprechung des BSG, daß ein durch setzbarer Anspruch auf Arbeitslosengeld besteht und erst danach Arbeitsunfähigkeit eintritt. Das ist hier aber gerade nicht der Fall. Insoweit besteht nach Auffassung des Senats eine Lücke im Gesetz. Der Senat folgt diesbezüglich der Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts vom 21.04.1993 - L - 6/Ar 1242/91 -, wonach in der Regelung des § 155 AFG insoweit eine Lücke zu erblicken ist, als für die Zeit der Urlaubabgeltung mit der Folge des Ruhens des Anspruchs auf Arbeitslosengeld gemäß § 117 Abs. 1 a AFG der Krankenversicherungsschutz nur eingeschränkt weitergilt. Diese Lücke läßt sich nicht damit schließen, daß festgestellt wird, die Urlaubsabgeltung greife für die Tage der Arbeitsunfähigkeit nicht Platz. Denn es fehlt an der Erfüllung des Kernbereichs des § 105 b AFG nämlich des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit während des tatsächlichen Bezuges von Arbeitslosengeld. Der Senat folgt auch der Auffassung des Hessischen Landessozialgerichts, die Lücke könne nicht entsprechend dem Urteil des BSG vom 26.11.1996 - 7 RAr 2/85 - geschlossen werden. In jenem Urteil ist die gleich zeitig mit dem erstmaligen Arbeitsausfall eintretende Arbeitsunfähigkeit nicht als den Anspruch auf Kurzarbeitergeld ausschließend angesehen worden, obwohl auch § 65 Abs. 4 AFG voraus setzt, daß der Anspruchsteller während des Bezuges von Kurzarbeitergeld arbeitsunfähig wird. Darin sah das BSG eine planwidrige Lücke, die es in ausdrücklicher Abgrenzung zu § 105 b AFG im Hin blick auf die frühere Gesetzeslage des § 164 Abs. 2 AFG (in der bis zum 31.12.1980 geltenden Fassung mit der Folge, daß Kurzarbeitergeld gezahlt wurde, gleichgültig, ob zunächst die Arbeitsunfähigkeit oder zuerst der Arbeitsausfall eintrat) und die Schaffung des § 65 Abs. 4 AFG sowie die Neufassung des § 164 Abs. 2 AFG ohne erkennbare Änderungsabsicht des Gesetzgebers dahin ausfüllte, daß praktisch der frühere Rechtszustand wiederhergestellt wurde (vgl. Hessisches Landessozialgericht a.a.O.). Im vorliegenden Fall ergeben sich jedoch weder aus den gesetzgeberischen Materialien noch aus sonstigen gesetzlichen Vorschriften Anhaltspunkte, wie diese Lücke geschlossen werden könnte. Die Lücke kann daher nach Auffassung des Senats nur durch den Gesetzgeber beseitigt werden.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung die Revision zu gelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).</p>
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} | 25 UF 134/98 | 1999-09-01T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:39 | 2019-02-11T10:39:18 | Beschluss | ECLI:DE:OLGK:1999:0901.25UF134.98.00 | <h2>Tenor</h2>
Auf die Bescherde des Antragsgegners vom 02.06.1998 (Bl. 67ff GA) wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Leverkusen vom 29.04.1998
- 30 F 270/97 (Bl. 44 - 52 GA) - unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Das Umgangsrecht der Antragstellerin mit den Verfahrensbeteiligten Kindern wird dahin eingeschränkt, dass die Mutter-Kind-Kontakte zunächst in indirekter Form der Gestalt stattfinden, dass die Antragstellerin
1. Anlass gebundene kleine Geschenke an die Kinder M. S. und M. J. gibt und
2. brieflich mit den vorgenannten Kindern verkehren kann
sowie das der Antragsgegner an die Antragstellerin
1. monatliche Entwicklungsberichte über die vorgenannten
Kinder, die mit aktuellen Fotos von diesen versehen
sind, schickt und
2. Schreiben der Kinder und von diesen gefertigte Bilder
übermittelt.
Diese Kontakte erfolgen über fachkompetente, beratende Mitarbeiter des Verfahrensbeteiligten zu 4) (z.Zt. Frau P. oder Frau W. bzw. deren Nachfolger oder Vertreter), denen die Entwicklungsberichte, Geschenke, Fotos sowie Bilder zur Weiterleitung an die Gegenseite zu übergeben sind.
Die Beteiligten zu 1) und 2) haben zur fachlichen Beglei-tung der informellen Kontakte zu von den Mitarbeitern des Beteiligten zu 4) für erforderlich gehaltenen Beratungsge-sprächen zur Verfügung zu sehen, um eine behutsame Wiederaufnahme direkter Mutter-Kind-Kontakte möglichst frühzeitig zu erreichen.
Die Gerichtskosten des Umgangsrechtsregelungsverfahrens einschließlich des Beschwerdeverfahrens tragen die Betei-ligten zu 1) und 2) je zur Hälfte.
Aussergerichtliche Kosten und Auslagen werden nicht erstattet.
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline;"><b>G R Ü N D E :</b></span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die gem. §§ 621 Abs. 1 Nr. 2, 621 e Abs. 1, 3, 516, 519 Abs. 1
und 2 ZPO, 1684 Abs. 3 BGB zulässige - insbesondere frist- und
formgerecht eingelegte - befristete Beschwerde des Antragsgegners
hat in der Sache teilweise Erfolg. Das Amtsgericht hat das
Umgangsrecht der Antragstellerin zu umfassend ausgestaltet. Das
gem. § 1684 Abs. 1 2. Halbsatz BGB bestehende Umgangsrecht der
Antragstellerin war im Interesse des Wohles der betroffenen Kinder
im tenorierten Umfang gem. § 1684 Abs. 4 Satz 1 BGB einzuschränken,
da dies zum Wohle der Kinder erforderlich ist.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Beteiligten zu 1) und zu 2) sind seit dem 18.05.1995
geschieden. Die elterliche Sorge für die beiden Kinder wurde dem
Vater zur alleinigen Ausübung übertragen. Die Trennung der Eltern
erfolgte vor über 7 Jahren. Eine vom Gericht festgelegte
Umgangsregelung wurde im Scheidungsurteil nicht getroffen, da die
Eltern sich diesbezüglich einvernehmlich einigen wollten. Bis ca.
November 1996 hatten sich die Beteiligten zu 1) und 2) dahingehend
verständigt, dass die beiden Söhne die Beteiligte zu 2) (die
Mutter) mit Übernachtung besuchen konnten. Jedoch änderte sich die
Lebenssituation der Beteiligten zu 2) im November 1996 dahingehend,
dass sie sich räumlich nicht mehr in der Lage sah, die Kinder über
Nacht bei sich aufzunehmen, so dass die Vereinbarung dahin geändert
wurde, dass die Kinder samstags von 10:00 bis 18:00 Uhr bei der
Mutter sein konnten und auf eine Übernachtung verzichtet wurde.
Dabei ging die Beteiligte zu 2) davon aus, dass dieser Zustand nur
einige Monate andauern würde, weil sie glaubte, im gleichen Hause
eine geräumigere 3-Zimmer-Wohnung beziehen zu können. Diese
Erwartung der Beteiligten zu 2) erfüllte sich dann aber nicht.
Mittlerweile ist sie nach K. umgezogen und hat am 29.04.1998 wieder
geheiratet. Seit diesem Zeitpunkt bestehen zwischen der Beteiligten
zu 2) und ihren Kindern keine Besuchskontakte mehr. Diese weigerten
sich in immer stärkerem Maße, die Beteiligte zu 2) zu besuchen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Aus diesem Grunde kam der Verfahrensbeteiligte zu 1) der
Umgangsrechtsregelung des Amtsgerichts - Familiengericht -
Leverkusen vom 29.04.1998, in welcher der Beteiligten zu 2) ein</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">14-tägiges Umgangsrecht gewährt worden war, nicht nach.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Gegen diese Umgangsrechtsregelung wehrt sich der Beteiligte zu
1) mit seiner Beschwerde, da diese Regelung dem Kindeswohl
entgegenstehe. Die Beteiligte zu 2) habe durch ihr unzuverlässiges
Verhalten es selbst herbeigeführt, dass sich die gemeinsamen Kinder
der Beteiligten zu 1) und 2) von ihr abgewandt hätten. Es könne
nicht dem Kindeswohl entsprechen, diese sie zu den von ihnen
abgelehnten Besuchskontakten zu zwingen. Trotz guten Zuredens
würden sie strikt jeglichen Kontakt zur Beteiligten zu 2)
ablehnen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Dem ist die Kindesmutter, die Beteiligte zu 2) und
Antragstellerin, entgegengetreten. Sie trägt vor, der Kindesvater,
der Antragsgegner und Beteiligte zu 1), habe seine Kinder negativ
gegen sie beeinflusst. Dies sei ausschlaggebend für deren
ablehnende Haltung ihr gegenüber.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom
04.12.1998 durch Einholung eines schriftlichen
Sachverständigengutachtens über die Frage, ob es dem Wohlergehen
der betroffenen Kinder abträglich ist, wenn das Umgangsrecht der
Antragstellerin mit den Kindern in dem Rahmen durchgeführt wird,
wie es der Entscheidung des Familiengerichts Leverkusen vom</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">29. April 1998 entspricht und welche Umgangsrechtsregelung
bejahendenfalls aus Gründen des Kindeswohls zu wählen ist.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird
auf den Inhalt der zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst der
aktenkundigen Urkunden sowie wegen des Ergebnisses der
Beweisaufnahme auf den Inhalt des schriftlichen Gutachtens vom
21.05.1999 (Bl. 173 - 188 GA) der Sachverständigen
Dipl.-Psychologin - Forensische Psychologin - G. H. verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Beteiligten zu 1) und 2) haben sich nach Erstellung des
Gutachtens mit den Vorschlägen der Sachverständigen zur
Umgangsrechtsregelung einverstanden erklärt. Entsprechend war das
Umgangsrecht auszugestalten.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Senat ist nämlich in Übereinstimmung mit der
Sachverständigen der Auffassung, dass die stark zum Nachteil der
Antragstellerin (Beteiligte zu 2)) eingeschränkte
Umgangsrechtsregelung zur Zeit für eine gedeihliche seelische und
geistige Entwicklung der Kinder erforderlich ist.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Nach den für den Senat überzeugenden Gutachten der
Sachverständigen Heinz sprechen die Befunde der Begutachtung der
Kinder dafür, dass gegenwärtige Ablehnung persönlicher
Zusammentreffen mit der Mutter (Beteiligte zu 2)) durch die beiden
Kinder vorrangig als Folge der individuellen Psychodynamik des
Kindes M. (mit dem Erleben tiefer Verunsicherung als spezifischem
Auslöser) und des Bedürfnisses des Kindes Mi. nach Orientierung und
Harmonie mit bzw. an dem älteren Bruder zu betrachten.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Weder die Exploration der Kinder, noch die psychologische
Exploration der Erwachsenen, noch die informatorischen Anhörungen
förderten - nach den überzeugenden Feststellungen der
Sachverständigen - Hinweise auf eine gezielte Beeinflussung M.'s
und Mi.s' durch den Vater (Beteiligter zu 1)) zu Tage. Aus
psychologischer Sicht besteht für den Senat im Einklang mit den
einleuchtenden, widerspruchsfreien Feststellungen der
Sachverständigen kein Zweifel an der erzieherischen Kompetenz und
einem hinreichend ausgeprägten Verantwortungsbewusstsein in Bezug
auf die Belange der Kinder M. und Mi. seitens des Beteiligten zu 1)
und seiner 2. Ehefrau. Der Entwicklungsstand der beiden Kinder, die
Befunde der im Rahmen der Begutachtung durchgeführten
informatorischen Anhörungen der Klassenlehrerinnen, die Angaben der
Kinder über die Freizeitgestaltung im Rahmen der Exploration sowie
der Umgang mit den Erlebens- und Verhaltensauffälligkeiten
besonders des Kindes M. belegen danach, dass der Kindesvater über
die Alltagsversorgung hinaus auf eine umfassende Forderung der
beiden Jungen bedacht ist. So vermochte die Sachverständige auch in
Bezug auf die Besuchsfrage das Bemühen des Beteiligten zu 1) und
seiner Ehepartnerin festzustellen, den Bedürfnissen der beiden
Kinder gerecht zu werden. Dabei konnte die Sachverständige
grundsätzlich nicht ausschließen, dass in familiären
Konstellationen der vorliegenden Art die Hauptbezugspersonen - das
sind vorliegend der Kindesvater und dessen neue Ehepartnerin - den
Kindern ihre aversive Haltung bzw. negativen Gefühle in Bezug auf
bestimmte Verhaltensweisen des anderen, nicht gegenwärtigen
Elternteils (hier z.B. Unregelmäßigkeiten in Bezug auf den
Besuchsrhythmus, Gestaltung der Zusammentreffen, Weitergabe von
Informationen über den Konflikt zwischen den Erwachsenen an die
Kinder) in subtiler, für sensibilisierte Kinder jedoch wahrnehmbare
Art und Weise vermittelt und diese somit indirekt gegen die Mutter
beeinflusst hat. Gleichwohl fanden sich nach den Feststellungen der
Sachverständigen keine konkreten Anhaltspunkte dahin, dass eine
gezielte Beeinflussung der Kinder erfolgt ist.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Ist aber die gegenwärtige Ablehnung persönlicher Zusammentreffen
mit der Mutter durch die beiden Kinder vorrangig Folge der
individuellen Psychodynamik des Kindes M. und des Bedürfnisses des
Kindes Mi. nach Orientierung und Harmonie mit bzw. an dem älteren
Bruder, hängt die Frage, in welchem Umfang das auszugestaltende
Umgangsrecht dem Wohl der Kinder abträglich oder zuträglich ist,
dabei entscheidend aus psychologischer Sicht von der psychischen
Verfassung des Kindes M. ab. Auch wenn die Phase, in welcher M.
auffällige Erlebens- und Verhaltensauffälligkeiten gezeigt hat, der
Vergangenheit angehört, und er dispositionelle Faktoren, die
familiäre Krise und ihre Folgen für die emotionale Verfassung und
die Lebensumstände der einzelnen Mitglieder im allgemeinen als das
Verhalten der Kindesmutter im Rahmen der Besuchskontakte im
speziellen in einen ursächlichen Zusammenhang mit der ablehnenden
Haltung des Kindes gestellt werden müssen, besitzt im Hinblick auf
die Frage der Mutter-Kinder-Kontakte vorrangig das Erleben M.' und
Mi.s Relevanz. Diesbezüglich ist davon auszugehen, dass M. bis
heute eigene persönliche Kontakte mit der Kindesmutter und selbst
persönliche Kontakte seiner Hauptbezugspersonen (Vater und 2.
Ehefrau) mit dieser als starke Gefährdung seines Sicherheitsgefühls
in Bezug auf die Stabilität des Gefüges seiner existentiell
bedeutsamen Beziehungen und seiner Lebensumstände empfindet, der er
lediglich mit der Strategie der Vermeidung zu begegnen vermag. Um
eine Verfestigung bzw. Festschreibung dieser Strategie zu
verhindern, erscheint allein eine fachkompetent begleitete,
allmähliche Annäherung zwischen den beiden Kindern und ihrer Mutter
auf dem Weg indirekter Kontakte, welche alle erwachsenen
Bezugspersonen M.' und Mi.s und die Kinder selbst zuzustimmen
vermochten, aus psychologischer Sicht sinnvoll.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Sowohl M. als auch Mi. wiesen nämlich den Vater und dessen neue
Lebenspartnerin, welche sie seit nahezu 5 Jahren kennen, als
Hauptbezugspersonen aus und ließen eine enge Bindung an diese
erkennen. In Bezug auf Mi. bleibt festzuhalten, dass er über eine
sichere Bindung an diese Bezugsperson verfügt, M. jedoch Erlebens-
und Verhaltensweisen zeigt, welche auf ein durch Unsicherheit
gekennzeichnetes internales Modell von Bindung schließen
lassen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Beteiligte zu 2) lebt gegenwärtig gemeinsam mit ihrem 2.
Ehemann in Köln. Zu dessen 3 Töchtern aus 1. Ehe besteht - so die
Feststellungen der Sachverständigen, nach Angaben der Kindesmutter
und ihres neuen Ehegatten regelmäßiger Kontakt. Die Beteiligte zu
2) vermochte durchaus ihr Interesse und eine positive emotionale
Beziehung zu ihren beiden Kindern deutlich zu machen. Hierfür
spricht auch, dass sie sich bereiterklärte, letztlich den
Bedürfnissen ihrer Söhne Priorität im Hinblick auf die vorliegende
Umgangsrechtsregelung zu geben und ihre eigenen Wünsche
zurückzustellen. So respektiert sie vorerst den indirekten Kontakt
über einen neutralen Dritten zu ihren Kindern. Dabei trägt die
Beziehung M.' und Mi.s zu der Beteiligten zu 2) durchaus positive
Züge, ist jedoch gegenwärtig in erster Linie von einem hohen Maß an
Unsicherheit und Vermeidung geprägt. Bei M. ist davon auszugehen,
dass die im Rahmen der ehelichen Auseinandersetzungen entstandenen
Konflikte, der Verlust der Mutter als Hauptbezugsperson in einer
entwicklungspsychologisch hoch bedeutsamen Phase, die Etablierung
eines Besuchsrhythmus und die Neubildung zweier neuer familiärer
Systeme eine seine Anpassungsfähigkeit überfordernde Belastung
darstellten, für welche der Junge seinem Entwicklungsstand
entsprechend einen indirekten Ausdruck wählte, wie er von der
Sachverständigen näher erläutert.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Dabei stellt die Darstellung beider Verfahrensbeteiligten
Elternteile in Bezug auf die Erlebens- und Verhaltensweisen des
Jungen vor der Verweigerung der Besuche bei der Mutter in
Verbindung mit den genannten belastenden Umständen eine
hinreichende Erklärung für die ablehnende Haltung des Jungen dar.
Die Entscheidung M.' gegen den persönlichen Kontakt mit der Mutter
stellt aus psychologischer Sicht - so die überzeugenden
Feststellungen der Sachverständigen - den Versuch dar, durch eine
Überbetonung von im Rahmen der Besuchskontakte aufgetretenen
Problemen und Differenzen die erlebte emotionale Belastung durch
die Gesamtsituation auf ein erträgliches Maß zu reduzieren. Von
daher brauchen gravierende erzieherische Fehlverhalten seitens der
Beteiligten zu 2) und ihres neuen Partners im Rahmen der Besuche
als Erklärung nicht noch zusätzlich angenommen zu werden.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die psychische Situation von M. hat sich zwischenzeitlich
weitgehend stabilisiert. Seine psychotherapeutische Behandlung kann
bald abgeschlossen werden. Um diese Stabilisierung zu verfestigen
ist die eingeschränkte Besuchsregelung - wie oben ausgeführt -
erforderlich.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung regelt sich für beide Instanzen nach § 13
a Abs. 1 Satz 1 FGG.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Gegenstandswert für beide Verfahren (§ 30 Abs. 3 KostO) wegen
der Bedeutung und Schwierigkeit der Sache: 10.000,00 DM.</p>
|
114,401 | olgk-1999-09-01-27-wf-12699 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 27 WF 126/99 | 1999-09-01T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:39 | 2019-02-11T10:39:18 | Beschluss | ECLI:DE:OLGK:1999:0901.27WF126.99.00 | <h2>Tenor</h2>
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline;"><b>G r ü n d e</b></span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die nach § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige Beschwerde ist in der
Sache nicht gerechtfertigt.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Das Familiengericht hat der Antragstellerin die nachgesuchte
Prozesskostenhilfe mit Recht verweigert, weil diese einen als
Vermögen im Sinne von § 115 Abs. 2 ZPO einzusetzenden Anspruch auf
Prozesskostenvorschuss gegen den Antragsgegner hat. Allerdings ist
in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten, ob und gegebenenfalls
unter welchen Voraussetzungen volljährige Kinder von ihren Eltern
einen Prozesskostenvorschuss verlangen können (vgl. etwa
Palandt/Diederichsen, BGB, 58. Aufl., § 1610 Rn. 34;
Wendl/Staudigl/Scholz, Das Unterhaltsrecht in der
familienrichterlichen Praxis, 4. Aufl., § 6 Rn. 24, jeweils
m.w.N.). Der Senat ist schon bisher der Auffassung gefolgt, dass
volljährige Kinder von ihren Eltern einen Kostenvorschuss fordern
können, solange sie noch keine von diesen unabhängige
Lebensstellung erreicht haben (z. B. Senatsbeschluss vom 25.01.1994
- 27 WF 3/94 -). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Sie
berücksichtigt, dass die Eltern bis zum Erreichen einer
selbständigen Lebensstellung durch ihre Kinder noch eine
gesteigerte Verantwortung für diese haben (vgl. Zöller/Philippi,
ZPO, 21. Aufl., § 621 f Rn. 9; im Ergebnis auch Büttner NJW 1999,
2326). Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf
Prozesskostenvorschuss sind im vorliegenden Fall erfüllt, da die
Antragstellerin noch Studentin ist, es sich bei dem
Unterhaltsprozess um eine persönliche lebenswichtige Angelegenheit
handelt und der Antragsgegner nach den eigenen Angaben der
Antragstellerin zu seinen Einkommensverhältnissen den
erforderlichen Kostenvorschuss ohne weiteres leisten kann.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Gebühr nach § 11 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1952 des
Kostenverzeichnisses: 50,-- DM</p>
|
114,402 | olgk-1999-09-01-2-u-1999 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 2 U 19/99 | 1999-09-01T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:39 | 2019-02-11T10:39:18 | Urteil | ECLI:DE:OLGK:1999:0901.2U19.99.00 | <h2>Tenor</h2>
Die Berufung der Kläger gegen das am 7. Januar 1999 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 8 O 275/98 - wird zurückgewiesen.
Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens jeweils zur Hälfte zu tragen.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Klägern wird das Recht eingeräumt, die Vollstreckung des Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 3.500,00 DM abzuwenden, wenn nicht vor der Vollstreckung der Beklagte jeweils Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Den Parteien wird nachgelassen, die Sicher-heitsleistung auch durch eine selbstschuldnerische Bankbürgschaft einer deutschen Großbank, einer Volksbank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse zu erbringen.
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Tatbestand</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Kläger betreiben in E. eine Firma, die sich mit der
Ausführung von Maler- und Industrieanstricharbeiten befaßt. Der
Beklagte war der Geschäftsführer der inzwischen in Konkurs
gefallenen "R. GmbH" (im folgenden: Gemeinschuldnerin).</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Im Sommer 1997 führten die Kläger für die spätere
Gemeinschuldnerin auf der Grundlage eines Angebotes vom 12./16.
Juni 1997 verschiedene Malerarbeiten an einem Bauvorhaben in K.
aus. Unter dem 16. Juni 1997 berechneten die Kläger hierüber einen
Betrag von 53.314,00 DM, wobei sie 2 % Skonto bei sofortiger
Zahlung einräumten. Auf diese Rechnung erbrachte der Beklagte für
die GmbH am 19. Juni 1997 eine Scheckzahlung in Höhe von 60.000,00
DM; zugleich erteilte er den Klägern den Auftrag zur Durchführung
von weiteren Malerarbeiten. Unter dem 7. Juli 1997 stellten die
Kläger für die bis dahin insgesamt ausgeführten Arbeiten 125.215,52
DM abzüglich der geleisteten 60.000,-- DM, im Ergebnis also
65.215,52 DM in Rechnung. Hierauf zahlte der Beklagte für die GmbH
am 8. Juli 1997 weitere 50.000,00 DM. Am 10. Juli 1997 erteilten
die Kläger für weitere Arbeiten eine Rechnung, die einen
Nettobetrag von 63.197,69 DM auswies. Die spätere Gemeinschuldnerin
leistete indes keine weiteren Zahlungen mehr. Ende Oktober 1997
stellte sie Eigenantrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens wegen
Zahlungsunfähigkeit, nachdem die Finanzverwaltung wegen
Steuerrückständen in Höhe von 2.200.000,00 DM am 9. Oktober 1997
ihre Geschäftskonten gepfändet hatte.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Kläger begehren nunmehr von dem Beklagten als früherem
Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin die Bezahlung der noch
offenen Rechnungsbeträge in Höhe von insgesamt 87.892,86 DM (=
Restbetrag aus der Rechnung vom 7. Juli 1997: 15.215,52 DM und
Betrag aus der Rechnung vom 10. Juli 1997: 72.677,34 DM).</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Sie haben vorgetragen, der Beklagte habe sie über die
Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit der Auftraggeberin
getäuscht, indem er am 19. Juni 1997 auf ausdrückliche Nachfrage
wahrheitswidrig angegeben habe, "Geld sei für die Firma kein
Problem". Zudem habe der Beklagte bei der Übergabe des Schecks in
Höhe von 50.000,00 DM nochmals versichert, finanzielle
Schwierigkeiten würden nicht bestehen. Tatsächlich habe der
Beklagte bereits im Juni/Juli 1997 von den erheblichen
Steuerrückständen und somit den finanziellen Schwierigkeiten der
GmbH Kenntnis gehabt.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Kläger haben beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">##blob##nbsp;</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">##blob##nbsp;</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:30px">den Beklagten zu verurteilen, an sie
87.892,86 DM nebst 8 % Zinsen seit dem 16. August 1997 zu
zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">##blob##nbsp;</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">##blob##nbsp;</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:30px">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Er hat sich darauf berufen, die spätere Gemeinschuldnerin habe
im Juni/Juli 1997 noch über genügende finanzielle Mittel verfügt,
um ihre Verpflichtungen zu erfüllen. Dies beweise die Tatsache, daß
die übergebenen Schecks problemlos eingelöst worden seien.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Durch Urteil vom 7. Januar 1999 hat das Landgericht die Klage
mit der Begründung abgewiesen, die Kläger hätten nicht hinreichend
dargelegt, daß der Beklage wider besseres Wissen eine
wirtschaftliche Stärke der GmbH vorgetäuscht bzw. daß bereits zum
Zeitpunkt der Auftragserteilung ein Konkursgrund vorgelegen habe.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf
den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angefochtenen
Urteils des Landgerichts Köln verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Gegen das ihnen am 20. Januar 1999 zugestellte Urteil haben die
Kläger mit einem am 19. Februar 1999 bei Gericht eingegangen
Schriftsatz Berufung eingelegt, die sie nach Verlängerung der
Berufungsbegründungsfrist bis zum 3. Mai 1999 durch einen an diesem
Tag bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet haben.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Kläger wiederholen und vertiefen ihren erstinstanzlichen
Sachvortrag. Sie tragen vor, der Beklagte habe als Geschäftsführer
spätestens Ende April 1997 die Eröffnung des Konkursverfahrens
beantragen müssen. Bereits Anfang 1997 habe eine Überschuldung der
Gemeinschuldnerin bestanden. Die Steuernachforderungen seien dem
Grunde nach bereits vor Ankündigung und Durchführung der
Betriebsprüfung entstanden. Der Beklagte habe vor der Pfändung der
Konten durch die zugestellten Steuerbescheide und der im Rahmen der
Betriebsprüfung erfolgten Schlußbesprechungen Kenntnis von den
Steuerrückständen erhalten. Die Betriebsprüfung habe im März/April
1997 und die Schlußbesprechung im Mai 1997 stattgefunden. Es
entspreche allgemeiner Praxis der Finanzbehörden, daß zwischen der
Betriebsprüfung und einer etwaigen Pfändungs- und
Einziehungsverfügung mindestens 6 Monate lägen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte habe sie sowohl durch die bei der Auftragserteilung
abgegebene Erklärungen als auch durch die Überzahlung der ersten
Teilrechnung über die tatsächliche finanzielle Situation der
Gemeinschuldnerin getäuscht. Zudem sei der Beklagte gemäß § 826 BGB
zum Schadensersatz verpflichtet, da er zum Zeitpunkt der
Täuschungshandlung gewußt habe, daß die Gemeinschuldnerin in
unmittelbarer Zukunft nicht mehr alle Verbindlichkeiten erfüllen
konnte. Daneben bestehe eine Ersatzverpflichtung nach den
Grundsätzen einer culpa in contrahendo. Der Beklagte habe durch
seine ausdrücklichen Erklärungen in besonderem Maße persönliches
Vertrauen in Anspruch genommen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Kläger beantragen,</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">##blob##nbsp;</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">##blob##nbsp;</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:30px">das angefochtene Urteil des
Landgerichts Köln vom 7. Januar 1999 abzuändern und entsprechend
dem erstinstanzlichen Schlußantrag zu entscheiden.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">##blob##nbsp;</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">##blob##nbsp;</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:30px">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Er verteidigt - unter Wiederholung und Vertiefung seines
erstinstanzlichen Vortrags - das Urteil des Landgerichts und trägt
vor, die Voraussetzungen einer Konkursverschleppung seien mangels
Konkursantragspflicht nicht gegeben. Die Steuerrückstände basierten
ausschließlich auf Schätzungen. Gegen die Feststellungen der
Steuerforderungen zur Konkurstabelle habe - was von den Klägern
nicht bestritten wird - der Konkursverwalter Einspruch eingelegt.
Weder im Frühjahr noch im Sommer 1997 habe eine Veranlassung zur
Passivierung der Steuerrückstände bestanden. Den Nachforderungen
des Finanzamtes hätten im Juni/Juli 1997 kurzfristig realisierbare
Außenstände in Höhe von mindestens 5.000.000,00 DM
gegenübergestanden. Die Voraussetzungen für eine Täuschung seien
bereits deshalb nicht gegeben, weil die Gemeinschuldnerin bis
Oktober 1997 zahlungsfähig gewesen sei.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Weiterhin erhebt der Beklagte Einwendungen gegen die Rechnungen
der Kläger. Er ist der Auffassung, diese seien mangels Vorlage der
Massennachweise und der Tageslohnzettel nicht prüffähig. Zudem
seien die Rechnungen überhöht, es stehe allenfalls noch ein Betrag
von 12.869,17 DM offen. Unstreitig hat der Konkursverwalter die von
den Klägern zur Tabelle angemeldete Werklohnforderung in voller
Höhe bestritten.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes
wird auf den vorgetragenen Inhalt der beiderseits im
Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug
genommen.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung der Kläger bleibt in der Sache ohne
Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte ist den Klägern unter keinem rechtlichen
Gesichtspunkt aus seiner Tätigkeit als Geschäftsführer für die
Gemeinschuldnerin zum Schadensersatz verpflichtet. Den Klägern
steht gegen den Beklagten weder aus culpa in contrahendo noch aus
deliktischen Gesichtspunkten ein Anspruch auf Zahlung von 87.892,86
DM nebst Zinsen zu.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Die Voraussetzungen für eine Haftung des Beklagten als früherer
Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin aus den Grundsätzen einer
culpa in contrahendo liegen nicht vor.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Für die Folgen einer Verletzung von vorvertraglichen
Aufklärungs- und Obhutspflichten haftet, wenn bei den
Vertragsverhandlungen ein Vertreter tätig wird, nach allgemeinen
Grundsätzen in der Regel ausschließlich der Vertretene, vorliegend
somit die spätere Gemeinschuldnerin. Eine eigene Haftung des
Vertreters ist nur dann gerechtfertigt, wenn dieser dem
Verhandlungsgegenstand besonders nahesteht, weil er wirtschaftlich
selbst stark an dem Vertragsschluß interessiert ist und aus dem
Geschäft eigenen Nutzen erstrebt. Darüber hinaus kommt nach der
Rechtsprechung eine Haftung des Vertreters für ein Verschulden bei
den Vertragsverhandlungen ausnahmsweise dann in Betracht, wenn er
über das normale Verhandlungsvertrauen hinausgegangen ist, das bei
Anbahnung von Geschäftsbeziehungen immer besteht oder doch
vorhanden sein sollte, und er gegenüber dem Verhandlungspartner in
besonderem Maße persönliches Vertrauen für den Bestand und die
Erfüllung des in Aussicht genommenen Rechtsgeschäfts in Anspruch
genommen und dadurch die Vertragsverhandlungen beeinflußt hat (vgl.
hierzu z.B.: BGH, ZIP 1991, 1140 [1141 f.] mit weiteren
umfangreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung auf S. 1141
unten/1142 oben; BGHZ 126, 181 [183]).</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Keine der beiden Ausnahmen ist hier gegeben:</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Ein haftungsbegründendes wirtschaftliches Eigeninteresse des
Beklagten an dem Zustandekommen der Werkverträge mit den Klägern
wird von den Klägern nicht aufgezeigt. Selbst wenn man unterstellt,
daß der Beklagte als damaliger Alleingeschäftsführer der Firma "R.
GmbH" an dem erfolgreichen Abschluß der Vertragsverhandlungen mit
den Klägern zumindest mittelbar wirtschaftlich interessiert war,
reicht dies nicht aus. Von der Rechtsprechung ist wiederholt
ausgesprochen worden, daß die Beteiligung eines Vertreters an der
von ihm vertretenen Gesellschaft bzw. seine Stellung als
Geschäftsführer noch nicht zu einer Haftung aus
Verhandlungsverschulden führt (BGH, NJW-RR 1988, 615 [616]; BGH,
ZIP 1991, 1140 [1142] m.w.N.; BGHZ 126, 181 [186 ff.]).</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Auch wenn man dem Sachvortrag der Kläger folgt, der Beklagte
habe erklärt, "Geld sei für die Firma kein Problem, finanzielle
Schwierigkeiten würden nicht bestehen", so hat der Beklagte durch
diese Äußerungen weder in besonderem Maße persönliches Vertrauen in
Anspruch genommen noch gegen besondere Offenbarungspflichten
verstoßen.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme eines besonderen
Vertrauens sind nur dann gegeben, wenn der Vertreter einer
Gesellschaft dem Verhandlungspartner eine zusätzliche, von ihm
persönlich ausgehende Gewähr für die Richtigkeit und
Vollständigkeit seiner Erklärungen geboten hat, die für den
Willensentschluß des anderen Teils bedeutsam gewesen ist (BGH, ZIP
1987, 175 [176 f.]; BGH, ZIP 1991, 1140 [1142] m.w.N.). Die von den
Klägern behaupteten Erklärungen rechtfertigen nicht die Annahme,
der Beklagte sei nicht nur als Geschäftsführer der GmbH
aufgetreten, sondern habe zusätzlich eine persönliche Gewähr für
die Richtigkeit seiner Angaben zu der wirtschaftlichen Situation
der von ihm vertretenen Firma übernommen. Die allgemein gehaltenen
Äußerungen erlauben bereits nicht den Rückschluß, daß der Beklagte
persönlich für die Erfüllung der Vergütungsansprüche der Kläger
eintreten wollte. Eine solche Gewähr ergibt sich ebensowenig aus
dem Umstand, daß der Beklagte für die GmbH auf die erste
Teilrechnung der Kläger vom 16. Juni 1997 eine Überzahlung
leistete. Aus diesem Verhalten des Geschäftsführers konnten die
Kläger allenfalls entnehmen, daß die Gemeinschuldnerin bereit und
in der Lage war, Rechnungen zügig zu bezahlen und auf noch nicht
fällige Forderungen eine Anzahlung zu erbringen.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Eine persönliche Haftung des Beklagten läßt sich weiterhin nicht
damit begründen, dieser habe die Kläger bei der Auftragserteilung
nicht vollständig über die finanzielle Situation der Auftraggeberin
aufgeklärt. Die Frage nach den Voraussetzungen, unter denen
gegenüber dem Vertragspartner eine Pflicht zur Offenbarung der
wirtschaftlichen Verhältnisse einer Gesellschaft anzunehmen sind,
wird in der Literatur und Rechtsprechung unterschiedlich
beantwortet (vgl. hierzu: BGH ZIP 1991, 1140 [1142]). Einer
Entscheidung über den Umfang dieser Pflichten bedarf es indes
nicht. Eine Offenbarungspflicht betraf allenfalls das Verhältnis
der Gemeinschuldnerin zu den Klägern und begründet keine
zusätzliche Haftung des Vertreters. Tritt dieser für die
Gesellschaft bei den Vertragsverhandlungen auf, nimmt er nur das
bei der Anbahnung von Geschäftsbeziehungen bestehende normale
Verhandlungsvertrauen in Anspruch. Unterläßt der Vertreter die
Abgabe von maßgebenden Erklärungen für die Vertretene, verletzt er
eine Pflicht der Gesellschaft, wofür allein diese einzustehen hat
(BGH, ZIP 1991, 1140 [1142]; BGHZ 126, 181 [189]). Dies gilt auch,
wenn der Beklagte, wie die Kläger geltend machen, eine nicht
vorhandene Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft vorgespiegelt hat.
Hierdurch wird ebenfalls nur das Vertrauen des Geschäftspartners in
die Leistungsfähigkeit der Gesellschaft enttäuscht. Die Aufgabe des
Geschäftsführers beschränkt sich darauf, die Interessen der
Gesellschaft im Rahmen der Rechte und Pflichten wahrzunehmen.
Erfüllt er als Vertretungsorgan der Gesellschaft diese Aufgabe
nicht ordnungsgemäß, trifft dies wie bei der Unterlassung gebotener
Aufklärung ausschließlich die GmbH (BGH, ZIP 1991, 1140
[1143]).</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Besondere persönliche Beziehungen, die dem Vertreter
ausnahmsweise eine zusätzliche Offenbarungspflicht auferlegen
können (vgl. BGHZ 87, 27 [33 f.]; BGH, NJW-RR 1991, 289 [290]),
werden weder von den Klägern vorgetragen noch ergeben sie sich aus
dem unstreitigen Sachvortrag. Es bestanden weder langjährige
persönliche noch geschäftliche Beziehungen zwischen den Parteien.
Der erste Kontakt war vielmehr erst kurz vor dem ersten Auftrag im
Frühsommer 1997 durch einen gemeinsamen Materiallieferanten
zustande gekommen. Aufgrund der bisherigen Geschäftsverbindung
konnten die Kläger allenfalls darauf vertrauen, daß die künftigen
Geschäfte ebenfalls wie die bisher abgewickelten Werkverträge
ablaufen würden. Eine besondere Beziehung der Auftragnehmer zum
Geschäftsführer der Auftraggeberin ergab sich hieraus noch
nicht.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte haftet ebenfalls nicht gemäß § 823 Abs. 2 i.V.m. §
64 GmbHG auf Bezahlung der noch offenstehenden Rechnungssumme. Zwar
hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 6. Juni 1994 (NJW 1994,
2220 = MDR 1994, 781) entschieden, daß der Geschäftsführer einer
GmbH bei schuldhaftem Verstoß gegen die Konkursantragspflicht des §
64 Abs. 1 GmbHG verpflichtet ist, den Gläubigern, die nach Eintritt
der Konkursreife mit der GmbH in Geschäftsbeziehung treten
(sogenannte "Neugläubiger"), den ihnen dadurch entstehenden Schaden
über den sogenannten "Quotenschaden" hinaus zu ersetzen.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Es läßt sich jedoch nicht feststellen, daß der Beklagte als
Geschäftsführer der GmbH gegen seine Konkursantragspflicht
verstoßen hat. Zwischen den Parteien ist nunmehr unstreitig, daß
die Gesellschaft erst Ende Oktober 1997 einen Eigenantrag auf
Eröffnung des Konkursverfahrens gestellt hat, nachdem sie wegen der
von der Finanzverwaltung eingeleiteten Kontenpfändung
zahlungsunfähig geworden war. Die Klägerin zeigen nicht auf, daß
bereits zu einem früheren Zeitpunkt Konkursantrag wegen
Zahlungsunfähigkeit hätte gestellt werden müssen. Gegen eine
Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft im Juni/Juli 1997 spricht
schon der Umstand, daß die Firma zu diesem Zeitpunkt noch Zahlungen
in Höhe von insgesamt 110.000,00 DM an die Kläger erbrachte.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Ebensowenig bestehen genügend Anhaltspunkte dafür, daß die
Gesellschaft vor Abschluß des Werkvertrages überschuldet gewesen
ist und daher aus diesem Grunde Konkursantrag hätte gestellt werden
müssen (zu den Voraussetzungen dieses Konkursgrundes allgemein:
BGH, NJW 1983, 676 [677]; Schulze-Osterloh in: Baumbach/Hueck,
GmbHG, 16. Auflage 1996, § 63 Rdnr. 7 m.w.N.).</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Die Kläger legen, worauf der Senat in der mündlichen Verhandlung
hingewiesen hat, nicht schlüssig dar, daß das Aktivvermögen der
späteren Gemeinschuldnerin schon im Juni 1997 nicht mehr die
Verbindlichkeiten deckte. Die Kläger tragen lediglich vor, der
Beklagte hätte Anfang 1997, spätestens Ende April 1997
Konkursantrag für die GmbH stellen müssen. Dies wird, worauf der
Senat in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat, weder durch
das Aufzeigen der Aktiva und Passiva der Gesellschaft noch durch
Vorlage einer Überschuldungsbilanz konkretisiert. Allein das
Bestehen einer erheblichen Steuernachforderung in Höhe von
2.200.000,00 DM rechtfertigt für sich noch nicht die Annahme einer
Überschuldung der Gemeinschuldnerin. Dies gilt umsomehr, da die
Steuerrückstände weder im April 1997 noch zum Zeitpunkt des
Abschlusses der Werkverträge rechtskräftig festgestellt worden
waren. Die zugrundeliegenden Steuerbescheide sind - so der nicht
bestrittene Vortrag des Beklagten - derzeit immer noch nicht
bestandskräftig, weil der Konkursverwalter im Einvernehmen mit den
steuerlichen Beratern der Gemeinschuldnerin gegen die Feststellung
der Steuerforderungen zur Konkurstabelle Einspruch eingelegt
hat.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Insoweit sind etwaige Verbindlichkeiten der Gesellschaft
gegenüber dem Finanzamt auch nicht als Wertansatz in einer
Überschuldungsbilanz zu berücksichtigten. Zwar sind handels- und
bilanzrechtlich sämtliche Verbindlichkeiten, bestritten oder
unbestritten, im Überschuldungsstatus zu passivieren. Für den
insolvenzrechtlichen Überschuldungsbegriff (vgl. BGHZ 119, 201 =
MDR 1997, 1135) gilt aber insoweit eine Ausnahme, als eine
bestrittene Forderung noch der Klärung in einem Prozeß bedarf und
über sie noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist. In
solchen Fällen kann insolvenzrechtlich von der Passivierung der
streitigen, einen Konkursgrund ausmachenden Verbindlichkeit
abgesehen werden. Hintergrund dieser Rechtsprechung ist der
Gedanke, daß das Konkursverfahren kein Erkenntnisverfahren ist und
bei streitigen Forderungen, die den Konkursgrund ausmachen würden,
eine Klärung nicht im Konkursverfahren, sondern im ordentlichen
Rechtsweg herbeigeführt werden müßte (Kuhn/Uhlenbruck, KO, 11.
Auflage 1994, § 102 Rdnr. 6s; OLG Hamm, KTS 1971, 54 [56]; OLG
Frankfurt, KTS 1973, 140 [141]; OLG Celle, OLGR 1998, 308).</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ebenfalls
erörtert worden ist, können sich die Kläger - entgegen ihrer auch
im Schriftsatz vom 25. 8. 1999 wiederholten und weiter begründeten
Auffassung - nicht mit Erfolg darauf berufen, sie seien nicht in
der Lage, zu den Vermögensverhältnissen der Gesellschaft zum
Zeitpunkt der Auftragserteilung weiter vorzutragen. Die Tatsache,
daß der Beklagte als früherer Geschäftsführer unter Umständen zu
der Unternehmenslage bessere Detailkenntnisse besitzt als ein
außenstehender Gläubiger, führt zu keiner Verlagerung der
Darlegungslast. Darlegungs- und beweispflichtig für das Vorliegen
der objektiven Voraussetzungen der Konkursantragspflicht (mithin
der Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung) ist grundsätzlich der
Gläubiger, im vorliegenden Fall die Kläger. Als Beteiligte des
Konkursverfahrens bestand für sie die Möglichkeit, gegebenenfalls
nach Einholung von Auskünften, weiter zu der damaligen
wirtschaftlichen Situation der Gemeinschuldnerin im Jahre 1997
vorzutragen. Erst wenn feststeht, daß die Gesellschaft zu einem
bestimmten Zeitpunkt rechnerisch überschuldet war, ist es Sache
eines beklagten früheren Geschäftsführers, diejenigen Umstände
darzulegen, die es aus damaliger Sicht rechtfertigten, das
Unternehmen trotzdem fortzuführen (vgl. allgemein: BGHZ NJW 1994,
2220 = MDR 1994, 781).</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">3.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Auch eine Haftung des Beklagten gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §
263 StGB scheidet aus. Es läßt sich unter Berücksichtigung der
vorstehenden Ausführungen zu der fehlenden Darlegung der
wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaft im Juni/Juli 1997
nicht feststellen, daß der Beklagte einen Betrug zu Lasten der
Kläger begangen hat, indem er diese über die Erfüllungsbereitschaft
oder -fähigkeit der Gesellschaft täuschte. Daher bedarf es keiner
Beweisaufnahme zu den von den Klägern vorgetragenen Äußerungen des
Beklagten.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">4.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Ein Schadensersatzanspruch gemäß § 826 BGB kommt ebenfalls nicht
in Betracht. Nach dem Vortrag der Kläger kann nicht davon
ausgegangen werden, daß der Beklagte zum Zeitpunkt der
Vertragsverhandlungen wußte oder hätte wissen müssen, daß die
Gesellschaft zur Erfüllung der begründeten Verbindlichkeiten wegen
Zahlungsunfähigkeit nicht in der Lage bzw. die Durchführbarkeit
durch Überschuldung der Gesellschaft von vornherein schwerwiegend
gefährdet war (vgl. allgemein: BGH, ZIP 1991, 1141 [1144] m.w.N.;
OLG Celle, NJW-RR 1994, 615).</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 1
ZPO.; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf
den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Streitwert des Berufungsverfahrens: 87.892,86 DM</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Beschwer der Kläger: über 60.000,00 DM</p>
|
114,403 | ovgnrw-1999-08-31-8-a-597498a | {
"id": 823,
"name": "Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen",
"slug": "ovgnrw",
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"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 8 A 5974/98.A | 1999-08-31T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:39 | 2019-02-12T13:54:22 | Beschluss | ECLI:DE:OVGNRW:1999:0831.8A5974.98A.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> G r ü n d e :</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Antrag hat keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der vorliegenden Rechtssache kommt keine
grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 78 Abs. 3
Nr. 1 AsylVfG zu. In der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts und des
Bundesverwaltungsgerichts ist grundsätzlich
geklärt, unter welchen Umständen der den
Schutzbereich des Asylrechts begrenzende
"Terrorismusvorbehalt" einen Anspruch auf
Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16 a
Abs. 1 GG ausschließt. Danach liegt es außerhalb
des Asylrechts, wenn für terroristische
Aktivitäten nur ein neuer Kampfplatz in
Deutschland gesucht wird, um sie dort
fortzusetzen oder zu unterstützen; entsprechendes
gilt für denjenigen, der erstmals von deutschem
Boden aus die Umsetzung politischer Ziele mit
terroristischen Mitteln betreibt. Ob ein
asylsuchender Flüchtling von diesem
"Terrorismusvorbehalt" betroffen ist, beurteilt
sich insbesondere danach, inwieweit sein Handeln
in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt
geprägt ist durch die Betätigung in oder für
Organisationen, die ihrerseits die Durchführung
oder Unterstützung terroristischer Aktivitäten
zum Ziel haben. Wird die Unterstützung
terroristischer Aktivitäten erst in Deutschland
aufgenommen, ist eine besonders sorgfältige
Prüfung erforderlich, inwieweit das Handeln des
Asylbewerbers im vorstehenden Sinne insgesamt
terroristisch geprägt ist. Maßgebend ist, ob das
Verhalten des Asylbewerbers bei einer wertenden
Gesamtbetrachtung aller Umstände des einzelnen
Falles sich als "aktive Unterstützung
terroristischer Aktivitäten darstellt".</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">BVerfG, Beschluß vom
20. Dezember 1989 - 2 BvR
958/86 -, BVerfGE 81,
142, 145; Beschluß vom
25. April 1991 - 2 BvR
1437/90 -, InfAuslR 1991,
257, 260; Beschluß vom
13. Oktober 1994 - 2 BvR
126/94 -, DVBl. 1995, 34,
35; BVerwG, Urteil vom
10. Januar 1995 - 9 C
276.94 -, Buchholz 402.25
§ 1 AsylVfG Nr. 175;
Urteil vom 30. März 1999
- 9 C 23.98 -; vgl. auch
Senatsbeschluß vom
6. Juni 1994 - 25 A
3388/91.A -, InfAuslR
1995, 30, 34.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Antragsbegründung legt einen darüber
hinausgehenden Klärungsbedarf nicht dar.
