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171,226 | vg-koln-2019-01-22-7-k-550815 | {
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} | 7 K 5508/15 | 2019-01-22T00:00:00 | 2019-01-29T12:50:17 | 2019-02-13T12:21:08 | Urteil | ECLI:DE:VGK:2019:0122.7K5508.15.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p>Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.</p>
<p>Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten sofort vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong>T a t b e s t a n d</strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin ist am 00.00.1961 in Berlin geboren. Sie ist als thalidomidgeschädigte Person im Sinne des Conterganstiftungsgesetzes (ContStifG) anerkannt. Mit Datum vom 28.04.2014 beantragte sie bei der Beklagten die Überprüfung ihrer Bepunktung, da sich bei der Kontrolle ihres Gehörs eine beidseitige leichte Innenohrschwerhörigkeit herausgestellt habe. Die Klägerin führte hierzu aus:</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">„...Ich habe schon immer schlecht gehört, musste in der Schule immer ganz vorne sitzen und hatte schon immer Probleme mit meinen Ohren. Mein HNO-Arzt verschrieb mir vor einem guten Jahr daher ein Hörgerät, das ich seitdem trage. Nun bin ich bei Professor Dr. N.      , Arzt im Klinikum H.          in N1.       bzw. in der Poliklinik für HNO-Heilkunde, Ambulanz, in der Q.----------straße 00, 00000 N1.       in Behandlung. Er glaubt, dass meine Innenohrschwerhörigkeit mit Contergan zusammenhängt. Demnächst findet noch eine MR-Untersuchung statt. Zusammen mit den Bildern bekomme ich von Professor N.      einen abschließenden Befundbericht, den ich Ihnen dann umgehend zukommen lassen werde. ...“</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte wertete dies mit Schreiben vom 02.05.2014 als formlosen Revisionsantrag und bat um Vorlage aktueller medizinischer Unterlagen. Mit Schreiben vom 13.07.2014 übersandte die Klägerin der Beklagten die ihr vorliegenden Untersuchungsbefunde einschließlich einer CD mit den MRT-Aufnahmen. Sie teilte mit, dass nach der Aussage von Prof. Dr. N.      bei ihr das Gleichgewichtsorgan nur schwer erregbar sei, was angeboren und in seinen Augen ein Conterganschaden sei. Außerdem seien die Haarzellen im Innenohr nur vermindert bzw. ungenügend vorhanden. Den Befundbericht Prof. Dr. N.      reichte die Klägerin am 25.09.2014 nach.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Mit Bescheid vom 25.03.2015 gab die Beklagte dem Revisionsantrag der Klägerin teilweise statt und erhöhte die Gesamtpunktzahl von 33,50 Punkten auf 36,83 Punkte. Ab dem 01.04.2015 ergab sich damit eine monatliche Rente von 2.551,00 Euro. Der Nachzahlungsbetrag belief sich auf 40.315,66 Euro. Dem lag die Anerkennung einer beiderseitigen leichten Schwerhörigkeit durch die zuständige medizinische Sachverständige Dr. X.       vom 15.01.2015 zugrunde, die eine schriftliche Erklärung der Mutter der Klägerin, Frau F.     M.       , vom 08.12.2014 verwies.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Es ergab sich hiernach folgende Berechnung:</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">                            Orthopädie                            Augen                            HNO                            Innere</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">                            <span style="text-decoration:underline">100 – 33,5                            100 – 0                            100 – 5                            100 – 0</span></p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">                                  100                                             100                               100                               100</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">100 x                                 0,6650              x              1,0000     x       0,9500     x       1,0000                 = 63,1750</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">100 -                               63,1750              =               36,83</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Eine Bepunktung wegen einer Veränderung des Gleichgewichtsorgans lehnte die Beklagte hingegen ab. Hierbei verwies sie auf Gutachten von Frau Dr. X.       vom 28.10.2014 und vom 25.11.2014. Diese vertrat die Auffassung, eine Veränderung des Gleichgewichtsorgans sei nicht anzuerkennen, da das Labyrinth beiderseits erregbar sei. Im letztgenannten Gutachten ist dazu ausgeführt:</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">„Die beiderseits verplumpten Labyrinthe würde ich als Fehlbildung anerkennen, jedoch sind keine Punkte anzuerkennen, da ja keine Funktionsbeeinträchtigung vorliegt, weil die Labyrinthe beidseits ihre Funktion ausweislich der thermischen Vestibularisprüfung erfüllen.“</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin erhob hiergegen Widerspruch. Sie verwies auf eine Erklärung von Prof. Dr. N.      , der eine verzögerte Erregbarkeit festgestellt habe. Die Punktetabelle bewerte die fehlende Anlage oder die <span style="text-decoration:underline">Fehlbildung</span> des Gleichgewichtsorgans. Funktionsbeeinträchtigungen seien nicht erwähnt. Sie habe verschiedene Probleme, die zu einer korrekten Funktion des Gleichgewichtsorgans in Widerspruch stünden. Sie habe große Probleme, im Dunkeln oder bei Müdigkeit geradeaus zu gehen und habe einen ziemlichen „Rechtsdrall“. Beim Reiten sitze sie nie mittig im Sattel, so dass sie ihren Sitz ständig korrigieren müsse. Sie trinke keinen Alkohol, weil ihr bereits bei geringsten Mengen schwummrig und schwindelig werde. Auch bei körperlicher Anstrengung und abruptem Aufstehen verspüre sie ein Schwindelgefühl. Leitern, Aussichtsplattformen oder Abgründe meide sie. Mit dem Fahrrad „eiere“ sie durch die Gegend; auch das Balancieren sei sehr schwierig.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Mit Widerspruchsbescheid vom 09.09.2015 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Sie verwies auf ein weiteres Gutachten von Frau Dr. X.       , in welchem sie ausführte:</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">„... ich habe mit die Gleichgewichtsuntersuchungen der LMU N1.       noch einmal angesehen, überall ist dokumentiert: „annähernd seitengleich“. Nur die Optokinetik ist beidseits verlangsamt. Daraus eine Fehlfunktion herzuleiten halte ich für nicht zulässig.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Außerdem ist in dem Vorblatt zur neurootologischen Untersuchung die Frage nach Schwindel von der Patientin verneint worden. Das steht im Widerspruch zu den jetzt vorliegenden Aussagen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Ich finde nicht, dass eine anatomische Veränderung ohne Auswirkung auf die Funktion entschädigt werden sollte, das ist aber meiner Meinung nach eine juristisch zu klärende Fragestellung.“</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat am 18.09.2015 Klage erhoben.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Frau Dr. X.       habe eine Schädigung durchaus festgestellt, indem sie eine anatomische Veränderung bejaht habe. Frau Dr. X.       habe ihre Feststellungen ohne persönliche Untersuchung der Klägerin getroffen. Prof. N.      habe dagegen eine ausführliche Anamnese und Diagnostik durchgeführt. Sie – die Klägerin – leide unter Schwindel. Dass sie auf die erstmalige Nachfrage nach Schwindel nicht reagiert habe, liege daran, dass sie ihre Beschwerden eher als Gleichgewichtsstörung aufgefasst habe. Sie legt nochmals die ärztliche Bescheinigung Prof. Dr. N.      vom 22.09.2014 vor (Bl. 46 der Gerichtsakte).</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 23.01.2018 hat sich die Beklagte zu einer erneuten fachärztlichen Begutachtung bereit erklärt. Für das weitere Verfahren haben die Beteiligten übereinstimmend auf weitere mündliche Verhandlung verzichtet.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat daraufhin den Fachärzten für Hals-, Nasen- und Ohren-Heilkunde Dr. L.       X.       und Dr. H1.       Q1.      die folgenden Fragen zur Begutachtung vorgelegt:</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">„1. Ist es trotz der offenbar möglichen thermischen Erregbarkeit des Gleichgewichtsorgans der Klägerin (= kein <strong>Ausfall</strong> des Gleichgewichtssinns) möglich, dass die von der Klägerin in der Klageschrift beschriebenen Symptome auf die vorliegende diskrete Schädigung des Gleichgewichtsorgans zurückzuführen sind (= <strong>Beeinträchtigung</strong> des Gleichgewichtssinns)?</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">2. Falls ja: Sind die Symptome genügend für die Anerkennung eines „Gleichgewichtsschadens“ (gegebenenfalls: Ab welcher Schwere der Symptomatik?), oder bedarf es immer des vollständigen <strong>Ausfalls</strong> des Gleichgewichtssinns?</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">3. Falls nein: Bestehen Zweifel am Untersuchungsbefund betreffend die gleichmäßige thermische Erregbarkeit des Gleichgewichtssinns der Klägerin?</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">4. Gibt es andere naheliegende Ursachen, die für die beklagten Schwindelsymptome ursächlich sein könnten?</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">5. Bestünde Bereitschaft, die Klägerin körperlich zu untersuchen, um das Bestehen der beklagten Symptome und/oder die Ursächlichkeit der diskreten Schädigung der Gleichgewichtsorgane für diese Symptome und/oder andere Ursachen für die beklagten Schwindelsymptome zu untersuchen?“</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die beiden Fachärzte erstellten daraufhin das gemeinsame Gutachten vom 30.04.2018, in welchem ausgeführt wird:</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">„...wir haben die Sachlage unabhängig voneinander bearbeitet und gemeinsam besprochen. Wir stellen zusammen auf der Basis der bekannten Aktenlage abschließend folgendes fest:</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Einleitend wollen wir vorab das Thema Schwindel allgemein beschreiben.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">„Schwindel“ ist ein Symptom und keine Diagnose. Wenn ein Mensch Schwindel beklagt, bedeutet das eine Unsicherheit über die Lage des Körpers in der Umgebung. Dafür gibt es viele Ursachen, da das menschliche Gleichgewichtssystem aus vielen Komponenten besteht, die das Symptom, die Beschwerde Schwindel hervorrufen können. Neben den Labyrinthen, als Sitz eines Teiles des Gleichgewichtssystems im Innenohr, zählen unter anderem die Tiefensensibilität, das visuelle System und der Tastsinn dazu. Die Verarbeitung der verschiedenen Impulse und Informationen aus diesen Organen wird dann im Gehirn vorgenommen. Das Vestibular-Organ ist, im Vergleich mit den Hauptursachen, vergleichsweise selten als maßgebliche Kausalität für Schwindel verantwortlich.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Zu dem konkreten Fall ist festzustellen, dass es sich bei einem anerkennungsfähigen Schaden um einen vorgeburtlichen Schaden handeln muss. Wenn sich also ein so guter Gleichgewichtssinn im Leben entwickeln konnte, dass wie hier zum Beispiel Radfahren erlernt wurde, so ist ein späterer Verlust dieser Fähigkeit im fortgeschrittenen Leben nicht auf einen vorgeburtlichen Schaden zurückzuführen. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine Erregbarkeit des Labyrinth-Organes besteht und bestand. Die Schwindelbeschwerden müssen dann andere Ursachen haben.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Zu Ihren Fragen:</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">1. Nein. Wenn beide Gleichgewichtsorgane, wie nachgewiesen, thermisch seitengleich erregbar sind, ist die Funktion der Bogengänge nicht gestört. Der von der Patientin geklagte Schwindel ist nicht darauf, nicht auf einen vorgeburtlichen Conterganschaden zurückzuführen.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">2. Nein (Eine Anerkennung ist nicht möglich, weil als Anerkennungsvoraussetzung ein vorgeburtlicher Ausfall definiert wurde und ein Ausfall nicht vorliegt.)</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">3. Der Untersuchungsbefund ist eindeutig.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">4. Schwindel wird nur in einem sehr geringen Ausmaß durch das Labyrinth-Organ hervorgerufen. Der Ausdruck „Gleichgewichts-Organ“ ist diesbezüglich verwirrend. Die meisten Ursachen finden sich außerhalb des HNO-Gebietes.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">5. Eine körperliche Untersuchung bringt hier keinen Erkenntnisgewinn, da die Aktenlage die vom HNO Arzt zu beurteilende Sachlage klärt.“</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin tritt dem entgegen und verweist darauf, dass die Punktetabelle nicht auf die Symptomatik, sondern auf die körperliche Schädigung abstelle. Außerdem könne sich eine Organschädigung im Laufe des Lebens verschlimmern und Symptome erst später auftreten. Zudem habe Frau Dr. X.       , die letztlich Partei sei, in ihrem Befundbericht vom 25.11.2014 eindeutig festgestellt, dass die beidseits verklumpten Labyrinthe als Fehlbildung anzuerkennen sind. Die Verklumpung sei eine vorgeburtliche Schädigung. Außer im Fall einer Meningitis, an der sie nie gelitten  habe, trete sie nach Medikamenteneinnahme in der Embryonalphase auf. Die Anlage des Innenohrs und die Ausbildung des Gleichgewichtsorgans fänden zur gleichen Zeit in der dritten bis siebten Schwangerschaftswoche statt. Die Innenohrschwerhörigkeit der Klägerin sei anerkannt. Sie leide, wie bereits mehrfach vorgetragen, nicht unter Schwindelgefühlen, sondern unter Gleichgewichtsproblemen.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Sie beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 25.03.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.09.2015 zu verpflichten, ihr höhere Leistungen nach dem ContStifG wegen einer Fehlbildung des Vestibularisorgans zu gewähren.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">              die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Entschädigungspflichtig sei nur der Ausfall des Gleichgewichtssinns ein- oder beidseitig infolge des Fehlens oder einer entsprechenden Schädigung/Fehlbildung des Vestibularisorgans. Für diese – bei beidseitigem Ausfall ganz erhebliche, bei einseitigem Ausfall immer noch spürbare, in der Regel aber kompensierbare – Beeinträchtigung der Lebensqualität würden 5 bzw. 20 Punkte vergeben. Sei der Gleichgewichtssinn trotz einer Schädigung des Vestibularisorgans noch vorhanden, könnten Schadenpunkte nicht vergeben werden. Im Fall der Klägerin liege nur eine Untererregbarkeit des Organs vor. Mögliche Verschlimmerungen  seien als Folgeschäden nicht entschädigungsfähig.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">In einem am 21.01.2019 eingegangenen Schriftsatz hat die Beklagte diese Einschätzung nochmals bekräftigt.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (3 Bände) Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks"><strong>E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e</strong></p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung ergeht im Einverständnis der Beteiligten ohne einen weiteren Termin zur mündlichen Verhandlung, § 101 Abs. 2 VwGO.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist nicht begründet.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Der Bescheid der Beklagten vom 25.03.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.09.2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Bewilligung höherer Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz (ContStifG) aufgrund einer Fehlbildung des Vestibularisorgans.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Gemäß § 12 Abs. 1 ContStifG werden Leistungen wegen Fehlbildungen gewährt, die mit der Einnahme thalidomidhaltiger Präparate der Grünenthal GmbH durch die Mutter während der Schwangerschaft in Verbindung gebracht werden können. Die Höhe der Leistungen richtet sich nach der Schwere des Körperschadens und der hierdurch hervorgerufenen Körperfunktionsstörungen, § 13 Abs. 2 Satz 1 ContStifG. Die Schwere des Körperschadens wird durch die Medizinische Punktetabelle konkretisiert, die sich in Anlage 2 der Richtlinien des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend für die Gewährung von Leistungen wegen Conterganschadensfällen vom 09.03.2017 findet. Bei der Bewertung des Schadens ist auszugehen vom Schweregrad der Fehlbildung, wie er bei der Geburt vorlag oder angelegt war, unter Berücksichtigung der zu erwartenden körperlichen Behinderung, § 7 Abs. 2 und § 8 Abs. 2 der Richtlinien. Eine Erhöhung oder Verminderung der Conterganrente bei einer Änderung der Körperfunktionsstörungen nach bestandskräftiger Entscheidung über den Antrag findet nicht statt, § 8 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinien. Hiermit ist in Übereinstimmung mit den Vorgaben des § 12 Abs. 1 ContStifG zum Ausdruck gebracht, dass Bezugspunkt der Schadensbewertung die bei Geburt bestehende oder wenigstens angelegte Fehlbildung ist. Hingegen sind Folgeschäden einer Fehlbildung – zum Beispiel die Verschlechterung von Körperfunktionen durch Verschleiß von geschädigten oder die Überlastung von gesunden Organen oder Schäden durch Untersuchungen und Behandlungen im Verlauf des Lebens – bei der Bewertung der Schwere des thalidomidbedingten Körperschadens nicht zu berücksichtigen. Derartige Folge- und Spätschäden sollten nach dem Willen des Gesetzgebers durch die pauschale und deutliche Erhöhung der Conterganrenten, durch jährliche Sonderzahlungen und durch die Bewilligung von Leistungen für „spezifische Bedarfe“ abgegolten werden, ohne die Punktebewertung im Einzelfall zu ändern,</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs für das 1. Gesetz zur Änderung des ContStifG vom 08.04.2008, BT-Drs. 16/8743, S. 1; Begründung des Gesetzentwurfs für das 2. Gesetz zur Änderung des ContStifG vom 24.03.2009, BT-Drs. 16/12413, S. 7; Begründung des Gesetzentwurfs für das 3. Gesetz zur Änderung des ContStifG vom 12.03.2013, BT-Drs. 17/12678, S. 1, 4 und 7.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Damit sollte dem sich im Verlauf des Lebens sich regelmäßig verschlechternden Gesundheitsstatus der Leistungsempfänger Rechnung getragen und eine fortdauernde Unsicherheit mit entsprechenden Streitigkeiten über die Punktebewertung vorgebeugt werden. Deshalb sind Körperschäden, die ein contergangeschädigter Mensch im Lauf seines Lebens durch anderweitige Erkrankungen, Unfälle oder altersbedingten Verschleiß oder auch operative Eingriffe erwirbt, keine thalidomidbedingten Fehlbildungen und können bei Punktevergabe nicht berücksichtigt werden.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Vor diesem Hintergrund ist die von der Beklagten ausgesprochene Ablehnung einer höheren Bepunktung aufgrund einer Fehlbildung des Vestibularisorgans und hierdurch verursachter Gleichgewichtsstörungen rechtlich nicht zu beanstanden. Die diagnostizierten Fehlbildungen im Bereich des Innenohrs stellen keinen über die bereits zuerkannte beiderseitige leichte Schwerhörigkeit hinausgehenden entschädigungsfähigen Tatbestand dar.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Das paarige Vestibularisorgan (auch Verstibularapparat oder Gleichgewichtsorgan) befindet sich im Innenohr und unterteilt sich in fünf einzelne Bestandteile, drei Bogengänge und die als Maculaorgane bezeichneten Strukturen Sacculus („Säckchen“) und Utriculus („kleiner Schlauch“). Die Bogengänge dienen dem Drehsinn; das Sacculus erfasst vertikale, Utriculus horizontale Beschleunigungen. Die so erfassten Sinneswahrnehmungen werden über den 8. Hirnnerv weitergeleitet.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 263. Auflage 2012; wikipedia.org/wiki/Gleichgewichtsorgan.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Die Sachverständige Frau Dr. X.       hat bereits in ihrer der Widerspruchsentscheidung zugrunde liegenden Stellungnahme ausgeführt, dass nach den in der LMU N1.       durchgeführten Gleichgewichtsuntersuchungen eine „annähernd seitengleiche“ Funktion attestiert ist. Insbesondere war der Vestibularisapparat bei der Klägerin gleichmäßig thermisch erregbar, was unstreitig als objektivierbarer Beleg seiner Funktionstüchtigkeit gelten kann. Zudem heißt es im RAD-Befund vom 11.09.2013 u.a.: „...Kein Nachweis einer Pathologie im Verlauf des 7. Und 8. Hirnnerven beidseits. Regelrechte Anatomie der Innenohrstrukturen beidseits. Der innere Gehörgang erscheint beidseits frei...“. Hiermit in Übereinstimmung steht auch die von der Klägerin vorgelegte ärztliche Bescheinigung der LMU Prof. Dr. J. N.      vom 22.09.2014, derzufolge beide Vestibularisorgane annähernd seitengleich erregbar, wenngleich beidseits verplumpt im Sinne einer „diskreten Fehlbildung“ seien. Frau Dr. X.       und Herr Dr. Q1.      haben in ihrer gemeinsamen Stellungnahme vom 30.04.2018 nachvollziehbar dargelegt, dass sich im Fall einer seitengleichen thermischen Erregbarkeit beider Vestibularisorgane der Schluss auf die Funktionsfähigkeit auch der Bogengänge ziehen lässt. Die dargestellte „diskrete Schädigung“ des Gleichgewichtsorgans lässt daher nach der Auffassung beider nicht den Schluss auf eine Funktionsbeeinträchtigung zu.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Diese Aussage wird durch den Verfahrensablauf gestützt. Die Klägerin hat Funktionsstörungen des Gleichgewichtsorgans erstmals mit der Vorlage des Befundberichts 2014, also mehr als 50 Jahre nach Schadenseintritt geltend gemacht. Während für die Schwerhörigkeit, die zum Grund des Revisionsantrages gemacht wurde, eine Erklärung der Mutter und eine eigene Erklärung der Klägerin zur Schulzeit vorlagen, ergeben sich aus der medizinischen Akte keinerlei Anhaltspunkte für Gleichgewichtsstörungen oder Schwindel im zeitlichen Verlauf bis 2014. Die Klägerin hat insoweit offenbar eine vollkommen normale körperliche Entwicklung durchlaufen. Wenn nunmehr vorgetragen wird, sie – die Klägerin – habe auf die erstmalige Nachfrage nach Schwindel nicht reagiert, weil sie ihre vorhandenen Beschwerden als Gleichgewichtsstörung aufgefasst habe, ist das nicht nachvollziehbar. Schwindel und Gleichgewichtsstörung sind aus Sicht des medizinischen Laien kaum abzugrenzen und werden selbst in der Fachliteratur teils synonym verwendet. Selbst wenn man davon ausgeht, dass unter einer Gleichgewichtsstörung eher Beschwerden in horizontaler oder vertikaler Richtung, unter Schwindel eher Beschwerden in Bezug auf die Drehbeschleunigung gefasst werden, bringt dieses Schweigen aus Sicht einer Antragstellerin keinerlei Sinn. Vor diesem Hintergrund finden sich keine Anhaltspunkte für eine bereits bei Geburt vorhandene oder wenigstens angelegte Funktionsbeeinträchtigung.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Soweit die Klägerin heute darüber klagt, in der Dunkelheit oder bei Mündigkeit nicht hinreichend  geradeaus gehen zu können, beim abrupten Aufstehen ein Schwindelgefühl zu verspüren oder Höhen zu meiden etc., ergibt sich nichts Abweichendes. In ihrer allgemeinen Beschreibung vom 30.04.2018 haben beide Sachverständige nachvollziehbar ausgeführt, dass Schwindelgefühle durchaus zahlreiche Ursachen haben können, da das menschliche Gleichgewichtssystem aus vielen Komponenten besteht, die das Symptom, die Beschwerde Schwindel hervorrufen können. Neben den Labyrinthen, als Sitz eines Teiles des Gleichgewichtssystems im Innenohr, zählen unter anderem die Tiefensensibilität, das visuelle System und der Tastsinn dazu. Die Verarbeitung der verschiedenen Impulse und Informationen aus diesen Organen wird dann im Gehirn vorgenommen. Das Vestibular-Organ sei, im Vergleich mit den Hauptursachen, vergleichsweise selten als maßgebliche Kausalität für Schwindel verantwortlich. Dem tritt der Umstand zur Seite, dass im Fall der Klägerin die Vestibularis-Organe aufgrund der objektivierbaren Befunde durchaus funktionstüchtig sind.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Neue wissenschaftliche Erkenntnisse sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Bei dieser Sachlage besteht kein Anlass zu weiterer Aufklärung durch ein gerichtliches Sachverständigengutachten einschließlich einer körperlichen Untersuchung der Klägerin. Die seitens der Beklagten vorgelegten fachärztlichen Stellungnahmen bauen auf den von der Klägerin selbst beigebrachten Befundberichten der LMU N1.       auf und stellen diese keineswegs in Abrede. Konkrete Tatsachen, die Zweifel an der Objektivität oder Unabhängigkeit der Sachverständigen aufkommen lassen, sind nicht ersichtlich. Nicht berechtigt ist die Annahme, sie stünden gleichsam „im Lager der Beklagten“ und seien folglich um eine ihr günstige Begutachtung bemüht. Dessen ungeachtet beleibt darauf hinzuweisen, dass die Zahl der Fachärzte und Fachärztinnen mit speziellen Kenntnissen und Erfahrungen auf dem Gebiet der Einordnung von Thalidomid-Schädigungen eng begrenzt ist.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">              Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19.01.2016 - 16 A 817/15 -.</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Eine höhere Bepunktung ergibt sich auch nicht allein aus dem Umstand, dass auch die Beklagte eine Verplumpung von Innenohrstrukturen und eine verzögerte Erregbarkeit der Vestibularisorgane nicht in Abrede stellt. Solange dies nicht zu einer Funktionsbeeinträchtigung führt, ergibt sich daraus kein Entschädigungstatbestand, obgleich Nr. 4.26 der medizinischen Punktetabelle auch die „Fehlbildung des Gleichgewichtsorgans“ aufführt. Denn die Höhe der Leistungen nach dem ContStifG richtet sich nach der Schwere des Körperschadens <span style="text-decoration:underline">und</span> der hierdurch hervorgerufenen Körperfunktionsstörung, § 13 Abs. 2 Satz 1 ContStifG. Bei den zumeist im Vordergrund stehenden orthopädischen Schäden fallen Körperschaden und Funktionsstörung regelmäßig zusammen. Bei der Schädigung innerer Organe besteht ein solcher Automatismus nicht. Es widerspräche vielmehr in der Regel der Zielsetzung des ContStifG, einen Ausgleich auch für solche Fehlbildungen innerer Organe zu gewähren, die sich nicht in Funktionsbeeinträchtigungen manifestieren. Da hier nicht mit hinreichender Gewissheit feststeht, dass die (unterstellten) Funktionsstörungen auf den attestierten Fehlbildungen beruhen, liegt kein Entschädigungstatbestand vor.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Vgl. für den umgekehrten Fall einer nicht dargelegten Fehlbildung (nur „Untererregbarkeit“ des Gleichgewichtsorgans bei Schwindelsymptomatik) vgl. Urteil der Kammer vom 01.08.2017 - 7 K 2052/15 -.</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Angesichts dessen kann auch offen bleiben, wie es zu werten ist, dass der RAD-Befund vom 11.09.2013 eine regelrechte Anatomie der Innenohrstrukturen beidseits attestiert, eine Fehlbildung der vestibularen Strukturen auch vorliegend also keineswegs offenkundig ist.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks"><strong>Rechtsmittelbelehrung</strong></p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn</p>
<span class="absatzRechts">69</span><ul class="absatzLinks"><li><span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,</p>
</li>
<li><span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,</p>
</li>
<li><span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,</p>
</li>
<li><span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">4. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder</p>
</li>
<li><span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">5. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.</p>
</li>
</ul>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, schriftlich zu beantragen. Der Antrag auf Zulassung der Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">Statt in Schriftform kann die Einlegung des Antrags auf Zulassung der Berufung auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">Die Gründe, aus denen die Berufung zugelassen werden soll, sind innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils darzulegen. Die Begründung ist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">Vor dem Oberverwaltungsgericht und bei Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird, muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">Die Antragsschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.</p>
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171,184 | ag-zeitz-2019-01-22-5-m-92617 | {
"id": 1013,
"name": "Amtsgericht Zeitz",
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"city": 620,
"state": 16,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Amtsgericht"
} | 5 M 926/17 | 2019-01-22T00:00:00 | 2019-01-29T12:49:44 | 2019-02-13T12:21:08 | Beschluss | <div class="docLayoutText">
<div class="docLayoutMarginTopMore"><h4 class="doc">
<!--hlIgnoreOn-->Tenor<!--hlIgnoreOff-->
</h4></div>
<div class="docLayoutText"><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>In der Zwangsvollstreckungssache</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>...</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>wird die Zwangsvollstreckung aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Zeitz vom 14.09.2017 aufgehoben.</p></dd>
</dl>
</div></div>
<div class="docLayoutMarginTopMore"><h4 class="doc">
<!--hlIgnoreOn-->Gründe<!--hlIgnoreOff-->
</h4></div>
<div class="docLayoutText"><div>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_1">1</a></dt>
<dd><p>Durch Beschluss des Amtsgerichts Halle (Saale) - Insolvenzgericht - vom 18.08.2017 (Geschäftsnummer: 59 IK 520/17) wurde Insolvenzverfahren gemäß §§ 2, 3, 11, 16 ff. InsO eröffnet und Restschuldbefreiung angekündigt. Durch Beschluss des Insolvenzgerichts vom 11.12.2018 wurde das Insolvenzverfahren gem. § 200 InsO aufgehoben und die Abtretungsfrist, beginnend ab Eröffnung des Verfahrens, auf 6 Jahre festgesetzt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_2">2</a></dt>
<dd><p>Sämtliche Zwangsvollsteckungsmaßnahmen einzelner Insolvenzgläubiger sind gemäß § 89 InsO für die Zeit des Insolvenzverfahrens sowie gem. § 294 InsO für die Zeit zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist unzulässig.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_3">3</a></dt>
<dd><p>Der Schuldner beantragte am 16.01.2019 die Aufhebung der Zwangsvollstreckung aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 14.09.2017, da der Beschluss einen Verstoß gegen das allgemeine Vollstreckungsverbot für Insolvenzgläubiger darstelle.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_4">4</a></dt>
<dd><p>Für die Entscheidung über den Antrag des Schuldners ist das Vollstreckungsgericht am Wohnsitz des Schuldners zuständig (§ 828 ZPO), nachdem das Insolvenzverfahren aufgehoben und in die Wohlverhaltensphase übergegangen ist, da es eine Sonderzuständigkeit des Insolvenzgerichts für Vollstreckungsschutzanträge nur während der Dauer des Insolvenzverfahrens gibt (§ 89 Abs. 3 ZPO).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_5">5</a></dt>
<dd><p>Dem Gläubiger wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Einwendungen gegen die beantragte Aufhebung der Vollstreckungsmaßnahme wurden seitens des Gläubigers nicht erhoben.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_6">6</a></dt>
<dd><p>Die vollstreckbaren Ansprüche des Gläubigers stellen Insolvenzforderungen gemäß § 38 InsO dar, so dass der Gläubiger grundsätzlich dem Vollstreckungsverbot der §§ 89 und 294 InsO unterliegt. Der nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erwirkte Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 14.09.2017 verstößt gegen dieses Vollstreckungsverbot und war damit gemäß §§ 89, 294 InsO aufzuheben.</p></dd>
</dl>
</div></div>
<br>
</div>
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171,149 | vg-schleswig-holsteinisches-2019-01-22-1-b-12218 | {
"id": 1071,
"name": "Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht",
"slug": "vg-schleswig-holsteinisches",
"city": 647,
"state": 17,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 1 B 122/18 | 2019-01-22T00:00:00 | 2019-01-29T12:49:29 | 2019-02-13T12:21:08 | Beschluss | ECLI:DE:VGSH:2019:0122.1B122.18.00 | <div class="docLayoutText">
<div class="docLayoutMarginTopMore"><h4 class="doc">
<!--hlIgnoreOn-->Tenor<!--hlIgnoreOff-->
</h4></div>
<div class="docLayoutText"><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Es wird festgestellt, dass dem Widerspruch der Antragstellerin vom 12. September 2018 (Az. Au-104/18-MW/viz) in Bezug auf die in Ziffer 1 des Bescheides des Antragsgegners vom 23. August 2018 verfügte Ausweisung aufschiebende Wirkung zukommt. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Die Beteiligten tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.</p></dd>
</dl>
</div></div>
<div class="docLayoutMarginTopMore"><h4 class="doc">
<!--hlIgnoreOn-->Gründe<!--hlIgnoreOff-->
</h4></div>
<div class="docLayoutText"><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p><strong>I.</strong></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_1">1</a></dt>
<dd><p>Die 1976 geborene Antragstellerin ist ukrainische Staatsangehörige. Sie lebt seit ihrem 16. Lebensjahr in der Bundesrepublik Deutschland und war bis zum Erlass der streitgegenständlichen Ausweisungsverfügung des Antragsgegners im Besitz einer Niederlassungserlaubnis. Seit 2011 wurde sie wiederholt wegen Diebstahls und Erschleichen von Leistungen zu Geld- und Freiheitsstrafen verurteilt. Zurzeit verbüßt sie eine mehrjährige Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt B. in A-Stadt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_2">2</a></dt>
<dd><p>Mit Bescheid vom 23.08.2018 wies der Antragsgegner die Antragstellerin nach erfolgter Anhörung aus der Bundesrepublik Deutschland aus (Ziffer 1), forderte sie auf, gem. § 50 Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG bis zu sieben Tagen nach Verbüßen ihrer Haftstrafe das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu verlassen (Ziffer 2), ordnete für den Fall, dass sie der Ausreisepflicht nicht freiwillig nachkommen sollte, nach § 58 AufenthG die Abschiebung in ihr Heimatland Ukraine an (Ziffer 3), ordnete im öffentlichen Interesse gem. § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung der Abschiebungsandrohung an (Ziffer 4), wies darauf hin, dass sie etwaige Kosten der Abschiebung zu tragen habe (Ziffer 5) und befristete gem. § 11 Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG das Einreiseverbot auf fünf Jahre ab der Ausreise (Ziffer 6). Ziffer 4 des Bescheides begründete er damit, dass das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsandrohung darin liege, aufgrund der Verstöße gegen strafbewährte Vorschriften alle Maßnahmen zu ergreifen, um die von der Antragstellerin ausgehende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung mit sofortiger Wirkung zu unterbinden. Es bedürfe in ihrem Fall einer sofortigen Abschiebung nach Erlass des Bescheides, um weitere Straftaten zu unterbinden. Das öffentliche Interesse an einer unverzüglichen Ausreise überwiege eindeutig (S. 7 d. Bescheides).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_3">3</a></dt>
<dd><p>Hiergegen richtet sich der Widerspruch vom 12.09.2018, mit dem im Wesentlichen der Begründung des Bescheides entgegengetreten wird, die mehrfache Straffälligkeit schließe eine Integration aus. Die Antragstellerin habe den Hauptschulabschluss und die mittlere Reife mit kaufmännischem Grundwissen in Deutschland absolviert und über längere Zeit gearbeitet. Sie habe zwei Töchter in Deutschland auf die Welt gebracht, die beide Deutsche seien. Sie sei – wie viele Deutsche – in den Strudel der Suchtabhängigkeit geraten und dadurch straffällig geworden. Sie sei eine faktische Inländerin. Zurzeit bereite sie sich auf eine Therapie nach § 35 BtMG vor.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_4">4</a></dt>
<dd><p>Den Antrag, die aufschiebende Wirkung gem. § 80 Abs. 4 VwGO wiederherzustellen, lehnte der Antragsgegner mit Schreiben vom 26.09.2018 ab. Es sei aufgrund des vorgebrachten Schutzinteresses Dritter (Leib, Leben, Eigentum, Einhaltung der Rechtsordnung) geradezu angezeigt, die Anordnung der sofortigen Vollziehung aufrechtzuerhalten.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_5">5</a></dt>
<dd><p>Die Antragstellerin hat am 23.10.2018 bei dem Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht um einstweiligen Rechtsschutz ersucht. Zur Begründung wird das Vorbringen aus dem Widerspruch wiederholt und vertieft.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_6">6</a></dt>
<dd><p>Die Antragstellerin beantragt wörtlich,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_7">7</a></dt>
<dd><p style="margin-left:72pt">die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 23.08.2018 wiederherzustellen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_8">8</a></dt>
<dd><p>Der Antragsgegner beantragt,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_9">9</a></dt>
<dd><p style="margin-left:72pt">den Antrag abzulehnen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_10">10</a></dt>
<dd><p>Zur Begründung verweist er auf den Werdegang der Antragstellerin sowie die erfolgte Anhörung und die Ablehnung des Antrags auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_11">11</a></dt>
<dd><p>Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Antragsgegners verwiesen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p><strong>II.</strong></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_12">12</a></dt>
<dd><p>Der Antrag ist teilweise gemäß §§ 88, 122 Abs. 1 VwGO dahingehend umzudeuten, dass die Antragstellerin bezüglich Ziffer 1 des Bescheides vom 23.08.2018 die Feststellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs begehrt. Nach §§ 88, 122 Abs. 1 VwGO darf das Gericht über das Antragsbegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. Eine Bindung besteht lediglich hinsichtlich des erkennbaren Antragsziels, so wie sich dieses im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung aufgrund des gesamten Beteiligtenvorbringens darstellt. Nach dem verfassungsrechtlichen Gebot der Effektivität des Rechtsschutzes ist im Zweifel zugunsten des Antragstellers anzunehmen, dass er den in der Sache in Betracht kommenden Rechtsbehelf einlegen wollte. Dies ist selbst dann anzunehmen, wenn der Antragsteller anwaltlich vertreten ist (BVerwG, Beschluss vom 13.01.2012 – 9 B 56/11 –, juris Rn. 7 f.).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_13">13</a></dt>