Insbesondere hat das Verwaltungsgericht im
angefochtenen Urteil die erste Tat, die Anlaß für
eine Prüfung im vorstehenden Sinne sein kann
- hier die Spendengelderpressung vom November
1994 -, bei der von ihm angestellten Prüfung, ob
das Verhalten des Klägers insgesamt terroristisch
geprägt ist, nicht außer Betracht gelassen. Im
Rahmen der von ihm vorgenommenen
Einzelfallwürdigung hat das Verwaltungsgericht
diese abgeurteilte Tat berücksichtigt, jedoch
nicht als ausreichend bewertet, um eine
terroristische Prägung feststellen zu können.
Nach den Vorgaben der höchstrichterlichen
Rechtsprechung war eine derartige umfassende
Prüfung aller Umstände des vorliegenden
Einzelfalles auch geboten, zumal die Tat von
einem erst 19 Jahre alten Asylbewerber rund acht
Monate nach der Einreise in die Bundesrepublik
Deutschland begangen worden war, die
Strafvollstreckung zur Bewährung ausgesetzt
worden war und die Tat im Zeitpunkt der
erstinstanzlichen Entscheidung bereits vier Jahre
zurücklag.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 78
Abs. 5 Satz 1 AsylVfG abgesehen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2
VwGO i.V.m. § 83 b Abs. 1 AsylVfG.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Dieser Beschluß ist gemäß § 80 AsylVfG
unanfechtbar. Das Urteil des Verwaltungsgerichts
ist nunmehr rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2
AsylVfG).</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">
</p>
|
114,404 | lsgnrw-1999-08-31-l-5-kr-5299 | {
"id": 799,
"name": "Landessozialgericht NRW",
"slug": "lsgnrw",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": "Sozialgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | L 5 KR 52/99 | 1999-08-31T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:39 | 2019-02-12T13:54:22 | Urteil | ECLI:DE:LSGNRW:1999:0831.L5KR52.99.00 | <span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Tatbestand:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Beteiligten streiten nach Teilrücknahme der Klage nur noch um die Höhe der Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung vom 01.04. bis 31.08.1997.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der am ... geborene Kläger traf mit seinem ehemaligen Arbeitgeber der Fa ... St. GmbH unter dem 18.11.1996 folgende Aufhebungsvereinbarung:
"1. Das zwischen der Firma und dem Mitarbeiter bestehende Arbeitsverhältnis wird auf Veranlassung der Firma im beiderseitigen Einvernehmen zum 31.03.1997 beendet, da sonst aus betrieblichen Gründen eine Kündigung durch den Arbeitgeber hätte erfolgen müssen.
2. Der Mitarbeiter erhält eine Abfindung gemäß §§ 9 und 10 KSchG unter Beachtung von § 3 Ziff. 9 EStG in Höhe von 23.800,-- DM ...
4. Mit Erfüllung dieser Aufhebungsvereinbarung sind alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erloschen."</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Das Arbeitsverhältnis des Klägers fand vereinbarungsgemäß sein Ende. Für die Zeit vom 01.04. bis 31.08.1997 beantragte der Kläger, der von 1979 bis zum 31.03.1997 bei der Beklagten pflichtversichert war, die Mitgliedschaft in der freiwilligen Krankenversicherung ohne Anspruch auf Krankengeld sowie die Mitgliedschaft in der Pflegeversicherung. Seit dem 01.09.1997 bezieht der Kläger Altersrente für Schwerbehinderte.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Mit Bescheid vom 04.09.1997 teilte die Beklagte dem Kläger mit, daß sie die freiwillige Versicherung vom 01.04.1997 an durchführe. Für die Zeit vom 01.04. bis 31.08.1997 werde zur Beitragsbemessung die vom ehemaligen Arbeitgeber des Klägers gezahlte Abfindung zugrunde gelegt, so daß man zu einem Monatsbeitrag in Höhe von 558,90 DM einschließlich der Pflegeversicherung gelange. Ab 01.09.1997 erfolge eine Neueinstufung der freiwilligen Versicherung. Ab diesem Zeitpunkt werde die monatliche Rente und etwaige sonstige Einkünfte des Klägers der Beitragsberechnung zugrunde gelegt. Eine arbeitgeberseitige Abfindungszahlung gehöre grundsätzlich zum steuerpflichtigen bzw. sozialversicherungspflichtigen Arbeitslohn, weil sie nach § 19 Abs. 1 EStG zu den Einkünften aus nicht selbständiger Arbeit zähle. Eine Abfindung wegen Auflösung eines Arbeitsverhältnisses sei jedoch nach § 3 Nr. 9 EStG grundsätzlich bis zu 24.000,-- DM steuer- und beitragsfrei. Aufgrund des Arbeitsverhältnisses des Klägers mit seinem ehemaligen Arbeitgeber seien aus der Abfindung für die Zeit der Pflichtmitgliedschaft bis zum 31.03.1997 auch keine Beiträge berechnet worden. Nach § 240 SGB V werde die Beitragsbemessung für freiwillig Versicherte durch die Satzung geregelt. Dabei sei sicherzustellen, daß die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtige. Der Begriff der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sei im Gesetz nicht näher geregelt. In der Begründung des Entwurfs eines Gesundheitsreformgesetzes werde dieser Begriff wie folgt beschrieben: "Bei der Beitragsgestaltung ist die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds zu berücksichtigen, d.h. alle Einnahmen und Geldmittel, die das Mitglied zum Lebensunterhalt verbraucht und verbrauchen könnte, sind ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung der Beitragsbemessung zugrunde zu legen." Zu den Einnahmen zum Lebensunterhalt gehöre auch eine Abfindung, die zwecks Auflösung eines Arbeitsverhältnisses gezahlt worden sei. Im Gegensatz zu den beitragspflichtigen Einnahmen von Arbeitnehmern würden Abfindungen zwecks Auflösung von Arbeitsverhältnissen als Einnahmen bei der Bemessung der Beiträge zur freiwilligen Versicherung daher zugrunde gelegt. Diese Auffassung stütze man auch auf die Urteile des Bundessozialgeichts vom 28.04.1987, Az. 12 RK 50/85, und vom 23.02.1988, Az. 12 RK 34/86.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Am 15.09.1997 erhob der Kläger mit der Begründung Widerspruch, hätte er die Aufhebungsvereinbarung mit seinem Arbeitgeber nicht unterzeichnet, so hätte der Arbeitgeber ansonsten eine betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen. Die gezahlte Abfindung enthalte keinerlei Arbeitsentgelt, sondern sei in voller Höhe als Ausgleich für den Verlust seines Arbeitsplatzes und den Wegfall künftiger Verdienstmöglichkeiten gezahlt worden. Die von der Beklagten erwähnten Urteile des Bundessozialgerichts seien auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, da in diesen Urteilen davon ausgegangen worden sei, daß in den Abfindungen Arbeitsentgelte enthalten seien.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Mit Widerspruchsbescheid vom 21.04.1998 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, bei der Bemessung von Beiträgen zur freiwilligen Versicherung sei die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Mitglieds zu berücksichtigen. Grundsätzlich seien hierbei alle Einnahmen zum Lebensunterhalt zugrunde zu legen. Der Begriff der gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sei nicht unbedingt mit dem der Einnahmen zum Lebensunterhalt identisch. Inhaltlich stehe er ihm aber zumindest nahe. Umfangreiche Rechtsprechung zum Begriff der Einnahmen zum Lebensunterhalt und die Feststellung der beitragspflichtigen Einnahmen nach einheitlichen Kriterien bei allen Krankenkassen habe die Spitzenverbände der Krankenkassen dazu bewogen, in dem Gemeinsamen Rundschreiben vom 29.03.1995 zu beschreiben, welche Einnahmen letztendlich als Einnahmen zum Lebensunterhalt zu berücksichtigen seien. In diesem Rundschreiben sei die Einkunftsart "Abfindung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses" als Einnahme zum Lebensunterhalt aufgelistet. Im übrigen sei die Satzung der Beklagten u.a. unter Berücksichtigung der Grundsätze des § 240 SGB V erstellt worden. In § 17 Nr. 1 dieser Satzung heiße es: "Die Beiträge freiwilliger Mitglieder sind nach den beitragspflichtigen Einnahmen zu bemessen. Hierzu gehören das Arbeitsentgelt sowie alle anderen Einnahmen, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden könnten, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung." Diese Satzungsbestimmung entspreche in Verbindung mit § 240 SGB V geltendem Recht. Auch wenn die Abfindung als Einmalzahlung geleistet worden sei, wirke sie sich wirtschaftlich nicht anders aus, als wenn sie in monatlichen Teilbeträgen ausgezahlt worden wäre. Die Zweckbestimmung der Abfindung, die Bestreitung des Lebensunterhaltes über einen längeren Zeitraum, werde durch die Einmalzahlung nicht aufgehoben. Man habe von dem Abfindungsbetrag in Höhe von insgesamt 23.800,-- DM einen Beitragszuschuß zur freiwilligen Krankenversicherung und Pflegeversicherung des ehemaligen Arbeitgebers in Abzug gebracht. Ein Fünftel der gerundeten Differenz in Höhe von 21.000,-- DM betrage 4.200,-- DM. Diesen Betrag habe man für die Zeit vom 01.04. bis 31.08.1997 der monatlichen Beitragsbemessung zugrunde gelegt. Nach § 17 Abs. 4 der Satzung der Beklagten seien die Monatsbezüge in Höhe von 4.200,-- DM der Beitragsklasse mit dem Mittelwert 4.050,-- DM zu zuordnen. Bei einem Beitragssatz von 12,1 v.H. zur Krankenversicherung (ermäßigter Beitragssatz ohne Krankengeldanspruch) und 1,7 v.H. zur Pflegeversicherung ergebe sich ein Monatsbeitrag zur Krankenversicherung in Höhe von 490,05 DM und ein solcher zur Pflegeversicherung in Höhe von 68,85 DM.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Am 11.05.1998 hat der Kläger mit der ergänzenden Begründung Klage erhoben, aus § 240 Abs. 2 SGB V ergebe sich neben einer Mindestbeitragsgrenze auch ein Wertungshinweis. Zwar solle bei der Beitragsbemessung die gesamte Leistungsfähigkeit eines freiwilligen Mitglieds berücksichtigt werden. Abfindungen gehörten aber nicht zu den Leistungen, die für den Lebensunterhalt frei zur Verfügung gestellt würden. Vielmehr seien sie zweckbestimmte Leistungen, die aus sozialpolitischen Gründen wegen eines Ausgleichs für vorhandene Defizite gezahlt würden. Abfindungen errechneten sich nicht mit Rücksicht auf eine künftige Arbeitslosigkeit, sondern den "erdienten" Bestandsschutz. Das Risiko zukünftiger Arbeitslosigkeit werde durch die Arbeitslosenversicherung abgedeckt.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Nachdem der Kläger im Hinblick auf eine künftige Unterwerfung der Beklagten unter den rechtskräftigen Ausgang des Verfahrens wegen der Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung die Klage wegen der Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung zurückgenommen hatte, hat das Sozialgericht mit Urteil vom 23.04.1999 die Klage abgewiesen. Zur Begründung führte es aus, daß es sich bei der Abfindung um ein Entgelt gehandelt habe, das der Kläger zur Sicherstellung seines Lebensunterhalts habe nutzen können. Angesichts der weiten Fassung von § 17 Abs. 1 Satz 2 der Satzung der Beklagten, wonach zu den beitragspflichtigen Einnahmen alle Einnahmen gehörten, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden könnten, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung, habe man Bedenken, sich im vorliegenden Falle dem von der Beklagten erwähnten Urteil des Bundessozialgerichts vom 28.04.1987 zu folgen, wonach allein der sogenannte Entgeltanteil einer Abfindung im Gegensatz zum sogenannten Sozialanteil bei der Bemessung von freiwilligen Beiträgen zur Krankenversicherung zugrunde gelegt werden solle. Im vorliegenden Falle sei angesichts der beruflichen und sozialen Gesamtumstände nicht ersichtlich, welcher sogenannte Sozialanteil über den sogenannten Entgeltanteil der Abfindung hinaus überhaupt in Betracht kommen solle. Der vom Kläger geltend gemachte Wegfall künftiger Verdienstmöglichkeiten sei nur geringfügigen Ausmaßes, berücksichtige man das Lebensalters des Klägers sowie den Umstand, daß bereits zum 01.09.1997 die Altersrente für Schwerbehinderte in Anspruch genommen worden sei. Hinzu komme, daß der Kläger nach seiner eigenen Angabe im Verhandlungstermin bei seinem ehemaligen Arbeitgeber ein monatliches Entgelt von ca. 5.500,-- bis 5.600,-- DM erzielt habe. Der Gesamtabfindungsbetrag von 23.800,-- DM mache danach nur unwesentlich mehr als vier Monatslöhne aus. Im übrigen müsse berücksichtigt werden, daß bei dem Kläger ebenfalls nach seiner eigenen Angabe ein GdB von 80 festgestellt sei. Hätte sein Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der maßgebenden Kündigungsfrist nur mit Zustimmung der Hauptfürsorgestelle gekündigt werden können, so stehe zur Überzeugung der Kammer fest, daß in dem Abfindungsbetrag ausschließlich Arbeitsentgelt zu erblicken sei.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Gegen das ihm am 01.06.1999 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16.06.1999 Berufung eingelegt. Zur Begründung wird nunmehr vorgetragen, wenn man das erwähnte Urteil des Bundessozialgerichts vom 28.04.1987 der Beurteilung des vorliegenden Falles zugrunde legen würde, so dürfe auf keinen Fall der gesamte Abfindungsbetrag umgelegt werden. Es sei lediglich der Entgeltanteil einer Abfindung unter dem Gesichtspunkt, daß er dem Lebensunterhalt zu dienen bestimmt sei, bei der Beitragsbemessung zugrunde zu legen. Dabei sei zu berücksichtigen, daß das von der Beklagten in Bezug genommene Urteil des Bundessozialgerichts ohnehin nur auf die Fälle anwendbar sei, in denen der Tatbestand des § 117 Abs. 2 Satz 1 AFG, wonach ein Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden sein müsse, vorliege. Diese Voraussetzung sei im vorliegenden Falle gerade nicht erfüllt. Selbst wenn man diese Auffassung jedoch vertreten wolle, so ruhte der Anspruch auf Arbeitslosengeld gemäß § 117 Abs. 2 Satz 1 AFG nur von dem Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tage, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung dieser Frist geendet hätte, wobei zusätzlich die Ruhensbegrenzungsregelung nach § 117 Abs. 3 AFG zu berücksichtigen wäre.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 23.04.1999 zu ändern und den Bescheid vom 04.09.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.04.1998 insoweit aufzuheben, als für die Monate April bis einschließlich August 1997 jeweils ein über einen Monatsbetrag von 172,22 DM hinausgehender Beitrag zur freiwilligen Krankenversicherung erhoben wird.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Sie hält das erstinstanzliche Urteil im Ergebnis für zutreffend.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Mittels der Abfindung sei relativ exakt das Entgelt für denjenigen Zeitraum gezahlt worden, der bis zum Beginn der Altersrente für Schwerbehinderte des Klägers noch verblieben sei. Im übrigen sei die Abfindungsregelung nicht durch einen arbeitsgerichtlichen Vergleich zustande gekommen, so daß es sich ohnehin nicht um eine Abfindung im Sinne der §§ 9 ff. KSchG handele.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Das Gericht hat eine schriftliche Auskunft der Fa. F. St. GmbH eingeholt. Auf diese Auskunft vom 18.08.1999 wird genauso Bezug genommen wie auf den seitens der Fa. F. St. GmbH beigezogenen Auszug aus dem für deren Arbeitsverhältnis mit dem Kläger maßgebenden Manteltarifvertrag für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalen vom 29.02.1988 in der Fassung vom 06.05./19.06.1990 unter Berücksichtigung der Änderungstarifverträge vom 15.03. und 31.08.1994. Schließlich wird Bezug genommen auf das beigezogene Zeugnis, das die Fa. F. St. GmbH unter dem 16.12.1996 im Falle des Klägers ausgestellt hat.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe:</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist zulässig und begründet. Die angefochtenen Bescheide waren insoweit rechtswidrig, als für die Monate April bis einschließlich August 1997 jeweils ein über einen Monatsbeitrag in Höhe von 172,22 DM (= Mindestbeitrag im Sinne von § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V) hinausgehender Beitrag zur freiwilligen Krankenversicherung erhoben wurde. Zu Unrecht legte die Beklagte bei der Beitragsbemessung die Abfindung nach Herausrechnung eines Beitragszuschusses in vollem Umfange zugrunde.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Gemäß § 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V wird die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder durch die Satzung einer Krankenkasse geregelt. Dabei ist § 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V zufolge sicherzustellen, daß die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt. Was die satzungsrechtliche Regelung im übrigen betrifft, so wird kraft § 240 Abs. 2 Satz 1 SGB V, wonach die Satzung der Krankenkasse mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds zu berücksichtigen hat, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind, und im Rahmen der Vorschriften nach den Absätzen 2 Satz 2 und 3 bis 4 a des § 240 SGB V ein Regelungsspielraum zugunsten der Krankenkasse eröffnet. Dabei stellt die Pflicht zur Berücksichtigung der gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gegenüber der rein einnahmeorientierten Beitragsbemessung nach altem Recht gemäß § 180 Abs. 4 RVO insofern eine Neuerung dar, als die Beitragsbemessung nunmehr als leistungsfähigkeitsbezogen zu bezeichnen ist. Gleichwohl darf deswegen nicht auf die Zulässigkeit einer von Einnahmen der freiwillig Versicherten gänzlich losgelösten, rein vermögensbezogenen Beitragsbemessung geschlossen werden. Vielmehr bleiben die Einnahmen der Ausgangspunkt. Das folgt außer aus § 240 Abs. 2 Satz 1 SGB V aus dem auch für freiwillige Mitglieder geltenden § 223 Abs. 2 Satz 1, wonach die Beiträge nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder zu bemessen sind. Vor diesem systematischen Hintergrund übt die Berücksichtigung der gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit die Funktion eines Korrektivs einer ausschließlich einnahmeorientierten Beitragsbemessung aus. Diese Korrektur kann in zwei Richtungen erfolgen: Einmal daß vorhandene Einnahmen außer acht bleiben, weil sie die Leistungsfähigkeit nicht erhöhen - z.B. bestimmte Sozialleistungen wie etwa laufende Leistungen der Sozialhilfe (BSGE, 56, 101), der Mehrbedarf nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 BSHG sowie ein vom Sozialhilfeträger übernommener Krankenversicherungsbeitrag (BSGE 64, 100), die Witwen-Grundrente nach dem BVG (BSG SozR 2200 § 180 Nr. 8) -. Zum anderen daß über nachgewiesene Einnahmen hinaus für die Beitragsbemessung von höheren Einnahmen ausgegangen wird (vgl. zum Ganzen ebenso Peters, in: Kasseler Kommentar § 240 SGB V Rdnr. 18). Soweit das Bundessozialgericht zum früheren Recht zweckbestimmte Sozialleistungen - wie bereits beispielsweise erwähnt - nicht zu den damaligen Einnahmen zum Lebensunterhalt gerechnet hatte, so gelten solche Leistungen auch weiterhin nicht als beitragspflichtige Einnahmen, weil sie nicht die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erhöhen, sondern aus sozialpolitischen Gründen lediglich vorhandene Defizite ausgleichen. Dasselbe gilt für die Behandlung von Abfindungen aus Anlaß der Beendigung von Arbeitsverhältnissen (vgl. wohl ebenso Peters, a.a.O., Rdnr. 21).</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Einerseits bestand im vorliegenden Falle keine Mindestberücksichtigungspflicht der Beklagten im Sinne von § 240 Abs. 2 Satz 1 SGB V. Die streitbefangene Abfindung wäre nämlich bei einem dem Kläger vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung nicht zugrunde zu legen gewesen, weil sie als Entschädigung für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt worden ist und sich daher der zeitlich vorangegangenen versicherungspflichtigen Beschäftigung nicht zuordnen läßt (vgl. ebenso BSG, Urteil vom 21.02.1990, Az. 12 RK 20/88 = SozR 3-2400 § 14 Nr. 2).</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Andererseits hat die Beklagte von ihrem Regelungsspielraum dahin Gebrauch gemacht, daß sie in § 17 Abs. 1 Satz 2 ihrer Satzung die Begrifflichkeit des bis Ende 1988 geltenden § 180 Abs. 4 RVO in einer nur unwesentlich abgewandelten sprachlichen Fassung fortschrieb, indem sie das gesetzliche Tatbestandsmerkmal "sonstige Einnahmen zum Lebensunterhalt" in die inhaltlich entsprechende satzungsrechtliche Gestalt der "anderen Einnahmen, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden könnten, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung" übernahm. Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist es sachgerecht, die als ständig zu bezeichnende höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Beitragspflichtigkeit einer lohnsteuerfreien Abfindung im Rahmen der freiwilligen Krankenversicherung nach Maßgabe von § 180 Abs. 4 RVO in der bis zum 31.12.1988 geltenden Fassung (vgl. Urteile des BSG vom 28.04.1987, Az. 12 RK 50/85 = SozR 2200 § 180 Nr. 36, 23.02.1988, Az. 12 RK 34/86 = SozR 2200 § 180 Nr. 39, und 21.02.1990, Az. 12 RK 15/89 = USK 9093) bei der Lösung des vorliegenden Falles zugrunde zu legen.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Nach dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung ist in Anlehnung an die Regelung von § 117 Abs. 2 AFG zwischen einem beitragspflichtigen "Arbeitsentgelt" und einem beitragsfreien "sozialen Anteil" zu unterscheiden. Zwar wurde § 117 Abs. 2 bis 3 a AFG mit Wirkung vom 01.04.1997 aufgehoben und durch eine inhaltlich anders gestaltete Regelung in § 115 a AFG ersetzt. Auf den vorliegenden Fall ist § 117 AFG aber noch in der Fassung vom 31.03.1997 anzuwenden, da § 115 a AFG erst am 01.04.1997 in Kraft getreten ist, während der Anspruch des Klägers auf die streitbefangene Abfindung bereits mit Abschluß des Aufhebungsvertrages am 18.11.1996 entstand.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Hat der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung erhalten oder zu beanspruchen und ist das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden, so ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld von dem Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tage, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung dieser Frist geendet hätte, § 117 Abs. 2 Satz 1 AFG. Diese Frist beginnt mit der Kündigung, die der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorausgegangen ist, bei Fehlen einer solchen Kündigung mit dem Tage der Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, § 117 Abs. 2 Satz 2 AFG. Dabei dient der beitragspflichtige Arbeitsentgeltanteil im Sinne der erwähnten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts der Abgeltung des vorzeitig (vor dem Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist) eingetretenen Wegfalls des Arbeitsentgeltes.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Eine darüber hinaus gezahlte Abfindung stellt als beitragsfreier sozialer Anteil eine Entschädigung für den Verlust sozialer Besitzstände, insbesondere des Arbeitsplatzes dar.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Überträgt man diese höchstrichterlichen Kriterien auf den vorliegenden Fall, so zeigt sich, daß ein Ruhen im Sinne von § 117 Abs. 2 Satz 1 AFG nicht eingetreten ist, weswegen es an einem beitragspflichtigen Arbeitsentgeltanteil der streitbefangenen Abfindung mangelt. Bei einer hypothetischen Kündigungserklärung am 18.11.1996 (= Tag der Vereinbarung des Aufhebungsvertrages) wäre die für das Arbeitsverhältnis des Klägers maßgebende viermonatige Kündigungsfrist mit Ablauf des 31.03.1997 verstrichen, so daß das Arbeitsverhältnis zu demselben Zeitpunkt sein Ende gefunden hätte wie im vorliegenden Falle. Im Zusammenhang mit der einschlägigen Kündigungsfrist gemäß § 20 Nr. 3, 4. Variante des Manteltarifvertrages für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie vom 29.02.1988 in der Fassung vom 06.05./19.06.1990 unter Berücksichtigung der Änderungsverträge vom 15.03. und 31.08.1994 (= vier Monate zum Ende eines Kalendermonats nach einer Betriebszugehörigkeit von 10 bis unter 12 Jahren) bedarf es der klarstellenden Anmerkung, daß der Kläger dem Betrieb seines Arbeitgebers seit dem 01.11.1985 zugehörte und somit zum Zeitpunkt der hypothetischen Kündigungserklärung am 18.11.1996 erst auf eine 11-jährige Betriebszugehörigkeit zurückblicken konnte.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Zu Unrecht hat sich das Sozialgericht auf den Standpunkt gestellt, eine hypothetische Kündigung sei immerhin als problematisch mit Rücksicht auf die Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers anzusehen. Dabei hat es § 19 Abs. 1 SchwbG unberücksichtigt gelassen. Nach dieser gesetzlichen Vorschrift hat die Hauptfürsorgestelle die Zustimmung zu erteilen bei Kündigungen in Betrieben und Dienststellen, die nicht nur vorübergehend eingestellt oder aufgelöst werden, wenn zwischen dem Tage der Kündigung und dem Tage, bis zu dem Gehalt oder Lohn gezahlt wird, mindestens drei Monate liegen, § 19 Abs. 1 Satz 1 SchwbG. Unter der gleichen Voraussetzung soll sie die Zustimmung auch bei Kündigungen in Betrieben und Dienststellen erteilen, die nicht nur vorübergehend wesentlich eingeschränkt werden, wenn die Gesamtzahl der verbleibenden Schwerbehinderten zur Erfüllung der Verpflichtung nach § 5 ausreicht, § 19 Abs. 1 Satz 2 SchwbG. Zum einen ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, daß der Fuhrpark, in dem der Kläger beschäftigt war, ausweislich des Arbeitszeugnisses vom 16.12.1996 bereits per 01.01.1997 aufgegeben wurde. Deswegen lag eine nicht nur vorübergehende wesentliche Betriebseinschränkung im Sinne von § 19 Abs. 1 Satz 2 SchwbG vor. Zum anderen wäre auch die Dreimonatsfrist im Sinne von § 19 Abs. 1 Satz 1 SchwbG zwischen hypothetischer Kündigungserklärung am 18.11.1996 und Beendigung der Lohnzahlung per 31.03.1997 gewahrt worden, so daß von einer Zustimmung der Hauptfürsorgestelle sehr wohl auszugehen gewesen wäre.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Der Senat vermag die Bewertung des Sozialgerichts, bei der Abfindung handele es sich deshalb gänzlich um beitragspflichtiges Arbeitsentgelt, weil der Kläger fünf Monate nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zum frühestmöglichen Zeitpunkt die Altersrente für Schwerbehinderte in Anspruch nahm, nicht zu teilen. Ungeachtet dessen galt es, durch die Abfindung den Verlust des sozialen Besitzstandes des Klägers zu entschädigen. Hierfür ist nämlich bedeutsam, daß der Kläger sehr wohl auch die Freiheit gehabt hätte, bis spätestens zur Vollendung des 65. Lebensjahres bzw. bis zum Beginn der Regelaltersrente in dem auf diesen Zeitpunkt folgenden Kalendermonat durch eine versicherungspflichtige Beschäftigung weitere rentensteigernde Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung zu erwerben.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Nach alledem ist es entgegen der von der Beklagten in der Berufungserwiderung vertretenen Auffassung unerheblich, daß es sich bei der zwischen dem Kläger und seinem ehemaligen Arbeitgeber getroffenen Abfindungsregelung vom 18.11.1996 nicht um einen arbeitsgerichtlichen Vergleich handelt.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Die Zulassung der Revision folgt aus § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Die vom Senat zu beantwortende Rechtsfrage, ob und inwieweit Abfindungen zwecks Beendigung von Arbeitsverhältnissen bei der Beitragsbemessung im Rahmen der freiwilligen Krankenversicherung nach den ab dem 01.01.1989 geltenden gesetzlichen Vorschriften zu berücksichtigen sind, ist bislang höchstrichterlich noch nicht geklärt und hat grundsätzliche Bedeutung.</p>
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114,405 | lsgnrw-1999-08-31-l-5-kr-5899 | {
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<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin mit einem handbetriebenen Rollstuhleinhängefahrrad zu versorgen.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die 19 ... geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Die die Klägerin behandelnde Fachärztin für innere Medizin Dr. F. verordnete unter dem 12.09.1996 ein Rollstuhleinhängefahrrad. Diese Verordnung wurde damit begründet, daß die Klägerin seit ihrer Geburt an einer Spina bifida leide. Infolgedessen bestehe eine Querschnittslähmung mit kompletter schlaffer Parese beider Beine. Außerdem bestehe eine erhebliche Skoliose. Durch die permanent gebeugte Haltung im Rollstuhl bestehe eine progrediente Fehlhaltung der Wirbelsäule. Schließlich würde durch die Versorgung mit einem Rollstuhleinhängefahrrad dem Grundbedürfnis der Klägerin Rechnung getragen, Entfernungen, die ein nicht Behinderter zu Fuß zurücklege, überhaupt absolvieren zu können.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Es wurde ein Kostenvoranschlag vom 21.10.1996 vorgelegt, der für ein Rollstuhleinhängefahrrad nebst diverser Zusatzausstattung einen Endbetrag von insgesamt 7.324,86 DM ausweist.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte holte ein MDK-Gutachten ein. Dr. G. führte unter dem 17.12.1996 aus, durch das verordnete Rollstuhleinhängefahrrad könne es zu keinem zusätzlichen Behinderungsausgleich kommen. Die ausgefallene Gehfunktion sei im Sinne von § 33 SGB V durch den vorhandenen Rollstuhl ausreichend ausgeglichen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Mit Bescheid vom 27.01.1997 lehnte es die Beklagte demgemäß ab, die Klägerin mit einem Rollstuhleinhängefahrrad zu versorgen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Am 06.03.1997 erhob die Klägerin mit der Begründung Widerspruch, ein herkömmlicher Rollstuhl sei bei ihr nicht als Ausgleich für die ausgefallene Gehfunktion anzusehen, weil es durch den Gebrauch dieses Hilfsmittels immer wieder zu Beschwerden im Schulter- und Halswirbelbereich komme. Das Bundessozialgericht habe bereits entschieden, daß zwischen dem durch einen Selbstfahrerrollstuhl regelmäßig eröffneten Freiraum und den Entfernungen, die ein Gesunder bzw. nicht Behinderter zu Fuß zurücklege, eine Lücke bestehe, die ebenfalls noch den Grundbedürfnissen zuzurechnen sei.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte veranlaßte ein weiteres MDK-Gutachten. Unter dem 28.07.1997 führte Frau Dr. P. aus, außer durch den bereits vorhandenen Rollstuhl werde die bei der Klägerin bestehende Behinderung durch einen behindertengerecht umgebauten Pkw ausgeglichen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Mit Widerspruchsbescheid vom 06.10.1997 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, dem von der Klägerin erwähnten Urteil des Bundessozialgerichts habe ein anderer Sachverhalt zugrunde gelegen. In jenem Falle sei es um die Versorgung mit einer Rollstuhl-Fahrrad-Kombination gegangen, bei der der Rollstuhl in ein Fahrrad ohne Vorderrad eingehängt werde und die Funktion des fehlenden Vorderrades übernehme. Eine Hilfsperson auf dem Sattel des Fahrrades treibe die Konstruktion an und lenke sie. Bei diesem Gerät handele es sich dann um ein Hilfsmittel im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung, wenn der Versicherte nicht in der Lage sei, einen manuell betriebenen Rollstuhl oder einen Elektrorollstuhl zu bedienen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Am 17.10.1997 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung legte sie eine Stellungnahme von Dr. C., Kinderkrankenhaus der Stadt K., vom 04.05.1998 vor, auf die genauso Bezug genommen wird wie auf eine von der Klägerin außerdem vorgelegte Bescheinigung von Dr. M.-St., Chefarzt der W.-W.-Klinik, Zentrum für Wirbelsäulenchirurgie "Deutsches Skoliose-Zentrum", vom 26.05.1998. Darüber hinaus stützte sich die Klägerin auf ein Urteil des Bundessozialgerichts vom 16.04.1998, Az. B 3 KR 9/97 R. In jenem Falle sei entschieden worden, daß ein querschnittsgelähmter Versicherter von der Krankenkasse die Versorgung mit einem handbetriebenen Rollstuhleinhängefahrrad verlangen könne. Ob ein Rollstuhleinhängefahrrad gleichzeitig die Funktion eines Fahrrades erfülle, könne dahingestellt bleiben. Die Klägerin erkläre nämlich ihre Bereitschaft, gemäß der Argumentation des Bundessozialgerichts in seinem Urteil vom 16.04.1998 einen Eigenanteil in Höhe von 700,-- DM zu leisten.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 27.01.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.10.1997 zu verurteilen, der Klägerin ein Rollstuhl-Bike zu gewähren.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Sie führte zur Begründung aus, das von der Klägerin erwähnte Urteil des Bundessozialgerichts vom 16.04.1998 sei auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. In jenem Falle sei lediglich entschieden worden, daß ein Rollstuhleinhängefahrrad als Hilfsmittel im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung anzusehen sei, weil es bei einem Kind bzw. Jugendlichen umfassend zur Integration in den Kreis etwa gleichaltriger Kinder und Jugendlicher beitrage. Diese Integration in den Kreis Gleichaltriger habe das Bundessozialgericht als allgemeines Grundbedürfnis angesehen. Ob auch bei einem erwachsenen Versicherten, der seinen Rollstuhl im üblichen Umfang mit den Händen bewegen könne, der durch ein Rollstuhleinhängefahrrad eröffnete größere Bewegungsfreiraum noch zu den allgemeinen Grundbedürfnissen zähle, habe das Bundessozialgericht aber ausdrücklich offen gelassen. Zwar bestehe zwischen dem durch einen manuell betriebenen Rollstuhl regelmäßig eröffneten Freiraum und den Entfernungen, die ein Gesunder vor allem im ländlichen Bereich zu Fuß zurücklege, eine Lücke; genauso wie mit einem Rollstuhleinhängefahrrad könne diese Lücke jedoch mit einem Rollstuhl mit Hebelmechanik geschlossen werden.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Mit Urteil vom 11.05.1999 hat das Sozialgericht der Klage mit der Begründung stattgegeben, die Versorgung mit einem Rollstuhleinhängefahrrad erweitere den Bewegungsfreiraum der Klägerin wesentlich. Der bereits vorhandene manuell zu betreibende Rollstuhl sei zum Zurücklegen größerer Entfernungen nicht geeignet.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Gegen das ihr am 17.06.1999 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 06.07.1999 Berufung eingelegt. Zur Begründung wird ergänzend vorgetragen, es könne nicht Aufgabe der Krankenversicherung sein, die Gehbehinderung der Klägerin in allen Entfernungen/Lebensbereichen auszugleichen. Auch ältere Versicherte oder Versicherte mit geringfügigeren Behinderungen, für die ein Krankenfahrstuhl (noch) nicht benötigt werde, könnten anspruchsvollere Strecken oder längere Wege nicht zu Fuß zurücklegen. Dies bedeute jedoch nicht, daß die gesetzliche Krankenversicherung hierfür einen Ausgleich schaffen müsse. Es stelle sich nach wie vor die Frage, ob es Aufgabe der Krankenversicherung sei, eine Gehbehinderung in einem Maße bzw. für eine Entfernung auszugleichen, die auch von nicht Behinderten nicht zu Fuß zurückgelegt werden könne.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">unter Änderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Sie bezieht sich auf ihre bisherigen Ausführungen sowie auf das angefochtene Urteil des Sozialgerichts.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe:</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat einen Anspruch auf Versorgung mit einem Rollstuhleinhängefahrrad aus § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Seh- und Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Ein Ausschluss gemäß § 34 Abs. 4 SGB V liegt offensichtlich nicht vor; da auch keiner der Beteiligten diese Auffassung vertritt, erübrigen sich weitere Ausführungen hierzu.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Ferner handelt es sich bei dem begehrten Rollstuhleinhängefahrrad nicht um einen allgemeinen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens. Hierzu gehören nur solche Gegenstände, die allgemein im täglichen Leben verwendet, d.h. üblicherweise von einer großen Zahl von Personen regelmäßig benutzt werden. Das ist bei einem Rollstuhleinhängefahrrad nicht der Fall, weil dieses Gerät bauartbedingt nur in der Kombination mit einem Rollstuhl benutzt werden kann. Es kommt mithin für Gesunde nicht in Betracht. Daß es seiner Funktion nach einem Fahrrad vergleichbar ist, das auch von Gesunden benutzt zu werden pflegt, ist rechtlich unerheblich, weil es allein auf die besondere bauartbedingte Funktion ankommt (vgl. ebenso zur Fahrrad-Rollstuhl-Kombination bzw. zum Rollstuhlboy bzw. zum Rollfiets BSG, Urteil vom 08.06.1994, Az. 3/1 RK 13/93 = SozR 3-2500 § 33 Nr. 7 und zum Rollstuhleinhängefahrrad bzw. Rollstuhl-Bike BSG, Urteil vom 16.04.1998, Az. B 3 KR 9/97 R = SozR 3-2500 § 33 Nr. 27).</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Schließlich ist das von der Klägerin begehrte Rollstuhleinhängefahrrad erforderlich im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 1 SGG V. Sie benötigt dieses Hilfsmittel zwecks Ausgleichs ihrer Behinderung. Zu einer solchen Behinderung zählen primär die ausgefallenen natürlichen Funktionen (vgl. etwa BSGE 37, 138, 141). Es kann dahingestellt bleiben, ob es für einen Ausgleich der bei der Klägerin nicht mehr bestehenden Funktion der Beine ausreicht, daß sie einen manuell betriebenen Rollstuhl mit Hilfe ihrer oberen Extremitäten fortbewegen kann. Jedenfalls sind Teil der auszugleichenden Behinderung ferner auch weitergehende Folgen, soweit diese lebensnotwendige Grundbedürfnisse betreffen. Ein solches lebensnotwendiges Grundbedürfnis stellt im vorliegenden Falle ein hinreichender körperlicher Freiraum dar (vgl. in diesem rechtlichen Zusammenhang etwa BSG SozR 2200 § 182 b Nr. 34; SozR 3-2500 § 33 Nr. 7).</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Bei der Schaffung eines hinreichenden körperlichen Freiraumes ist als Zielvorgabe derjenige eines Gesunden maßgebend. Dies folgt letztlich aus einer Interpretation des § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Nach dieser Vorschrift haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt u.a. die Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V. Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist kein vernünftiges Argument dafür ersichtlich, einem gehbehinderten Versicherten ein geringeres lebensnotwendiges Grundbedürfnis nach einem körperlichen Freiraum zuzugestehen als einem nicht Gehbehinderten.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Überträgt man diese rechtlichen Kriterien auf den vorliegenden Fall, so kann im Sinne des Wirtschaftlichkeitsgebots des § 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V allein ein Rollstuhleinhängefahrrad das Mittel der Wahl sein. Es verschafft der Klägerin einen viel weiteren körperlichen Freiraum als bei einer Versorgung durch den vorhandenen Rollstuhl, aber auch durch den von der Beklagten mit Rücksicht auf die Skoliose angebotenen Handhebelrollstuhl. Dies folgt daraus, daß ein Rollstuhleinhängefahrrad dank mehrstufiger Schaltung durch Handkurbeln viel leichter angetrieben werden kann.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Dabei sieht der Senat die über die bloße Gehunfähigkeit hinausgehenden Gesundheitsstörungen der Klägerin - z.B. Kombination von kongenitaler und Lähmungsskoliose, Blasen- und Mastdarmlähmung - als unerheblich für die Beantwortung der Frage der Hilfsmittelversorgung an. Unter Berücksichtigung der konkreten Betreuungssituation im vorliegende Falle (zum Erfordernis der individuellen Bedarfsprüfung bei der Hilfsmittelversorgung vgl. etwa BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 7) zeigt sich nämlich bereits in allgemeinkundiger Weise, daß die Kraft der Klägerin nicht dazu auseichen würde, sowohl per manuell betriebenem Rollstuhl als auch per Handhebelrollstuhl in der hügeligen Gegend, in der die Klägerin wohnt, nennenswerte Strecken allein zurücklegen zu können. Von daher hat die Klägerin schon in quantitativer Hinsicht zumindest ein allgemeines Grundbedürfnis nach einem körperlichen Freiraum, der in der Regel durch einen handbetriebenen Rollstuhl in ebenem Gelände eröffnet wird, so daß es insoweit auch in diesem Falle auf sich beruhen kann, ob zwischen dem durch einen manuell betriebenen Rollstuhl regelmäßig eröffneten Freiraum und den Entfernungen, die ein Gesunder auch bei eingeschränktem Gesundheitszustand vor allem im ländlichen Bereich zu Fuß zurücklegt, eine Lücke besteht, die ebenfalls noch den Grundbedürfnissen zuzurechnen ist (vgl. in diesem Zusammenhang das eine solche Bedarfslücke wohl bejahende obiter dictum im Urteil des BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 7).</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Demgegenüber vermag der Senat die Auffassung der Beklagten, wonach die Klägerin für das Zurücklegen von Wegstrecken außerhalb ihrer Wohnung mit dem vorhandenen behindertengerecht ausgestatteten Auto ausreichend versorgt sein soll, nicht zu teilen (vgl. im Sinne der Beklagten ebenso die nicht bzw. nicht hinreichend - so Landessozialgericht Baden-Württemberg - nach quantitativem und qualitativem Aspekt des Grundbedürfnisses eines körperlichen Freiraumes differenzierenden Urteile des Bayerischen LSG vom 17.09.1998, Az. L 4 KR 96/96, beim BSG anhängig unter Az. B 3 KR 10/99 R, LSG Baden-Württemberg vom 22.01.1999, Az. L 4 KR 291/98, beim BSG anhängig unter Az. B 3 KR 2/99 R, und LSG für das Saarland vom 02.03.1999, Az. L 2 K 24/97, beim BSG anhängig unter Az. B 3 KR 13/99 R). Anders als das Landessozialgericht Niedersachsen in einem obiter dictum seines rechtskräftig gewordenen Urteils vom 27.05.1998, Az. L 4 KR 235/96, hält der Senat etwaige Beschwernisse beim Ein- und Aussteigen während der Benutzung eines behindertengerecht ausgestatteten Autos mit Rücksicht auf eine wegen des Wirtschaftlichkeitsgebots gemäß § 12 SGB V nicht zu erfolgende Optimalversorgung allerdings für unerheblich. Indessen birgt das Grundbedürfnis eines körperlichen Freiraumes in für die Hilfsmittelversorgung relevanter Weise außer dem quantitativen einen qualitativen Aspekt, dem die Beklagte nicht hinreichend Rechnung getragen hat.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Dieser qualitative Aspekt des Grundbedürfnisses eines körperlichen Freiraumes besteht in der Möglichkeit des unmittelbaren körperlichen Fortbewegens mit all seinen audio-visuellen und kommunikativen Möglichkeiten. Der Qualität einer solchen körperlichen Fortbewegung vermag ein nur mittelbares Fortbewegen im Auto bei weitem nicht gerecht zu werden. Darüber hinaus hat die Klägerin im Verhandlungstermin in genauso glaubhafter wie für den Senat anschaulichen Weise dargestellt, mit welchen Defiziten die Benutzung ihres behindertengerecht ausgestatteten Autos für ihre körperliche Fortbewegung behaftet ist. Dabei stellen sich der Klägerin unüberwindbare Hindernisse etwa beim Aufsuchen von Geschäften, Arztpraxen, Fußgängerzonen in den Weg, die sie in den Fällen nicht vorhandener ortsnaher Parkplätze auch nicht durch die Benutzung sowohl des bereits vorhandenen Rollstuhls als auch des von der Beklagten angebotenen Handhebelrollstuhls, sondern nur unter Zuhilfenahme des begehrten Rollstuhleinhängefahrrades zu überwinden in der Lage ist.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Der Beklagten ist immerhin zuzugeben, daß die Klägerin durch die Versorgung mit einem Rollstuhleinhängefahrrad in die Lage versetzt werden wird, solche Entfernungen zurückzulegen, die auch von nicht Behinderten nicht zu Fuß zurückgelegt werden können oder zumindest auf bequemere Weise unter Zuhilfenahme eines Fahrrades absolviert werden. In diesem Zusammenhang ist dem Rollstuhleinhängefahrrad eine gewisse Doppelfunktion - Ausgleich der Gehbehinderung/Fahrrad - eigen. Dieser die Hilfsmittelversorgung gleichsam überschießenden Doppelfunktion wird jedoch Rechnung getragen, indem die Beklagte nicht gehindert sein wird, von der Klägerin den sogar von deren Seite freiwillig erbotenen Eigenanteil zu verlangen. Unter dem Gesichtspunkt ersparter Aufwendungen kann vom Versicherten nämlich eine Eigenbeteiligung dann verlangt werden, wenn anzunehmen ist, daß er ohne die Behinderung einen allgemeinen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens - hier Fahrrad - angeschafft hätte. Dabei geht der Senat davon aus, daß ein solcher Eigenanteil auch derzeit noch bei 700,-- DM liegen dürfte (vgl. hierzu ebenso BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 27).</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Der Senat weicht mit seiner Entscheidung nicht von der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ab, weil eine dieser Entscheidung entgegenstehende Rechtsprechung ersichtlicher weise nicht vorhanden ist. Das Urteil des Bundessozialgerichts vom 06.08.1998, Az. B 3 KR 14/97 R (= SozR 3-2500 § 33 Nr. 29) verhält sich gerade nicht zu der streitbefangenen, sondern in spiegelbildlicher Weise zu der ganz anders gelagerten Problematik, ob eine behindertengerechte Ausstattung eines Kraftfahrzeuges ein Hilfsmittel im Sinne von § 33 SGB V sein kann. Im übrigen hat das Bundessozialgericht in diesem Urteil immerhin Stellung dahin bezogen, daß es beim Grundbedürfnis eines körperlichen Freiraumes nur um einen Basisausgleich einer nicht vorhandenen Gehfähigkeit gehen kann, so daß ein "vollständiges Gleichziehen mit den letztlich unbegrenzten Mobilitätsmöglichkeiten" eines gesunden Versicherten als Zielvorgabe der Hilfsmittelversorgung nicht in Betracht kommen kann. Im vorliegenden Falle geht es indessen lediglich um eine uneingeschränkte - mit Ausnahme der oben erwähnten Doppelfunktion, für die die Beklagte einen Eigenanteil verlangen darf - dem Basisausgleich der Organfunktion des Gehens dienende Hilfsmittelversorgung.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Die Zulassung der Revision folgt aus § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Die vom Senat zu beantwortende Rechtsfrage der Reichweite des allgemeinen Grundbedürfnisses nach körperlichem Freiraum eines erwachsenen Versicherten ist bislang höchstrichterlich noch nicht geklärt und hat grundsätzliche Bedeutung.</p>
|
114,406 | olgk-1999-08-31-1-u-399 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 1 U 3/99 | 1999-08-31T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:40 | 2019-02-11T10:39:18 | Beschluss | ECLI:DE:OLGK:1999:0831.1U3.99.00 | <h2>Tenor</h2>
Auf den im Schriftsatz des Beklagten vom 19.08.1999 enthaltenen Antrag wird entsprechend § 269 Abs. 3 ZPO festgestellt, dass der Rechtsstreit bis auf eine Hauptforderung von 18.303,66 DM zuzüglich der titulierten Zinsen erledigt ist. Das Versäumnisurteil des Landgerichts Köln vom 17.09.1998 - 15 O 515/96 - wird im übrigen für wirkungslos erklärt.<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">G r ü n d e :</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Entsprechend § 269 Abs. 3 ZPO waren die Wirkungen der
übereinstimmenden Erledigungserklärung der Parteien in der
mündlichen Verhandlung vom 17.06.1999 ausdrücklich
auszusprechen.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Zwar führt die übereinstimmende Erledigungserklärung nach
allgemeiner Meinung ohne weiteres zur Wirkungslosigkeit der im
Prozess vorangegangenen noch nicht rechtskräftigen Entscheidungen.
Diese Wirkung tritt allein aufgrund der Parteierklärungen ein, ohne
dass es einer gerichtlichen Entscheidung bedarf (Zöller-Vollkommer,
ZPO, 21. Auflage, § 91 a Rnr. 12 m.w.N.).</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Auf Antrag der Parteien kann diese Wirkung analog § 269 Abs. 3
ZPO ausdrücklich ausgesprochen werden. Ein solcher Antrag ist in
dem Schriftsatz des Beklagten vom 19.08.1999, der auf eine
"Berichtigung" des Urteils abzielt, zu sehen.</p>
|
114,407 | olgk-1999-08-31-25-uf-15499 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 25 UF 154/99 | 1999-08-31T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:40 | 2019-02-11T10:39:18 | Beschluss | ECLI:DE:OLGK:1999:0831.25UF154.99.00 | <h2>Tenor</h2>
1. Der Prozesskostenhilfeantrag des Verfahrensbeteiligten zu 2) wird zurückgewiesen.
2. Die Beschwerde des Verfahrensbeteiligten zu 2) vom 14. Juli 1999 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Köln vom 23. Juni 1999 (Bl. 84 - 88 GA) - 315 F 162/98 - wird auf Kosten des Verfahrensbeteiligten zu 2) zurückgewiesen.
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline;"><b>GRÜNDE:</b></span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die gemäß §§ 621 e Abs. 1, 621 Abs. 1 Nr. 1 zulässige befristete
Beschwerde des Verfahrensbeteiligten zu 2) hat in der Sache keinen
Erfolg. Zurecht und mit zutreffender Begründung, auf die der Senat
wegen der Einzelheiten verweist, hat das Amtsgericht in dem
angegriffenen Beschluss der Verfahrensbeteiligten zu 1) das
alleinige elterliche Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder der
Verfahrensbeteiligten zu 1) und 2) übertragen und ein Umgangsrecht
des Verfahrensbeteiligten zu 2) mit seinen Kindern für die Dauer
von 18 Monaten ausgeschlossen, weil dies dem Wohl der Kinder am
besten entspricht, § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Dem Antrag der</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Verfahrensbeteiligten zu 1) in vorliegendem Sorgerechtsverfahren
war daher - wie vom Amtsgericht erkannt - zu entsprechen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Mit Rücksicht auf das Beschwerdevorbringen des
Verfahrensbeteiligten zu 2) ist den zutreffenden amtsgerichtlichen
Ausführungen nur folgendes hinzuzufügen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Auch das Beschwerdevorbringen hat die dringende Besorgnis nicht
entkräftet, dass der Antragsgegner (Verfahrensbeteiligter zu 2))
sein Umgangsrecht dazu mißbraucht, die beiden gemeinsamen Kinder
der Kindesmutter (Antragstellerin und Verfahrensbeteiligte zu 1))
zu entziehen. Gerade im Hinblick auf das gesamte Vorbringen des
Verfahrensbeteiligten zu 2) ist dies zu befürchten. Denn in seinem
gesamten Vortrag bringt der Verfahrensbeteiligte zu 2) zum
Ausdruck, dass er seine von ihm getrennt lebende Ehefrau
(Verfahrensbeteiligte zu 1)) in keiner Weise für fähig hält, die
gemeinsamen Kinder zu betreuen und zu erziehen. Das fängt damit an,
dass er der Antragstellerin (Verfahrensbeteiligte zu 1)) vorwirft,
sie vernachlässige den Haushalt und könne nicht für eine richtige
Ernährung der Kinder sorgen. Darüber hinaus wirft er ihr vor, sie
verweigere grundlos den Kontakt zu ihm.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Senat hält es für ausreichend glaubhaft gemacht, dass der
Vorwurf des Verfahrensbeteiligten zu 2), seine Ehefrau, die
Verfahrensbeteiligte zu 1), sei nicht in der Lage den Haushalt
ordnungsgemäß zu führen und die gemeinsamen Kinder zu betreuen,
nicht zutrifft. Insbesondere die eidesstattlichen Versicherungen
der Mitarbeiterinnen Kaminski und Heinz des Frauenhauses, in dem
die Verfahrensbeteiligte zu 1) mit ihren Kindern aufhältig ist,
ergibt gegenteiliges. Darüber hinaus hat die Mitarbeiterin des
Jugendamtes der Stadt K., Frau S.-W. in ihrer mündlichen Anhörung
im Termin am 28. April 1999 (Bl. 63 GA) durchaus die
Erziehungsfähigkeit der Verfahrensbeteiligten zu 1) in vollem
Umfang bejaht. Der Senat</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">hat keine Veranlassung, an der Glaubhaftigkeit der
eidesstattlichen Versicherungen sowie der Bekundung der
Sachbearbeiterin des Jugendamtes zu zweifeln.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Erweist sich also der Vortrag des Verfahrensbeteiligten zu 2)
hinsichtlich der Erziehungsfähigkeit seiner Ehefrau, der
Verfahrenbeteiligten zu 1), und deren Geeignetheit zur
Haushaltsführung als unzutreffend, so ist auch der übrige Vortrag
des Verfahrensbeteiligten zu 2) in einem anderen Lichte zu sehen.
Die Verfahrensbeteiligte zu 1) scheint gerade nicht die Person zu
sein, die grundlos die Familie im Stich gelassen hat. Gerade im
Hinblick auf die Herkunft und die Erziehung der
Verfahrensbeteiligten zu 1) muss es nach Überzeugung des Senates
schon schwerwiegende Gründe geben, die die Verfahrensbeteiligte zu
1) dazu veranlasst hat, ihren Ehemann, den Verfahrensbeteiligten zu
2), zu verlassen. Die Verfahrensbeteiligte zu 1) wußte, dass sie
damit erheblich Schwierigkeiten auf sich nahm und sich weitgehend
isolierte. Nahm sie dies alles auf sich, so muss ihre Not sehr groß
gewesen sein.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Andererseits trifft es den Verfahrensbeteiligten zu 2), wie sein
Verhalten zeigt, schwer, dass verlassen worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Das die Kinder der Verfahrensbeteiligten zu 1) und 2) unter
dieser familiären Ausnahmesituation stark gelitten haben, zeigt
sich an deren Verhalten gegenüber dritten. Sowohl aus der
eidesstattlichen Versicherung der vorbenannten Mitarbeiterinnen des
Frauenhauses sowie der mündlichen Erläuterung der Mitarbeiterin des
Jugendamtes wie auch aufgrund des Eindruckes des Amtsrichters ist
der Senat der Überzeugung, dass zum Wohle des Kindes die Situation
dahin befriedet werden muss, dass zunächst der Verfahrensbeteiligte
zu 2) die restliche Familie in Ruhe lässt. Dies kann nur dadurch
gewährleistet werden, dass für eine Übergangszeit jeglicher Kontakt
des Verfahrensbeteiligten zu 2) zu seiner Familie -</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">auch zu seinen Kindern - ausgeschlossen wird. Man wird abwarten
müssen, wie sich in den nächsten 1 1/2 Jahren die Situation
entwickelt.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Eine weniger einschneidende Maßnahme erschien dem Senat nicht
möglich, da sich derzeit keine geeigneten Personen finden, die
einen Kontakt des Verfahrensbeteiligten zu 2) mit seinen Kindern
begleiten wollen. Dies mag in der religiös-politischen Einstellung
des Verfahrensbeteiligten zu 2) begründet sein. Gleichwohl hat der
Senat diese nicht zu entscheidenden Grundlage für seine
Entscheidung gemacht. Entscheidend für den Senat war seine
Überzeugung, dass derzeit die Kinder allein bei ihrer Mutter, der
Verfahrensbeteiligten zu 1), gut aufgehoben sind und der
Verfahrensbeteiligte zu 2) auch im Interesse seiner eigenen Kinder
zunächst eine Befriedung der Situation abzuwarten hat, um dann in
beruhigter Atmosphäre möglicherweise wieder Kontakt zu seinen
Kindern zu finden. Bei der derzeitigen Situation kann jedenfalls,
wollte man dem Verfahrensbeteiligten zu 2) ein Besuchsrecht
einräumen, eine Gefährdung des Kindes wurde es nicht ausgeschlossen
werden. Allein dies spricht aber schon dafür, dass es dem
Kindeswohl am besten entspricht, wenn die Verfahrensbeteiligte zu
1) das alleinige Sorgerecht erhält und für die nächsten 1 1/2 Jahre
ein Besuchsrecht des Verfahrensbeteiligten zu 2) ausgeschlossen
wird.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 13 a Abs. 1 S. 2 FGG.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Beschwerdewert 5.000,00 DM (§ 30 Abs. 3 KostO). Die Beschwerde
erstreckt sich lediglich auf die Regelung des Umgangsrechtes
bezüglich der beiden Kinder.</p>
|
114,408 | olgk-1999-08-31-25-wf-10899 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 25 WF 108/99 | 1999-08-31T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:40 | 2019-02-11T10:39:19 | Beschluss | ECLI:DE:OLGK:1999:0831.25WF108.99.00 | <h2>Tenor</h2>
Auf die Beschwerde des Klägers wird der seinen Prozeßkostenhilfeantrag zurückweisende Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Leverkusen vom 31. Mai 1999 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht - Familiengericht - Leverkusen mit der Maßgabe zurückverwiesen, Prozeßkostenhilfe nicht aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses zu verweigern.<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">G r ü n d e :</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Kläger ist der nichteheliche Vater des Beklagten. Er
erkannte seine Vaterschaft unmittelbar nach der Geburt des
Beklagten vor dem Jugendamt H.-H. an und verpflichtete sich in
einer Urkunde des Jugendamtes H.-H. vom 30. November 1995 - H/JA 31
- Urkundenregister Nr. -, dem Kinde in Anpassung an die
Regelbedarfsverordnung 1995 vom 1. Januar 1996 an den
Regelunterhalt abzüglich zur Hälfte anzurechnender Sozialleistungen
in einer Höhe von 249 DM monatlich, vom 7. Lebensjahr bis zur
Vollendung des 12. Lebensjahres in Höhe von 324 DM, sowie vom 13.
Lebensjahr bis zu Vollendung des 18. Lebensjahres in Höhe von 402
DM zu zahlen. Ferner unterwarf er sich wegen dieser Beträge der
sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde. Der Kläger war
seinerzeit Student und auf Grund seines geringen Einkommens
leistungsunfähig. In der Hoffnung, daß er sein Studium bald würde
beenden können, um dann ausreichend Geld zur Befriedigung der
Unterhaltsverpflichtungen zu verdienen, hatte er sich zu der
vorgenannten Unterhaltsleistung verpflichtet. Der Kläger beendete
sein Studium der Ozeanografie im Jahre 1997 und war ab dem 1. 4.
1997 erwerbstätig, wobei sein Nettoeinkommen ca. 2. 200 DM betrug.
Nach Beendigung der befristeten Arbeitsverhältnisse am 3.7.1998 war
der Kläger zunächst arbeitslos. Seit Oktober 1998 besucht er eine
Umschulungsmaßnahme zur Umschulung als Netzwerkprogrammierer, die
voraussichtlich bis September 1999 andauern wird. Während der
Umschulungsmaßnahme erhält der Kläger ein Unterhaltsgeld in Höhe
von 1. 228,80 DM monatlich.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat Abänderungsklage erhoben mit dem Ziel, ab dem 3.
7. 1998 keinen Unterhalt mehr zahlen zu müssen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht - Familiengericht - hat seinen Antrag, ihm für
diese Rechtsverfolgung Prozeßkostenhilfe zu bewilligen, durch
Beschluß vom 31. Mai 1999 mit der Begründung zurückgewiesen, seine
finanzielle Situation habe sich nicht geändert, weil er zum
Zeitpunkt der Errichtung der Jugendamtsurkunde sogar ein noch
geringeres Einkommen gehabt habe als jetzt. Der dagegen eingelegten
Beschwerde des Klägers hat das Familiengericht nicht abgeholfen und
die Sache dem Senat zur Entscheidung über die Beschwerde
vorgelegt.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die gem. §§ 127 Abs. 2, 569 ZPO zulässige Beschwerde ist
begründet.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der vom Antragsteller beabsichtigten Rechtsverfolgung kann die
für die Gewährung von Prozeßkostenhilfe notwendige hinreichende
Aussicht auf Erfolg nicht mit der Begründung abgesprochen werden,
die tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers hätten
sich seit der Errichtung der Urkunde nicht geändert.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat eine Abänderungsklage gem. § 323 ZPO erhoben.
Dieses ist die richtige Klageart, wenn ein auf künftig fällig
werdende wiederkehrende Leistungen lautender Titel an die stets
wandelbaren wirtschaftlichen Verhältnisse angepaßt werden soll,
weil sich die für die Verpflichtung zur Leistung maßgeblichen
Umständen verändert haben.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Bei dem im vorliegenden Fall abzuändernden Titel handelt es sich
um eine vor dem Jugendamt abgegebene Verpflichtungserklärung gem.
§§ 59 Abs. 1 Nr. 4, 60 SGB VIII (KJHG). Derartige Titel werden
notariellen Urkunden gleichgestellt, so daß auf diese gem. § 323
Abs. 4 ZPO die Vorschriften der Abänderungsklage entsprechende
Anwendung finden (vgl. BGH NJW 1985, 64 = FamRZ 1984, 997; OLG
Dresden FamRZ 1998, 767; Baumbach/Hartmann, ZPO, 57. Aufl., § 323
Rn. 78).</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Allerdings entspricht es der herrschenden, vom Senat geteilten
Auffassung, daß die restriktiven Vorschriften des § 323 Abs. 2 und
3 ZPO auf derartige Titel keine Anwendung finden (vgl. BGH NJW
1983, 230; BGH NJW 1985, 64 = FamRZ 1984, 997; Zöller/Vollkommer,
ZPO, 21. Aufl. § 323 Rn. 45). Auch müssen die Voraussetzungen des §
323 Abs. 1 ZPO nicht erfüllt sein (vgl. BGH NJW 1986, 2054; OLG
Hamm FamRZ 1999, 794; Baumbach/Hartmann aaO Rn.73). Die Frage der
Abänderbarkeit eines solchen Titels richtet sich - ebenso wie bei
einem Prozeßvergleich - vielmehr nach dem materiellen Recht. Für
Prozeßvergleiche ist es daher anerkannt, daß sich die Frage der
Abänderung nach den Grundsätzen des Fehlens bzw. Wegfalls der
Geschäftsgrundlage richtet (vgl. BGH NJW 1995, 1892; Musielak, ZPO,
§ 323 Rn. 48).</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Ob dies auch für die Jugendamtsurkunden gilt (so OLG Hamm FamRZ
1999, 794; Wendl § 8 Rn 157), erscheint zweifelhaft. So wird die
Auffassung vertreten, die Grundsätze über das Fehlen bzw. den
Wegfall der Geschäftsgrundlage könnten nicht auf einseitige
Rechtsgeschäfte Anwendung finden (BGH NJW 1993, 850;
Palandt/Diederichsen, BGB, 58. Aufl. § 242 Rn. 114; a.A.
Staudinger/Schmidt, BGB, 1995, § 242 BGB Rn. 1111; Alff in:
BGB-RGRK, BGB, 12. Aufl. § 242 Rn. 56; differenzierend: Roth in:
Münchener Kommentar zum BGB, 3. Aufl., § 242 BGB Rn. 568).
Verpflichtungserklärungen vor dem Jugendamt werden aber nach einer
weitverbreiteten Ansicht in Rechtsprechung und Literatur als
deklaratorisches bzw. bestätigendes Schuldanerkenntnis angesehen
(vgl. BGHZ 1, 181, 183; BGHZ 17, 252, 256; LG Berlin FamRZ 1970,
144, 145; Staudinger/Eichenhofer BGB, 1997, § 1615e Rn. 17; Steffen
in : BGB-BGRK aaO § 780 Rn. 20; Gernhuber, Lehrbuch des
Familienrechts, 4. Aufl. § 47 VI 3; Odersky, Nichtehelichengesetz,
4. Aufl. § 1615e BGB Anm. II 3 e). Nach zutreffender Auffassung
handelt sich dabei jedenfalls, von Ausnahmen abgesehen, nicht um
eine vertragliche Unterhaltsregelung gem. § 1615e BGB a.F. (KG NJW
1971, 434; LG Berlin FamRZ 1970, 144; Staudinger/Eichenhofer aaO
Rn. 17; Mutschler in: BGB-RGRK § 1615e Rn. 4; § Odersky aaO), zumal
das Jugendamt bei diesem Rechtsgeschäft nicht als Vertreter des
Kindes handelt, sondern als öffentlicher Sachwalter der
Kindesinteressen (vgl. Staudinger/Eichenhofer aaO Rn. 18).</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Rechtsnatur des gesetzlich nicht geregelten deklaratorischen
bzw. bestätigenden Schuldanerkenntnisses wiederum wird nicht
einheitlich beurteilt. Während es sich dabei nach einer Auffassung
um einen kausalen Feststellungsvertrag handeln soll, wird es
andererseits als kausales Anerkenntnis ohne Vertragscharakter
angesehen (vgl. Steffen in: BGB-RGRK § 780 Rn. 7; Hüffer in:
Münchener Kommentar zum BGB § 780 Rn. 3 f, jew. m.w.N.). Welcher
der vorgenannten Auffassung zu folgen ist, kann für den
vorliegenden Fall ebenso dahinstehen wie die Frage, ob es sich bei
derartigen Jugendamtsurkunden tatsächlich um ein deklaratorisches
Schuldanerkenntnis handelt, oder ob diese Verpflichtung nicht nur
zur bloßen Titelschaffung und Beweiserleichterung dient, so daß es
keinerlei Bindungswirkung entfaltet (so Staudinger/Eichenhofer aaO
§ 1615e Rn. 19; Odersky aaO § 1615e Anm. 3 e; Göppinger aaO § 47 VI
2). Selbst wenn man die Jugendamtsurkunde als deklaratorisches
Schuldanerkenntnis und dieses wiederum als einseitiges
Rechtsgeschäft ansieht, kann dies im vorliegenden Fall nicht dazu
führen, daß dem Kläger die Geltendmachung seiner derzeitigen
Leistungsunfähigkeit verwehrt wird. Dies ergibt sich aus
folgendem:</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Wirkungen eines - insoweit unterstellten - deklaratorischen
Schuldanerkenntnisses hängen letztlich von den konkreten Umständen
des Einzelfalles ab. Generell liegen sie darin, daß der Schuldner
diejenigen Einwendungen nicht mehr geltend machen kann, die er im
Zeitpunkt seiner Erklärung kannte bzw. mit denen er rechnen konnte
(vgl. BGH NJW 1973, 620; Steffen in: BGB-RGRK § 780 Rn. 9 m.w.N.).
Der Kläger war bei der Errichtung der Urkunde Student. Aufgrund
seiner beengten finanziellen Verhältnisse, die ihm auch bekannt
waren, war er hinsichtlich des Kindesunterhalts damals nicht
leistungsfähig im Sinne des § 1603 BGB. Die gleichwohl erfolgte
Verpflichtung zur Zahlung des Kindesunterhalts in Höhe von 249 DM
monatlich geschah unstreitig auf dem Hintergrund, dass er mit dem
baldigen Abschluß des Examens und der sich daran anschließenden
Aufnahme einer Erwerbstätigkeit rechnete, aufgrund derer er dann
zur Zahlung des Kindesunterhalts fähig - und insoweit auch
verpflichtet - war. Diese Vorstellungen haben sich - wenn auch mit
etwas zeitlicher Verzögerung - verwirklicht. Nach gut einem Jahr
der Leistungsfähigkeit hat der Kläger dann aber seinen Arbeitsplatz
verloren, so dass er - bislang unstreitig - unter Berücksichtigung
des bezogenen Arbeitslosen- bzw. später Umschulungsgeldes
tatsächlich leistungsunfähig geworden ist. Nichts spricht dafür,
daß seine damalige Verpflichtungserklärung dahingehend verstanden
werden könnte oder auch nur verstanden worden ist, daß er, weil er
im Zeitpunkt der Erklärung leistungsunfähig war, den Einwand der
fehlenden Leistungsfähigkeit auch nach zwischenzeitlich
eingetretener längerer Leistungsfähigkeit nie wieder solle geltend
machen können bzw. wollen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Da sich die Abänderbarkeit des vorliegenden Titels bereits aus
den vorgenannten Gründen ergibt, kann der Senat die Frage
offenlassen, ob nicht auf Jugendamtsurkunden - wenn man sie als
einseitige Rechtsgeschäfte ansieht - dennoch die Grundsätze des
Fehlens bzw. des Wegfalls der Geschäftsgrundlage wenigstens
entsprechend Anwendung finden müssen, wenn nur dadurch eine
Ungleichbehandlung von Schuldnern, die sich in einer
Jugendamtsurkunde - und damit auch und gerade im Interesse des
Kindes in einer schnellen und kostengünstigen Weise - zur Zahlung
von Kindesunterhalt verpflichtet haben, gegenüber denjenigen
Schuldnern vermieden werden kann, die sich zu einer entsprechenden
Leistung in einem Prozeßvergleich verpflichtet haben. Es wäre wohl
mit den Grundsätzen von Treu und Glauben kaum vereinbar, dass ein
Schuldner allein durch die Art der freiwilligen Verpflichtung mit
zukünftigen Einwendungen ausgeschlossen wird.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Da der Kläger eine Abänderung des Titels nicht für eine Zeit
begehrt, in der seine bei Errichtung der Urkunde vorhandene
Leistungsunfähigkeit - ohne zwischenzeitlich eingetretene
Leistungsfähigkeit - unverändert fortbestand, bedurfte es keiner
Entscheidung der Frage, ob er auch mit einem solchen Einwand gehört
werden könnte, und ob ein derartiger Einwand mit einer
Abänderungsklage gem. § 323 ZPO, einer negativen
Feststellungsklage, einer Vollstreckungsabwehrklage gem. § 767 ZPO
oder einer Unterlassungsklage gem. § 826 BGB geltend zu machen
wäre.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Auf die Beschwerde des Klägers war daher der den
Prozeßkostenhilfeantrag zurückweisende Beschluss des
Familiengerichts aufzuheben und die Sache zur erneuten Prüfung an
das Familiengericht zurückzuverweisen, damit die weiteren für die
Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung maßgeblichen Umstände -
ausreichendes Bemühen um eine andere Arbeitsstelle nach Eintritt
der Arbeitslosigkeit bzw. Notwendigkeit der Umschulung - geprüft
werden können.</p>
|
114,409 | vg-dusseldorf-1999-08-30-12-k-446596 | {
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<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Tatbestand:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Gemarkung G1 in
X, das an die L Straße angrenzt. </p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">In der Zeit vom Januar 1989 bis September 1991 wurden in
der L Straße Straßenbauarbeiten durchgeführt. Unter anderem
wurden im Bereich zwischen C1- und Mstraße der
Regenwasserkanal erneuert und die vorhandenen 4 alten
Sinkkästen durch 14 neue ersetzt. Auf beiden Seiten der Straße
wurden Parkflächen geschaffen, die in Längsrichtung durch neu
hergestellte Baumscheiben unterteilt und begrenzt werden. </p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Den Arbeiten lag ein Beschluß der Bezirksvertretung F vom
21. Juni 1988 (Drucksache Nr. 812/88) zugrunde, wonach in der
L Straße zwischen Q- und C1straße folgende Straßenbauarbeiten
durchzuführen waren:</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">1. Begrünung des Straßenraums</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">3. Anordnen des Parkens in Längs- und
Schrägaufstellung</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">4.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Tiefbau- und Entwässerungsarbeiten wurden im Februar
bzw. Mai 1990, die Baumpflanzungen am 21. Oktober 1991
abgenommen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Zu den anteiligen Kosten dieser Maßnahme im Bereich
zwischen C1- und Mstraße zog der Beklagte den Kläger durch
Bescheid vom 6. November 1995 auf der Grundlage von § 8
Kommunalabgabengesetz für das Land Nordrhein-Westfalen - KAG -
zu einem Straßenbaubeitrag in Höhe von 8.117,86 DM heran, auf
den er anteilig für die Baumaßnahme gewährte Landeszuschüsse
in Höhe von 1.101,78 DM anrechnete, so daß sich ein
geforderter Betrag von 7.016,08 DM ergab. Den hiergegen
eingelegten Widerspruch wies er durch Widerspruchsbescheid vom
26. Februar 1996, als Einschreiben zur Post am selben Tag, als
unbegründet zurück.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Mit der am 27. März 1999 erhobenen Klage macht der Kläger
geltend, der Bescheid sei bereits in formeller Hinsicht
fehlerhaft, da er nicht eigenhändig unterschrieben sei. Zudem
seien die Landeszuschüsse nicht richtig angerechnet worden.
Sollte auch der Parkstreifen auf der Westseite abgerechnet
worden sein, sei dies nicht rechtens, da auf der Westseite
lediglich aufgrund einer Markierung das Parken halb auf der
Fahrbahn und halb auf dem Gehweg erlaubt sei.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Austausch von Sinkkästen sei bloße Instandsetzung, die
nicht beitragsfähig sei. Die Maßnahme sei im übrigen
überflüssig gewesen, da seines Erachtens die vorhandenen
Sinkkästen nicht verschlissen gewesen seien. Kosten für
Kanalerneuerung seien durch die Grundbesitzabgaben und den
Anschlußbeitrag abgedeckt. Da die Maßnahme bereits 1989
abgeschlossen gewesen sei, sei die Beitragsforderung
verjährt.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Sein Grundstück sei sowohl bei der Abrechnung der M Straße
als auch bei der vorliegenden Veranlagung jeweils mit der
vollen Fläche in Ansatz gebracht worden.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">den Heranziehungsbescheid des Beklagten vom
6. November 1995 in der Form des Widerspruchs-
bescheides vom 26. Februar 1996 aufzuheben. </p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Er hält die Beitragsforderung dem Grunde und der Höhe nach
für gerechtfertigt. Es seien nur die standardmäßig ausgebauten
Parkstreifen abgerechnet worden; sog. "halbachsiges
Gehwegparken" sei im abgerechneten Abschnitt jedoch auch nicht
anzutreffen. Eine Verjährung sei vor Erlaß des streitigen
Beitragsbescheides nicht eingetreten, da das gemeindliche
Bauprogramm erst mit der Abnahme der Baumpflanzung im Jahre
1991 erfüllt gewesen sei.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Wegen des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den
Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen
Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe:</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Klage ist zum Teil begründet.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Eine Straßenbaubeitragspflicht nach § 8 des
Kommunalabgabengesetzes für das Land
Nordrhein-Westfalen - KAG - ist für das klägerische Grundstück
dem Grunde nach entstanden, hinsichtlich der Höhe jedoch nur
in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang gerechtfertigt. Im
übrigen sind die angefochtenen Bescheide rechtswidrig und
verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1
VwGO).</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Dabei ist in formeller Hinsicht allerdings nicht zu
beanstanden, daß der Beitragsbescheid nicht vom zuständigen
Sachbearbeiter des Beklagten eigenhändig unterzeichnet ist.
Gem. § 119 Abs. 4 AO müssen schriftliche Verwaltungsakte, die
mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen werden, nicht
unterzeichnet sein. Diese Voraussetzung ist vorliegend
erfüllt. Deckblatt und Berechnungsbogen, die die individuellen
Angaben und Festsetzungen zum konkreten
Beitragsschuldverhältnis enthalten, sind vorliegend nach
Angaben des Beklagten, denen vom Kläger nicht substantiiert
widersprochen wurde, mit Hilfe elektronischer
Datenverarbeitung automatisiert erstellt und im Original an
die Beitragspflichtigen versandt worden. Demgegenüber ist es
unschädlich, wenn die für alle Anlieger der abgerechneten
Straße gleichlautenden Erläuterungen als Fotokopie beigefügt
waren, da diese Anlagen lediglich dem Verständnis des Inhalts
der Beitragsbescheide dienen, am Regelungscharakter des
jeweiligen Verwaltungsakts jedoch nicht teilhaben.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Materiell-rechtlich ist die geltend gemachte
Beitragsforderung dem Grunde nach entstanden, der Höhe nach
jedoch nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang
berechtigt.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Rechtsgrundlage ist § 8 KAG in Verbindung mit der im
Zeitpunkt der Abnahme der Arbeiten im Oktober 1991 geltenden
Satzung über die Erhebung von Beiträgen nach § 8 KAG für
straßenbauliche Maßnahmen im Gebiet der Stadt X vom 19.
Oktober 1990 - KAGS -, die soweit es den hier in Rede
stehenden Abrechnungsfall betrifft, gültiges Ortsrecht
darstellt.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Insbesondere ist nicht zu beanstanden, daß die Satzung
keine Vergünstigung für sogenannte Eckgrundstücke enthält, mit
der Folge, daß das Grundstück des Klägers sowohl bei der
Veranlagung zu Beiträgen für die M Straße als auch im
vorliegenden Beitragsverfahren jeweils mit der vollen Fläche
in die Verteilung einbezogen wurde. Grundsätzlich steht die
Entscheidung, ob eine Eckermäßigung gewährt werden soll, im
Ermessen des Ortsgesetzgebers. Er kann sich auch ohne
Rechtsverstoß dahin entscheiden, von einer Eckermäßigung
gänzlich abzusehen, da die Vorteile der Eckgrundstücke und der
sonstigen Grundstücke noch wenigstens annährend gleich sind
und beide Gruppen daher gleich behandelt werden dürfen. </p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NW, Urteil vom 20. Juli 1992 - 2 A 399/91 - mit
weiteren Nachweisen. </p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Nach den oben genannten Vorschriften erhebt die Stadt X
Beiträge zum teilweisen Ersatz des Aufwandes für
straßenbauliche Maßnahmen - dies sind gemäß § 1 Abs. 2 KAGS
die Herstellung, Erweiterung und Verbesserung im Bereich der
öffentlichen Straßen, Wegen und Plätze - und als Gegenleistung
für die dadurch den Eigentümern der erschlossenen Grundstücke
gebotenen wirtschaftlichen Vorteile.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Die in der L Straße durchgeführten Arbeiten stellen eine
beitragsfähige, mit wirtschaftlichen Vorteilen für die
Anlieger verbundene Maßnahme in diesem Sinne dar. </p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Für die Beurteilung ist allerdings nicht allein auf den vom
Beklagten abgerechneten Bereich zwischen C1- und Mstraße
abzustellen; vielmehr umfaßt das hier maßgebliche
Abrechnungsgebiet auch das anschließende Teilstück zwischen M-
und Qstraße.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Enthält die maßgebliche Beitragssatzung wie hier den
sogenannten weiten Anlagebegriff, wonach eine "Anlage" nicht
mit einer Erschließungsanlage im Sinne des
Erschließungsbeitragsrechts identisch sein muß, ist Anlage im
Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG alles, was im Bereich von
öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen Gegenstand einer
Maßnahme im Sinne dieser Vorschrift sein kann und was nach
Maßgabe des Bauprogramms im Einzelfall hergestellt, erneuert
oder verbessert werden kann. </p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NW, Urteil vom 24. Oktober 1986, - 2 A 840/84 -,
KStZ 1987, 74.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Danach können grundsätzlich auch Teilstücke von
Anbaustraßen selbständig abrechenbare Anlagen im
beitragsrechtlichen Sinne sein, </p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">vgl. OVG NW, Urteil vom 5. Juli 1990, - 2 A 1691/88 -,
GemHH 1992, 108 mit weiteren Nachweisen,</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">wenn sich das maßgebliche Bauprogramm auf den
entsprechenden Straßenbereich beschränkt. Wird dagegen
aufgrund eines einheitlichen Bauprogramms im Zuge einer
Gesamtbaumaßnahme eine vollständige Anbaustraße ausgebaut, und
will die Gemeinde dennoch einzelne Bereiche dieser Straße
einer jeweils selbständigen Beitragsveranlagung zuführen, ist
dies nur im Wege einer förmlichen Abschnittsbildung nach § 8
Abs. 5 KAG möglich, es sei denn, die einzelnen
Abrechnungsbereiche stellen sich bei objektiver Betrachtung
der tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten jeweils als
tatsächlich und rechtlich selbständige Erschließungsanlage
dar.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Vorliegend sah das gemeindliche Bauprogramm in Form des
Beschlusses der Bezirksvertretung F vom 21. Juni 1988
(Drucksache Nr. 812/88) den Ausbau der L Straße zwischen Q-
und C1straße vor. Anhaltspunkte, nach denen es sich bei
objektiver Betrachtung der tatsächlichen örtlichen
Gegebenheiten bei dem Teilstück C1- bis Mstraße einerseits und
der Anschlußstrecke M- bis Qstraße andererseits jeweils um
tatsächlich und rechtlich selbständige Erschließungsanlagen
handeln könnte, bestehen angesichts des weitgehend
gleichartigen Ausbauzustandes und des untergeordneten
Charakters der einmündenden Straßen nicht. Der Beklagte war zu
einer gesonderten Abrechnung des Teilstücks zwischen C1- und
Mstraße auch nicht etwa allein aufgrund dessen - rechtlich -
gezwungen, daß - bei sonst weitgehend übereinstimmendem und
zeitgleichem Ausbau - allein im abgerechneten Bereich der
Regenwasserkanal vollständig erneuert werden mußte. Auch im
Teilausbau einer Teileinrichtung kann nämlich eine
beitragspflichtige Erneuerung in Bezug auf die gesamte Anlage
liegen, was weiter unten noch ausführlich dargelegt werden
wird.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Eine separate Abrechnung des Bereichs zwischen C1- und
Mstraße hätte mithin überhaupt nur im Wege der
Abschnittsbildung erfolgen können, bei der sich jedoch die
Frage stellen würde, ob es vorteilsgerecht wäre, allein die
Anlieger dieses Abschnitts mit den Kosten der Kanalerneuerung
zu belasten, obwohl die hiervon ausgehenden Vorteile den
Eigentümern aller erschlossenen Grundstücke der gesamten L
Straße zugute kommen dürften. Die Frage kann jedoch offen
bleiben, weil ausweislich der Verwaltungsvorgänge vor
Entstehen der Beitragspflicht für die L Straße insgesamt,</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">vgl. hierzu Dietzel, Hinsen, Kallerhoff, Das
Straßenbaubeitragsrecht nach § 8 KAG NW, 3. Auflage 1995,
Rdnr. 134 mit weiteren Nachweisen,</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">eine Abschnittsbildung durch das hierfür zuständige
Gemeindeorgan gar nicht vorgenommen wurde und nach diesem
Zeitpunkt nicht mehr möglich war.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Das fehlerhaft gebildete Abrechnungsgebiet führt allerdings
nicht zur Rechtswidrigkeit und damit zur vollständigen
Aufhebung des angefochtenen Beitragsbescheides. Bei
Abgabenbescheiden, die eine durch materielles Recht begründete
Abgabenpflicht lediglich deklaratorisch festsetzen, sind bei
der gerichtlichen Überprüfung nämlich alle rechtlichen
Begründungen und Tatsachen zu berücksichtigen, die die
streitige Festsetzung zu rechtfertigen vermögen. Das schließt
die Berücksichtigung auch solcher Rechtsgründe und Tatsachen
ein, die die Verwaltungsbehörde zur Begründung des
angefochtenen Bescheides nicht angeführt hat. Das Gericht hat
also gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu prüfen, ob sich der
Bescheid mit einer fehlerfreien Begründung ganz oder teilweise
aufrechterhalten läßt. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die
anderweitige rechtliche Begründung oder das Zugrundelegen
anderer Tatsachen zu einer Wesensänderung des Bescheides
führen würde oder wenn die Rechtmäßigkeit des Beitrages und
die (teilweise) Bestätigung des Bescheides einen Willensakt
der Gemeinde voraussetzen würde und eine solche Entscheidung
der Gemeinde nicht vorliegt.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Vgl. zum Erschließungsbeitragsrecht BVerwG, Urteil vom
27. Januar 1982, - 8 C 12.81 - DVBl. 1982 S. 548.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Danach hatte das Gericht die Rechtmäßigkeit des
angefochtenen Bescheides unter Berücksichtigung des
zutreffenden Abrechnungsgebietes zu beurteilen, weil es sich
bei Fehlern infolge unrichtiger Abgrenzung des
Abrechnungsgebietes nach der zitierten Rechtsprechung um
reine, den Wesensgehalt des Bescheides nicht tangierende,
Berechnungsfehler handelt und eine - wenn überhaupt mögliche -
Abschnittsbildung vorliegend wegen des Entstehens der
Beitragspflicht für die Kölner Straße insgesamt nicht mehr in
Betracht kommen kann.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Die in der L Straße in ihrer gesamten Ausdehnung
durchgeführten Arbeiten erfüllen die
Tatbestandsvoraussetzungen des § 8 Abs. 2 KAG i.V.m. § 1 Abs.
2 KAGS. </p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Durch die Neuanlage der Parkstreifen wird die Gesamtfläche
der Straße infolge der Schaffung einer zusätzlichen, bisher
nicht vorhandenen Teilanlage, die den ruhenden Verkehr
aufnimmt, weiter funktional aufgeteilt. Die Trennung des
fließenden vom ruhenden Verkehr ermöglicht einen leichteren
und sichereren Verkehrsablauf. Dem steht nicht entgegen, daß
die Anlieger bereits bislang ihre Fahrzeuge am Fahrbahnrand
abstellen konnten. Durch die Anlegung des von der Fahrbahn
getrennten Parkstreifens wird das Parken auf Dauer sicherer.
Die abgestellten Fahrzeuge behindern nicht den fließenden
Verkehr, sie selbst sind vor Beschädigungen durch
vorbeifahrende Kraftfahrzeuge besser geschützt.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NW, Urteil vom 20. September 1989 - 2 A 2052/86
-.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Anhaltspunkte dafür, daß auch Bereiche abgerechnet worden
sein könnten, in denen nur sog. halbachsiges Parken möglich
ist, bestehen nach dem Vortrag des Beklagten und dem Inhalt
der Verwaltungsvorgänge nicht.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Der Austausch des Regenwasserkanals gegen einen neuen Kanal
gleicher Dimension stellt eine beitragsfähige Erneuerung dar,
die dann anzunehmen ist, wenn die frühere Anlage infolge
bestimmungsgemäßer Nutzung trotz ordnungsgemäßer Erhaltung und
Instandsetzung so abgenutzt war, daß sie durch eine neue
Anlage gleicher oder gleichwertiger Art ersetzt werden
mußte.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NW, Urteile vom 15. November 1991 - 2 A 1232/89 -
und vom 4. Juli 1986 - 2 A 1761/85 -, ZKF 1987, 39 jeweils
mit weiteren Nachweisen.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Eine ordnungsgemäße Unterhaltung und Instandsetzung wird
angenommen, wenn eine Anlage verschlissen und zumindest die
übliche Nutzungszeit abgelaufen ist.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NW, Urteile vom 15. November 1991 - 2 A 1232/89 -
und vom 4. Juli 1986 - 2 A 1761/85 -, jeweils a.a.O.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Daß diese Voraussetzungen bei einem Kanal, der lt.
Aktenlage um die Jahrhundertwende verlegt wurde, im Jahre 1988
vorgelegen haben, kann nicht ernstlich zweifelhaft sein.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Der Annahme einer Erneuerung steht auch nicht entgegen, daß
nur der Kanal zwischen C1- und Mstraße erneuert wurde. Für das
Merkmal "Erneuerung" ist nicht entscheidend, ob die Anlage
quantitativ von der Strecke her nahezu vollständig vom
Bauprogramm erfaßt wird. Maßgeblich ist vielmehr, ob bei
natürlicher Betrachtungsweise lediglich eine oder mehrere
punktuelle - nicht beitragsfähige - Unterhaltungs- oder
Instandsetzungsarbeiten vorgenommen wurden, oder ob eine
beitragsfähige Erneuerungsmaßnahme der Gesamtanlage unter
Aussparung nach Einschätzung der Gemeinde nicht
erneuerungsbedürftiger Teile vorliegt. § 8 Abs. 2 KAG will
nämlich jedwede Verbesserung und Erneuerung einer Anlage
gleich welchen räumlichen Umfangs von der Beitragspflicht
erfaßt wissen und lediglich die laufende Unterhaltung und
Instandsetzung ausscheiden. Daraus ergibt sich, daß eine
Baumaßnahme in diese Typenkategorien eingeordnet werden muß,
nicht aber danach unterschieden werden muß, ob sich eine
Erneuerung räumlich mehr oder weniger vollständig auf die
ganze Anlage erstreckt. Es würde die Gemeinden zu unnötigen,
dem Grundsatz sparsamer und wirtschaftlicher Haushaltsführung
widersprechenden Ausbauentscheidungen verleiten, wenn man für
die Beitragsfähigkeit einer an sich notwendigen Erneuerung
fordern würde, daß die Maßnahme in räumlicher Hinsicht bis auf
untergeordnete Teile die vollständige Anlage umfaßt, weil die
Gemeinden dann aus Gründen der Herbeiführung der
Beitragsfähigkeit zu räumlich weiteren Bauprogrammen als der
Sache nach für erforderlich gehalten geneigt sein könnten.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NW, Urteil vom 8. Dezember 1995 - 15 A 2402/93 -
zum vergleichbaren Fall einer Verbesserung i.S. des § 8 Abs.
2 KAG.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Angesichts des Umstandes, daß der Austausch des
Regenwasserkanals vorliegend ein 127 m langes,
zusammenhängendes Teilstück der etwa 317 m langen L Straße
betraf, können die durchgeführten Arbeiten nicht mehr als
bloße Unterhaltung oder Instandsetzung bezeichnet werden,
sondern sind als beitragsfähige Erneuerung im oben
aufgezeigten Sinne zu qualifizieren. </p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Demgegenüber stellt die Erhöhung der Zahl der
Straßenabläufe eine beitragsrechtliche Verbesserung dar, weil
hierdurch ein schnelleres Abfließen des auf die Straße
auftreffenden Regenwassers ermöglicht wird.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Vgl. Dietzel, Hinsen, Kallerhoff, a.a.O. Rdnr. 70.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Anders als die Erneuerung setzt eine beitragsfähige
Verbesserung allerdings keine Abnutzung der Anlage voraus</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">vgl. OVG NW, Urteil vom 31. Januar 1992
- 2 A 2223788 -,</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">so daß auch vorliegend offen bleiben kann, ob die
vorhandenen Straßenabläufe verschlissen waren oder nicht.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Durch die Anlegung der Parkstreifen ist auch ein
wirtschaftlicher Vorteil in Form einer Steigerung des
Gebrauchswertes der Anliegergrundstücke eingetreten. Die von
der Fahrbahn abgegrenzten Parkstreifen verschaffen den
Anliegern eine straßenrechtlich abgesicherte Parkmöglichkeit
in unmittelbarer Nähe ihrer Grundstücke und verbessern
insoweit die Erreichbarkeit der Grundstücke.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NW, Urteile vom 28. Januar 1981 - 2 A 1277/79 und
vom 22. Juli 1986 - 2 A 254/84 -.</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Wirtschaftliche Vorteile bieten auch die Erneuerung des
Kanals und die erhöhte Zahl der Sinkkästen, da durch die
Maßnahme nunmehr wieder eine auf Dauer - besser -
funktionierende und störungsfreie Entwässerung der Straße
gewährleistet wird, die die Erreichbarkeit der Grundstücke auf
lange Zeit sichert.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Vgl. insoweit OVG NW, Urteile vom 25. Februar 1989,
- 2 A 2562/86 - und vom 21. Februar 1990, 2 A 2787/86 -.</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Die danach dem Grunde nach bestehende Beitragsforderung ist
nicht verjährt. Gemäß § 12 Abs. 1 Ziffer 4 KAG in Verbindung
mit § 69 Abs. 2 Abgabenordnung - AO - beträgt die
Verjährungsfrist für Straßenbaubeiträge vier Jahre und beginnt
mit Ablauf des Jahres, in dem die Beitragspflicht entstanden
ist (§ 170 Abs. 1 AO). Gemäß § 8 Abs. 7 Satz 1 KAG entsteht
die Beitragspflicht mit der endgültigen Herstellung der
Anlage, d.h. mit deren Fertigstellung entsprechend dem
gemeindlichen Bauprogramm, wobei die programmgemäße
Herstellung nicht bereits mit Beendigung der Arbeiten durch
den Bauunternehmer, sondern erst mit der Abnahme der letzten
zur Baumaßnahme gehörenden Arbeiten durch die Gemeinde
abgeschlossen ist.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NW, Urteile vom 5. Juni 1985 - 2 A 1864/83 -
KStZ 1986 und vom 22. August 1995 - 15 A 3907/92 - mit
weiteren Nachweisen.</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Danach ist die Beitragspflicht am 21. Oktober 1991
entstanden, weil an diesem Tage lt. Abnahmeprotokoll die
Pflanzarbeiten in den neu angelegten Parkstreifen (Bäume) von
der Gemeinde abgenommen worden sind. Die Bäume dienen der
Gestaltung und Unterteilung der Parkstreifen und damit als
Zubehör im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 3 StrWG der
Verkehrsfunktion dieser Teileinrichtung, </p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">vgl. OVG NW, Urteil vom 29. November 1989
- 2 A 1419/87 -,</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">mit der Folge, daß ihre Pflanzung zur programmgemäßen
Herstellung der Parkstreifen gehört und erst nach Abnahme
dieser Arbeiten eine Beitragspflicht entstehen konnte.</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">Der Höhe nach sind die beitragsfähigen Kosten und die
Verteilung des umlegungsfähigen Aufwands auf die erschlossenen
Grundstücke nach dem oben Gesagten insoweit zu korrigieren,
als der Aufwand für beide Teilstrecken der L Straße
zusammenzufassen und auf alle zwischen C1- und Qstraße
erschlossenen Grundstücke zu verteilen war.</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">Zweifel an der Richtigkeit der vom Beklagten für die beiden
Abschnitte jeweils ermittelten Kosten bestehen nicht.
Insbesondere sind bei der Ermittlung der Entwässerungskosten
zu Recht die vollen Kosten für die neuen Straßenabläufe sowie
die Hälfte der für die Erneuerung des Kanals angefallenen
Kosten der Straßenentwässerung zugeordnet und nach Abzug des
Gemeindeanteils in den umlegungsfähigen Aufwand eingestellt
worden. </p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Entsteht in Erfüllung des Bauprogramms Aufwand an der
Entwässerungsanlage, so ist zu beachten, daß diese aus
mehreren Teilen besteht, die entweder allein der
Straßenentwässerung, allein der Grundstücksentwässerung oder
beiden Zwecken dienen. Im Rahmen des durch Straßenbaubeiträge
zu deckenden Aufwands können nur die Aufwendungen
beitragsfähig sein, welche die der Straßenentwässerung
dienenden Teile betreffen. Uneingeschränkt beitragsfähig sind
aus diesem Grund die Kosten für die Straßenabläufe und die
diese mit dem Kanal verbindenden Leitungen, da diese
ausschließlich der Straßenentwässerung dienen. Sind von der
Ausbaumaßnahme - auch - Einrichtungen betroffen, die mehreren
Zwecken dienen, z.B. ein Regenwasserkanal, der wie im
vorliegenden Fall sowohl das auf der Straße als auch das auf
den - versiegelten - Grundstücksflächen anfallende Regenwasser
aufnimmt, so muß dem dadurch Rechnung getragen werden, daß die
Straßenentwässerung nur mit einem bestimmten Anteil der für
den Ausbau oder Erneuerung dieser Anlage entstandenen Kosten
belastet wird. Denn durch das Betreiben und in der Folge durch
die Erneuerung einer solchen Gemeinschaftseinrichtung werden
Kosten gespart, die zusätzlich anfallen würden, wenn sowohl
für die Straßen- als auch für die Grundstücksentwässerung
getrennte Anlagen betrieben würden. Dabei ist es im Fall eines
reinen Regenwasserkanals im oben beschriebenen Sinne nach der
Rechtsprechung grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn der
auf die Straßenentwässerung und die Grundstücksentwässerung
entfallende Anteil jeweils mit 50 % der entstanden Kosten
angesetzt wird. Denn es ist davon auszugehen, daß in der Regel
die Kosten für zwei getrennte Regenwasserkanäle im
wesentlichen gleich hoch sein werden, da Verlegungstiefe und
Rohrdurchmesser nicht voneinander abweichen werden.</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">Vgl. Dietzel, Hinsen, Kallerhoff, a.a.O. Rdnr. 165 sowie
Driehaus, Kommunalabgabenrecht § 8, Rdnr. 328, jeweils mit
weiteren Nachweisen.</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">Danach hat auch der Beklagte vorliegend zu Recht die Hälfte
der für die Erneuerung des Kanals entstandenen Kosten in den
beitragsfähigen Aufwand einbezogen. Dem steht nicht entgegen,
daß die Stadt X im Rahmen der Gebührenbedarfsberechnung für
die Nutzung des städtischen Kanalsystems, wie die im Verfahren
vom Kläger vorgelegte Berechnung zeigt, von einem anderen
Verhältnis der eingeleiteten Regenwasseranteile und einem
nicht unerheblich höheren Anteil des auf den Grundstücken
anfallenden Regenwassers ausgeht, da beide
Ermittlungsmethoden, -grundlagen und -zwecke nicht
vergleichbar sind. Während nämlich bei der Zuordnung der
anteiligen Kosten für die Herstellung bzw. Erneuerung des
Regenwasserkanals zur Straßenentwässerung einerseits und
Grundstücksentwässerung andererseits Grundlage die
Kostenersparnis ist, die dadurch eintritt, daß in der
konkreten Straße statt zwei getrennter Regenwasserkanäle nur
ein - gemeinsamer - Kanal gebaut bzw. erneuert werden mußte,
sind Ausgangspunkt bei der Berechnung der
Kanalbenutzungsgebühr nicht Herstellungs- bzw.