<dd><p>Der ausdrücklich auf die Herstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs (§ 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO) gerichtete Antrag ist nach den §§ 88, 122 Abs. 1 VwGO dahingehend auszulegen, dass die Antragstellerin in entsprechender Anwendung des § 80 Abs. 5 VwGO die Feststellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs vom 12.09.2018 gegen die in Ziffer 1 des Bescheides vom 23.08.2018 verfügte Ausweisung begehrt. Denn nur eine solche Auslegung wird dem erkennbaren Ziel der Antragstellerin, von der zwangsweisen Durchsetzung der Ausweisung einstweilig verschont zu bleiben, gerecht. Nimmt die Behörde fälschlich an, die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage sei ausgeschlossen und droht dem Adressaten des Bescheides eine Vollziehung auch für den Fall der Einlegung eines Widerspruchs bzw. der Erhebung einer Anfechtungsklage an, kann der Adressat des Bescheids analog § 80 Abs. 5 VwGO die gerichtliche Feststellung begehren, dass seine Rechtsbehelfe aufschiebende Wirkung haben (vgl. Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Beschluss vom 23.01.2018 – 1 B 204/17 –, Rn. 17 ff., juris; OVG Weimar, Beschluss vom 14.02.2008 – 3 EO 838/07 –, juris Rn. 2; VG Potsdam, Beschluss vom 16.11.2011 – 3 L 612/11 –, juris Rn. 3, jeweils m.w.N.).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_14">14</a></dt>
<dd><p>Im Übrigen ist der Antrag so verstehen, dass er sich gegen die Abschiebungsandrohung richtet.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_15">15</a></dt>
<dd><p>Der so ausgelegte Antrag ist zulässig und im tenorierten Umfang begründet.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_16">16</a></dt>
<dd><p>Soweit die Antragstellerin die Feststellung der aufschiebenden Wirkung gegen Ziffer 1 des Bescheides begehrt, ist der Antrag statthaft, da der Antragsgegner annimmt, dass Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Ausweisungsverfügung keine aufschiebende Wirkung hätten und er die Antragstellerin deshalb trotz Einlegung dieser Rechtsbehelfe „nach Erlass des Bescheides“ (S. 7 d. Bescheides) abschieben könne. Es besteht auch ein Feststellungsinteresse, da der Antragsgegner im Rahmen der Begründung des Sofortvollzugs der Abschiebungsandrohung klar und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, die Antragstellerin so schnell wie möglich abschieben zu wollen. Der gewählten Formulierung „Es bedarf in Ihrem Fall einer sofortigen Abschiebung nach Erlass des Bescheides, um weitere Straftaten zu verhindern“, ist zu entnehmen, dass eine Inanspruchnahme von Rechtsschutz durch die Antragstellerin jedenfalls im Hauptsacheverfahren nicht abgewartet werden soll. Allein der Umstand, dass sie noch in Haft ist, lässt das Feststellungsinteresse nicht entfallen, weil auch eine Abschiebung aus der Haft heraus möglich ist (vgl. § 59 Abs. 5 i.V.m. § 58 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG). Es entfällt auch nicht das Feststellungsinteresse, weil der Antragsgegner zu erkennen gegeben hätte, dass er nicht vollstrecken werde, denn die Aussetzung im Verwaltungsverfahren hat er abgelehnt und auf das besondere Interesse an der Aufenthaltsbeendigung hingewiesen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_17">17</a></dt>
<dd><p>Soweit sich die Antragstellerin gegen die in Ziffer 3 des Bescheides verfügte Abschiebungsandrohung wendet, ist der Antrag statthaft, als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs, da der Widerspruch hiergegen gem. §§ 248 Abs. 1 Satz 2 LVwG, 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO als Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung hat.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_18">18</a></dt>
<dd><p>Der Antrag ist begründet, soweit er auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung gerichtet ist. Die Feststellung, dass ein Widerspruch aufschiebende Wirkung hat, ist gerechtfertigt, wenn der von einem belastenden Verwaltungsakt Betroffene Widerspruch erhoben hat und die aufschiebende Wirkung nicht kraft Gesetzes (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VwGO) oder behördlicher Anordnung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) ausgeschlossen ist. Anders als im Aussetzungsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO in direkter Anwendung findet eine Abwägung des öffentlichen Vollzugsinteresses und des individuellen Aussetzungsinteresses bei der Feststellung der aufschiebenden Wirkung wegen eines drohenden faktischen Vollzuges nicht statt (Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 30. EL Februar 2016, § 80 Rn. 398).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_19">19</a></dt>
<dd><p>Der Widerspruch der Antragstellerin vom 12.09.2018 gegen die Ausweisungsverfügung hat gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO, unbeschadet der Wirkungsanordnung einer Ausweisung nach § 84 Abs. 2 AufenthG, aufschiebende Wirkung. Dies ergibt sich im Umkehrschluss aus § 84 Abs. 1 AufenthG (VG München, Beschluss vom 07.12.2017 – M 25 S 17.4284 –, Rn. 16, juris). § 84 Abs. 2 AufenthG bestimmt die Rechtsfolgen der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Ausweisungen und sonstige aufenthaltsbeendende Verwaltungsakte. Die Ausweisung (§ 51 Absatz 1 Nummer 5) hat zwar bereits bis zur Unanfechtbarkeit der Entscheidung zur Folge, dass der Ausländer nicht mehr den ihm erteilten Aufenthaltstitel besitzt, er gemäß § 50 Abs. 1 AufenthG zur Ausreise verpflichtet ist und für ihn bis zum Abschluss des Verfahrens eine rechtliche Verfestigung nicht möglich ist (Bergmann/Dienelt/Samel, 12. Aufl. 2018, AufenthG § 84). Dennoch hat der Eintritt der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage zur Folge, dass der angefochtene Verwaltungsakt nicht vollziehbar ist. Das heißt, die mit dem Verwaltungsakt verknüpften Pflichten können zunächst nicht zwangsweise durchgesetzt werden. Die Vollziehbarkeit aufenthaltsbeendender Verwaltungsakte ist bis zu einer vollziehbaren Entscheidung über sie gehemmt (§ 58 Abs. 1, 2 Satz 2 AufenthG); während dieser Zeit kann der Ausländer nicht abgeschoben werden. Er wird für die Dauer der aufschiebenden Wirkung geduldet (Bergmann/Dienelt/Samel, 12. Aufl. 2018, AufenthG § 84 Rn. 18-27). Vorliegend ist die Ausweisungsverfügung angesichts des fristgerecht eingelegten Widerspruchs nicht bestandskräftig. Auch wurde hinsichtlich der Ausweisungsverfügung im angefochtenen Bescheid die sofortige Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO nicht angeordnet. Vielmehr bezieht sich die Anordnung des Sofortvollzugs allein auf Ziffer 3 des Bescheides, nämlich die – ohnehin als bundesrechtliche Vollstreckungsmaßnahme – kraft Gesetzes (§ 248 LVwG) sofort vollziehbare Abschiebungsandrohung. Für eine Umdeutung ist kein Raum. Mangels Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der Ausweisung ist die Antragstellerin nicht vollziehbar ausreisepflichtig (vgl. VG München, Beschluss vom 28.03.2018 – M 10 S 17.5867 –, Rn. 23 f., juris).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_20">20</a></dt>
<dd><p>Soweit sich der Antrag gegen die Abschiebungsandrohung richtet, ist er unbegründet. Insoweit ergeht die gerichtliche Entscheidung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO regelmäßig auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung. Gegenstand der Abwägung sind das Aufschubinteresse des Antragstellers einerseits und das öffentliche Interesse an der Vollziehung des streitbefangenen Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung können auch Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit und die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes, der vollzogen werden soll, Bedeutung erlangen, allerdings nicht als unmittelbare Entscheidungsgrundlage, sondern als in die Abwägung einzustellende Gesichtspunkte, wenn aufgrund der gebotenen summarischen Prüfung Erfolg oder Misserfolg des Rechtsbehelfs offensichtlich erscheinen. Lässt sich bei der summarischen Überprüfung die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ohne weiteres feststellen, ist sie also offensichtlich, so ist die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs (wieder-)herzustellen, weil an einer sofortigen Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Bescheides kein öffentliches Interesse bestehen kann. Erweist sich der angefochtene Bescheid als offensichtlich rechtmäßig, bedarf es in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse von der Behörde im Einzelfall angeordnet wurde, noch eines besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung, das mit dem Interesse am Erlass eines Verwaltungsaktes in der Regel nicht identisch ist, sondern vielmehr ein qualitativ anderes Interesse ist. Insbesondere in Fällen der Gefahrenabwehr – dies gilt auch für eine zur Gefahrenabwehr ausgesprochene Ausweisung – kann dieses besondere Vollzugsinteresse aber mit dem Interesse am Erlass des Bescheides selbst identisch sein. Erweist sich nach der genannten Überprüfung der angefochtene Bescheid als offensichtlich rechtmäßig, so führt dies in Fällen des gesetzlich angeordneten Sofortvollzuges regelmäßig dazu, dass der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzulehnen ist (Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Beschluss vom 17.12.2018 – 1 B 120/18 –, Rn. 6, juris m.w.N.).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_21">21</a></dt>
<dd><p>Gemessen an diesen Vorgaben ist die Abschiebungsandrohung offensichtlich rechtmäßig. Die gesetzlichen Voraussetzungen nach §§ 50, 58, 59 AufenthG sind erfüllt. Nach § 50 Abs. 1 AufenthG ist ein Ausländer zur Ausreise verpflichtet, wenn er einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht oder nicht mehr besitzt und ein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei nicht oder nicht mehr besteht. Die Antragstellerin war bis zum Erlass der streitgegenständlichen Ausweisungsverfügung im Besitz einer Niederlassungserlaubnis, die nach § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG durch die verfügte Ausweisung erloschen ist. Der Widerspruch lässt die Wirksamkeit der Ausweisung – wie ausgeführt – unberührt. Die Abschiebungsandrohung erfüllt die formellen Voraussetzungen nach § 59 Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG. Der materiellen Rechtmäßigkeit steht insbesondere nicht entgegen, dass die Ausreisepflicht derzeit aufgrund des eingelegten Widerspruchs gegen die Ausweisung nicht vollziehbar ist. Aus diesem Grund kann, wie oben dargelegt, die Antragstellerin für die Dauer der aufschiebenden Wirkung (§ 80b VwGO) zwar nicht abgeschoben werden, denn die Ausreisepflicht wird – von den hier nicht einschlägigen Voraussetzungen von § 58 Abs. 2 Satz 1 AufenthG abgesehen – erst vollziehbar, wenn die Versagung des Aufenthaltstitels oder der sonstige Verwaltungsakt, durch den der Ausländer gem. § 50 Abs. 1 AufenthG ausreisepflichtig wird, vollziehbar wird. Die Ausweisung ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht vollziehbar. Jedoch hindert dies zwar die Abschiebung, nicht aber den Erlass der Abschiebungsandrohung. Androhung und Vollzug der Abschiebung sind strikt zu trennen. Die Abschiebungsandrohung ergeht im Vorfeld und hat für den ausreisepflichtigen Ausländer Hinweischarakter. In der Regel kann er so der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung durch vorrangig freiwillige Ausreise entgehen. Die Abschiebungsandrohung setzt daher nach der dem Aufenthaltsgesetz zugrundeliegenden Konstellation nicht die Vollziehbarkeit der Ausreise voraus. Damit bleibt eine Abschiebungsandrohung selbst dann rechtmäßig, wenn eine Abschiebung aufgrund von Abschiebungsverboten nicht erfolgen kann (vgl. § 59 Abs. 3 Satz 1 AufenthG; OVG Münster, Beschluss vom 20.02.2009 – 18 A 2620/08 –, InfAuslR 2009, 232).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_22">22</a></dt>
<dd><p>Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_23">23</a></dt>
<dd><p>Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1, Abs. 2 GKG.</p></dd>
</dl>
</div></div>
<br>
</div>
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171,120 | bverfg-2019-01-22-2-bvr-4319 | {
"id": 3,
"name": "Bundesverfassungsgericht",
"slug": "bverfg",
"city": null,
"state": 2,
"jurisdiction": "Verfassungsgerichtsbarkeit",
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} | 2 BvR 43/19 | 2019-01-22T00:00:00 | 2019-01-29T12:49:09 | 2019-02-13T12:21:08 | Ablehnung einstweilige Anordnung | ECLI:DE:BVerfG:2019:rk20190122.2bvr004319 | <h2>Tenor</h2>
<div>
<dl class="RspDL">
<dt/>
<dd>
<p>Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt, weil der Antragsteller nicht substantiiert dargelegt hat, dass der Antrag in der Hauptsache weder unzulässig noch offensichtlich unbegründet ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 20. August 2015 - 1 BvQ 28/15 -, juris, Rn. 2). Es ist insbesondere weder hinreichend dargetan noch anderweitig ersichtlich, dass die durch das Oberlandesgericht vorgenommene Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts verfassungsrechtlich zu beanstanden wäre.</p>
</dd>
</dl>
</div>
<h2>Gründe</h2>
<div>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_1">1</a>
</dt>
<dd>
<p>
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.</p>
</dd>
</dl>
</div>
|
171,048 | vg-regensburg-2019-01-22-rn-5-s-1934 | {
"id": 290,
"name": "Verwaltungsgericht Regensburg",
"slug": "vg-regensburg",
"city": 168,
"state": 4,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | RN 5 S 19.34 | 2019-01-22T00:00:00 | 2019-01-29T12:40:01 | 2019-02-13T12:21:08 | Beschluss | <h2>Tenor</h2>
<div>
<p>I. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 14.11.2018 des Antragsgegner wird hinsichtlich der Ziffern 1. und 2. des Bescheids wiederhergestellt und hinsichtlich Ziffer 4. des Bescheids angeordnet.</p>
<p>II. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.</p>
<p>III. Der Streitwert wird auf 7.500.- EUR festgesetzt.</p>
</div>
<h2>Gründe</h2>
<div>
<p>I.</p>
<p><rd nr="1"/>Die Antragstellerin wendet sich im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gegen den Widerruf ihrer Gaststättenerlaubnis.</p>
<p><rd nr="2"/>Der Antragstellerin wurde mit Bescheid vom 02.02.2015 die gaststättenrechtliche Erlaubnis zur Fortführung des Betriebs der Schank- und Speisewirtschaft „Vereinsheim … e.V.“ in …, …, …, erteilt.</p>
<p><rd nr="3"/>Mit Schreiben vom 05.04.2018 teilte das Finanzamt Dingolfing dem Landratsamt Dingolfing-Landau mit, dass die Antragstellerin seit der Anmeldung des Gewerbes keine Umsatzsteuervoranmeldungen eingereicht habe. Es fehlen die Umsatzsteuervoranmeldungen 2014, 2015, 2016, 2017 und 2018. Die Besteuerungsgrundlagen seien gemäß <verweis.norm>§ 162 <v.abk ersatz="AO für die Zeiträume 2014 bis 2016">AO für die Zeiträume 2014 bis 2016</v.abk></verweis.norm> geschätzt worden. Weiter führt das Schreiben aus, dass keine freiwillige Zahlung erfolgt und die Vollstreckung im Wesentlichen erfolglos verlaufen sei. Die Zahlungen der Rückstände sei nur durch Zwangsmaßnahmen erreicht worden.</p>
<p><rd nr="4"/>Auf telefonische Nachfrage erklärte das Finanzamt Dingolfing am 14.05.2018, dass aktuell keine Steuerrückstände bestünden, Steuererklärungen seien aber nicht eingereicht worden.</p>
<p><rd nr="5"/>Mit Schreiben vom 18.05.2018 wurde der Antragstellerin im Rahmen einer Anhörung Gelegenheit gegeben, sich zum Sachstand zu äußern. Daraufhin sprach die Antragstellerin beim Landratsamt Dingolfing-Landau vor und erklärte, dass ein Steuerberater beauftragt werde, um die fehlenden Erklärungen anzufertigen und vorzulegen. Die Antragstellerin wurde aufgefordert, mit dem Finanzamt abzuklären, welche Erklärungen noch fehlen und einen Vorlagetermin zu vereinbaren.</p>
<p><rd nr="6"/>Mit Schreiben vom 11.07.2018 wurde der Antragstellerin letztmalig eine Frist bis 01.08.2018 gegeben, um die fehlenden Erklärungen dem Finanzamt Dingolfing vorzulegen und drohte für den Fall der Nichterfüllung den Widerruf der Gaststättenerlaubnis und die Anordnung der Schließung des Lokals an. Mit Schreiben vom 24.10.2018 teilte das Landratsamt Dingolfing-Landau der Antragstellerin mit, dass ihre Steuerrückstände derzeit (Stand 26.09.2018) 2309,43 € betragen würden und dass ein entsprechender Bescheid zum Widerruf der Gaststättenerlaubnis und Anordnung der Schließung des Lokals in Vorbereitung sei.</p>
<p><rd nr="7"/>Mit Schreiben vom 24.10.2018 teilte das Finanzamt Dingolfing mit, dass weder Umsatzsteuervoranmeldungen noch Umsatzsteuer- und Einkommenssteuerjahreserklärungen abgegeben worden seien und sich die momentanen Steuerrückstände auf 2.694,43 € belaufen.</p>
<p><rd nr="8"/>Mit Schreiben vom 05.11.2018 teilte die AOK Bayern mit, dass der Arbeitgeber … e.V. derzeit keine versicherungspflichtigen Arbeitnehmer gemeldet hat und deshalb keine Sozialversicherungsbeiträge anfallen. Mit Schreiben vom 06.11.2018 teilte die IHK Niederbayern mit, dass keine Beitrags- oder sonstigen Zahlungsrückstände bestehen und auch sonst keine Informationen vorhanden sind, die auf eine gewerberechtliche Unzuverlässigkeit der Antragstellerin schließen lassen.</p>
<p><rd nr="9"/>Mit Bescheid 14.11.2018 widerrief das Landratsamt Dingolfing-Landau die der Antragstellerin mit Bescheid vom 02.02.2015 erteilte Gaststättenerlaubnis (Ziffer 1). Weiterhin wurde der Antragstellerin für die Abwicklung der laufenden Geschäfte eine Frist bis zum 15.12.2018 eingeräumt. Nach Ablauf dieser Frist seien alle Tätigkeiten zu unterlassen, die den Betrieb einer Schank- und Speisewirtschaft darstellen und das Gewerbe sei bei der zuständigen Gemeinde abzumelden (Ziffer 2). Zudem wurde die sofortige Vollziehung der Ziffern 1 und 2 angeordnet (Ziffer 3). Für den Fall, dass der Gewerbebetrieb nicht innerhalb der vorgenannten Frist eingestellt und bei der Gemeinde abgemeldet wird, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 1000 € angedroht (Ziffer 4).</p>
<p><rd nr="10"/>Der Bescheid wurde der Antragstellerin laut Postzustellungsurkunde am 22.11.2018 zugestellt. Der Bescheid wurde im Wesentlichen mit der Nichterfüllung steuerlicher Mitwirkungspflichten ab Beginn der gewerblichen Tätigkeit der Antragstellerin begründet. Die Antragstellerin habe nachhaltig folgende Verpflichtungen vernachlässigt: Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen, Abgabe der Umsatzsteuererklärungen, Abgabe der Einkommenssteuererklärungen und Entrichtung der fällig gewordenen Steuern. Zahlungen seien jeweils nur im Wege von Vollstreckungen erfolgt, wobei diese teilweise auch erfolglos verlaufen seien. Die Hartnäckigkeit, mit der die Antragstellerin ihre steuerlichen Zahlungs- und Erklärungspflichten seit Aufnahme ihrer selbständigen gewerblichen Tätigkeit nicht erfülle, lasse darauf schließen, dass es ihr an dem für die Ausübung ihres Berufes erforderlichen Willen fehlt, die einer Gewerbetreibenden obliegenden öffentlich-rechtlichen Berufspflichten zu erfüllen.</p>
<p><rd nr="11"/>Mit Schriftsatz vom 19.12.2018, eingegangen bei Gericht am selben Tag, ließ die Antragstellerin Klage zum Verwaltungsgericht Regensburg erheben und begehrte zugleich einstweiligen Rechtsschutz.</p>
<p><rd nr="12"/>Zur Begründung trägt die Antragstellerin vor, dass es zwar zutreffend sei, dass eine gewisse Nachlässigkeit bei der Erstellung von Voranmeldungen und Steuererklärungen gegeben gewesen sei. Festzustellen sei jedoch, dass die Rückstände in Höhe von ca. 2300 € beim Finanzamt Dingolfing nicht sonderlich hoch seien. Dies liege insbesondere daran, dass das Finanzamt Vorauszahlungen und Nachzahlungen jeweils geschätzt habe und die auf Basis der Schätzung ermittelten Beträge jeweils beigetrieben worden seien. Weitere Verbindlichkeiten bestünden nicht. Insbesondere seien sämtliche Beiträge zur Berufsgenossenschaft bezahlt. Die Antragstellerin habe unmittelbar nach Erhalt des Bescheides eine Steuerkanzlei beauftragt, sämtliche rückständige Voranmeldungen und Steuererklärungen zu erstellen und beim Finanzamt Dingolfing einzureichen. Die Angelegenheit werde deshalb in steuerlicher Hinsicht zu Beginn des Jahres 2019 in geordneten Bahnen verlaufen. Bis dorthin werden auch offene Beträge weggefertigt werden. Es liege zudem keine Hartnäckigkeit der Antragstellerin vor, steuerlichen Verpflichtungen nicht nachzukommen. Vielmehr sei die Antragstellerin neben ihrer beruflichen Tätigkeit und neben der Tätigkeit im Vereinsheim … mit der Pflege des körperlich gebrechlichen und demenzkranken Vaters beschäftigt gewesen. Seit dem Jahr 2015 habe die Antragstellerin ihn pflegen müssen. Dieses Situation habe sich durch den Tod des Vaters am 14. April 2018 bereinigt. Die Mutter der Antragstellerin müsste ebenso gepflegt werden, es bestehe Pflegestufe zwei. Der Antragstellerin habe aber eingesehen, dass sie diese Pflegeleistungen nicht erbringen können wird und habe deshalb einen Pflegeheim Platz für die Mutter beantragt, der voraussichtlich im Januar 2019 zur Verfügung stehen wird. Bis dorthin will der Sohn der Antragstellerin die Pflege der Mutter übernehmen. Die Nachlässigkeit der Antragstellerin sei aufgrund temporärer Überlastung entstanden. Da die Belastungssituation beseitigt sei, könne die Antragstellerin ihren Verpflichtungen als Gewerbetreibende uneingeschränkt nachkommen. Die Antragstellerin ziehe einen wesentlichen Bestandteil des Unterhalts für beide Kinder aus der Tätigkeit in der Gastwirtschaft. Eine Untersagung der Tätigkeit im Vereinsheim sei deshalb existenzvernichtend. Die Antragstellerin habe sich ansonsten seit Beginn des Gewerbes am 31.07.2014 beanstandungsfrei verhalten, insbesondere die Gaststätte ohne jegliche gewerberechtliche Vergehen geführt. Vor diesem Hintergrund könne es verantwortet werden, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.</p>
<p><rd nr="13"/>Die Antragstellerin beantragt,</p>
<p>Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 14.11.2018 des Beklagten wird angeordnet.</p>
<p><rd nr="14"/>Der Antragsgegner beantragt,</p>
<p>den Antrag abzuweisen.</p>
<p><rd nr="15"/>Der Antragsgegner trägt vor, dass der Antragstellerin wiederholt rechtliches Gehör in schriftlicher Form gewährt worden sei. Die Antragstellerin habe sich trotz Fristsetzungen und wiederholten Fristverlängerungen bis heute in schriftlicher Form nicht geäußert und die mündlich zugesagten Vorlagetermine für die fehlenden Steuererklärungen bzw. Begleichung der offenen Steuern nicht eingehalten. Zusätzlich sei die Antragstellerin mit Schreiben vom 24.10.2018 vorsorglich auf den bevorstehenden Erlaubniswiderruf hingewiesen und aufgefordert worden, ihren Verpächter entsprechend zu unterrichten und keine Terminvereinbarungen für Weihnachtsfeiern, etc. zu treffen. Auch dieses Schreiben sei von der Antragstellerin unbeachtet geblieben. Sie habe weder ihren Verpächter über die bevorstehende Lokalschließung benachrichtigt, noch habe sie diese letzte Möglichkeit wahrgenommen, ihren Verpflichtungen nachzukommen und den Erlaubniswiderruf noch abzuwenden. Es stehe nachweislich fest, dass die Antragstellerin nicht nur vereinzelt Steuererklärungen nicht oder verspätet abgegeben habe, sondern konsequent seit Aufnahme der gewerblichen Tätigkeit am 01.07.2014 keine einzige Umsatzsteuervoranmeldung, keine Umsatzsteuererklärung und auch keine Einkommensteuererklärung abgegeben habe. Sämtliche Aufforderungen und Fristsetzungen des Finanzamts seien ignoriert worden. Letztendlich haben seit 01.07.2014 sämtliche Einnahmen der Antragstellerin geschätzt werden müssen. Ebenso wenig sei die Antragstellerin während des gesamten Zeitraumes ihren Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem Finanzamt nachgekommen. Es seien nie freiwillige Zahlungen erfolgt, die fälligen Steuern haben stets im Rahmen aufwändiger Vollstreckungsmaßnahmen beigetrieben werden müssen. Insofern müsse von einer hartnäckigen Verletzung der steuerlichen Zahlungs- und Mitwirkungspflicht gesprochen werden. Dieses Verhalten könne nicht mehr nur als „gewisse Nachlässigkeit“ eingestuft werden. In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass die dauernde Verletzung steuerrechtlicher Verpflichtungen die Unzuverlässigkeit nach § 35 Gewerbeordnung begründe. Die Entrichtung von Steuern gehöre ebenso wie die Abgabe von Steuererklärungen zu den vordringlichsten Pflicht eines jeden selbständigen Gewerbetreibenden. Von besonderer Bedeutung sei hierbei, dass es sich bei den Rückständen von der Antragstellerin auch um nicht abgeführte Umsatzsteuer handele. Die Nichtabführung der offen ausgewiesenen und für den Staat vereinnahmten Umsatzsteuer wiege besonders schwer, denn hierbei handele es sich um Beiträge, die treuhänderisch nur bis zum jeweiligen Fälligkeitstermin einbehalten und nicht für andere Zwecke verwendet werden dürfen. Öffentliche Vermögensträger seien auf den pünktlichen Eingang der Beiträge und Steuern angewiesen, um den ihnen vom Gesetz zugewiesenen Aufgaben und Verpflichtungen gegenüber der Allgemeinheit genügen zu können. Sie können nicht darauf verwiesen werden, ihre Forderungen ständig im Wege meist langwieriger Vollstreckungsmaßnahmen beizutreiben, wobei jedes Mal ungewiss sei, ob die Beitreibungsmaßnahmen zum Erfolg führen werden. Die mangelnde Bereitschaft zur ordnungsgemäßen Betriebsführung zeige sich weiter schon zu Beginn der gewerblichen Tätigkeit der Antragstellerin, als diese den Betrieb des Lokales erst am 24.07.2014 rückwirkend zum 01.07.2014 bei der Stadt Dingolfing angemeldet habe und der dortigen Aufforderung zur unverzüglichen Beantragung der Gaststättenerlaubnis nicht nachgekommen sei. Dies sei erst nach Einleitung eines Bußgeldverfahrens am 31.07.2014 geschehen. Von einem zuverlässigen Gewerbetreibenden werde aber erwartet, dass er sich rechtzeitig vor Beginn einer gewerblichen Tätigkeit um die erforderlichen Anmeldungen und Erlaubnisse kümmere. Zwar habe es sich zum Zeitpunkt des Erlaubniswiderrufs um einen vergleichsweise niedrigen offenen Betrag von ca. 2300 € gehandelt. Jedoch habe dieser Betrag immer je nach Stand der jeweils erforderlichen Schätzungen und Erfolg der Vollstreckungsmaßnahmen durch das Finanzamt erheblich geschwankt und sei zwischendurch auch höher gelegen. Mittlerweile sei der Betrag wieder auf 3000 € angewachsen, nachdem zwischenzeitlich weitere Vollstreckungen durchgeführt worden seien, gleichzeitig jedoch die Umsatzsteuer für das 4. Quartal 2018 fällig geworden sei. In diesem Zusammenhang stelle sich zudem die Frage, warum die Antragstellerin diesen „niedrigen Betrag“ nicht zumindest bei Einleitung des Widerrufsverfahrens freiwillig beglichen habe, um den drohenden Erlaubniswiderruf noch abzuwenden. Genauso wenig erkläre sich, warum die für Jahresbeginn 2019 angekündigte Zahlung des Steuerrückstandes bislang immer noch nicht erfolgt sei, zumal das Lokal seit 15.12.2018 geschlossen sei und die Antragstellerin auch die Pflege ihrer Mutter dem Sohn übertragen habe. Damit sollte sie so viel zeitlichen Spielraum gewonnen haben, um sich um ihre steuerlichen Verpflichtungen zu kümmern und zumindest eine Überweisung tätigen zu können. Laut Auskunft des Finanzamts habe sich die Antragstellerin oder das Steuerbüro jedoch bis dato noch nicht einmal mit dem Finanzamt in Verbindung gesetzt, um die Höhe des aktuellen Rückstandes zumindest zu erfragen. Allein dieses Verhalten zeige, dass die Antragstellerin an der Entrichtung der offenen Steuerbeträge und künftig ordnungsgemäßen Betriebsführung nicht ernsthaft interessiert sei. Gerade im Hinblick auf das anhängige Klageverfahren wäre ein kooperativeres Verhalten von der Antragstellerin spätestens jetzt zu erwarten gewesen. Allein aufgrund dieser Tatsachen könne die Aufhebung des Sofortvollzugs nicht befürwortet werden, da sich bereits jetzt deutlich abzeichne, dass die Antragstellerin auch weiterhin nicht ernsthaft bemüht sei, ihren steuerlichen Verpflichtungen nachzukommen und diese bei einem eventuellen Weiterbetrieb wie bisher vernachlässigen wird. Inwieweit die Antragstellerin mit der Pflege ihres Vaters tatsächlich belastet gewesen sei, vermöge von Antragsgegnerseite nicht beurteilt werden, erscheine aber in diesem Zusammenhang auch nicht relevant. Denn es erkläre nicht, warum die Antragstellerin keinen Steuerberater mit der Wahrnehmung der steuerlichen Verpflichtungen zur eigenen Entlastung beauftragt habe und auch keine freiwilligen Zahlungen an das Finanzamt geleistet habe. Trotz der genannten Überlastung habe die Antragstellerin schließlich alle übrigen Zahlungen offenbar leisten können, nachdem laut des Bevollmächtigten der Antragstellerin keine weiteren offenen Forderungen bestehen sollen. In der Rechtsprechung sei zudem anerkannt, dass selbst von einem Gewerbetreibenden nicht zu vertretende Umstände diesen nicht von seinen gesetzlichen Verpflichtungen, wozu auch die steuerlichen Verpflichtungen eines Gewerbetreibenden gehören, befreien. Die Tatsache, dass der Betrieb des Vereinslokals für die Antragstellerin von existenzieller Bedeutung sei, sei bei der Beurteilung der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit nachrangig. Vielmehr stelle sich die Frage, warum die Antragstellerin trotz der existenziellen Bedeutung des Lokales ihre steuerlichen Verpflichtungen so nachhaltig verletzt habe. Der Behauptung, die Antragstellerin habe den Gewerbebetrieb beanstandungsfrei geführt, widerspreche allein schon die Tatsache, dass sie seit Betriebsbeginn ihren steuerlichen Verpflichtungen nicht nachgekommen sei und somit grundlegende unternehmerische Verpflichtungen grob vernachlässigt habe.</p>
<p><rd nr="16"/>Nach gerichtlicher Anfrage teilte der Antragsgegner mit Schreiben vom 17.01.2019 mit, dass Anfang Januar 2019 die Umsatzsteuer für das 4. Quartal 2018 fällig gewesen sei und sich die Rückstände dadurch aktuell auf rund 3.000 € erhöht haben. Eine von der Antragstellerin angekündigte Zahlung sei bislang nicht erfolgt. Seit der Zustellung des Erlaubniswiderrufs habe sich weder die Antragstellerin noch ihr Steuerberater mit dem Finanzamt bezüglich der aktuellen Rückstandshöhe und evtl. Zahlungsvereinbarungen in Verbindung gesetzt. Die Kontaktaufnahme mit der Antragstellerin habe jeweils über Außendienstmitarbeiter des Finanzamtes erfolgen müssen, Zahlungen seien grundsätzlich nur über den Vollstreckungsbeamten des Finanzamtes in Form von Pfändungen erfolgt, wobei die Antragstellerin jeweils schwer anzutreffen gewesen sei und damit mehrere Ortstermine erforderlich gewesen seien. Deshalb seien viele der Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos verlaufen. Mit E-Mail vom 17.01.2019 teilte der Antragsgegner zudem mit, dass die erste Vollstreckungsmaßnahme gegen die Antragstellerin am 26.11.2015 eingeleitet worden sei. Nachdem insgesamt fünf Vollstreckungsmaßnahmen durch den Vollziehungsbeamten des Finanzamtes erfolglos verlaufen seien, sei man zu Lohn- und Kontopfändungen übergegangen, wobei immer wieder Beträge in unterschiedlicher Höhe gepfändet werden konnten. Zudem habe im April 2018 eine Durchsuchung der Wohnräume stattgefunden, wobei allerdings keine verwertbaren Gegenstände vorgefunden worden seien.</p>
<p><rd nr="17"/>Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der vorgelegten Behörden- und der Gerichtsakten Bezug genommen.</p>
<p>II.</p>
<p><rd nr="18"/>Der zulässige Antrag hat Erfolg.</p>
<p><rd nr="19"/>Gemäß <verweis.norm>§ 80 Abs. 5 <v.abk ersatz="VwGO">VwGO</v.abk></verweis.norm> kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen einen für sofort vollziehbar erklärten Verwaltungsakt auf Antrag eines Betroffenen ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. anordnen. Ein solcher Antrag ist begründet, wenn das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts gegenüber dem privaten Interesse des Antragstellers, die Vollziehung bis zu einer Entscheidung über seinen Rechtsbehelf hinauszuschieben, nicht überwiegt. Im Rahmen dieser Abwägung kommt den Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsbehelfs, wie sie sich aufgrund der im Eilverfahren gebotenen und auch nur möglichen summarischen Prüfung der Aktenlage darstellen, maßgebliches Gewicht zu, soweit ein Obsiegen eines der Beteiligten wahrscheinlicher ist als sein Unterliegen. Dem Antrag ist daher statt zu geben, wenn der Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist. Denn an der sofortigen Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes kann kein vorrangiges öffentliches Interesse bestehen. Umgekehrt ist der Rechtsschutzantrag abzulehnen, wenn der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig und seine Vollziehung eilbedürftig ist.</p>
<p><rd nr="20"/>Vorliegend müssen die Erfolgsaussichten der Klage bei summarischer Prüfung sowohl hinsichtlich des Widerrufs der Gaststättenerlaubnis nach <verweis.norm>§ 15 Abs. 2 <v.abk ersatz="GastG">GastG</v.abk></verweis.norm> als auch - davon abhängig - der Untersagung gemäß <verweis.norm>§ 31 <v.abk ersatz="GastG">GastG</v.abk></verweis.norm> i.Vm. <verweis.norm>§ 15 Abs. 2 <v.abk ersatz="GewO">GewO</v.abk></verweis.norm> als offen angesehen werden. Die vor diesem Hintergrund vorzunehmende Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts gegenüber dem privaten Interesse der Antragstellerin, die Vollziehung bis zu einer Entscheidung über ihren Rechtsbehelf in der Hauptsache hinauszuschieben, geht - insbesondere unter Beachtung der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG - zu Lasten des Antragsgegners aus.</p>
<p><rd nr="21"/>1. Zu beachten ist vorliegend, dass die Höhe der Steuerschulden im entscheidungserheblichen Zeitpunkt (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 13. März 1973 - I C 36.71 -, BVerwGE 42, 68-71 RN. 25) des Bescheidserlasses am 14.11.2018 mit 2694,43 € sowohl ihrer absoluten Höhe nach als auch im Verhältnis zur Gesamtbelastung der Antragstellerin als noch nicht so erheblich angesehen werden kann, um die Annahme einer gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit allein aufgrund der Höhe Steuerschuld rechtfertigen zu können. Weitere Zahlungsrückstände etwa bei der AOK Bayern oder bei der IHK Niederbayern bestanden nicht.</p>
<p><rd nr="22"/>Zwar kann auch allein die Nichtabgabe von Steuererklärungen bereits für sich eine gewerberechtliche Unzuverlässigkeit begründen, jedoch nur, wenn die Erklärungen trotz Erinnerung hartnäckig über längere Zeit nicht abgegeben werden (vgl. BayVGH, Beschluss vom 05. Oktober 2018 - 22 CS 18.1795 -, Rn. 21, juris). Dies bedarf der näheren Klärung im Hauptsacheverfahren, insbesondere stellt sich diesbezüglich die Frage, ob und wenn ja, wie oft das Finanzamt die Antragstellerin zur Abgabe der Steuererklärungen aufgefordert hat und ob ggf. bereits Zwangsmaßnahmen wegen der Nichtabgabe der Steuererklärungen gegen die Antragstellerin verhängt worden sind.</p>
<p><rd nr="23"/>2. Unabhängig von der Frage der Erfolgsaussichten der Hauptsache und damit der Rechtmäßigkeit des Widerrufsbescheids setzt die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Widerrufs der Gaststättenerlaubnis nach <verweis.norm>§ 15 Abs. 2 <v.abk ersatz="GastG">GastG</v.abk></verweis.norm> sowie der Untersagung gem. <verweis.norm>§ 31 <v.abk ersatz="GastG">GastG</v.abk></verweis.norm> i.Vm. <verweis.norm>§ 15 Abs. 2 <v.abk ersatz="GewO">GewO</v.abk></verweis.norm> im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG zudem voraus, dass eine weitere Berufstätigkeit während der Dauer des Rechtsstreits konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter befürchten lässt (BayVGH, B.v. 28.04.2014 - 22 CS 14.182 -, Rn. 19, juris; BayVGH, B.v. 3.5.2013 - 22 CS 13.594 - juris, m.w.N.; BVerfG, B.v. 12.8.2003 - 1 BvR 1594/03 - NJW 2003, 3617).</p>
<p><rd nr="24"/>Hierzu ist zwar auch die Erfüllung wesentlicher steuerlicher und sozialversicherungsrechtlicher Pflichten zu rechnen (vgl. BayVGH, B.v. 25.11.2009 - 22 CS 09.2360 -, Rn. 6, juris). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof betonte in seiner Entscheidung vom 05.10.2018 (Az.: 22 CS 18.1795, Rn. 24, juris) jedoch nochmals ausdrücklich den Ausnahmecharakter der Anordnung der sofortigen Vollziehung und bejahte eine solche „konkrete Gefahr für wichtige Gemeinschaftsgüter“ dann, wenn sich der Schuldenstand binnen weniger Monaten sehr deutlich erhöht hat; im konkreten Fall ging es um eine anfängliche Steuerschuld in Höhe von 38.640,30 €, die sich innerhalb eines halben Jahres auf 58.469,29 € und damit um fast 20.000 € erhöht hat. Hierzu führt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof wie folgt aus:</p>
<p>„In einer solchen Konstellation erscheint es ausnahmsweise gerechtfertigt, die weitere Ausübung des Gaststättengewerbes bereits während des laufenden Hauptsacheverfahrens zu unterbinden, um voraussichtliche massive Zahlungsausfälle bei öffentlich-rechtlichen Gläubigern abzuwenden.“</p>
<p><rd nr="25"/>Eine „solche Konstellation“ ist vorliegend jedoch nicht gegeben. Zum Zeitpunkt der erstmaligen Mitteilung des Finanzamtes Dingolfing vom 05.04.2018 bestanden gar keine Steuerrückstände der Antragstellerin. Im September 2018 betrugen die Zahlungsrückstände der Antragstellerin 2309,43 €, im Oktober 2018 2694,43 €. Nachdem zwischenzeitlich wohl weitere Vollstreckungen durchgeführt wurden, jedoch gleichzeitig die Umsatzsteuer für das 4. Quartal fällig wurde, beläuft sich die Steuerschuld der Antragstellerin derzeit auf ca. 3.000 €. Der vorliegende Fall weicht damit sowohl in der absoluten Höhe der Steuerschuld als auch in der Spanne der Erhöhung deutlich von dem soeben zitieren Fall ab.</p>
<p><rd nr="26"/>Darüber hinaus konnten durch Lohn- und Kontopfändungen in der Vergangenheit, zuletzt augenscheinlich auch nach Erlass des Bescheides Ende 2018, immer wieder Geldbeträge von der Antragstellerin zur (zumindest teilweisen) Begleichung der Steuerschuld eingezogen werden. Dies kann der Antragstellerin zwar nicht im Rahmen der (Un-)Zuverlässigkeitsprognose zugutekommen, da von einem zuverlässigen Gewerbetreibenden erwartet werden kann und muss, dass er seine Steuerforderungen freiwillig begleicht. Die jedoch zumindest zum Teil erfolgreich verlaufenden Lohn- und Kontopfändungen tragen aber - neben der eher geringen Höhe der Steuerschulden und deren bereits dargestellten Entwicklung - dazu bei, dass eine konkrete Gefahr im Hinblick auf „voraussichtliche massive Zahlungsausfälle bei öffentlich-rechtlichen Gläubigern“ wie in dem vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof entschiedenen Fall vorliegend nicht angenommen werden kann.</p>
<p><rd nr="27"/>Eine „konkrete Gefahr für wichtige Gemeinschaftsgüter“ kann sich vorliegend auch nicht allein aus der Nichtabgabe von Steuervoranmeldungen und Steuererklärungen mit der Folge der Schätzung der Besteuerungsgrundlagen nach § 162 AO ergeben, da es in diesen Fällen in der Regel ermessensgerecht ist, wenn sich das Finanzamt bei steuererhöhenden Besteuerungsgrundlagen an der oberen, bei steuermindernden Besteuerungsgrundlagen an der unteren Grenze des Schätzungsrahmens ausrichtet (vgl. BFH, Urt. v. 18.12.1984 - VIII R 195/82, BStBl II 1986, 226; v. 20.12.2000 - I R 50/00, BStBl II 2001, 381). Zwar dürfen vom Finanzamt keine „Strafschätzungen“ durchgeführt werden, in aller Regel wird die im Rahmen einer Schätzung nach § 162 AO festgesetzte Steuerschuld bei Anwendung des soeben genannten Ermessensspielraums aber zumindest nicht geringer sein als die nach Abgabe von Steuererklärungen ermittelte tatsächliche Steuerschuld.</p>
<p><rd nr="28"/>Da nach alledem im vorliegenden Fall keine „konkrete Gefahr für wichtige Gemeinschaftsgüter“ im Sinne der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof angenommen werden kann, gebietet jedenfalls die Berufsfreiheit der Antragstellerin aus Art. 12 Abs. 1 GG die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die Ziffern 1. und 2. des Bescheids des Antragsgegners vom 14.11.2018.</p>
<p><rd nr="29"/>3. Da damit seitens des Gericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Grundverwaltungsakt wiederhergestellt wird, fehlt die Vollstreckungsvoraussetzung des <verweis.norm>Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 <v.abk ersatz="VwZVG">VwZVG</v.abk></verweis.norm>, sodass die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die kraft Gesetzes nach <verweis.norm>Art. 21a Satz 1 <v.abk ersatz="VwZVG">VwZVG</v.abk></verweis.norm> sofort vollziehbare Androhung des Zwangsgelds in Ziffer 4. des Bescheids anzuordnen war.</p>
<p><rd nr="30"/>4. Die Kostenentscheidung beruht auf <verweis.norm>§ 154 Abs. 1 <v.abk ersatz="VwGO">VwGO</v.abk></verweis.norm>, da der Antragsgegner unterlegen ist.</p>
<p><rd nr="31"/>5. Die Streitwertfestsetzung folgt aus den <verweis.norm>§§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 <v.abk ersatz="GKG">GKG</v.abk></verweis.norm> i.V.m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013, dessen Empfehlungen die Kammer folgt. Nach Nr. 54.2.1 beträgt der Streitwert 15.000 Euro. Im Eilverfahren war dieser Streitwert nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs zu halbieren.</p>
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|
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180,226 | lsgrlp-2019-01-21-l-5-ka-3518-nzb | {
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<!--hlIgnoreOn-->Tenor<!--hlIgnoreOff-->
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<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Auf die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung wird die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mainz vom 12.04.2018 zugelassen.</p></dd>
</dl>
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<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>I.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_1">1</a></dt>
<dd><p>Streitig ist ein Arzneimittelregress in Höhe von (iHv) 340,89 € betreffend die Quartale II/2012 bis III/2013.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_2">2</a></dt>
<dd><p>Der Kläger nimmt als Arzt für Allgemeinmedizin in B an der vertragsärztlichen Versorgung im Bezirk der Beigeladenen zu 1 teil. Ua in den streitgegenständlichen Quartalen verordnete er dem bei der Beigeladenen zu 2 gesetzlich krankenversicherten, 1939 geborenen, L M (im Folgenden: Versicherter) mehrfach das seinerzeit fiktiv zugelassene verschreibungspflichtige Arzneimittel Pentalong 80 mg Tabletten zu Lasten der Beigeladenen zu 2.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_3">3</a></dt>
<dd><p>Auf Antrag der Beigeladenen zu 2 vom 23.07.2014 setzte die Beklagte nach Anhörung des Klägers mit Bescheid vom 23.11.2015 hinsichtlich der Verordnungen von Pentalong 80 mg Tabletten gegenüber dem Versicherten in den Quartalen II/2012 bis III/2013 einen Regress iHv insgesamt 340,89 € (netto) gegen den Kläger fest. Ein solcher sei vorliegend nicht aufgrund von § 16 Abs 4 Prüfvereinbarung ausgeschlossen. Zwar lägen die sich nach Rezeptaddition ergebenden Nettobeträge je Quartal unterhalb der festgelegten Geringfügigkeitsgrenze (vgl im Einzelnen die Darstellung der dem Regress zu Grunde liegenden Verordnungen und der Regresshöhe in den einzelnen Quartalen auf Seite 12 f des Bescheides vom 23.11.2015 – Bl 25 f VerwA der Beklagten). Die Beigeladene zu 2 habe sich in ihrem Prüfantrag aber auf das Vorliegen einer grundsätzlichen Bedeutung berufen und diesbezüglich ausgeführt, dass alle Vertragsärzte über die fehlende Verordnungsfähigkeit von Pentalong informiert worden seien. Gemäß § 16 Abs 4 Prüfvereinbarung schließe die Geringfügigkeitsgrenze Anträge in Fällen von grundsätzlicher Bedeutung nicht aus. Der Begriff der grundsätzlichen Bedeutung werde in der Prüfvereinbarung selbst nicht definiert, so dass die Bedeutung des Begriffes durch Auslegung zu ermitteln sei. Im Rahmen einer solchen Auslegung ergebe sich ua im Hinblick auf die Bedeutung des Begriffs innerhalb des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), dass Fälle, die zur Sicherung der Rechtsordnung und einer einheitlichen Spruchpraxis einer Entscheidung bedürften, von grundsätzlicher Bedeutung seien. Vorliegend habe die Beigeladene zu 1 am 02.03.2012 auf ihrer Internetseite den Hinweis veröffentlicht, dass es sich bei dem hier prüfrelevanten Präparat um ein fiktiv zugelassenes Arzneimittel handele und dass dieses nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnungsfähig sei. Auch die Arbeitsgruppe Zielvereinbarung Rheinland-Pfalz habe ein entsprechendes Schreiben mit Stand 01.08.2012 an alle Ärzte in Rheinland-Pfalz versandt. Das Präparat sei trotz der klaren Rechtslage und der zusätzlich erfolgten Informationen von einer größeren Zahl der Ärzte in Rheinland-Pfalz über mehrere Quartale hinweg weiter verordnet worden. Das vorliegende Verfahren sei eines der auf Antrag der Beigeladenen zu 2 eingeleiteten über 400 Prüfverfahren, die einer einheitlichen Entscheidung bedürften. Somit liege eine Besonderheit vor mit der Folge, dass die Unterschreitung der Geringfügigkeitsgrenze der Durchführung der Prüfung nicht entgegenstehe. Zur Begründung in der Sache sei anzuführen, dass das Präparat Pentalong 80 mg Tabletten nicht im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung habe verordnet werden dürfen, so dass weder eine Leistungspflicht der Krankenkassen noch ein Versorgungsanspruch der Versicherten bestanden habe. Pentalong 80 mg Tabletten seien zum Verordnungszeitpunkt nur fiktiv zugelassen gewesen; die fiktive Zulassung genüge aber nicht den Anforderungen, die vorliegen müssten, um eine Verordnungsfähigkeit zu begründen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) folge aus der arzneimittelrechtlichen Zulassung eines Arzneimittels, sofern hierbei dessen Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit geprüft worden sei, zugleich die Verordnungsfähigkeit im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung. Für eine solche Schlussfolgerung von der arzneimittelrechtlichen Zulassung auf die Verordnungsfähigkeit fehle aber dann die Grundlage, wenn der Zulassung keine – oder eine strukturell nur unzureichende – Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit zu Grunde gelegen habe (Hinweis auf BSG, Urteil vom 05.11.2008 – B 6 KA 63/07 R). Bei Pentalong 80 mg Tabletten sei eine solche Zulassungssituation gegeben. Spätestens mit Vorliegen des Versagungsbescheides des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vom 24.12.2005 sei Pentalong 80 mg Tabletten nicht mehr verordnungsfähig im Sinne des (iSd) Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) gewesen und habe dementsprechend nicht verordnet werden dürfen. Fehle die Verordnungsfähigkeit, sei Unwirtschaftlichkeit zu bejahen. Vorliegend sei auch kein Fall gegeben, in welchem ausnahmsweise die Verordnung unter Zugrundelegung der seitens des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) in seinem Beschluss vom 06.12.2005 (1 BvR 347/98) – und nunmehr in § 2 Abs 1a SGB V normierten – genannten Voraussetzungen zulässig und geboten sei. Es fehle an einem entsprechenden Krankheitsbild. Darüber hinaus könne sich der Vertragsarzt auch nicht darauf berufen, von der fiktiven Zulassung keine Kenntnis gehabt zu haben. Das BSG habe in mehreren Entscheidungen (Hinweis zB auf Urteil vom 05.11.2008 – B 6 KA 63/07 R – mit weiteren Nachweisen <mwN>) eindeutig festgehalten, dass ein Verschuldenserfordernis im Rahmen von Verordnungsregressen gemäß § 106 SGB V nicht bestehe. Daher sei es rechtlich ohne Bedeutung, ob ein Vertragsarzt auf die Verordnungsfähigkeit des Präparates vertraut und die Verordnung gutgläubig vorgenommen habe. Des Weiteren habe die Beigeladene zu 1 am 02.03.2012 den bereits erwähnten Hinweis auf ihrer Internetseite veröffentlicht und auch die Arbeitsgruppe Zielvereinbarung Rheinland-Pfalz habe das bereits erwähnte Schreiben mit Stand 01.08.2012 an alle Ärzte in Rheinland-Pfalz versandt. Ferner greife auch nicht das Argument, dass die Erstverordnung von Pentalong auf Empfehlung der Fachklinik (Kardiologische Abteilung der St. V.-Kliniken K.) vorgenommen worden sei. Diesbezüglich werde darauf hingewiesen, dass allein der ausstellende Arzt die Verantwortung für seine Verordnungen trage. Individuelle Therapieversuche mit nicht verordnungsfähigen Arzneimitteln seien nicht zulässig. Vorliegend habe auch nicht das Erfordernis einer vorhergehenden Beratung bestanden. Nach der Rechtsprechung des BSG stelle das Tätigen unzulässiger Verordnungen einen sog Basismangel dar, bei welchem unzweifelhaft Unwirtschaftlichkeit gegeben und daher eine vorgängige Beratung nicht mehr erforderlich sei (Hinweis auf ua Urteil vom 18.08.2010 – B 6 KA 14/09 R). Abschließend werde auf eine Entscheidung des Sozialgerichts (SG) Berlin vom 19.11.2014 (S 22 KA 314/13) hingewiesen, nach welcher die Verordnung des fiktiv zugelassenen Präparates Pentalong 80 mg Tabletten unwirtschaftlich sei.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_4">4</a></dt>
<dd><p>Am 15.12.2015 hat der Kläger Klage vor dem SG Mainz erhoben. Soweit auf ein angeblich im April 2012 zugestelltes Informationsschreiben hingewiesen worden sei, sei fraglich, wie dies „hellseherisch“ auf den Sachstand vom 01.08.2012 habe Bezug nehmen können. Würden die Bearbeitungszeiten der Beigeladenen zu 1 und die Tatsache berücksichtigt, dass Sachstände zu einem bestimmten Zeitpunkt erst Monate später ermittelt würden, könne das regressbegründende Rundschreiben frühestens im Folgejahr, also im April 2013, zugestellt worden sein. Dementsprechend sei in seinem Fall allenfalls noch für die Quartale II/2013 und III/2013 ein Regress iHv insgesamt 103,16 € (34,39 € + 68,77 €) relevant. Da somit ein Betrag von 100,- € je Arzt und Kalendervierteljahr nicht überstiegen werde, sei die Prüfung der Wirtschaftlichkeit unzulässig. Pentalong zähle auch nicht zu seinem Verordnungsspektrum, sondern sei nur im Falle eines einzigen schwerstherzkranken Patienten auf Empfehlung der kardiologischen Abteilung des Städtischen Krankenhauses K. verordnet worden. Dass gerade dieser Fall - im Widerspruch zu allen beteiligten kardiologischen Fachärzten - nicht mit dem Beschluss des BVerfG vom 06.12.2005 in Einklang gebracht worden sei, belege eine „disqualifizierende, medizinisch-fachliche Inkompetenz“.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_5">5</a></dt>
<dd><p>Durch Gerichtsbescheid vom 12.04.2018 hat das SG Mainz den Bescheid der Beklagten vom 23.11.2015 aufgehoben und die Klage im Übrigen – soweit der Kläger begehrte „wegen der grundsätzlichen Bedeutung zur Sicherung der Rechtsordnung und einer einheitlichen Spruchpraxis die Beklagten anzuweisen, alle derzeit noch laufenden und bereits abgeschlossenen Verfahren in dieser Sache entsprechend aufzuheben und zu korrigieren“ - abgewiesen. Die gegen den Prüfbescheid vom 23.11.2015 gerichtete Anfechtungsklage im Sinne von (iSv) § 54 Abs 1 SGG sei zulässig und begründet. Der Prüfbescheid vom 23.11.2015 sei rechtswidrig und verletze den Kläger in eigenen Rechten. Zwar sei eine Wirtschaftlichkeitsprüfung als Einzelfallprüfung gemäß § 106 SGB V in der seinerzeit geltenden Fassung in Verbindung mit (iVm) § 10 Abs 2 Prüfvereinbarung zulässig. Vorliegend sei jedoch die Wirtschaftlichkeitsprüfung auf Grund Geringfügigkeit des Regresses iSd § 16 Abs 4 Prüfvereinbarung ausgeschlossen, da der Wert der Verordnung in keinem der geprüften Quartale den Betrag von 100,- € überschritten habe. Die in § 16 Abs 4 letzter HS Prüfvereinbarung geregelte Rückausnahme greife vorliegend nicht ein. Danach seien auch Regresse unterhalb der Geringfügigkeitsgrenze von 100,- € pro Quartal zulässig, wenn „Anträge in Fällen von grundsätzlicher Bedeutung“ gegeben seien. Die vorliegende Konstellation entspreche nicht dem Begriff der „grundsätzlichen Bedeutung“. Was unter dem Begriff der „Fälle von grundsätzlicher Bedeutung“ zu verstehen sei, ergebe sich aus der hier anzuwendenden Vorschrift des § 16 Abs 4 Prüfvereinbarung selbst nicht. Die Regelung sei daher auslegungsbedürftig. Obwohl der Begriff in einer Vereinbarung, dh in einem Vertrag erscheine, handele es sich aber bei § 16 Abs 4 Prüfvereinbarung von seiner Qualität her um eine für die Beteiligten bindende Norm. Daher gälten für die Auslegung nicht die Grundsätze der Vertragsauslegung, sondern es seien die Auslegungsgrundsätze für Rechtsnormen heranzuziehen. Diese Auslegungsmethoden beinhalteten die sprachlich/grammatikalische Auslegung (Wortlaut der Norm), die systematische Auslegung (Bedeutungszusammenhang der Norm), die historische Auslegung (Entstehungsgeschichte der Norm) und die teleologische Auslegung (Gesamtzweck der Norm, ratio legis). Die Auslegung finde stets ihre Grenzen am objektivierten, im Wortlaut der Norm zum Ausdruck gebrachten Willen des Normgebers (Hinweis auf Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Auflage, vor § 1 Rn 40 ff). Ausgehend hiervon sei der Begriff der „Fälle von grundsätzlicher Bedeutung“, auch unter Berücksichtigung des Prinzips der Einheitlichkeit der Rechtsordnung und unter Berücksichtigung, dass der Begriff zB im Prozessrecht (Hinweis auf § 144 Abs 2 Nr 1, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) eine bestimmte Bedeutung habe, dahingehend zu definieren, dass eine grundsätzliche Bedeutung nur vorliege, wenn eine Rechtsfrage klärungsbedürftig sei. Eine solche Konstellation liege hier schon deshalb nicht vor, weil die Frage der Verordnungsfähigkeit von Pentalong zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung längst im negativen Sinne entschieden sei. Die Beigeladene zu 2 verfolge mit ihrem Prüfantrag einen ganz anderen Zweck als die Klärung der Verordnungsfähigkeit von Pentalong. Sinn der hier streitgegenständlichen Prüfung solle sein, diejenigen Vertragsärzte zu regressieren, die (fortgesetzt und massenhaft) gegen das Verbot der Verordnung nicht verschreibungsfähiger Medikamente zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verstoßen hätten. Diese Konstellation unter § 16 Abs 4 Prüfvereinbarung zu subsumieren, sei allenfalls noch unter dem Gesichtspunkt einer teleologischen Auslegung vertretbar. Der durch den Wortlaut des Begriffs „Fälle von grundsätzlicher Bedeutung“ zum Ausdruck gebrachte objektivierte Wille des Normgebers würde jedoch durch eine solche Auslegung verfehlt. Wollten die gesetzlichen Krankenversicherungen eine Regressmöglichkeit für Fälle schaffen, in denen Vertragsärzte (fortgesetzt und massenhaft) nicht verschreibungsfähige Medikamente unterhalb der Bagatellgrenze verordnen, hätte dies im Wortlaut der Prüfungsvorschrift einen klaren und eindeutigen Ausdruck finden müssen, zumal es sich dann auch um einen Eingriffstatbestand handele. Da dies nicht der Fall sei, könne die Rückausnahmevorschrift des § 16 Abs 4 letzter HS Prüfvereinbarung vorliegend keine Anwendung finden. Die Wirtschaftlichkeitsprüfung sei dementsprechend vorliegend auf Grund der Vorschrift über die Geringfügigkeitsgrenze in § 16 Abs 4 Prüfvereinbarung ausgeschlossen. Im Hinblick auf das übrigen Begehren des Klägers sei die Klage, was in dem Urteil näher dargelegt wird, unzulässig und daher abzuweisen. Der Gerichtsbescheid war mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen, wonach er mit der Berufung angefochten werden kann.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_6">6</a></dt>
<dd><p>Gegen diesen ihr am 17.04.2018 zugestellten Gerichtsbescheid hat (nur) die Beklagte zunächst am 09.05.2018 „Berufung“ eingelegt. Nach einem Hinweis des Senats mit Schreiben vom 24.07.2018, dass der Beschwerdewert iSv § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG nicht erreicht sei, hat die Beklagte mit am 20.08.2018 bei dem Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz eingegangenen Schreiben vom 17.08.2018 ausgeführt, dass der Gerichtsbescheid mit einem sachdienlichen Rechtsmittel habe angefochten werden sollen. Da das angefochtene „Urteil“ (gemeint: Gerichtsbescheid) in seiner Rechtsmittelbelehrung hierfür die Berufung vorgesehen habe, habe sie, die Beklagte, einen Anfechtungsschriftsatz mit dem Wortlaut „Berufung“ verfasst. Entsprechend des Hinweises des Senats werde dies nunmehr korrigiert und Nichtzulassungsbeschwerde erhoben; die Berufung wurde mit Schreiben vom 27.08.2018 zurückgenommen. Es sei der Beschwerdegrund der Divergenz iSv § 144 Abs 2 Nr 2 SGG gegeben, da das „Urteil“ (gemeint: Gerichtsbescheid) des SG Mainz von einer Entscheidung des LSG Rheinland-Pfalz abweiche. Das SG Mainz habe in seinem Gerichtsbescheid ausgeführt, dass der Begriff der grundsätzlichen Bedeutung unter Beachtung des Prinzips der Einheitlichkeit der Rechtsordnung und unter Berücksichtigung, dass der Begriff zB im Prozessrecht eine bestimmte Bedeutung habe, dahingehend zu definieren sei, dass eine grundsätzliche Bedeutung nur vorliege, wenn eine Rechtsfrage klärungsbedürftig sei. Diese Frage habe das SG Mainz sodann für den vorliegenden Fall verneint. Die Feststellungen des SG Mainz, auf denen der Gerichtsbescheid auch beruhe, stünden jedoch im Widerspruch zu der Entscheidung des LSG Rheinland-Pfalz vom 24.05.2018 (L 5 KA 40/17). Dieses Verfahren habe die gleiche rechtliche Problematik betroffen. Dabei habe der Senat – wie in dem Schriftsatz zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde wörtlich wiedergegeben wird - festgehalten, dass bei der Auslegung des Begriffs der grundsätzlichen Bedeutung iSv § 16 Abs 4 Prüfvereinbarung nicht auf die Bedeutung des Begriffes im prozessrechtlichen Sinne zurückzugreifen, sondern vielmehr auf dessen verwaltungsrechtlichen Zusammenhang abzustellen sei; es stünden Aspekte der Vereinfachung des Verwaltungsverfahrens im Vordergrund. Danach solle durch die Geringfügigkeitsgrenze auch aus verfahrensökonomischen Gründen verhindert werden, dass gegen Ärzte, die gelegentlich in geringem Umfang unwirtschaftliche Verordnungen tätigten, ein Prüfverfahren eingeleitet werde. Vorliegend gehe es jedoch um eine systematische Nichtbeachtung der fehlenden Verordnungsfähigkeit von Pentalong in einer Vielzahl von Fällen über einen längeren Zeitraum, so dass ein Verordnungsvolumen von mehr als 400.000,- € zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung entstanden sei.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_7">7</a></dt>
<dd><p>Die Beklagte beantragt,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_8">8</a></dt>
<dd><p style="margin-left:36pt">die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mainz vom 12.04.2018 zuzulassen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_9">9</a></dt>
<dd><p>Der Kläger hat sich zu der zunächst erhobenen Berufung, nicht aber zu der Nichtzulassungsbeschwerde geäußert.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_10">10</a></dt>
<dd><p>Die Beigeladene zu 1 hat materiell-rechtliche Ausführungen getätigt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_11">11</a></dt>
<dd><p>Die Beigeladene zu 2 hat sich den Ausführungen der Beklagten in der Beschwerdeschrift angeschlossen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>II.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_12">12</a></dt>
<dd><p>Die zulässige Nichtzulassungsbeschwerde iSv § 145 SGG hat auch in der Sache Erfolg.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_13">13</a></dt>
<dd><p>Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig. Soweit sie erst durch Schreiben vom 17.08.2018, welches am 20.08.2018 bei dem LSG Rheinland-Pfalz einging, und damit nicht innerhalb eines Monats (§ 145 Abs 1 Satz 2 SGG) nach Zustellung des Gerichtsbescheides am 17.04.2018 an die Beklagte erhoben wurde, steht dies der Zulässigkeit nicht entgegen, weil vorliegend die Jahresfrist nach § 66 Abs 2 Satz 1 SGG gilt. Soweit vorliegend weder dem Tenor noch den Entscheidungsgründen des Gerichtsbescheides des SG Mainz eine Entscheidung über die Zulassung der Berufung zu entnehmen ist, sondern allein in der Rechtsmittelbelehrung zu dem angefochtenen Gerichtsbescheid auf die Möglichkeit der Einlegung der Berufung hingewiesen wird, ist dies nicht als Entscheidung über die Zulassung der Berufung zu verstehen; nach der Rechtsprechung des BSG stellt allein die Verwendung der für eine zulassungsfreie Berufung üblichen Rechtsmittelbelehrung keine Entscheidung über die Zulassung, sondern eine falsche Belehrung dar (vgl nur Urteil vom 19.11.1996 - 1 RK 18/95 – juris Rn 20; Urteil vom 23.07.1998 - B 1 KR 24/96 R – juris Rn 12). Legt ein Beteiligter entsprechend dieser falschen Belehrung – wie vorliegend zunächst erfolgt - Berufung ein, ist diese zwar unzulässig. Folge der unrichtigen Rechtsmittelbelehrung ist allerdings, dass jedenfalls (zum Teil wird auch vertreten, dass keine Frist zu laufen beginnt; siehe zum Streitstand Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 144 Rn 45a) binnen der Jahresfrist nach § 66 Abs 2 Satz 1 SGG Berufung eingelegt werden kann. Die Jahresfrist ist vorliegend ersichtlich gewahrt, so dass die Nichtzulassungsbeschwerde zulässig ist.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_14">14</a></dt>
<dd><p>Die Nichtzulassungsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg, weil die Entscheidung des SG von einer Entscheidung des LSG Rheinland-Pfalz abweicht (§ 144 Abs 2 Nr 2 SGG), mithin der – hier allein angeführte – Zulassungsgrund der Divergenz vorliegt. Eine Divergenz im Sinn dieser Vorschrift liegt vor, wenn das SG seine Entscheidung auf einen abstrakten Rechtssatz gestützt hat, der von einem anderen abstrakten Rechtssatz, auf dem eine Entscheidung eines der in § 144 Abs 2 Nr 2 SGG genannten Gerichte beruht, abweicht (Leitherer, aaO, § 144 Rn 30 iVm § 160 Rn 13 mwN). Ein abstrakter Rechtssatz liegt nur bei einer fallübergreifenden, nicht lediglich auf Würdigung des Einzelfalles bezogenen rechtlichen Aussage vor (Leitherer, aaO, § 160 Rn 13 mwN).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_15">15</a></dt>
<dd><p>Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Beklagte hat zutreffend unter Zitierung des Urteils des Senats vom 24.05.2018 (L 5 KA 40/17) ausgeführt, dass der Senat den Begriff der „grundsätzlichen Bedeutung“ in § 16 Abs 4 Prüfvereinbarung nicht unter Heranziehung des Begriffs der grundsätzlichen Bedeutung im prozessrechtlichen Sinne ausgelegt hat, sondern diesem unter Berücksichtigung des verwaltungsrechtlichen Zusammenhangs, in dem dieser in § 16 Abs 4 Prüfvereinbarung steht, eine andere Bedeutung zugemessen als im Prozessrecht. Namentlich hat der Senat ausgeführt, dass mit Blick auf § 16 Abs 4 Prüfvereinbarung Aspekte der Vereinfachung des Verwaltungsverfahrens im Vordergrund stehen. Demgegenüber hat das SG Mainz in dem angegriffenen Gerichtsbescheid entschieden, dass der Begriff der „grundsätzlichen Bedeutung“ in § 16 Abs 4 Prüfvereinbarung unter Berücksichtigung, dass dieser Begriff zB im Prozessrecht (§ 144 Abs 2 Nr 1 und § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) eine bestimmte Bedeutung hat, ausgelegt. Dementsprechend sieht das SG Mainz in Anlehnung an die prozessrechtliche Bedeutung der Formulierung „grundsätzliche Bedeutung“ das Vorliegen einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage als Voraussetzung eines Falles von „grundsätzlicher Bedeutung“ an.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_16">16</a></dt>
<dd><p>Auf dieser Abweichung beruht der Gerichtsbescheid des SG Mainz auch. Hätte das SG Mainz die Auffassung des LSG Rheinland-Pfalz zu Grunde gelegt, wäre dieses – wie das LSG Rheinland-Pfalz in dem Urteil vom 24.05.2018 – zu dem Ergebnis gelangt, das die Rechtmäßigkeit des Regressbescheides nicht an der Geringfügigkeitsgrenze des § 16 Abs 4 Prüfvereinbarung scheitert.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_17">17</a></dt>
<dd><p>Der erfolgreichen Rüge des Zulassungsgrundes der Divergenz steht nicht entgegen, dass der angegriffene Gerichtsbescheid des SG Mainz auf den 12.04.2018 datiert, mithin zeitlich vor dem vorstehend zitierten und hier für die Divergenz maßgeblichen Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 24.05.2018 ergangen ist. Nach der Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, gebietet eine verfassungskonforme Auslegung der Regelung der Nichtzulassungsbeschwerde, dem Beschwerdeführer das Recht einzuräumen, auch eine nachträgliche Divergenz rügen zu können (vgl zu § 160 Abs 2 SGG BSG, Beschluss vom 08.09.2015 – B 1 KR 34/15 B – juris Rn 5 f unter Verweis auf BVerfG, Beschluss vom 21.01.2000 – 2 BvR 2125/97). Dies gilt jedenfalls dann, wenn das SG oder das LSG in dem anderen, die Divergenz nachträglich herbeiführenden Rechtsstreit die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund nach § 144 Abs 2 Nr 1 SGG) zugelassen haben. Dies impliziert die Möglichkeit, dass der Beschwerdeführer ohne die spätere Entscheidung des LSG auch in seinem Rechtstreit die Grundsatzrüge hätte erheben können (vgl BSG, aaO – juris Rn 4 unter Berücksichtigung von § 160 SGG). Die einem Beschwerdeführer zunächst eröffnete Rechtsschutzmöglichkeit dürfe „ihm nicht dadurch, aus der Hand geschlagen werden“, dass in einem anderen Rechtsstreit nachträglich durch eine höhere Instanz die Rechtsfrage in seinem Sinne entgegen der ergangenen, ihn belastenden Entscheidung geklärt und ihm die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nunmehr verschlossen werde (BSG, aaO, Rn 7). Der Beschwerdeführer könne sich in einem solchen Fall darauf beschränken, nur die nachträgliche Divergenz zu rügen; anders als in den Fällen, in denen es erst nach Einreichung der Beschwerdebegründung zu einer Klärung der Rechtsfrage komme, müsse der Beschwerdeführer die - nicht mehr gegebene - grundsätzliche Bedeutung nicht darlegen (BSG, aaO, Rn 7).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_18">18</a></dt>
<dd><p>In Anwendung dieser Grundsätze war es ausreichend, dass sich die Beklagte auf den Zulassungsgrund der Divergenz berufen hat; eine vor Eintritt der Divergenz vorliegende grundsätzliche Bedeutung iSv § 144 Abs 2 Nr 1 SGG musste sie nicht darlegen, weil die Entscheidung des Senates vom 24.05.2018 zwar nach Erlass des angefochtenen Gerichtsbescheides, aber vor Einreichung der Beschwerdebegründung erging und die Zulässigkeit der Berufung in dem die Divergenz begründenden Verfahren L 5 KA 40/17 auf einer ausdrücklichen Zulassung durch das SG beruhte.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_19">19</a></dt>
<dd><p>Mit der Zulassung der Berufung wird das Beschwerdeverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung durch die Beschwerdeführerin bedarf es nicht (§ 145 Abs 5 Satz 1 SGG).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_20">20</a></dt>
<dd><p>Die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgen der Kostenentscheidung in der Hauptsache.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_21">21</a></dt>
<dd><p>Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das BSG anfechtbar (§ 177 SGG).</p></dd>
</dl>
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<!--hlIgnoreOn-->Tenor<!--hlIgnoreOff-->
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<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Der Antragsgegnerin wird im Wege einer einstweiligen Anordnung aufgegeben, folgenden Hinweis des Antragstellers</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt">„Frauenbündnis Kandel e.V.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt">Das Frauenbündnis Kandel lädt ein zu seiner nächsten Kundgebung im neuen Jahr zum Thema „innere Sicherheit - Verantwortung - Sozialpolitik'':</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt">- Samstag, den 9. Februar 2019 ab 14.00 Uhr</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt">- Am Bahnhof in Kandel</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt">Wir planen ein abwechslungsreiches Programm aus verschiedenen Reden, einem Spaziergang durch Kandel sowie Musikbeitragen. Es gibt zudem Kuchen und Getränke.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt">Voraussichtliches Ende der Veranstaltung ist gegen 17 Uhr.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt">Der Verein Frauenbündnis Kandel freut sich über eine rege Beteiligung der Kandler Bürger.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt">Wer nicht persönlich dabei sein kann, hat wieder die Möglichkeit, uns per Live-Stream zuzuschauen:</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt">www.frauenbuendnis-Kandel.de“</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>in ihrem Amtsblatt, Ausgabe 04/2019 und, falls dies aus redaktionellen Gründen nicht mehr möglich sein sollte, in der Ausgabe 05/2019 zu veröffentlichen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.</p></dd>
</dl>
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<!--hlIgnoreOn-->Gründe<!--hlIgnoreOff-->
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<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_1">1</a></dt>
<dd><p>Der Antrag, die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 123 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zu verpflichten, den aus dem Tenor des Beschlusses ersichtlichen Text in der Ausgabe 04/2019 oder Ausgabe 05/2019 ihres Amtsblattes zu veröffentlichen, hat Erfolg. Da laut dem der Antragsschrift beigefügten Hinweistext auf eine Veranstaltung am 9. Februar 2019 hingewiesen werden soll, hat die Kammer dieses Veranstaltungsdatum zugrunde gelegt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_2">2</a></dt>
<dd><p>Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO, der als Rechtsgrundlage für die begehrte Maßnahme allein in Betracht kommt, kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) und der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sind glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_3">3</a></dt>
<dd><p>Die sachliche Prüfung des Anordnungsanspruches scheitert hier nicht am Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache (BVerfG, Beschluss vom 15. August 2002 - 1 BvR 1790/00 -, NJW 2002, 3691f). Zwar nimmt die gerichtliche Entscheidung im Anordnungsverfahren gemäß § 123 VwGO zwangsläufig - sowohl im Fall der Stattgabe als auch der Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes - die Hauptsache in Fällen wie dem vorliegenden vorweg. Der Verweis auf ein durchzuführendes Klageverfahren würde hier bedeuten, dass dem Antragsteller bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über eine Klage ein ihm möglicherweise zustehendes Recht über einen längeren Zeitraum vorenthalten würde. Dies hat hier insbesondere zu gelten, weil die Antragsgegnerin generell Hinweise des Antragstellers auf von ihm geplante Veranstaltungen in ihrem Amtsblatt verweigert und somit der Antragsteller bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren eine Verletzung in dem Recht auf Gleichbehandlung erfahren würde. Angesichts der im Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigenden (Grund)Rechtsverletzung des Antragstellers gebietet aber Art. 19 Abs. 4 GG zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes in solchen Fällen, die sachliche Prüfung des Anordnungsanspruches nicht am Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache scheitern zu lassen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_4">4</a></dt>
<dd><p>Es ist der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderliche Anordnungsanspruch gegeben.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_5">5</a></dt>
<dd><p>Nach § 14 Abs. 2 Alt. 1, Abs. 4 Gemeindeordnung Rheinland-Pfalz (GemO) in der Fassung vom 31. Januar 1994 (GVBl. S. 153) sind die Einwohner einer Gemeinde und ortsansässige juristische Personen und Personenvereinigungen berechtigt, die öffentlichen Einrichtungen einer Gemeinde zu benutzen. Juristische Personen und Personenvereinigungen besitzen einen Anspruch aus § 14 Abs. 2 GemO grundsätzlich, wenn sie ihren Sitz in der Gemeinde haben.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_6">6</a></dt>
<dd><p>Der Antragsteller Frauenbündnis Kandel e.V. weist nicht nur in seinem Namen einen örtlichen Bezug auf, die Vorsitzende gibt eine Adresse in Kandel an. Der Antragsteller konzentriert seine Aktivitäten anscheinend ausschließlich auf Kandel. Die geplante Veranstaltung, auf die öffentlich im Amtsblatt aufmerksam gemacht werden soll, soll wie die bisherigen Aktionen des Antragstellers im Gemeindegebiet Kandel stattfinden. Auch wenn das Thema der Veranstaltung keinen kandelspezifischen Bezug aufweist, sondern in erster Linie einen allgemeinpolitischen, so lässt sich ein örtlicher Bezug herstellen, wie z.B. auch bei der Veranstaltung des Bündnisses „Wir sind Kandel“ zu dem Thema „Frieden gestalten in Europa“ am 4. August 2018.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_7">7</a></dt>
<dd><p>Bei dem Amtsblatt einer Gemeinde handelt es sich in Rheinland-Pfalz um eine öffentliche Einrichtung der Gemeinde. Herausgeber eines Amtsblatts kann nach § 9 der Landesverordnung zur Durchführung der Gemeindeordnung (GemODVO) vom 21. Februar 1974 (GVBl. S. 98), zuletzt geändert durch Verordnung vom 6. November 2009 (GVBl. S. 379), nur eine Gemeindeverwaltung sein. Diese Regelung beruht darauf, dass es sich um ein Mitteilungsorgan für die Gemeinde und nicht für die Einwohner handelt (vgl. Manns in PdK RhPf, Stand: Dezember 2012, § 14 GemO Nr. 2.2). Nach § 9 Abs. 3 GemODVO kann ein Amtsblatt neben öffentlichen Bekanntmachungen und sonstigen amtlichen Mitteilungen (amtlicher Teil) auch kurze Nachrichten aus dem Gemeindeleben und Hinweise auf Veranstaltungen enthalten.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_8">8</a></dt>
<dd><p>Die Gemeinde kann den Zweck einer gemeindlichen Einrichtung aufgrund ihres Selbstverwaltungsrechts aus Art. 28 Abs. 2 GG und Art. 49 Abs. 3 Landesverfassung Rheinland-Pfalz (LV) bestimmen und ausgestalten. Die Gemeinde ist damit grundsätzlich frei in ihrer Entscheidung, ob in ihrem Amtsblatt neben den öffentlichen (amtlichen) Bekanntmachungen in einem nichtöffentlichen Teil auch sonstige Nachrichten und Mitteilungen aus dem Gemeindeleben veröffentlicht werden sollen. Hinsichtlich der Ausgestaltung des Amtsblatts bedarf es nicht unbedingt eines Beschlusses des zuständigen Gemeindeorgans. Fehlt ein entsprechender Beschluss des zuständigen Gemeindeorgans ist die tatsächlich geübte Praxis bei der Aufnahme von nichtamtlichen Nachrichten und Hinweisen maßgebend. Hat eine Gemeinde bisher im nichtamtlichen Teil ihrer gemeindlichen Einrichtung „Amtsblatt“ örtlichen Vereinen und Organisationen die Veröffentlichung von Nachrichten und Hinweisen auf Veranstaltungen ermöglicht, so darf sie nicht einzelnen Vereinen oder Organisationen wegen deren gesellschaftlichen oder politischen Ziele, solange diese im Einklang mit den Gesetzen stehen, die Nutzung der gemeindlichen Einrichtung „Amtsblatt“ verwehren. Es sei denn, sie schränkt generell die Nutzung des Amtsblatts für nichtamtliche Nachrichten und Mitteilungen auf Veranstaltungen ein, wozu sie befugt wäre (vgl.§ 9 Abs. 3 GemODVO „kann“).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_9">9</a></dt>
<dd><p>Bei dem Amtsblatt der Antragsgegnerin handelt es sich um kein ausschließlich amtliches Amtsblatt. Es enthält neben einem amtlichen auch einen nichtamtlichen Teil. In letzterem finden sich diverse Mitteilungen, wie kirchliche Informationen, Mitteilungen politischer Parteien und Vereinigungen, Mitteilungen von Vereinen verschiedener Sparten (z.B. Sport-, Musikvereine), aber auch von Initiativen, wie z.B. „Wir sind Kandel“ (s. online Ausgaben des Amtsblatts der Verbandsgemeinde Kandel). Des Weiteren werden gewerbliche Anzeigen veröffentlicht. Die Antragsgegnerin gibt mit ihrem Amtsblatt damit den genannten gesellschaftlichen Gruppierungen die Möglichkeit über ihre Aktivitäten in dem Amtsblatt zu berichten.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_10">10</a></dt>
<dd><p>Können im vorliegenden Fall auch örtliche Vereine und Bürgerinitiativen im Amtsblatt der Antragsgegnerin Vereinsnachrichten und Hinweise auf Veranstaltungen veröffentlichen, so ist die Antragsgegnerin in ihrer Entscheidung, wer die öffentliche Einrichtung Amtsblatt nutzen darf, nicht frei. Es besteht nach § 14 Abs. 2 GemO grundsätzlich im Rahmen des geltenden Rechts und der geübten gemeindlichen Vergabe- bzw. Veröffentlichungspraxis ein Anspruch auf Nutzung der gemeindlichen Einrichtung. Für die Antragsgegnerin als Gemeinde bedeutet dies nach Art. 20 Abs. 3 GG, unter anderem den Grundsatz der Gleichbehandlung zu beachten (vgl. auch § 9 Abs. 3 Satz 2 GemODVO).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_11">11</a></dt>