Erneuerungskosten einzelner - konkreter - Kanäle, sondern die
Betriebskosten für das gesamte Kanalnetz der Gemeinde. Während
in diesem Rahmen von Bedeutung ist, in welchem Verhältnis die
gesamte - vorhandene - städtische Kanalisation durch das auf
die Straße im Stadtgebiet anfallende Regenwasser einerseits
und das von den übrigen versiegelten Flächen eingeleitete
Wasser andererseits in Anspruch genommen wird, stellt sich bei
der Bemessung des Straßenbaubeitrags allein die Frage, welche
Kosten bei Herstellung getrennter Regenwasserkanäle entstanden
wären und wie hoch dementsprechend die Kostenersparnis im
Falle einer gemeinschaftlichen Einrichtung ist.</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">Aus denselben Erwägungen ist auch die Annahme des Klägers
unzutreffend, mit den von ihm entrichteten Grundbesitzabgaben
und dem Anschlußbeitrag sei auch der Aufwand für die
Straßenentwässerung abgegolten, da diese Abgaben
ausschließlich auf den die Grundstücksentwässerung
betreffenden Anteil erhoben und gezahlt werden.</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">Die für die Maßnahme gewährten Landeszuschüsse sind in
zutreffender Weise zur Finanzierung der Maßnahme verwendet
worden. Bei öffentlichen Zuweisungen vom Bund oder den Ländern
spricht eine Vermutung dafür, daß sie zunächst zur Abdeckung
des von der Gemeinde endgültig zu tragenden Aufwands, d.h. zur
Deckung etwaiger nicht beitragsfähiger Kosten sowie des
Gemeindeanteils am beitragsfähigen Aufwand dienen. </p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">Vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 5.
Auflage, NJW-Schriftenreihe Heft 42, § 34, Rdnr. 34 und 35
mit weiteren Nachweisen. </p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">Überschreitet die Zuwendung die Höhe der von der Gemeinde
endgültig zu tragenden Kosten, kann der überschießende Betrag
- nur - dann den Anliegern gutgeschrieben werden, wenn der
Zuschußgeber für diesen Fall von vornherein auf eine
Rückzahlung des Überschusses verzichtet hat.</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">Demgemäß bestimmt Ziffer 8.10.5 der hier maßgeblichen
"Richtlinien über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung
städtebaulicher Maßnahmen" (Rd.Erl. d. MLS vom 16. März 1983
- III B 1-50.10-815/83 -, MBL.NW. S. 715), auf die der
Zuwendungsbescheid vom 13. November 1985 ausdrücklich Bezug
nimmt, daß zuwendungsfähig bei Maßnahmen im Sinne von § 8 KAG
allein der nach der Beitragssatzung auf die Gemeinde
entfallende Anteil ist. Ob aus den zitierten Richtlinien und
dem Zuwendungsbescheid ein etwaiger Verzicht auf
Rückerstattung nicht zur Deckung dieser Kosten verwendeter
Fördermittel herauszulesen ist, kann vorliegend dahinstehen,
da der Beklagte den überschießenden Betrag auf die Beiträge
der Anlieger angerechnet hat, so daß diese jedenfalls nicht
beschwert sind. </p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">Sonstige Fehler bei der Ermittlung des beitragsfähigen
Aufwandes und der Verteilung desselben auf die erschlossenen
Grundstücke sind nicht ersichtlich und wurden auch vom Kläger
nicht geltend gemacht.</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">Unter Berücksichtigung des zutreffenden Abrechnungsgebiets
(L Straße in der gesamten Länge), d.h. eines berichtigten
umlegungsfähigen Aufwandes von 73.281,18 DM und der neuen
Summe der Beitragsquadratmeter von 31.907,76 qm errechnet sich
ein Betrag von 2,296656 DM/qm. Auf dieser Basis entfällt auf
das klägerische Grundstück - unter Berücksichtigung eines
ebenfalls auf die gesamte Erschließungsanlage umgerechneten
Zuschußanteils (Gesamtbetrag der auf beide Abschnitte
anzurechnenden Zuschüsse: 12.675,84 DM / 31.907,76 qm =
0,397265 DM/qm) - ein Beitrag von 4204,10 DM. Soweit mit dem
angefochtenen Bescheid ein diesen Betrag übersteigender
Beitrag gefordert wird, war der Bescheid aufzuheben; im
übrigen war die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO; die
Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit
beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711
ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">
</p>
|
114,410 | ovgnrw-1999-08-30-3-b-141599 | {
"id": 823,
"name": "Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen",
"slug": "ovgnrw",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 3 B 1415/99 | 1999-08-30T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:40 | 2019-02-12T13:54:22 | Beschluss | ECLI:DE:OVGNRW:1999:0830.3B1415.99.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> G r ü n d e :</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund eines Mangels
des erstinstanzlichen Verfahrens (§ 146 Abs. 4, § 124 Abs. 2
Nr. 5 VwGO) liegt nicht vor. Der angefochtene Beschluß des
Verwaltungsgerichts ist, wie von § 122 Abs. 2 Satz 2 VwGO
gefordert, mit einer Begründung versehen. Das
Verwaltungsgericht hat im Tenor des vom 20. April 1999
datierenden Beschlusses unter Ziff. 1 "zur Begründung" der
Ablehnung des Aussetzungsantrags "auf das die Klage abweisende
Urteil vom heutigen Tage Bezug genommen". Dieses Urteil
(Verfahren 17 K 5398/97), das aufgrund der mündlichen
Verhandlung vom 20. April 1999 ergangen ist und am 18. Mai
1999 verkündet wurde, ist den Beteiligten gleichzeitig mit dem
angefochtenen Beschluß zugestellt worden. Dies genügt dem
Begründungserfordernis des § 122 Abs. 2 Satz 2 VwGO.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Beschluß vom 30. Novem-
ber 1995 - 4 B 248.95 -, Buchholz 310
§ 138 Ziff. 6 VwGO Nr. 30, S. 4 (zu
§ 138 Nr. 6 VwGO); Kopp/Schenke, VwGO,
Kommentar, 11. Aufl. 1998, § 117,
Rdnr. 16; Eyermann/Schmidt, VwGO, Kom-
mentar, 10. Aufl. 1998, § 138 Rdnr. 28;
Redeker/von Oertzen, VwGO, Kommentar,
12. Aufl. 1997, § 138 Rdnr. 9.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die
Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 13 Abs. 1, 14, 20
Abs. 3 GKG.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §
25 Abs. 3 Satz 2 GKG).</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">
</p>
|
114,411 | ovgnrw-1999-08-30-8-b-90299 | {
"id": 823,
"name": "Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen",
"slug": "ovgnrw",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 8 B 902/99 | 1999-08-30T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:40 | 2019-02-12T13:54:22 | Beschluss | ECLI:DE:OVGNRW:1999:0830.8B902.99.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> G r ü n d e :</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Senat läßt die Beschwerde gemäß § 146 Abs. 4, § 124
Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu und sieht von einer weiteren Begründung
gemäß § 146 Abs. 6 Satz 2, 1. Halbsatz, § 124 a Abs. 2 Satz 2
VwGO ab. </p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die auch im übrigen zulässige Beschwerde ist begründet. Das
Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Gewährung vorläufigen
Rechtsschutzes zu Unrecht abgelehnt.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der wörtlich gestellte Antrag auf Erlaß einer einstweiligen
Anordnung (§ 123 VwGO) ist allerdings nach dem erkennbaren
Rechtsschutzziel des Antragstellers (§ 88 VwGO) als
Rechtsschutzgesuch nach § 80 Abs. 5 VwGO aufzufassen,</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">vgl. dazu: Schoch, in: Schoch/Schmidt-
Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: März 1999,
Rdnr. 104 zu § 123; vgl. Bay. VGH, Beschluß vom
25. Juli 1994 - 25 CE 94.2402 -, BayVBl. 1995,
S. 308; Beschluß vom 27. August 1987 - Nr. 25
CE 87.01911 -, BayVBl. 1988, S. 17 (18); VGH Bad-
Württ., Beschluß vom 14. Januar 1991
- 3 S 3127/90 -, VBl.BW 1991, S. 219 (220),</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">weil mit der Entlassungsverfügung vom 27. Oktober 1998 ein
Verwaltungsakt angegriffen wird, gegen den im Wege der
Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO) vorzugehen ist und deshalb
vorläufiger Rechtsschutz grundsätzlich über § 80 Abs. 5 VwGO
zu erlangen ist (§ 123 Abs. 5 VwGO).</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Der in diesem Antrag enthaltene </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">vgl. dazu: Bay. VGH, Beschluß vom 1. April 1999
- 2 CS 98.2646 -, Bay.VBl. 1999, S. 467</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">und vom Antragsteller auch mit Schriftsatz vom 11. Januar
1999 (GA Bl. 80) und seinem Antrag auf Zulassung der
Beschwerde vom 26. April 1999 (GA Bl. 118) ausdrücklich
erhobene Antrag auf Feststellung, daß seine Klage gegen die
Entlassungsverfügung der Antragsgegnerin vom 27. Oktober 1998
und den Widerspruchsbescheid vom 12. Januar 1999 aufschiebende
Wirkung hat, hat Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Antragsgegnerin geht erkennbar davon aus, daß ihre
Entlassungsverfügung vom 27. Oktober 1998 ungeachtet des
hiergegen eingelegten Widerspruchs des Antragstellers und
seiner zwischenzeitlich erhobenen Klage sofort vollziehbar
ist. Darauf deutet nicht nur der Wortlaut der Verfügung vom
27. Oktober 1998 hin, in dem es - entsprechend § 10 Abs. 2 der
Verordnung über die Mitwirkung der Helfer im Technischen
Hilfswerk vom 7. November 1991 (BGBl. I S. 2064)
- THW-MitwirkVO - und § 17 Abs. 7 Satz 1 und 2 der Richtlinie
über die Mitwirkung der Helfer im Technischen Hilfswerk vom
1. Dezember 1991 (THW-Rundverfügung vom 22. November 1991,
abgedruckt in: Roeber/Goeckel, Katastrophenschutzgesetz,
Kommentar, Stand: Juni 1996, Band 3, Anlage 33.1)
- THW-HelferRiLi - heißt: "Nach Zustellung des
Entlassungsbescheides haben Sie an den angeordneten
Dienstveranstaltungen nicht mehr teilzunehmen. Ihr
Dienstverhältnis ruht bis zum Abschluß des
Rechtsbehelfsverfahrens durch den bestandskräftigen
Entlassungs- oder einen Widerspruchsbescheid oder durch ein
rechtskräftiges Urteil.". Dies ergibt sich auch ausdrücklich
aus den Stellungnahmen der Antragsgegnerin im hier anhängigen
Verfahren (z.B. S. 3 der Antragserwiderung vom 4. Dezember
1998, GA Bl. 38 und Stellungnahme vom 9. August 1999 zur
gerichtlichen Verfügung vom 26. Juli 1999, GA Bl. 139 f.).</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Wird - wie hier - die aufschiebende Wirkung eines
Rechtsbehelfs nicht beachtet, so ist diese allerdings nicht
gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen, </p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">so jedoch: OVG NRW, Beschluß vom
13. September 1974 - 1 B 649/74 -, OVGE 30, 46
(50 f.); Beschluß vom 29. August 1975
- II B 615/75 -, OVGE 31, 193 (194); Beschluß vom
2. April 1976 - XII B 1412/76 -, OVGE 32, 14 (16 f.);
Beschluß vom 12. Februar 1981 - 18 B 392/81 -,
VerwRspr. 32, Nr. 177, S. 871; Beschluß vom
22. November 1985 - 14 B 2406/85 -, NVwZ 1987,
334 (335),</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">weil diese kraft Gesetzes besteht (§ 80 Abs. 1 VwGO),
sondern es ist eine dahingehende Feststellung zu treffen, daß
der Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung hat. </p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Vgl. Finkelnburg/Jank, vorläufiger Rechtsschutz
im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Auflage, § 44 II,
Rdnr. 905, 906, 908 m.w.N.; Kopp, VwGO,
11. Auflage, Rdnr. 181 zu § 80; Schmidt,
Eyermann/Fröhler, VwGO, 10. Auflage, Rdnr. 109 zu
§ 80; BVerwG, Beschluß vom 17. Dezember 1965
- 2 C 32.65 -, Buchholz 232, § 44 BBG Nr. 8, S. 21;
OVG Bremen, Beschluß vom 19. März 1990
- 1 B 9/90 -, DÖV 1991, 473 (nur Leitsatz);
OVG Hamburg, Beschluß vom 2. Oktober 1981
- Bs V 117/81 -, NVwZ 1982, S. 323 (324);
OVG Lüneburg, Beschluß vom 13. Juni 1990
- 5 M 22/90 -, NVwZ 1990, S. 1194; OVG NRW,
Beschluß vom 3. September 1992 - 14 B 684/92 -,
NVwZ-RR 1993, 269; Bay. VGH, Beschluß vom
1. April 1999 - 2 CS 98.2646 -, Bay.VBl. 1999,
S. 467; Beschluß vom 16. Juli 1980 - 7 CS 90.1090 -,
NVwZ-RR 1990, S. 639 m.w.N. </p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Der Klage des Antragstellers gegen die Entlassungsverfügung
vom 27. Oktober 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 12. Januar 1999 kommt aufschiebende Wirkung zu (§ 80
Abs. 1 Satz 1 VwGO). </p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Voraussetzungen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO,
wonach die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und
Anfechtungsklage u.a. in anderen durch Bundesgesetz
vorgeschriebenen Fällen entfällt, sind nicht erfüllt. § 80
Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, 1. Alt. VwGO setzt ein formelles
Bundesgesetz voraus, wozu eine Rechtsverordnung (Art. 80 GG),
die nicht in einem verfassungsrechtlich geregelten
Gesetzgebungsverfahren zustandegekommen ist, nicht gehört.
</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Vgl. Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/ Scholz,
GG, Stand: Juni 1998, Rdnr. 14 zu Art. 80.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Eine Rechtsverordnung - wie hier § 10 Abs. 2
THW-MitwirkVO - reicht deshalb als Rechtsgrundlage für den
bundesgesetzlichen Ausschluß der aufschiebenden Wirkung im
Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO nicht aus. </p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Vgl. Schoch, in: Schoch/Schmidt-
Aßmann/Pietzner, a.a.O., Rdnr. 126 zu § 80;
Redeker/von Oertzen, VwGO, 12. Auflage, Rdnr. 18
zu § 80 und 8 und § 68; Schmidt, in:
Eyermann/Fröhler, a.a.O., Rdnr. 28 zu § 80; Puttler,
in: Sodan/Ziekow, VwGO, Stand: Juli 1998, Rdnr. 71
zu § 80; Kopp, VwGO, a.a.O., Rdnr. 39 zu § 80;
Finkelnburg/Jank, a.a.O., Rdnr. 701.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Der Ausschluß der aufschiebenden Wirkung in den Fällen des
§ 80 Abs. 2 Satz 1 VwGO stellt eine Ausnahme zu der Regel des
§ 80 Abs. 1 VwGO dar, wonach Widerspruch und Anfechtungsklage
grundsätzlich aufschiebende Wirkung zukommt. Der durch einen
Verwaltungsakt Betroffene hat regelmäßig einen Anspruch
darauf, daß dessen Rechtmäßigkeit (und im Vorverfahren
zusätzlich die Zweckmäßigkeit, § 68 Abs. 1 VwGO) in dem dafür
vorgesehenen Verfahren umfassend geprüft wird, bevor der
Verwaltungsakt vollzogen werden kann. Die aufschiebende
Wirkung eines Rechtsbehelfs ist deshalb für die Wirksamkeit
des zu erlangenden Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) von
wesentlicher Bedeutung. Der Ausschluß der aufschiebenden
Wirkung führt zu einer Verkürzung des Rechtsschutzes, weil das
vorläufige Rechtsschutzverfahren lediglich eine summarische
Prüfung der Sach- und Rechtslage im Rahmen einer
Interessenabwägung gebietet.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">vgl. dazu auch: Clausing, Strukturveränderungen
in der Verwaltungsgerichtsbarkeit?, NVwZ 1992,
S. 717 (720). </p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Eine einschränkende Anwendung des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3
VwGO ist mit Rücksicht auf die Bedeutung der aufschiebenden
Wirkung für die Rechtsschutzgarantie gemäß Art. 19 Abs. 4 GG
und das Regel-Ausnahme-Verhältnis der Bestimmung, das auf den
Willen des Gesetzgebers schließen läßt, nur in beschränkten,
auf besonderen Gründen beruhenden Fällen die aufschiebende
Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage auszuschließen,
geboten.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Vgl. Finkelnburg/Jank, a.a.O., Rdnr. 700; im
Ergebnis auch: Schoch, in: Schoch/Schmidt-
Aßmann/Pietzner, a.a.O., Rdnr. 127 zu § 80 unter
Verneinung eines möglichen Verstoßes gegen
Art. 19 Abs. 4 GG; vgl. auch Kopp, a.a.O., Rdnr. 39
zu § 80.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die von der Antragsgegnerin angeführte Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts vom 17. April 1991 </p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">- 1 BvR 419/81, 213/83 -, NJW 1991, 2005
(2006); so auch BVerwG, Urteil vom 15. Dezember
1966 - VIII C 111.64 -, BVerwGE 25, 348 (349 f.) zu
§ 68 VwGO</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">bezieht sich auf § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO, wonach es einer
Nachprüfung des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nicht
bedarf, wenn ein Gesetz dies für besondere Fälle bestimmt. Die
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist aus den
dargelegten Gründen nicht auf den Anwendungsbereich des § 80
Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO übertragbar. Der Ausschluß des
Vorverfahrens führt nicht in gleichem Umfang zur
Rechtsschutzverkürzung wie der Ausschluß der aufschiebenden
Wirkung eines Rechtsbehelfs, der gerichtlichen Rechtsschutz
wegen der Verfahrensdauer gänzlich hinfällig werden lassen
kann. Mit der Vollziehung eines Verwaltungsakts werden nämlich
häufig vollendete Tatsachen geschaffen, gegen die dann
wirksamer Rechtsschutz nicht mehr zu erreichen ist. </p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Ein Ausschluß der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs
durch § 17 Abs. 7 THW-Helferrichtlinie kommt erst recht nicht
in Betracht, da es nicht einmal um eine Rechtsverordnung,
sondern lediglich um Verwaltungsvorschriften handelt.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 13 Abs. 1 Satz 2,
20 Abs. 3 GKG, wobei der gesetzliche Auffangwert wegen des
vorläufigen Charakters der begehrten Entscheidung um die
Hälfte gekürzt worden ist (Ziff. I 7. des Streitwertkataloges
für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 1996, NVwZ 1996, 563).</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Dieser Beschluß ist gemäß § 152 Abs. 1, § 25 Abs. 3 Satz 2
GKG unanfechtbar.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">
</p>
|
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} | 14 A 1838/98.A | 1999-08-30T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:40 | 2019-02-12T13:54:23 | Beschluss | ECLI:DE:OVGNRW:1999:0830.14A1838.98A.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> G r ü n d e :</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Antrag hat keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung, § 78 Abs. 3
Nr. 1 AsylVfG, kommt der Sache nicht (mehr) zu. Grundsätzliche
Bedeutung hat eine Asylsache dann, wenn mit ihr eine bisher
höchstrichterlich und obergerichtlich nicht beantwortete
Rechtsfrage oder eine bisher obergerichtlich nicht geklärte
tatsächliche Frage mit verallgemeinerungsfähigem Gehalt
aufgeworfen wird, die sich in dem erstrebten
Berufungsverfahren stellen würde und im Interesse der
Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung
des Rechts berufungsgerichtlicher Klärung bedarf. Eine solche
Frage läßt sich dem Zulassungsantrag - unabhängig davon, ob
die Erfordernisse des Darlegungsgebots, § 78 Abs. 4 S. 4
AsylVfG, gewahrt worden sind, - nicht entnehmen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Auf die aufgeworfene Frage, ob wegen des Vorgehens
militärischer und polizeilicher Kräfte der serbisch
dominierten jugoslawischen Bundesrepublik und der serbischen
Republik im Kosovo seit Februar/März 1998 eine
Gruppenverfolgung der albanischen Bewohner des Kosovo wegen
ihrer Volkszugehörigkeit anzunehmen sei und eine inländische
Fluchtalternative nicht bestehe, kommt es bei einer
Entscheidung in einem Berufungsverfahren nicht mehr an.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Für die Beurteilung des Zulassungsgrundes ist die Sach- und
Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf
Zulassung maßgeblich. </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 24. Juni
1999 - 14 A 2788/94.A -, m.w.N., und 5.
Juli 1999 - 13 A 1856/98.A -; vgl. auch
BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 1992
- 9 C 77.91 -, BVerwGE 94, 104.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Seit Stellung des Zulassungsantrages haben sich die
tatsächlichen Verhältnisse in der Bundesrepublik Jugoslawien
grundlegend verändert und auch die Erkenntnislage hat sich
gewandelt. Die Entwicklung der tatsächlichen Verhältnisse
während des Jahres 1999 rechtfertigt nunmehr - erneut - die
Prognose, daß albanischen Volkszugehörigen derzeit und in
absehbarer Zeit eine unmittelbare oder mittelbare staatliche
Verfolgung wegen ihrer Volkszugehörigkeit im Kosovo nicht
droht.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Ende Februar/Anfang März 1999</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">vgl. Urteile vom 24. Februar 1999
- 14 A 3840/94.A - und 11. März 1999
- 13 A 3894/94.A -</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">hatten die beiden zuständigen Senate des Gerichts aufgrund
der damaligen Erkenntnislage die Auffassung vertreten, daß den
albanischen Bewohnern des Kosovo eine Gruppenverfolgung wegen
ihrer Volkszugehörigkeit nicht drohte.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Ende Februar 1999 begann allerdings die serbisch dominierte
Staatsmacht durch Militär, Sonderpolizei und paramilitärische
Einheiten eine - wohl unter dem Codenamen "Operation Hufeisen"
seit langem geplante - Aktion zur systematischen Vertreibung
möglichst vieler albanischstämmiger Staatsangehöriger aus dem
Kosovo, in deren Verlauf seit Mitte März 1999 Tausende von
albanischen Volkszugehörigen getötet und Hunderttausende
mißhandelt, verletzt und vertrieben wurden und Eigentum
albanischer Volkszugehöriger im großen Umfang geplündert oder
vernichtet wurde. Ganze Landstriche sollen entvölkert und
zerstört worden sein. Das ergibt sich aus der dichten
Presseberichterstattung und aus öffentlichen Äußerungen u.a.
der Generalsekretäre von UNO und NATO, von Mitgliedern der
Bundesregierung und anderen Regierungen von NATO-
Mitgliedsstaaten und von den Flüchtlingsbeauftragten der UNO
und der EU. </p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Vgl. bereits Senatsbeschluß vom
24. Juni 1999 - 14 A 2788/94.A -.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Dennoch bedarf es nicht der Entscheidung, ob es sich bei
diesem Vorgehen um eine regionale</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">vgl. dazu OVG NRW, Beschluß vom
5. Juli 1999 - 13 A 1856/98.A - und
VG Düsseldorf, Urteil vom 23. Juli 1999
- 1 K 7776/98.A -</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">oder eine örtlich begrenzte, auf die im Kosovo ansässigen
albanischen Volkszugehörigen beschränkte Gruppenverfolgung
handelte</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">vgl. zur Abgrenzung BVerwG, Urteile
vom 30. April 1996 - 9 C 171.95 -,
BVerwGE 101, 135, 139 ff., und vom
9. September 1997 - 9 C 43.46 -, DVBl.
1998, 247, </p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">und ob die militärischen und polizeilichen Kräfte bereits
seit Anfang 1998 im Kosovo zur Umsetzung eines
Verfolgungsprogramms gegen Albaner vorgegangen sind. Denn
inzwischen hat die serbisch dominierte jugoslawische
Staatsführung und die Führung der serbischen Republik nach
schweren Luftangriffen von zweieinhalb Monaten Dauer durch
Streitkräfte der NATO auf Ziele in der gesamten Bundesrepublik
Jugoslawien, die zuvor für den Fall der Herbeiführung einer
humanitären Katastrophe im Kosovo der Regierung in Belgrad
angedroht worden waren, eingelenkt und nach der Annahme des
sogenannten Petersberger Friedensplanes und dem Abschluß eines
militärischen Rückzugsabkommens die militärischen,
polizeilichen und paramilitärischen Kräfte aus dem Kosovo
zurückgezogen. Aufgrund der Kosovo-Friedensresolution des UN-
Sicherheitsrates vom 10. Juni 1999 (Resolution Nr. 1244)</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">abgedruckt: EuGRZ 1999, 362</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">ist - beginnend Mitte Juni 1999 - eine "internationale
Sicherheitspräsenz" (Kfor) unter maßgeblicher Beteiligung
starker NATO-Kräfte in das Kosovo eingerückt und hat die
Region vollständig besetzt. Die serbische und die serbisch
dominierte jugoslawische Regierung haben aufgrund dessen nicht
mehr die Macht, ihre Herrschaft für das Gebiet des Kosovo
effektiv auszuüben und ein etwa noch weiterbestehendes
Verfolgungsprogramm zu verwirklichen. Die Provinz gehört zwar
nach wie vor zur Bundesrepublik Jugoslawien und ihre Einwohner
sind jugoslawische Staatsangehörige. Sowohl dem jugoslawischen
Gesamtstaat als auch dem serbischen Teilstaat fehlt aber für
diesen Teil des Territoriums die effektive Gebietsgewalt, d.
h. die Staatsgewalt im Sinne wirksamer hoheitlicher
Überlegenheit, die eine politische Verfolgung der dort
lebenden Bevölkerung ermöglichen würde. </p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Vgl. dazu BVerfG, Beschluß vom
10. Juli 1989 - 2 BvR 502, 1000,
961/86 -, BVerfGE 80, 315, 334 ff., und
BVerwG, Urteil vom 22. März 1994
- 9 C 443/93 -, NVwZ 1994, 1112.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die internationale Sicherheitspräsenz und eine im Aufbau befindliche "internationale
zivile Präsenz" sind zunächst für ein Jahr eingerichtet worden mit der Maßgabe, daß dieser
Zeitraum verlängert wird, wenn der UN-Sicherheitsrat nichts anderes beschließt. Eine
Übergangsverwaltung der UN soll eine substantielle Autonomie der Bevölkerung des Kosovo
gewährleisten und u. a. ein sicheres Umfeld für alle Menschen im Kosovo schaffen, die zivile
öffentliche Ordnung aufrechterhalten, die Menschenrechte schützen und fördern und die
sichere und ungehinderte Rückkehr aller Flüchtlinge und Vertriebenen in ihre Heimat im
Kosovo gewährleisten. Nur einige hundert jugoslawische und serbische Staatsbedienstete
werden in das Kosovo zurückkehren dürfen, um sachlich und örtlich begrenzte Aufgaben bei
den UN-Institutionen, bei der Markierung und Räumung von Minenfeldern, bei Stätten des
serbischen Kulturerbes und an wichtigen Grenzübergängen wahrzunehmen. Es gibt keine
Anhaltspunkte dafür, daß die Kfor und die internationale zivile Präsenz den Kosovo vorzeitig
verlassen und serbischen oder serbisch dominierten jugoslawischen Kräften eine
Wiederholung vergleichbarer Verfolgungen der albanischen Bevölkerung im Kosovo
ermöglichen würden.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Ebenso OVG NRW, Beschluß vom 5. Juli
1999 - 13 A 1856/98.A -.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Diese inzwischen eingetretenen grundlegenden Veränderungen
der Lage im Kosovo sind aufgrund der breiten aktuellen
Berichterstattung allgemeinkundig und bedürfen deshalb keiner
weiteren Klärung in einem Berufungsverfahren. </p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom
20. Oktober 1992 - 9 C 77.91 -, a.a.O.;
GK-AsylVfG 1992 Stand Dezember 1998
§ 78 Rdnr. 137 ff.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Die weiter aufgeworfene Frage, ob die Lage im Kosovo - nur
insoweit könnte der Sache überhaupt grundsätzliche Bedeutung
zukommen - einen Anspruch auf Gewährung von Abschiebungsschutz
gemäß § 53 Abs. 6 AuslG begründet, ist in der Rechtsprechung
der beiden zuständigen Senate des Gerichts - verneinend -
geklärt.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Vgl. Beschlüsse vom 16. November
1998 - 13 A 4113/98.A -, InfAuslR 1999,
124 = NVwZ-Beil. 1999, 35, und vom
17. Februar 1999 - 14 A 1066/98 -.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">An der für die genannten Entscheidungen maßgeblichen
Rechtslage hat sich nichts geändert. Das Abkommen über die
Rückführung und Rückübernahme von ausreisepflichtigen
deutschen und jugoslawischen Staatsangehörigen ist weder von
der Bundesrepublik Deutschland noch von der Bundesrepublik
Jugoslawien bisher gekündigt worden. Das EU-Flugverbot für die
nationale jugoslawische Fluglinie JAT besteht nach wie
vor.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Ergänzend weist der Senat darauf hin, daß - wie den
Erlassen des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen
vom 4. und 10. August 1999, I B 5/6.2.1, zu entnehmen ist -
der Flughafen Pristina seit dem 2. August 1999 für humanitäre
Charterflüge geöffnet ist und inzwischen die freiwillige
Rückkehr von Flüchtlingen aus der Bundesrepublik Deutschland
in das Kosovo durch die Internationale Organisation für
Migration (IOM) betreut wird.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2 VwGO, 83 b
AsylVfG.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Dieser Beschluß ist unanfechtbar.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">
</p>
|
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<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> G r ü n d e :</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist gemäß § 124a Abs. 3 Satz 5 VwGO
unzulässig. Der Beklagte hat die Berufung entgegen § 124a
Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht innerhalb eines Monats nach
Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung
begründet. Für die mit Schriftsatz vom 17. August 1999
nachgeholte Begründung kann dem Beklagten die Wiedereinsetzung
in den vorigen Stand gemäß § 60 Abs. 1 VwGO nicht gewährt
werden.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Wiedereinsetzung nach § 60 Abs. 1 VwGO setzt voraus,
daß der Prozeßbeteiligte ohne Verschulden gehindert war, die
gesetzliche Frist einzuhalten. Davon ist nicht auszugehen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Ein Verschulden eines Vertreters ist als eigenes
Verschulden des durch ihn vertretenen Beteiligten anzusehen
(§ 173 VwGO iVm § 85 Abs. 2 ZPO). Für die Prozeßvertretung von
juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden
durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt
gelten insoweit die Sorgfaltsanforderungen an Rechtsanwälte
entsprechend. </p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Beschluß vom 6. Juni
1995 - 6 C 13.93 -, NVwZ-RR 1996, 60
m.w.N. </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Bedient sich der Bevollmächtigte - wie hier -
Hilfspersonen, bedeutet dies, daß sie mit der erforderlichen
Sorgfalt ausgewählt, angeleitet und überwacht werden müssen.
Durch eine zweckmäßige Büroorganisation ist dabei insbesondere
alles Erforderliche zu tun, um Fristversäumnisse zu
verhindern. Daß der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten dieser
Obliegenheit hier nachgekommen ist, ist jedoch nicht
hinreichend glaubhaft gemacht worden. </p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Ein Organisationsverschulden fällt dem
Prozeßbevollmächtigten dann zur Last, wenn er nicht durch
allgemeine Anweisung dafür Sorge trägt, daß der Ablauf von
Rechtsmittelfristen, einschließlich derer zu ihrer Begründung,
zuverlässig rechtzeitig bemerkt wird. </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Beschluß vom
21. Oktober 1997 - 2 C 13.97 - mit
Hinweis auf BVerwG, Beschluß vom
24. August 1995 - 3 B 37.95 -, Buchholz
310 § 60 Nr. 202 m.w.N. </p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Dazu, daß Fristen dementsprechend in der geeigneten Form
festgehalten werden, </p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">vgl. etwa auch BGH, Beschluß vom
10. Oktober 1991 - VII ZB 4/91 -, NJW
1992, 574, </p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">gehört maßgebend, Rechtsmittelfristen und
Rechtsmittelbegründungsfristen deutlich von allen anderen
Fristen abgehoben zu notieren. </p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Beschluß vom 27. Juni
1984 - 9 B 3209.82 -, Buchholz 310 § 60
Nr. 140. </p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Gerade in Bezug auf Rechtsmittelbegründungsfristen ist
demnach von gesteigerten Sorgfaltspflichten auszugehen. </p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Vgl. etwa BVerwG, Beschluß vom
30. Juli 1997 - 11 B 23/97 -, NJW 1997,
3390. </p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Daß der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten in der danach
erforderlichen Art und Weise Sicherungsmaßnahmen im Rahmen
seiner Büroorganisation für den Fall des Eingangs einer - eine
Rechtsmittelfrist oder Rechtsmittelbegründungsfrist
auslösenden - gerichtlichen Entscheidung getroffen hat, läßt
sich dem Wiedereinsetzungsvorbringen des Beklagten nicht
entnehmen. Von der Führung eines gesonderten Vorlagekalenders
in derartigen Fristsachen etwa ist auch im Vermerk der
Regierungsamtsfrau Fuchs, die mit der büromäßigen Führung der
Akten betraut ist, nicht die Rede. Soweit dem Beklagtenvortrag
eine bloße Anordnung zu entnehmen ist, die zwischenzeitlichen
Eingänge nach Rückkehr aus dem Urlaub dem
Prozeßbevollmächtigten zur Bearbeitung vorzulegen, wird eine
solche Handhabung der Besonderheit von Fristensachen nicht
gerecht.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2
VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit
der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO iVm §§ 708
Nr. 10, 711 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Der Senat läßt die Revision nicht zu, weil die
Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen. </p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">
</p>
|
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<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">
</p>
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<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> Tatbestand:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin betreibt eine Anlage zur Aufarbeitung von stabförmigen
Leuchtstoffröhren mit einer "Zerlegemaschine", die einen Durchsatz von bis zu 4.000
Röhren je Stunde ermöglicht.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Auf den im Juli 1991 gestellten Antrag erteilte die Beklagte der Klägerin durch
Bescheid vom 17. Januar 1992 nach § 7 Abs. 2 des Abfallgesetzes (AbfG) die
Genehmigung für die Errichtung und den bis zum 31. Dezember 2002 befristeten
Betrieb der Anlage. Der Genehmigung ist folgende Nebenbestimmung beigefügt:</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">III.4 Als Sicherheitsleistung wird für
Rekultivierungsmaßnahmen sowie zur
Verhinderung oder Beseitigung von
Beeinträchtigungen des Wohls der Allgemeinheit
eine Bankbürgschaft in Höhe von 100.000,00 DM
zugunsten des Landes Nordrhein-Westfalen
gefordert. </p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">
Hierzu ist seitens der Beklagten im Rahmen der Prüfung des Genehmigungsantrags
vermerkt worden: Die bei der Zerlegung der Leuchtstoffröhren anfallenden
Komponenten (Sockel bzw. Kappen, Leuchtstoff und Glasbruch), die mit Quecksilber
verunreinigt seien, seien besonders überwachungsbedürftige Abfälle, die ohne
Weiterbehandlung auf einer Untertagedeponie entsorgt werden müßten. Die weitere
Aufbereitung bzw. eine Entsorgung als Abfälle sei ungewiß. Auch die Klägerin habe
bestätigt, daß Verwertungs- und Entsorgungsnachweise noch nicht vorlägen. Daher
sei erforderlich, daß vor Inbetriebnahme der Anlage eine Sicherheitsleistung in Höhe
von 100.000,00 DM und entsprechende Verwertungs- und Entsorgungsnachweise
vorgelegt würden. </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Nachdem bei der Abnahme der Anlage festgestellt worden war, daß die
Sicherheitsleistung nicht vorlag, forderte die Beklagte die Klägerin zur Beibringung
der Sicherheitsleistung auf. Diese wandte ein, die Sicherheitsleistung bedeute eine
hohe finanzielle Belastung, zumindest von 2.500,00 DM je Jahr, und eine
Einschränkung des Kreditrahmens. Mit Schreiben vom 3. November 1994 beantragte
sie, die Nebenbestimmung III.4 nach § 49 Abs. 1 des
Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) zu widerrufen. Zur Begründung führte sie
aus: Durch das Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetz sei die
Rechtslage dahin geändert worden, daß gemäß § 8 Abs. 2 AbfG eine
Sicherheitsleistung bei Anlagen zur Lagerung oder Behandlung von Abfällen nicht
mehr verlangt werden könne; auch das Bundes-Immissionsschutzgesetz enthalte
dafür keine Rechtsgrundlage. Da sich die der auf Dauer wirkenden
Nebenbestimmung zugrunde liegende Rechtslage in einer Weise geändert habe,
daß die Nebenbestimmung nicht mehr erlassen werden dürfe, sei die Beklagte zum
Widerruf verpflichtet. </p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Beklage wertete diesen Antrag als auf Wiederaufgreifen des Verfahrens
gerichtet und lehnte ihn mit Bescheid vom 11. November 1994 ab. Zur Begründung
ist ausgeführt: Der Antrag sei unzulässig, weil die Drei-Monats-Frist des § 51 Abs. 3
VwVfG nicht eingehalten sei. Als Grund für ein Wiederaufgreifen sei allein in Betracht
zu ziehen, daß mit dem Inkrafttreten des Investitionserleichterungs- und
Wohnbaulandgesetzes gemäß § 67 Abs. 7 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes
(BImSchG) abfallrechtliche Genehmigungen als Genehmigungen nach dem
Bundes-Immissionsschutzgesetz fortgelten und daß nach diesem Gesetz eine
Sicherheitsleistung nicht verlangt werden könne. Sollte darin eine nachträgliche
Änderung der Rechtslage zu Gunsten der Klägerin gesehen werden können, wäre
die Änderung bereits 1993 eingetreten, was der Klägerin bekannt gewesen sei. Der
Antrag sei auch unbegründet. Aus § 67 Abs. 7 BImSchG folge, daß die nach dem
Abfallbeseitigungsgesetz erteilten Genehmigungen mit dem Inhalt fortgelten, mit dem
sie erlassen seien. Damit bestehe ein materieller Rechtsgrund für das
Behaltendürfen oder Erbringenmüssen der Sicherheitsleistung nach Maßgabe der
bestandskräftigen Regelung; deren Aufhebung komme für ein Vorhaben, das
nunmehr dem Bundes-Immissionsschutzgesetz unterfalle, grundsätzlich nicht in
Betracht. Eine Wille des Gesetzgebers, die materielle Rechtslage für nach Abfallrecht
entschiedene Fälle rückwirkend zu ändern, sei nicht zum Ausdruck gelangt.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Den hiergegen erhobenen Widerspruch begründete die Klägerin wie folgt:
Rechtsgrundlage für die begehrte Aufhebung der belastenden Nebenbestimmung sei
jedenfalls § 49 Abs. 1 VwVfG. Da die Voraussetzungen für einen Widerruf vorlägen,
bestünden erst Recht keine Bedenken gegen eine Rücknahme für den Fall, daß die
Anordnung einer Sicherheitsleistung von Anfang an - etwa wegen Fehlens der
Abfalleigenschaft der aufzubereitenden Leuchtstoffröhren - rechtswidrig gewesen sei
oder nachträglich durch die in Rede stehende Gesetzesänderung rechtswidrig
geworden sei. Gründe, die einem Widerruf entgegenstünden, seien nicht ersichtlich.
Eine inhaltsgleiche Regelung müßte nicht erneut erlassen werden, da mit der
Überführung von Abfallentsorgungsanlagen in das Immissionsschutzrecht die früher
maßgebliche Bestimmung des § 8 Abs. 2 AbfG nicht mehr einschlägig sei und das
jetzt eingreifende Bundes-Immissionsschutzgesetz eine Ermächtigungsgrundlage
nicht biete. Ein Widerruf sei auch nicht aus anderen Gründen unzulässig;
insbesondere gebe es keine Selbstbindung der Behörden durch Weisung oder
einheitliche Verwaltungspraxis, wie die Aufhebung einer entsprechenden
Nebenbestimmung in einem anderen Fall durch die Bezirksregierung M. zeige.
Das grundsätzlich eröffnete Ermessen der Beklagten verdichte sich hier zu einem
Anspruch auf den Widerruf der Regelung, weil sich die ihr zugrundeliegende
Rechtslage geändert habe, eine entsprechende Regelung nicht mehr getroffen
werden dürfe und daher durch die nachträgliche Änderung der Rechtslage die
Ermächtigungsgrundlage für den Grundrechtseingriff entfallen sei. Auch der
Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gebiete die Aufhebung der
belastenden Regelung. § 67 Abs. 7 Satz 1 BImSchG stehe dem nicht entgegen. Die
Vorschrift solle lediglich im Hinblick auf die Zulassung den Bestandsschutz
abfallrechtlich zugelassener Anlagen sicherstellen, diese im übrigen aber den
Bestimmungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes unterstellen; sie rechtfertige
insbesondere nicht die Aufrechterhaltung einer belastenden Regelung wie die nach
dem neuen Recht nicht mehr vorgesehene Forderung einer Sicherheitsleistung. Ziel
der Gesetzesänderung, bei der eine entsprechende Rechtsgrundlage nicht in das
Bundes-Immissionsschutzgesetz übernommen worden sei, sei es gewesen, die
Anlagenbetreiber solcher Entsorgungsanlagen, die sich hinsichtlich der Nachsorge
nicht wesentlich von Produktionsanlagen unterschieden, durch die Abschaffung der
Sicherheitsleistung wirtschaftlich zu entlasten. Daher sei kein sachlicher Grund
erkennbar, Betreiber von Altanlagen von dieser Vergünstigung auszunehmen. Der
Antrag sei aber auch gemäß § 51 VwVfG zulässig, weil es für die Berechnung der
Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG nicht auf das Kennenmüssen, sondern auf die
tatsächliche Kenntnis von der geänderten Rechtslage ankomme, die sie, die
Klägerin, erst in einem anwaltlichen Beratungsgespräch am 31. August 1994 erlangt
habe. </p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Mit Bescheid vom 20. Dezember 1994, der Klägerin zugestellt am 23. Dezember
1994, wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Daraufhin hat die Klägerin am 23. Januar 1995 Klage erhoben, zu deren
Begründung sie ergänzend geltend gemacht hat: § 67 Abs. 7 Satz 1 BImSchG biete
keinen materiellen Rechtsgrund für das Festhalten an der nach altem Recht
auferlegten Sicherheitsleistung. Es sei nicht Anliegen des Gesetzgebers gewesen,
die Altanlagenbetreiber insoweit schlechter zu stellen und Wettbewerbsnachteilen
auszusetzen. Hiergegen spreche auch, daß Betreiber von Altanlagen jederzeit auf
die erteilte abfallrechtliche Genehmigung verzichten und statt dessen eine neue
immissionsschutzrechtliche Genehmigung beantragen könnten.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides
vom 11. November 1994 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 20. Dezember 1994
zu verpflichten, die Nebenbestimmung unter III.4 des
Genehmigungsbescheides vom 17. Januar 1992
aufzuheben,
hilfsweise,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom
11. November 1994 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 20. Dezember 1994
zu verpflichten, über den Antrag vom 3. November
1994 auf Aufhebung der Nebenbestimmung unter
III.4 des Genehmigungsbescheides vom 17. Januar
1992 unter Beachtung der Rechtsauffassung des
Gerichts neu zu entscheiden.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">
Die Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen,</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">und sich im wesentlichen auf die Begründung der erlassenen Bescheide
bezogen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">
Durch das angefochtene Urteil hat das Verwaltungsgericht die Beklagte gemäß dem
Hilfsantrag verpflichtet und im übrigen die Klage abgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Nach Zustellung des Urteils am 8. Mai 1996 hat die Beklagte am 3. Juni 1996
hiergegen Berufung eingelegt. Die Klägerin hat am 26. Februar 1997
Anschlußberufung eingelegt. </p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte macht geltend: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf erneute
Bescheidung, weil ihr, der Beklagten, kein Ermessen eröffnet sei, über den Widerruf
zu entscheiden. Ein Widerruf der streitigen Nebenbestimmung wäre nämlich
unzulässig. Zwar sei § 8 Abs. 2 AbfG für eine heute nach dem
Bundes-Immissionsschutzgesetz zuzulassende Abfallentsorgungsanlage keine
taugliche Rechtsgrundlage für die Anordnung einer Sicherheitsleistung. Für
Altanlagen enthalte aber § 67 Abs. 7 BImSchG eine materielle Regelung, nach der
die in einem abfallrechtlichen Zulassungsbescheid getroffenen Regelungen auch
dann fortgelten, wenn die Abfallentsorgungsanlage nunmehr dem Regime des
Bundes-Immissionsschutzgesetzes unterstehe. Zweck dieser Vorschrift sei es, wie
sich auch aus den Gesetzesmaterialien ergebe, eine durch den Wechsel vom Abfall-
ins Immissionsschutzrecht bedingte Schlechterstellung der Betreiber von Altanlagen
zu verhindern und den betreffenden Anlagen Bestandsschutz zu gewähren, aber
nicht, die Betreiber von Altanlagen, die nun dem Bundes-Immissionsschutzgesetz
unterlägen, von der Verpflichtung zur Erbringung einer Sicherheitsleistung
freizustellen und sie so über das gesetzgeberische Ziel der Bestandssicherung
hinaus rechtlich besserzustellen. Dies würde aber ermöglicht, könnte sich der
Anlagenbetreiber im Wege einer erneuten Sachentscheidung der Pflicht zur
Erbringung einer Sicherheitsleistung entledigen. Daher sei auch kein Raum für
Ermessenserwägungen hinsichtlich etwaiger Wettbewerbsnachteile; der
Gesetzgeber habe in Kenntnis möglicher Nachteile die abschließende Regelung
geschaffen. Aus dem Vorstehenden folge auch, daß ein - weitgehender - Anspruch
auf Aufhebung der Nebenbestimmung sich insbesondere nicht aus § 51 Abs. 1 Nr. 1
VwVfG ergebe, weil eine nachträgliche Änderung der Rechtslage zu Gunsten der
Klägerin nicht eingetreten sei.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage
in vollem Umfang abzuweisen,
sowie
die Anschlußberufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen und - im Wege der
Anschlußberufung - unter entsprechender Änderung
des erstinstanzlichen Urteils nach dem
erstinstanzlichen Hauptantrag zu erkennen.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">
Zur Begründung macht sie geltend: Der Anspruch auf Aufhebung der belastenden
Regelung zur Erbringung einer Sicherheitsleistung ergebe sich bereits aus § 51 Abs.
1 Nr. 1 VwVfG. § 67 Abs. 7 BImSchG stehe der Annahme einer nachträglichen
Änderung der Rechtslage zu ihren Gunsten nicht entgegen; aus der Vorschrift folge
nur, daß die genehmigte Anlage gemäß der abfallrechtlich erteilten Genehmigung
einschließlich ihrer Nebenbestimmungen Bestandsschutz genieße. Ein solcher
Fortbestand der Zulassungsentscheidung mit dem bisherigen Gehalt trotz
eingetretener Rechtsänderung werde in § 51 Abs. 1 VwVfG gerade vorausgesetzt
und könne daher nicht gegen das Eingreifen dieser Regelung angeführt werden. Da
die sonstigen Voraussetzungen für das Wiederaufgreifen des Verfahrens vorlägen
und eine Ermächtigungsgrundlage für die streitige Anordnung nicht mehr bestehe,
könne sie, die Klägerin, die Aufhebung beanspruchen. Dies gelte auch unabhängig
von § 51 VwVfG bei Anwendung der §§ 48, 49 VwVfG. Die Beklagte sei unter
Ermessensreduzierung zum Widerruf verpflichtet, da sich bei der streitigen auf Dauer
wirkenden Regelung die ihr zugrundeliegenden rechtlichen Verhältnisse geändert
hätten und die Anordnung nicht mehr erlassen werden dürfe. Der mit § 67 Abs. 7
BImSchG bezweckte Bestandsschutz schließe eine Besserstellung dadurch, daß
Altanlagen dem Regime des Bundes-Immissionsschutzgesetzes unterstellt werden
sollten, nicht aus. Diese Besserstellung werde durch die allgemeinen Vorschriften
über die Aufhebung bestandskräftiger Verwaltungsakte bewirkt. Jedenfalls habe die
Beklagte nach Ermessen neu zu entscheiden. Ein Widerruf sei nicht unzulässig.
Dafür könne § 67 Abs. 7 BImSchG nicht herangezogen werden, da diese Vorschrift
nicht materiell regele, daß auf die erfaßten Anlagen nach wie vor § 8 Abs. 2 AbfG
anzuwenden sei.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug
genommen. </p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe:</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist unbegründet. Die Beklagte kann das mit der Berufung verfolgte
Ziel der Klageabweisung in vollem Umfang nicht erreichen, da ihre Verpflichtung zur
Neubescheidung nicht zu ihren Lasten rechtswidrig ist. Die gemäß § 127
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässige Anschlußberufung der Klägerin ist
begründet; denn sie kann nicht nur eine Ermessensentscheidung über die
Aufhebung der Nebenbestimmung verlangen, sondern weitergehend deren
Aufhebung. Die Beklagte ist daher unter Zurückweisung ihrer Berufung auf die
Anschlußberufung der Klägerin gemäß dem erstinstanzlichen Hauptantrag zu
verpflichten (§§ 113 Abs. 5 Satz 1, 129 VwGO).</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin kann ihr Begehren auf Aufhebung der Nebenbestimmung III.4 zur
Genehmigung vom 17. Januar 1992, die bestandskräftig geworden ist, auf § 51 Abs.
1 Nr. 1 VwVfG stützen.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte ist für dieses Verwaltungshandeln zuständig. Aus § 51 Abs. 4
VwVfG folgt der Rechtsgedanke, daß zur Entscheidung über die Aufhebung oder
Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsakts die jetzt zur Entscheidung in der
Sache, d.h. zum Erlaß des betroffenen Verwaltungsakts berufene Behörde zuständig
ist. Zuständig zur Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, also zur
Entscheidung über den Genehmigungsantrag in bezug auf eine Anlage der von der
Klägerin betriebenen Art ist die Beklagte. Dies folgt aus § 1 Abs. 1 der Verordnung
zur Regelung von Zuständigkeiten auf dem Gebiet des technischen Umweltschutzes
(ZustVOtU) vom 14. Juni 1994 in der zur Zeit maßgeblichen Fassung (SGV 282) in
Verbindung mit Nr. 10.1.1 Unterziffer 1. der Anlage. Die Anlage der Klägerin ist eine
nach der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen (4. BImSchV) in der
jetzt maßgeblichen Fassung genehmigungsbedürftige Anlage, die ganz oder
teilweise einer Umweltsverträglichkeitsprüfung nach dem Gesetz über die
Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) zu unterwerfen ist. Nach Nr. 1 der Anlage zu
§ 3 UVPG in Verbindung mit Nr. 27 des Anhangs zu dieser Anlage gilt dies für die
Zulassung von Abfallentsorgungsanlagen, wenn für sie ein Verfahren mit
Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen ist; dies betrifft nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 4.
BImSchV solche Anlagen, die in Spalte 1 des Anhangs aufgeführt sind. Die Anlage
der Klägerin unterfällt Nr. 8.10 a) Spalte 1 des Anhangs. Sie ist eine Anlage zur
Behandlung von besonders überwachungsbedürftigen Abfällen, auf die die
Vorschriften des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes (KrW-/AbfG) Anwendung
finden. Die in der Anlage der Klägerin aufbereiteten Leuchtstoffröhren sind
besonders überwachungsbedürftige Abfälle im Sinne von § 41 Abs. 1 KrW-/AbfG in
Verbindung mit § 1 Nr. 1 der Bestimmungsverordnung besonders
überwachungsbedürftige Abfälle - BestbüAbfV - vom 10. September 1996, BGBl. I
1366, weil sie unter Ziffer 20 der Anlage 1 zu dieser Verordnung mit dem
Abfallschlüssel 20 01 21 aufgeführt sind. Es steht auch zur Überzeugung des
Gerichts fest, daß die Anlage der Klägerin eine Anlage mit einem Durchsatz von 10
Tonnen je Tag oder mehr ist. Maßgebend für die Beurteilung ist der durch die erteilte
Genehmigung zugelassene Betriebsumfang. Dieser ist nicht ausdrücklich auf eine
bestimmte tägliche Durchsatzleistung beschränkt. Eine Beschränkung auf einen
Durchsatz von weniger als 10 Tonnen je Tag ergibt sich auch nicht aus der Kapazität
der genehmigten Anlage. Nach Angaben in den vorliegenden Verwaltungsvorgängen
und den Erörterungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ist zugrunde zu
legen, daß die "Zerlegemaschine" eine Durchsatzkapazität von 4.000
Leuchtstoffröhren entsprechend 1 Tonne je Stunde hat. Eine Beschränkung der
Betriebszeiten regelt die erteilte Genehmigung nicht, und auch sonst fehlen
Anhaltspunkte dafür, daß der bestimmungsgemäße Betrieb einen Vollastbetrieb von
10 Stunden nicht zuläßt. Angesichts dessen ist auch unter Berücksichtigung der in
der mündlichen Verhandlung gemachten Angaben zum tatsächlichen
Betriebsumfang davon auszugehen, daß der zugelassene Betrieb die
zuständigkeitsbestimmende Durchsatzmenge erreicht.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG liegen vor. Die der
Genehmigung vom 17. Januar 1992 zugrundeliegende Rechtslage hat sich in bezug
auf die streitige Nebenbestimmung nachträglich zu Gunsten der Klägerin geändert.
Eine Änderung der Rechtslage liegt vor, wenn eine nachträglich ergangene
Rechtsvorschrift die für den Erlaß des Verwaltungsakts maßgeblichen Rechtsnormen
mit Wirkung für den erlassenen Verwaltungsakt, also dessen
entscheidungserhebliche Voraussetzungen betreffend ändert; das ist, wenn die
ändernde Rechtsvorschrift nicht rückwirkend in Kraft tritt, der Fall, wenn sie einen
Sachverhalt betrifft, der in einem Verwaltungsakt mit Dauerwirkung geregelt worden
ist. </p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Beschluß vom 13. Juni 1995 - 6 B
15.95 -, Buchholz 421.0 (Prüfungswesen), Nr. 351;
Klappstein in Knack (Hrsg.), VwVfG, 4. A., § 51 Rdnr.
5.2; Sachs in Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, 5. A., §
51 Rdnr. 94.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">
Rechtsgrundlage der Nebenbestimmung III.4, die der auf der Grundlage des § 7 Abs.
2 des Abfallgesetzes (AbfG) vom 27. August 1986, BGBl. I, 1410 in der bis zum
Inkrafttreten des Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetzes vom 22. April
1993, BGBl. I, 466 zum 1. Mai 1993 geltenden Fassung für die Errichtung und den
Betrieb der als ortsfeste Abfallentsorgungsanlage aufgefaßten Anlage der Klägerin
erteilten Plangenehmigung beigefügt worden war, war § 8 Abs. 2 AbfG. Nach dieser
Vorschrift konnte die zuständige Behörde in der Planfeststellung oder in der
Genehmigung verlangen, daß der Inhaber einer Abfallentsorgungsanlage für die
Rekultivierung sowie zur Verhinderung oder Beseitigung von Beeinträchtigungen des
Wohls der Allgemeinheit nach Stillegung der Anlage Sicherheit leistet. Durch Art. 6
Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetz ist § 7 AbfG dahin geändert
worden, daß die Errichtung und der Betrieb von ortsfesten Abfallentsorgungsanlagen
zur Lagerung oder Behandlung von Abfällen der Genehmigung nach den
Vorschriften des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, nicht aber einer weiteren
abfallrechtlichen Zulassung bedürfen (Abs. 1). Ferner ist § 8 Abs. 2 AbfG dahin
gefaßt worden, daß eine Sicherheitsleistung nur noch vom Inhaber einer Anlage zur
Ablagerung von Abfällen (Deponie) verlangt werden kann. Entsprechende
Bestimmungen finden sich nun in § 31 Abs. 2, § 32 Abs. 3 KrW-/AbfG. Schließlich ist
durch Art. 8 Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetz in § 67 BImSchG
ein Absatz 7 angefügt worden, nach dessen Satz 1 eine Planfeststellung oder
Genehmigung nach dem Abfallgesetz als Genehmigung nach dem Bundes-
Immissionsschutzgesetz fortgilt. Folge dieser Rechtsänderung ist, daß die für eine
Aufnahme der streitigen Nebenbestimmung geltende und in Bezug genommene
Ermächtigungsgrundlage für die Anordnung einer Sicherheitsleistung für Anlagen der
hier in Rede stehenden Art weggefallen ist. </p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Der nachträgliche Wegfall der Ermächtigungsgrundlage berührt die streitige
Nebenbestimmung unmittelbar, weil diese eine Regelung mit Dauerwirkung ist. Eine
solche ist dadurch geprägt, daß der Sachverhalt, der ihr zugrundeliegt und für den
sie Rechtsfolgen begründet, nicht auf einen bestimmten Zeitpunkt fixiert ist, sondern
für einen bestimmten Zeitraum zugrundegelegt wird, sie mithin ein auf Dauer
angelegtes Rechtsverhältnis begründet oder inhaltlich ändert. </p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Beschluß vom 13. Juni 1995,
a.a.O.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 28. Juli
1983 - 2 S 299/81 -, NuR 1984, 102, 104, zu einer
naturschutzrechtlichen Sicherheitsleistung.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Die Nebenbestimmung III.4 ist auf Rechtswirkungen jedenfalls für die Dauer des
genehmigten Anlagenbetriebs angelegt. Sie erschöpft sich nicht in der einmaligen
Handlungspflicht, die Bankbürgschaft beizubringen, sondern begründet für die Dauer
des Betriebes und gegebenenfalls darüber hinaus auch die Verpflichtung der
Klägerin, eine Vertragsgestaltung mit einer Bank beizubehalten, der ein
Dauerrechtsverhältnis in Gestalt eines Bürgschaftsverhältnisses zwischen der Bank
und dem Land Nordrhein-Westfalen als Sicherungsnehmer entspricht. Diese auf
Dauer angelegte Rechtswirkung der streitigen Anordnung entspricht Sinn und Zweck
der Befugnis aus § 8 Abs. 2 AbfG und der abfallrechtlichen Sicherheitsleistung. Diese
zielt auf die Pflichten des Betreibers einer Abfallentsorgungsanlage, auch nach deren
Stillegung Beeinträchtigungen des Wohls der Allgemeinheit, die beispielsweise von
abgelagerten oder entsorgten Abfällen bzw. von Rückständen der Abfallbehandlung
oder von in der Anlage zurückgelassenen, noch nicht behandelten Abfällen
ausgehen können, zu verhindern oder zu beseitigen. Die Sicherheitsleistung soll
sicherstellen, daß der Verpflichtete die notwendigen Schutzvorkehrungen nach
Einstellung des Betriebes auch wirklich auf seine Kosten trifft und das Risiko einer
etwaigen Zahlungsunfähigkeit im Hinblick auf nach Stillegung erforderliche, oft
erheblich kostenaufwendige Abwehrmaßnahmen den Verursacher trifft und nicht zu
Lasten der Allgemeinheit geht. </p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. November 1991 - 7
C 6.91 -, BVerwGE 89, 215, 218;
Kunig/Schwermer/Versteyl, AbfG, 2.A., 1992, § 8
Rdnr. 32; Kunig/Paetow/Versteyl, KrW-/AbfG, 1998,
§ 32 Rdnr. 77 f.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Sie erfüllt ihren Sinn daher nur, wenn der Zeitraum bis zum möglichen Zeitpunkt
der Realisierung der abzusichernden Pflichten abgedeckt wird.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts (NVwZ 1997, 820 ff.) steht §
67 Abs. 7 Satz 1 BImSchG einer Wirkung des Wegfalls der Ermächtigungsgrundlage
für die streitige Nebenbestimmung nicht entgegen. Mit dieser Vorschrift werden die
genehmigungsrechtlichen Konsequenzen aus dem Wegfall des abfallrechtlichen
Zulassungserfordernisses für die von der Rechtsänderung betroffenen Anlagen und
aus der Unterstellung dieser Anlagen nur unter das immissionsschutzrechtliche
Genehmigungserfordernis gezogen. Sinn und Zweck der Übergangsbestimmung ist,
wie auch im Gesetzgebungsverfahren zum Ausdruck gelangt ist</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">- vgl. BT-Drucks. 12/4208 S. 27 und 12/4340 S.
28 -, </p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">
"sicherzustellen, daß Anlagen, die künftig zulassungsrechtlich dem Bundes-
Immissionsschutzgesetz unterfallen, aber noch nach dem Abfallgesetz genehmigt
oder planfestgestellt wurden, insoweit Bestandsschutz genießen, im übrigen aber
dem Regime des Bundes-Immissionsschutzgesetzes unterstellt werden." Der
bezweckte Bestandsschutz ist auf das Zulassungsrecht bezogen; er bedeutet, daß
der Betreiber einer genehmigten Anlage keiner neuen Genehmigung nach dem
Bundes-Immissionsschutzgesetz bedarf, die Anlage vielmehr als danach zugelassen
gilt. Mangels einer abweichenden ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung zum
fortgeltenden Genehmigungsinhalt erfaßt die Fortgeltung die Altgenehmigung
unverändert, also mit dem zum Zeitpunkt der Gesetzesänderung gegebenen Inhalt
einschließlich beigefügter Nebenbestimmungen; dies gilt auch für die Festsetzung
einer Sicherheitsleistung nach § 8 Abs. 2 AbfG oder für eine Befristung.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Vgl. Czajka in Feldhaus,
Bundesimmissionsschutzrecht Band I, § 67
BImSchG Anmerkung 11; Hansmann in
Landmann/Rohmer, Umweltrecht Band I, Stand:
15.3.1999, § 67 BImSchG Rdnrn. 10 und 44; Jarass,
BImSchG, 2.A., § 67 Rdnr. 30.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">
Die durch die gesetzliche Übergangsbestimmung bewirkte Fortgeltung auch der die
Sicherheitsleistung anordnenden Nebenbestimmung hat aber nicht gleichsam aus
sich selbst zur Folge, daß die belastende auf Dauer angelegte Nebenbestimmung
einer fortdauernden materiell-rechtlichen Grundlage nicht mehr bedarf oder die
Ermächtigungsgrundlage für die von § 67 Abs. 7 Satz 1 BImSchG erfaßten Anlagen
in das nunmehr einschlägige Immissionsschutzrecht gleichsam hinübergezogen
wurde. Ersteres würde die allgemeinen Grundsätze für die Betrachtung und zu den
rechtlichen Voraussetzungen von Dauerverwaltungsakten in einer Weise
durchbrechen, daß es insofern einer - fehlenden - ausdrücklichen gesetzlichen
Regelung bedürfte. Gegen ein Hinüberziehen der Ermächtigungsgrundlage, die für
die abfallrechtlich geprägte Nebenbestimmung maßgeblich war, spricht schon deren
mit der Rechtsänderung einhergehende Beschränkung auf Deponien und damit das
Fehlen einer - ansonsten in der Technik der Gesetzgebung bei
Übergangsbestimmungen gegebenenfalls praktizierten - ausdrücklichen Anordnung
der Fortgeltung alten Rechts. Die Unterstellung der nach dem Abfallgesetz
zugelassenen Anlagen unter das "Regime" des Bundes-Immissionsschutzgesetzes
bewirkt, daß für diese Anlagen nunmehr nur die materiell-rechtlichen Vorschriften des
Immissionsschutzrechts maßgeblich sind.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Der vorbezeichnete Wegfall der Ermächtigungsgrundlage des § 8 Abs. 2 AbfG
würde sich auf die streitige Nebenbestimmung nur dann nicht auswirken, wenn diese
in einer Vorschrift des Bundes-Immissionsschutzgesetzes eine Entsprechung fände.
Das ist aber nicht der Fall. Eine Ermächtigungsgrundlage dafür, daß - was in Bezug
auf die streitige Nebenbestimmung allein in Betracht zu ziehen ist - zur
Gewährleistung der Pflichten zur Nachsorge nach § 5 Abs. 3 BImSchG eine
Sicherheitsleistung gefordert werden kann, gibt es nicht. § 5 Abs. 3 BImSchG trifft
hier zu keine Aussage. Auch § 12 Abs. 1 BImSchG, wonach die Genehmigung unter
Bedingungen erteilt oder mit Auflagen verbunden werden kann, soweit dies
erforderlich ist, um die Erfüllung der in § 6 des Gesetzes genannten
Genehmigungsvoraussetzungen, wozu auch die Erfüllung der sich aus § 5 Abs. 3
des Gesetzes ergebenden Nachsorgepflichten gehört, sicherzustellen, bietet,
obschon der Wortlaut nicht entgegensteht, für die Forderung einer
Sicherheitsleistung keine Ermächtigungsgrundlage. Die Unzulässigkeit dieses
Instruments zur Sicherstellung der Nachsorgepflichten folgt im Umkehrschluß zu § 15
a Abs. 3 BImSchG, § 56 Abs. 2 Bundesberggesetz und § 8 Abs. 2 AbfG; nach diesen
Vorschriften ist die zuständige Behörde ausdrücklich ermächtigt, zur Sicherstellung
von Betreiberpflichten eine Sicherheitsleistung zu fordern. Dies zeigt, daß der
Gesetzgeber diesem Instrument ein erheblich belastendes Gewicht beimißt und es
lediglich nach seiner Entscheidung besonders bedeutsamen Fallgestaltungen
zuweisen will. Aus dem Fehlen einer entsprechenden Vorschrift zur Pflicht aus § 5
Abs. 3 BImSchG ist zu schließen, daß für den Bereich der
immissionsschutzrechtlichen Nachsorgepflichten dieses Instrument nicht zugelassen
ist. Dies bestätigt die Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Der Gesetzgeber hat
bewußt davon Abstand genommen, der Behörde die Befugnis zu geben, die
Genehmigungserteilung mit der Forderung einer Sicherheitsleistung zu verknüpfen,
nachdem zu einem entsprechenden Vorschlag im Referentenentwurf eines Dritten
Gesetzes zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes gemäß der
inhaltlichen Wiedergabe bei Vallendar in UPR 1991, 91, 93 im Rahmen einer
Sachverständigenanhörung Zweifel an der Praktikabilität und Kritik daran
vorgebracht worden waren, daß den Unternehmen durch eine Sicherheitsleistung
Geldmittel in beträchtlichem Umfang und für lange Zeit entzogen würden und sich
dies vor allem für kleine und mittlere Unternehmen sehr belastend auswirke.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, daß aus der in § 67 Abs. 7 Satz 1
BImSchG angeordneten Fortgeltung einer Genehmigung nach Abfallrecht als
Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz kein Grund herzuleiten ist,
der dem Wegfall der Ermächtigungsgrundlage für die streitige Nebenbestimmung
durch die mit dem Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetz in Kraft
getretenen Rechtsänderungen entgegengehalten werden kann. Damit steht fest, daß
sich die Änderungen zu Gunsten der Klägerin auswirken. Nach Wegfall der
Ermächtigungsgrundlage für die streitige, auf Dauer angelegte Nebenbestimmung ist
die Beklagte entgegen ihrer Auffassung auch nicht aus sonstigen Rechtsgründen an
der Änderung der Genehmigung durch Aufhebung der Nebenbestimmung III.4
gehindert; insbesondere folgt aus § 67 Abs. 7 Satz 1 BImSchG nicht, daß eine nach
dieser Vorschrift fortgeltende Nebenbestimmung von vornherein einer Aufhebung
oder Änderung entzogen wäre. Die auch durch sonstige Bestimmungen des
nunmehr maßgeblichen Immissionsschutzrechts nicht ausgeschlossene Aufhebung
beurteilt sich allein nach den allgemeinen Regeln des Verwaltungsrechts. </p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Liegen somit die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG vor, hat die
Beklagte auf den Antrag der Klägerin vom 3. November 1994 unter Durchbrechung
der Bestandskraft über die Änderung der Genehmigung vom 17. Januar 1992 durch
Aufhebung der Nebenbestimmung III.4 zu entscheiden. Denn der Antrag der Klägerin
ist zulässig. Insbesondere ist die Antragsfrist von drei Monaten ab Kenntniserlangung
von dem Grund für das Wiederaufgreifen, § 51 Abs. 3 VwVfG, gewahrt. Es spricht
nichts dafür, daß die Klägerin früher als drei Monate vor der Antragstellung Anfang
November 1994 von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erlangt hat;
vielmehr ist das Vorbringen, erst aus Anlaß eines umfassenden Beratungsgesprächs
mit einem Rechtsanwalt am 31. August 1994 von der für die streitige
Nebenbestimmung erheblichen Änderung der Rechtslage erfahren zu haben,
nachvollziehbar. Denn der Grund für das Wiederaufgreifen schließt über die Kenntnis
vom Inkrafttreten des Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetzes und der
rechtlichen Folgen für das Zulassungsverfahren hinaus auch ein, daß mit dem
Eingreifen allein des Immissionsschutzrechts keine Ermächtigungsgrundlage für die
streitige Nebenbestimmung mehr besteht. Daß die Klägerin jedenfalls auch darauf
bezogene Rechtskenntnisse bereits vor dem anwaltlichem Beratungsgespräch
erlangte, ist angesichts der Komplexität der Zusammenhänge nicht
anzunehmen.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Für die im danach wiederaufzugreifenden Verfahren zu treffende
Sachentscheidung ist nicht auf §§ 48, 49 VwVfG zurückzugreifen, vielmehr ist
- schon im Hinblick auf § 51 Abs. 5 VwVfG, wonach die Vorschriften der §§ 48 Abs. 1
Satz 1, 49 Abs. 1 VwVfG unberührt bleiben, die Entscheidungswege nach den
genannten Vorschriften und nach § 51 VwVfG also nebeneinander und unabhängig
voneinander gegeben sind - allein die für den Verwaltungsakt jetzt geltende
materielle Rechtslage maßgebend.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. April 1982 - 8 C
75.80 -, NJW 1982, 2204, 2205 sowie Klappstein,
a.a.O. § 51 Rdnr. 4.3; Sachs, a.a.O. § 51 Rdnr. 29
ff.; Kopp, VwVfG, 6.A., § 51 Rdnr. 10; Schwabe, JZ
1985, 545, 552.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">
Nach dieser ist, wie sich aus den vorstehenden Erörterungen ergibt, eine
Ermächtigungsgrundlage für die streitige, eine belastende Regelung darstellende
Nebenbestimmung nicht mehr gegeben. Schon aus diesem Grund hat die Beklagte
die Nebenbestimmung aufzuheben. </p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Ob darüber hinaus ein Anspruch auf Aufhebung der Nebenbestimmung
unmittelbar aus § 49 Abs. 1 VwVfG oder aus § 48 Abs. 1 VwVfG unabhängig von
und neben dem durch § 51 VwVfG eröffneten Weg begründet ist, bedarf keiner
Entscheidung.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 2 VwGO, die Entscheidung
über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten auf § 167 VwGO, §§ 708 Nr.
11, 711 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Gründe, die Revision zuzulassen (§ 132 Abs. 2 VwGO), liegen nicht vor.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">
</p>
|
114,416 | olgham-1999-08-30-18-u-2899 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 18 U 28/99 | 1999-08-30T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:40 | 2019-02-14T10:24:10 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1999:0830.18U28.99.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>T a t b e s t a n d :</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Ehefrau des Klägers, die Zeugin M, betrieb aufgrund eines Vertrages mit der Beklagten eine Postagentur in N. Der Kläger arbeitete gelegentlich in dieser Postagentur mit. Mit der Klage verlangt er unter Vorlage der Ablichtung eines Einlieferungsscheines vom 06.08.1997 (Bl. 6 GA) von der Beklagten Schadensersatz mit der Behauptung, ein von ihm in der Postagentur seiner Ehefrau am 06.08.1997 aufgegebenes Wertpaket mit dem Inhalt französischer und US-amerikanischer Banknoten im Gegenwert von 64.500,00 DM sei abhanden gekommen. </p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Im einzelnen hat er behauptet:</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Er habe zusammen mit dem zwischenzeitlich verstorbenen iranischen Staatsangehörigen N einen Handel mit Fotoartikeln in Frankreich betrieben. Diese Fotoartikel seien bei deutschen Lieferanten bestellt, nach Frankreich verbracht und dort von Moeini gewinnbringend an iranische Kunden, die bar in Dollar oder Franc zu bezahlen pflegten, veräußert worden. Am 01.08.1997, einem Freitag, sei er, der Kläger, zu N nach Paris gefahren. N habe Außenstände von den iranischen Kunden im Gegenwert von 78.000,00 DM hereingeholt und ihm ausgehändigt. Einen Teil des Geldes habe er über das Bankkonto seiner Ehefrau in deutsche Währung umgetauscht. Banknoten im Gegenwert von 64.500,00 DM habe er am Dienstag, dem 05.08.1997, in seinem Büro in ein Paket gelegt und das Paket am Mittwoch, dem 06.08.1997, zur Postagentur seiner Ehefrau gebracht, den Einlieferungsschein (Ablichtung Bl. 6 GA) ausgefüllt und das Paket und den ausgefüllten Einlieferungsschein seiner Ehefrau übergeben, die die Einlieferung in das elektronische Erfassungssystem Epos eingegeben und das Paket entgegengenommen habe. Der Fahrer der Beklagten, der Zeuge Q3, habe das Paket noch am selben Tage mitgenommen. Im Bereich der Beklagten sei es abhanden gekommen. Hierzu hat er auf den unstreitigen Umstand verwiesen, daß das Paket den angegebenen Empfänger, den Bruder des Klägers in I, nicht erreicht hat. </p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat weiter behauptet, die Banknoten im Gegenwert von 64.500,00 DM seien dazu bestimmt gewesen, über seinen Bruder in I eine GmbH zu gründen, die den Handel mit Fotoartikeln mit Frankreich habe übernehmen sollen. </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">die Beklagte zu verurteilen, an ihn 64.500,00 DM nebst 9,5 % Zinsen seit dem 04.09.1997 zu zahlen. </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks"> die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Sie hat bestritten, daß der Kläger am 06.08.1997 ein Wertpaket über die Postagentur der Zeugin M eingeliefert habe und daß in dem Postpaket Devisen im Gegenwert von 64.500,00 DM gewesen seien. </p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand des am 1. Dezember 1998 verkündeten Urteils der 11. Zivilkammer des Landgerichts Münster (Bl. 81 ff. GA) verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen M, Q2 und Q3. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 1. Dezember 1998 (Bl. 66 ff. GA) Bezug genommen. </p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der beweisbelastete Kläger habe die Einlieferung eines Paketes mit einem Inhalt von Devisen im Gegenwert von 64.500,00 DM nicht bewiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten der landgerichtlichen Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen. </p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil richtet sich die fristgerecht eingereichte und begründete Berufung des Klägers, mit der er sein erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung seiner Berufung ergänzt und vertieft er sein erstinstanzliches Vorbringen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Berufungsbegründung vom 19. März 1999 nebst Anlagen (Bl. 109 ff. GA) sowie den Inhalt des Schriftsatzes vom 26. August 1999 (Bl. 150 ff. GA) verwiesen. </p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an ihn 64.500,00 DM nebst 9,5 % Zinsen seit dem 04.09.1997 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks"> die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Sie tritt dem angefochtenen Urteil unter näherer Darlegung bei. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Berufungserwiderung vom 5. Juli 1999 (Bl. 136 ff. GA) Bezug genommen. </p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugin M. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Berichterstattervermerkes vom 30.08.1999 (Bl. 179 ff. GA) verwiesen. </p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks"><b><u>Entscheidungsgründe:</u></b></p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist nicht begründet. </p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Der vom Kläger verfolgte Schadensersatzanspruch ergibt sich nicht § 12 Abs. 5 des Gesetzes über das Postwesen in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Juli 1989 (BGBl I S. 1449), zuletzt geändert durch Art. 6 des Post- und Telekommunikationsneuordnungsgesetzes vom 3. September 1994 (BGBl I S. 2368) - im folgenden Postgesetz alter Fassung -, der zur Zeit des im Streitfall in Rede stehenden Schadensfalles galt. Danach haftet die Beklagte grundsätzlich verschuldensunabhängig für den Verlust einer Sendung mit Wertangabe. </p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme läßt sich indes nicht feststellen, daß das nach Behauptung des Klägers am 06.08.1997 aufgegebene Wertpaket mit Devisen im Gegenwert von 64.500,00 DM im Bereich der Beklagten verlorengegangen ist. Denn der insofern beweisbelastete Kläger hat nicht bewiesen, daß er am 6. August 1997 ein Wertpaket mit französischen und US-amerikanischen Banknoten im Wert von 64.500,00 DM in der Postagentur seiner Ehefrau, der Zeugin M, eingeliefert hat. </p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die Überzeugung von der Richtigkeit der diesbezüglichen Behauptung des Klägers läßt sich nicht gem. § 418 ZPO schon aufgrund des Einlieferungsscheines vom 06.08.1997 gewinnen. Der Einlieferungsschein weist lediglich eine Erklärung einer für die Postagentur der Zeugin M handelnden Person aus, daß ein Wertpaket mit Wertangabe 65.000,00 DM eingeliefert worden sei, nicht aber die Richtigkeit dieser Erklärung. Das wäre nur dann anders, wenn der Einlieferungsschein eine öffentliche Urkunde i.S.d. § 418 ZPO wäre. Das ist aber nicht der Fall. Durch das Post- und Telekommunikationsneuordnungsgesetz ist die Post privatisiert worden. Während früher der Posteinlieferungsschein als öffentliche Urkunde angesehen wurde (vgl. RG HRR 40, S. 334) kann diese Einordnung nach der Privatisierung der Post nicht mehr aufrechterhalten werden. Vielmehr stellt sich der Einlieferungsschein nur noch als Quittung gem. § 368 BGB dar, deren Beweiswirkung sich nach § 416 ZPO beurteilt. Danach enthält die Quittung lediglich ein außergerichtliches Geständnis hinsichtlich des Leistungsempfangs und ist als solche nicht mehr als ein Indiz für die Wahrheit der zugestandenen Tatsache. Die Beweiskraft einer Quittung hängt vielmehr von den Umständen des Einzelfalles ab. Sie unterliegt der freien richterlichen Beweiswürdigung und kann durch jeden Gegenbeweis entkräftet werden. Der Gegenbeweis ist bereits dann geglückt, wenn die Überzeugung des Gerichts von der zu beweisenden Tatsache erschüttert wird; daß sie als unwahr erwiesen wird oder sich auch nur eine zwingende Schlußfolgerung gegen sie ergibt, ist nicht nötig (vgl. BGH WM 1988, S. 524 ff., 525). </p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Im Streitfall ist die Überzeugung des Senats von der Richtigkeit der von dem Kläger behaupteten Tatsache, am 06.08.1997 ein Wertpaket mit Devisen im Gegenwert von 64.500,00 DM in der Postagentur seiner Ehefrau eingeliefert zu haben, aufgrund der Widersprüche, Unklarheiten und Ungereimtheiten im Vorbringen des Klägers auch unter Berücksichtigung der Aussagen der Zeugin M in erster und zweiter Instanz sowie der erstinstanzlichen Aussage des Zeugen Q3 sowie der im Rechtsstreit vorgelegten schriftlichen Unterlagen erschüttert. Die erstinstanzliche Aussage der Zeugin Q2 ist für die Entscheidung des Rechtsstreits ohne Bedeutung, da sie zu den hier in Rede stehenden Vorgängen vom 06.08.1997 Angaben nicht machen konnte. </p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">aa)</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Gegen die Richtigkeit der Behauptung des Klägers sprechen insbesondere folgende Umstände:</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Angesichts der bankmäßigen Möglichkeiten, Geld nach I zu überweisen, erscheint es bereits als außerordentlich ungewöhnlich, Geld in der behaupteten Größenordnung in einem Postpaket zu versenden. Darüber hinaus ist die von dem Kläger behauptete Herkunft der Devisen dunkel. Es gibt keinerlei Belege über die Verkäufe von Fotoartikeln in Frankreich. Nach der Darstellung des Klägers wurden die Fotoartikel an Händler verkauft. Daß diese keine Rechnungen brauchen, ist nicht glaubhaft. Die Händler würden diese Belege schon für ihre Buchführung zum Beleg des Wareneinkaufes brauchen. Daß in dem von dem Kläger behaupteten Umfange nur Bargeschäfte getätigt worden sein sollen, ist nicht gerade wahrscheinlich. </p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Darüber hinaus hat der Kläger sein Vorbringen im Rechtsstreit verschiedentlich gewechselt, ohne daß hierfür ein plausibler Grund ersichtlich ist. In der Klageschrift (Bl. 2 GA) hat der Kläger vortragen lassen, daß ihm die Devisen am 01.08.1997 von N übergeben worden seien. Dem entspricht auch die Bestätigung N vom 23.09.1997 (in Ablichtung Bl. 25 GA), die nach Angaben des Klägers im Senatstermin vom 30.08.1999 von ihm, dem Kläger selbst, formuliert worden ist. Im erstinstanzlichen Verhandlungstermin vom 01.12.1998 (vgl. Bl. 68 GA) hat der Kläger im Widerspruch hierzu dagegen angegeben, daß die Devisen von 78.000,00 DM in dieser Höhe erst während seines Aufenthaltes in Frankreich vom 01.08. bis 04.08.1997 zusammengebracht und deshalb auch erst am 04.08.1997 übergeben worden seien. Angesprochen auf den Widerspruch zum Inhalt der Klageschrift und der Bescheinigung vom 23.09.1997 hat der Kläger dann diese Erklärung wieder zurückgenommen und angegeben, dann sei der 01.08.1997 doch richtig (vgl. Bl. 70 GA). </p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Weiter hat der Kläger im Verhandlungstermin vom 01.12.1998 angegeben, daß Lieferantenverbindlichkeiten in der Größenordnung von lediglich bis 5.000,00 DM offenstanden, während er dann im weiteren Verlauf der Verhandlungen im Widerspruch hierzu erklärt hat, die Lieferantenverbindlichkeiten hätten sich aufgrund der Rechnungen vom 11.03.1997, 11.04.1997 und 02.05.1997 auf ca. 35.000,00 DM belaufen. Diese Erklärung paßt wiederum nicht mit der Aussage der Zeugin M zusammen, daß Rechnungen stets innerhalb der gesetzten Zahlungsziele bezahlt worden seien, was bedeuten würde, daß am 06.08.1997 Beträge aus den vorgenannten Rechnungen nicht mehr offen sein konnten. </p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Im erstinstanzlichen Verhandlungstermin hat der Kläger angekündigt, daß der Umtausch des Differenzbetrages zwischen nach eigener Behauptung erhaltenen Devisen im Gegenwert von 78.000,00 DM und nach eigener Behauptung übersandten Banknoten im Werte von 64.500,00 DM belegt werden könne, weil der Umtausch über das Konto der Ehefrau des Klägers gelaufen sei. Im Senatstermin vom 30.08.1999 hat der Kläger demgegenüber angegeben, daß der Umtausch nicht belegt werden könne. Das ist, wenn die erstinstanzliche Behauptung des Klägers, die Devisen seien über das Konto der Ehefrau umgetauscht worden, in keiner Weise nachvollziehbar. </p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Im Senatstermin vom 30.08.1999 hat der Kläger offene Rechnungen der Lieferfirma C vorgelegt. Es ist nicht nachzuvollziehen, daß der Kläger zur Begleichung dieser Rechnungen einen verzinslichen Kredit aufgenommen hat (vgl. Blatt 69 d. A.), wenn er selbst über Devisen im Gegenwert von 64.500,00 DM verfügte, die er ohne Zinsaufwand zur Begleichung dieser Rechnungen hätte einsetzen können. </p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Schließlich ist auch die Erklärung des Klägers, die Devisen hätten zum Zwecke der Gründung einer GmbH in I eingesetzt werden sollen, dunkel. Belege über diese Absicht, etwa einen Gesellschaftsvertrag, hat der Kläger nicht vorgelegt. Daß es nach Darstellung des Klägers mit dem Finanzamt in N nach einer Betriebsprüfung Schwierigkeiten gegeben habe, ist keine tragfähige Erklärung dafür, die GmbH in I gründen zu wollen. </p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">bb)</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Die unter Buchstaben aa) aufgeführten Widersprüchlichkeiten, Unklarheiten und Ungereimtheiten werden durch die von dem Kläger im Senatstermin vorgetragenen Argumente nicht ausgeräumt. </p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Daß der Kläger im Senatstermin vom 30.08.1999 ergänzend weitere Lieferantenrechnungen vorgelegt hat, die seine Behauptung, Fotoartikel im Werte von 57.000,00 DM eingekauft und in Frankreich für ca. 78.000,00 DM weiterverkauft zu haben, betragsmäßig stützen, spricht nicht durchgreifend dafür, daß die Ware entsprechend in Frankreich verkauft worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Die schriftlichen Erklärungen des verstorbenen Mitarbeiters N vom 23.09.1997 sind ebenfalls viel zu allgemein gehalten, als daß sie die Behauptung des Klägers entscheidend stützen könnten. </p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Schließlich ist auch der vorgelegte Einlieferungsschein - wie bereits ausgeführt - nicht mehr als ein Indiz. Die Beweiskraft dieses Indizes ist darüber hinaus dadurch herabgesetzt, daß angesichts der Zugangsmöglichkeiten des Klägers zur Postagentur seiner Ehefrau dieser ohne weiteres in der Lage gewesen wäre, den Einlieferungsschein selbst herzustellen. </p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">cc)</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Die Richtigkeit der Behauptung des Klägers wird schließlich entscheidend auch nicht durch die Aussage der Zeugin M gestützt. Die Aussage der Zeugin M ist nämlich in wesentlichen Punkten ungenau und mit dem eigenen Vorbringen des Klägers nicht in Übereinstimmung zu bringen. </p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Es ist schon nicht recht nachzuvollziehen, weshalb die Zeugin mit ihrem Ehemann, dem Kläger, nicht darüber gesprochen haben will, inwiefern der nach Darstellung des Klägers in Frankreich erwirtschaftete Gewinn nicht zur Bezahlung offener Rechnungen, sondern zur Gründung einer GmbH eingesetzt werden sollte. Immerhin war die Zeugin im Außenverhältnis zu den Lieferantenfirmen Schuldnerin hinsichtlich des Kaufpreises für die gelieferten Fotoartikel. Sie mußte deshalb ein Interesse daran haben, daß der Gewinn entsprechend verwendet wurde. Soweit die Zeugin dazu angegeben hat, Lieferantenrechnungen seien ohnehin stets innerhalb des angegebenen Fälligkeitszeitraumes beglichen worden, ist dies nicht in Übereinstimmung zu bringen mit den eigenen erstinstanzlichen Angaben des Klägers, es seien Lieferantenschulden in Höhe von 35.000,00 DM aufgrund der Rechnungen von März bis Anfang Mai 1997 offen gewesen. Im übrigen sind von dem Kläger im Senatstermin weitere Rechnungen vorgelegt worden, die am 06.08.1997 unstreitig noch nicht bezahlt waren. </p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Soweit die Zeugin ausgesagt hat, von dem Differenzbetrag zwischen 78.000,00 DM und 64.500,00 DM seien Lieferantenrechnungen bezahlt worden, müßte dies belegbar sein. Belege sind indes weder von dem Kläger noch von der Zeugin vorgelegt worden. Die diesbezügliche Aussage der Zeugin M ist deshalb für den Senat nicht überprüfbar und damit fragwürdig. </p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Angesichts dieser Unklarheiten gewinnt der Umstand Bedeutung, daß die Zeugin als Ehefrau des Klägers ein eigenes persönliches und wirtschaftliches Interesse am Ausgang dieses Rechtsstreites haben dürfte. Insgesamt vermag der Senat deshalb der Aussage der Zeugin M nicht zu folgen. </p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Letztlich ist darauf hinzuweisen, daß selbst für den - vom Senat nicht für erwiesen gehaltenen - Fall, daß der Kläger tatsächlich ein Paket mit US-amerikanischen und französischen Banknoten eingeliefert hätte, keinerlei Feststellungen zum ungefähren Wert möglich wären. Welche Banknoten der Kläger in das Paket gelegt hat, hat jedenfalls niemand gesehen und mitgezählt, auch nicht die Ehefrau des Klägers. Die eigenen Angaben des Klägers (auch seiner Ehefrau gegenüber) sind kein Beweis; eine Parteivernehmung des Klägers nach § 448 ZPO kam nicht in Betracht. Es ist auch in keiner Weise belegt, welche Teilbeträge von den angeblich in Frankreich vereinnahmten (umgerechnet) 78.000,00 DM umgetauscht und anderweitig verwendet worden sind und wieviel Geld danach noch übrig geblieben ist. Dazu konnte auch die Ehefrau des Klägers keine auch nur einigermaßen präzisen Angaben machen.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Weitere Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist deshalb mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit rechtfertigt sich gem. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.</p>
|
114,417 | olgk-1999-08-30-16-wx-12399 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 16 Wx 123/99 | 1999-08-30T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:40 | 2019-02-11T10:39:20 | Beschluss | ECLI:DE:OLGK:1999:0830.16WX123.99.01 | <h2>Tenor</h2>
Die weitere sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß der 29. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 22.07.1999 - 29 T 61/99 - wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten des Verfahrens der weiteren sofortigen Beschwerde werden der Antragstellerin auferlegt. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline;"><b>G r ü n d e</b></span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die weitere sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist
zulässig. Sie ist insbesondere formgerecht eingelegt worden. Auch
bei der Einlegung der Beschwerde zu Protokoll der Geschäftsstelle
des Gerichts ist die Vertretung durch einen Bevollmächtigten
möglich, wenn die Bevollmächtigung ordnungsgemäß nachgewiesen ist
(Keidel/Kuntze/Winkler/Kahl, § 21 FGG Rz. 18). Vorliegend hat die
Antragstellerin die Bevollmächtigung ihres Lebensgefährten, des
Herrn J. A., zur Beschwerdeeinlegung der Rechtspflegerin gegenüber
durch Vorlage ihres Personalausweises ausdrücklich bestätigt.
Gegenstand der Beschwerde, über die der Senat zu entscheiden hat,
ist allerdings nur das Protokoll der Rechtspflegerin vom
18.08.1999. Der der Rechtspflegerin überreichte Schriftsatz vom
17.08.1999, auf dem im Protokoll lediglich Bezug genommen ist, hat
dagegen unberücksichtigt zu bleiben, da er der Form des § 29 FGG
nicht genügt (Keidel/Kuntze/Winkler/Kahl, § 29 FGG Rz. 29; OLG
Köln, NJW-RR 1995, 968 f).</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die weitere sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist aber in
der Sache unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht in der
angefochtenen Entscheidung die Anfechtung der Wahl der
Verwaltungsratsmitglieder Frau B., Herr W. und Herr S. durch die
Antragstellerin als unbegründet zurückgewiesen. Bei der Wahl eines
Verwaltungsbeirats gem. § 29 WEG haben die Mitglieder der
Wohnungseigentümergemeinschaft die Grundsätze ordnungsgemäßer
Verwaltung zu beachten. Die Entscheidung darüber, ob eine Maßnahme
- hier die Wahl bestimmter Wohnungseigentümer zu Mitgliedern des
Verwaltungsbeirates - noch ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht,
muß berücksichtigen, daß der Eigentümergemeinschaft insoweit ein
erheblicher Ermessensspielraum zusteht und daß sie nicht genötigt
ist, immer nur die Entscheidung zu treffen, die ein außenstehender
unbeteiligter Dritter als die beste und die ausgewogenste
Entscheidung bezeichnen würde (vgl. insoweit Weitnauer-Lüke, § 21
WEG Rz. 12). Ordnungsgemäß ist in diesem Zusammenhang, was dem
Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem
Ermessen entspricht. Gerade bei personellen Entscheidungen wird
sich selten erreichen lassen, daß die Ausgewählten das
uneingeschränkte Vertrauen sämtlicher Wohnungseigentümer genießen.
Da der Verwaltungsbeirat kein originäres Organ der
Wohnungseigentümergemeinschaft ist, seine Aufgabe vielmehr darin
besteht, dort, wo die Wohnungseigentümergemeinschaft hierfür ein
Bedürfnis sieht, den Verwalter und die Gemeinschaft bei der
Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen (Bärmann/Pick, § 29 WEG
Rz. 1), können an die Eignung eines Wohnungseigentümers, das Amt
eines Mitgliedes des Verwaltungsbeirates zu übernehmen, nicht die
gleichen Anforderungen gestellt werden, wie an die Eignung für das
Amt des Verwalters. Die Bestellung eines Wohnungseigentümers zum
Mitglied des Verwaltungsbeirates widerspricht deshalb nur dann
ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn schwerwiegende Gründe gegen diese
Person sprechen (Weitnauer/Lüke, § 29 WEG Rz. 3;
Bub/Kreutzer/Rapp/Spiegelberger/Stuhrmann/Wenzel, § 29 WEG Rz. 38;
Bielefeld, Der Wohnungseigentümer, 16.3). Insbesondere bei
kleineren Wohnungseigentümergemeinschaften, bei denen die Zahl der
zur Übernahme des Amtes bereiten Wohnungseigentümer gering ist,
scheidet ein Wohnungseigentümer nicht schon deshalb als geeigneter
Kandidat aus, weil er mit einem der anderen Wohnungseigentümer im
Streit liegt.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Unter Berücksichtigung des vorstehend dargelegten Maßstabes sind
die drei Wohnungseigentümer, die in der Versammlung vom 27.10.1998
in den Verwaltungsbeirat gewählt wurden, für dieses Amt nicht
ungeeignet, ihre Wahl widerspricht also nicht den Grundsätzen
ordnungsgemäßer Verwaltung. Insoweit kann zunächst auf den Beschluß
des Amtsgerichts und die Entscheidung des Landgerichts, deren
Gründe sich der Senat vollinhaltlich zu eigen macht (§ 543 ZPO),
Bezug genommen werden. Ergänzend hierzu ist noch auszuführen:
Entgegen der Ansicht der Antragstellerin war es weder rechtlich
noch moralisch verwerflich, daß die Verwalterin die Antragstellerin
mit Billigung des Verwaltungsbeirates auf Zahlung rückständiger
Teile einer Sonderumlage in Anspruch genommen hat. Jedes Mitglied
der Wohnungseigentümergemeinschaft ist zur Erfüllung der ihm
obliegenden finanziellen Verpflichtungen auch dann verpflichtet,
wenn andere Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft ebenfalls
mit ihren Zahlungspflichten im Rückstand sind.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Daß ein Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft, das für den
Verwaltungsbeirat kandidierte, sich geweigert hat, die
Antragstellerin in der entsprechenden Wohnungseigentümerversammlung
zu vertreten, ist ebenfalls keine schwerwiegende Verfehlung. Dabei
kann offen bleiben, ob ein anderes Mitglied der
Wohnungseigentümergemeinschaft, auch wenn es dem Beirat angehört,
überhaupt verpflichtet ist, eine solche Vertretung zu übernehmen,
wenn die Teilungserklärung eine derartige Verpflichtung nicht
vorsieht, die Vertretung in Wohnungseigentümerversammlungen dort
vielmehr anders geregelt ist. In Anbetracht der unsicheren
Rechtslage liegt jedenfalls keine schwere Verfehlung vor, die die
Ungeeignetheit für das Amt eines Mitglieds des Verwaltungsbeirates
dokumentieren würde.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Daß der Verwaltungsbeirat die Unregelmäßigkeiten des Verwalters
bei der Jahresabrechnung 1995, die Gegenstand der Entscheidung des
Senats vom 07.12.1998 - 16 Wx 177/98 - waren, nicht erkannt hat,
reicht ebenfalls nicht aus, um die Beiratsmitglieder, die bereits
1996 und in der Folgezeit tätig waren, von einer Wiederwahl in den
Beirat auszuschließen. Die Mitglieder des Verwaltungsbeirates sind
in der Regel Laien. Sie können nicht alle Rechtsvorschriften, die
etwa bei der Fertigung einer Jahresabrechnung zu beachten sind,
überblicken. Übersehen sie Fehler, die später gerichtlich
beanstandet werden, decken sie dabei aber nicht ihnen bekanntes
strafrechtlich relevantes Verhalten des Verwalters, so verlieren
sie nicht durch ihr einmaliges objektives Fehlverhalten die
Eignung, künftig wieder Mitglied des Verwaltungsbeirates zu werden.