<dd><p>Für die Prüfung, ob die hier in Rede stehende Handlungsweise der Antragsgegnerin den Gleichbehandlungsgrundsatz wahrt, ist die Veröffentlichungspraxis der Antragsgegnerin maßgeblich. Als Maßstab sind daher bisherige - auch politisch motivierte - Veröffentlichungen im Amtsblatt der Antragsgegnerin heranzuziehen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_12">12</a></dt>
<dd><p>Die von dem Antragsteller vorgelegten Artikel aus einer Vielzahl von Ausgaben des Amtsblatts der Antragsgegnerin belegen Mitteilungen und Hinweise auf politische (keine parteipolitischen) Veranstaltungen. So wurden zahlreiche Mitteilungen der Aktion „Wir sind Kandel“ veröffentlicht (s. Ausgabe Nr. 1/2019; aus 2018 Nr. 50, 48, 47, 45, 39. 38, 37, 36, 30, 29, 27, 26, 24, 2 x 23, 22, 21, 20, 18, 17, 16, 12). Hierbei handelt es sich um Hinweise im Amtsblatt auf Veranstaltungen dieser Aktion im Jahr 2018, so z.B. zu der Veranstaltung „Braun werden“ in den Ausgaben Nr. 50, 48, 47, 45, „Frieden gestalten in Europa“ in der Ausgabe Nr. 30, „Wir sind Kandel - vielfältig, tolerant, offen“ in der Ausgabe Nr. 27 oder zur Themenwoche „Aktiv für die offene Gesellschaft“ vom 7. bis 16. Juni 2018 in der Ausgabe Nr. 24.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_13">13</a></dt>
<dd><p>Angesichts dieser Veröffentlichungspraxis im Amtsblatt der Antragsgegnerin für - auch allgemeinpolitische - Veranstaltungen ist die Antragsgegnerin als an das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 GG nach Art. 20 Abs. 3 GG gebundener Teil der vollziehenden Gewalt verpflichtet, sich im Rahmen der Gesetze haltende Mitteilungen zumindest örtlicher Vereine in ihrem Amtsblatt zu veröffentlichen. Sie ist nicht berechtigt, hierbei nach ihr oder Dritten genehmen bzw. nicht genehmen Vereinigungen oder Veranstaltungen zu differenzieren.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_14">14</a></dt>
<dd><p>Im Übrigen hat nach § 9 Abs. 6 GemODVO eine Gemeinde, deren Amtsblatt neben amtlichen Mitteilungen Nachrichten (Abs. 3) und Anzeigen (Abs. 4) enthält, die Bestimmungen des Landesmediengesetzes und des Wettbewerbsrechts zu beachten. Nach § 4 Abs. 3 Landesmediengesetz (LMG) vom 19. Dezember 2018, gültig ab 28. Dezember 2018, (GVBl. S. 431) unterliegt die Medienfreiheit nur den Beschränkungen, die durch das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland unmittelbar und in seinem Rahmen durch die Verfassung für Rheinland-Pfalz und durch das Landesmediengesetz zugelassen sind. Hier wäre insbesondere Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG in den Blick zu nehmen, der eine Vorzensur verbietet.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_15">15</a></dt>
<dd><p>In der E-Mail vom 8. Januar 2019 begründete der Fachbereichsleiter Organisation und Finanzen der Antragsgegnerin die Ablehnung der Veröffentlichung des von dem Antragsteller übermittelten Artikels zu der am 8. Februar 2019 geplanten Veranstaltung damit, bei dieser Veranstaltung werde es sich anders als dargestellt nicht um einen Spaziergang, sondern eine Demonstration handeln.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_16">16</a></dt>
<dd><p>Diese von der Antragsgegnerin gegebene Begründung rechtfertigt nicht ihre Weigerung, den Artikel zu einer Kundgebung des Antragstellers „Innere Sicherheit - Verantwortung - Sozialpolitik“ im Amtsblatt der Antragsgegnerin zu veröffentlichen. Für die Kammer ist gegenwärtig kein Grund für die Ablehnung der Antragsgegnerin, die Mitteilung des Antragsstellers zu veröffentlichen, erkennbar, der im Lichte des verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 3 GG) die unterschiedliche Behandlung der Mitteilungen der verschiedenen Organisationen rechtfertigen könnte.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_17">17</a></dt>
<dd><p>Handelt es sich, wie von der Antragsgegnerin in ihrer E-Mail angegeben, bei dem geplanten „Spaziergang“ um eine geplante Demonstration (Aufzug), so bedürfte es hierfür ebenso wie für die Versammlung als solcher einer Anmeldung nach dem Versammlungsgesetz; diese ist nach Angabe des Antragstellers erfolgt. Befürchtet die Antragsgegnerin, es könne dann durch die Aktion des Antragstellers die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere im Zusammenhang mit Gegendemonstrationen, nicht aufrechterhalten werden, so könnten von der zuständigen Stelle Maßnahmen nach dem Versammlungsgesetz (s. § 15 VersammlG), auch schon im Vorfeld der Veranstaltung ergriffen werden (vgl. z.B. VG Neustadt (Weinstraße) Beschluss vom 29. November 2018 - 5 L 1533/18.NW - und Beschluss vom 21. September 2018 - 5 L 1291/18.NW -, beide in juris veröffentlicht). Dies ist aber nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_18">18</a></dt>
<dd><p>Die Nutzung einer öffentlichen Einrichtung kann zwar nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Ausnahmefällen verweigert werden, wenn eine ernste Gefahr droht und Schäden nicht auf andere Weise abgewehrt werden können (vgl. z.B. für Überlassung einer Halle an eine Partei: BayVGH, Beschluss vom 25. Juni 1993 - 4 CE 93.1966 -, juris, Rn. 14). Für einen solchen Ausnahmefall durch die begehrte Veröffentlichung des Hinweises auf die Veranstaltung des Antragstellers unter dem Motto „Innere Sicherheit - Verantwortung - Sozialpolitik“ sind der Ablehnung der Antragsgegnerin vom 8. Januar 2019 keine Anhaltspunkte zu entnehmen. Ein solch gravierender Fall liegt allein in der Veröffentlichung in dem Amtsblatt nicht vor. Sollten Auseinandersetzungen anlässlich der Veranstaltung zu erwarten sein, so ist diesen unter Umständen im Vorfeld durch Anordnung entsprechender Maßnahmen - wie bereits ausgeführt - zu begegnen. Eine Einschränkung der Nutzung des Amtsblatts durch die Antragstellerin rechtfertigt dies aber gegenwärtig nicht.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_19">19</a></dt>
<dd><p>Da Redaktionsschluss für die Ausgabe 04/2019 um 12.00 Uhr am 21. Januar 2019 ist, war die Verpflichtung der Antragsgegnerin auf Veröffentlichung des begehrten Textes des Antragstellers alternativ auf die Ausgabe 05/2019 auszudehnen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_20">20</a></dt>
<dd><p>Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_21">21</a></dt>
<dd><p>Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1 Gerichtskostengesetz – GKG –. Da es sich um eine Vorwegnahme der Hauptsache handelt, war der Streitwert nicht nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 18. Juli 2013 (NVwZ 2013, Beilage 58) zu reduzieren.</p></dd>
</dl>
</div></div>
</div>
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"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 9 T 56/18 | 2019-01-21T00:00:00 | 2019-01-29T12:51:07 | 2019-02-13T12:21:08 | Beschluss | <h2>Tenor</h2>
<p>1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Emmendingen vom 12.06.2018 - 7 C 28/18 - wird zurückgewiesen.</p>
<p/>
<p>2. Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.</p>
<p/>
<p>3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.</p>
<h2>Gründe</h2>
<table><tr><td> </td><td> <table width="100%"><tr><td style="text-align:center">I.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>1 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="1"/>Die Klägerin wendet sich mit ihrer sofortigen Beschwerde gegen die Kostenfestsetzung, da sie keine zwei Gerichtsgebühren und einen Teil der Verfahrensgebühren für die erstinstanzliche Verfahrensgebühr zugunsten der Klägerin verrechnete.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>2 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="2"/>Der Klägerin begründete nach Widerspruch gegen den Mahnbescheid über Hauptforderungen von zusammen 2.628,40 EUR die Klage, mit der Mahnkosten und vorgerichtliche Anwaltskosten nebst Zinsen geltend gemacht wurden. Das Amtsgericht Emmendingen ordnete das schriftliche Vorverfahren an und erließ ein Versäumnisurteil vom 16.02.2018 (AS 87), nachdem innerhalb der Notfrist keine Verteidigungsanzeige einging. Der Streitwert wurde mit Beschluss vom 28.02.2018 auf 2.638,40 EUR festgesetzt. Am 21.02.2018 wurde das Versäumnisurteil zugestellt. Am 06.03.2018 ging der Einspruch ein, in welchem u.a. darauf abgehoben wurde, dass die Parteien am 30.11.2017 eine Aufhebungsvereinbarung getroffen hätten, in der alle wechselseitigen Ansprüche als endgültig erledigt erklärt worden seien. Das Amtsgericht bestimmte Termin zur Verhandlung über den Einspruch. Die Klägerin nahm darauf die Klage zurück.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>3 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="3"/>Mit Beschluss vom 11.06.2018 (AS 151f) legte das Amtsgericht unter Abänderung einer vorausgehenden Kostenentscheidung der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits auf mit Ausnahme derjenigen Kosten, die durch die Säumnis des Beklagten entstanden sind, die der Beklagte zu tragen hat. Mit dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12.06.2018 setzte das Amtsgericht die von der Klägerin dem Beklagten zu erstattenden Kosten auf 281,30 EUR nebst näher bestimmter Zinsen fest.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>4 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="4"/>Der nunmehr angegriffene Kostenfestsetzungsbeschluss wurde den Klägervertretern am 18.06.2018 zugestellt. Am 19.06.2018 ging die sofortige Beschwerde beim Amtsgericht ein; wegen der Begründung wird auf den Schriftsatz vom 19.06.2018 (AS 167ff) Bezug genommen.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
<table width="100%"><tr><td style="text-align:center">II.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>5 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="5"/>Die zulässige sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>6 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="6"/>Das rechtliche Gehör wurde durch die sofortige Beschwerde gewahrt, ändert an der Sachentscheidung aber nichts. Der Beklagte hat der Klägerin die aufgeführten Kosten nicht zu erstatten, unabhängig, ob diese zu verrechnen wären (ablehnend Toussaint in BeckOK ZPO 31. Ed., § 344 Rn 6.1).</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>7 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="7"/>Der Beklagte hat zwar die durch die Versäumnis veranlassten Kosten zu tragen (§ 344 ZPO), wie vom Amtsgericht beschlossen. Die zum Ausgleich im Schriftsatz vom 09.06.2018 gestellten Gebühren gehören jedoch zu den Kosten des Rechtsstreits, die die Klägerin zu tragen hat (§ 269 Abs. 3 S. 2 ZPO). Weder die Tätigkeit im Mahnverfahren und die dadurch ausgelöste Verfahrensgebühr noch die 1,3 Verfahrensgebühr und die Post- und Telekommunikationspauschalen wurden durch die Säumnis verursacht.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>8 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="8"/>Auch von den zwei der drei vorgeschossenen Gerichtsgebühren steht der Klägerin kein Ausgleich zu. Zwar wird teilweise vertreten, dass in Analogie zu § 344 ZPO bei Klagerücknahme nach vorausgegangenem Versäumnisurteil und Einspruch die Nichtreduktion um zwei Gerichtsgebühren dem früher säumigen Beklagten zu Last fallen müssten (AG Hannover B. v. 05.05.2009 - 414 C 812/08 - zit. wie die übrige Rspr. nach Juris, u.a. JurBüro 2009, 487; Zöller-Herget ZPO, 32. Aufl., § 344 Rn 4; Musielak/Voit/Stadler ZPO, § 344 Rn 3).</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>9 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="9"/>Das Beschwerdegericht folgt jedoch der weit überwiegenden Auffassung, nach welcher die Nichtreduktion nicht unter § 344 ZPO fällt und eine entsprechende Anwendung angesichts der klaren Regelung ausscheidet (LAG B-W B. v. 29.02.2008 - 3 Ta 41/08 - Rn 15, u.a. BeckRS 2008, 51841; OLG Bremen B. v. 13.05.2005 - 2 W 16/05 - Rn 12, u.a. BeckRS 2005, 30356363; Wieczorek/Schütze/Büscher ZPO, 4. Aufl., § 344 Rn 17; MünchKommZPO-Prütting 5. Aufl., § 344 Rn 13; Toussaint in BeckOK ZPO, 31. Ed., § 344 Rn 3.2; Saenger/Kießling ZPO, 7. Aufl., § 344 Rn 4). Die drei Gerichtsgebühren entstehen nicht durch die Säumnis, sind also keine durch diese geschaffenen Mehrkosten. Die in KV 1211 gegen Ende ausgenommene Reduzierung beruht darauf, dass die eigentlich zur Reduktion führende Klagerücknahme (KV 1211 Nr. 1a GKG) nicht vor einem anderen als in Nr. 2 genannten Urteil erfolgte.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>10 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="10"/>Die Entscheidung, dass § 344 ZPO auch bei einem Beschluss nach § 269 Abs. 3 ZPO zu berücksichtigen ist (BGH B v. 13.05.2004 - V ZB 59/03 - u.a. BGHZ 159, 153) führt nur dazu, dass in der Kostengrundentscheidung die durch die Versäumnis veranlassten Kosten ausgenommen werden. Was zu diesen Kosten gehört, ergibt sich daraus nicht. Der BGH (aaO Rn 16) geht i.Ü. davon aus, dass die nicht reduzierten Gerichtskosten den Kläger treffen, da ausgeführt wird „Würden den Kläger [über die drei nicht reduzierten Gerichtsgebühren] - auch noch die Säumniskosten treffen ...“</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
<table width="100%"><tr><td style="text-align:center">III.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>11 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="11"/>Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Ein Streitwert (509,36 EUR = 293,36 EUR + 2x 108 EUR) ist nicht festzusetzen, da bei Gericht eine Festgebühr anfällt (KV 1812 GKG).</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>12 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="12"/>Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 abs. 2 ZPO) liegen nicht vor, nachdem das Beschwerdegericht der einheitlichen obergerichtlichen Rechtsprechung folgt.</td></tr></table>
</td></tr></table> |
|
171,234 | vg-dusseldorf-2019-01-21-22-l-321518a | {
"id": 842,
"name": "Verwaltungsgericht Düsseldorf",
"slug": "vg-dusseldorf",
"city": 413,
"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 22 L 3215/18.A | 2019-01-21T00:00:00 | 2019-01-29T12:50:23 | 2019-02-13T12:21:08 | Beschluss | ECLI:DE:VGD:2019:0121.22L3215.18A.00 | <h2>Tenor</h2>
<p><strong>Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt I.    aus I1.     wird abgelehnt.</strong></p>
<p><strong>Der Eilantrag wird abgelehnt.</strong></p>
<p><strong>Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.</strong></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong>Gründe:</strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren erster Instanz ist abzulehnen, weil der Antragsteller bis zum Abschluss dieses Verfahrens durch den vorliegenden Beschluss nicht glaubhaft gemacht hat, dass er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, § 166 VwGO i. V. m. § 114 S. 1 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Nach § 117 Abs. 2 ZPO sind dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen. Da das Bundesministerium der Justiz Vordrucke für die Erklärung eingeführt hat, muss sich die Partei ihrer bedienen (§ 117 Abs. 4 ZPO, PKHVV vom 17. Oktober 1994, BGBl. I S. 3001 in der derzeit geltenden Fassung).</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Bei einem anwaltlich vertretenen Antragsteller muss dabei nicht auf das verfahrensrechtliche Erfordernis des § 117 Abs. 2 und 4 ZPO hingewiesen werden.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 20. Dezember 2011 – 18 E 1316/11 ‑, und vom 16. April 2014 ‑ 18 E 397/14 ‑ m. w. N.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Ausgehend hiervon kam die Bewilligung von Prozesskostenhilfe bereits deshalb nicht in Betracht, weil der Antragsteller keine formularmäßige Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt hat.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Der am 5. November 2018 sinngemäß gestellte Antrag,</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks"><strong>die aufschiebende Wirkung der Klage 22 K 8902/18.A gegen Ziffer 3 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 24. Oktober 2018 anzuordnen,</strong></p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">hat keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Der Antrag nach § 80 Absatz 5 VwGO ist gemäß § 34a Abs. 2 S. 1 Asylgesetz (AsylG) statthaft. Insbesondere ist die dort bestimmte Antragsfrist von einer Woche nach Bekanntgabe des streitgegenständlichen Bescheides (hier am 31. Oktober 2018) gewahrt.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Der Antrag ist aber unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht auf Antrag im Rahmen einer eigenen Ermessensentscheidung die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen, wenn das Interesse des Antragstellers an der beantragten Aussetzung der Vollziehung das bezüglich der Abschiebungsanordnung durch § 75 AsylG gesetzlich angeordnete öffentliche Interesse an der sofortigen Durchsetzbarkeit des Verwaltungsaktes überwiegt. Die dabei vorzunehmende Interessenabwägung geht zu Lasten des Antragstellers aus. Die Abschiebungsanordnung in Ziffer 3 des angefochtenen Bescheides begegnet bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Greifbare Anhaltspunkte, aufgrund derer das Suspensivinteresse des Antragstellers das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegen könnte, sind auch im Übrigen nicht ersichtlich.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Abschiebungsanordnung findet ihre Rechtsgrundlage in § 34a Abs. 1 Satz 1, 2. Alt AsylG. Danach ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die in Bezug genommene Vorschrift des § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) AsylG bestimmt, dass ein Asylantrag unzulässig ist, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III‑VO), für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Die Dublin III-VO findet gemäß ihres Art. 49 Unterabsatz 2 Satz 1 auf Schutzgesuche Anwendung, die nach dem 31. Dezember 2013 gestellt werden, mithin auch auf den von dem Antragsteller im September 2018 gestellten Asylantrag.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Nach den maßgeblichen Vorschriften ist die Schweiz der zuständige Staat. Dies ergibt sich entweder aus Art. 13 Abs. 2 Unterabsatz 1 Dublin III-VO oder aus Art. 21 Abs. 1 Unterabsatz 3, Art. 23 Abs. 3 Dublin III-VO. Nicht einschlägig dürfte hingegen Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO sein, weil es keinen an die Schweiz angrenzenden Staat gibt, der ein „Drittstaat“ im Sinne von Art. 2 lit. a Dublin III-VO ist.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Nach Art. 13 Abs. 2 UA 1 der Dublin III‑VO ist die Schweiz für die Prüfung des Asylantrages des Antragstellers zuständig. Nach dieser Norm ist in den Fällen, in denen ein Mitgliedstaat nicht oder gemäß Absatz 1 dieses Artikels nicht länger zuständig ist, der Mitgliedstaat zuständig, in dem sich der betreffende Ausländer ausweislich der in dieser Norm genannten Erkenntnismittel vor der Antragstellung während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens fünf Monaten aufgehalten hat. Die Anfrage im EURODAC‑Verzeichnis hat ausweislich des Übermittlungsprotokolls vom 6. September 2018 ergeben, dass sich der Antragsteller vor seiner Einreise in das Bundesgebiet in der Schweiz aufgehalten hat und dort am 8. November 2016 erkennungsdienstlich behandelt wurde sowie einen Asylantrag gestellt hat. Soweit ersichtlich hat er das Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaates erst Anfang September 2018, und damit mehr als fünf Monate später, wieder verlassen und reiste in das Bundesgebiet ein.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Jedenfalls ergibt sich dieses Ergebnis auch aus Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 3 oder 23 Abs. 3 Dublin III‑VO. Nach diesen Normen ist der Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrages zuständig, in dem der betreffende Ausländer ein Schutzgesuch gestellt hat und der nicht innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Antragstellung bzw. zwei Monaten nach Erhalt einer Eurodac-Treffermeldung ein (Wieder-)Aufnahmegesuch an einen anderen Staat gestellt hat, den er für zuständig hält. So liegt der Fall hier. Der Antragsteller war nach eigenen Angaben auf dem Landweg über Griechenland, Bulgarien, Serbien, Ungarn, Slowenien und Italien in die Schweiz eingereist und stellte in der Schweiz ausweislich des EURODAC-Treffers vom 6. September 2018 am 8. November 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Die Schweiz richtete kein (Wieder-)Aufnahmegesuch an einen anderen Staat, sondern hat den Asylantrag des Antragstellers in der Sache (negativ) beschieden, wie aus der auf Art. 18 Abs. 1 Buchst. d) Dublin III-VO gestützten Antwort der Schweizer Dublin-Behörde vom 23. Oktober 2018 an das Bundesamt ersichtlich ist.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die damit nach den genannten Vorschriften der Dublin III‑VO für die Schweiz anzunehmende Zuständigkeit ist auch nicht nachträglich entfallen. Insbesondere hat das Bundesamt innerhalb der in Art. 23 Abs. 2 UAbs. 1 Dublin III-VO genannten Frist am 22. Oktober 2018 ein Wiederaufnahmegesuch an die Schweiz gerichtet, das ausweislich der automatisch generierten Empfangsbestätigung am gleichen Tag dort eingegangen ist. Die Schweiz hat mit Schreiben vom 23. Oktober 2018, übermittelt am selben Tage, dem Wiederaufnahmegesuch stattgegeben.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Ferner ist die Zuständigkeit nicht gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin III‑VO wegen Ablaufs der Überstellungsfrist auf die Antragsgegnerin übergegangen. Die Annahme des Wiederaufnahmegesuchs durch die Schweiz liegt weniger als sechs Monate zurück und die Überstellungsfrist wurde durch die Stellung des vorliegenden fristgerecht gestellten Eilantrages unterbrochen.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Mai 2016 ‑ 1 C 15/15 ‑, Rdn. 11, juris.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Darüber hinaus kann sich der Antragsteller auch nicht erfolgreich darauf berufen, die Antragsgegnerin sei verpflichtet, von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Dublin III-VO Gebrauch zu machen, weil seiner Überstellung in die Schweiz rechtliche Hindernisse entgegenstünden. Die Unmöglichkeit der Überstellung eines Asylbewerbers an einen bestimmten Staat hindert nur die Überstellung dorthin, begründet aber kein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts gegenüber der Antragsgegnerin,</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">vgl. EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 - C 394/12 -, juris, Rdn. 60, 62 und Urteil vom 14. November 2013 - C 4/11 -, juris, Rdn. 37; BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 - 10 B 6/14 -, juris, Rdn. 7.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Davon abgesehen ist die Antragsgegnerin aber auch nicht - unabhängig von der Frage der Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO - nach Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 2 Dublin III-VO gehindert, der Antragsteller in die Schweiz zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gäbe, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylantragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufwiesen, die für den Antragsteller eine ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-GR-Charta) bzw. Art. 3 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) mit sich brächte. Die Voraussetzungen, unter denen dies nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofs,</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 et al. -, juris, Rdn. 83 ff., 99; EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 - 30696/09 -, NVwZ 2011, 413,</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">der Fall wäre, liegen hier nicht vor. Systemische Mängel in diesem Sinne können erst angenommen werden, wenn Grundrechtsverletzungen einer Art. 4 EU-GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK entsprechenden Schwere nicht nur in Einzelfällen, sondern strukturell bedingt, eben systemisch vorliegen. Diese müssen dabei aus Sicht des überstellenden Staates offensichtlich sein. In der Diktion des Europäischen Gerichtshofs dürfen diese systemischen Mängel dem überstellenden Mitgliedstaat nicht unbekannt sein können.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 et al. -, juris, Rdn. 94.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die im Gemeinsamen Europäischen Asylsystem grundsätzlich bestehende Vermutung, dass jeder Mitgliedstaat ein sicherer Drittstaat ist und die Grundrechte von Asylbewerbern einschließlich des Refoulement-Verbots hinreichend achtet, ist nicht unwiderleglich. Vielmehr hat eine Überstellung in einen Mitgliedstaat zu unterbleiben, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Artikel 4 EU-GR-Charta implizieren,</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rdn. 86.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Eine Widerlegung der Vermutung ist aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln. Das Gericht muss sich vielmehr die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Absatz 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d. h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. März 2014 – 10 B 6.14 –, juris, Rdn. 6 ff. m. w. N.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Nach diesen Maßstäben fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen in der Schweiz mit systemischen Mängeln behaftet wären, die eine beachtliche Gefahr einer dem Antragsteller drohenden unmenschlichen Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-GR-Charta, Art. 3 EMRK im Falle seiner Überstellung in die Schweiz nach sich ziehen könnten.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Dem erkennenden Gericht liegen in Übereinstimmung mit der weiteren Rechtsprechung,</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 4. Januar 2018 – 6a L 3589/17.A -, juris, Rdn. 12 ff. m. w. N.; VG Greifswald, Beschluss vom 6: Dezember 2017 - 6 B 2236/17 As HGW -, juris, Rdn. 11; VG Düsseldorf, Beschluss vom 20. März 2018 - 22 L 79/18.A -, juris, Rdn. 27, und vom 16. Juli 2018 – 12 L 3931/17.A –, juris; VG Würzburg, Urteil vom 16. Januar 2018 – W 8 K 17.50655 –, juris; VG München, Beschlüsse vom 11. Mai 2018 – M 21 S 18.31077 –, juris, und vom 12. Juli 2018 – M 18 S 18.51044 –, juris,</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">keine Erkenntnisse vor, die den Schluss rechtfertigen würden, dass die Schweiz die in der Grundrechte-Charta der EU, der EMRK oder der GFK verbrieften Rechte von Asylbewerbern nicht einhalte. Solche folgen entgegen der Annahme des Antragstellers auch nicht aus den Besonderheiten des schweizerischen Asylverfahrens.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Insbesondere führt das Vorbringen des Antragstellers in diesem Eilverfahren, systemische Mängel lägen deshalb in der Schweiz vor, weil dort der subsidiäre Schutz als Bestandteil des internationalen Schutzes nach den nationalen Vorschriften der Schweiz nicht geprüft werde, nicht zum Erfolg des Antrags.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Es trifft nach summarischer Prüfung in diesem Eilverfahren zwar wohl zu, dass das Schweizer Recht keinen Schutzstatus wie den subsidiären Schutz enthält und auch kein dortiges Rechtsinstitut einen entsprechenden Prüfungsmaßstab umfasst wie § 4 AsylG in Umsetzung der unionsrechtlichen Vorschriften ihn kodifiziert. Dies ist insbesondere nicht in der „Gewährung vorübergehenden Schutzes“ gemäß Art. 4 des Schweizer Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG) und ebenfalls nicht in der „Anordnung der vorläufigen Aufnahme“ gemäß Art. 83 des Schweizer Ausländer- und Integrationsgesetz (AIG – Fassung vom 1. Januar 2019) enthalten.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. November 2016 – OVG 3 B 2.16 –, juris Rn. 21; VG Düsseldorf, Beschluss vom 20. März 2018 – 22 L 79/18.A –, juris Rn. 10 ff.; VG Lüneburg, Beschluss vom 14. März 2018 – 3 B 5/18 –, juris Rn. 16; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 31. Juli 2018 – 3a L 1351/18.A –, S. 5 bis 7 des Entscheidungsumdrucks (soweit ersichtlich nicht veröffentlicht).</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Hintergrund dürfte insofern sein, dass die Schweiz sich zwar durch völkerrechtlichen Vertrag an das Dublin-System in Gestalt der Dublin III-VO angeschlossen hat, sie hat jedoch die für die Schweiz als Nicht-Mitgliedstaat der Europäischen Union nicht unmittelbar bindende Richtlinie 2011/95/EU („Qualifikations-Richtlinie“) nicht durch völkerrechtliche Vereinbarung als geltendes Recht übernommen. Damit ist sie auch nicht zur Umsetzung von Art. 18 Qualifikations-RL über die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus – und damit zur Schaffung entsprechender nationaler Regelungen – verpflichtet.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Dies mag zwar einen systemischen Mangel des nach dem Unionsrecht vorgesehenen Verfahrens zur Gewährung internationalen Schutzes in der Schweiz darstellen, es ist hier aber weder erkennbar noch glaubhaft gemacht, dass aus diesem Mangel die Gefahr einer Menschenrechtsverletzung für den Antragsteller (und andere Antragsteller in vergleichbarer Lage) folgt. Es müsste nämlich eine Situation vorliegen, in der der betroffene Asylbewerber – hier der Antragsteller – Gründe für die Gewährung internationalen Schutzes vorträgt, die voraussichtlich nach dem nationalen Schweizer Recht nicht zu einer Schutzgewährung führen würden, obwohl sie bei ihrem Vorliegen vom subsidiären Schutz nach dem Unionsrecht erfasst sind. Der betroffene Asylbewerber muss mit anderen Worten genau in die „Schutzlücke“ fallen, die das nationale Schweizer Recht gegenüber dem im Unionsrecht vorgesehenen Schutzumfang aufweist, was ihn mit hoher Wahrscheinlichkeit der Gefahr einer Menschenrechtsverletzung aussetzt.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Dies ist hier weder ersichtlich noch glaubhaft gemacht. Der Antragsteller hat sich lediglich pauschal auf die „Schutzlücke“ berufen und geltend gemacht, somit würde ein gerade für die Situation in Sri Lanka besonders relevanter Prüfungsgesichtspunkt vollständig entfallen. Es ist jedoch nicht substantiiert oder glaubhaft gemacht, welche Gefahren der Antragsteller bei Rückkehr nach Sri Lanka befürchtet, die vom subsidiären Schutz nach dem Unionsrecht erfasst würden, nicht jedoch von den Rechtsinstituten des nationalen Schweizer Rechts.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Unabhängig von einem solchen konkreten Vorbringen, das die Relevanz der etwaigen „Schutzlücke“ für einen Asylbewerber in der Situation des Antragstellers verdeutlicht, kann ein solcher Mangel keine Auswirkungen für die Zuständigkeitsbestimmung im Dublin-Verfahren haben. Dementsprechend ist den vom Antragsteller in Bezug genommenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen, welche die dargestellte „Schutzlücke“ in der Schweiz monieren, auch nichts zur Zuständigkeit nach der Dublin III-VO zu entnehmen. Es handelt sich vielmehr um Entscheidungen, die die Voraussetzungen einer Unzulässigkeitsentscheidung gemäß §§ 29 Abs. 1 Nr. 5, 71a Asylgesetz (bei Zweitantrag) aus diesem Grund verneinen, weil in der Schweiz über vollständigen internationalen Schutz – wegen des fehlenden subsidiären Schutzes – noch nicht entschieden worden sei.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Vgl. VG Lüneburg, Beschluss vom 14. März 2018 – 3 B 5/18 –, juris Rn. 16; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 31. Juli 2018 – 3a L 1351/18.A –, S. 5 bis 7 des Entscheidungsumdrucks (soweit ersichtlich nicht veröffentlicht).</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Zu dem vorstehenden Ergebnis passt es, dass in keiner veröffentlichten verwaltungsgerichtlichen Entscheidung zur Zuständigkeitsbestimmung nach der Dublin III-VO systemische Mängel in Bezug auf die Schweiz – und insbesondere in Bezug auf die etwaige Schutzlücke – festgestellt werden. Ein solches Problem wurde bisher soweit ersichtlich nicht thematisiert – nach dem Vorstehenden wohl zu Recht.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Vgl. VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 4. Januar 2018 – 6a L 3589/17.A -, juris, Rdn. 12 ff. m. w. N.; VG Greifswald, Beschluss vom 6: Dezember 2017 - 6 B 2236/17 As HGW -, juris, Rdn. 11; VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 20. März 2018 - 22 L 79/18.A -, juris, Rdn. 27, und vom 16. Juli 2018 – 12 L 3931/17.A –, juris; VG Würzburg, Urteil vom 16. Januar 2018 – W 8 K 17.50655 –, juris; VG München, Beschlüsse vom 11. Mai 2018 – M 21 S 18.31077 –, juris, und vom 12. Juli 2018 – M 18 S 18.51044 –, juris.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Auch in den vorliegenden Berichten über die Menschenrechtslage in der Schweiz von Nichtregierungsorganisationen wird anscheinend die gerügte Schutzlücke im nationalen Schweizer Recht nicht problematisiert.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Vgl. Asylum Information Database (AIDA): SFH/ecre: Country Report: Switzerland – Update 2017; amnesty international (ai) vom 20. Mai 2017: Schweiz 2017, und vom 23. Januar 2018: Schweiz 2017/2018.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Unter diesen Umständen steht gegenwärtig auch im Sinne von § 34a Abs. 1 S. 1 AsylG fest, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Das Bundesamt hat nach dieser gesetzlichen Maßgabe neben zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten und ‑hindernissen auch zu prüfen, ob der Abschiebung inlandsbezogene Vollzugshindernisse entgegenstehen. Für eine insoweit eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde verbleibt daneben kein Raum,</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 - 2 BvR 1795/14 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. August 2011 -18 B 1060/11 -, juris Rdn. 4; OVG Niedersachsen, Urteil vom 4. Juli 2012- 2 LB 163/10 -, juris Rdn. 41; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. Februar 2012 – OVG 2 S 6.12 -, juris Rdn. 4 ff.; VGH Bayern, Beschluss vom 12. März 2014 - 10 CE 14.427 -, juris Rdn. 4; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 25. April 2014 - 2 B 215/14 -, juris Rdn. 7; VGH Baden‑Württemberg, Beschluss vom 31. Mai 2011 - A 11 S 1523/11 -, juris Rdn. 4 ff.; OVG Hamburg, Beschluss vom 3. Dezember 2010 - 4 Bs 223/10 -, juris Rdn. 9 ff.; OVG Mecklenburg‑Vorpommern, Beschluss vom 29. November 2004- 2 M 299/04 -, juris Rdn. 9 ff.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Dies gilt nicht nur hinsichtlich bereits bei Erlass der Abschiebungsanordnung vorliegender, sondern auch bei nachträglich auftretenden Abschiebungshindernissen und Duldungsgründen,</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 - 2 BvR 1795/14-, juris m. w. N.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Derartige zielstaats- oder inlandsbezogene Abschiebungshindernisse sind nicht ersichtlich. Wegen der behaupteten Schutzlücke im nationalen Schweizer Recht in Bezug auf den subsidiären Schutz wird auf die obigen Ausführungen zu systemischen Mängeln verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Sonstige Gründe für ein Überwiegen des Interesses des Antragstellers, von der Vollziehung der Maßnahme vorläufig verschont zu bleiben, gegenüber dem öffentlichen Vollzugsinteresse sind nicht erkennbar.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Es kann offen bleiben, ob der uneingeschränkt auf den streitgegenständlichen Bescheid bezogene Eilantrag des anwaltlich vertretenen Antragstellers dahingehend auszulegen ist, dass er sich mit dem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hilfsweise gegen die in Ziffer 4 des angefochtenen Bescheides bestimmte Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">einer Abschiebung wendet. Im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Gebot der Effektivität des Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) ist im Zweifel anzunehmen, dass der Antragsteller alle in Betracht kommenden Rechtsbehelfe einlegen wollte,</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">vgl. Kopp, VwGO, 20. Aufl., 2014, Rdn. 3 m. w. N.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Dies gilt erst Recht angesichts der in § 34a Abs. 2 Satz 3 AsylG geregelten Antragsfrist für einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots. Eine Auslegung des uneingeschränkt auf den streitgegenständlichen Bescheid bezogenen Antrages dahingehend, dass er Ziffer 4 des Bescheides nicht erfasse, würde zum Verlust dieser Rechtsschutzmöglichkeit führen.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Sollte sich der Eilantrag auch auf die Befristungsentscheidung in Ziffer 4 des Bescheides beziehen, kann er insoweit sinnvollerweise lediglich als Hilfsantrag ausgelegt werden, da im Falle einer mit dem Hauptantrag erstrebten Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Ziffer 3 des angefochtenen Bescheides eine Abschiebung bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht erfolgen dürfte und der Antragsteller daher kein Rechtsschutzbedürfnis für die vorläufige Regelung eventueller Wirkungen seiner Abschiebung nach § 11 AufenthG hätte.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Ein hilfsweise gestellter Antrag in Bezug auf das mit einer Abschiebung verbundene gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG (Ziffer 4 des streitgegenständlichen Bescheides) hätte indes keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Er wäre zulässig, aber unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Ausgehend davon, dass die Abschiebung ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auslöst,</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">vgl. BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - BVerwG 1 C 26.14 -, juris Rn. 27,</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">ist die streitgegenständliche Entscheidung über die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots nach gegenwärtigem Sach- und Streitstand rechtlich nicht zu beanstanden, insbesondere frei von Ermessensfehlern. Der Antragsteller hat weder einen Anspruch auf Aufhebung der Befristungsentscheidung noch auf eine kürzere Befristung.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Bei der Entscheidung über die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG, die von Amts wegen zu erfolgen hat (§ 11 Abs. 2 S. 1 AufenthG) handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, § 11 Abs. 3 S. 1 AufenthG. Diese ist gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar, nämlich nur darauf, ob die Behörde das Ermessen in seiner Reichweite erkannt, ihre Erwägungen am Zweck der Ermessensermächtigung ausgerichtet und die gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens nicht überschritten hat, § 114 Satz 1 VwGO, § 40 VwVfG.</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Nach diesen Maßstäben begegnet die Befristungsentscheidung des Bundesamtes keinen rechtlichen Bedenken. Mit einer Befristung auf 9 Monate ab dem Tag der Abschiebung hat das Bundesamt die Reichweite seines Ermessens nicht überschritten. Aus der Begründung ist zudem erkennbar, dass es seine Erwägungen am Zweck der Ermessensermächtigung ausgerichtet hat, indem es das öffentliche Interesse an dem Verbot einer kurzfristigen Wiedereinreise des Antragstellers mit dessen Interesse an einer erneuten Einreise in das Bundesgebiet abgewogen hat. Dabei hat es mit Hinweis darauf, dass besondere schutzwürdige Interessen des Antragstellers an einer kurzfristigen Wiedereinreise nicht ersichtlich sind, das öffentliche Interesse in nicht zu beanstandender Weise entsprechend seiner ständigen Verwaltungspraxis für vergleichbare Fälle gewichtet.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Vgl. zur Überprüfung der Ermessensentscheidung nach § 11 Abs. 2 und 3 AufenthG auch: OVG NRW, Urteil vom 19. Mai 2017 ‑ 11 A 52/17.A ‑, Rdn. 110, juris.</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Schließlich ist auch nichts dafür ersichtlich, dass das Bundesamt diese Abwägung auf der Grundlage eines falschen Sachverhalts vorgenommen hätte oder sich der entscheidungserhebliche Sachverhalt nachträglich in einer Weise verändert hätte, die eine Ergänzung der Ermessensausübung erfordern würde.</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 RVG.</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).</p>