Es muß von ihnen lediglich verlangt werden, daß sie künftig die
Vorgaben der Gerichte zum Inhalt der Jahresabrechnung beachten. Daß
dies vorliegend nicht geschehen wäre, wird nicht behauptet.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Daß das Mitglied W. möglicherweise nicht die genügende Rücksicht
gegenüber dem Gemeinschaftseigentum an den Tag legt, wenn es durch
auslaufendes Öl aus seinem Motorrad eine im Gemeinschaftseigentum
stehende Zufahrt immer wieder verschmutzt, nimmt ihm ebenfalls
nicht die generelle Eignung, Mitglied des Verwaltungsbeirates zu
werden. Die Antragstellerin ist hier ggf. darauf zu verweisen, das
Mitglied auf Unterlassung der Beschädigung des
Gemeinschaftseigentums in Anspruch zu nehmen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung für das vorliegende Verfahren beruht auf
§ 47 WEG. Es bestand keine Veranlassung, von dem Grundsatz
abzuweichen, daß in Wohnungseigentumssachen regelmäßig keine
Erstattung außergerichtlicher Kosten erfolgt.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Der Beschwerdewert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt
5.000,00 DM.</p>
|
114,419 | vg-koln-1999-08-27-11-k-990597 | {
"id": 844,
"name": "Verwaltungsgericht Köln",
"slug": "vg-koln",
"city": 446,
"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 11 K 9905/97 | 1999-08-27T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:40 | 2019-02-14T10:24:13 | Urteil | ECLI:DE:VGK:1999:0827.11K9905.97.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">T a t b e s t a n d :</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Mit Bescheid vom 16.12.1996 lehnte der Beklagte einen Antrag der Klägerin auf Erteilung eines Bauvorbescheides zur Errichtung eines Spitz-, Walm- oder Pultdaches auf ihrem mit einem Flachdach versehenen Wohnhaus (Bungalow) T.-----weg 00 in 00000 G. , unter Hinweis auf eine Gestaltungssatzung vom 15.10.1984 ab.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Mit dagegen erhobenem Widerspruch trug die Klägerin u. a. vor: Die Gestaltungssatzung sei formell unwirksam, weil sie nicht nach § 103 Abs. 1 Nr. 1 BauO NW 1970 von der Oberen Bauaufsichtsbehörde genehmigt worden sei und eine Übergangsvorschrift zur BauO NW 1984 nicht eingreife.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Mit <span style="text-decoration:underline">Widerspruchsbescheid</span> vom 21.10.1997 wies der Landrat des Erftkreises den Widerspruch mit der ergänzenden Begründung zurück, dass formelle Mängel der Gestaltungssatzung 1984 nicht vorlägen, insbesondere eine Genehmigung nicht erforderlich gewesen sei.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Mit der rechtzeitig erhobenen <span style="text-decoration:underline">Klage</span> wird ergänzend zum Widerspruch vorgetragen: Die Gestaltungssatzung aus 1984 enthalte</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">i. w. planerische Elemente und sei deshalb unwirksam.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die nunmehr neu beschlossene Gestaltungssatzung vom 20.11.1997 leide an formellen Mängeln (Fehlen eines Datums in der Überschrift; Wortabweichung in § 4: "ihrer" anstatt "der") und sei wie die Vorgängersatzung materiell unwirksam.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 16.12.1996 und des Widerspruchsbescheides des Landrates des Erftkreises vom 21.10.1997 zu verpflichten, der Klägerin antragsgemäß einen positiven Bauvorbescheid zur Errichtung eines Spitz-, Walm- oder Pultdaches auf dem Wohnhaus T.-----weg 00 in G. zu erteilen,<span style="text-decoration:underline">hilfsweise</span> festzustellen,</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">dass der Ablehnungsbescheid vom 16.12.1996 rechtswidrig war und der Beklagte seinerzeit verpflichtet war, den beantragten Vorbescheid zu erteilen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist ohne Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">1) Die Klägerin hat keinen Anspruch auf den beantragten Vorbescheid, weil die geplante Dachaufstockung nach der wirksamen <span style="text-decoration:underline">Ortsgestaltungssatzung vom 20.11.1997</span> unzulässig ist.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Satzung ist formell wirksam. Die Bekanntmachung im Amtsblatt ist zwar insoweit <span style="text-decoration:underline">unvollständig</span>, als die Überschrift nicht das Datum erhalten hat, unter dem die Bekanntmachungsanordnung vom Bürgermeister unterzeichnet worden ist; die damit verletzte Formvorschrift des § 2 Abs. 5 der BekanntmVO NW enthält jedoch lediglich einen redaktionellen Hinweis und gehört nicht zu den zwingenden Formalia, die abschließend in § 2 Abs. 4 der BekanntmVO aufgeführt sind. Die von der Klägerin in § 4 der Gestaltungssatzung 1997 beanstandete Abweichung vom Wortlaut des Ratsbeschlusses ist unwesentlich (wenn auch vermeidbar). Da die Gestaltungssatzung 1997 wegen möglicher <span style="text-decoration:underline">formeller</span> Mängel der sachlich gleichlautenden Satzung vom 15.10.1984 beschlossen wurde und nicht wegen neuer bauordnungsrechtlicher Tatsachen, Erkenntnisse und Überlegungen, bedurfte es auch keiner neuen Abwägung der maßgeblichen Belange der vorgeschriebenen Flachdachgestaltung. Es gelten weiterhin die schriftliche Begründung für die Gestaltungssatzung vom 15.10.1984 und die dazu angestellten, schriftlich niedergelegten Vorüberlegungen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die vorgeschriebene Flachdachgestaltung ist <span style="text-decoration:underline">sachlich</span> nicht zu beanstanden; die genannte Begründung enthält im wesentlichen <span style="text-decoration:underline">gestalterische</span> Elemente</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">- freier Blick auf die Kölner Bucht und einen Park; Anpassung des Siedlungsbildes an die Topographie -</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">und hält sich damit</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">- trotz des Vorhandenseins des untergeordneten planerischen Elements der Einheitlichkeit der Bebauung - im Rahmen der Ermächtigung des § 86 Abs. 1 Nr. 1 BauO NW 1995.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 27.08.1991 - 11 L 254/89 -BauR 1992, 212.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die durchaus abwägungsrelevanten Belange einiger Eigentümer der betroffenen Grundstücke - Schaffung weiteren Wohnraumes, technische Mängel von Flachdächern - sind vom Satzungsgeber als abzuwägende Elemente erkannt worden (vgl. Anlage zur Beschlußvorlage und Niederschrift der am 23.02.1984 durchgeführten Einwohnerversammlung), dann aber rechtsfehlerfrei zugunsten der oben genannten Gestaltungselemente verworfen worden.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 30.06.1987 - 1 C 19/86 - BRS 47 Nr. 13.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Eine <span style="text-decoration:underline">Abweichung</span> von der Festsetzung der Gestaltungssatzung musste vom Beklagten nicht gem. § 73 BauO NW 1995 zugelassen werden, weil eine andere als die festgesetzte Dachform dem in der Gestaltungssatzung festgelegten <span style="text-decoration:underline">öffentlichen</span> Interesse ersichtlich zuwiderläuft (und zudem nachbarliche Interessen berührt).</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">2) Der von der Klägerin gestellte <span style="text-decoration:underline">Hilfsantrag</span> ist als <span style="text-decoration:underline">Fortsetzungsfeststellungsklage</span> wegen möglicher Geltendmachung eines Amtshaftungsanspruchs gem. § 113 Abs. 1 letzter Satz VwGO zulässig; er ist aber unbegründet, weil der beantragte Vorbescheid auch nach der Rechtslage <span style="text-decoration:underline">vor</span> der Bekanntmachung der Gestaltungssatzung 1997 nicht zugunsten der Klägerin hätte erteilt werden dürfen.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die bereits genannte Gestaltungssatzung vom 15.10.1984 ist <span style="text-decoration:underline">formell wirksam</span>, bedurfte insbesondere nicht einer Genehmigung der Oberen Bauaufsichtsbehörde gem. § 103 BauO NW 1970.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Gemäß § 83 Abs. 2 letzter Satz BauO NW 1984 traten die (neuen) Vorschriften über die Ermächtigung zum Erlass von örtlichen Bauvorschriften bereits am Tage nach der Verkündung der BauO NW 1984 in Kraft</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">- also am <span style="text-decoration:underline">01.08.1984</span>; die übrigen Vorschriften traten erst am 01.01.1985 in Kraft -.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Obwohl der Rat der Stadt G. die Satzung am 26.06.1984 - also vor dem Stichtag 01.08.1984 - beschlossen hatte, richtete sich das rechtliche Erfordernis einer Genehmigung nach den Vorschriften, die im Zeitpunkt der (gedachten) Erteilung der Genehmigung galten; der Landrat des Erftkreises war also berechtigt, den Genehmigungsantrag des Beklagten vom 27.08.1984 nach der neuen Vorschrift des § 81 BauO NW 1984 zu behandeln und eine Genehmigung nicht vorzunehmen (dies gilt unabhängig von der vorliegend nicht einschlägigen Vorschrift des § 83 Abs. 3 BauO NW 1984).</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Die Gestaltungssatzung 1984 ist nach dem oben Ausgeführten <span style="text-decoration:underline">materiell wirksam</span> und stellte ein rechtliches Hindernis für eine andere als die dort festgelegte Dachkonstruktion ohne Abweichungsmöglichkeit gem. § 73 BauO NW 1995 dar.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.</p>
|
114,420 | ovgnrw-1999-08-27-13-a-6199a | {
"id": 823,
"name": "Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen",
"slug": "ovgnrw",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 13 A 61/99.A | 1999-08-27T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:40 | 2019-02-12T13:54:23 | Beschluss | ECLI:DE:OVGNRW:1999:0827.13A61.99A.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> G r ü n d e :</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">
I.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Kläger sind jugoslawische Staatsangehörige albanischer
Volkszugehörigkeit aus dem Kosovo. Die Kläger zu 1. und 2.
reisten erstmals im November 1988 in die Bundesrepublik
Deutschland ein. Nachdem ihr erster Asylantrag Anfang 1989
bestandskräftig abgelehnt worden war, stellten sie und der
1989 in Deutschland geborene Kläger zu 3. nach erneuter
Einreise im September 1991 einen (erneuten) Asylantrag. Mit
Bescheiden vom 28. Dezember 1994 lehnte das Bundesamt für die
Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) bezüglich
der Kläger zu 1. und 2. die Durchführung weiterer
Asylverfahren und bezüglich des Klägers zu 3. den Asylantrag
ab. Die Voraussetzungen der §§ 51 Abs. 1, 53 AuslG wurden
verneint. Zugleich forderte das Bundesamt die Kläger unter
Androhung der Abschiebung nach Jugoslawien zur Ausreise auf.
</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Auf die hierauf erhobene Klage der Kläger mit dem Antrag,
</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">1. die Beklagte unter Aufhebung
der Bescheide des Bundesamtes für
die Anerkennung ausländischer
Flüchtlinge vom 28. Dezember 1994 zu
verpflichten, sie als
Asylberechtigte anzuerkennen und
festzustellen, daß die
Voraussetzungen des § 51 Abs. 1
AuslG sowie Abschiebungshindernisse
nach § 53 AuslG vorliegen,</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">2. die Abschiebungsandrohungen in
den Bescheiden des Bundesamtes für
die Anerkennung ausländischer
Flüchtlinge vom 28. Dezember 1994
aufzuheben,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">hat das Verwaltungsgericht Arnsberg die Beklagte durch
Urteil vom 18. November 1998 unter Aufhebung der insoweit
entgegenstehenden Bescheide des Bundesamtes verpflichtet, das
Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 Abs. 6 Satz 1
AuslG im Hinblick auf eine Abschiebung nach Jugoslawien
festzustellen; im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur
Begründung hat es ausgeführt, die Voraussetzungen für die
Gewährung von Abschiebungsschutz nach den §§ 51, 53 AuslG
seien nicht gegeben. Es läge aber ein Abschiebungshindernis
nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG vor, weil aufgrund der von
heftigen Kämpfen zwischen der UCK und serbischen
Sicherheitskräften gekennzeichneten Lage im Kosovo die
beachtliche Wahrscheinlichkeit einer landesweit drohenden
konkreten Gefahr bestehe, daß die Kläger als Kosovo-Albaner
Opfer eines Gefechtes oder serbischen Überfalls auf ein Dorf
oder eine Stadt würden.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Mit der vom Senat bezüglich des stattgebenden Teils des
Urteils des Verwaltungsgerichts zugelassenen Berufung
beantragt der Beteiligte,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">das angefochtene Urteil teilweise zu
ändern und die Klage in vollem Umfang
abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Wegen des übrigen Sach- und Streitstandes wird auf den
Inhalt der Streitakte und der Verwaltungsvorgänge der
Beklagten Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">
II.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Senat entscheidet über die Berufung durch Beschluß nach
§ 130 a VwGO, weil er sie einstimmig für begründet und die
Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht für
erforderlich hält. Die Beteiligten sind zu dieser
Entscheidungsform gehört worden.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Gegenstand des Berufungsverfahrens ist aufgrund des Urteils
des Verwaltungsgerichts und der beschränkten Zulassung der
Berufung im Beschluß vom 13. Januar 1999 nur die Frage eines
etwaigen Abschiebungsschutzes nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG.
Die Fragen der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens
bezüglich der Kläger zu 1. und 2., des Asylbegehrens des
Klägers zu 3. und des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51
Abs. 1 AuslG sind durch das Urteil des Verwaltungsgerichts
rechtskräftig ablehnend entschieden worden; sie sind
dementsprechend nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG betreffende Berufung des
Beteiligten ist begründet. </p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Unrecht
verpflichtet, das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach
§ 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG im Hinblick auf Jugoslawien
festzustellen. </p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat
kann abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine
erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit
besteht. Gefahren in diesem Staat, denen die Bevölkerung oder
die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein
ausgesetzt ist, werden bei Entscheidungen nach § 54
berücksichtigt (§ 53 Abs. 6 AuslG). Nach der Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts und des
Bundesverwaltungsgerichts zum Zusammenwirken und zur
verfassungskonformen Auslegung dieser Regelungen und ihres
Zusammenwirkens </p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">vgl. BVerfG, Beschluß vom
21. Dezember 1994 - 2 BvL 81 u. 82/92 -
, InfAuslR 1995, 251; BVerwG, Urteile
vom 17. Oktober 1995 - 9 C 9.95 -,
DVBl. 1996, 203, vom 4. Juni 1996 - 9 C
134.95 -, InfAuslR 1996, 289 und vom
19. November 1996 - 1 C 6.95 -,
InfAuslR 1997, 193</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">ist Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG wegen
der dort genannten Gefahren grundsätzlich nur bei einer
individuellen Gefahrenlage zu gewähren. Berufen sich
Asylsuchende lediglich auf allgemeine Gefahren im Sinne des
§ 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG, die nicht nur ihnen persönlich,
sondern ihrer Bevölkerungsgruppe im Zielland drohen, ist
Abschiebungsschutz auch für den Einzelnen ausschließlich durch
eine generelle Regelung gemäß § 54 AuslG zu gewähren. Danach
erfaßt § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG allgemeine Gefahren i.S.d.
§ 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG auch dann nicht, wenn sie den
einzelnen Ausländer konkret und in individualisierbarer Weise
betreffen. Nur dann, wenn dem einzelnen Ausländer
Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 1 bis 4 und an sich auch
nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG nicht zusteht, er aber
gleichwohl nicht abgeschoben werden darf, weil die Grundrechte
aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG wegen einer
extremen Gefahrenlage die Gewährung von Abschiebungsschutz
unabhängig von einer Ermessensentscheidung nach § 53 Abs. 6
Satz 2, § 54 AuslG gebieten, ist § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG
verfassungskonform einschränkend dahin auszulegen, daß eine
Entscheidung nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG nicht
ausgeschlossen ist. </p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Bei der Prognose, die der Feststellung einer solchen extremen Gefahrenlage vorangehen muß, kann nicht
unberücksichtigt bleiben, daß zur Zeit und auf absehbare Zeit eine Abschiebung der Kläger nicht zu erwarten ist
und auf welchen Gründen dies beruht.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Einerseits drohte nach der Rechtsprechung des Senats </p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">vgl. Urteile vom 19. Januar 1998
- 13 A 2296/94.A - und vom 11. März
1999 - 13 A 3894/94.A -</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">und des ebenfalls für asylsuchende albanische Volkszugehörige aus dem Kosovo zuständigen 14. Senats des
erkennenden Gerichts</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">vgl. Urteile vom 21. Januar 1998
- 14 A 2730/94.A - und vom 24. Februar
1999 - 14 A 3840/94.A - </p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">albanischen Volkszugehörigen allein wegen ihrer Volkszugehörigkeit keine beachtlich wahrscheinliche
Gefahr staatlicher Verfolgungsmaßnahmen oder sonstige abschiebungsrechtlich bedeutsame Gefahr.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Andererseits erfolgte die Rückführung abgelehnter Asylbewerber in die Bundesrepublik Jugoslawien seit
Ende 1996 auf der Grundlage des Abkommens über die Rückführung und Rückübernahme von
ausreisepflichtigen deutschen und jugoslawischen Staatsangehörigen vom 10. Oktober 1996. Gemäß Art. 5
Abs. 4 dieses Abkommens geschieht die Rückführung auf dem Luftwege und wird grundsätzlich von den
nationalen Fluggesellschaften des um die Rückübernahme ersuchten Staates durchgeführt. Der Europäische Rat
hat allerdings wegen "ernsthafter Verletzung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts" im Kosovo
durch "willkürliche Gewaltakte und brutale Repression (der Regierung) gegen ihre eigenen Bürger" am 15. Juni
1998 als Sanktion gegen die Bundesrepublik Jugoslawien beschlossen, u. a. der nationalen jugoslawischen
Fluggesellschaft JAT die Landerechte in den EU-Staaten zu entziehen. Die Verordnung (EG) Nr. 1901/98 vom
7. September 1998 zur Umsetzung dieses Flugverbotes ist mit Veröffentlichung im Amtsblatt der EG
(ABl. L 248) vom 8. September 1998, S. 1, in Kraft getreten. Da die EU-Verordnung keine Ausnahmen für
Rückführungsflüge vorsieht, sind seither Abschiebungen jugoslawischer Staatsangehöriger in ihr Herkunftsland
nicht mehr möglich. Das nordrhein-westfälische Ministerium für Inneres und Justiz hat deshalb auch mit Erlaß
vom 9. September 1998 - I B 3/44.386-I 14, I B 5/6.2.1 - die nachgeordneten Behörden gebeten, Duldungen
gemäß § 55 Abs. 2 AuslG zu erteilen und für eine Freilassung der in Abschiebehaft befindlichen jugoslawischen
Staatsangehörigen Sorge zu tragen. </p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Bei dieser Sach- und Rechtslage, von der, weil das Rückführungsabkommen von keiner Seite gekündigt
worden ist und das Flugverbot für die JAT nach wie vor besteht, auch gegenwärtig noch auszugehen ist, </p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">vgl. OVG NW, Beschluß vom 24. August 1999 - 14 A 498/99.A -
,</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">
ist es verfassungsrechtlich nicht geboten, zusätzlich Abschiebungsschutz gemäß § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG in
bezug auf die Bundesrepublik Jugoslawien trotz der Sperrwirkung des Satzes 2 dieser Vorschrift zu gewähren.
Das Zusammenwirken der Regelungen im Rückübernahmeabkommen mit dem Flugverbot für die JAT führt zu
einer Lage, die in ihren Auswirkungen einer generellen Regelung gemäß § 54 AuslG nahekommt. Zwar steht
nicht fest, wie lange das Flugverbot für die JAT Bestand haben wird. Der Senat hat jedoch keine Anhaltspunkte
für die Annahme, daß es zu einem Zeitpunkt aufgehoben werden könnte und die Rückführung von abgelehnten
Asylbewerbern dann wieder aufgenommen wird, wenn in der Bundesrepublik Jugoslawien Verhältnisse
bestehen, die für albanische Volkszugehörige aus dem Kosovo eine Gefahrenlage im Sinne des § 53 Abs. 6
Satz 2 AuslG darstellen, ohne daß eine Regelung gemäß § 54 AuslG besteht. Eine Rückführung der Kläger auf
dem Luftwege über Belgrad mit Weiterreise in den Kosovo, wobei sie eventuell Gefahren iSd § 53 Abs. 6 Satz 1
AuslG ausgesetzt sein könnten, ist daher gegenwärtig auszuschließen. </p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Im übrigen ist auch nicht feststellbar, daß den Klägern
gegenwärtig in ihrer Heimat unabhängig von ihrer
Volkszugehörigkeit individuelle Gefahren im Sinne des § 53
Abs. 6 Satz 1 AuslG mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit
drohen. Dies gilt erst recht angesichts der derzeitigen Lage
im Kosovo, weil aufgrund der mit dem Einrücken sog. Kfor-
Truppen verbundenen gravierenden Änderung der tatsächlichen
Verhältnisse offensichtlich nicht mehr die Gefahr einer
politischen Verfolgung des albanischen Bevölkerungsteils des
Kosovo und damit der Kläger in Form der Gruppenverfolgung
durch Umsetzung eines Vertreibungsprogramms des serbischen
Staates besteht,</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">vgl. OVG NW, Beschluß vom 05. Juli
1999 - 13 A 1856/98.A - und 20. Juli
1999 - 13 A 1135/98.A sowie vom 19.
August 1999 - 14 A 1229/98.A -,</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">und nach Einstellung der militärischen Auseinandersetzungen
und Abzug des jugoslawischen Militärs nebst
Sonderpolizeieinheiten und Paramilitärgruppen - dies ist
allgemeinkundig (§ 291 ZPO) und bedarf keines Nachweises - die
vom Verwaltungsgericht gesehene Gefahr, daß die Kläger Opfer
eines Gefechts oder serbischen Überfalls werden könnten, auf
absehbare Zeit ausgeschlossen ist. Insoweit scheidet ein
Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG auch vor
dem Hintergrund einer für die Zukunft nicht auszuschließenden
Rückführung von Kosovo-Albanern über den wieder geöffneten
Flughafen Pristina,</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">vgl. hierzu die Erlasse des
Innenministeriums des Landes Nordrhein-
Westfalen vom 4. und 10. August 1999
- I B 5/6.2.1 - und die
Presseinformation des Innenministeriums
vom 20. August 1999 bezüglich
freiwilliger Rückkehr,</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">oder über den Flughafen Skopje und Bustransfer in den
Kosovo aus.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Nach alledem ist der Berufung mit den Nebenentscheidungen
aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711,
713 ZPO und § 132 Abs. 2 VwGO stattzugeben. </p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">
</p>
|
114,421 | ovgnrw-1999-08-27-3-b-212098 | {
"id": 823,
"name": "Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen",
"slug": "ovgnrw",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 3 B 2120/98 | 1999-08-27T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:40 | 2019-02-12T13:54:23 | Beschluss | ECLI:DE:OVGNRW:1999:0827.3B2120.98.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> G r ü n d e :</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Senat entscheidet über die Zulassung der Beschwerde und
zugleich über die Beschwerde selbst; die Beteiligten sind vor-
her auf diese Möglichkeit hingewiesen worden und hatten Gele-
genheit zur (ergänzenden) Stellungnahme. </p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">I. Die Beschwerde ist wegen eines erstinstanzlichen Verfah-
rensmangels zuzulassen, auf dem die angefochtene Entscheidung
beruhen kann (§ 146 Abs. 4, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). </p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Dem Antragsteller war mit richterlicher Verfügung vom 11.
August 1998 eine Frist von drei Wochen zur Gegenäußerung auf
die Antragserwiderung des Antragsgegners eingeräumt worden.
Indem das Verwaltungsgericht während der noch laufenden
Äußerungsfrist mit dem angefochtenen Beschluß vom 25. August
1998 über den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO entschieden hat,
hat es gegen den Grundsatz rechtlichen Gehörs i.S.v. Art. 103
Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO verstoßen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. August
1991 - 4 C 11.90 -, NJW 1992, 327.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Antragsteller hat im Zulassungsantrag auch (sinngemäß)
dargelegt, was er vorgetragen hätte, wenn ihm die Möglichkeit
zur Stellungnahme auf die Antragserwiderung nicht wie gesche-
hen abgeschnitten worden wäre. Es kann nicht ausgeschlossen
werden, daß der Beschluß des Verwaltungsgericht in Kenntnis
dieses Vortrags anders ausgefallen wäre; mithin beruht der
Beschluß auf dem Gehörsverstoß.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">II. Die Beschwerde hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das
Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Anordnung der aufschie-
benden Wirkung (der inzwischen erhobenen) Klage gegen die He-
ranziehungsbescheide vom 18. März 1998 in Gestalt der Wider-
spruchsbescheide vom 12. August 1998 im Ergebnis zu Recht ab-
gelehnt. </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes
ist vordringlich nur den vom Rechtsschutzsuchenden selbst
aufgeworfenen Fragen nachzugehen - abgesehen von (hier nicht
vorliegenden) Fehlern, die sich bei summarischer Prüfung als
offensichtlich aufdrängen. Dabei können allerdings mit Blick
auf die Funktion und die begrenzten Erkenntnismöglichkeiten
des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens weder schwierige
Rechtsfragen vertieft oder abschließend geklärt noch
komplizierte Tatsachenfeststellungen getroffen werden. </p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Vgl. den Beschluß des Senats vom
25. August 1988 - 3 B 2564/85 -,
OVGE 40, 160 = NWVBl. 1990, 16 =
NVwZ-RR 1990, 54.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Nach diesem Prüfungsmaßstab ist das Beschwerdevorbringen
nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der
angefochtenen Bescheide oder eine unbillige Härte i.S.v. § 80
Abs. 5, Abs. 4 Satz 3 VwGO zu begründen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">1. Der Senat hegt keine ernstlichen Zweifel an der Annahme,
daß es sich bei der abgerechneten Ausbaumaßnahme um die
erstmalige endgültige Herstellung des Weges handelt.
Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, daß
es vor Erteilung der Zustimmung der Bezirksregierung gemäß §
125 Abs. 2 BauGB vom 31. Januar 1997 an einer rechtmäßigen
Herstellung und damit an einer Voraussetzung für die
Entstehung einer endgültigen Beitragspflicht fehlte und der
Antragsgegner insbesondere auch sein technisches Bauprogramm
bis zu diesem Zeitpunkt ändern konnte. Die Zustimmung der
Bezirksregierung war erforderlich, da angesichts der
Freiflächen östlich der Ausbaustrecke deren Verlauf und
Gestaltung nicht durch die Örtlichkeit vorgegeben war.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">2. Die Grundstücke des Antragstellers dürften auch als
"Bauland" i.S.v. § 133 Abs. 1 BauGB erschlossen sein. Entgegen
den Ausführungen der Beschwerde, die sie dem Außenbereich
zuordnen will, spricht nach derzeitigem Erkenntnisstand des
Senats Überwiegendes für die Annahme, daß sie zu dem im
Zusammenhang bebauten Ortsteil (§ 34 Abs. 1 BauGB) von
gehören. Daß - wie die Beschwerde geltend macht - der
Antragsgegner die Grundstücke in der Vergangenheit und
möglicherweise nach (schwankender) Rechtsansicht einzelner
Amtswalter auch noch in jüngerer Zeit dem Außenbereich
zugerechnet hat, ist unerheblich. Mangels eines Bebauungsplans
sind grundsätzlich die in der Örtlichkeit gegebenen
Bebauungsverhältnisse maßgeblich. Die vom Antragsgegner
vorgelegten Fotos und die in seinen Verwaltungsvorgängen
befindlichen Pläne sprechen dafür, daß der erforderliche
Bebauungszusammenhang gegeben ist. Denn die am weg, am
weg und im Hintergelände dieser Straßen gelegene
Reihenhausbebauung reicht entlang der gesamten südlichen
Grundstücksgrenze unmittelbar an das Flurstück 250 bzw. an die
ca. 4 Meter breite Parzelle 202 heran. Der
Bebauungszusammenhang dürfte auch nicht durch den ca. 25-30 m
großen Abstand zwischen den Gebäuden auf dem Flurstück 250 und
den Reihenhäusern unterbrochen sein. Zudem dürfte der
Beobachter vor Ort weder wegen der Größe der Grundstücke des
Antragstellers noch wegen der auf ihnen verwirklichten
baulichen Anlagen (Tennishalle mit Hotel) den Eindruck haben,
es handele sich um Fremdkörper, die am Bebauungszusammenhang
nicht mehr teilnähmen. Nach den vorgelegten Fotos und Plänen
erscheinen diese Gebäude vielmehr als Abschluß der Bebauung
vor der weiter nördlichen gelegenen Trasse der Autobahn A
4.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">3. Hinsichtlich des geltend gemachten Aufwandes bestehen
ebenfalls keine ernstlichen Zweifel i.S.v. § 80 Abs. 5, Abs. 4
Satz 3 VwGO. </p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">a) Die nur einseitige Anbaubarkeit des Großrotter Wegs (auf
mehr als 2/3 der Abrechnungsstrecke) führt nicht zur Anwendung
des in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten
sog. Halbteilungsgrundsatzes. </p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 31.
Januar 1992 - 8 C 31.90 -, BVerwGE 89,
362 = DVBl. 1992, 1104; Driehaus, Er-
schließungs- und Ausbaubeiträge,
5. Aufl. 1999, § 12 Rdnr. 40 ff.
(44, 48).</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Denn es spricht Überwiegendes für die Annahme, daß der
Antragsgegner sich mit dem Ausbau des Wegs als
Mischverkehrsfläche in einer Breite von ca. 6 Metern auf den
Umfang beschränkt hat, der für eine hinreichende Erschließung
der angrenzenden bebaubaren Grundstücke unerläßlich ist. Dies
gilt zum einen mit Blick auf die massive Wohnbebauung westlich
der Ausbaustrecke bis zur Einmündung des weges. Es
dürfte aber auch nicht zu beanstanden sein, daß dieser
Ausbauumfang auf der weiteren Teilstrecke entlang der
Grundstücke des Antragstellers fortgeführt wurde; diese
Entscheidung dürfte innerhalb des weiten
Beurteilungsspielraums einer Gemeinde bei der Bestimmung des
für die Erschließung Unerläßlichen liegen, </p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">vgl. hierzu Driehaus, Erschließungs-
und Ausbaubeiträge, 5. Aufl. 1999,
§ 12 Rdnr. 50 ff.,</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">zumal - wie der Antragsteller selbst vorträgt - diese
Teilstrecke zum Abstellen von Kraftfahrzeugen genutzt
wird.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">b) Auch hinsichtlich der Umlagefähigkeit der geltend
gemachten Fremdkapitalkosten hegt der Senat nach derzeitigem
Erkenntnisstand keine ernstlichen Zweifel. Insbesondere dürfte
es vom Ansatz her nicht zu beanstanden sein, daß der
Antragsgegner, da für die vor geraumer Zeit (1975)
durchgeführten Kanalbauarbeiten keine Rechnungsunterlagen mehr
vorhanden waren, insoweit auf gesicherte Erfahrungssätze
(hier: in Gestalt des für das Jahr 1975 geltenden
Einheitssatzes) zurückgegriffen</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">- vgl. BVerwG, Urteile vom
16. August 1985 - 8 C 120-122.83 -, NJW
1986, 1122 (1124) und vom 15. November
1085 - 8 C 41.84 -, BRS 43 Nr. 96
(S. 246) = DÖV 1986, 391 (L) -</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">und auf dieser Grundlage Fremdkapitalkosten ab dem Herstel-
lungszeitpunkt der Teileinrichtung Straßenentwässerung (12.
Juni 1975, dem Tag der Abnahme) berechnet hat. Etwaige
weitere, ins Einzelne gehende Fragen der Berechnung der
Fremdkapitalkosten müssen mit Blick auf den oben dargestellten
gerichtlichen Kontrollmaßstab im Eilverfahren der Prüfung im
Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">4. Eine Reduzierung der für sein Grundstück angesetzten
Verteilungseinheiten kann der Antragsteller voraussichtlich
ebenfalls nicht beanspruchen: </p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">a) Nach derzeitigem Erkenntnisstand dürfte der
Antragsgegner das Flurstück 250 zu Recht bis zur Hinterkante
der Bebauung bzw. seiner tatsächlichen
erschließungsbeitragsrechtlich relevanten Nutzung in die
Verteilung einbezogen haben. Soweit der Antragsteller geltend
macht, daß eine Teilfläche der Parzelle innerhalb der
Anbauverbotszone gemäß § 9 FStrG liege bzw. als
Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen und deshalb unbebaubar
sei, ist dies insoweit unerheblich, als öffentlich-rechtliche
Baubeschränkungen nur dann Einfluß auf dem Umfang der
erschlossenen Grundstücksfläche haben, wenn das dadurch
betroffenen Nutzungsmaß eine Komponente der satzungsmäßigen
Verteilungsregelung ist. </p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Urteile vom 3. Februar
1989 - 8 C 66.87 -, BVerwGE 81, 251
(256 f.) = NVwZ 1989, 1076 und vom
10. Oktober 1995 - 8 C 12.94 -, NVwZ
1996, 800 (802) = KStZ 1997, 72; Drie-
haus, § 17 Rdnr. 50.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Letzteres ist hier indessen nicht der Fall; die vorliegend
nach § 5 Abs. 3 Buchst. a) EBS 1988 bei Grundstücken im
unbeplanten Innenbereich maßgebliche tatsächliche
Geschoßfläche wird durch die erwähnten Baubeschränkungen nicht
betroffen. Im übrigen liegen nach einem Vermerk des Amtes 63
des Antragsgegners vom 28. Oktober 1998 (Anlage 1 zum
Schriftsatz des Antragsgegners vom 5. November 1998) sowohl
die auf dem Grundstück des Antragstellers errichteten Gebäude
als auch die Stellplätze außerhalb der 40-Meter-
Anbauverbotszone nach § 9 FStrG; eine eventuell erforderliche
weitergehende Klärung diesbezüglicher Fragen muß dem
Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">b) Die satzungsrechtliche Regelung über die
Tiefenbegrenzung von 40 Metern (§ 5 Abs. 5 Satz 1 EBS 1988)
kommt vorliegend ebenfalls nicht zur Anwendung, weil das
Flurstück 250 über diese Grenze hinaus baulich und gewerblich
genutzt wird (Satz 4 der Vorschrift). Der abweichenden
Interpretation dieser Satzungsbestimmung durch den
Antragsteller vermag sich der Senat nicht anzuschließen. </p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">c) Schließlich bestehen auch keine ernstlichen Zweifel
dagegen, daß dem Antragsteller, der zwischenzeitlich mit zwei
weiteren Bescheiden vom 30. Juni 1999 auch zu (Teil-
)Erschließungsbeiträgen für den an das Flurstück 250
angrenzenden weg herangezogen wurde, die Vergünstigung
für Mehrfacherschließung (§ 7 Abs. 1 EBS 1988) nicht gewährt
wurde, weil seine Grundstücke nicht "überwiegend Wohnzwecken
dienen"; gegen die Wirksamkeit dieser satzungsmäßigen
Voraussetzung hegt der Senat keine Bedenken.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Vgl. hierzu Driehaus, a.a.O., § 18
Rdnr. 72 m.w.N.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">5. Hinsichtlich des weiteren Einwands der Verwirkung der
Beitragsforderung nimmt der Senat auf die zutreffenden
Ausführungen des Verwaltungsgerichts Bezug.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">6. Daß die vom Antragsteller geforderten
Erschließungsbeiträge für den Weg und den weg
in der Summe mehr als 510.000 DM betragen und somit, wie der
Antragsteller einwendet, den nach seinen Angaben mit rund
810.000 DM anzusetzenden Wert seiner Grundstücke weitestgehend
"aufzehren", was er als "kalte Enteignung" bezeichnet, führt
ebenfalls nicht zu einem Erfolg des Aussetzungsantrages: Diese
Umstände begründen keine Bedenken gegen die einschlägigen
Bestimmungen der EBS, insbesondere mußte der Antragsgegner
keine diese Folgen vermeidende Satzungsregelung vorsehen.
Eventuelle Billigkeitsmaßnahmen gemäß § 135 Abs. 5 BauGB sind
nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Vgl. hierzu Driehaus, a.a.O., § 26
Rdnr. 38 ff. m.w.N.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Die Prüfung der diesbezüglichen Voraussetzungen durch den
Antragsgegner konnte im übrigen nach dessen Angaben noch nicht
erfolgen, weil der Antragsteller die hierfür erforderlichen
Unterlagen bislang nicht vorgelegt hat.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Eine unbillige Härte i.S.v. § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO ist
weder geltend noch glaubhaft gemacht.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die
Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 13 Abs. 1, 14 Abs. 1, 20
Abs. 3 GKG.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §
25 Abs. 3 Satz 2 GKG).</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">
</p>
|
114,422 | ovgnrw-1999-08-27-4-b-109099 | {
"id": 823,
"name": "Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen",
"slug": "ovgnrw",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 4 B 1090/99 | 1999-08-27T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:41 | 2019-02-12T13:54:24 | Beschluss | ECLI:DE:OVGNRW:1999:0827.4B1090.99.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> G r ü n d e :</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">
Der auf die Zulassungsgründe des § 146 Abs. 4 in Verbindung
mit § 124 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 VwGO gestützte Antrag hat keinen
Erfolg. </p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Darlegungen des Antragstellers innerhalb der
Antragsfrist begründen keine ernstlichen Zweifel an der
Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses (§ 146 Abs. 4 in
Verbindung mit § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). </p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Antragsteller vertritt die Auffassung, § 2 Abs. 1 Satz
3 UmlageVO in der im Jahre 1998 gültigen Fassung sei
unwirksam. § 8 AltPflG ermächtige den Verordnungsgeber nicht,
den in § 7 AltPflG erwähnten Begriff "alte Menschen" in § 2
Abs. 1 Satz 3 UmlageVO als "Personen nach Vollendung des 60.
Lebensjahres" zu definieren. Die Ungültigkeit des § 2 Abs. 1
Satz 3 UmlageVO führe zur Ungültigkeit der UmlageVO insgesamt.
Unmittelbar auf die gesetzlichen Regelungen in § 7 AltPflG
könne der Heranziehungsbescheid nicht gestützt werden, weil
die in § 8 AltPflG enthaltene Verordnungsermächtigung eine
Rechtsanwendungssperre enthalte. Dem ist nicht zu folgen. </p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">§ 2 Abs. 1 Satz 3 UmlageVO hatte in seiner Ursprungsfassung
vom 28. September 1994 (GV. NRW. 1994, S. 843) folgenden
Wortlaut: </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">"Bei der Umrechnung der über die
ambulanten Dienste erbrachten
Leistungsstunden für die Pflege alter
Menschen in Vollzeitstellen ist von
einer Durchschnittsarbeitszeit von 1553
Jahresarbeitsstunden für eine
Vollzeitkraft auszugehen."</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">
Die Verwendung des Begriffs "alter Menschen" entsprach der
Formulierung in § 7 Abs. 3 AltPflG. § 2 Abs. 1 Satz 3 UmlageVO
ist durch Art. I Nr. 1 b der Verordnung zur Änderung der
Verordnung über die Erhebung einer Umlage nach dem
Altenpflegegesetz vom 12. Dezember 1996 (GV. NRW. 1996, S.
520) - ÄndVO - mit Wirkung ab 1. Januar 1997 (vgl. Art. II)
geändert worden. Art. I Nr. 1 b ÄndVO lautet:</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">"§ 2 wird wie folgt geändert:</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">In Absatz 1 Satz 3 werden die Wörter
alter Menschen durch die Wörter von
Personen nach Vollendung des
60. Lebensjahres ersetzt."</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">
Es könnte sich deshalb allein die Frage stellen, ob der
Verordnungsgeber durch § 8 AltPflG zu dieser Änderung des § 2
Abs. 1 Satz 3 UmlageVO ermächtigt war. Fehlte es an einer
solchen Ermächtigung, wie der Antragsteller meint, so wäre
Art. I Nr. 1 b ÄndVO ungültig. Das hätte allerdings nur zur
Folge, daß die UmlageVO, soweit § 2 Abs. 1 Satz 3 in Rede
steht, wieder in der ursprünglichen Fassung anzuwenden wäre.
</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Zur Fortgeltung alter
Rechtsvorschriften im Falle der
Nichtigkeit der sie ersetzenden
Regelungen vgl.: Schneider, Gesetzgebung,
1982, S. 275 f., Ipsen, Rechtsfolgen der
Verfassungswidrigkeit von Norm und
Einzelakt, 1980, S. 258 f., Pestalozza,
Verfassungsprozeßrecht, 2. Aufl. 1982, S.
175, BVerwG, Urteil vom 10. August 1990 -
4 C 3.90 ,BVerwGE 85, 289, 292.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">
Diese entspricht der gesetzlichen Vorgabe in § 7 Abs. 3
AltPflG und ist mit der Konzeption der UmlageVO im übrigen zu
vereinbaren. Aus diesem Grunde kann auch nicht angenommen
werden, daß eine Ungültigkeit des Art. I Nr. 1 b ÄndVO die
Ungültigkeit der übrigen Regelungen der ÄndVO oder gar der
UmlageVO insgesamt zur Folge hätte.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Der Antragsteller meint weiter, es handele sich bei der
Umlage nach dem Altenpflegegesetz um eine offensichtlich
verfassungswidrige Sonderabgabe. Das Verwaltungsgericht habe
die Offensichtlichkeit zu Unrecht verneint. Auch dieser
Einwand greift nicht durch.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat bereits in seinem Beschluß vom 16. März 1998
- 4 B 40/98 -, NWVBl. 1998, 359, ausgeführt, daß die Frage der
Verfassungswidrigkeit im Verfahren auf Gewährung vorläufigen
Rechtsschutzes nicht geklärt werden kann. Hieran hält er fest.
Deshalb läßt sich auch eine offensichtliche
Verfassungswidrigkeit nicht feststellen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Der Umstand, daß das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Beschluß vom 28. April 1999
- 7 K 7478/97 - u.a.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">
und das Verwaltungsgericht Düsseldorf </p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Beschluß vom 1. Juni 1999
- 3 K 9998/97 -</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">
in erstinstanzlich anhängigen Hauptsacheverfahren dem
Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt haben, ob die für
die Umlageerhebung maßgeblichen Vorschriften des
Altenpflegegesetzes mit dem Grundgesetz vereinbar sind,
rechtfertigt keine andere Entscheidung, zumal die Gerichte zu
durchaus unterschiedlichen rechtlichen Bewertungen gelangen.
</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Beide Gerichte gehen zwar davon aus, daß es sich bei der
Umlage um eine Sonderabgabe handelt, sind sich jedoch nicht
einig darin, an welchen der für die Erhebung einer derartigen
Abgabe erforderlichen Voraussetzungen es mangeln soll. Nach
Auffassung des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen fehlt es an
einer Gruppenhomogenität, weil Einrichtungen zur Pflege alter
Menschen nicht sachgerecht von Pflegeeinrichtungen abgegrenzt
werden könnten, die sich nicht mit der Pflege alter Menschen
befassen. Die Frage, ob - bei gleichwohl unterstellter
Homogenität - eine spezifische Beziehung zwischen dem Kreis
der Abgabepflichtigen und dem mit der Abgabenerhebung
verfolgten Zweck besteht, läßt das Gericht offen, weil der
Umfang der Gruppenverantwortung nicht geregelt sei.
Demgegenüber nimmt das Verwaltungsgericht Düsseldorf eine
hinreichende Homogenität der belasteten Gruppe an und bejaht
auch eine spezifische Beziehung. Es ist jedoch der Auffassung,
daß die Sonderabgabe nicht gruppennützig verwendet wird. </p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Lüneburg </p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Vorlagebeschluß vom 10. März 1999
- 5 A 21/98 - (= BVerfG - 2 BvL 1/99 -
)</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">
und des VGH Baden-Württemberg</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Beschluß vom 28. Juli 1998 - 2 S 624/98
-, NVwZ-RR 1999, 35 im Verfahren auf
Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes,</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">
verhalten sich nicht zur Rechtslage in Nordrhein-Westfalen.
Auch hier divergieren im übrigen die Begründungen. So ist das
Verwaltungsgericht Lüneburg der Auffassung, es liege zwar eine
Gruppenhomogenität vor, es fehle aber sowohl an der
spezifischen Sachnähe als auch an einer gruppennützigen
Verwendung, während der VGH Baden-Württemberg Bedenken
hinsichtlich der Gruppenhomogenität und
Finanzierungsverantwortlichkeit äußert. </p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Soweit die Antragstellerin eine grundsätzliche Bedeutung
der Rechtssache geltend macht (§ 146 Abs. 4 in Verbindung mit
§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), genügt der Zulassungsantrag nicht
den Darlegungsanforderungen des § 146 Abs. 5 Satz 3 VwGO. Die
grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache ist nur dargelegt,
wenn in dem Zulassungsantrag eine konkrete Frage aufgeworfen
wird und ein Hinweis auf den Grund enthalten ist, der das
Vorliegen der grundsätzlichen Bedeutung rechtfertigen soll.
Der pauschale Hinweis auf die "für die Beurteilung des
Streitfalls maßgeblichen Rechtsfragen" reicht dafür nicht
aus.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die
Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1
GKG.
Dieser Beschluß ist unanfechtbar.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">
</p>
|
114,425 | schog-koln-1999-08-27-3-u-21198-bsch | {
"id": 830,
"name": "Schifffahrtsobergericht Köln",
"slug": "schog-koln",
"city": 446,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": null
} | 3 U 211/98 Bsch | 1999-08-27T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:41 | 2019-01-18T16:07:38 | Urteil | ECLI:DE:SCHOGK:1999:0827.3U211.98BSCH.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><span style="text-decoration:underline;">E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e</span></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. </p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Das Schiffahrtsgericht hat zu Recht Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten gemäß §§ 3, 4, 92 ff., 114 BSchG, 823 BGB aus dem Schiffsunfall vom 17.12.1995 auf dem Dortmund-Ems-Kanal zwischen MS "E." und MS "R." verneint. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Schiffahrtsgerichts in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen. Das Berufungsvorbringen der Klägerin gibt keine Veranlassung zu einer abweichenden Beurteilung. Insbesondere hat der Senat übereinstimmend mit dem Schiffahrtsgericht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht die für eine Verurteilung der Beklagten erforderliche sichere Überzeugung gewonnen, dass MS "R." in den Kurs des entgegen kommenden MS "E." gefahren wäre. Die Aussage des Zeugen G. ist zu den gefahrenen Kursen unergiebig. Mangels sonstiger objektiver Umstände reichen auch die Aussagen der Zeugen van den B und van den B. R., die als Schiffsführer von MS "E." praktisch in eigener Sache ausgesagt haben, nicht aus (vgl. Wassermeyer, Der Kollisionsprozeß in der Binnenschiffahrt, 4. Aufl., S. 77 f.). Es liegt somit "non liquet" vor, bei dem Ersatzansprüche des Geschädigten aus dem Zusammenstoß der Schiffe gegen den angeblichen Schädiger ausgeschlossen sind (vgl. Vortisch/Bemm, Binnenschiffahrtsrecht, 4. Aufl., § 93 a Rdnr. 7 f.).</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Eine Beweislastumkehr oder ein Anscheinsbeweis kommt der Klägerin entgegen ihrer Auffassung nicht zugute. Nach neuerer Auffassung gibt es im Binnenschiffahrtsrecht keine Beweislastumkehr für das Verschulden bei objektiven Verstößen gegen Normen (vgl. Wassermeyer aaO. S. 90; Vortisch/Bemm aaO. § 92 b Rdnr. 33 f.). Auch ein Anscheinsbeweis streitet nicht für die Klägerin. Es ist bereits kein Verstoß der Beklagten gegen § 3.05 und § 3.07 BSchStrO zu erkennen. Grundsätzlich ist das Fahren mit Scheinwerfern nicht verboten, es sei denn, dass sie blenden und dadurch die Schiffahrt oder den Verkehr an Land gefährden und behindern, § 3.07 Abs. 2 BSchStrO.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin behauptet selbst nicht, dass Schiffsführer van den B. durch die Scheinwerfer von MS "R." geblendet worden wäre. Dieser hat selbst bekundet, der Bergfahrer habe bei einer Entfernung von ca. 200 m von Bug zu Bug alle Scheinwerfer ausgemacht. Dass die Scheinwerfer hiervon abweichend erst unmittelbar vor der Kollision ausgestellt worden wären, kann der Aussage des Zeugen G. nicht mit der erforderlichen Sicherheit entnommen werden.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Soweit die Klägerin darauf abstellt, der Beklagte zu 3) habe durch das vorangegangene Fahren mit Scheinwerfern seine eigene Sehfähigkeit nach dem Abstellen beeinträchtigt, fällt dies nicht in den Schutzbereich von § 3.07 Abs. 2 BSchStrO. Durch diese Norm sollen nur die anderen Verkehrsteilnehmer zu Wasser und zu Land vor Blendung geschützt werden. Zudem ist es eine bloße Vermutung der Klägerin, dass der Beklagte zu 3) zum Zeitpunkt der Kollision "blind wie ein Maulwurf" gefahren wäre. Seine Augen können sich nach dem Abschalten der Scheinwerfer auch wieder an die Dunkelheit angepasst haben. Die hierfür benötigte Zeit ist individuell verschieden. Es ist ungeklärt, wie viele Sekunden zwischen dem Ausschalten der Scheinwerfer und der Kollision lagen. Nach seiner Aussage vor der Wasserschutzpolizei will der Beklagte zu 3) die Scheinwerfer schon etwa 300 m vor der S.-F.-Brücke bei einer Entfernung von ca. 1 km von MS "E." ausgeschaltet haben. Da beide Schiffe nach der jeweiligen Darstellung ihrer Schiffsführer vor der Begegnung langsam machten, also den Kanal mit einer Geschwindigkeit von ca. 5 - 6 km/h befuhren, näherten sie sich einander mit ca. 3 m pro Sekunde. Auch bei Zugrundelegung der Aussage des Zeugen van den B., die Scheinwerfer von MS "R." seien bei einer Entfernung von 200 m von Bug zu Bug ausgestellt worden, blieb somit bis zur Kollision eine Zeitspanne von mehr als 1 Minute, in der sich die Augen des Beklagten zu 3) an die Dunkelheit gewöhnt haben dürften. </p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Zudem war MS "Ellery" mit den vorgeschriebenen Positionslampen ausgestattet, die mit Sicherheit erkennbar waren. </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Selbst wenn man aber annehmen wollte, dass das Sehvermögen des Beklagten zu 3) infolge des vorangegangenen Fahrens mit Scheinwerfern noch eingeschränkt war, kann daraus nicht prima facie geschlossen werden, er habe einen Hauer nach backbord gemacht. Der Beklagte zu 3) musste lediglich bei der Kanalverengung im Bereich zwischen Kilometer 88,9 und 89,0 etwas nach backbord ziehen, da dort das linke Ufer mit der Spundwand um 10 m verspringt. Nach der Aussage des Zeugen van den B. vor dem Schiffahrtsgericht soll die Kollision auch in diesem Bereich stattgefunden haben. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden; denn der Zeuge hat - wie auch die übrigen Beteiligten - gegenüber der Wasserschutzpolizei angegeben, der Unfall habe sich bei Kilometer 88,7 ereignet. Im Hinblick auf die zeitliche Nähe - die Vernehmung durch die Wasserschutzpolizei ist noch am Unfalltag erfolgt - ist davon auszugehen, dass die damaligen Aussagen der Beteiligten zum Kollisionsort zutreffen. Bei einem Zusammenstoß bei Kilometer 88,7, also aus Sicht des Beklagten zu 3) hinter der S.-F.-Brücke, musste MS "R." aber schon über 200 m in dem verengten Kanalbereich geradeaus gefahren sein. Das durch die Kanalverengung bedingte Steuermanöver war demnach längst beendet. Der Unfall kann ebenso gut dadurch passiert sein, dass der Zeuge van den B. vor dem Zusammenstoß, als kein Gegenverkehr herrschte, in der Kanalmitte gefahren ist, zumal sich auf seiner Seite die Böschung befand, und sodann dem Bergfahrer nicht genug Platz gemacht hat.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Aus dem Umstand, dass der Beklagte zu 3) das Schiff gesteuert hat, ergibt sich kein Verstoß gegen § 1.09 BSchStrO. Der Beklagte zu 3) war im Sinne von § 1.09 Abs. 1 BSchStrO zum Führen des Schiffs geeignet. Er besaß auch die erforderliche Streckenkenntnis, da er die Unfallstelle unstreitig als Steuermann bereits mehr als hundertmal passiert hatte. Das </p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Fahren mit Scheinwerfern lässt keinen zwingenden Schluß auf mangelnde Streckenkenntnis zu. </p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Nach alledem war die Berufung der Klägerin mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. </p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Streitwert für das Berufungsverfahren und Beschwer der Klägerin: 50.000,00 DM</p>
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111,738 | lsgsh-1999-08-24-l-3-b-5699-p | {
"id": 1068,
"name": "Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht",
"slug": "lsgsh",
"city": null,
"state": 17,
"jurisdiction": "Sozialgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | L 3 B 56/99 P | 1999-08-24T00:00:00 | 2018-11-27T02:30:23 | 2019-01-17T11:35:39 | Beschluss | <div class="docLayoutText">
<div class="docLayoutMarginTopMore"><h4 class="doc">
<!--hlIgnoreOn-->Tenor<!--hlIgnoreOff-->
</h4></div>
<div class="docLayoutText"><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Die Beschwerde gegen den Beschluß des Sozialgerichts Itzehoe vom 19. Mai 1999 wird zurückgewiesen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Die weitere Beschwerde wird zugelassen.</p></dd>
</dl>
</div></div>
<div class="docLayoutMarginTopMore"><h4 class="doc">
<!--hlIgnoreOn-->Gründe<!--hlIgnoreOff-->
</h4></div>
<div class="docLayoutText"><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>I.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_1">1</a></dt>
<dd><p>Die Beteiligten streiten in der Hauptsache um die Zustimmung zur gesonderten Berechnung von Investitionsaufwendungen nach § 82 Abs. 3 Satz 3 erster Halbsatz des Sozialgesetzbuches, Elftes Buch (SGB XI).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_2">2</a></dt>
<dd><p>Die Klägerin betreibt das Senioren- und Pflegeheim L… GmbH. Mit Schreiben vom 26.10.1998 legte sie dem Beklagten eine Berechnung über gesondert berechenbare Investitionsaufwendungen in Höhe von 26,96 DM pro Tag pro Platz vor. Dabei legte sie einen Pachtzins von monatlich 100.000,00 DM zugrunde. Der Beklagte stimmte der gesonderten Berechnung pro Tag und Platz nur in Höhe von 23,26 DM zu und ging dabei von der ortsüblichen Miete für vergleichbaren Wohnraum in Itzehoe in Höhe von 18,00 DM pro Quadratmeter aus (Bescheid vom 30.11.1998). Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch und machte geltend, es sei nicht auf den Pachtzins vergleichbaren Wohnraums, sondern vergleichbarer Hotelunterkünfte abzustellen. Mit Bescheid vom 21.01.1999, den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 25.01.1999, wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Dagegen hat die Klägerin am 24.02.1999 bei dem Sozialgericht Itzehoe Klage erhoben.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a class="Overl" name="rd_3" title="zum Orientierungssatz">3</a></dt>
<dd><p>Nach Hinweis an die Beteiligten, daß nicht das Sozialgericht, sondern das Verwaltungsgericht für Streitigkeiten dieser Art zuständig sei, hat das Sozialgericht mit Beschluß vom 19.05.1999 den Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht verwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die zur Entscheidung stehende Streitigkeit sei öffentlich - rechtlicher Art im Sinne von § 40 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Zwar seien bei gesonderter Berechnung betriebsnotwendiger Investitionsaufwendungen im Sinne von § 82 Abs. 3 Satz 1 SGB XI die zwischen dem Pflegebedürftigen und der Pflegeeinrichtung entstehenden Rechtsbeziehungen privatrechtlicher Natur. Die hierzu gemäß § 82 Abs. 3 Satz 3 erster Halbsatz SGB XI erforderliche Zustimmung der zuständigen Landesbehörde bzw. deren Ablehnung habe jedoch gegenüber der Pflegeeinrichtung im Subordinationsverhältnis durch Verwaltungsakt zu ergehen. § 51 Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) weise die Streitigkeit auch nicht der Sozialgerichtsbarkeit zu. Streitigkeiten um die Zustimmung nach § 82 Abs. 3 Satz 3 erster Halbsatz SGB XI beträfen keine Angelegenheiten nach dem SGB XI in dem von § 51 Abs. 2 Satz 2 SGG gemeinten Sinne. Das folge sowohl aus der wörtlichen, als auch der historischen, als auch der gesetzessystematischen Auslegung der Vorschrift. Zwar schließe der Wortlaut der Vorschrift nicht zwingend aus, die Zustimmung zur gesonderten Berechnung betriebsnotwendiger Investitionsaufwendungen als Angelegenheit nach dem SGB XI zu betrachten, weil § 82 Abs. 3 Satz 3 erster Halbsatz SGB XI hierzu eine gesetzliche Bestimmung enthalte. Ein solches Verständnis der Vorschrift sei jedoch nicht zutreffend. Wie das Bundesverwaltungsgericht zutreffend ausgeführt habe, könne eine Angelegenheit nach dem SGB XI nur dann gegeben sein, wenn der Streitfall zum Regelungsbereich des SGB XI gehöre, das Rechtsverhältnis, aus dem der Klaganspruch hergeleitet werde, also diesem Gesetz unterfalle (BVerwG, Beschluß vom 23. Dezember 1998 - 3 B 22/98 -). Das treffe auf die Zustimmung nach § 82 Abs. 3 Satz 3 erster Halbsatz SGB XI nicht zu. Das SGB XI regele die Pflegeversicherung. Nach seiner Überschrift beziehe es sich auf die soziale Pflegeversicherung. Nach §§ 23 ff. SGB XI sei darüber hinaus auch die private Pflegeversicherung einbezogen worden. Unter Angelegenheiten nach dem SGB XI im Sinne des § 51 Abs. 2 Satz 2 SGG seien die Angelegenheiten der sozialen und privaten Pflegeversicherung zu verstehen. Die Einführung des § 51 Abs. 2 Satz 2 SGG habe der Zuweisung dieser Materie an die Sozialgerichtsbarkeit dienen sollen (BVerwG, aaO; BSG SozR 3-1500 § 51 Nr. 19). Die Vorschrift beziehe sich ausschließlich auf den Bereich des Leistungs- und Leistungserbringungsrechts. Dieses Ergebnis werde auch durch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift bestätigt. Aus der Begründung des Entwurfes zum 1. SGB XI-Änderungsgesetz, welcher vorgesehen habe, daß die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit in Angelegenheiten der privaten Pflegeversicherung nur noch über Streitigkeiten nach § 44 SGB XI entscheiden sollten, gehe hervor, daß nach der beabsichtigten Novellierung des § 51 Abs. 2 Satz 2 SGG sich die Vorschrift lediglich auf eine Rechtswegzuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeiten in Angelegenheiten der sozialen Pflegeversicherung erstrecke. Diese Ausführungen seien als authentische Interpretation der Vorschrift aufzufassen. Zu demselben Ergebnis führe schließlich die gesetzessystematische Betrachtung. Nicht nur in § 51 Abs. 2 Satz 2 SGG, sondern auch in § 73 Abs. 2 Satz 1, 74 Abs. 3 Satz 2 und 85 Abs. 5 Satz 3 SGB XI seien Rechtswegzuweisungen an die Sozialgerichtsbarkeit vorgenommen worden. Dies wäre überflüssig gewesen, wenn sich § 51 Abs. 2 Satz 2 SGG nicht nur auf Angelegenheiten der Pflegeversicherung, sondern auch auf alle sonstigen Angelegenheiten nach dem SGB XI erstrecke. Die Zustimmung zur gesonderten Berechnung betriebsnotwendiger Investitionsaufgaben sei aber keine Aufgabe der Pflegeversicherung. Sie obliege nicht den Pflegeversicherungsträgern, sondern den durch Landesrecht bestimmten Behörden. Das SGB XI enthalte auch keine verbindlichen Regelungen zu Art, Höhe, Laufzeit und Verteilung der gesondert berechenbaren Aufwendungen. § 51 Abs. 2 Satz 2 SGG könne insoweit auch nicht erweiternd ausgelegt werden. Der Gesichtspunkt der Sachkunde, der Sachnähe und des Sachzusammenhanges, welcher für die Auslegung der Vorschriften über die Rechtswegzuweisung im Zweifel besondere Bedeutung habe, lege eine solche Entscheidung nicht nahe. Eine besondere Kompetenz der Sozialgerichtsbarkeit sei insoweit nicht gegeben. Im Gegenteil spreche die Abhängigkeit von Entscheidungen nach § 82 Abs. 3 Satz 3 erster Halbsatz SGG von denjenigen über die öffentliche Investitionsförderung nach § 9 SGB XI dafür, es nicht nur hinsichtlich des letztgenannten Bereiches, sondern auch hinsichtlich des erstgenannten Bereiches bei der allgemeinen Rechtswegzuweisung an die Verwaltungsgerichtsbarkeit gemäß § 40 Abs.1 Satz 1 VwGO zu belassen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_4">4</a></dt>
<dd><p>Gegen diesen dem Beklagten am 2. Juni 1999 zugestellten Beschluß richtet sich seine am 4. Juni 1999 bei dem Sozialgericht eingegangene Beschwerde. Damit macht er geltend, es könne nicht ernsthaft zweifelhaft sein, daß auch die Streitigkeiten um die Zustimmung nach § 82 Abs. 3 Satz 3 erster Halbsatz SGB XI Streitigkeiten seien, die in Angelegenheiten nach dem SGB XI im Sinne von § 51 Abs. 2 Satz 2 SGG entstünden.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_5">5</a></dt>
<dd><p>Die Klägerin teilt die Rechtsauffassung des Beklagten.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_6">6</a></dt>
<dd><p>Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>II.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_7">7</a></dt>
<dd><p>Die Beschwerde ist nach §§ 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG, 172, 173 SGG zulässig. Die Abhilfeentscheidung des Sozialgerichts, die in § 17 a Abs. 4 GVG nicht vorgesehen ist, hindert eine Entscheidung des Senats nicht (vgl. BSG SozR 3 1500 § 51 Nr. 19).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_8">8</a></dt>
<dd><p>Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht den Rechtsweg zu den Sozialgerichten nicht für zulässig erachtet und den Rechtsstreit nach § 17 a Abs. 2 Satz 1 GVG an das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht verwiesen. Der Senat schließt sich voll inhaltlich der vom Sozialgericht vertretenen Rechtsauffassung an und verweist deshalb in entsprechender Anwendung von § 153 Abs. 2 SGG (vgl. dazu Meyer-Ladewig, SGG, 6. Auflage, § 142 Rz. 5 b) die Beschwerde aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_9">9</a></dt>
<dd><p>Lediglich ergänzend ist auszuführen, daß zwar die vom Sozialgericht zitierte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts die Investitionsförderung des Landes nach § 82 Abs. 2 i.V.m. § 9 SGB XI betraf. Im vorliegenden Fall geht es dagegen um die Zustimmung zur gesonderten Berechnung der nach § 82 Abs. 2 SGB XI nicht gedeckten Investitionsaufwendungen. Diese kann die Pflegeeinrichtung nach § 82 Abs. 3 Satz 1 SGB XI den Pflegebedürftigen gesondert berechnen. Deshalb ist der vorliegende Rechtsstreit aber nicht als ein solcher in Angelegenheiten nach dem SGB XI im Sinne von § 51 Abs. 2 Satz 2 SGG zu qualifizieren. Denn das Rechtsverhältnis zwischen Pflegeeinrichtung und Pflegebedürftigen ist - worauf das Sozialgericht zu Recht hingewiesen hat - privatrechtlicher Natur. Da die Zustimmung zur gesonderten Investitionskostenberechnung in engem Zusammenhang mit der Investitionsförderung nach § 9 SGB XI steht, hat das Sozialgericht zutreffend auch für diesen Rechtsstreit die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte angenommen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_10">10</a></dt>
<dd><p>Wegen grundsätzlicher Bedeutung der entscheidungserheblichen Rechtsfrage hat der Senat die weitere Beschwerde zugelassen.</p></dd>
</dl>
</div></div>
<br>
</div>
|
|
111,720 | lsgsh-1997-09-30-l-1-kr-9596 | {
"id": 1068,
"name": "Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht",
"slug": "lsgsh",
"city": null,
"state": 17,
"jurisdiction": "Sozialgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | L 1 Kr 95/96 | 1997-09-30T00:00:00 | 2018-11-27T02:30:20 | 2019-01-17T11:35:38 | Urteil | ECLI:DE:LSGSH:1997:0930.L1KR95.96.0A | <div class="docLayoutText">
<div class="docLayoutMarginTopMore"><h4 class="doc">
<!--hlIgnoreOn-->Tenor<!--hlIgnoreOff-->
</h4></div>
<div class="docLayoutText"><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Auf die Berufung der Beklagten werden die Urteile des Sozialgerichts Kiel vom 9. Juli 1996 aufgehoben.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Die Klagen werden abgewiesen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Außergerichtliche Kosten haben sich die Beteiligten in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Die Revision wird zugelassen.</p></dd>
</dl>
</div></div>
<div class="docLayoutMarginTopMore"><h4 class="doc">
<!--hlIgnoreOn-->Tatbestand<!--hlIgnoreOff-->
</h4></div>
<div class="docLayoutText"><div>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_1">1</a></dt>
<dd><p>Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Übernahme der Kosten hat, die ihm für eine Behandlung im Ausland sowie die Reise dorthin entstanden sind.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_2">2</a></dt>
<dd><p>Der Kläger ist … 1985 geboren. Seit seiner Geburt leidet er an einer Tetraspastik, die die Koordination der Bewegungsabläufe einschränkt. Er ist Rollstuhlfahrer und auf Gehhilfen angewiesen. In Deutschland wurde er bisher krankengymnastisch behandelt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_3">3</a></dt>
<dd><p>Am 15. Februar 1994 beantragte er bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für den ersten Abschnitt der manualtherapeutischen Behandlung nach der Methode von Dr. K. in der U… vom 12. bis 26. März 1994. Zur Begründung des Antrages trug er vor, die Behandlung sei für die Verbesserung seiner Gehfähigkeit notwendig. Die Therapiemethode werde in Deutschland nicht angeboten. In anderen Behandlungsfällen sei sie bereits erfolgreich angewandt worden. Die Behandlungskosten würden sich auf 4.800,00 DM zuzüglich Unterkunft und Flugkosten, insgesamt 7.300,00 DM, belaufen. Dabei spare die Behandlung möglicherweise andere Kosten für einen neuen Rollstuhl und weitere Gehhilfen ein. Der Beklagten lag ein Gutachten von Dr. E. vom MDK Bayern vom 23. September 1993 vor. Mit Bescheid vom 15. Februar 1994 lehnte sie die Kostenübernahme ab. Zur Begründung der Entscheidung führte sie aus, nach diesem Gutachten stelle die Methode nach Dr. K. einen Verbund von Manualtherapie, Massage, Krankengymnastik und diversen Außenseiterverfahren dar. Die Methode bedürfe einer weiteren wissenschaftlichen Abklärung. Der Kläger machte mit seinem Widerspruch vom 5. August 1994 geltend, die Behandlung nach Dr. K. entspreche dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse. Sie könne nur in der U… durchgeführt werden. Zahlreiche Krankenkassen hätten die Kosten bereits übernommen. Anläßlich des ersten Behandlungsabschnitts seien ihm 7.235,00 DM an Kosten entstanden. Der Kläger beantragte ferner die Übernahme der Kosten für den zweiten Behandlungsabschnitt, der für die Zeit vom 3. bis 15. Oktober 1994 geplant war. Er fügte eine Stellungnahme des Kinderarztes Dr. G. und der Krankengymnastin Frau T: bei. Mit Bescheid vom 8. August 1994 lehnte die Beklagte auch die Übernahme dieser Kosten ab. Hiergegen legte der Kläger am 2. September 1994 Widerspruch ein.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_4">4</a></dt>
<dd><p>Die Beklagte holte ein Gutachten von Dr. P. (MDK) vom 28 . September 1994 ein. Dieser führte aus, der Gesundheitszustand des Klägers habe sich objektiv gebessert. Die Behandlungsmethode nach Dr. K. beinhalte schulmedizinisch anerkannte und nicht anerkannte Verfahrensweisen. Die anerkannten Verfahrensweisen könnten auch in Deutschland praktiziert werden, z. B. im Kinder Zentrum P., in der Medizinischen Universitätsklinik in L. und in der Kinder- und Jugendpsychiatrie in S.. Mit Bescheid vom 5. Oktober 1994 half die Beklagte dem Widerspruch des Klägers teilweise ab und übernahm die Kosten beider Behandlungsabschnitte für die Behandlungen in der U … und für die Verpflegung.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_5">5</a></dt>
<dd><p>Die Beklagte führte aus, die Flugkosten könnten nicht übernommen werden, da eine Behandlung des Klägers auch in Sa. möglich sei. Es handele sich um eine Einzelfallentscheidung ohne präjudizielle Wirkung, die allein im Hinblick auf den guten Behandlungserfolg getroffen worden sei.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_6">6</a></dt>
<dd><p>Am 7. November 1994 hat der Kläger gegen die Entscheidung der Beklagten Klage erhoben - S 7 Kr 90/94. Die Beklagte führte daraufhin das Widerspruchsverfahren durch und wies den Widerspruch bezüglich der Reisekosten mit Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 1995 zurück. Die Entscheidung begründete sie im wesentlichen damit, daß die Kosten für eine Auslandsbehandlung und deren Nebenkosten nur dann im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens übernommen werden könnten, wenn eine dem anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung nur dort möglich sei. Hier seien die Behandlungskosten nur wegen des guten Behandlungserfolges in der Ukraine erstattet worden. Die Fahrkosten könnten demgegenüber nicht übernommen werden, weil die Behandlung auch im Inland möglich gewesen sei.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_7">7</a></dt>
<dd><p>Zur Begründung der Klage hat der Kläger vorgetragen, eine entsprechende Behandlung, wie Dr. K. sie in der U… durchführe, werde im Inland nicht angeboten. Demgemäß hätten bereits mehrere Krankenkassen ihren Versicherten gegenüber die Zusage für die Übernahme der sämtlichen Kosten erteilt. Unerheblich sei es, ob eine Cerebralparese in Deutschland überhaupt behandelt werden könne, sondern maßgeblich sei, daß die von Dr. K. verfolgte Methode, die nach Aussage der Beklagten selbst bei ihm gute Behandlungserfolge erzielt habe, in Deutschland nicht angeboten werde. Es sei widersprüchlich, daß die Beklagte zwar die Behandlungs- und Verpflegungskosten, nicht aber die Flugkosten übernommen habe. Das Gutachten von Dr. E., auf welches die Beklagte sich maßgeblich stütze, sei nicht verwertbar, denn es sei unsachlich.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_8">8</a></dt>
<dd><p>Der Kläger hat beantragt,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_9">9</a></dt>
<dd><p style="margin-left:36pt">die Bescheide der Beklagten vom 15. Februar 1994 und vom 8. August 1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17. Januar 1995 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Anträge des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_10">10</a></dt>
<dd><p>Die Beklagte hat beantragt,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_11">11</a></dt>
<dd><p style="margin-left:36pt">die Klage abzuweisen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_12">12</a></dt>
<dd><p>Sie hat sich auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide, das Gutachten von Dr. L. vom 23. September 1993 und das Gutachten von Dr. E. vom 28. September 1994 bezogen. Ferner hat sie weitere gutachterliche Stellungnahmen von Dr. E vom 28. März 1995 und 22. Februar 1996 vorgelegt. Außerdem hat sie diverse Stellungnahmen von Prof. Dr. S. vom Frühdiagnose-Zentrum der Universitäts-Kinderklinik W, von Prof . Dr. V vom Kinderzentrum M., eine Stellungnahme von Prof. Dr. Dr. H. von der Neuropädiatrischen Abteilung der G...-Universität in G. und einen Bericht von Dr. K.: und Prof . Dr. S., F. Z., vorgelegt, schließlich eine Liste von manualtherapeutischen Ärzten in der Bundesrepublik Deutschland, die auch Kinder behandeln.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_13">13</a></dt>
<dd><p>Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Anhörung des Kinderarztes Dr. G. vom M…-Krankenhaus in S…. Mit Urteil vom 9. Juli 1996 hat es der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe zu Unrecht das ihr eingeräumte Ermessen nicht ausgeübt. Der grundsätzlich dem Kläger zustehende Krankenversicherungsanspruch ruhe zwar, solange der Kläger sich im Ausland aufhalte. Von diesem Grundsatz gebe es jedoch Ausnahmen, die hier eingriffen. Es bestehe keine Möglichkeit, den Kläger rechtzeitig und ausreichend im Inland medizinisch zu behandeln. Die Behandlungsmethode von Dr. K., die unstreitig bei ihm Erfolg gebracht habe, werde zwar in M.und in S: angeboten, jedoch seien diese Behandlungsplätze ausgebucht. In S. werde die Methode nicht angeboten, weder in P . noch in Sa. oder L. Somit sei es nicht möglich gewesen, die Erfolge der Behandlung in der U auch im Inland herbeizuführen. Es handele sich hierbei um eine Behandlung, die dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspreche. Der Erfolg der Behandlung sei in einer statistisch relevanten Zahl von Fällen nachgewiesen, und es gebe hinreichende allgemeine Erkenntnisse über die Erkrankung, die die Behandlung erforderlich machten. Die Methode beinhalte manualtherapeutische Elemente, verbunden mit Akupressur, Akupunktur, Apis-Therapie, Phytotherapie und Reflexzonentherapie , die zu einer Auflösung von Blockaden und einer Normalisierung des Muskeltonus führten. Daß dies nicht nur im Falle des Klägers, sondern auch in einer weiteren hinreichenden Zahl von Fällen eine erforderliche Behandlung gewesen sei, gehe aus der Stellungnahme des Sachverständigen und aus den beigezogenen ärztlichen Unterlagen hervor. Dabei seien auch die von Dr. E benannten Nebenwirkungen unbeachtlich, weil ihnen gegenüber entsprechende Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden könnten. Dem Gutachten von Dr. E sei im übrigen nicht zu folgen, da es wissenschaftlichen Ansprüchen nicht genüge.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_14">14</a></dt>
<dd><p>Gegen die ihr am 13. November 1996 zugestellte Entscheidung richtet sich die Berufung der Beklagten, die am 11. Dezember 1996 beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangen ist.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_15">15</a></dt>
<dd><p>Am 21. Juni 1995 beantragte der Kläger bei der Beklagten auch die Übernahme der Kosten für den dritten Behandlungsabschnitt (9. bis 23. Juli 1995). Der Beklagten lag eine Stellungnahme vom Prüfdienst des Bundesversicherungsamtes vor. Ferner holte sie eine weitere gutachterliche Stellungnahme von Dr. Peters (MDK) vom 22. August 1995 ein. Mit Bescheid vom 8. September 1995 wies sie den Antrag des Klägers auf weitere Übernahme der Behandlungskosten sowie der Nebenkosten zurück. Zur Begründung führte sie aus, ein Therapieerfolg der Behandlung in der U… sei zwar erkennbar. Jedoch seien auch im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland genügend Einrichtungen vorhanden, die vergleichbare Behandlungen durchführten. Die Beklagte benannte hierzu das Kinder Zentrum P., das F. sowie die Fachkliniken für Kinder- und Jugendpsychiatrie in L. und Sa.. Mit einer im Inland intensiver betriebenen Krankengymnastik könnten gleiche Ergebnisse erzielt werden. Auch eine ambulante manualtherapeutische Behandlung sei möglich. Da es sich um eine Außenseitertherapie handele, könnten die Kosten nicht übernommen werden. Die Behandlung durch Dr. K. entspreche nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse. Gegen diese Entscheidung legte der Kläger am 19. September 1995 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. Oktober 1995 zurückwies. Sie bezog sich auf die vorgenannten Begründungen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_16">16</a></dt>
<dd><p>Gegen diese Entscheidung hat der Kläger am <em>2.</em> November 1995 Klage erhoben (S 7 Kr 96/96) .</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_17">17</a></dt>
<dd><p>Er hat beantragt,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_18">18</a></dt>
<dd><p style="margin-left:36pt">den Bescheid der Beklagten vom 8. September 1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 1995 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, seinen Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_19">19</a></dt>
<dd><p>Die Beklagte hat beantragt,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_20">20</a></dt>
<dd><p style="margin-left:36pt">die Klage abzuweisen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_21">21</a></dt>
<dd><p>Das Gericht hat auch in diesem Verfahren Dr. G. als Sachverständigen gehört. Mit Urteil vom 9. Juli 1996 hat es mit gleicher Begründung wie in dem Verfahren bezüglich der ersten beiden Behandlungsabschnitte der Klage stattgegeben.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_22">22</a></dt>
<dd><p>Die Entscheidung ist der Beklagten am 13. November 1996 zugestellt worden, sie hat dagegen am 12. Dezember 1996 beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht Berufung eingelegt .</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_23">23</a></dt>
<dd><p>Der Senat hat beide Verfahren mit Beschluß vom 1. September 1997 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung zusammengefaßt .</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_24">24</a></dt>
<dd><p>Die Beklagte trägt vor, ein Anspruch auf eine Behandlung oder auf Übernahme der Kosten im Ausland bestehe dann, wenn die Erprobung der Methode abgeschlossen sei. Es müßten wissenschaftlich einwandfrei geführte Statistiken über die Zahl der Fälle und über die Wirksamkeit der Methode vorliegen. Diese Anspruchsvoraussetzungen seien hinsichtlich der Behandlung durch Dr. K. nicht erfüllt. Dr. E. stehe mit seiner Kritik an der Methode - anders als das Sozialgericht Kiel dies angenommen habe - nicht allein. Prof. Dr. H. habe die Erfolgsrate der Behandlung von Dr. K. als schwer objektivierbar angesehen. Es gebe seiner Auffassung nach keinen Hinweis dafür, daß die Methode Vorteile gegenüber anderen, im Inland angebotenen Behandlungsmethoden aufweise. Prof. Dr. V aus M. halte die Therapieform nicht für eine wissenschaftlich anerkannte Methode. Dr. R. vom Sb. rüge das Fehlen einer vergleichenden Effektivitätsstudie. Nach den Feststellungen des Sozialgerichts Kiel sei eine Behandlung des Klägers auch in M. und S. möglich gewesen. Es sei unerheblich, daß die dortigen Behandlungsplätze belegt seien, weil der Kläger auch auf die Behandlung in der U… ein Jahr gewartet habe.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_25">25</a></dt>
<dd><p>Die Beklagte beantragt,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_26">26</a></dt>
<dd><p style="margin-left:36pt">die Urteile des Sozialgerichts Kiel vom 9. Juli 1996 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_27">27</a></dt>
<dd><p>Der Kläger beantragt ,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_28">28</a></dt>
<dd><p style="margin-left:36pt">1. die mündliche Verhandlung zu vertagen unter Hinweis auf den ihm erst heute ausgehändigten Ablichtungsteil des Gutachtens von Prof. Dr. M. sowie die übergebene Ablichtung des Presseberichts Nr. 61/97 des Bundessozialgerichts,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_29">29</a></dt>
<dd><p style="margin-left:36pt">2. die Berufung zurückzuweisen,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_30">30</a></dt>
<dd><p style="margin-left:36pt">3. hilfsweise die Revision zuzulassen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_31">31</a></dt>
<dd><p>Er bezieht sich auf seinen bisherigen Vortrag.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_32">32</a></dt>
<dd><p>Der Senat hat den Auszug aus einem Gutachten von Prof. Dr. M. von der O. beigezogen, der den Beteiligten zur Kenntnis gegeben worden ist. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 30. September 1997 haben dem Senat die beiden Verfahrensakten sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten hinsichtlich der Anträge des Klägers Vorgelegen.</p></dd>
</dl>
</div></div>
<div class="docLayoutMarginTopMore"><h4 class="doc">
<!--hlIgnoreOn-->Entscheidungsgründe<!--hlIgnoreOff-->
</h4></div>
<div class="docLayoutText"><div>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_33">33</a></dt>
<dd><p>Die Berufung der Beklagten ist zulässig; der Beschwerdewert beträgt über 1.000,00 DM.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_34">34</a></dt>
<dd><p>Es stellt keine Klagerweiterung dar, daß der Kläger in der Berufungsverhandlung auch den Bescheid vom 5. Oktober 1994 angefochten hat, mit dem dem Widerspruch teilweise stattgegeben worden ist, denn hierdurch ist der Streitgegenstand nicht geändert worden. Die Einbeziehung dieses Bescheides in den Klagantrag diente nur der Klarstellung, weil bereits im Antrag vor dem Sozialgericht die Bescheide vom 15. Februar und 8. August 1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides, welcher den Bescheid vom 5. Oktober 1994 impliziert, angefochten worden sind.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_35">35</a></dt>
<dd><p>Die Berufung ist auch begründet. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Behandlung durch Dr. K. in der U… (hinsichtlich des dritten Behandlungsabschnitts) und auch keinen Anspruch hinsichtlich der Reisekosten. Es fehlt daher an einer Anspruchsgrundlage auf Betätigung des Ermessens durch die Beklagte . Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Beklagte zu einer Neubescheidung verpflichtet.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_36">36</a></dt>
<dd><p>Gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 27 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V) haben Versicherte einen Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn diese notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Der Kläger ist bei der Beklagten gegen Krankheit versichert und gehört daher dem Grunde nach zu dem anspruchsberechtigten Personenkreis des § 27 SGB V. Nach den Feststellungen des Senats leidet er seit seiner Geburt unter einer Cerebralparese mit einer spastisch betonten Quadriplegie. Diese äußert sich in statomotorischen Entwicklungsrückständen. Der Kläger ist damit krank im Sinne des Gesetzes und hat gegenüber der Beklagten einen Leistungsanspruch .</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_37">37</a></dt>
<dd><p>Zwar ruht gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB V der Anspruch auf Leistungen, solange sich der Versicherte im Ausland aufhält. Dies schließt einen Anspruch auf Übernahme der Behandlungskosten jedoch nicht aus. Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 SGB V kann die Krankenkasse, wenn eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung der Erkrankung nur im Ausland möglich ist, die erforderlichen Behandlungskosten ganz oder teilweise übernehmen. Dies setzt einerseits voraus, daß eine ausreichende und rechtzeitige Behandlung im Inland nicht möglich ist und andererseits, daß die Auslandsbehandlung hinsichtlich ihrer Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht und den medizinischen Fortschritt berücksichtigt (BSG, Urteil vom 23.11.1995, Az.: 1 RK 5/95, SozR 3-2500 § 18 Nr. 1). Die allgemeine Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V gilt nämlich auch für den Leistungsanspruch im Rahmen des § 18 Abs. 1 SGB V. Zwar bezieht sich der Leistungsanspruch im Rahmen des § 2 SGB V stets auf die Belange und die Besonderheiten des jeweiligen einzelnen Behandlungsfalles. Das bedeutet, daß die ausreichende Möglichkeit einer Inlandsbehandlung nicht schon dann bejaht werden kann, wenn die Behandlung generell für Erkrankungen dieser Art geeignet ist. Entsprechend kann die Wirksamkeit einer Auslandsbehandlung nicht bereits dann verneint werden, wenn sie generell für die in Frage stehende Erkrankung nicht heranzuziehen ist (BSG a.a.O.). Das ändert aber nichts daran, daß die Behandlungsmethode, für die eine Kostenerstattung begehrt wird, gleichwohl eine anerkannte Methode sein muß. Durch die Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V hat der Gesetzgeber eine das gesamte Leistungsrecht bestimmende Regelung getroffen, mit welcher er ausdrücklich Leistungen aus dem Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen hat, die mit wissenschaftlich nicht anerkannten Methoden erbracht werden. Neue Verfahren, die nicht ausreichend erprobt sind oder Außenseitermethoden, die zwar bekannt sind, sich aber (noch) nicht bewährt haben, lösen nach dem Willen des Gesetzgebers keine Leistungspflicht der Krankenkassen aus. Das gilt selbst dann, wenn neue Methoden im Einzelfall zu einer Heilung der Krankheit oder Linderung der Krankheitsbeschwerden geführt haben (BT-Drucksache 11/2237, S. 157; BSG, Urteil vom 5.7.1995, Az.: 1 RK 6/95, SozR 3-2500 § 27 Nr. 5). Neue, bislang nicht zum allgemein anerkannten Stand der medizinischen Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung zuzurechnende Therapieverfahren können in den Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung nach den Anforderungen des § 135 Abs. 1 SGB V einbezogen werden. Danach dürfen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der Vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen grundsätzlich nur abgerechnet werden, wenn der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen auf Antrag der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder eines Spitzenverbandes der Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 entsprechende Empfehlungen abgegeben hat. Diese Empfehlungen sind sowohl im positiven wie auch im negativen Falle bindend für die Versicherungsträger und prägen damit den Leistungsanspruch der Versicherten. Dies gilt nicht nur für die Abrechnung der Leistungen im engeren Sinne durch die Ärzte, sondern auch im Verhältnis zwischen den Versicherten und den Krankenkassen (BSG, Urteile vom 16. September 1997 , Az.: 1 RK 17/95, 28/95, 30/95, 32/95 und 14/96). Hinsichtlich der Behandlungsmethode nach Dr. K. ist bislang weder eine positive noch eine negative Empfehlung in den Richtlinien über die neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen. Dies kann auf einem Mangel des gesetzlichen Leistungssystems beruhen, der darin gesehen werden kann, daß das Empfehlungsverfahren (noch) nicht durchgeführt worden ist, eine solche Behandlungsmethode jedoch therapeutisch zweckmäßig ist. Auch in derartigen Fällen kann daher ein Kostenerstattungsanspruch für die selbst beschaffte Leistung in Betracht kommen. Dabei ist die Zweckmäßigkeit der Methode in diesem Sinne dann anzunehmen, wenn ihre Wirksamkeit wissenschaftlich nachgewiesen ist. Dies setzt voraus, daß die Behandlungsweise sich in der medizinischen Praxis durchgesetzt hat. Davon ist auszugehen, wenn sie in der medizinischen Fachdiskussion eine breite Resonanz gefunden hat und von einer erheblichen Zahl von Ärzten angewandt wird. Die Verbreitung einer Methode kann als Beleg für ihre Zweckmäßigkeit gewertet werden, weil sich erfolgreiche oder erfolgversprechende Untersuchungs- und Behandlungsverfahren erfahrungsgemäß über kurz oder lang durchsetzen, während ungeeigneten Therapieeinsätzen eine breite Akzeptanz versagt bleibt (BSG, Urteil vom 16. September 1997, Pressebericht 61/97).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_38">38</a></dt>
<dd><p>Im Rahmen dieser Voraussetzungen kann ein entsprechender Kostenerstattungsanspruch nach § 18 Abs. 1 SGB V auch bei einer Behandlung im Ausland bestehen, wenn eine adäquate Behandlungsmöglichkeit im Inland im Rahmen der Vertragsärztlichen Versorgung nicht möglich ist.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_39">39</a></dt>
<dd><p>Nach den Feststellungen des Senats sind diese Voraussetzungen für die Behandlungsmethode von Dr. K. in L./U… nicht erfüllt. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob eine adäquate und wirksame Behandlungsmöglichkeit für den Kläger im Inland nicht besteht oder ob die bisher durchgeführten krankengymnastischen Möglichkeiten bislang erfolgreich und ausreichend gewesen sind. Unter rechtlichen Gesichtspunkten kommt es auf diese Frage nicht an, denn die Anspruchsvoraussetzungen für einen Kostenerstattungsanspruch sind deshalb nicht erfüllt , weil die Behandlungsmethode von Dr. K. nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse im oben genannten Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V entspricht .</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_40">40</a></dt>
<dd><p>Aufgrund der sämtlichen vorliegenden ärztlichen Aussagen kommt der Senat zu dem Ergebnis, daß die gesamte ärztliche Zuwendung für den Kläger Erfolge bewirkt hat. Der Therapieerfolg ist durch den Bericht der behandelnden Krankengymnastin T.; vom 23. September 1994 attestiert worden. Ferner hat ihn Dr. P. vom MdK im Gutachten vom 28. September 1994 gleichfalls bejaht. Hierbei ist aber zu berücksichtigen, daß die Wirkungen der "konventionellen" Behandlungen im Inland und der Behandlung von Dr. K. ineinandergreifen. Aus dem Grunde kann noch nicht einmal der überwiegende Ursachenzusammenhang zwischen der Behandlungsmethode von Dr. K und dem Behandlungserfolg mit Sicherheit positiv festgestellt werden. Nach der oben dargelegten Rechtslage ist darauf jedoch auch nicht maßgeblich abzustellen. Entscheidend ist vielmehr, daß die Behandlungsmethode nach Dr. K. über das Experimentierstadium bislang nicht hinausgelangt ist und insbesondere keine hinreichenden Kenntnisse über ihre Eignung zur erfolgreichen Behandlung von Diplegien bestehen. Dies ergibt sich aus den dem Senat vor1iegenden ärztlichen Stellungnahmen. Nach ihnen sind die vom BSG in der Entscheidung vom 16. September 1997 aufgestellten Voraussetzungen nicht erfüllt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_41">41</a></dt>
<dd><p>Dr. K. stellt selber in seiner Bescheinigung vom 18. Dezember 1994 dar, daß er seine neuro-physiologische Behandlung ausschließlich selbst sowie die an seinem Zentrum angestellten Ärzte durchführten. Ausländische Ärzte seien in die Behandlungsmethode nicht eingewiesen worden. Damit stellt er selbst in Abrede, daß sich die Methode in der Weise durchgesetzt habe, daß sie in der Ärzteschaft auf eine breite Resonanz gestoßen ist und von ihr angewandt wird. Die Methode von Dr. K. stellt eine besondere Form der Manualtherapie dar, die mit einem Konglomerat von einzelnen Behandlungsformen, wie Bienenstichtherapie, Akupressur, Akupunktur, Phytotherapie und Reflexzonentherapie verbunden und lediglich geeignet ist, die Symptome der Grunderkrankung zumindest vorübergehend zu verbessern. Darauf haben Prof Dr. Sb. vom Frühdiagnosezentrum W. in seiner Stellungnahme vom 3. August 1994 (Bl. 45 der GA) und Prof. Dr. H. vom Zentrum Kinderheilkunde der G...-Universität G. in der Stellungnahme vom 13. Juli 1993 (Bl. 56 der Gerichtsakte) hingewiesen. Manualtherapie wird auch in der Bundesrepublik Deutschland in verschiedener Form durchgeführt. Die Beklagte hat eine Liste von Manualtherapeuten, die ausdrücklich auch Kinder behandeln und die vertraglich tätig sind, vorgelegt. Prof . Dr. V. vom Kinderzentrum M. hat am 14. April 1994 (Bl. 55 der Gerichtsakte) ausgeführt, daß die Manualtherapie seit November 1993 an seinem Institut in differenzierter Form durchgeführt wird, allerdings nicht nach der Methode von Dr. K.. Er hatte auch vornehmlich erhebliche Behandlungserfolge durch dessen Methode attestiert (Stellungnahme vom 1. April 1993, Bl. 58 der Gerichtsakte), hat allerdings in der Stellungnahme vom 14. Juni 1993 (Bl. 60 der Gerichtsakte) ausgeführt, die Methode müsse noch weiter analysiert werden, er beschränkte sich auf "erste Beobachtungen". In der Stellungnahme vom 6. Dezember 1993 (Bl. 62 der Gerichtsakte) führte er aus, daß er die Manualtherapie in die neuro-physiologische Behandlung integriere, daß er aber keine unkonventionelle Behandlung, wie die nach Dr. K., vornehme. In seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 16. September 1994 (Bl. 66 ff. der Gerichtsakte) sah er in einer anders gearteten Manualtherapie eine Behandlungsalternative zu der Methode von Dr. K., dessen Behandlungsmethode er als unspezifisch und als ein Konglomerat von Einzelmethoden ansah. Hiermit stimmte er überein mit dem Inhalt des Aufsatzes von Kreck/Sailer in Pädiatrische Praxis 1994/95 (Bl. 71 ff der Gerichtsakte), in dem die Autoren sich wegen methodischer Mängel der Behandlungsweise zu einer Bewertung der Methode nicht in der Lage sahen. Diese gesamten Stellungnahmen zusammenfassend kam der Sachverständige Prof. Dr. M. zu dem Ergebnis, daß derzeit die Hintergründe der Methode von Dr. K. nicht erforscht seien. Unbestreitbar habe die Methode zwar in einer Reihe von Fällen Erfolge bewirkt. Ein Wirkmechanismus sei aber noch völlig unbekannt. Damit hat Prof. Dr. M. gerade das Experimentierstadium geschildert, welches nach dem Sinne des Gesetzgebers einen Leistungsanspruch im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung ausschließen sollte. Außerdem ist aus diesem Gutachten wie auch aus den vorstehenden ärztlichen Stellungnahmen erkennbar, daß sich die Behandlungsmethode von Dr. K. in der Fachärzteschaft nicht durchgesetzt hat, sondern daß vielmehr nach Behandlungsansätzen gesucht wird, die eine Integration einer manualtherapeutischen Behandlung in die neuro-physiologische Behandlung ermöglicht, dabei aber auf eine wissenschaftlich gradlinige Grundlage gestellt werden kann, um zielgerichtete Behandlungserfolge zu bewirken und um die Ungewißheiten der Wirkungsanteile der verschiedenen methodischen Ansätze auszuräumen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_42">42</a></dt>
<dd><p>Damit ist nach den oben dargelegten Voraussetzungen der Anspruch für eine Kostenübernahme jedoch nicht erfüllt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_43">43</a></dt>
<dd><p>Das Gutachten von Dr. G. vom 29. April 1996 steht dem nicht entgegen und bewirkt keinen Leistungsanspruch des Klägers . Zwar hat Dr. G. ausgeführt, daß die Methode nach Dr. K. eine statistisch relevante Zahl von nachweisbaren Behandlungserfolgen bewirkt habe, daß durchgreifende Bedenken hinsichtlich der Nebenwirkungen der Behandlungsmethode nicht beständen und daß eine adäquate Behandlungsmöglichkeit im Inland nicht vorhanden sei. Jedoch hat er die statistisch relevante Zahl nachweisbarer Behandlungserfolge lediglich vor dem Hintergrund der hier bekannt gewordenen Einzelerfolge angenommen, unabhängig von den Fragen, daß die Relation zwischen den Erfolgen und Mißerfolgen unbekannt ist, die Begleitumstände der Behandlungserfolge (übriges Behandlungsumfeld) nicht bekannt sind und der Ursachenzusammenhang zwischen der in Rede stehenden Behandlungsmethode und der tatsächlichen Behandlungserfolge gänzlich ungeklärt ist. Im übrigen würde es nach den Erfordernissen, die im Urteil des BSG vom 5. Juli 1995 (a.a.0.) aufgestellt worden sind, nicht ausreichen, wenn eine statistisch hinreichende Zahl von Behandlungserfolgen nachzuweisen wäre, solange das experimentelle Stadium der Ursachenforschung noch nicht abgeschlossen ist. Nach diesen rechtlichen Vorgaben würden die Annahmen von Dr. G. den Leistungsanspruch des Klägers daher nicht begründen können.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_44">44</a></dt>
<dd><p>Unter Auswertung des gesamten Akteninhalts kommt der Senat folglich zu dem Ergebnis, daß die Behandlung des Klägers im Zusammenhang mit den auch weiterhin angewandten hiesigen krankengymnastischen Behandlungen in der Vergangenheit Erfolge gebracht hat. Ob und in welcher Weise die Behandlung nach Dr. K. geeignet ist, generell im Sinne einer besonderen Therapieform unabhängig von der Anerkennung durch die medizinische Wissenschaft allgemeine Behandlungserfolge zu erbringen, ist bislang noch völlig offen. Derzeit kann diese Frage auch nicht geklärt werden, weil sich die Behandlungsmethode bislang im experimentellen Stadium befindet. Sie ist eng an die Person von Dr. K. geknüpft und verschließt sich damit einer raschen weitergehenden medizinischen Erkenntnis . Sie hat sich nicht durchgesetzt. Die Leistungsvoraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V sind damit nicht erfüllt, so daß der Kläger gegenüber der Beklagten keinen Leistungsanspruch im Rahmen des § 18 Abs. 1 SGB V auf Erstattung der Behandlungskosten hat.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_45">45</a></dt>
<dd><p>Auch der Anspruch auf Erstattung der Flugkosten ist unbegründet . Dies gilt einerseits für die geltend gemachten Kosten des dritten Behandlungsabschnitts, da bereits der Anspruch auf die Hauptleistung nicht bestand. Weiter gilt dies aber auch für die Flugkosten anläßlich des ersten und zweiten Behandlungsabschnittes. Entgegen der Auffassung des Klägers ist es nicht widersprüchlich, daß die Beklagte diese Behandlungskosten zwar übernommen hat, nicht aber die Flugkosten. Dabei kann in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben, daß selbst ein Anspruch auf Erstattung der Behandlungskosten ebenfalls nicht bestand. Nach § 18 Abs. 2 SGB V kann die Krankenkasse in den Fällen, in denen sie die Kosten für eine Auslandsbehandlung bezahlt, auch die weiteren Kosten für den Versicherten und für eine erforderliche Begleitperson ganz oder teilweise übernehmen. Auch dieser Anspruch steht - wie der Hauptanspruch - im Ermessen des Krankenversicherungsträgers. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift. Zwingend wäre selbst bei einem Anspruch des Klägers auf Erstattung der ausländischen Behandlungskosten die Übernahme auch der Transportkosten nicht. Unabhängig von der Frage des Hauptanspruchs ist es daher nicht ermessensfehlerhaft, daß die Beklagte auch hinsichtlich der ersten beiden Behandlungsabschnitte die Erstattung der Flugkosten abgelehnt hat.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_46">46</a></dt>
<dd><p>Der Senat sah keine Veranlassung, gemäß dem Hauptantrag des Klägers den Rechtsstreit zu vertagen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör des Klägers ist nicht verletzt. Zwar stützt sich der Senat bei seiner Entscheidung u.a. auch auf den Inhalt des Gutachtens von Prof. Dr. M.. Dieses Gutachten ist in seinem Bewertungsteil, in dem die Methode von Dr. K. diskutiert wird, dem Klägervertreter am 12. September 1997 übersandt worden. Das Gutachten ist aus einem anderen gleichgelagerten Verfahren, das ebenfalls vor dem Senat anhängig war, in dieses Verfahren übernommen worden. Zutreffend ist zwar, daß aus den Gründen des sozialrechtlichen Datenschutzes die individualisierenden Merkmale, wie die medizinische Aktenvorgeschichte und die Untersuchungsbefunde, im Termin zur mündlichen Verhandlung am 30. September dem Kläger übergeben worden ist, nachdem der Kläger des anderen Verfahrens diesem zugestimmt hat. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist dadurch aber nicht verletzt, denn die Anwendbarkeit und die Verbreitung sowie der wissenschaftliche Hintergrund für die Methode von Dr. K. beurteilt sich unabhängig von den individualisierenden Merkmalen des parallel gelagerten Falles. Aus dem Grunde stellt der Senat auf diese individualisierenden Merkmale des Gutachtens auch nicht ab. Der Teil des Gutachtens ist nicht entscheidungserheblich. - Der Senat sah sich ferner nicht im Hinblick auf das Urteil des BSG vom 16. September 1997 (aaO) veranlaßt, den Rechtsstreit zu vertagen, weil zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung das Urteil lediglich in der Form des Presseberichts bekannt war, nicht aber in der vollständigen abgesetzten Fassung. Der Anspruch auf rechtliches Gehör fordert lediglich, daß den Beteiligten Möglichkeit gegeben werden muß, sich zu den maßgeblichen Tatsachen des Verfahrens rechtlich zu äußern. Dies umfaßt jedoch grundsätz1ich nicht die Notwendigkeit, eine Stellungnahme auch zu einer rechtlichen Bewertung durch ein anderes Gericht, auch der höchstrichterlichen Rechtsprechung, abgeben zu können. Aus dem Grunde war hierdurch auch keine Vertagung des Rechtsstreits geboten.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_47">47</a></dt>
<dd><p>Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 und 4 Satz 1 SGG.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_48">48</a></dt>
<dd><p>Der Senat hat die Revision zugelassen, da die Voraussetzungen hinsichtlich der Anerkennung der Behandlungsmethode von Dr. K. als neue Therapie maßgeblich auf die neuere Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gestützt ist und die Entscheidung vom 17. September 1997 bislang lediglich als Presseveröffentlichung bekannt war.</p></dd>
</dl>
</div></div>
<br>
</div>
|
111,943 | ag-neumunster-1997-04-25-22-c-91096 | {
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<div class="docLayoutMarginTopMore"><h4 class="doc">
<!--hlIgnoreOn-->Tenor<!--hlIgnoreOff-->
</h4></div>
<div class="docLayoutText"><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 738,63 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Juni 1996 zu zahlen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Im übrigen wird die Klage abgewiesen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
</div></div>
<div class="docLayoutMarginTopMore"><h4 class="doc">
<!--hlIgnoreOn-->Tatbestand<!--hlIgnoreOff-->
</h4></div>
<div class="docLayoutText"><div>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_1">1</a></dt>
<dd><p>
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß 313 a ZPO abgesehen.