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<p>Der Antrag wird abgelehnt.</p>
<p>Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.</p>
<p>Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf die Wertstufe bis 7.000,00 Euro festgesetzt.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">G r ü n d e :</span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Antrag hat keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Aus den im Zulassungsantrag dargelegten Gründen, die der Senat allein zu prüfen hat, ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Stützt der Rechtsmittelführer seinen Zulassungsantrag auf diesen Zulassungsgrund, muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzen. Dabei muss er den tragenden Rechtssatz oder die Feststellungen tatsächlicher Art bezeichnen, die er mit seinem Antrag angreifen will, und mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellen. Diesen Anforderungen entspricht das Zulassungsvorbringen nicht.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Das Verwaltungsgericht hat die angefochtene Entlassungsverfügung der Beklagten vom 23. September 2015 aufgehoben, da diese rechtswidrig sei und den Kläger in seinen Rechten verletzte. Zwar könnten Beamte auf Widerruf nach § 23 Abs. 4 Satz 1 BeamtStG jederzeit aus einem sachlichen Grund entlassen werden. Nach Satz 2 der Vorschrift solle jedoch die Gelegenheit zur Beendigung des Vorbereitungsdienstes und zur Ablegung der Prüfung gegeben werden. Unzureichende Leistungen könnten danach zwar die vorzeitige Beendigung des Vorbereitungsdienstes rechtfertigen. Dies erfordere aber die auf eine tragfähige Grundlage gestützte Prognose, dass der Beamte das Ziel des Vorbereitungsdienstes - den Erwerb der Laufbahnbefähigung - aufgrund nachhaltig unzureichender Leistungen auch bei wohlwollender Betrachtung aller Voraussicht nach nicht erreichen werde und die Fortsetzung der Ausbildung damit sinnlos oder absehbar sei, dass der Beamte die persönlichen Eignungsanforderungen für die angestrebte Laufbahn nicht erfüllen werde. Da die hier noch maßgebliche Ausbildungsordnung - Verordnung über die Ausbildung und Prüfung für die Laufbahn des mittleren feuerwehrtechnischen Dienstes im Lande Nordrhein-Westfalen (vom 15. Dezember 2009, in Kraft bis zum 31. Dezember 2015, GV. NRW. S. 857, geändert durch VO vom 23. November 2012, GV. NRW. S. 640, im Folgenden: VAPmD-Feu) - dem Beamtenbewerber eine Wiederholungsmöglichkeit einräume, sei in diesem Stadium der Ausbildung kein Raum für eine Entlassung aufgrund mangelhafter Leistungen gewesen. Sie lasse sich auch nicht aufgrund der von der Beklagten angeführten Leistungsbewertungen im Übrigen rechtfertigen, da die Bestimmungen der VAPmD-Feu maßgeblich für die zu fordernden Leistungsnachweise und die Nichtbestehensfolgen seien. Diese Vorgaben könnten weder durch weitere, außerhalb der Anforderungen der VAPmD-Feu stehende Bewertungen noch durch die Ergebnisse in Ausbildungsabschnitten, in die der Kläger nicht hätte überwiesen werden dürfen, umgangen werden. Im Übrigen zeige der zeitliche Ablauf, dass Grund für die Entlassung nicht die mangelhafte Leistung gewesen sei, sondern der Umstand, dass die Beklagte die erforderliche Wiederholung des Ausbildungsabschnitts organisatorisch nicht zeitnah entsprechend den Vorgaben der VAPmD-Feu habe umsetzen können. Die in § 3 VAPmD-Feu vorgesehene zeitliche Obergrenze für die Ausbildung von zwei Jahren stehe dem nicht entgegen, da deren Anwendung dem Kläger die ihm grundsätzlich eingeräumte „zweite Chance“ interessenwidrig verwehre und dies eine unverhältnismäßige Beschränkung seiner unter dem Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG stehenden Rechtsposition bedeutete.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die gegen diese näher begründeten Annahmen des Verwaltungsgerichts erhobenen Einwendungen der Beklagten greifen nicht durch. Deren Zulassungsvorbringen macht nicht erkennbar, dass das Verwaltungsgericht die Entlassungsverfügung vom 23. September 2015 zu Unrecht aufgehoben hat.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte irrt, wenn sie geltend macht, ihr habe bei der Entlassung des Klägers aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf ein weiter, nur durch das Willkürverbot begrenzter Ermessensspielraum zugestanden, den das Verwaltungsgericht in rechtswidriger Weise eingeengt habe.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Zwar können Beamtinnen und Beamte auf Widerruf gemäß § 23 Abs. 4 Satz 1 BeamtStG jederzeit entlassen werden. Jedoch wird das dem Dienstherrn in Bezug auf die Entlassung eingeräumte weite Ermessen durch § 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG dahingehend eingeschränkt, dass eine Entlassung während des Vorbereitungsdienstes nur in begründeten Ausnahmefällen zulässig ist. Beamten im Vorbereitungsdienst - wie dem Kläger - soll nach § 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG Gelegenheit zur Beendigung des Vorbereitungsdienstes und zur Ablegung der Prüfung gegeben werden. Daher kommt eine Entlassung eines Widerrufsbeamten während des Vorbereitungsdienstes nur ausnahmsweise in Betracht. Die Entlassung ist nur dann ermessensfehlerfrei möglich, wenn die tragenden Ermessenserwägungen mit dem Sinn und Zweck des Vorbereitungsdienstes in Einklang stehen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 12. Juni 2017 - 6 B 1450/16 -, juris Rn. 7, vom 1. Februar 2016 - 6 A 1891/14 -, NWVBl 2016, 283 = juris Rn. 19, und vom 20. August 2012 - 6 B 776/12 -, juris Rn. 13.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Das (eingehende) Vorbringen zum nach § 23 Abs. 4 Satz 1 BeamtStG bestehenden weiten Spielraum des Dienstherrn, zu dem die Beklagte eine Entscheidung des Bayerischen VGH sowie den Beck Onlinekommentar zitiert, geht ins Leere. Denn es liegt - wie die Beklagte selbst erkennt - ein Fall des § 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG vor, in dem jener Spielraum deutlich eingeschränkt ist. Auch ist die streitgegenständliche Entlassung - wie auch die Beklagte einräumt - nicht auf die mangelnde charakterliche Eignung des Klägers gestützt, worauf sich die genannten  Fundstellen jedoch nur beziehen. Die Erwägungen sind auch nicht - wie die Beklagte meint - im Wege eines Erst-Recht-Schlusses auf die Entlassung mangels fachlicher Eignung übertragbar; vielmehr geht die Ausbildungsordnung mit der Einräumung von Wiederholungsmöglichkeiten davon aus, dass sich fachliche Defizite beheben lassen. Dies gilt für charakterliche Eignungsmängel allenfalls sehr eingeschränkt.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Mit dem Verweis auf „objektiv manifestierte Schlechtleistungen“ des Klägers zeigt die Beklagte ebenfalls keine ernstlichen Richtigkeitszweifel an der angegriffenen Entscheidung auf. Zur Begründung führt sie lediglich tabellarisch die Ergebnisse in den bislang erbrachten Leistungsnachweisen sowie in weiteren Lernerfolgskontrollen und Leistungsbewertungen an. Dieses Vorbringen führt schon deswegen nicht weiter, weil es nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts auf die Ergebnisse dieser Leistungsnachweise und Lernerfolgskontrollen hier nicht ankommt. Es hat insoweit ausgeführt, dass die von der Beklagten angeführten Leistungsbewertungen, die nach der VAPmD-Feu nicht vorgesehen seien, für eine (negative) Prognose nicht herangezogen werden dürften. Das betreffe ebenso Leistungsnachweise in Ausbildungsabschnitten, für die der Kläger noch gar nicht zugelassen gewesen sei. Entsprechendes gelte für den nicht bestandenen Ausbildungsabschnitt nach der VAPmD-Feu, da der Kläger diesen hätte wiederholen dürfen. Die vom Verwaltungsgericht angenommene mangelnde Berücksichtigungsfähigkeit der genannten Leistungen wird mit dem Zulassungsvorbringen, das sich damit nicht auseinandersetzt, nicht schlüssig in Frage gestellt.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Zur Begründung ihrer Auffassung, die der Verlängerung des Vorbereitungsdienstes entgegenstehenden Gründe müssten dienstherrnbezogen sein, verweist die Beklagte lediglich auf die entsprechende Kommentierung bei Reich, BeamtStG (wohl: 3. Auflage 2018), § 23 Rn. 31, die ihrerseits ebenfalls ohne Begründung bleibt. Wäre diese - mit der Senatsrechtsprechung und anderer Literatur nicht in Einklang stehende - Ansicht richtig, entzöge die Beklagte zunächst ihrem eigenen Vorbringen die Grundlage, die schlechten Leistungen des Klägers schlössen die Einräumung einer Nachprüfungsmöglichkeit aus. Eine nähere Auseinandersetzung mit dieser Auffassung ist aber nicht nur aufgrund der unzureichenden Darlegung, sondern auch deshalb entbehrlich, weil (auch) das Verwaltungsgericht nicht in Zweifel gezogen hat, dass der Dienstherr hier auf seinen Bereich bezogene, der Einräumung einer Nachprüfungsmöglichkeit entgegen stehende Gründe geltend machen kann; es hat sie indessen angesichts der grundrechtlich geschützten Rechtsposition des Klägers als unbeachtlich angesehen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Nicht zum Erfolg führt der Einwand der Beklagten, ihr sei es unter Beachtung von § 3 VAPmD-Feu aus organisatorischen Gründen faktisch unmöglich gewesen, den Kläger weiter auszubilden; eine über den zeitlichen Rahmen des § 3 VAPmD-Feu hinausgehende Verlängerung des Vorbereitungsdienstes auf insgesamt mehr als zwei Jahre sei ihr nicht zumutbar gewesen. Das Verwaltungsgericht hat vielmehr rechtsfehlerfrei angenommen, eine Entlassung wegen der ansonsten nicht einzuhaltenden zeitlichen Obergrenze des § 3 VAPmD-Feu sei eine unverhältnismäßige Beschränkung der Rechtsposition des Klägers und damit ermessensfehlerhaft. Aus § 9 Abs. 2 Sätze 2 und 3 VAPmD-Feu folgt, dass von dem Beamten im Fall des Nichtbestehens eines Ausbildungsabschnitts die - der Empfehlung des Ausbildungsleiters entsprechenden - Teile der Ausbildung zu wiederholen sind und die Ausbildungszeit in dem erforderlichen Umfang zu verlängern ist; erst nach Wiederholung des Ausbildungsabschnitts und zusammenfassender Beurteilung des Beamten mit weniger als 5,0 Punkten endet sein Beamtenverhältnis. Die Beklagte überschreitet ihr Ermessen, wenn sie die dem Kläger danach zustehende Möglichkeit auf Fortsetzung der Ausbildung (allein) wegen der anderenfalls drohenden Überschreitung der höchstens zulässigen Ausbildungszeit versagt. Eine solche Abwägung würde nicht hinreichend berücksichtigen, dass mit der vorzeitigen Beendigung des Vorbereitungsdienstes auf Seiten des Klägers eine grundrechtlich geschützte Rechtsposition (Art. 12 Abs. 1 GG) betroffen ist, deren Verwirklichung allein von der Organisation der Ausbildung durch die Beklagte abhängt, auf die der Kläger keinen Einfluss hat.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte macht insoweit erfolglos geltend, die VAPmD-Feu solle einen Interessenausgleich herstellen, in dem auch das Interesse des Dienstherrn an einer überschaubaren Ausbildungsdauer mit begrenztem finanziellen Aufwand nicht vollkommen ausgeblendet werden könne. Dem Verordnungsgeber dürfte - so die Beklagte weiter - bei der Festlegung der Höchstdauer der Ausbildung bekannt und bewusst gewesen sein, dass die Feuerwehrausbildung eine Gruppenausbildung sei und dies die Wiederholung von Ausbildungsabschnitten praktisch erschweren oder sogar unmöglich machen könne.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Daran ist richtig, dass die VAPmD-Feu</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">- nicht grundlegend verändert, sondern sogar noch weitergehend im Übrigen die Verordnung über die Ausbildung und Prüfung für die Laufbahn des zweiten Einstiegsamtes der Laufbahngruppe 1 des feuerwehrtechnischen Dienstes im Land Nordrhein-Westfalen, in Kraft getreten am 1. Januar 2016 (GV. NRW. 2015 S. 749); geändert durch Verordnung vom 29. September 2016 (GV. NRW. S. 796), in Kraft getreten mit Wirkung vom 1. Juli 2016, im Folgenden: VAP1.2-Feu, s. dort §§ 8 Abs. 2 Sätze 3 und 5, 3 Abs. 3 Nrn. 2 und 4 -</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">einerseits in § 8 Abs. 1 Satz 3 die Wiederholung nicht bestandener Leistungsnachweise und darüber hinaus - im wiederholten Misserfolgsfall - in § 9 Abs. 2 Satz 2 die Wiederholung von Ausbildungsabschnitten unter Verlängerung der Ausbildungszeit vorsieht. Andererseits ist die Verlängerung der Ausbildung gemäß § 3 Abs. 2, 1. Hs. VAPmD-Feu auf höchstens sechs Monate beschränkt. In Fällen wie dem vorliegenden, in dem der Dienstherr die Ausbildung für den mittleren feuerwehrtechnischen Dienst als (nur) einmal jährlich beginnende Gruppenausbildung ausgestaltet hat, sind diese beiden rechtlichen Vorgaben - bei Beibehaltung jener Ausgestaltung - nicht gleichzeitig zu erfüllen; denn soweit der Ausbildungsabschnitt erst im darauffolgenden Jahr wiederholt werden kann, ist die höchstmögliche Verlängerungsdauer unmittelbar überschritten. Dafür, dass dem Verordnungsgeber dieses Problem bekannt war, spricht die in § 3 Abs. 2, 2. HS VAPmD-Feu eröffnete Möglichkeit der Wiederholung von Zeiten der Ausbildung bei einer anderen Ausbildungsbehörde (jetzt § 3 Abs. 2 Satz 2 VAP1.2-Feu). Dies löst das Problem aber nur teilweise, wenn nämlich - was hier nicht der Fall war - eine andere Ausbildungsbehörde dazu bereit und in der Lage ist. Dazu, wie mit den in einer Konstellation wie der vorliegenden widersprüchlichen Rechtsregeln umzugehen ist, gibt die VAPmD-Feu keine Antwort. Der Zulassungsantrag macht nicht erkennbar, aufgrund welcher Zusammenhänge in dieser Konstellation der in § 9 Abs. 2 Satz 2 VAPmD-Feu verbürgte Anspruch des Auszubildenden zurückzutreten hätte. Hiergegen sprechen vielmehr die vom Verwaltungsgericht angeführten Erwägungen, insbesondere der Umstand, dass die Rechtsposition des Klägers grundrechtlich durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützt ist.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Ohne Erfolg bleibt schließlich das Vorbringen der Beklagten, das Verwaltungsgericht habe ihr „vorgeworfen“, dass die Ausbildung des Klägers nicht durch Überweisung in den nächsten Ausbildungsabschnitt hätte fortgesetzt werden dürfen. Das Verwaltungsgericht hat die Unzulässigkeit der Fortsetzung der Ausbildung im nächsten Abschnitt im Zusammenhang damit angeführt, dass die dort erbrachten (unzureichenden) Leistungen nicht zu Lasten des Klägers in die Prognose einfließen dürften, ob er die Laufbahnbefähigung erreichen werde. Dagegen ist nichts zu erinnern. Es ist vielmehr nachvollziehbar, dass bei aufeinander aufbauenden Ausbildungsabschnitten das Nichtbestehen von Leistungsnachweisen in einem späteren Ausbildungsabschnitt keine hinreichende Aussagekraft für das Erreichen des Ausbildungsziels hat, wenn der Beamte in diesen noch gar nicht hätte eintreten dürfen, weil er einen früheren Ausbildungsabschnitt noch nicht abschließend durchlaufen bzw. erfolgreich absolviert hat.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 40, 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 GKG.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).</p>
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171,232 | ovgnrw-2019-01-21-6-a-146418 | {
"id": 823,
"name": "Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen",
"slug": "ovgnrw",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 6 A 1464/18 | 2019-01-21T00:00:00 | 2019-01-29T12:50:21 | 2019-02-13T12:21:08 | Beschluss | ECLI:DE:OVGNRW:2019:0121.6A1464.18.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.</p>
<p>Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.</p>
<p>Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf bis 25.000 Euro festgesetzt.</p><br style="clear:both">
<h1><span style="text-decoration:underline">Gründe:</span></h1>
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Der Kläger stützt ihn auf die Zulassungsgründe gemäß § 124 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 VwGO. Keiner dieser Zulassungsgründe ist gegeben.</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">I. Das Antragsvorbringen weckt zunächst keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Hinsichtlich dieses Zulassungsgrundes bedarf es einer auf schlüssige Gegenargumente gestützten Auseinandersetzung mit den entscheidungstragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts. Dabei ist innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO in substantiierter Weise darzulegen, dass und warum das vom Verwaltungsgericht gefundene Entscheidungsergebnis ernstlich zweifelhaft sein soll. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Das Verwaltungsgericht hat - zusammengefasst - festgestellt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe. Der Erlass eines Vornahmeurteils komme von Vornherein nicht in Betracht. Auch unabhängig hiervon stehe dem Kläger der streitbefangene Anspruch auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe nicht zu. Ebenso wenig habe die Klage bezüglich einer - mit dem Klageantrag als "Minus" begehrten - Verpflichtung des beklagten Landes Erfolg, über den Antrag des Klägers auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des Vornahme- bzw. Neubescheidungsbegehrens sei die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung. Der zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung 54jährige Kläger habe die in seinem Fall einschlägige gesetzliche Höchstaltersgrenze gemäß § 14 Abs. 3 LBG NRW (42 Jahre) überschritten. Die Einstellungshöchstaltersgrenze gemäß § 14 Abs. 3 LBG NRW verstoße ferner weder gegen Verfassungsrecht noch gegen Unionsrecht. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf ein ausnahmsweises Absehen von der Einstellungshöchstaltersgrenze. Ein solcher Anspruch folge weder aus § 14 Abs. 10 Satz 1 Nr. 1 LBG NRW noch aus § 14 Abs. 10 Satz 1 Nr. 2 LBG NRW. Insoweit seien auch Ermessensfehler nicht erkennbar. Nach Inkrafttreten des § 15a LBG NRW a. F. habe das Ministerium für Schule und Weiterbildung des beklagten Landes mit Erlass vom 4. Januar 2016 (211-1.12.03.03-130435) sein Ermessen in allgemeiner Weise dahingehend ausgeübt, dass in Bezug auf Bewerber, die zum Antragszeitpunkt das 42. Lebensjahr (zuzüglich der Hinausschiebenstatbestände nach § 15a LBG NRW a. F.) bereits vollendet haben, Gründe für eine Ausnahmeentscheidung im Wege der Billigkeit nicht bestünden. Diese allgemeinen Ermessenserwägungen habe sich das beklagte Land auch im Hinblick auf den Verbeamtungsantrag des Klägers vom 23. Juni 2015 mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 3. März 2016 zu eigen gemacht. Sie wiesen die Situation des Klägers betreffend keine erkennbaren Fehler auf. Eine über die in § 14 LBG NRW normierten Ausnahmevorschriften hinausgehende Verpflichtung des beklagten Landes im Wege der Folgenbeseitigung scheide aus.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Diese näher begründeten Annahmen zieht der Antrag auf Zulassung der Berufung nicht schlüssig in Zweifel.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">1. Ohne Erfolg kritisiert der Kläger den Rechtsstandpunkt des Verwaltungsgerichts, maßgeblich für die Entscheidung über den Antrag auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe sei die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts entspricht nicht nur der bisherigen Rechtsprechung des Senats,</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">vgl. OVG NRW, Beschluss vom 11. April 2011 - 6 A 57/11 -, juris Rn. 12 ff.,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">sondern auch der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Danach haben die Verwaltungsgerichte bei der Beurteilung von Verpflichtungs- und Neubescheidungsbegehren Rechtsänderungen zu beachten, die während des behördlichen oder gerichtlichen Verfahrens in Kraft getreten sind, sofern das neue, zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung geltende Recht nichts anderes bestimmt. Dies gilt auch dann, wenn die Verwaltung den Erlass des beantragten Verwaltungsakts rechtswidrig abgelehnt hat, diese Entscheidung aber von einer danach in Kraft getretenen Rechtsänderung gedeckt wird. Relevantes Übergangsrecht, welches die Anwendung älteren, abweichenden Rechts vorsieht, ist hier weder im Landesbeamtengesetz vom 17. Dezember 2015 (GV. NRW. S. 938; im Folgenden: LBG NRW a. F.) noch in der Neufassung des Gesetzes vom 14. Juni 2016 (GV. NRW. S. 310, im Folgenden: LBG NRW n. F.) enthalten.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">BVerwG, Urteil vom 11. Oktober 2016 - 2 C 11.15 -, BVerwGE 156, 180 = juris Rn. 15; OVG NRW, etwa Beschluss vom 30. Juli 2018 - 6 A 2272/16 -, juris Rn. 3.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Ausgehend davon hat das Verwaltungsgericht zu Recht die Regelungen über die Höchstaltersgrenze in der ab 1. Juli 2016 geltenden Fassung auf das Begehren des Klägers angewandt.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">2. Der Kläger macht mit dem Zulassungsantrag ferner erfolglos geltend, das Abwarten des Inkrafttretens einer Neuregelung über die Einstellungshöchstaltersgrenze sei nicht hinnehmbar. Das Zuwarten des beklagten Landes erfüllt insbesondere nicht die Voraussetzungen des § 14 Abs. 10 Satz 1 Nr. 2 LBG NRW n. F.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, etwa Beschluss vom 21. Juli 2017 - 6 A 355/16 -, juris Rn. 12 ff.; entsprechend für die Situation im Jahr 2009 OVG NRW, Beschluss vom 28. November 2013 - 6 A 368/12 -, juris Rn. 42.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Vielmehr ist mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12, 2 BvR 1989/12 -, BVerfGE 139, 19, die dem Antrag des Klägers vorausging, ein Schwebezustand geschaffen worden, während dessen Verwaltung und Gerichte eine Neuregelung abzuwarten hatten.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Vgl. weiter BVerwG, Urteil vom 11. Oktober 2016 - 2 C 11.15 -, a. a. O., Rn. 32.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Es lag deshalb ein zureichender Grund für die Untätigkeit des beklagten Landes im Sinne des § 75 Satz 1 VwGO vor.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. November 2013 - 6 A 368/12 -, juris Rn. 42.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">3. Unverständlich ist das Monitum des Klägers, mit dem er beanstandet, dass sich das Verwaltungsgericht das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Oktober 2016 - 2 C 11.15 - zu eigen gemacht und dieses passagenweise wörtlich zitiert hat. Es ist nicht nachvollziehbar, inwieweit das zur Ergebnisfehlerhaftigkeit der angegriffenen Entscheidung führen könnte.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">4. Entgegen der Auffassung des Klägers hat das Verwaltungsgericht weiter zu Recht entschieden, dass die in § 14 Abs. 3 LBG NRW n.F. bestimmte Höchstaltersgrenze mit dem Grundgesetz und mit Unionsrecht vereinbar ist. Dies entspricht, wie das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sowie des beschließenden Senats.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">BVerwG, Urteil vom 11. Oktober 2016 - 2 C 11.15 -, a. a. O., Rn. 16 ff.; OVG NRW, etwa Beschluss vom 30. Juli 2018 - 6 A 2272/16 -, juris Rn. 11.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Danach verstößt die Regelung insbesondere auch nicht gegen die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. L 303 S. 16) sowie gegen das zur Umsetzung dieser Richtlinie ergangene Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vom 14. August 2006 (BGBl. I S. 1897). Der Kläger setzt dem ohne zureichende Auseinandersetzung mit den diesbezüglichen eingehenden Feststellungen lediglich seine abweichende Rechtsauffassung entgegen. Soweit er geltend macht, die Regelung über das Einstellungshöchstalter sei unverhältnismäßig, weil der Gesetzgeber sein Ziel durch mildere Mittel wie Beschränkungen bei der Versorgung und Anpassungen des Beihilferechts erreichen könnte, werden weder diese Mittel näher noch - erst recht - dargelegt, dass diese gleich wirksam wären wie die getroffene Regelung. Einer Vorlage an den EuGH nach Art. 267 AEUV, die auch das letztinstanzlich zuständige Bundesverwaltungsgericht nicht für geboten erachtet hat, bedurfte und bedarf es vor diesem Hintergrund nicht.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">II. Der weiter geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist ebenfalls nicht gegeben. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine im Berufungsverfahren klärungsbedürftige und für die Entscheidung dieses Verfahrens erhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, deren Beantwortung über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder Weiterentwicklung des Rechts hat. Mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung ist daher eine solche Frage auszuformulieren und substantiiert auszuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Mit dem Vortrag, das Urteil habe "grundsätzliche Bedeutung im Hinblick auf die Wirksamkeit der landeseinheitlichen Regelung der Höchstaltersgrenze für die Einstellung von Beamten", wird keine konkrete Rechtsfrage formuliert. Hinsichtlich der Frage,</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">"ob der Landesgesetzgeber sich darauf (gemeint wohl: auf die Regelung über das Einstellungshöchstalter) beschränken kann, auch im Hinblick darauf, dass geklärt werden muss, ob der Landesgesetzgeber sich darauf beschränken kann, eine Eintrittsaltersregelung zu treffen, wenn es andere mildere Mittel gibt, wie vorstehend dargelegt",</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">bleibt eine zureichende Darlegung ihrer Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit aus. Der Kläger lässt es - wie ausgeführt - schon daran fehlen, näher darzutun, welche Mittel das sein sollen und aufgrund welcher Zusammenhänge sie zur Zielerreichung gleich geeignet sind.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 40, 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2, Sätze 2 und 3 GKG.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 66 Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1 GKG). Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).</p>
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<p>Die Beschwerde wird zurückgewiesen.</p>
<p>Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.</p>
<p>Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 Euro festgesetzt.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">G r ü n d e</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts fristgerecht vorgebrachten Beschwerdegründe, auf deren Prüfung der Senat im Beschwerdeverfahren nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen es nicht, den Beschluss zu ändern und dem im Beschwerdeverfahren weiterverfolgten Antrag der Antragstellerin zu entsprechen,</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, die mit Schreiben vom 15. Januar 2018 verfügte Umsetzung der Antragstellerin einstweilen rückgängig zu machen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit der Begründung abgelehnt, die Antragstellerin habe einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Da eine Umsetzung jederzeit rückgängig gemacht werden könne, könne die Antragstellerin ihr Rechtsschutzziel im Hauptsacheverfahren erreichen. Die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zur Abwendung wesentlicher Nachteile im Sinne des § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sei nicht nötig. In Anbetracht des dem Dienstherrn in diesem Zusammenhang eröffneten weiten Organisationsermessens sei nicht offensichtlich, dass der durch die Umsetzung übertragene Dienstposten dem Statusamt der Antragstellerin (A 16 BBesO) nicht angemessen sei. Diese könne sich deswegen auch mit Blick auf einen etwa angestrebten beruflichen Wechsel bzw. die Bewerbung auf höherwertige Dienstposten weiterhin durch ihre Tätigkeit bewähren. Dass die Umsetzung, wie geltend gemacht, sämtliche Optionen der Antragstellerin vernichte, eine adäquate berufliche Alternative zu finden, sei schon nicht ausreichend dargetan.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerin hat auch mit der Beschwerde das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nicht glaubhaft gemacht.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">1. Die Antragstellerin rügt zunächst, das Verwaltungsgericht habe sich nicht mit ihrer eingehenden und detaillierten Argumentation auseinandergesetzt, die neue Tätigkeit sei nicht amtsangemessen. Diese Argumentation lasse es – was ausreiche – als unplausibel erscheinen, dass der neue Dienstposten nach der Gewichtigkeit der wahrzunehmenden Aufgaben einem Amt der Besoldungsgruppe A 16 BBesO entspreche. Die Antragsgegnerin habe insoweit eine sachgerechte Bewertung der Funktionen gar nicht erst vorgenommen. Das Verwaltungsgericht habe seine Annahme, eine fehlende Amtsangemessenheit sei hier keinesfalls offensichtlich, nicht näher begründet. Der bloße Verweis auf das weite Organisationsermessen des Dienstherrn reiche hierzu nicht aus. Der Vollzug einer Umsetzung, die nicht gewährleiste, dass die neue Verwendung gleichermaßen amtsangemessen sei, verletze den Rechtsstatus des betroffenen Beamten. Er sei insbesondere unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Verfahrenslaufzeiten bei den Verwaltungsgerichten auch für den Interimszeitraum bis zu einer etwaigen Entscheidung in der Hauptsache nicht „tatenlos hinzunehmen“. Vielmehr vertiefe und verfestige sich die Rechtsbeeinträchtigung mit jedem Tag der nicht amtsangemessenen Verwendung.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Soweit mit diesem – auch den Anordnungsanspruch betreffenden – Vorbringen die allein tragende Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung, es fehle an einem Anordnungs<span style="text-decoration:underline">grund</span> angegriffen werden soll, dringt die Beschwerde damit nicht durch.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Soll – wie hier – die Umsetzung einer Beamtin auf einen anderen Dienstposten durch eine einstweilige Anordnung vorläufig abgewehrt werden, so ist ein Anordnungsgrund für eine solche Regelung nur im (besonderen) Einzelfall gegeben. Grundsätzlich können Betroffene insoweit auf den Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren verwiesen werden, weil sie in der Zwischenzeit keinen endgültigen Rechtsnachteil erleiden. Denn eine Umsetzung kann im Grundsatz jederzeit wieder rückgängig gemacht werden. Ein Anordnungsgrund besteht deswegen in Fällen solcher Art nur, wenn dem betroffenen Beamten in sonstiger Weise ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere, (schlechthin) unzumutbare Nachteile drohen, die sich auch bei einem späteren Erfolg im Hauptsacheverfahren nicht mehr ausgleichen lassen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Vgl. etwa OVG NRW, Beschlüsse vom 25. Juni 2001 – 1 B 789/01 –, juris, Rn. 7, vom 7. Oktober 2014– 6 B 1021/14 –, juris, Rn. 5, und vom 9. Juli 2018– 1 B 1329/17 –, juris, Rn. 15 ff.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Zwar ist unter diesen Voraussetzungen grundsätzlich auch der Anspruch des Beamten auf amtsangemessene Beschäftigung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren sicherungsfähig. Jedoch rechtfertigt nicht schon jede nicht mehr in vollem Umfang amtsangemessene Beschäftigung die Annahme eines Anordnungsgrundes. Vielmehr bedarf es dazu einer besonderen Dringlichkeit, die sich aus den näheren Umständen des Einzelfalles ergeben muss.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Vgl. (zuletzt) den Beschluss des Senats vom 9. Juli 2018 – 1 B 1329/17 –, juris, Rn. 17.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Im Rahmen dieser Einzelfallprüfung hängt die Frage der Zumutbarkeit einer – unterstellt – unterwertigen Beschäftigung eines Beamten nicht allein von der Länge des (auch bei starker Belastung der Gerichte im Übrigen nur schwer kalkulierbaren) Zeitraums bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens ab. Daneben muss zumindest gleichrangig die Schwere des Eingriffs im Übrigen bewertet werden. Eine besonders schwere Betroffenheit der Rechtsstellung kann sich insbesondere dann ergeben, wenn die Wertigkeit des übertragenen Dienstpostens erheblich (um mehrere Besoldungsstufen) hinter der Wertigkeit des Statusamtes des Betroffenen zurückbleibt.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 25. Juni 2001– 1 B 789/01 –, juris, Rn. 9, und vom 14. Januar 2009 – 1 B 1286/08 –, Rn. 28.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Unter dem Gesichtspunkt, dass die von der Antragstellerin erstrebte einstweilige Anordnung die Hauptsache jedenfalls zeitweise vorwegnehmen würde, gelten für den Anordnungsgrund zudem erhöhte Anforderungen an den – je nach der Schwere der Betroffenheit im Einzelfall ggf. unterschiedlich zu bemessenden – Grad der Wahrscheinlichkeit, dass im Hauptsacheverfahren eine rechtswidrige unterwertige Beschäftigung auf dem neuen Dienstposten festgestellt wird.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 14. Januar 2009 – 1 B 1286/08 –, juris, Rn. 28, am Ende.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">In Anwendung dieser Maßstäbe zeigt das Beschwerdevorbringen nicht auf, dass der Antragstellerin aufgrund besonderer Umstände ihres Einzelfalles unzumutbare Nachteile drohen. Ihr ist vielmehr zuzumuten, bis zur Entscheidung in der Hauptsache über die streitbefangene Umsetzung auf dem ihr im Zusammenhang mit einer Organisationsänderung im Zentral- und Fachbereich I des Bundesamtes für Naturschutz übertragenen neuen Dienstposten („Stabsstelle Justiziariat, Korruptionsbekämpfung, Sponsoring, Liegenschaftsmanagement, EMAS, Krisenmanagement), der mit der Leitung der neuen Organisationseinheit „Innenrevision“ verbunden wurde, zu verbleiben.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Argumentation der Antragstellerin knüpft, soweit sie sich überhaupt auf den Anordnungsgrund beziehen lässt, nur allgemein daran an, dass die Beschäftigung als solche unterwertig sei und auch mit Blick auf die zu erwartende Verfahrensdauer ihre Rechte beeinträchtige. Eine – nach dem oben Ausgeführten – erforderliche qualifi-zierte und einzelfallbezogene Rechtsbetroffenheit in Gestalt eines unmittelbar von der Umsetzung hervorgerufenen schweren und unzumutbaren Nachteils tritt nicht hervor.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerin bemängelt zudem, dass sich das Verwaltungsgericht in der knappen Begründung des angefochtenen Beschluss nicht konkret und vollständig mit ihrem erstinstanzlichen Vortrag zur fehlenden Amtsangemessenheit der übertragenen Tätigkeit auseinander gesetzt habe. Die damit der Sache nach erhobene Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs greift bereits unabhängig davon, ob der behauptete Verstoß gegeben ist, nicht durch. Das gilt schon deshalb, weil die das Rechtsmittel der Beschwerde eröffnende Regelung des § 146 Abs. 4 VwGO anders als die Vorschriften über Berufung und Revision kein vorgeschaltetes Zulassungsverfahren (mehr) kennt, sondern eine umfassende, nicht z. B. von der erfolgreichen Rüge eines Verfahrensfehlers abhängige Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung nach Maßgabe der Beschwerdebegründung und in den durch die Verfahrensart gezogenen Grenzen ermöglicht.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. Januar 2014– 1 B 1506/13 –, juris, Rn. 7 f., m. w. N.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Außerdem würde ein – nur unterstellter – Erfolg dieser Verfahrensrüge nicht schon aus sich heraus zu der Glaubhaftmachung des für den Erfolg der Beschwerde notwendigen Anordnungsgrundes führen können.