</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
</div></div>
<div class="docLayoutMarginTopMore"><h4 class="doc">
<!--hlIgnoreOn-->Entscheidungsgründe<!--hlIgnoreOff-->
</h4></div>
<div class="docLayoutText"><div>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_2">2</a></dt>
<dd><p>
Die Klage ist nur in Höhe der Hälfte des vom Kläger geltend gemachten Schadensbetrages von 1.477,27 DM, nämlich nur in Höhe von 738,63 DM, aus §§ 7 Abs. 1, 18 StVG, 3 Nr. 1 PflVG begründet.
</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_3">3</a></dt>
<dd><p>
Unstreitig ist, dass am Fahrzeug des Klägers ein Schaden dadurch entstanden ist, dass sein Fahrzeug mit dem bei der Beklagten haftpflichtversicherten Lkw, der von dem Zeugen ... gefahren worden ist, auf der Auffahrt der Firma ... zusammengestoßen ist. Damit liegen die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch aus § 7 Abs. 1 StVG gegen den Halter und §§ 18 Abs. 1, 7 Abs. 1 StVG gegen den Fahrer, für die die Beklagte gemäß § 3 Nr. 1 PflVG einzutreten hat, vor. Sie hat für die von dem Lkw ausgehende Betriebsgefahr einzustehen.
</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_4">4</a></dt>
<dd><p>
Die Ersatzpflicht ist nicht gemäß § 7 Abs. 2 StVG ausgeschlossen, da die Beklagte nicht bewiesen hat, dass der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht worden ist. Als unabwendbares Ereignis kommt hier nur die Behauptung der Beklagten in Betracht, der Kläger sei mit seinem Fahrzeug auf den stehenden Lkw aufgefahren. Diese Behauptung ist jedoch nicht bewiesen. Zwar hat der Fahrer des Lkw, der Zeuge …, ausgesagt, dass der Kläger aufgefahren sei, als er gestanden habe. Das Gericht ist jedoch von der Richtigkeit dieser Aussage nicht überzeugt. Dagegen spricht, dass der Zeuge ein Paket nicht bei der Firma ... sondern in deren Nachbarschaft abzuliefern hatte und er nach dem Zusammenstoß und der Unfallaufnahme rückwärts von der Einfahrt der Firma ... auf die Straße zurückgefahren ist, um zu wenden und zu der Firma zu gelangen, bei der er das Paket abliefern wollte. Dies spricht eher dafür, dass der Zeuge ... von vornherein beabsichtigt hat, wieder rückwärts aus der Einfahrt herauszufahren, um zu wenden und entweder tatsächlich bereits im Rückwärtsgang fuhr oder zurückrollte, als der Lkw mit dem Pkw des Klägers zusammenstieß. Als Fahrer des Lkw hat der Zeuge auch ein Interesse daran, nicht ein eigenes schuldhaftes Verhalten einzugestehen. Es ist deshalb nicht unwahrscheinlich, dass der Zeuge eine unwahre Aussage gemacht hat. Eine Überzeugung von der Richtigkeit der Aussage konnte das Gericht deshalb nicht gewinnen. Dem steht nicht entgegen, dass der Zeuge angab, das Fahrzeug auf dem Geländer Der Firma ... abzustellen. Dagegen spricht, dass sich der Zusammenstoß auf der Einfahrt ereignete, wo der Lkw nicht hätte abgestellt werden können. Die Aussage des Zeugen ... überzeugt auch in diesem Punkt nicht.
</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_5">5</a></dt>
<dd><p>
Andererseits muß sich der Kläger die von seinem Fahrzeug ausgehende Betriebsgefahr gemäß § 17 StVG anrechnen lassen. Nach dieser Vorschrift hängt die Verpflichtung zum Schadensersatz und der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Auf beiden Seiten ist lediglich die von beiden Fahrzeugen ausgehende Betriebsgefahr zu berücksichtigen. Ein Verschulden ist weder auf Seiten des Klägers bewiesen, da, wie bereits ausgeführt, der Aussage des Zeugen ... nicht zu folgen ist, unabhängig davon, dass sich die Beklagte nicht auf den Zeugen ... zum Beweis für ein Verschulden des Klägers berufen hat. Umgekehrt hat der Kläger aber auch nicht ein Verschulden seitens des Halters oder Fahrers des Lkw bewiesen. Hier käme ohnehin nur ein schuldhaftes Verhalten des Zeugen ... als Fahrer in Betracht. Dieser hat jedoch bestritten, rückwärts gefahren zu sein. Auch wenn die Aussage nicht hinreichend glaubhaft ist, so läßt sich ihr jedoch auch nicht im Umkehrschluß beweiskräftig entnehmen, dass der Zeuge rückwärts gefahren ist, ohne auf den Kläger Rücksicht zu nehmen und dadurch den Unfall verschuldet hat. Da auf beiden Seiten mithin die Betriebsgefahr der Fahrzeuge zu berücksichtigen ist, kommt eine Haftung lediglich im Umfang von 50 % des eingetretenen Schadens zugunsten des Klägers in Betracht.
</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_6">6</a></dt>
<dd><p>
Zur Überzeugung des Gerichtes steht fest, dass durch den Unfall am Fahrzeug des Klägers ein Schaden im Umfang von 1.477,27 DM eingetreten ist. Die Ehefrau des Klägers hat als Zeugin glaubhaft bestätigt, dass das Fahrzeug vor dem Zusammenstoß mit einem Lkw auf dem Gelände der Firma Blumen Ludwig keinen Schaden aufgewiesen habe und danach der Stoßfänger vorne heruntergehangen hätte. Sie habe sich den Schaden am Fahrzeug angesehen, nachdem ihr Mann nach Hause gekommen sei und ihr erzählt habe, dass er einen Zusammenstoß mit einem Lkw auf der Einfahrt der Firma ... gehabt habe. Die Zeugin konnte sich zwar an das Datum des Tages nicht erinnern, aus dem Umstand, dass der Kläger den Zusammenstoß auf dem Gelände der Firma ... erwähnte, kann jedoch gefolgert werden, dass es sich um den gleichen Tag handelte, an dem sich der Unfall ereignete. Aus der ebenfalls glaubhaften Aussage des Zeugen ... ergibt sich, dass zur Beseitigung des Schadens am Stoßfänger ein Betrag von insgesamt 1.477,27 DM inklusive Mehrwertsteuer aufzuwenden war. Er konnte zwar nicht mehr genau angeben, weshalb der von ihm erstellte Kostenvoranschlag vom 9.5.1996 erst so spät nach dem Unfalltag am 11.4.1996 erstellt worden ist. Er gab jedoch in Übereinstimmung mit der Aussage der Zeugin ... an, dass der Stoßfänger vorne beschädigt war. Außerdem habe sich nach seiner Aussage die Grillblende verzogen, was im Zusammenhang mit dem Schaden am vorderen Stoßfänger stehen kann. Das Gericht geht deshalb davon aus, dass die in dem Kostenvoranschlag des Zeugen ... vom 9.5.1996 angebrachten Reparaturen betreffend den Stoßfänger und die Grillblende erforderlich waren, um den durch den Zusammenstoß mit dem bei der Beklagten haftpflichtversicherten Lkw entstandenen Schaden zu beseitigen. Die im Kostenvoranschlag in Ansatz gebrachten Kosten sind der Höhe nach nicht beanstandet worden, weshalb sie vom Gericht zugrundegelegt werden. Entgegen der Meinung der Beklagten hält das Gericht auch die Kosten für die Verbringung zum Lackierer für ersatzfähig, auch wenn die Reparatur nicht nachgewiesen worden ist. Der Kläger kann gemäß § 249 BGB anstelle der als Schadensersatz in erster Linie geschuldeten Wiederherstellung des früheren Zustandes den dazu erforderlichen Betrag verlangen. Ist für eine fachgerechte Wiederherstellung die Verbringung zu einem Lackierer bei einer vom Geschädigten ausgesuchten Fachwerkstatt erforderlich, so sind auch die dafür anfallenden Kosten zu ersetzen. Der Höhe nach ist mithin von dem im Kostenvoranschlag des Zeugen ... genannten Betrag als Gesamtschaden am Fahrzeug des Klägers, mithin von einem Schaden von 1.477,27 DM auszugehen. Hiervon kann der Kläger 50 % von der Beklagten ersetzt verlangen.
</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_7">7</a></dt>
<dd><p>
Der Zinsanspruch folgt aus Verzug gemäß den §§ 284, 286, 288 BGB, der durch das Mahnschreiben der Klägerseite vom 15.5.1996 eingetreten ist.
</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_8">8</a></dt>
<dd><p>
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
</p></dd>
</dl>
</div></div>
<br>
</div>
|
111,944 | lg-kiel-1987-12-22-2-o-24287 | {
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} | 2 O 242/87 | 1987-12-22T00:00:00 | 2018-11-27T07:30:12 | 2019-01-17T11:35:43 | Urteil | ECLI:DE:LGKIEL:1987:1222.2O242.87.0A | <div class="docLayoutText">
<div class="docLayoutMarginTopMore"><h4 class="doc">
<!--hlIgnoreOn-->Tenor<!--hlIgnoreOff-->
</h4></div>
<div class="docLayoutText"><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 20.943,57 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 10. April 1987 zu zahlen; im übrigen wird die Klage abgewiesen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten als Gesamtschuldner zu tragen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 27.000,-- DM vorläufig vollstreckbar.</p></dd>
</dl>
</div></div>
<div class="docLayoutMarginTopMore"><h4 class="doc">
<!--hlIgnoreOn-->Tatbestand<!--hlIgnoreOff-->
</h4></div>
<div class="docLayoutText"><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_1">1</a></dt>
<dd><p>
Der Kläger, Halter und Eigentümer des Campingbusses, Marke Volkswagen, Typ Joker 1, amtliches Kennzeichen KI- , macht Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall gegen den Beklagten zu 1) als Fahrer des VW Passat, amtliches Kennzeichen HB - , und die Beklagte zu 2) als Haftpflichtversicherer des VW Passat geltend.
</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_2">2</a></dt>
<dd><p>
Am 15. März 1987 befuhr das klägerische Fahrzeug die Bundesautobahn 7 in Fahrtrichtung Hamburg-Bremen. Der Wagen wurde von dem Schwager des Klägers, dem Zeugen ..., gesteuert. Es herrschte Schneefall, die Fahrbahn war glatt. Aus einer Entfernung von 250 - 300 m sah der Zeuge ..., daß sich auf der linken Fahrspur vor ihm ein Fahrzeug drehte. Auf der rechten Fahrspur fuhr ein Lkw, der nach rechts in Richtung Standspur fuhr und dort mit der Leitplanke kollidierte. Der Zeuge ... wechselte auf die rechte Fahrspur, setzte seine Geschwindigkeit auf „Schrittgeschwindigkeit“ herab und schaltete die Warnblinkanlage ein.
</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_3">3</a></dt>
<dd><p>
Sodann wurde auch das klägerische Fahrzeug in den Unfall verwickelt. Auf welche Weise dies geschah, ist zwischen den Parteien im wesentlichen streitig. Unstreitig ist lediglich, daß der Beklagte zu 1) mit der linken Vorderseite des von ihm gesteuerten Passat auf die rechte Heckseite des klägerischen Fahrzeugs auffuhr, wodurch zumindest die rechte hintere Heckseite des Campingbusses beschädigt wurde. Ob der Beklagte zu 1) darüber hinaus die am Fahrzeug eingetreten Gesamtschäden - mittelschwere Beschädigungen der linken und rechten Fahrzeugseite, weitere Schäden im Heckbereich an tragenden Teilen sowie an Teilen der Fahrzeuginnenausstattung - verursacht hat, ist streitig.
</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_4">4</a></dt>
<dd><p>
Der Kläger behauptet, der von dem Beklagten zu 1) gesteuerte VW Passat sei auf der rechten Fahrspur mit hoher Geschwindigkeit in das klägerische Fahrzeug hineingefahren, was eine Drehung des Campingbusses entgegen dem Uhrzeigersinn verursacht habe. Dadurch sei das klägerische Fahrzeug nach links in die mittlere Leitplanke gedrückt worden. Dort sei der Campingbus von zumindest einem weiteren Fahrzeug angefahren worden.
</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_5">5</a></dt>
<dd><p>
Demgegenüber tragen die Beklagten vor, der Beklagte zu 1) habe lediglich das hintere rechte Rücklicht des VW-Busses beschädigt, für weitere Schäden sei der Beklagte zu 1) nicht ursächlich geworden. Der Beklagte zu 1) sei allenfalls noch Schrittgeschwindigkeit gefahren, habe das Fahrzeug auf der eisglatten Fahrbahn jedoch nicht mehr lenken können und habe mit der vorderen linken Ecke seines Pkw die hintere rechte Ecke des VW-Busses berührt, der am linken Fahrbahnrand bereits gestanden habe.
</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_6">6</a></dt>
<dd><p>
Den gelten gemachten Schaden beziffert der Kläger wie folgt:
</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_7">7</a></dt>
<dd><table class="Rsp" style="margin-left:36pt">
<tr>
<th colspan="2" rowspan="1">
</th>
</tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="padding:1px; margin-top:0px; margin-bottom:0px; text-align:left">1. Wiederbeschaffungswert</p></td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="padding:1px; margin-top:0px; margin-bottom:0px; text-align:right"> 18.000,00 DM</p></td>
</tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="padding:1px; margin-top:0px; margin-bottom:0px; text-align:left">2. Abschleppkosten</p></td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="padding:1px; margin-top:0px; margin-bottom:0px; text-align:right">587,01 DM</p></td>
</tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="padding:1px; margin-top:0px; margin-bottom:0px; text-align:left">3. Unterbringungskosten (einschl. Verzehrkosten)</p></td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="padding:1px; margin-top:0px; margin-bottom:0px; text-align:right">117,63 DM</p></td>
</tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="padding:1px; margin-top:0px; margin-bottom:0px; text-align:left">4. Gutachtenkosten</p></td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="padding:1px; margin-top:0px; margin-bottom:0px; text-align:right">713,00 DM</p></td>
</tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="padding:1px; margin-top:0px; margin-bottom:0px; text-align:left">5. weitere Kosten</p></td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="padding:1px; margin-top:0px; margin-bottom:0px; text-align:right">515,56 DM</p></td>
</tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="padding:1px; margin-top:0px; margin-bottom:0px; text-align:left">6. Wiederbeschaffungsdauer (24 Tage à 75,00 DM)</p></td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="padding:1px; margin-top:0px; margin-bottom:0px; text-align:right">1.800,00 DM</p></td>
</tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="padding:1px; margin-top:0px; margin-bottom:0px; text-align:left">7. Rücktransportkosten der Familienangehörigen</p></td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="padding:1px; margin-top:0px; margin-bottom:0px; text-align:right">
<span style="text-decoration:underline">156,00 DM</span>
</p></td>
</tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">        </td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="padding:1px; margin-top:0px; margin-bottom:0px; text-align:right"> 21.889,20 DM</p></td>
</tr>
</table></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_8">8</a></dt>
<dd><p>
Wegen der Aufschlüsselung der Position 5 „weitere Kosten“ wird auf den klägerischen Schriftsatz vom 13. August 1987, Seite 6 (Bl. 60 d. A.), Bezug genommen.
</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_9">9</a></dt>
<dd><p>
Der Kläger beantragt,
</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_10">10</a></dt>
<dd><p style="margin-left:36pt">
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 21.889,20 DM nebst 9 % Zinsen auf 10.000,00 DM sowie 12 % Zinsen auf 11.889,20 DM seit dem 10. April 1987 zu zahlen.
</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_11">11</a></dt>
<dd><p>
Die Beklagten beantragen,
</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_12">12</a></dt>
<dd><p style="margin-left:36pt">
die Klage abzuweisen.
</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_13">13</a></dt>
<dd><p>
Sie machen im übrigen geltend:
</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_14">14</a></dt>
<dd><p>
Von den Wiederbeschaffungskosten des Fahrzeuges in Höhe von 18.000,00 DM sei die Mehrwertsteuer herauszurechnen, weil es sich bei dem Campingbus - was unstreitig ist - um ein Geschäftsfahrzeug handele. Daher könne der Kläger auch nur den entgangenen Gewinn als Nutzungsausfall beanspruchen. Allenfalls stünden ihm aber 14 Tage Nutzungsausfall zu. Darüber hinaus sei die Nutzungsausfallentschädigung pro Tag höchstens mit 63,00 DM zu beziffern.
</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_15">15</a></dt>
<dd><p>
Eine Übernachtung der Familienmitglieder sei nicht erforderlich gewesen. Bei den Verzehrkosten handele es sich um ersparte Aufwendungen. Rücktransportkosten seien nur in Höhe von 75,50 DM ersatzfähig.
</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_16">16</a></dt>
<dd><p>
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_17">17</a></dt>
<dd><p>
Das Gericht hat Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 4. Dezember 1987 (Bl. 122 ff. d. A.) sowie die schriftliche Erklärung des Zeugen ... vom 29. November 1987 (Bl. 121 d. A.) verwiesen.
</p></dd>
</dl>
</div></div>
<div class="docLayoutMarginTopMore"><h4 class="doc">
<!--hlIgnoreOn-->Entscheidungsgründe<!--hlIgnoreOff-->
</h4></div>
<div class="docLayoutText"><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p><strong>I.</strong></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_18">18</a></dt>
<dd><p>Die Klage hat im wesentlichen Erfolg.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_19">19</a></dt>
<dd><p>1. Sie ist dem Grunde nach gegen den Beklagten zu 1) aus § 18 StVG, gegen die Beklagte zu 2) in Verbindung mit § 3 PflVG begründet, wobei sich die gesamtschuldnerische Haftung aus einer entsprechenden Anwendung von § 840 BGB ergibt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_20">20</a></dt>
<dd><p>Allerdings ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme unklar geblieben, ob der Beklagte zu 1) für den an dem Campingbus entstanden Gesamtschaden ursächlich geworden ist. Dies ist nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen zwar überwiegend wahrscheinlich, ist jedoch auch in Verbindung mit den - wenig ergiebigen - Zeugenaussagen nicht geeignet, das Gericht von der Richtigkeit der klägerischen Darstellungen des Unfallverlaufes zu überzeugen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_21">21</a></dt>
<dd><p>Die Unaufklärbarkeit geht gleichwohl zu Lasten der Beklagten. Das folgt aus § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB, der mit Blick auf die im Straßenverkehrsgesetz enthaltenen Anspruchsgrundlagen entsprechende Anwendung findet. Die Funktion von § 830 BGB, wonach von mehreren Beteiligten an einer unerlaubten Handlung jeder für den Schaden verantwortlich ist, wenn sich nicht ermitteln läßt, welcher der Beteiligten durch seine Handlung den Schaden verursacht hat, besteht darin, dem Beweisnotstand des Verletzten Rechnung zu tragen (BGHZ 33, 290 f.). Ein Ersatzanspruch des Geschädigten soll nicht daran scheitern, daß nicht mit Sicherheit festgestellt werden kann, wer von mehreren beteiligten Tätern der eigentliche Schädiger gewesen ist. Dieser in § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB enthaltene Rechtsgedanke trifft auf für § 18 StVG zu (BGH NJW 1969, 2137 f.), so daß angesichts der gleichartigen Interessenlage eine analoge Anwendung dieser Vorschrift geboten ist.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_22">22</a></dt>
<dd><p>Der Beklagte zu 1) war auch Beteiligter im Sinne der genannten Gesetzesbestimmung. Hierfür ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. nur BGHZ 25, 274; 33, 292) lediglich ein tatsächlicher einheitlicher, örtlich und zeitlich zusammenhängender Vorgang erforderlich, der sich aus mehreren selbständigen Handlungen zusammensetzt und in dessen Bereich der rechtswidrige Schadenserfolg fällt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_23">23</a></dt>
<dd><p>Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Bei natürlicher Auffassung bildet das Unfallgeschehen einen einheitlichen - örtlich und zeitlich zusammenhängenden - Lebenssachverhalt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_24">24</a></dt>
<dd><p>Es wäre lebensfremd, den am klägerischen Fahrzeug eingetretenen Gesamtschaden von den einzelnen möglichen Verursachungsanteilen - Karambolage mehrerer Fahrzeuge - isolieren zu wollen</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_25">25</a></dt>
<dd><p>2. Die Verpflichtung der Beklagten zum Schadensausgleich besteht dem Grunde nach zu 100 %. Das Gericht ist davon überzeugt, daß der Beklagte bei Beobachtung der erforderlichen Sorgfalt den Unfall hätte vermeiden können, er also fahrlässig gehandelt hat. Er hätte seine Fahrweise auf die schlechten Witterungsverhältnisse einstellen können und müssen. Demgegenüber hat der Fahrer des klägerischen Fahrzeuges, indem er die Geschwindigkeit stark reduzierte und die Warnblinkanlage einschaltete, denjenigen Sorgfaltsanforderungen entsprochen, die auch ein besonders besonnener und erfahrener Fahrer angewendet hätte. Die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeuges hat demnach außer Betracht zu bleiben.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_26">26</a></dt>
<dd><p>Von den Wiederbeschaffungskosten des Fahrzeuges darf der Kläger den Beklagten auch die Mehrwertsteuer in Rechnung stellen. Dem steht nicht entgegen, daß die für die Beschaffung des Ersatzfahrzeuges angefallene Mehrwertsteuer im Zuge des Vorsteuerabzuges geltend gemacht worden ist. Denn dies ändert nichts an dem Umstand, daß der Unfall anläßlich einer Urlaubsreise, also einer Privatfahrt entstanden ist. Die Aufwendungen für die Wiederbeschaffung stellen sich als Kosten dar, die auf die private Nutzung des Kraftfahrzeuges entfallen. Sie bilden daher in voller Höhe einen umsatzsteuerrechtlich relevanten Eigenverbrauch (vgl. Peter, Umsatzsteuer, Stand 1982, § 1 Rd. 216), den der Kläger dem Finanzamt gegenüber zu offenbaren hat.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_27">27</a></dt>
<dd><p>Die Klage ist auch hinsichtlich der Abschleppkosten (587,01 DM) sowie der Gutachtenkosten (713,00 DM) gegründet. Das gilt auch für die weiteren Kosten in Höhe von insgesamt 515,56 DM. Darüber streiten die Parteien denn auch nicht. Jedenfalls ist die detaillierte Aufschlüsselung dieser Schadensposition im klägerischen Schriftsatz vom 13. August 1987 von den Beklagten nicht (mehr) angegriffen worden.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_28">28</a></dt>
<dd><p>Die geltend gemachten Unterbringungs- und Verzehrkosten für die Familienangehörigen kann der Kläger demgegenüber nicht verlangen. Denn er hat nicht vorgetragen, daß er, der Kläger, diese Aufwendungen getragen hat. Die Liquidierung von Fremdschäden kommt jedoch nur unter sehr eingeschränkten - und hier nicht vorliegenden - Voraussetzungen in Betracht.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_29">29</a></dt>
<dd><p>Eine Nutzungsentschädigung steht dem Kläger für 14 Tage à 75,00 DM, also insgesamt in Höhe von 1.050,00 DM zu. Daß es sich bei dem Campingbus nicht um ein ausschließlich privat genutztes Fahrzeug handelt, steht dem nicht entgegen. Denn die Zuerkennung einer Entschädigung für Nutzungsausfall findet ihre innere Rechtfertigung darin, daß sich die derart abstrakte Nutzungsentschädigung letztlich für eine dem Geschädigten für dessen Sparsamkeit gewährt Prämie darstellt (vgl. Staudinger-Medicus, § 253 BGB Rn. 33 ff.).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_30">30</a></dt>
<dd><p>Die Höhe der Nutzungsentschädigung schätzt das Gericht nach § 287 ZPO auf 75,00 DM pro Tag. Es lehnt sich dabei an die Tabelle von Sanden/Danner an, wonach für ein ähnliches Fahrzeug, nämlich den Caravelle C Syncro, die Ausfallentschädigung mit 75,00 DM pro Tag angegeben wird. Wollte man lediglich auf der Grundlage des Basismodelles abrechnen, so würde hierbei verkannt, daß das klägerische Fahrzeug über eine Campingausstattung verfügte.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_31">31</a></dt>
<dd><p>Allerdings stellen lediglich 14 Tage Nutzungsausfall einen ersatzfähigen Schaden dar. In dem zu den Akten gereichten Parteigutachten des Sachverständigen „K“ wird die Wiederbeschaffungsdauer eines gleichwertigen und ähnlichen Kraftfahrzeuges mit 12 - 14 Tagen angegeben. Diese Sicht der Dinge macht sich das Gericht zu eigen (§ 287 ZPO). Der Kläger trägt vor, zu dem 24 Tage andauernden Nutzungsausfall sei es dadurch gekommen, daß der gesamte Bestand der Verkäuferin ausverkauft war und daher das Fahrzeug von dieser erst beschafft werden mußte. Bei dieser Sachlage kann der Kläger nur dann den tatsächlich entstandenen Nutzungsausfall als Schaden liquidieren, wenn er darlegt, daß die Beschaffung eines Ersatzfahrzeuges auch bei anderen Händlern zu einem gleich langen Nutzungsausfall geführt hätte. Da insoweit nichts vorgetragen ist, kann vorliegend offen bleiben, wie viele Händler der Geschädigte unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten hätte befragen müssen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_32">32</a></dt>
<dd><p>Schließlich stehen dem Kläger nur 78,00 DM an Rücktransportkosten der Familienangehörigen zu. Hinsichtlich der Rückfahrt von Oyten nach Kiel handelt es sich nämlich um ersparte Aufwendungen. Denn auch ohne das schädigende Ereignis hätten die Familienangehörigen - es handelte sich um eine Urlaubsreise - Aufwendungen für die Rückreise nach Kiel gehabt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_33">33</a></dt>
<dd><p>Die Klage ist demnach wie folgt begründet:</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_34">34</a></dt>
<dd><table class="Rsp" style="margin-left:36pt">
<tr>
<th colspan="2" rowspan="1"></th>
</tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="padding:1px; margin-top:0px; margin-bottom:0px; text-align:left">Wiederbeschaffungswert</p></td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="padding:1px; margin-top:0px; margin-bottom:0px; text-align:right"> 18.000,00 DM</p></td>
</tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="padding:1px; margin-top:0px; margin-bottom:0px; text-align:left">Abschleppkosten</p></td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="padding:1px; margin-top:0px; margin-bottom:0px; text-align:right">587,01 DM</p></td>
</tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="padding:1px; margin-top:0px; margin-bottom:0px; text-align:left">Gutachtenkosten</p></td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="padding:1px; margin-top:0px; margin-bottom:0px; text-align:right">713,00 DM</p></td>
</tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="padding:1px; margin-top:0px; margin-bottom:0px; text-align:left">weitere Kosten</p></td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="padding:1px; margin-top:0px; margin-bottom:0px; text-align:right">515,56 DM</p></td>
</tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="padding:1px; margin-top:0px; margin-bottom:0px; text-align:left">Nutzungsausfallentschädigung</p></td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="padding:1px; margin-top:0px; margin-bottom:0px; text-align:right">1.050,00 DM</p></td>
</tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="padding:1px; margin-top:0px; margin-bottom:0px; text-align:left">Rücktransportkosten der Familienangehörigen</p></td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="padding:1px; margin-top:0px; margin-bottom:0px; text-align:right"><span style="text-decoration:underline">78,00 DM</span></p></td>
</tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">        </td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="padding:1px; margin-top:0px; margin-bottom:0px; text-align:right"><span style="text-decoration:underline"> 20.943,57 DM</span></p></td>
</tr>
</table></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p><strong>II.</strong></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_35">35</a></dt>
<dd><p>Der Zinsanspruch ist lediglich im tenorierten Umfang aus §§ 284 ff. BGB gegründet, weil der Kläger entgegen seiner Ankündigung keine Bankbescheinigung, aus der sich auch die Höhe des in Anspruch genommenen Kredites ergibt, zu den Akten gereicht hat.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p><strong>III.</strong></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_36">36</a></dt>
<dd><p>Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2, 709 Abs. 1 Satz 1 ZPO.</p></dd>
</dl>
</div></div>
<br>
</div>
|
111,945 | lg-kiel-1986-05-16-2-o-2686 | {
"id": 1064,
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} | 2 O 26/86 | 1986-05-16T00:00:00 | 2018-11-27T07:30:12 | 2019-01-17T11:35:43 | Urteil | ECLI:DE:LGKIEL:1986:0516.2O26.86.0A | <div class="docLayoutText">
<div class="docLayoutMarginTopMore"><h4 class="doc">
<!--hlIgnoreOn-->Tenor<!--hlIgnoreOff-->
</h4></div>
<div class="docLayoutText"><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Die Klage wird abgewiesen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 77 vom Hundert, die Beklagte 23 vom Hundert.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 220,-- DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 80,-- DM abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.</p></dd>
</dl>
</div></div>
<div class="docLayoutMarginTopMore"><h4 class="doc">
<!--hlIgnoreOn-->Tatbestand<!--hlIgnoreOff-->
</h4></div>
<div class="docLayoutText"><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_1">1</a></dt>
<dd><p>
Der Kläger macht mit der Klage restliche Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 30. Juli 1985 geltend, bei welchem sein Wohnmobil VW LT 28, Baujahr 1977, amtliches Kennzeichen RD... , erheblich beschädigt wurde. Die Ersatzpflicht der Beklagten aus § 839 BGB ist dem Grunde nach zwischen den Parteien unstreitig.
</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_2">2</a></dt>
<dd><p>
Mit der Klage macht der Kläger restliche Wertminderung in Höhe von 400,-- DM geltend, nachdem die Beklagte lediglich 100,-- DM als Wertminderung erstattet hat. Ferner verlangt der Kläger weiteren Nutzungsausfall für 30 Tage à 95,-- DM, worauf die Beklagte lediglich 75,-- DM pro Tag erstattet hat, wobei die Zahlung für einen Zeitraum von 10 Tagen erst nach Rechtshängigkeit erfolgt ist.
</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_3">3</a></dt>
<dd><p>
Schließlich verlangt der Kläger über die bereits erstattete Unkostenpauschale in Höhe von 30,-- DM hinaus weitere 10,-- DM.
</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_4">4</a></dt>
<dd><p>
Der Kläger ist der Meinung, die Wertminderung im Schadensgutachten der DEKRA, die dort mit 100,-- DM ermittelt wurde, sei in Anbetracht des Fahrzeugwertes und des Schadensumfanges zu niedrig. Die Nutzungsausfallentschädigung für das auch für die täglichen Fahrten zur Arbeit benutzte Fahrzeug sei über den für einen Pkw gleichen Typs ohne Wohnwagenausbau angegebenen Betrag hinaus angemessen zu erhöhen. Wegen des Unfalles sei ihm die Nutzungsmöglichkeit des Fahrzeuges im Sommerurlaub 1985 entgangen; statt dessen habe er mit seiner Familie in der näheren Umgebung gezeltet. Schließlich ist der Kläger der Ansicht, dass die Unkostenpauschale von 30,-- DM in Anbetracht der Preissteigerungen unangemessen niedrig sei.
</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_5">5</a></dt>
<dd><p>
Der Kläger hatte zunächst gegen die Beklagte Klage auf Zahlung von 1.760,-- DM erhoben. Nach Zahlung eines Betrages von 750,-- DM haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.
</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_6">6</a></dt>
<dd><p>
Der Kläger beantragt nunmehr,
</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_7">7</a></dt>
<dd><p style="margin-left:36pt">
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.010,-- DM nebst 4 % Zinsen seit 21. Dezember 1985 zu zahlen.
</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_8">8</a></dt>
<dd><p>
Die Beklagte beantragt,
</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_9">9</a></dt>
<dd><p style="margin-left:36pt">
die Klage abzuweisen.
</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_10">10</a></dt>
<dd><p>
Sie ist der Auffassung, durch die geleisteten Zahlungen sei die Wertminderung im Hinblick darauf, dass es sich bei dem beschädigten Fahrzeug um ein Wohnmobil handelt und mit Rücksicht auf dessen Alter angemessen berücksichtigt.
</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_11">11</a></dt>
<dd><p>
Ein abstrakt berechneter Nutzungsausfall sei entsprechend der Rechtsprechung zu Wohnwagen für ein Wohnmobil nicht zu ersetzen; jedenfalls müsse sich eine Nutzungsausfallentschädigung aber lediglich nach dem Wert des Fahrzeuges ohne die wohnmobiltypischen Einbauten berechnen.
</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_12">12</a></dt>
<dd><p>
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt ihrer Schriftsätze Bezug genommen.
</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_13">13</a></dt>
<dd><p>
Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden.
</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_14">14</a></dt>
<dd><p>
Das Gericht hat auf Antrag der Parteien das schriftliche Verfahren angeordnet.
</p></dd>
</dl>
</div></div>
<div class="docLayoutMarginTopMore"><h4 class="doc">
<!--hlIgnoreOn-->Entscheidungsgründe<!--hlIgnoreOff-->
</h4></div>
<div class="docLayoutText"><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_15">15</a></dt>
<dd><p>Die Klage ist nicht begründet.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_16">16</a></dt>
<dd><p>Der Kläger hat über den gezahlten Betrag von 100,-- DM hinaus keinen weiteren Anspruch auf Ersatz der Wertminderung. Ein Ersatz merkantiler Wertminderung kommt nur dann in Betracht, wenn trotz ordnungsgemäßer Reparatur damit gerechnet werden muss, dass der ursprüngliche Zustand nicht wieder hergestellt werden konnte. Mithin entfällt eine Wertminderung in der Regel bei reinen Blechschäden (vgl. Palandt-Heinrichs, § 251 Anm. 4 b) aa) ; Landgericht Köln, VersR 81, 45). Zwar handelt es sich im vorliegenden Fall nicht nur um reine Blechschäden; das vom Kläger vorgelegte Gutachten der DEKRA zeigt jedoch, dass der weit überwiegende Anteil der Reparaturarbeiten und Ersatzteile auf Karosseriearbeiten entfällt, die, wie dem Gutachten zu entnehmen ist, deshalb besonders aufwendig waren, weil für die notwendigen Schweißarbeiten ein großer Teil der Innenausbauten entfernt werden musste. Die Karosseriearbeiten waren mit einem Austausch von Karosserieteilen in nicht unwesentlichem Umfang verbunden, was zur Folge hatte, dass grade solche Fahrzeugteile, die einem zeitabhängigen Verschleiß unterlagen, nämlich die Karosserieteile, nach rund achtjährigem Gebrauch durch Neuteile ersetzt wurden. Schon dies verbietet die Annahme einer Wertminderung. Dem entspricht es, dass die einschlägigen Berechnungsmethoden zur Ermittlung der Wertminderung regelmäßig nur von den minderwerterheblichen Reparaturkosten ausgehen, insbesondere also von solchen Reparaturkosten, die am Fahrgestell und tragenden Teilen des Fahrzeuges vorgenommen wurden. Bei Berechnung der Wertminderung ist ferner zu berücksichtigten, dass das Fahrzeug des Klägers im Zeitpunkt der Reparatur bereits acht Jahre alt war. Bei Fahrzeugen eines solchen Alters kommt eine Wertminderung ohnehin nicht mehr in Betracht, da der Käufer eines Fahrzeuges der Tatsache, dass Unfallschäden beseitigt wurden, keine besondere wertbildende Bedeutung mehr beimisst. Dies gilt insbesondere auch bei Wohnmobilen, da ein Anbietermarkt mit einer Mehrzahl gleich ausgestatteter Fahrzeuge nicht vorhanden ist mit der Folge, dass es nur höchst selten vorkommen kann, dass ein Interessent, dem mehrere Fahrzeuge mit einer Ausstattung, die seinen Vorstellungen entspricht, zur Verfügung stehen, daneben auch noch die Möglichkeit hat, zwischen einem Unfallfahrzeug und einem Wohnmobil, das noch keinen Unfall hatte, zu wählen. Schließlich scheitert die Zuerkennung einer Wertminderung auch daran, dass der Zeitwert des Fahrzeuges, den der Sachverständige mit dem unstreitigen Betrag von 24.561,40 DM (ohne Mehrwertsteuer) ermittelt hat, unter 40 % des Listenpreises liegt, den der Kläger mit 63.000,-- DM (ohne Mehrwertsteuer) angegeben hat.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_17">17</a></dt>
<dd><p>Unter diesen Umständen kann der Kläger jedenfalls keine über den Betrag von 100,-- DM hinausgehende Wertminderung verlangen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_18">18</a></dt>
<dd><p>Auch Nutzungsausfallentschädigung kann der Kläger nicht beanspruchen. Auf das Wohnmobil des Klägers sind weder die von der Rechtssprechung für privat genutzte Personenkraftwagen entwickelten Grundsätze noch die Erwägungen des Bundesgerichtshofes zur entgangenen Nutzungsmöglichkeit eines Wohnwagens (DAR 1983, 76) uneingeschränkt anzuwenden.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_19">19</a></dt>
<dd><p>Soweit der Kläger, wie er vorgetragen hat, das Wohnmobil insbesondere für seine täglichen Fahrten zur Arbeitsstätte und sonstigen Familienfahrten wie einen gewöhnlichen Pkw benutzt, stellt die Benutzbarkeit des Fahrzeuges einen selbständigen Vermögenswert neben dessen Substanzwert dar; der Vermögenswert besteht in der ständigen Verfügbarkeit des Fahrzeuges, also in der Möglichkeit, es jederzeit aus Bequemlichkeit und zur Zeitersparnis benutzen zu können. Dieser geldwerte Vermögensvorteil rechtfertigt die Zuerkennung eines pauschalen Schadensersatzes im Falle seiner vorübergehenden Entziehung. Diese Erwägungen treffen jedoch nicht zu, soweit der Kläger das Wohnmobil zu Urlaubszwecken benutzt. Insoweit dient das Fahrzeug - wie ein Wohnwagen - nicht den einem Pkw vergleichbaren Zwecken und Einsatzmöglichkeiten. Die Benutzung des Wohnwagens zu Urlaubszwecken dient nicht der Befriedigung allgemeiner und alltäglicher Bedürfnisse, sondern darüber hinausgehenden besonderen Bedürfnissen und Luxusbedürfnissen. Insoweit hat die Fahrzeugnutzung keinen geldwerten Vermögensvorteil; seine vorübergehende Entziehung stellt nicht bereits einen Vermögensschaden dar. Ein Vermögensschaden ist vielmehr nur dann gegeben, wenn die Entziehung der Benutzbarkeit des Wohnmobils zu Wohnzwecken sonstigen vermögenswerte Aufwendungen oder den Verlust sonstiger vermögenswerter Rechte zur Folge hat. Derartige Aufwendungen hätten im vorliegenden Fall etwa dann vorgelegen, wenn der Kläger zur Durchführung des geplanten Urlaubs ein anderes Wohnmobil angemietet hätte oder infolge des vorübergehenden Verlusts seines Fahrzeuges während der Urlaubsreise erhöhte Kosten für Hotelunterkünfte und dergleichen gehabt hätte.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_20">20</a></dt>
<dd><p>Hieraus ergibt sich für den vorliegenden Fall folgendes:</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_21">21</a></dt>
<dd><p>Soweit dem Kläger die Nutzungsmöglichkeit des Wohnmobils für seine täglichen Fahrten zur Arbeit und für sonstige Familienfahrten entgangen ist und soweit ihm überhaupt die Verfügbarkeit des Fahrzeuges als tägliches Transportmittel vorenthalten blieb, hat er Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung. Deren Höhe orientiert sich an den Aufwendungen, die der Kläger hatte, um ein Fahrzeug für seine täglichen Bedürfnisse verfügbar zu haben. Da die den Wohnzwecken dienenden Einbauten im Fahrzeug nicht der Befriedigung dieser täglichen Bedürfnisse dienten, können sie bei der Berechnung der Nutzungsausfallentschädigung keine Berücksichtigung finden. Abzustellen ist vielmehr auf den Wert der Nutzungsmöglichkeit des Fahrzeuges ohne Berücksichtigung der allein Urlaubszwecken dienenden Einbauten. Diesen Wert hat die Beklagte zutreffend anhand der für das Basisfahrzeug (VW LT 28 D) gültigen Tabellensätzen mit 75,-- DM pro Tag ermittelt. Eine höhere Entschädigung für den bloßen Entzug der täglichen Benutzbarkeit des Fahrzeuges kann der Kläger mithin nicht verlangen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_22">22</a></dt>
<dd><p>Soweit dem Kläger die Benutzung des Fahrzeuges auch für eine geplante Urlaubsreise entgangen ist, war er gehalten, seinen Schaden entsprechend den für Wohnwagen geltenden Grundsätzen konkret zu berechnen. Einen derartigen (über 75,-- DM / Tag hinausgehenden) Schaden hat der Kläger jedoch nicht geltend gemacht.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_23">23</a></dt>
<dd><p>Schließlich hat der Kläger auch keinen Anspruch auf restliche Unkostenpauschale. Die mit dem Schadensereignis verbundenen Vermögensaufwendungen des Klägers für Porto, Telefon und Fahrkosten sind mit dem Betrag von 30,-- DM hinreichend abgegolten ( § 287 ZPO). Die überaus geringen Preissteigerungsraten der vergangenen Jahre rechtfertigen eine Anhebung der von den Gerichten üblicherweise zuerkannten Pauschale um 25 vom Hundert keinesfalls.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_24">24</a></dt>
<dd><p>Danach war die Klage abzuweisen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_25">25</a></dt>
<dd><p>Die Kostenentscheidung folgt, soweit die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, aus § 91 a ZPO. Es entspricht billigem Ermessen, der Beklagten insoweit die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, da die für die Zuerkennung der Nutzungsausfallentschädigung maßgebliche Reparaturdauer von 30 Tagen zwischen den Parteien unstreitig ist, bislang aber nur eine Nutzungsausfallentschädigung für 20 Tage erstattet worden war.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_26">26</a></dt>
<dd><p>Im übrigen folgen die Nebenentscheidung aus den §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.</p></dd>
</dl>
</div></div>
<br>
</div>
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