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Davon abgesehen verhält sich der angesprochene erstinstanzliche Vortrag der Antragstellerin der Sache nach dazu, ob ein Anordnungsanspruch besteht, weil der übertragene Dienstposten nicht amtsangemessen ist. Die Antragstellerin hat damit die für das Vorliegen eines Anordnungsgrundes geforderte besondere Qualität der geltend gemachten Rechtsbeeinträchtigung nicht ausreichend dargetan. Beispielsweise ergibt sich aus dem im Schriftsatz vom 6. März 2018 vorgenommenen Quervergleich mit anderen Stabsstellen, dass deren Bewertung jedenfalls zum Teil bis zur Besoldungsgruppe A 15 BBesO reicht. Das liegt nur eine (sei es auch qualitativ nicht unbedeutende) Stufe unterhalb der Besoldungsgruppe A 16 BBesO, der die Antragstellerin zugehört. Bei dieser Sachlage drängt sich nicht ohne weiteres auf, dass der Anspruch der Antragstellerin auf amtsangemessene Beschäftigung besonders schwer betroffen wäre.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Vgl. in diesem Zusammenhang etwa den Beschluss des Senats vom 14. Januar 2009 – 1 B 1286/08 –, juris, Rn. 28.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Auch die eingehende textliche Beschreibung der Aufgabengebiete und Einzelaufgaben der neu eingerichteten Stabsstelle in dem von der Antragstellerin erstinstanzlich eingereichten Geschäftsverteilungsplan des Bundesamts für Naturschutz erlaubt weder eine (klare) Zuordnung des Gesamtaufgabenbereichs der Stelle zu einer bestimmten Wertigkeitsstufe noch lässt sich danach der Grad der gemessen am Statusamt der Antragstellerin möglicherweise bestehenden Unterwertigkeit der übertragenen Aufgaben bestimmen.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Ein zwingendes Indiz für eine (krasse) Unterwertigkeit der der neuen Stabsstelle zugewiesenen Aufgaben ergibt sich auch nicht aus dem gerügten Umstand, dass die Antragstellerin in ihrer neuen Funktion nicht unmittelbar zeitnah über ihr zugeordnete Mitarbeiter verfügt hat. Dieser Umstand kann nämlich schon unter Berücksichtigung des Vortrags der Antragstellerin, es sollten zwei Personen aus dem Personalbestand des Bundesamts für Naturschutz rekrutiert werden, lediglich auf einer zeitlichen Verzögerung der Besetzung der im Rahmen der geänderten Organisationsstruktur vorgesehenen nachgeordneten Dienstposten beruhen. Über die weitere Entwicklung des Personalbestandes hat die Antragstellerin in dem Beschwerdeverfahren keine Angaben gemacht.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">2. Die Antragstellerin begründet ihre Beschwerde ferner – wie schon in erster Instanz – damit, die Umsetzung auf den streitbefangenen Dienstposten vernichte für sie sämtliche Optionen, während der Tätigkeit auf diesem Dienstposten durch eigene Bewerbungen eine adäquate berufliche Alternative zu finden. Dies mit dem Verwaltungsgericht zu verneinen, gehe an der Realität vorbei. Bekanntermaßen leite sich aus der Zahl der Mitarbeiter, für die eine Führungskraft (wie die Antragstellerin als vorherige Leiterin einer Abteilung) verantwortlich sei, auch die Dotierung der betreffenden Position ab. Auch in Bewerbungs- und Vorstellungsgesprächen werde danach gefragt. Die Anforderungsprofile setzten in der Regel Erfahrungen in der Leitung größerer Organisationseinheiten voraus.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Dieses Vorbringen vermag einen Anordnungsgrund nicht hinreichend zu stützen. Ihm könnte allenfalls dann Gewicht beigemessen werden, wenn – bei der Annahme einer nach den Umständen des Einzelfalles zugleich schweren und unzumutbaren Betroffenheit – die der Antragstellerin mit der Umsetzung übertragene Tätigkeit (hier: als Beweggrund für eine berufliche Veränderung) mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht amtsangemessen wäre. Das konnte aber – wie oben unter Gliederungspunkt 1. ausgeführt – vorliegend nicht zweifelsfrei festgestellt werden.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Wäre indes eine amtsangemessene Tätigkeit übertragen worden, so müsste der Dienstherr bei der Auswahl bzw. dem Zuschnitt des neuen Dienstpostens auf (potentielle) künftige berufliche Veränderungswünsche der Antragstellerin grundsätzlich keine Rücksicht nehmen. In den Grenzen der Amtsangemessenheit können auch Beamte, die bisher eine „leitende Tätigkeit“ wahrgenommen haben, grundsätzlich nicht verlangen, nach einer Organisationsänderung und/oder Umsetzung eine entsprechende Funktion, zumal bezogen auf eine etwa gleich große Organisationseinheit und eine etwa gleich große Anzahl von unterstellten Mitarbeitern, wieder zu erlangen.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Vgl. dazu, dass Besonderheiten des bisherigen Aufgabenbereichs eines Beamten, darunter auch Leitungsfunktionen, keinen prägenden Einfluss auf das Statusamt haben (müssen) und in diesem Falle auch das Umsetzungsermessen des Dienstherrn nicht einschränken, etwa BVerwG, Urteil vom 28. November 1991 – 2 C 41.89 –, juris, Rn. 20, 22.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Das gilt unabhängig davon, ob eine entsprechende Weiterverwendung für eine künftige berufliche Veränderung hilfreich wäre. Im Übrigen hat die Antragsgegnerin in ihrer Beschwerdeerwiderung zutreffend darauf hingewiesen, dass langjährig in größeren Organisationseinheiten erworbene Führungserfahrungen durch Anschlusstätigkeiten, die diese Besonderheit nicht erfüllen, grundsätzlich nicht verloren gehen.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">3. Das Vorbringen der Antragstellerin dahin, Hintergrund der Umsetzung seien in Wirklichkeit nicht organisationsrechtliche Erwägungen sondern das „Beseitigen einer unbequemen Abteilungsleitung“ gewesen, lässt einen Anordnungsgrund ebenfalls nicht hervortreten. Dieses Vorbringen deutet einen Ermessensmissbrauch zwar an, ist aber angesichts fehlender Erläuterungen substanzlos. Auch der Verwaltungsvorgang bietet keinen Anknüpfungspunkt dafür, dass die Umsetzung willkürlich gewesen wäre und die angeführten Gründe nur vorgeschoben worden wären. Es gibt daher auch keinen Anlass zu weiteren Aufklärungsmaßnahmen des Senats.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 52 Abs. 1 und 2, § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Dieser Beschluss ist hinsichtlich der Streitwertfestsetzung gemäß §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG und im Übrigen nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.</p>
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<div>
<p>I. Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p>II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.</p>
<p>III. Der Gerichtsbescheid ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.</p>
</div>
<h2>Tatbestand</h2>
<div>
<p><rd nr="1"/>Die Beteiligten streiten darum, ob dem Kläger Beihilfe unter Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Jahresfrist oder nach einem Wiederaufgreifen des Verfahrens zu bewilligen ist.</p>
<p><rd nr="2"/>Der am … geborene Kläger stand bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand als Beamter im Dienste der Beklagten (zuletzt als Ministerialrat im Bundesfinanzministerium) und ist daher beihilfeberechtigt. Das Zentrum Bayern Familie und Soziales setzte mit Bescheid vom 6. März 2007 einen Grad der Behinderung (GdB) von 100 fest. Mit Schreiben vom 3. Mai 2007 bevollmächtigte der Kläger seine Lebensgefährtin M.-S. in seinem Namen Beihilfen zu beantragen, alle erforderlichen Erklärungen abzugeben und die in Beihilfeangelegenheiten anfallenden Schreiben und Unterlagen entgegenzunehmen.</p>
<p><rd nr="3"/>Mit zwei Anträgen vom 1. Dezember 2015, eingegangen bei der Beihilfestelle jeweils am 7. Dezember 2015, machte der Kläger Aufwendungen aus dem Zeitraum von November 2012 bis Januar 2015 geltend. Mit Bescheiden vom 18. Dezember 2015 lehnte die Bundesfinanzdirektion Mitte Service-Center Süd-Ost die Gewährung der Beihilfe ab (mit Ausnahme der Rechnungen ab 19. Dezember 2014), da diese nicht innerhalb eines Jahres nach Rechnungsdatum beantragt worden sei (<verweis.norm>§ 54 Abs. 1 <v.abk ersatz="BBhV">BBhV</v.abk></verweis.norm>).</p>
<p><rd nr="4"/>Mit Schreiben vom 17. Juni 2017 bevollmächtigte der Kläger Herrn H., ihn in allen Beihilfeangelegenheiten zu vertreten, da seine frühere Bevollmächtigte am 5. Juni 2017 verstorben sei. Mit Schreiben vom 19. Juni 2017 beantragte der Bevollmächtigte H. die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich des Widerspruchs gegen die Beihilfebescheide vom 18. Dezember 2015. Zur Begründung führte er aus, es lägen Gründe sowohl für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als auch für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens vor. Frau M.-S. habe die Beihilfeangelegenheiten des Klägers seit seinem Schlaganfall jahrelang zuverlässig erledigt. Er selbst sei dazu körperlich und auch geistig nicht mehr in der Lage gewesen. Daher habe er auch nicht erkennen können, dass Frau M.-S. der Sache spätestens ab 2013 nicht mehr gewachsen gewesen sei aufgrund des Altersabbaus. Der Kläger sei nicht mehr geschäftsfähig und müsste unter Betreuung stehen.</p>
<p><rd nr="5"/>Mit Schreiben vom 27. Juli 2017 wurde der Widerspruch als unzulässig verworfen, da der Widerspruch nicht innerhalb der Rechtsbehelfsfrist erhoben worden sei. Es seien keinerlei Gründe vorgebracht worden, warum weder der Beihilfeberechtigte noch die Bevollmächtigte bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist Widerspruch erhoben haben.</p>
<p><rd nr="6"/>Mit Schreiben vom 14. Juli 2017 beantragte der Bevollmächtigte unter anderem erneut Beihilfe für die bereits mit Beihilfebescheiden vom 18. Dezember 2015 abgelehnten Aufwendungen und beantragte das Wiederaufgreifen des Verfahrens. Mit Bescheid vom 27. Juli 2017 wurde der Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens für die Belege Nr. 1 - 49 abgelehnt. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Beihilfebescheide vom 18. Dezember 2015 seien bestandskräftig und somit unanfechtbar. Es sei nicht ersichtlich, dass weder der Kläger noch seine Bevollmächtigte bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist am 25. Januar 2016 nicht in der Lage gewesen seien einen Rechtsbehelf einzulegen. Auch inhaltlich könne der Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens keinen Erfolg haben. Die Sach- und Rechtslage habe sich nicht nachträglich geändert. Es seien keine Beweise vorgelegt worden, die nicht schon zum Zeitpunkt der ursprünglichen Antragstellung hätten vorgetragen werden können.</p>
<p><rd nr="7"/>Mit Schreiben vom 28. August 2017 erhob der Kläger gegen den Widerspruchsbescheid vom 27. Juli 2017 sowie den Bescheid vom 27. Juli 2017 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München. Zur Begründung trug er vor, seine Lebensgefährtin habe sich seit seinem Schlaganfall im Jahr 2006 um seine Beihilfeangelegenheiten gekümmert, da er selbst dazu gesundheitlich nicht mehr in der Lage gewesen sei. Er habe ihr vertraut und habe keinerlei Kenntnisse über die Versäumnisse gehabt. Vor Erlass der ablehnenden Bescheide mit derartig hohen Summen hätte rechtliches Gehör gewährt werden müssen. Das Prinzip der Rechtssicherheit könne hier nicht höher zu bewerten sein als das Alimentationsprinzip (hier: Fürsorgepflicht). Da der Kläger bei einem bekannten schweren Krankheitsbild über zweieinhalb Jahre keinen Beihilfeantrag eingereicht und danach nur Rezepte und keinen einzigen ärztlichen Beleg eingereicht habe, wäre die Beklagte aufgrund der Fürsorgepflicht zu weiterer Sachaufklärung verpflichtet gewesen.</p>
<p><rd nr="8"/>Der Kläger beantragt sinngemäß:</p>
<p>1. Die Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung der Bescheide der Bundesfinanzdirektion Mitte vom 18. Dezember 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der Generalzolldirektion vom 27. Juli 2017 verpflichtet, dem Kläger weitere Beihilfe entsprechend seiner Beihilfeanträge vom 1. Dezember 2015 zu gewähren.</p>
<p>2. Hilfsweise wird die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides der Generalzolldirektion vom 27. Juli 2017 verpflichtet, das Verfahren wiederaufzugreifen und über den Beihilfeanspruch des Klägers erneut zu entscheiden.</p>
<p><rd nr="9"/>Die Beklagte beantragt,</p>
<p>die Klage abzuweisen.</p>
<p><rd nr="10"/>Die Widerspruchsfrist sei bei Eingang des Widerspruchs bereits abgelaufen gewesen. Auch könne ein Jahr seit dem Ende der versäumten Frist die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden, außer wenn dies vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich gewesen sei. Die vorgebrachten gesundheitlichen Gründe des Klägers und seiner damaligen Bevollmächtigten würden keine völlig unerwarteten Ereignisse und damit keine höhere Gewalt darstellen. Es hätten vielmehr Vorkehrungen getroffen und ein anderer Bevollmächtigter bestellt werden können. Da bereits das erforderliche Vorverfahren somit nicht durchgeführt worden sei, sei auch die Klage hinsichtlich des Klagebegehrens zu 1.) unzulässig. Auch würden die gesundheitlichen und altersbedingten Einschränkungen keine Gründe darstellen, warum nicht bereits innerhalb der Rechtsbehelfsfrist Widerspruch habe erhoben werden können. Es hätte zumindest eine andere Person mit der Wahrnehmung der Interessen betraut werden können. Die gesundheitlichen und altersbedingten Beschwerden stellten keine nachträglich geänderte Sach- und Rechtslage dar. Die Gewährung rechtlichen Gehörs sei nach <verweis.norm>§ 28 Abs. 2 Nr. 4 <v.abk ersatz="VwVfG">VwVfG</v.abk></verweis.norm> nicht erforderlich, da die Beklagte täglich eine Vielzahl von gleichartigen Bescheiden mithilfe elektronischer Datenverarbeitung erlasse. Somit sei die Klage hinsichtlich des Klagebegehrens in 2.) unbegründet.</p>
<p><rd nr="11"/>Mit Beschluss vom 11. Dezember 2017 wurde das Verfahren an das örtlich zuständige Bayerische Verwaltungsgericht Würzburg verwiesen.</p>
<p><rd nr="12"/>Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorgelegten Behördenakte sowie der Gerichtsakte und der Gerichtsakte im Verfahren W 1 K 18.16 sowie der vorgelegten Gerichtsakte des AG Kitzingen Az. 03 XVII 151/18 Bezug genommen.</p>
</div>
<h2>Gründe</h2>
<div>
<p><rd nr="13"/>Über die Klage konnte gemäß <verweis.norm>§ 84 Abs. 1 Satz 1 <v.abk ersatz="VwGO">VwGO</v.abk></verweis.norm> nach Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da die Streitsache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der entscheidungserhebliche Sachverhalt geklärt ist.</p>
<p><rd nr="14"/>Die Klage ist hinsichtlich des Klageantrags zu 1.) bereits unzulässig, hinsichtlich des Klageantrags zu 2.) ist sie unbegründet. Der Kläger hat vor Erhebung der Klage kein ordnungsgemäßes Widerspruchsverfahren durchgeführt (<verweis.norm>§ 68 <v.abk ersatz="VwGO">VwGO</v.abk></verweis.norm>), da er erst verspätet (<verweis.norm>§ 70 <v.abk ersatz="VwGO">VwGO</v.abk></verweis.norm>) Widerspruch erhoben hat und die Zurückweisung des Widerspruchs im Widerspruchsbescheid als unzulässig zu Recht erfolgt ist. Dies führt auch zur Unzulässigkeit der später erhobenen Klage gegen den Ausgangsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids (dazu 1.). Zudem steht dem Kläger weder ein Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß <verweis.norm>§ 60 <v.abk ersatz="VwGO (dazu 2">VwGO (dazu 2</v.abk></verweis.norm>.) bzw. <verweis.norm>§ 32 <v.abk ersatz="VwVfG (dazu 3">VwVfG (dazu 3</v.abk></verweis.norm>.) noch auf ein Wiederaufgreifen des Verfahrens gem. <verweis.norm>§ 51 <v.abk ersatz="VwVfG zu (dazu 4">VwVfG zu (dazu 4</v.abk></verweis.norm>.).</p>
<p>1.</p>
<p><rd nr="15"/>Der form- und fristgerecht eingelegte Widerspruch ist Voraussetzung für die ordnungsgemäße Durchführung des Widerspruchsverfahrens und damit zugleich Sachurteilsvoraussetzung für die gerichtliche Entscheidung über eine anschließende Klage. Dabei genügt es für die Zulässigkeit einer Klage nicht, dass überhaupt ein Vorverfahren stattgefunden hat. Erforderlich ist auch, dass das Vorverfahren ordnungsgemäß, d. h. unter Einhaltung der in <verweis.norm>§§ 68 ff. <v.abk ersatz="VwGO">VwGO</v.abk></verweis.norm> für die Einlegung des Widerspruchs vorgeschriebenen Erfordernisse, durchgeführt wurde (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, Vorb. § 68, Rn. 7).</p>
<p><rd nr="16"/>Der Kläger hat vorliegend die Widerspruchsfrist des <verweis.norm>§ 70 Abs. 1 S. 1 <v.abk ersatz="VwGO">VwGO</v.abk></verweis.norm> versäumt, wonach der Widerspruch innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zu erheben ist. Grundsätzlich erfolgt die Bekanntgabe im Zeitpunkt des Zugangs (<verweis.norm>§ 130 <v.abk ersatz="BGB">BGB</v.abk></verweis.norm> analog). Zwar gibt es vorliegend keine Zustellungsnachweise für die Bescheide vom 18. Dezember 2015. Bei einem schriftlichen Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, gilt jedoch prinzipiell die Dreitagesfiktion des <verweis.norm>§ 41 Abs. 2 Satz 1 <v.abk ersatz="VwVfG">VwVfG</v.abk></verweis.norm>, wonach jeder Verwaltungsakt am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post unabhängig vom tatsächlichen Zugangszeitpunkt als bekannt gegeben gilt. Die Stempel mit den Daten „21. Dez. 2015“ und „22. Dez. 2015“ auf den sich in den Akten befindlichen Entwürfen der Bescheide stellen solche Postausgangsvermerke dar. Zudem hat der Kläger weder den Zugang an sich noch den Zeitpunkt des Zugangs bestritten, so dass davon auszugehen ist, dass er den Bescheid nach der üblichen Postlaufzeit, somit spätestens im Januar 2016, erhalten hat (Kopp/Ramsauer, VwVfG; 19. Aufl. 2018, § 41 Rn. 40a ff.).</p>
<p><rd nr="17"/>Die Adressierung und Versendung der Bescheide an die damalige Bevollmächtigte des Klägers erfolgte gem. <verweis.norm>§ 14 Abs. 3 Satz 1 <v.abk ersatz="VwVfG">VwVfG</v.abk></verweis.norm> ordnungsgemäß, da bereits unter dem 3. Mai 2007 eine Vollmacht für die damalige Bevollmächtigte vorgelegt worden ist.</p>
<p><rd nr="18"/>Das früheste als Widerspruch zu wertende Schreiben vom 19. Juni 2017 ging nicht innerhalb eines Monats nach Zugang der Bescheide ein und ist daher verfristet.</p>
<p><rd nr="19"/>Die Widerspruchsbehörde hat auch nicht durch Sachentscheidung den Rechtsweg neu eröffnet. Nach h.M. steht es bei einseitig belastenden Verwaltungsakten im Ermessen der Behörde, durch Sachentscheidung den Rechtsweg neu zu eröffnen, da ihr als Herrin des Vorverfahrens eine entsprechende Kompetenz zukommt (vgl. BVerwGE 15, 306; Kopp/Schenke, a.a.O., § 70 Rn. 9). Infolge dieser Auffassung hat die Widerspruchsbehörde nach Ermessen zu entscheiden, ob sie den Widerspruch wegen Verfristung als unzulässig verwirft oder sachlich bescheidet (vgl. Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2016, § 70 VwGO Rn. 14). Vorliegend hat die Behörde im Widerspruchsbescheid keinerlei Ausführungen zur Sache gemacht, so dass keine neue Rechtswegeröffnung vorliegt.</p>
<p>2.</p>
<p><rd nr="20"/>Dem Kläger kann auch nicht hinsichtlich der von ihm versäumten Widerspruchsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, da er nicht im Sinne des <verweis.norm>§ 60 Abs. 1 <v.abk ersatz="VwGO">VwGO</v.abk></verweis.norm> ohne Verschulden gehindert war, die Widerspruchsfrist einzuhalten.</p>
<p><rd nr="21"/>Verschulden liegt vor, wenn der Beteiligte hinsichtlich der Wahrung der Frist diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Beteiligten im Hinblick auf die Fristwahrung geboten ist und ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falls zuzumuten war (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 60 Rn. 9). Die Fristversäumung fällt in den Verantwortungsbereich des Klägers. Grundsätzlich schließt bereits Fahrlässigkeit die Wiedereinsetzung aus, wobei an die Sorgfaltspflicht höhere Anforderungen gestellt werden, sofern es sich bei dem Antragsteller um keinen juristischen Laien, sondern um eine im Umgang mit Behörden und Gerichten erfahrene Person handelt (Kopp/Schenke, a.a.O., § 60 Rn. 9). Es ist somit auf die Lebensverhältnisse des Klägers abzustellen. Der Kläger ist Jurist und war zuletzt als Ministerialrat im Bundesfinanzministerium beschäftigt. Er ist daher keine im Umgang mit Behörden und Gerichten unerfahrene Person. Seine Vorbildung und seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit lassen den Schluss zu, dass er den Gehalt einer Rechtsbehelfsbelehrung:und die Wichtigkeit der Einhaltung von laufenden Fristen erfassen konnte.</p>
<p><rd nr="22"/>Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der körperlichen und geistigen Verfassung des Klägers. Eine Erkrankung kann eine Fristversäumung hierbei nur dann entschuldigen, wenn sie so schwer war, dass der Betroffene weder selbst handeln konnte noch imstande war, einen Bevollmächtigten mit der Wahrnehmung seiner Interessen zu beauftragen und im gebotenen Umfang zu informieren (BVerwG v. 27.9.1993 Buchholz 310 <verweis.norm>§ 60 <v.abk ersatz="VwGO">VwGO</v.abk></verweis.norm> Nr. 185; Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 60 Rn. 12). Ausweislich des im Betreuungsverfahren durch das AG Kitzungen eingeholten Gutachtens des Dr. S. vom 18. Juni 2018 hat der Kläger eine alltagsrelevante körperliche Behinderung in der Folge eines Schlaganfalls in Form einer spastischen Halbseitenlähmung rechts, einer sensorischen (anomischen, lexikalischen) Aphasie sowie einer zusätzlichen feinmotorischen Störung der rechten Hand durch eine Dupuytren-Kontraktur. Von einer dem klinischen Eindruck nach leichtgradigen, am ehesten hirnorganisch begründbaren Merkfähigkeitsstörung abgesehen, lassen sich keine floride psychische Verhaltensstörung und namentlich keine Demenz erkennen. Es besteht keine primäre geistige Behinderung. Der Kläger kann seine persönlichen Angelegenheiten nicht mehr eigenständig, eigenverantwortlich und zeitgerecht besorgen. Es ist jedoch keine Beeinträchtigung der freien Willensbestimmung durch eine psychische Störung auffällig geworden. Der Gutachter zieht daraus den nachvollziehbaren Schluss, dass der Kläger derzeit in der Lage ist seine behinderungsbedingte Überforderung mit dem Überblicken komplexer Sachverhalte und seine in Verlust geratene Fähigkeit, seine persönlichen Angelegenheiten zu besorgen, zu erkennen. Er vermag sich noch einen hinreichend realitätsnahen Überblick über seine gegenwärtige Lebenssituation zu verschaffen und nach zutreffend gewonnenen Einsichten planvoll zu seinem Wohl zu entscheiden. Dementsprechend hat das AG Kitzingen die Einrichtung einer Betreuung nicht vorgenommen.</p>
<p><rd nr="23"/>Zwar beziehen sich die Feststellungen im Gutachten nur auf den Begutachtungszeitpunkt am 18. Juni 2018. Es ist jedoch weder dargetan noch aus den vorgelegten Unterlagen ersichtlich, dass zu den streitgegenständlichen Zeiträumen ein verschlechterter Gesundheitszustand des Klägers insbesondere psychischer und geistiger Art vorlag. Insbesondere ist nicht substantiiert dargelegt, warum der Kläger damals - anders als heute - nicht geschäftsfähig gewesen sein soll.</p>
<p><rd nr="24"/>Daher ist nicht ersichtlich, dass es dem Kläger unmöglich war, das Unvermögen seiner damaligen Bevollmächtigten zur ordnungsgemäßen und insbesondere fristgerechten Erledigung seiner Beihilfeangelegenheiten zu erkennen. Seine Bevollmächtige befand sich 2013 einmal und 2014 mehrere Male in einer Klinik. Zudem wurde ab Mai 2014 häusliche Pflege für den Kläger verordnet, da seine Bevollmächtigte ihn nicht mehr ausreichend versorgen konnte. Dies hätte den Kläger dazu veranlassen müssen, jedenfalls die Erledigung seiner finanziellen Angelegenheiten durch die damalige Bevollmächtigte zu überwachen oder einen neuen Bevollmächtigten zu beauftragen. Es handelt sich beim Ausfüllen eines Beihilfeantrages samt Zusammenstellung der Belege um eine einfache Tätigkeit, die von jeder erwachsenen Person übernommen werden kann. Es ist zwar nicht von der Hand zu weisen, dass es sich um eine persönliche Angelegenheit handelt, es wäre dem Kläger jedoch möglich gewesen, einen von Berufs wegen zur Verschwiegenheit verpflichteten Dritten oder aber einen nahen Angehörigen oder Bekannten damit zu beauftragen, wie nunmehr beispielsweise seinen dazu auch bereiten Cousin. Auffällig erscheint auch, dass die streitgegenständlichen Beihilfeanträge vom 1. Dezember 2015 gerade nicht von der damaligen Bevollmächtigten sondern vom Kläger selbst unterzeichnet sind und er daher bei der Unterschriftsleistung die Anträge auch inhaltlich hätte überprüfen und somit die Versäumnisse seiner Bevollmächtigten hätte erkennen können und müssen. Zudem hätte er auch die Bescheide vom 18. Dezember 2015 entsprechend überprüfen und gegen diese fristgerecht Widerspruch einlegen können.</p>
<p>3.</p>
<p><rd nr="25"/>Aus den gleichen Gründen kommt auch hinsichtlich der versäumten Frist des <verweis.norm>§ 54 Abs. 1 Satz 1 <v.abk ersatz="BBhV">BBhV</v.abk></verweis.norm> keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. <verweis.norm>§ 32 <v.abk ersatz="VwVfG">VwVfG</v.abk></verweis.norm> in Betracht.</p>
<p>4.</p>
<p><rd nr="26"/>Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens gem. <verweis.norm>§ 51 <v.abk ersatz="VwVfG">VwVfG</v.abk></verweis.norm> zu.</p>
<p><rd nr="27"/>Mit Schreiben vom 14. Juli 2017 beantragte der nunmehrige Bevollmächtigte des Klägers die nochmalige nachträgliche Erstattung von Beihilfe zu den in Rede stehenden Beihilfebescheiden.</p>
<p><rd nr="28"/>Gem. <verweis.norm>§ 51 Abs. 1 <v.abk ersatz="VwVfG">VwVfG</v.abk></verweis.norm> hat die Behörde auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat (Nr. 1), neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden (Nr. 2) oder Wiederaufnahmegründe entsprechend <verweis.norm>§ 580 <v.abk ersatz="ZPO">ZPO</v.abk></verweis.norm> gegeben sind (Nr. 3). Der Antrag ist nach <verweis.norm>§ 51 Abs. 2 <v.abk ersatz="VwVfG">VwVfG</v.abk></verweis.norm> nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf geltend zu machen.</p>
<p><rd nr="29"/>Dies zugrunde gelegt liegen die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens vorliegend nicht vor. Eine nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage oder Wiederaufnahmegründe entsprechen <verweis.norm>§ 580 <v.abk ersatz="ZPO">ZPO</v.abk></verweis.norm> liegen nicht vor. Auch wurden keine neuen Beweismittel vorgelegt, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden. Die Atteste und Arztbriefe der früheren Bevollmächtigten des Klägers führen, wie oben bereits dargelegt, nicht zu einer günstigeren Entscheidung für den Kläger. Daraus ergibt sich lediglich, dass der Kläger das Unvermögen seiner Bevollmächtigten hätte erkennen und diese daher überwachen bzw. einen neuen Bevollmächtigten bestellen müssen. Aus den vorgelegten Attesten den Kläger betreffend ergeben sich lediglich körperliche, jedoch keine geistigen Einschränkungen. Im Übrigen hätten diese Atteste bereits im früheren Verwaltungsverfahren vorgelegt werden können, so dass auch aus diesem Grund ein Wiederaufgreifen ausscheidet.</p>
<p><rd nr="30"/>Auch ein Wiederaufgreifen im weiteren Sinn gem. § 51 Abs. 5 i.V.m. <verweis.norm>§ 49 <v.abk ersatz="VwVfG">VwVfG</v.abk></verweis.norm> kommt nicht in Betracht.</p>
<p><rd nr="31"/>Ausnahmen im Sinne einer Ermessensreduktion auf null sind nur in solchen Fällen denkbar, in denen Umstände vorliegen, die in ihrer Bedeutung mit den in <verweis.norm>§ 51 Abs. 1 Nr. 1-3 <v.abk ersatz="VwVfG">VwVfG</v.abk></verweis.norm> geregelten vergleichbar sind und darüber hinaus ein Festhalten an der Entscheidung wegen deren offenkundiger Rechtswidrigkeit oder aus sonstigen Gründen „schlechthin unerträglich“ wäre (st. Rspr, BVerwG, U.v. 9.5.2012 - 6 C 3/11; U.v. 24.2.2011 - 2 C 50/09; U.v. 27.1.1994 - 2 C 12/92 - jeweils juris). Eine offenkundige Rechtswidrigkeit liegt gerade nicht vor. Auch sonstige Gründe, die das Festhalten an der Entscheidung schlechthin unerträglich erscheinen lassen, liegen nicht vor. Weder ist ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz erkennbar, da der Kläger nicht vorgetragen hat, dass die Beihilfestelle in vergleichbaren Fällen anders entschieden hat, noch liegt ein Verstoß gegen die guten Sitten oder Treu und Glauben vor. Auch droht dem Kläger kein unwiderruflicher Schaden an Rechtsgütern von grundlegender Bedeutung (vgl. BeckOK VwVfG, Stand: 1.4.2018, § 51 Rn. 5e).</p>
<p>5.</p>
<p><rd nr="32"/>Nach alledem war daher die Klage mit der Kostenfolge des <verweis.norm>§ 154 Abs. 1 <v.abk ersatz="VwGO">VwGO</v.abk></verweis.norm> abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus <verweis.norm>§ 167 <v.abk ersatz="VwGO">VwGO</v.abk></verweis.norm> i.V.m. <verweis.norm>§§ 708 Nr. 11, 711 <v.abk ersatz="ZPO">ZPO</v.abk></verweis.norm>.</p>
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} | 10 O 4/18 | 2019-01-18T00:00:00 | 2019-02-11T11:04:03 | 2019-02-13T12:21:08 | Urteil | ECLI:DE:LGD:2019:0118.10O4.18.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.</p>
<p>Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">Tatbestand:</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger begehrt von der Beklagten die Rückabwicklung eines von ihm widerrufenen Darlehensvertrags.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Mit Darlehensvertrag vom 29.01.2016 gewährte die Beklagte dem Kläger zur (Teil-) Finanzierung des Kaufpreises für das im Klageantrag zu 2. näher bezeichnete Kraftfahrzeug ein Darlehen über einen Nettokreditbetrag von 10.000,00 € zu einem Sollzinssatz von 3,919 % p. a. mit einer Laufzeit von 60 Monaten. Wegen des näheren Vertragsinhalts – insbesondere der auf Seite 4 der Vertragsurkunde abgedruckten Widerrufsinformation – wird auf die Anlage KGR 1 Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Kläger leistete eine Anzahlung in Höhe von 5.000,00 € an den verkaufenden Händler sowie Zins- und Tilgungsleistungen in Höhe von 1.950,58 € an die Beklagte. Mit Schreiben vom 15.07.2017 (Anlage KGR 2) erklärte er den Widerruf seiner auf den Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung, welchen er anschließend mit anwaltlicher Hilfe durchzusetzen versuchte.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Er ist der Ansicht, die Widerrufsfrist sei noch nicht abgelaufen, weil die Beklagte bei Vertragsschluss nicht ordnungsgemäß über das Widerrufsrecht informiert und weitere Pflichtangaben nicht ordnungsgemäß erteilt habe.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">1.              festzustellen, dass aufgrund des wirksam erfolgten Widerrufs das Darlehensverhältnis beendet ist und die Beklagte aus dem Darlehensvertrag vom 29.01.2016 mit der Darlehensnummer h) über ursprünglich 10.000,00 € keine Rechte – insbesondere keinen Anspruch auf Zahlung der Zins- und Tilgungsleistungen – (mehr) herleiten kann,</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">2.              die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 6.950,58 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB ab dem 01.08.2017 binnen sieben Tage nach Übergabe des Fahrzeugs i), Fahrgestellnummer j), zu zahlen,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">3.              festzustellen, dass die Beklagte sich mit der Entgegennahme des Fahrzeugs aus dem Antrag zu 2. in Annahmeverzug befindet,</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">4.              die Beklagte zu verurteilen, die zur Sicherung des widerrufenen Darlehensvertrags aus dem Antrag zu 1. abgetretenen Lohn- und Gehaltsansprüche binnen sieben Tage nach Übergabe des Fahrzeugs aus dem Antrag zu 2. rückabzutreten,</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">5.              die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 1.242,84 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit für außergerichtliche anwaltliche Rechtsverfolgung zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Sie hält den Widerruf für verfristet, jedenfalls aber für rechtsmissbräuchlich. Hilfsweise für den Fall, dass das Gericht den Widerruf für wirksam erachtet, beantragt sie,</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">festzustellen, dass der Kläger verpflichtet ist, Wertersatz für einen bei Rückgabe vorhandenen Wertverlust des PKW i), Fahrzeug-Ident.-Nr. j) an sie zu leisten, soweit der Wertverlust auf einen Umgang mit dem Fahrzeug zurückzuführen ist, der über die Prüfung der Eigenschaften und der Funktionsweise hinausgeht.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">die Hilfswiderklage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">Entscheidungsgründe:</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks"><strong>I.</strong></p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Der streitgegenständliche Darlehensvertrag hat sich durch den am 15.07.2017 erklärten Widerruf nicht gemäß § 355 Abs. 1 S. 1 BGB in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt, weil das gemäß § 495 BGB (in der vom 13.06.2014 bis 20.03.2016 gültigen Fassung, im Folgenden: a. F.) grundsätzlich bestehende Widerrufsrecht im Zeitpunkt seiner Ausübung bereits erloschen war.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Gemäß § 495 Abs. 1 BGB a. F. i. V. m. § 355 BGB stand dem Kläger das Recht zu, seine auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung innerhalb von 14 Tagen zu widerrufen. Die Widerrufsfrist begann gemäß § 355 Abs. 2 S. 2 BGB mit Vertragsschluss und gemäß § 356b Abs. 1 BGB (in der vom 13.06.2014 bis 20.03.2016 gültigen Fassung, im Folgenden: a. F.) nicht, bevor der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer eine für diesen bestimmte Vertragsurkunde, seinen schriftlichen Antrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder seines Antrags zur Verfügung gestellt hat, welche(r) gemäß § 492 Abs. 2 BGB (in der vom 13.06.2014 bis 20.03.2016 gültigen Fassung, im Folgenden a.F.) die vorgeschriebenen Angaben nach Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB enthalten musste, anderenfalls die Frist erst mit deren Nachholung gemäß § 492 Abs. 6 BGB a. F. begann (§ 356b Abs. 2 S. 1 BGB a. F.).</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Diesen Vorgaben genügt die von der Beklagten im Streitfall verwendete und dem Kläger bei Vertragsschluss zur Verfügung gestellte Vertragsurkunde mit der Folge, dass die Widerrufsfrist bereits im Februar 2016 abgelaufen war.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat dem Kläger mit der von ihm vorgelegten Anlage KGR 1 eine Abschrift der Vertragsurkunde zur Verfügung gestellt. Weil nach § 356 Abs. 1 BGB die Abschrift der Vertragserklärung des Verbrauchers genügt, muss das ihm belassene Exemplar nicht von ihm unterzeichnet oder mit dem Abbild seiner Unterschrift versehen sein (vgl. zu § 355 Abs. 2 S. 3 BGB in der bis zum 10.06.2010 gültigen Fassung BGH, Urteil vom 27.02.2017, XI ZR 156/17, Rn. 23).</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Zu den nach § 492 Abs. 2 BGB a. F. zu erteilenden Pflichtangaben gehörte insbesondere eine den Anforderungen des Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 1 und 2 und § 12 EGBGB (in der vom 13.06.2014 bis 20.03.2016 gültigen Fassung, im Folgenden: a. F.) genügenden Widerrufsinformation. Eine solche hat die Beklagte auf Seite 4 der Vertragsurkunde erteilt.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">aa)</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Zwar kann die Beklagte sich insoweit nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3 EGBGB a. F. berufen, da sie den Text des Musters gemäß Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB a. F. nicht vollständig übernommen, sondern an mehreren Stellen modifiziert hat. Insbesondere hat sie die Gestaltungshinweise [2a] und [6f] nicht korrekt umgesetzt, da sie die hiernach einzufügenden Texte um weitere Hinweise bezüglich der Restschuldversicherung und der GAP-Versicherung ergänzt hat. Auch der Gestaltungshinweis [6c] ist nicht korrekt umgesetzt, da der in Satz 4 unabhängig von der konkreten Vertragssituation obligatorisch vorgesehene Hinweis für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge fehlt.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">bb)</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Die Widerrufsinformation entspricht jedoch auch mit den vorgenommenen Modifikationen den gesetzlichen Anforderungen. Die insoweit vorgebrachten Beanstandungen des Klägers sind unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">(1)</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Soweit die Beklagte unter der Überschrift „Widerrufsfolgen“ darüber informiert, dass die Darlehensnehmer das Darlehen, soweit es bereits ausbezahlt wurde, spätestens innerhalb von 30 Tagen zurückzuzahlen haben, weist der Kläger zwar zutreffend darauf hin, dass diese Rechtsfolge in Fällen verbundener Verträge – wie hier – nicht gilt, sondern durch § 358 Abs. 4 S. 5 BGB modizifiziert wird. Dem hat die Beklagte jedoch unter der Überschrift „Besonderheiten bei weiteren Verträgen“ Rechnung getragen, wo in klarer und verständlicher Weise – nämlich unter Übernahme der Formulierung in § 358 Abs. 4 S. 5 BGB – darauf hingewiesen wird, dass der Darlehensgeber im Verhältnis zum Darlehensnehmer hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs in die Rechte und Pflichten des Vertragspartners aus dem weiteren Vertrag eintritt, wenn das Darlehen bei Wirksamwerden des Widerrufs dem Vertragspartner des Darlehensnehmers aus dem verbundenen Vertrag bereits zugeflossen ist.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Durch diesen Zusatz wird für einen aufmerksamen und verständigen Verbraucher, von dem erwartet werden kann, dass er den Vertragstext sorgfältig durchliest (BGH, Urteil vom 23.02.2016, XI ZR 101/15, Rn. 34), hinreichend deutlich, dass die zuvor als allgemeiner Grundsatz aufgeführte Rückzahlungspflicht des Darlehensnehmers im konkreten Fall nicht gilt (vgl. LG Düsseldorf, Urteil vom 09.10.2017, 11 O 37/17, Rn. 57, juris; Urteil vom 10.11.2017, 18a O 48/17, Rn. 22, juris; LG Berlin, Urteil vom 05.12.2017, 4 U 150/16, Rn. 62, juris; LG Freiburg, Urteil vom 19.12.2017, 5 O 87/17, Rn. 23 f., juris; LG Heilbronn, Urteil vom 24.01.2018, 6 O 311/17, Rn. 33 f., juris). Da Formularverträge für verschiedene Vertragsgestaltungen offen sein müssen, ist gegen eine solche „Sammelbelehrung“, in der zunächst die allgemeinen, für alle Darlehensverträge geltenden Regeln und danach etwaige Besonderheiten bei Vorliegen verbundener Verträge dargestellt werden, grundsätzlich nichts einzuwenden (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 21.02.2017, XI ZR 467/15, Rn. 50 ff. m. w. N.). Dies gilt um so mehr, als der Aufbau der streitgegenständlichen Widerrufsinformation insoweit dem seinerzeit gültigen Muster gemäß Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB a. F. entspricht und der Unternehmer nicht gehalten ist, genauer als der Gesetzgeber selbst zu formulieren (BGH, Beschluss vom 27.09.2016, XI ZR 309/15, Rn. 8; Urteil vom 22.11.2016, XI ZR 434/15, Rn. 17; Urteil vom 21.02.2017, XI ZR 381/16, Rn. 14; Urteil vom 16.05.2017, XI ZR 586/15, Rn. 23).</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">(2)</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Ebenso wenig wird die Ordnungsgemäßheit der Widerrufsinformation dadurch beeinträchtigt, dass unter der Überschrift „Widerrufsfolgen“ in Satz 3 der für den Zeitraum zwischen Auszahlung und Rückzahlung bei vollständiger Inanspruchnahme des Darlehens pro Tag zu zahlende Zinsbetrag mit „0,00 Euro“ angegeben ist. Zwar entspricht diese Formulierung nicht der gesetzlichen Regelung des § 357a Abs. 3 S. 1 BGB (in der vom 13.06.2014 bis 20.03.2016 gültigen Fassung, im Folgenden: a. F.), wonach der Darlehensnehmer für den genannten Zeitraum den „vereinbarten Sollzins“ zu entrichten hat. Von dieser Regelung sind die Parteien indessen einverständlich und wirksam abgewichen.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">(a)</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Ebenso wie ein Widerrufsrecht nicht nur von Gesetzes wegen bestehen, sondern – als Ausprägung der Vertragsfreiheit – grundsätzlich auch durch Parteivereinbarung konstituiert werden kann, können die Parteien bei Bestehen eines gesetzlichen Widerrufsrechts die Modalitäten für dessen Ausübung – allerdings nur zugunsten des Verbrauchers – verändern und beispielsweise die Widerrufsfrist verlängern bzw. ihren Beginn hinausschieben (vgl. BGH, Urteil vom 13.01.2009, XI ZR 118/08, Rn. 17) oder den Fristbeginn von zusätzlichen Voraussetzungen wie der Erteilung weiterer, gesetzlich nicht vorgeschriebener Pflichtangaben abhängig machen (vgl. BGH, Urteil vom 22.11.2016, XI ZR 434/15, Rn. 29 ff.). Eine solche rechtsgeschäftliche Vereinbarung über eine für den Verbraucher günstige Abänderung der Modalitäten des Widerrufsrechts können die Parteien wirksam treffen, indem der Unternehmer die Abweichung von der gesetzlichen Regelung in die von ihm zu erteilende Widerrufsinformation aufnimmt und der Verbraucher eine die Widerrufsinformation enthaltende Vertragsurkunde unterschreibt. Dass die Verlängerung der Widerrufsfrist und die Information über die Voraussetzungen ihres Anlaufens in einem Akt zusammenfallen, berührt die Ordnungsmäßigkeit der Widerrufsinformation nicht (BGH, Urteile vom 13.01.2009 und vom 22.11.2016, jeweils a. a. O.).</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Nichts anderes als für den Beginn und die Dauer der Widerrufsfrist kann für die Rechtsfolgen des Widerrufs gelten. Ein Darlehensgeber ist von Gesetzes wegen nicht daran gehindert, zugunsten eines Darlehensnehmers auf Teile der ihm im Rahmen eines Rückgewährschuldverhältnisses nach Widerruf zustehenden gesetzlichen Rechte zu verzichten. Nimmt daher ein Darlehensgeber eine Regelung in die Widerrufsinformation auf, welche für den Fall des Widerrufs eine tägliche Zinsbelastung von „0,00 Euro“ vorsieht, so liegt darin nach dem objektiven Empfängerhorizont des Darlehensnehmers ein Angebot, im Widerrufsfall auf die Entrichtung des bei Durchführung des Darlehensvertrags vereinbarten Sollzinses zu verzichten. Dieses – weil ihm günstig unbedenkliche – Angebot nimmt der Darlehensnehmer durch die Unterzeichnung des Darlehensvertrags konkludent an. Haben die Parteien demnach wirksam den Entfall der Zinspflicht im Widerrufsfall vereinbart, so ist die Angabe des Tagesbetrages von „0,00 Euro“ nicht unrichtig. Die in Satz 1 getroffene Aussage, dass der „vereinbarte Sollzins“ zu entrichten sei, wird durch Satz 3 dahingehend modifiziert, dass im Widerrufsfall pro Tag ein Zinsbetrag von „0,00 Euro“ vereinbart ist (vgl. LG Düsseldorf, Urteil vom 20.01.2017, 8 O 516/15, n. v.; Beschluss vom 13.11.2017, 10 O 248/14, Rn. 12 ff., juris; Urteil vom 23.03.2018, 10 O 96/17, Rn. 17 ff., juris; AG Bayreuth, Urteil vom 28.07.2017, 104 C 211/17, n. v.; ebenso im Ergebnis OLG Hamburg, Urteil vom 11.10.2017, 13 U 334/16, Rn. 20 ff., juris; OLG Bamberg, Beschluss vom 28.03.2018, 8 U 7/18, n. v.; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26.07.2018, I-6 U 62/18, n. v.; Beschluss vom 17.10.2018, I-14 W 14/18, n. v.).</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Für eine dahingehende Auslegung der Vertragserklärung des Darlehensnehmers bedarf es keiner Unterstellung, dass dieser den Verzichtswillen des Darlehensgebers erkennt oder gar die rechtliche Konstruktion durchschaut, dass ihm innerhalb der Widerrufsinformation ein entsprechendes Angebot unterbreitet wird. Maßgeblich und ausreichend ist im Rahmen der für die Widerrufsinformation gebotenen objektiven Auslegung vielmehr, dass der Darlehensnehmer als Ergebnis einer Parallelwertung in der Laiensphäre erkennt, dass er im Widerrufsfall keine Zinsen schuldet. Letzteres erschließt sich einem durchschnittlichen, verständigen Verbraucher ohne Weiteres, da er sich im Zweifel auf den konkret angegebenen Betrag – hier 0,00 Euro – verlassen wird, sei es weil er in Satz 3 – zutreffend – die speziellere Regelung gegenüber Satz 1 erkennt oder weil er im Rahmen einer Parallelwertung in der Laiensphäre die – anderenfalls einschlägige – Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB, wonach die Beklagte sich bei verbleibenden Auslegungszweifeln an dem angegebenen Betrag festhalten lassen müsste, nachvollzieht.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">(b)</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Selbst wenn man die Regelungen unter der Überschrift „Widerrufsfolgen“ in ihrer Gesamtheit als widersprüchlich und damit potentiell irreführend ansähe (so AG Itzehoe, Urteil vom 26.02.2015, 94 C 343/14, Rn. 30 f., juris; LG Hamburg, Urteil vom 23.11.2016, 305 O 74/16, Rn. 25 f., juris [abgeändert durch OLG Hamburg, a. a. O.]; LG Stuttgart, Urteil vom 21.08.2018, 25 O 73/18, Rn. 52, juris; LG Aurich, Urteil vom 13.11.2018, 1 O 632/18, Rn. 48, juris; offen gelassen von OLG Hamm, Urteil vom 23.11.2015, 31 U 94/15, Rn. 32, juris), kann sich dies jedenfalls nicht zum Nachteil der Beklagten auswirken.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Denn die Beklagte hat nichts anderes getan, als die Formulierungen des gesetzlichen Musters wörtlich zu übernehmen. Den zugunsten des Darlehensnehmers beabsichtigten Verzicht auf den vereinbarten Sollzins hat sie in der einzigen durch die Gestaltungshinweise des Musters ermöglichten Weise in die Widerrufsinformation eingefügt, indem sie entsprechend dem Gestaltungshinweis [3] den genauen Zinsbetrag pro Tag zutreffend mit „0,00 Euro“ angegeben hat. Der – bei objektiver Auslegung (s. o.) ohnehin fernliegende – Eindruck der Widersprüchlichkeit, der sich für einen Darlehensnehmer aus dem Zusammenspiel der Sätze 1 und 3 ergeben könnte, wenn er unter dem „vereinbarten Sollzins“ nur den bei Durchführung des Darlehensvertrags maßgeblichen Zins verstünde und dessen Ersetzung für den Fall des Widerrufs durch den konkreten Betrag „0,00 Euro“ nicht nachvollzöge, wäre darauf zurückzuführen, dass das gesetzliche Muster keine Möglichkeit für einen Darlehensgeber geschaffen hat, den Satz 1 entfallen zu lassen, wenn er mit den konkret vereinbarten Vertragsbedingungen (s. o.) nicht in Einklang zu bringen ist. Gleiches gilt, sofern man auch zwischen den Sätzen 3 und 4 einen Widerspruch erkennen wollte, weil die in Satz 4 angesprochene Verringerung des zu zahlenden Betrags bei nur teilweiser Inanspruchnahme des Darlehens hier denklogisch ausgeschlossen ist. Letzteres ist indessen derart offensichtlich, dass selbst ein weniger verständiger Verbraucher ohne Weiteres erkennt, dass Satz 4 im konkreten Fall obsolet ist.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Mit dem durch die Vorschriften über das Widerrufsrecht bezweckten Schutz des Verbrauchers wäre es nicht zu vereinbaren, wenn ein Darlehensgeber an der Vereinbarung von Vertragsbedingungen zugunsten des Darlehensnehmers dadurch gehindert würde, dass er befürchten müsste, hierdurch den Schutz der Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3 EGBGB zu verlieren (vgl. LG Düsseldorf, a. a. O.; AG Bayreuth, a. a. O.; OLG Hamburg, a. a. O.). Wie der Bundesgerichtshof mehrfach bekräftigt hat, müssen Formularverträge für verschiedene Vertragsgestaltungen offen sein (BGH, Urteil vom 23.09.2003, XI ZR 135/02, Rn. 24; Versäumnisurteil vom 21.02.2017, XI ZR 467/15, Rn. 50). Dies gilt in besonderem Maße für die Musterwiderrufsinformation, bei welcher der Gesetzgeber auch in anderen Zusammenhängen gewisse Unschärfen in Kauf genommen hat.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Die vorstehenden – von der Kammer bisher nur in Fällen des Eingreifens der Gesetzlichkeitsfiktion herangezogenen – Erwägungen werden nicht dadurch obsolet, dass die Beklagte sich im vorliegenden Fall – wie oben dargestellt – nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion berufen kann, weil sie den Text des Musters <em>an anderer Stelle</em> modifiziert hat. Denn die Formulierungen des Musters nehmen nach dem Willen des Gesetzgebers – anders als die früheren Mustertexte in der am 10.06.2010 außer Kraft getretenen BGB-InfoV – auch bei isolierter Betrachtung einzelner Abschnitte für sich in Anspruch, den Verbraucher in klarer und verständlicher Weise über seine Rechte und Pflichten zu informieren. Damit entfalten sie auch außerhalb des Anwendungsbereichs von Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3 EGBGB eine Leitbildfunktion, die es rechtfertigt, auch einem Unternehmer, der das Muster nur in Teilen verwendet, hinsichtlich der unverändert übernommenen Abschnitte – hier des Abschnitts über die Widerrufsfolgen – einen gewissen, freilich gegenüber der Gesetzlichkeitsfiktion abgeschwächten Vertrauensschutz zuzubilligen.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">(3)</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Der Ordnungsgemäßheit der Widerrufsinformation steht auch nicht entgegen, dass Nr. 11 c) der Darlehensbedingungen der Beklagten eine Klausel enthält, wonach die Darlehensnehmer gegen Ansprüche der Bank nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen aufrechnen dürfen (so aber LG Ravensburg, Urteil vom 21.09.2018, 2 O 21/18, Rn. 35, juris). Die Kammer verkennt nicht, dass diese Klausel im Verkehr mit Verbrauchern gemäß § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam ist, weil hierin eine unzulässige Erschwerung des Widerrufsrechts liegt (BGH, Urteil vom 25.04.2017, XI ZR 108/16, Rn. 21; Urteil vom 20.03.2018, XI ZR 309/16, Rn. 19). Allerdings wird eine formal und inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen genügende Widerrufsbelehrung nicht dadurch undeutlich, dass die Vertragsunterlagen an anderer, zumal – wie hier – drucktechnisch nicht hervorgehobener Stelle einen inhaltlich nicht ordnungsgemäßen Zusatz enthalten (BGH, Urteil vom 10.10.2017, IX ZR 443/16, Rn. 25 unter Verweis auf BGH, Urteil vom 16.12.2015, IV ZR 71/14, Rn. 11). Diese Erwägung ist auf die Verwendung unwirksamer, weil das Widerrufsrecht erschwerender Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu übertragen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v.om 25.07.2018, I-6 U 14/18, n. v.; Beschluss vom 29.10.2018, I-14 U 80/18, n. v.). Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof, obwohl eine entsprechende Klausel bisher von nahezu allen Banken und Sparkassen verwendet wurde, diesen Umstand in keinem einzigen Fall zum Anlass genommen, die Ordnungsgemäßheit einer Widerrufsinformation in Zweifel zu ziehen.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">c)</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Schließlich hat der Kläger nicht dargetan, dass die Beklagte weitere gemäß § 492 Abs. 2 BGB a. F. i. V. m. Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB a. F. erforderliche Pflichtangaben nicht oder nicht ordnungsgemäß mitgeteilt habe.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">aa)</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Die Art des Darlehens (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 3 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB) ist durch die Überschrift „Darlehensvertrag“ – jedenfalls in Verbindung mit den weiteren Vertragsdaten – hinreichend genau bezeichnet.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 3 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB dient der Umsetzung von Art. 10 Abs. 2 lit. a) der Richtlinie 2008/48/EG (vgl. BT-Drucks. 16/11643, S. 127), welcher lediglich Angaben zur „Art des Kredits“ verlangt. „Kreditvertrag“ ist in Art. 3 lit. c) der Richtlinie definiert als „Vertrag, bei dem der Kreditgeber einem Verbraucher einen Kredit in Form eines Zahlungsaufschubs, eines Darlehens oder einer sonstigen ähnlichen Finanzierungshilfe gewährt [...]“. Eine richtlinienkonforme Auslegung ergibt daher, dass grundsätzlich eine Bezeichnung genügt, die das konkrete Vertragsverhältnis hinreichend zu den übrigen in Art. 3 lit. c) der Richtlinie genannten Kreditformen, worunter z. B. ein Leasingvertrag fiele, abgrenzt (vgl. die Gesetzesbegründung zu § 3 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB, BT-Drucks. 16/11643, S. 123, wonach „zunächst zwischen Darlehensverträgen und anderen entgeltlichen Finanzierungshilfen unterschieden“, die Vertragsart „deshalb z. B. auch als Leasingvertrag bezeichnet“ werden könne). Diese Funktion erfüllt bereits die Bezeichnung als „Darlehensvertrag“. Soweit in der Gesetzesbegründung (a. a. O.) weiter ausgeführt wird, „die Art <em>kann</em> [Hervorhebung der Kammer] sich aber auch auf die nähere Ausgestaltung des Darlehens beziehen, z. B. ein befristetes oder unbefristetes Darlehen mit regelmäßiger Tilgung oder Tilgung am Laufzeitende“, kann dem schon nicht entnommen werden, dass die nähere Ausgestaltung zwingend zum Ausdruck gebracht werden muss. Im Übrigen geht die in der Gesetzesbegründung beispielhaft angeführte Konkretisierung als befristetes Darlehen mit regelmäßiger Tilgung hinreichend deutlich aus den auf Seite 1 der Vertragsurkunde übersichtlich zusammengefassten Vertragsdaten hervor, in denen u. a. die Anzahl und Höhe der Raten angegeben ist (vgl. LG Braunschweig, Urteil vom 13.12.2017, 3 O 806/17, Rn. 28, juris; LG Heilbronn, Urteil vom 24.01.2018, 6 O 311/17, Rn. 44, juris; Urteil vom 30.01.2018, 6 O 357/17, Rn. 50, juris).</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">bb)</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Auf das aus § 500 Abs. 2 BGB folgende Recht des Darlehensnehmers, das Darlehen vorzeitig zurückzuzahlen (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 3 Abs. 1 Nr. 14 EGBGB), hat die Beklagte auf Seite 3 der Vertragsurkunde unter der Überschrift „Kündigungsmöglichkeit der DN (Vorzeitige Rückzahlung)“ hingewiesen. Einen zusätzlichen Hinweis auf die infolgedessen gemäß § 501 BGB eintretende Ermäßigung der Gesamtkosten verlangt das Gesetz nicht.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">cc)</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Als zuständige Aufsichtsbehörde (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB) ist auf Seite 3 der Vertragsurkunde zutreffend die nach § 6 KWG zuständige Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) benannt (vgl. Merz, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rn. 10.201; Schürnbrand, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2017, § 492 Rn. 27). Einer (zusätzlichen) Benennung der Europäischen Zentralbank (EZB) bedurfte es nicht, da diese nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 nur die Aufsicht über von ihr als „bedeutend“ eingestufte Banken ausübt, wozu die Beklagte nicht gehört, und überdies keine Zuständigkeit auf dem Gebiet des Verbraucherschutzes besitzt (vgl. auch BGH, Urteil vom 04.07.2017, XI ZR 741/16, Rn. 5, 27, wo die Angabe der BaFin als zuständiger Aufsichtsbehörde ausdrücklich gebilligt wird).</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">dd)</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Der nach Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB  vorgeschriebene Hinweis auf den Anspruch des Darlehensnehmers auf einen Tilgungsplan nach § 492 Abs. 3 S. 2 BGB ist auf Seite 3 der Vertragsurkunde unter der Überschrift „Tilgungsplan“ enthalten. Eine weitergehende Erläuterung dahingehend, dass der Tilgungsplan dem Darlehensnehmer auf Verlangen unentgeltlich zur Verfügung zu stellen ist, verlangt das Gesetz nicht, zumal auch der in Bezug genommene § 492 Abs. 3 S. 2 BGB keine Angaben zur der Kostentragungspflicht macht.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">ee)</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Das einzuhaltende Verfahren bei der Kündigung des Vertrags (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB) ist auf Seite 3 der Vertragsurkunde unter der Überschrift „Kündigungsmöglichkeit der DN“ hinreichend beschrieben. In diesem Zusammenhang schuldet der Darlehensgeber weder Angaben zu dem allgemeinen, für alle Dauerschuldverhältnisse geltenden Kündigungsrecht nach § 314 BGB noch Angaben zu allgemeinen Verfahrensregeln und Formerfordernissen.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">(1)</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat auf Seite 3 der Vertragsurkunde unter der Überschrift „Kündigungsmöglichkeiten von Bank und DN“ grundsätzlich über das beiderseitige außerordentliche Kündigungsrecht nach § 314 BGB informiert, hierbei allerdings durch den Zusatz „und der wichtige Grund von der jeweils anderen Vertragspartei zu vertreten ist“ die Tatbestandsvoraussetzungen enger dargestellt, als sie nach dem Gesetzeswortlaut sind. Es kann dahinstehen, ob dies zu einer fehlerhaften Darstellung des Kündigungsrechts nach § 314 BGB führt; denn eine solche war nach Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB bereits dem Grunde nach nicht erforderlich. Ebenso wenig, wie eine formal und inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen genügende Widerrufsinformation dadurch undeutlich wird, dass die Vertragsunterlagen an anderer Stelle einen inhaltlich nicht ordnungsgemäßen Zusatz enthalten (BGH, Urteil vom 10.10.2017, IX ZR 443/16, Rn. 25), wird der Beginn der Widerrufsfrist dadurch gehemmt, dass der Darlehensgeber im Zusammenhang mit Pflichtangaben überobligatorisch zusätzliche Informationen inhaltlich fehlerhaft erteilt.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Ob Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB einen Hinweis auf das außerordentliche Kündigungsrecht nach § 314 BGB verlangt, ist in Rechtsprechung und Schrifttum höchst umstritten. Den Entscheidungen und Literaturstimmen, die dies bejahen (z. B. LG Arnsberg, Urteil vom 17.11.2017, 2 O 45/17, Rn. 24 ff., juris; LG Berlin, Urteil vom 05.12.2017, 4 O 150/16, Rn. 32 ff., juris; LG Ellwangen, Urteil vom 25.01.2018, 4 O 232/17, Rn. 50 ff., juris; LG München I, Urteil vom 09.02.2018, 29 O 14138/17, Rn. 58 ff., juris; LG Limburg, Urteil vom 13.07.2018, 2 O 317/17, Rn. 31 ff., juris; Merz, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rn. 10.203; Schürnbrand, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2017, § 492 Rn. 27), vermag sich die Kammer aus folgenden Gründen nicht anzuschließen:</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB dient erklärtermaßen der Umsetzung von Art. 10 Abs. 2 lit. s der Richtlinie 2008/48/EG (vgl. BT-Drucks. 16/11643, S. 127), welcher lediglich Angaben zu den „Modalitäten bei der Ausübung <em>des</em> [Hervorhebung der Kammer] Rechts auf Kündigung des Kreditvertrags“ verlangt. Da die Richtlinie in Art. 13 Abs. 1 lediglich <em>ordentliche</em> Kündigungsrechte bei <em>unbefristete</em>n Kreditverträgen statuiert – und zwar ein obligatorisches (in § 500 BGB in nationales Recht umgesetztes) Kündigungsrecht des Verbrauchers und ein fakultatives (in § 499 Abs. 1 BGB angesprochenes, eine entsprechende Parteivereinbarung voraussetzendes) Kündigungsrecht des Darlehensgebers –, liegt es systematisch nahe, dass sich Art. 10 Abs. 2 lit. s allein auf diese Kündigungsrechte bezieht (vgl. Herresthal, ZIP 2018, 753, 756; Schön, BB 2018, 2115, 2116 f.; zustimmend LG Düsseldorf, Urteil vom 13.12.2018, 8 O 36/18, n. v.). Da die Parteien vorliegend einen befristeten Darlehensvertrag geschlossen haben, wären demnach Angaben zu Kündigungsmöglichkeiten insgesamt obsolet gewesen. Selbst bei einem – vom Wortlaut ermöglichten – weitergehenden Verständnis zeigt der 31. Erwägungsgrund der Richtlinie, dass der Richtliniengeber jedenfalls nur spezifische, sich „aus dem Kreditvertrag“ ergebende Kündigungsrechte im Blick hatte (vgl. – auf die bei regulärem Vertragsverlauf bestehenden ordentlichen Lösungsrechte abstellend – LG Heilbronn, Urteil vom 24.01.2018, 6 O 311/17, Rn. 52, juris, m. w. N.). Ein abweichendes Verständnis unterstellt dem Richtliniengeber die Anordnung einer Informationspflicht über sämtliche im jeweiligen nationalen Recht anerkannten Kündigungsrechte, wofür sich weder im Wortlaut noch in den Materialien der Richtlinie Anhaltspunkte finden (vgl. Herresthal, a. a. O., 756). Außerdem erschiene es inkonsequent, dass nur Kündigungsrechte, nicht aber sonstige, nach allgemeinem Schuldrecht bestehende Möglichkeiten der Vertragsbeendigung (z. B. § 123 BGB, §§ 242 BGB, §§ 311 Abs. 2, 280 Abs. 1, 249 ff., § 313, § 826 BGB) sowie funktionsidentische Rechtsinstitute in anderen nationalen Rechtsordnungen von der Informationspflicht umfasst wären (vgl. LG Braunschweig, Urteil vom 17.08.2017, 12 O 256/16, Rn. 32, juris; LG Köln, Urteil vom 10.10.2017, 21 O 23/17, Rn. 59, juris; LG Freiburg, Urteil vom 19.12.2017, 5 O 87/17, Rn. 34, juris; LG Ulm, Urteil vom 30.07.2018, 4 O 399/17, Rn. 78, juris; Herresthal, a. a. O., 756 f.).</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">Soweit in der Gesetzesbegründung zu Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB (BT-Drucks. 16/11643, S. 128) einerseits zutreffend darauf hingewiesen wird, es seien „insbesondere“ die Bestimmungen des § 500 BGB-E zu beachten, andererseits aber verallgemeinernd ausgeführt wird, die Regelung solle dem Darlehensnehmer verdeutlichen, „wann eine Kündigung des Darlehensgebers wirksam ist und wie der Darlehensnehmer selbst den Vertrag kündigen kann“, und hierfür bei befristeten Darlehensverträgen „zumindest“ einen Hinweis darauf, dass eine Kündigung nach § 314 BGB möglich ist, verlangt, interpretiert der historische Gesetzgeber die Regelung in Art. 10 Abs. 2 lit. s der Richtlinie 2008/48/EG zu weit und schießt damit ungewollt über das eigene Primärziel – die inhalts- und wirkungsgleiche Umsetzung der Richtlinie – hinaus. Da die Richtlinie 2008/48/EG gemäß Art. 1, 22 Abs. 1 im Interesse einer Vermeidung unterschiedlicher Schutzniveaus vollharmonisierend ausgestaltet ist mit der Folge, dass die mitgliedstaatlichen Vorschriften im Regelungsbereich der Richtlinie – also jedenfalls hinsichtlich der darin normierten Informationspflichten (dies verkennt LG Berlin, Urteil vom 05.12.2017, 4 O 150/16, Rn. 34, juris) – weder hinter dem Schutzniveau der Richtlinie zurückbleiben noch über dieses hinausgehen dürfen, ist dieser – sich bereits innerhalb der historischen Auslegung des Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB ergebende – Widerspruch dadurch aufzulösen, dass die „Anschauungslücke“ des deutschen Gesetzgebers bei der Auslegung der Richtlinie durch eine richtlinienkonforme Auslegung bzw. teleologische Reduktion des Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB dahingehend zu schließen ist, dass ein Hinweis auf § 314 BGB nicht vorgeschrieben ist (vgl. hierzu eingehend Herresthal, a. a. O., 756 ff.; Schön, BB 2018, 2115, 2116 f.; ebenso im Ergebnis LG Braunschweig, a. a. O., Rn. 32, juris; LG Düsseldorf, Urteil vom 09.10.2017, 11 O 37/17, Rn. 63, juris; Urteil vom 10.11.2017, 18a O 48/17, Rn. 32, juris; LG Köln, a. a. O., Rn. 58 ff., juris; LG Freiburg, a. a. O., Rn. 34, juris; LG Ulm, a. a. O., Rn. 60 ff., juris; nunmehr auch – entgegen der Vorauflage – Palandt/Weidenkaff, BGB, 78. Aufl. 2019, Art. 247 § 6 EGBGB, Rn. 3).</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">(2)</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">Ausgehend von der vorstehenden, aus einer richtlinienkonformen Auslegung gewonnenen Prämisse, dass Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB lediglich Angaben zu den in Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48/EG geregelten Kündigungsrechten bei <em>unbefristeten</em> Kreditverträgen verlangt, war im vorliegenden Fall eines befristeten Darlehens auch eine Information darüber, dass eine Kündigung seitens des Darlehensgebers gemäß § 492 Abs. 5 BGB auf einem dauerhaften Datenträger erfolgen muss, von vornherein entbehrlich (vgl. Herresthal, ZIP 2018, 753, 758 f.), zumal auch die Richtlinie in Art. 13 Abs. 1 S. 3 nur für die Kündigung eines unbefristeten Kreditvertrags eine entsprechende Form vorsieht (vgl. LG Heilbronn, Urteil vom 24.01.2018, 6 O 311/17, Rn. 56, juris; Urteil vom 30.01.2018, 6 O 357/17, Rn. 61, juris; Schön, BB 2018, 2115, 2116).</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">Unabhängig davon wäre eine Ausweitung des Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB auf die Formvorschrift des § 492 Abs. 5 BGB selbst bei autonomer Auslegung des nationalen Rechts nicht geboten. Soweit in der Gesetzesbegründung zu Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB verallgemeinernd ausgeführt ist, die Regelung solle dem Darlehensnehmer verdeutlichen, „wann eine Kündigung des Darlehensgebers wirksam ist“ (s. o.), mag man darunter zwar nicht nur die Voraussetzungen, sondern auch Formerfordernisse einer Kündigung subsumieren können (so LG Berlin, Urteil vom 05.12.2017, 4 O 150/16, Rn. 36 ff., juris; LG München I, Urteil vom 09.02.2018, 29 O 14137/17, Rn. 61, juris; Bülow/Artz, Verbraucherkreditrecht, 9. Aufl., § 492 Rn. 137; Merz, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rn. 10.203). Indessen verhalten sich weder der Wortlaut der Norm noch die Gesetzesmaterialien ausdrücklich zu Formvorschriften. Gegen eine Bezugnahme auf § 492 Abs. 5 BGB spricht zudem die Gesetzessystematik, da es sich hierbei um keine spezifische Kündigungsvorschrift, sondern um eine allgemeine, für alle nach Vertragsschluss abzugebenden Erklärungen des Darlehensgebers geltende Formvorschrift handelt. Zwar kann der Darlehensnehmer ohne deren Kenntnis die Wirksamkeit einer Kündigungserklärung des Darlehensgebers nicht selbst prüfen und abschließend beurteilen. Dazu bedürfte es indes auch einer vollständigen Kenntnis (und des – ohne juristische Vorbildung ohnehin kaum zu erreichenden – Verständnisses) der Vorschriften zur Wirksamkeit von Willenserklärungen im Allgemeinen Teil des BGB (z. B. §§ 130 ff., 164 ff. BGB). Eine derart umfassende Informationspflicht wäre jedoch schon nach ihrem Umfang für eine sinnvolle Verbraucherinformation ungeeignet (vgl. LG Heilbronn, Urteil vom 24.01.2018, 6 O 311/17, Rn. 55, juris; Urteil vom 30.01.2018, 6 O 357/17, Rn. 60, juris; LG Düsseldorf, Urteil vom 13.12.2018, 8 O 36/18, n. v.).</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">ff)</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">Auch die Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung (Art. 247 § 7 Nr. 3 EGBGB) ist auf Seite 3 der Vertragsurkunde unter der Überschrift „Kündigungsmöglichkeit der DN“ in ausreichender Weise dargestellt.</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">Hierfür genügt nach ganz überwiegender Auffassung die Angabe der wesentlichen Parameter nebst einer Obergrenze (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 25.04.2018, 8 U 7/18, n. v.; LG Stuttgart, Urteil vom 17.08.2017, 12 O 256/16, Rn. 31, juris; LG Düsseldorf, Urteil vom 09.10.2017, 11 O 37/17, Rn. 61, juris; Urteil vom 10.11.2017, 18a O 48/17, Rn. 33, juris; LG Köln, Urteil vom 10.10.2017, 21 O 23/17, Rn. 56, juris; LG Freiburg, Urteil vom 19.12.2017, 5 O 87/17, Rn. 33, juris; LG Heilbronn, Urteil vom 24.01.2018, 6 O 311/17, Rn. 59, juris; Urteil vom 30.01.2018, 6 O 357/17, Rn. 61, juris; LG Ulm, Urteil vom 30.07.2018, 4 O 399/17, Rn. 49 ff., juris; Herresthal, ZIP 2018, 753, 759; Schön, BB 2018, 2115, 2117; Schürnbrand, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2017, § 491a Rn. 39; a. A. – soweit ersichtlich – nur LG Berlin, Urteil vom 05.12.2017, 4 O 150/16, Rn. 40 ff., juris, das die Festlegung auf eine der vom Bundesgerichtshof anerkannten Methoden verlangt).</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">Die von der Beklagten angegebenen Parameter – „ein zwischenzeitlich verändertes Zinsniveau, die für das Darlehen ursprünglich vereinbarten Zahlungsströme, den dem Kreditgeber entgangenen Gewinn, den mit der vorzeitigen Rückzahlung verbundenen Verwaltungsaufwand (Bearbeitungsentgelt) sowie die infolge der vorzeitigen Rückzahlung ersparten Risiko- und Verwaltungskosten“ – ermöglichen die Berechnung des Zinsmargenschadens und des Zinsverschlechterungsschadens nach der vom Bundesgerichtshof – als einer von mehreren zulässigen Berechnungsweisen – anerkannten sog. Aktiv-Aktiv-Methode (vgl. BGH, Urteil vom 01.07.1997, XI ZR 267/96, Rn. 28 ff., juris), womit sogar dem Postulat des Landgerichts Berlin (a. a. O.) nach der Festlegung auf eine bestimmte Berechnungsmethode entsprochen sein dürfte. Auch eine Obergrenze hat die Beklagte durch die alternative Anknüpfung an einen bestimmten Prozentsatz (von 1 bzw. 0,5) des vorzeitig zurückgezahlten Betrages und den Betrag der Sollzinsen, die die Darlehensnehmer in dem Zeitraum zwischen der vorzeitigen und der vereinbarten Rückzahlung entrichtet hätten, bestimmt.</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">Es liegt in der Natur der Sache, dass präzisere Angaben als das Aufzählen der Variablen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses mangels Kenntnis des Kündigungszeitpunktes und der bis dahin eintretenden Entwicklung des Kapitalmarktes nicht möglich sind (OLG Braunschweig, Hinweisbeschluss vom 15.06.2017, 9 U 105/16, n. v.). Eine weitergehende Erläuterung der Berechnungsmethode in Form einer finanzmathematischen Formel ist weder nach dem Wortlaut noch nach Sinn und Zweck des Art. 247 § 7 Nr. 3 EGBGB erforderlich. Die Vorschrift dient der Umsetzung von Art. 10 Abs. 2 lit. r der Richtlinie 2008/48/EG (vgl. BT-Drucks. 16/11643, S. 87), welcher lediglich Informationen zur „Art der Berechnung“ verlangt. Nach der Gesetzesbegründung zu § 500 Abs. 2 BGB-E (BT-Drucks. 16/11643, S. 87) soll der Verbraucher „die Berechnung der Entschädigung nachvollziehen und seine Belastung zuverlässig <em>abschätzen</em> [Hervorhebung der Kammer]“, nicht aber den konkreten Betrag der geschuldeten Vorfälligkeitsentschädigung selbst berechnen können. Diesem Ziel tragen die Angaben der Beklagten hinreichend Rechnung (vgl. zu einer ähnlichen Formulierung LG Heilbronn, a. a. O.). Die Angabe einer komplexen Formel böte einem durchschnittlich informierten, nicht finanzmathematisch geschulten Verbraucher keinen unmittelbar nutzbaren Informationsgewinn, da er diese ohnehin nicht nachvollziehen könnte (vgl. LG Stuttgart, a. a. O.; LG Düsseldorf, a. a. O.; LG Heilbronn, a. a. O.; Herresthal, a. a. O.; ebenso im Ergebnis LG Berlin, a. a. O., Rn. 44).</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">Hiernach kann dahinstehen, ob ein etwaiger Fehler bei der Angabe der Berechnungsmethode der Vorfälligkeitsentschädigung überhaupt Auswirkungen auf den Beginn der Widerrufsfrist hätte (vgl. hierzu LG Braunschweig, Urteil vom 13.12.2017, 3 O 806/17, Rn. 29, juris; Fritsche, in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2016, § 356b Rn. 8; Schürnbrand, a. a. O., § 492 Rn. 62; Herresthal, a. a. O., 759 f., die dies mit dem systematischen Argument verneinen, dass eine Nachholung der Pflichtangabe gemäß §§ 356b Abs. 2 S. 1, 492 Abs. 6 BGB nicht sinnvoll möglich sei, weil der Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung in diesem Fall gemäß § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB dauerhaft ausgeschlossen ist).</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">d)</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">Schließlich genügen sowohl die Darstellung der Widerrufsinformation als auch der übrigen Pflichtangaben dem Deutlichkeitsgebot. Trotz verhältnismäßig geringer Schriftgröße ist der gesamte Vertragstext – bei Vorliegen einer Sehbehinderung ggf. unter Zuhilfenahme einer Sehhilfe – ohne größere Anstrengungen lesbar. Die wesentlichen Pflichtangaben sind auf Seite 3 unter der Überschrift „Gesetzliche Informationspflichten zum Darlehensvertrag für Verbraucher“ übersichtlich gegliedert zusammengestellt, die Widerrufsinformation auf Seite 4 ist sogar durch Fettdruck und einen fettgedruckten Rahmen besonders hervorgehoben. Insgesamt gelingt dem von der Beklagten verwendeten Vertragsformular das „Kunststück“, die gesetzlich vorgeschriebene Informationsmenge in einem vom Umfang her noch übersichtlich gehaltenen Dokument verständlich darzustellen.</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">In Ermangelung eines wirksam ausgeübten Widerrufsrechts kommt ein Anspruch auf Erstattung von diesbezüglich entstandenen außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten von vornherein nicht in Betracht.</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks"><strong>II.</strong></p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">Über die Hilfswiderklage war mangels Eintritts der prozessualen Bedingung eines für wirksam erachteten Widerrufs nicht zu entscheiden.</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks"><strong>III.</strong></p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks"><strong>IV.</strong></p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">Der Streitwert wird auf 16.291,70 € festgesetzt.</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">Hiervon entfallen auf den Antrag zu 1. ein Teilbetrag von (42 x 121,73 + 4.228,46 =) 9.341,12 € und auf den Antrag zu 2. ein Teilbetrag von 6.950,58 €. Den weiteren (Annex-) Anträgen kommt daneben kein eigenständiger wirtschaftlicher Wert zu. Die Hilfswiderklage war gemäß § 45 Abs. 1 S. 2 ZPO nicht zu berücksichtigen, da über sie keine Entscheidung ergangen ist.</p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks"><strong>Rechtsbehelfsbelehrung:</strong></p>
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks">Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Landgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Landgericht Düsseldorf, Werdener Straße 1, 40227 Düsseldorf, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.</p>
<span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks">Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr:</p>
<span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks">Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite <span style="text-decoration:underline">www.justiz.de</span>.</p>
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<p>1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Heidelberg - 4. Zivilkammer - vom 20.07.2018 - 4 O 250/16 - wird zurückgewiesen.</p>
<p/>
<p>2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.</p>
<p/>
<p>3. Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.</p>
<p/>
<p>4. Die Revision wird nicht zugelassen.</p>
<h2>Gründe</h2>
<table><tr><td> </td><td> <table width="100%"><tr><td style="text-align:center">I.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>1 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="1"/>Die Parteien streiten um restliche Leistungsansprüche des Klägers aus einer Sachversicherung wegen des Brandschadens an einer Heuballenpresse.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>2 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="2"/>Der Kläger, ein zum Vorsteuerabzug berechtigter Landwirt, unterhält bei der Beklagten eine sog. Agrarpolice, die eine Feuerversicherung umfasst. Versichert ist u.a. die landwirtschaftliche Be-triebseinrichtung zum Neuwert. Dem Vertrag liegen „Allgemeine Bedingungen für die ...-AgrarPolice (...-AGP 2008)“ der Beklagten (im Folgenden: AVB) zugrunde, die in ihrem Teil E folgende Bestimmungen enthalten:</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>3 </td></tr></table></td><td><table style="margin-left:3pt"><tr><td><rd nr="3"/>„E 9.2 Versicherungswert der Betriebseinrichtung [...] ist</td></tr></table>
<table style="margin-left:3pt"><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>4 </td></tr></table></td><td><table style="margin-left:3pt"><tr><td><rd nr="4"/>1. der Neuwert;</td></tr></table>
<table style="margin-left:3pt"><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>5 </td></tr></table></td><td><table style="margin-left:3pt"><tr><td><rd nr="5"/>Neuwert ist der Betrag, der aufzuwenden ist, um Sachen gleicher Art und Güte in neuwertigem Zustand wiederzubeschaffen oder sie neu herzustellen; maßgebend ist der niedrigere Betrag;</td></tr></table>
<table style="margin-left:3pt"><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>6 </td></tr></table></td><td><table style="margin-left:3pt"><tr><td><rd nr="6"/>[...]<br/>3. der Zeitwert, sofern dieser im Fall der Versicherung zum Neuwert weniger als 40 Prozent des Neuwertes beträgt (Zeitwertvorbehalt).</td></tr></table>
<table style="margin-left:3pt"><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>7 </td></tr></table></td><td><table style="margin-left:3pt"><tr><td><rd nr="7"/>Der Zeitwert ergibt sich aus dem Neuwert der beweglichen Sachen durch einen Abzug entsprechend ihrem insbesondere durch den Abnutzungsgrad bestimmten Zustand. Abweichend davon ist der Neuwert der Versicherungswert der Betriebseinrichtung, sofern diese für ihren vom Hersteller bestimmten Zweck uneingeschränkt verwendungsfähig und in dieser Weise zum Schadenzeitpunkt regelmäßig im Gebrauch ist. Voraussetzung ist weiterhin die regelmäßige Pflege und Wartung.</td></tr></table>
<table style="margin-left:3pt"><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>8 </td></tr></table></td><td><table style="margin-left:3pt"><tr><td><rd nr="8"/>[...]</td></tr></table>
<table style="margin-left:3pt"><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>9 </td></tr></table></td><td><table style="margin-left:3pt"><tr><td><rd nr="9"/>E 12.2 Entschädigungsberechnung für Inhalt</td></tr></table>
<table style="margin-left:3pt"><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>10 </td></tr></table></td><td><table style="margin-left:3pt"><tr><td><rd nr="10"/>1. Ersetzt werden</td></tr></table>
<table style="margin-left:3pt"><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>11 </td></tr></table></td><td><table style="margin-left:3pt"><tr><td><rd nr="11"/>a) bei zerstörten oder infolge eines Versicherungsfalles abhanden gekommenen Sachen der Versicherungswert dieser Sachen (E 9.2 bis E 9.5) unmittelbar vor Eintritt des Versicherungsfalles;</td></tr></table>
<table style="margin-left:3pt"><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>12 </td></tr></table></td><td><table style="margin-left:3pt"><tr><td><rd nr="12"/>b) bei beschädigten Sachen und bei Aufwendungen gemäß C 3 die notwendigen Reparaturkosten zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalles zuzüglich einer Wertminderung, die durch den Versicherungsfall etwa entstanden und durch die Reparatur nicht auszugleichen ist, höchstens jedoch der Versicherungswert dieser Sachen unmittelbar vor Eintritt des Versicherungsfalles; [...]</td></tr></table>
<table style="margin-left:3pt"><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>13 </td></tr></table></td><td><table style="margin-left:3pt"><tr><td><rd nr="13"/>c) Restwerte werden angerechnet.</td></tr></table>
<table style="margin-left:3pt"><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>14 </td></tr></table></td><td><table style="margin-left:3pt"><tr><td><rd nr="14"/>2. In der Neuwertversicherung (E 9.1.1) erwirbt der Versicherungsnehmer den Anspruch auf Zahlung des Teils der Entschädigung, der den Zeitwertschaden übersteigt (Neuwertanteil) nur, soweit und sobald er innerhalb von drei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalles sichergestellt hat, dass er die Entschädigung verwenden wird, um</td></tr></table>
<table style="margin-left:3pt"><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>15 </td></tr></table></td><td><table style="margin-left:3pt"><tr><td><rd nr="15"/>a) bewegliche Sachen, die zerstört wurden oder abhandengekommen sind, in gleicher Art und Güte und neuwertigem Zustand wiederzubeschaffen; anstelle von Maschinen und Geräten können Maschinen und Geräte beliebiger Art wiederbeschafft werden, wenn sie landwirtschaftlichen Zwecken dienen;</td></tr></table>
<table style="margin-left:3pt"><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>16 </td></tr></table></td><td><table style="margin-left:3pt"><tr><td><rd nr="16"/>b) bewegliche Sachen, die beschädigt worden sind, wiederherzustellen.</td></tr></table>
<table style="margin-left:3pt"><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>17 </td></tr></table></td><td><table style="margin-left:3pt"><tr><td><rd nr="17"/>3. Der Zeitwertschaden bei zerstörten oder abhanden gekommenen Gegenständen wird aus dem Neuwertschaden abzüglich der Wertminderung durch Alter und Abnutzung errechnet. Auf eine Kürzung des in den Wiederherstellungskosten enthaltenen Lohnkostenanteils wird dabei verzichtet.“</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>18 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="18"/>Am 09.06.2014 erlitt die Heurundballenpresse des Klägers, Marke ..., während ihres Betriebs einen Brandschaden. Der Eintritt des Versicherungsfalls ist zwischen den Parteien unstreitig. Im Rahmen der Leistungsprüfung holte die Beklagte ein Gutachten zum erstattungsfähigen Schaden durch den Dipl.-Ing. F. ein, der zu einem Neuwert der Rundballenpresse am Schadenstag von 29.000 EUR, einem Zeitwert von 12.760 EUR und einem erstattungsfähigen Instandsetzungsaufwand von 6.414,10 EUR gelangte (vgl. Schadenbericht vom 14.07.2014, nebst Nachtrag vom 04.05.2018). Letztgenannten Betrag zahlte die Beklagte an den Kläger, der indes die Regulierung des Neuwerts begehrt.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>19 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="19"/>Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen, an der Heuballenpresse sei Totalschaden eingetreten. Als Neuwert seien 32.773,11 EUR exkl. MWSt., als Zeitwert maximal 4.000 EUR inkl. MWSt. und als Instandsetzungskosten 10.000 EUR exkl. MWSt. anzusetzen. Die Schadensermittlung durch den Sachverständigen der Beklagten sei fehlerhaft. Unter anderem habe er beim Reparaturaufwand Kosten für die Spannarmrollen von 725,20 EUR, 135,10 EUR und 256 EUR in unzulässiger Weise abgesetzt. Überdies bestehe das erforderliche Feststellungsinteresse, weil der Kläger vorleistungspflichtig und nur dann in der Lage sei, den Kaufpreis vorzufinanzieren, wenn sichergestellt sei, dass der Schaden von der Beklagten ersetzt werde.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>20 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="20"/>Er hat beantragt,</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>21 </td></tr></table></td><td><table style="margin-left:3pt"><tr><td><rd nr="21"/>die Beklagte zu verurteilen, den Schaden vom 09.06.2014 an der Rundballenpresse ..., Fahrgestellnummer ..., Baujahr 1990, auf Neuwertbasis zu regulieren.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>22 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="22"/>Die Beklagte hat beantragt,</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>23 </td></tr></table></td><td><table style="margin-left:3pt"><tr><td><rd nr="23"/>die Klage abzuweisen.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>24 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="24"/>Sie hat das Vorliegen eines Totalschadens bestritten, weil Reparaturkosten und Restwert zusammen den Wiederbeschaffungspreis zum Neuwert per Schadenstag nicht überstiegen. Auf Grundlage der korrekten Schadensbewertung durch den Gutachter F. seien nur die Reparaturkosten zu erstatten. Dabei seien die Kosten für die Spannarmrollen zutreffend abgesetzt worden, weil es sich insoweit um einen nicht versicherten Betriebsschaden handele.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>25 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="25"/>Das Landgericht hat nach Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Fi. vom 09.03.2018 nebst mündlicher Erläuterung vom 19.06.2018 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage auf Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten auf Neuwertbasis sei zwar zulässig, weil der Kläger aufgrund der Regelungen in den AVB zum Sachverständigenverfahren nicht gehalten gewesen sei, vor dessen Einleitung die Schadenshöhe zu beziffern. Die Klage sei aber unbegründet. Gemäß E 12.2.1 Buchst. a der AVB werde der Versicherungswert bei zerstörten oder bei infolge eines Versicherungsfalls abhanden gekommenen Sachen ersetzt. Die Heuballenpresse sei weder abhandengekommen noch im Sinne eines technischen Totalschadens zerstört worden.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>26 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="26"/>Es liege auch kein wirtschaftlicher Totalschaden vor. Ein solcher werde angenommen, wenn die versicherte Sache zwar technisch noch reparabel, der Schaden aber so erheblich sei, dass die erforderlichen Reparaturkosten höher seien als die im Falle eines (echten) Totalschadens zu ersetzenden Wiederbeschaffungskosten. Die Wiederbeschaffungskosten errechneten sich aus dem vereinbarten Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwerts der beschädigten Sache. Der zwischen den Parteien vereinbarte Wiederbeschaffungswert sei hier der Neuwert, der dem Wiederbeschaffungspreis einer neuen Sache gleicher Art und Funktion im neuwertigen Zustand ohne Abzug neu für alt entspreche. Dieser liege ausweislich des Gutachtens Fi. bei 19.490 EUR. Davon in Abzug zu bringen sei der Restwert der Maschine, der jedenfalls unter dem von dem Sachverständigen errechneten Zeitwert von 1.949 EUR liege. Die Instandsetzungskosten beliefen sich auf 6.784,52 EUR. Damit seien lediglich die unter den Wiederbeschaffungskosten von 17.541 EUR liegenden Reparaturkosten von 6.784,52 EUR seitens der Beklagten zu erstatten.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>27 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="27"/>Daneben hat das Landgericht angemerkt, dass die Voraussetzungen der so genannten Wiederherstellungsklausel gemäß E 12.2.2 nicht vorlägen. Es sei weder dargetan noch ersichtlich, dass der Kläger innerhalb von drei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalls sichergestellt habe, die Entschädigung zur Wiederherstellung zu verwenden.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>28 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="28"/>Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, durch die er sein erstinstanzliches Begehren in vollem Umfang weiterverfolgt. Er rügt, das Landgericht habe zu Unrecht die Voraussetzungen der Wiederherstellungsklausel abgelehnt. Die Feststellungsklage habe die Verjährung gehemmt. Überdies habe der Kläger mitgeteilt, nur dann in der Lage zu sein, den Kaufpreis für eine neue Rundballenpresse vorzufinanzieren, wenn die Erstattung durch die Beklagte sichergestellt sei. Das Landgericht habe ihn gehörswidrig nicht auf seine entsprechenden Bedenken hingewiesen. Auch liege ein Totalschaden vor. Das Landgericht sei insoweit von einem falschen Neuwert ausgegangen. Die Reparaturkosten überstiegen den Zeitwert zum Schadenstag bei weitem. Seit dem Schadensfall habe die Presse nur noch Schrottwert.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>29 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="29"/>Der Kläger beantragt,</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>30 </td></tr></table></td><td><table style="margin-left:3pt"><tr><td><rd nr="30"/>die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an den Kläger den Schaden vom 09.06.2014 an der Rundballenpresse ..., Fahrgestellnummer ..., Baujahr 1990, auf Neuwertbasis zu regulieren.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>31 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="31"/>Die Beklagte beantragt,</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>32 </td></tr></table></td><td><table style="margin-left:3pt"><tr><td><rd nr="32"/>die Berufung zurückzuweisen.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>33 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="33"/>Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags. Überdies wendet sie ein, dass die vom Kläger erhobene Feststellungsklage die Dreijahresfrist für die Sicherstellung der Wiederherstellung nicht hemme.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>34 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="34"/>Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird ergänzend auf die Feststellungen des Landgerichts, soweit sie zu den hier getroffenen Feststellungen nicht in Widerspruch stehen, sowie auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Verhandlungsprotokolle Bezug genommen.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
<table width="100%"><tr><td style="text-align:center">II.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>35 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="35"/>Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht als unbegründet abgewiesen.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>36 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="36"/>1. Die vom Kläger erhobene Feststellungsklage ist zulässig.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>37 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="37"/>a) Wie das Landgericht zutreffend erkannt hat, ist der vom Kläger zur Entscheidung gestellte Klageantrag trotz seiner Fassung nicht auf Verurteilung zu einer Leistung, sondern auf gerichtliche Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Schadensregulierung nach Maßgabe von E 12.2.1 Buchst. a, E 12.2.2 Buchst. a der AVB gerichtet.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>38 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="38"/>Bei der Auslegung eines Klageantrags ist nicht an dessen buchstäblichem Sinn zu haften, sondern der wirkliche Wille der Partei zu erforschen. Dabei ist der Grundsatz zu beachten, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht (BGH, Urteil vom 28.04.2016 - I ZR 254/14, GRUR 2016, 1301 Rn. 27 m.w.N.).</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>39 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="39"/>Zwar begehrt der Kläger nach dem Wortlaut seines Antrags die Verurteilung der Beklagten zu einer Handlung. Ungeachtet bestehender Zweifel an der erforderlichen Bestimmtheit eines solchen Antrags hat der Kläger aber bereits in der Klageschrift darauf hingewiesen, dass das „Feststellungsinteresse“ bestehe (Schriftsatz vom 11.10.2016 S. 3). Damit hat er hinreichend verdeutlicht, dass sein Klagebegehren tatsächlich als Feststellungsantrag verstanden werden soll. Überdies hat er ebenfalls bereits in der Klageschrift vorgetragen, die Zahlung des Teils der Entschädigung, der den Zeitwertschaden übersteige (sog. Neuwertspitze), setze die Sicherstellung einer Ersatzbeschaffung voraus, er sei hierzu aber nur in der Lage, wenn sichergestellt sei, dass die entsprechenden Kosten durch die Beklagte ersetzt würden. Damit hat er zum Ausdruck gebracht, dass er durch das von ihm begehrte Urteil die Verpflichtung der Beklagten bestätigt wissen will, den Schaden auf Versicherungswertbasis (E 12.2.1 Buchst. a der AVB) anstelle der von der Beklagten für einschlägig erachteten Reparaturkostenbasis (E 12.2.1 Buchst. b der AVB) zu regulieren und in diesem Zusammenhang die Neuwertspitze nach E 12.2.2 Buchst. a der AVB zu entschädigen, sobald er die erforderliche Ersatzbeschaffung sicherstellt.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>40 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="40"/>b) Der so verstandene Antrag betrifft ein feststellungsfähiges, gegenwärtiges Rechtsverhältnis.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>41 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="41"/>Soweit ein Kläger die Feststellung von Rechtsfolgen aus einem Rechtsverhältnis begehrt, das noch nicht besteht, sondern erst in Zukunft unter Voraussetzungen, deren Eintritt noch offen ist, entstehen kann, genießt er noch kein Recht auf richterlichen Schutz (vgl. BGH, Urteil vom 20.11.1992 - V ZR 82/91, BGHZ 120, 239 [juris Rn. 34] m.w.N.). Dies bedeutet allerdings nicht, dass für die Eröffnung der Feststellungsklage alle Umstände, von denen die Entstehung der festzustellenden Rechtsfolge abhängt, bereits eingetreten sein müssten. Vielmehr reicht es insoweit aus, dass die zwischen den Parteien des Rechtsstreits bestehenden Beziehungen schon zur Zeit der Klageerhebung wenigstens die Grundlage bestimmter Ansprüche bilden (vgl. BGH, Urteil vom 13.05.1992 - IV ZR 213/91, VersR 1992, 950 [juris Rn. 9] m.w.N.).</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>42 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="42"/>Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Zwar geht es dem Kläger um die Feststellung der künftigen Verpflichtung der Beklagten zur Entschädigung der Neuwertspitze. Aufgrund der strengen Wiederherstellungsklausel in E 12.2.2 Buchst. a der AVB erwirbt er den darauf gerichteten Anspruch erst, wenn er die Verwendung der geforderten Entschädigung zu den dort genannten Zwecken sicherstellt. Bis dahin fehlt es an einer Anspruchsvoraussetzung; der entsprechende Anspruch ist noch nicht entstanden (vgl. BGH, Urteil vom 13.12.2000 - IV ZR 280/99, r+s 2001, 118 [juris Rn. 11]).</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>43 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="43"/>Bei der Frage nach der Gegenwärtigkeit des Rechtsverhältnisses ist aber nicht entscheidend auf den Zeitpunkt der Anspruchsentstehung abzustellen (a.A. OLG Köln, VersR 2018, 1248 f.; Günther, r+s 2017, 340 f. unter Bezugnahme auf eine unveröffentlichte Entscheidung des LG Köln). Maßgebend ist vielmehr, dass die Grundlagen des Anspruchs auf Entschädigung der Neuwertspitze nach Eintritt des Versicherungsfalls bereits angelegt sind und es zur Entstehung des Anspruchs - das Vorliegen aller übrigen, behaupteten Tatbestandsvoraussetzungen unterstellt - ausschließlich noch der Sicherstellung der Entschädigungsverwendung bedarf. Bei Vorliegen solch verdichteter Rechtsbeziehungen verdient der Kläger richterlichen Schutz. Insofern ist auch zu berücksichtigen, dass Versicherungsnehmern, die nicht über die erforderlichen Mittel zur Sicherstellung der Wiederbeschaffung oder Wiederherstellung verfügen, ansonsten keine Rechtsschutzmöglichkeit gegen einen Versicherer zur Verfügung stünde, der sich rechtswidrig von vornherein weigert, seine Verpflichtung zur Erstattung der Neuwertspitze festzustellen. Gerade in solchen Fällen bleibt dem Versicherungsnehmer nur die Möglichkeit, diese Feststellung durch eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen (so BGH, Urteil vom 26.10.2016 - IV ZR 193/15, r+s 2017, 133 Rn. 29; ähnlich OLG Celle, r+s 1990, 93, 95).</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>44 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="44"/>c) Der Kläger hat auch das erforderliche Feststellungsinteresse. Die Beklagte stellt seinen Anspruch auf Entschädigung nach Maßgabe von E 12.2.1 Buchst. a, E 12.2.2 Buchst. a der AVB in Abrede. Die Möglichkeit zur Leistungsklage steht dem Kläger - ungeachtet der Ausführungen des Landgerichts zur in den AVB eröffneten Möglichkeit des Sachverständigenverfahrens - schon wegen der vereinbarten strengen Wiederherstellungsklausel nicht zur Verfügung.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>45 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="45"/>2. Das Feststellungsbegehren ist aber unbegründet.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>46 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="46"/>a) Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Ersatz des Versicherungswerts der Heuballenpresse unmittelbar vor Eintritt des Versicherungsfalls.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>47 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="47"/>aa) Nach E 12.2.1 Buchst. a der AVB hat der Versicherer den Versicherungswert einer versicherten Sache zu ersetzen, wenn sie zerstört wurde oder infolge eines Versicherungsfalls abhanden kam. Dagegen schuldet er gemäß E 12.2.1 Buchst. b der AVB im Falle der bloßen Beschädigung den Ersatz der notwendigen Reparaturkosten zuzüglich einer etwaigen Wertminderung.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>48 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="48"/>bb) Das Landgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die Heuballenpresse nicht als zerstört i.S.v. E 12.2.1 Buchst. a der AVB, sondern als beschädigt i.S.v. E 12.2.1 Buchst. b der AVB anzusehen ist.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>49 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="49"/>(1) Die Berufung wendet sich nicht gegen die Feststellung des Landgerichts, die Reparatur der brandgeschädigten Heuballenpresse sei technisch möglich. Sie greift nur dessen Wertung an, nach der auch kein wirtschaftlicher Totalschaden vorliege.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>50 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="50"/>Unter welchen Voraussetzungen ein solcher Schaden anzunehmen ist, wird in der Literatur unterschiedlich beurteilt. Während eine Ansicht insofern fordert, dass die Reparaturkosten zuzüglich einer eventuellen Wertminderung höher sind als der vereinbarte Versicherungswert abzüglich eines eventuellen Restwerts (Jula in Bruck/Möller, VVG 9. Aufl. Allgemeine Hausratsversicherungsbedingungen 2010 § 12 Rn. 3; ders., Sachversicherungsrecht 4. Aufl. S. 226; Gierschek in Dietz/Fischer/Gierschek, Wohngebäudeversicherung 3. Aufl. § 13 A Rn. 12 ff.), spricht sich die Gegenansicht dafür aus, dass es bereits genüge, wenn die Reparaturkosten die Differenz aus Zeitwert und Restwert übersteigen (Martin, Sachversicherungsrecht 3. Aufl. R I Rn. 17 a.E.). Das Landgericht hat seine Bewertung auf Grundlage der erstgenannten Ansicht getroffen, während die Berufung die zweitgenannte Meinung für richtig erachtet.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>51 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="51"/>(2) Der Meinungsstreit bedarf hier keiner Entscheidung. Denn der Leistungsumfang der Beklagten richtet sich nicht nach allgemeinen Schadensbegriffen, sondern den - insoweit weder vom Landgericht noch den Parteien in den Blick genommenen - vertraglichen Vereinbarungen im konkreten Fall (vgl. Armbrüster in Prölss/Martin, VVG 30. Aufl. Vorb. zu §§ 74-99 Rn. 80). Nach Auslegung der in den Versicherungsvertrag des Klägers einbezogenen Versicherungsbedingungen ist unabhängig von der generellen Definition des wirtschaftlichen Totalschadens keine Zerstörung der Rundballenpresse anzunehmen, so dass eine Schadensregulierung nach Maßgabe von E 12.2.1 Buchst. a der AVB von vornherein ausscheidet.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>52 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="52"/>(a) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an (BGH, Urteil vom 23.06.1993 - IV ZR 135/92, BGHZ 123, 84 [juris Rn. 14] m.w.N.; st. Rspr.).</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>53 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="53"/>(b) Eine ausdrückliche Regelung, ab welchem Grad der Beschädigung die versicherte Sache als zerstört anzusehen ist, enthalten die Versicherungsbedingungen nicht. Aus E 12.2.1 Buchst. b der AVB ersieht der durchschnittliche Versicherungsnehmer indes, dass im Falle der technischen Reparaturfähigkeit eine Zerstörung so lange nicht vorliegt, wie die notwendigen Reparaturkosten zuzüglich einer Wertminderung, die durch den Versicherungsfall entstanden und durch die Reparatur nicht auszugleichen ist, den Versicherungswert unmittelbar vor Eintritt des Versicherungsfalls nicht übersteigen (vgl. hierzu auch BGH, Urteil vom 08.11.1995 - IV ZR 365/94, BGHZ 131, 157 [juris Rn. 16]). Denn die Regelung des Versicherungswerts als Entschädigungsgrenze machte an dieser Stelle keinen Sinn, wenn regelmäßig bereits vor deren Erreichen wegen der Annahme eines wirtschaftlichen Totalschadens eine Zerstörung der versicherten Sache i.S.v. E 12.2.1 Buchst. a der AVB anzunehmen und damit eine Regulierung nach E 12.2.1 Buchst. b der AVB ohnehin ausgeschlossen wäre. Der verständige Versicherungsnehmer entnimmt dem, dass jedenfalls bis zum Erreichen dieser Entschädigungsgrenze - unabhängig von der Wirtschaftlichkeit einer Reparatur - von einer Beschädigung und nicht von einer Zerstörung im Sinne der Bedingungen auszugehen ist.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>54 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="54"/>Dem steht - anders als die Berufung meint - das Begriffsverständnis gemäß dem allgemeinen Sprachgebrauch nicht entgegen. Denn auch danach ist eine Sache nicht immer schon dann als zerstört anzusehen, wenn sie - wie beispielsweise ein PKW mit einem geplatzten Reifen - unrepariert nicht gebrauchsfähig ist. Ein solches Fahrzeug ist nach allgemeinem Verständnis nicht zerstört, sondern nur beschädigt. Dass anhand des allgemeinen Sprachgebrauchs Kostenlimits bestimmt werden könnten, anhand derer sich - im Falle der technischen Reparaturfähigkeit - der Begriff der Zerstörung von dem der Beschädigung abgrenzen ließe, ist weder dargetan noch ersichtlich. Die von der Berufung weiter angeführte Begriffbildung in der strafrechtlichen Rechtsprechung ist einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht bekannt.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>55 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="55"/>Auch der für den Versicherungsnehmer erkennbare Sinn und Zweck der Neuwertversicherung gebietet kein abweichendes Verständnis. Es ist nicht erkennbar, weshalb eine Neuwertversicherung für einen Landwirt nur dann Sinn machte, wenn sie ihm in jedem Schadenfall ermöglichte, durch die Entschädigung „die entsprechende Maschine/Sache“ neu anzuschaffen. Hinreichender Schutz des Versicherungsnehmers ist auch dann gewährleistet, wenn er nur im Falle der Zerstörung der versicherten Sache durch die Versicherungsleistung in die Lage versetzt wird, eine neue anstelle einer gebrauchten Ersatzsache zu erwerben, und im Übrigen Ersatz der Reparaturkosten (ggfs. zuzüglich einer Wertminderung) erhält. Dies gilt auch dann, wenn im Falle technischer Reparaturfähigkeit bis zum Erreichen der Entschädigungsgrenze nach E 12.2.1 Buchst. b der AVB eine Entschädigung nur auf Reparaturkostenbasis erfolgt.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>56 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="56"/>(c) E 12.2.1 Buchst. a und b der AVB sind nicht in einer Weise unklar, dass die Zweifel nach § 305c Abs. 2 BGB eine Auslegung im Sinne der Berufung rechtfertigten. Unklar gemäß § 305c Abs. 2 BGB sind Klauseln, bei denen nach Ausschöpfung der in Betracht kommenden Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel verbleibt und mindestens zwei unterschiedliche Auslegungen vertretbar sind (BGH, Urteil vom 14.06.2017 - IV ZR 161/16, r+s 2017, 421 Rn. 12). Wie unter (b) ausgeführt fehlt es hier an einer solchen Mehrdeutigkeit.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>57 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="57"/>(d) Nach all dem kann der Kläger im Streitfall nur eine Schadensregulierung auf Reparaturkostenbasis verlangen. Nach seinem eigenen Vortrag liegen die erforderlichen Reparaturkosten zuzüglich der nicht auszugleichenden Wertminderung unter dem Versicherungswert der Rundballenpresse.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>58 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="58"/>Versicherungswert der Rundballenpresse ist im Streitfall der Neuwert. Zwar liegt ihr Zeitwert nach dem Vortrag des Klägers unter der Grenze von E 9.2.3 Satz 1 der AVB. Ungeachtet dessen ist aber nach E 9.2.3 Satz 3 der AVB der Neuwert maßgeblich, weil die Presse als Teil der Betriebseinrichtung vor Eintritt des Versicherungsfalls uneingeschränkt verwendungsfähig und in dieser Weise beim Kläger in Gebrauch war. Die regelmäßige Pflege und Wartung des Geräts durch den Kläger, einen KFZ-Mechaniker, vor Eintritt des Versicherungsfalls steht außer Streit (s. Schadenbericht F. vom 14.07.2014, S. 3 f.; Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 17.11.2016).</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>59 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="59"/>Als Neuwert des Geräts hat der Kläger in der Berufungsinstanz einen Wert von 29.000 EUR netto genannt. In der Klageschrift hat er die Reparaturkosten mit einem - von keinem der beiden tätigen Sachverständigen bestätigten - Wert von mindestens 10.000 EUR netto angegeben. Zur Wertminderung hat er sich nicht geäußert. Diese kann jedoch nicht über dem von ihm für richtig erachteten Zeitwert der unbeschädigten Maschine von 4.000 EUR brutto liegen. Die Entschädigungsgrenze i.S.v. E 12.2.1 Buchst. b der AVB wird danach nicht erreicht.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>60 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="60"/>b) Mangels Anspruchs auf Auszahlung des Versicherungswerts steht dem Kläger auch kein Anspruch auf Zahlung der Neuwertspitze zu. Auf die Frage, ob der Kläger die Voraussetzungen von E 12.2.2 Buchst. a der AVB innerhalb der dort genannten Frist hätte erfüllen müssen und ob dies gegebenenfalls jetzt noch nachgeholt werden kann, kommt es danach nicht an.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
<table width="100%"><tr><td style="text-align:center">III.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>61 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="61"/>Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den § 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Zulassung ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO im Hinblick auf das Urteil des OLG Köln (VersR 2018, 1248) geboten, nachdem die Frage der Zulässigkeit einer Klage zur Feststellung der Verpflichtung des Versicherers zur Erstattung der Neuwertspitze bereits durch das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 26.10.2016 (IV ZR 193/15, r+s 2017, 133 Rn. 29) höchstrichterlich geklärt ist.</td></tr></table>
</td></tr></table> |
|
171,236 | ovgnrw-2019-01-18-4-a-96718a | {
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<p>Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Aachen vom 3.1.2018 wird abgelehnt.</p>
<p>Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">1. Der geltend gemachte Zulassungsgrund einer Versagung des rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i. V. m. § 138 VwGO) liegt nicht vor.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Das Verwaltungsgericht hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör nicht dadurch verletzt, dass es ‒ so das Zulassungsvorbringen ‒ in dem angegriffenen Urteil Erkenntnisquellen verwendet habe, die ihm zuvor nicht ordnungsgemäß bekannt gegeben worden seien.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Das Gebot rechtlichen Gehörs verlangt, dass das Urteil nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt wird, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO). Die Verwertung von Tatsachen und Beweisergebnissen setzt deshalb voraus, dass diese von den Verfahrensbeteiligten oder vom Gericht im Einzelnen bezeichnet zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht oder sonst in das Verfahren eingeführt worden sind, und dass sich die Beteiligten hierzu äußern konnten. Dies gilt auch für die im Asylverfahren verwendeten Erkenntnisse.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerfG, Beschluss vom 18.7.2001 ‒ 2 BvR 982/00 ‒, InfAuslR 2001, 463 = juris, Rn. 15 ff.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Dass das Verwaltungsgericht gegen diese Verpflichtung verstoßen haben könnte, legt der Kläger schon nicht dar. Das Verwaltungsgericht hat den in den Urteilsgründen zitierten Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand Mai 2016, dadurch zum Gegenstand des Verfahrens gemacht, dass es die Beteiligten mit der Ladungsverfügung vom 21.8.2017 darauf hingewiesen hat, die Liste der Erkenntnisquellen, die berücksichtigt würden und zu denen der genannte Lagebericht gehört, sei auf der Internetseite des Gerichts unter <span style="text-decoration:underline">www.vg-aachen.nrw.de</span> (Aufgaben/Erkenntnislisten) einsehbar; auf Anfrage werde eine Erkenntnisliste übersandt. Zudem hat es in der mündlichen Verhandlung, bei der auch der Prozessbevollmächtigte des Klägers zugegen war, die Auskünfte, Berichte und Gutachten, auf die die Beteiligten mit der Ladung hingewiesen worden sind, zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Damit hatte der Kläger ausreichend Gelegenheit, sich Kenntnis über die relevanten Erkenntnisquellen im Internet, durch Anforderung in Papierform, Einsichtnahme oder durch Nachfrage in der mündlichen Verhandlung zu verschaffen. Unterlässt er dies, ist ihm die Gehörsrüge verwehrt. Denn ein Rechtssuchender muss die nach der jeweiligen prozessualen Lage gegebenen und zumutbaren prozessualen Möglichkeiten ausschöpfen, um sich das rechtliche Gehör zu verschaffen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.6.2017 ‒ 2 WD 6/17 u. a. ‒, Buchholz 450.2 § 121a WDO 2002 Nr. 1 = juris, Rn. 14; OVG NRW, Beschluss vom 1.2.2018 ‒ 4 A 1763/15.A ‒, juris, Rn. 6 f., m. w. N.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Schon deshalb greift auch der Einwand des Klägers nicht durch, ihm habe zumindest die Möglichkeit eröffnet werden müssen, Kopien der in der Erkenntnisliste aufgeführten Materialien anzufertigen. Er macht nicht geltend, gegenüber dem Verwaltungsgericht um diese Möglichkeit nachgesucht zu haben. Im Übrigen reicht es nach Bezeichnung der in einem Verfahren möglicherweise zu verwertenden Erkenntnisse für die Gewährung rechtlichen Gehörs aus, wenn den Parteien eine Einsichtnahme möglich und zumutbar war.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20.3.1997 ‒ 14 A 990/97.A ‒, NVwZ 1997, Beilage Nr. 11, 81 = juris, Rn. 8.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Der Kläger legt nicht dar, aufgrund welcher Umstände es ihm nicht zumutbar gewesen sein sollte, sich von dem Inhalt der Erkenntnisquellen durch eine vom Verwaltungsgericht ausdrücklich als Möglichkeit benannte Einsichtnahme bei Gericht Kenntnis zu verschaffen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Darüber hinaus fehlt jeglicher Vortrag dazu, was der Kläger bei ausreichender Gehörsgewährung noch vorgetragen hätte und inwieweit der weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 1.2.2018 ‒ 4 A 1763/15.A ‒, juris, Rn. 8 f., m. w. N.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Das Gebot des rechtlichen Gehörs ist auch nicht dadurch verletzt, dass das Verwaltungsgericht das vom Kläger vorgelegte Länderkurzinfo Pakistan von Amnesty International, Zitate von der Internetseite des Auswärtigen Amtes und Angaben des UNHCR nicht ausdrücklich in den Urteilsgründen berücksichtigt hat.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO verpflichten das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Es ist indes grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Gericht diesen Anforderungen genügt. Die Gerichte sind nicht verpflichtet, jedes Vorbringen in den Gründen ausdrücklich zu bescheiden. Deshalb müssen im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17.8.2017 – 4 A 1904/17.A –, juris, Rn. 2 ff., m. w. N.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Aus der Antragsbegründung ergibt sich nicht, dass das Verwaltungsgericht hiergegen verstoßen haben könnte. Eine Verpflichtung des Gerichts, sich mit allen von den Verfahrensbeteiligten angeführten Erkenntnisquellen ausdrücklich zu befassen, besteht nicht. Maßgeblich ist, dass das Gericht inhaltlich auf die relevanten und die von den Verfahrensbeteiligten vorgetragenen Gesichtspunkte eingeht.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 27.3.2017 ‒ 2 BvR 681/17 ‒, NVwZ 2017, 1702 = juris, Rn. 12.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Dies hat das Verwaltungsgericht getan. Es hat die vom Kläger mit den vorgelegten bzw. benannten Informationen geltend gemachte Verschlechterung der Sicherheitslage in Pakistan sowohl im Tatbestand (Urteilsabdruck, Seite 3, dritter Absatz) angeführt als auch in den Entscheidungsgründen (Urteilsabdruck, Seite 11, erster Absatz, bis Seite 12, erster Absatz) ausführlich gewertet. Dass es diesen Vortrag auf eine Weise gewürdigt hat, die nicht mit den subjektiven Vorstellungen des Klägers übereinstimmt, führt nicht auf einen Gehörsverstoß.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Entsprechendes gilt, soweit der Kläger eine Gehörsverletzung hinsichtlich seines Vortrags rügt, er habe als Lehrer an einer Schule unterrichtet. Das Verwaltungsgericht hat dieses Vorbringen sowohl im Tatbestand des angefochtenen Urteils als auch in den Entscheidungsgründen ausdrücklich angesprochen (Urteilsabdruck, Seite 3, dritter Absatz, und Seite 10, erster Absatz). Dass es nicht auch die von dem Kläger hierzu vorgelegten Fotos erwähnt hat, rechtfertigt nicht den Schluss, es habe das Vorbringen insoweit nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Eine Gehörsverletzung legt der Kläger auch insoweit nicht dar, als er geltend macht, ihm sei in dem Termin zur mündlichen Verhandlung kein Dolmetscher für die Sprache Paschtu gestellt worden. Nur wenn Übersetzungsfehler des Dolmetschers in entscheidungserheblichen Punkten zu einer unrichtigen, unvollständigen oder sinnentstellenden Wiedergabe der Erklärungen von Asylsuchenden geführt haben, kann eine Verkürzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vorliegen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9.11.2017 ‒ 4 A 2370/17.A ‒, juris, Rn. 3 f., m. w. N.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Derartiges trägt der Kläger nicht vor.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Soweit er seinen Anspruch auf rechtliches Gehör dadurch verletzt sieht, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht davon ausgegangen sei, er habe erstmals im Klageverfahren von einer schriftlichen Warnung der Taliban an ihn gesprochen, womit es unberücksichtigt gelassen habe, dass er schon bei seiner Anhörung durch das Bundesamt die Kopie eines Drohbriefes nebst Übersetzung vorgelegt habe, verkürzt das Zulassungsvorbringen den aktenkundigen Sachverhalt in erheblicher Weise und ist deshalb bereits sachlich unzutreffend. Zu dem im Anhörungsprotokoll des Bundesamtes erwähnten Drohbrief hatte der Kläger in seiner Anhörung erklärt, diesen nach dem Wiederaufbau der im November 2015 zerstörten Schule erhalten zu haben (vgl. Anhörungsprotokoll, Seite 3, letzter Absatz, bis Seite 4, viertletzter Absatz). Die von dem Kläger beanstandete Erwägung des Verwaltungsgerichts bezieht sich demgegenüber ausschließlich auf einen – zeitlich früheren, anderen – Drohbrief vom 12.2.2012 (vgl. Urteilsabdruck, Seite 9, erster Absatz), den der Kläger tatsächlich erst im gerichtlichen Verfahren zur Sprache gebracht und vorgelegt hat.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Auch sein weiterer Einwand, das Verwaltungsgericht hätte den Sachverhalt von Amts wegen gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO erforschen müssen, führt nicht auf einen Verstoß gegen das Gebot rechtlichen Gehörs. Ein Aufklärungsmangel begründet grundsätzlich ‒ so auch hier ‒ weder einen Gehörsverstoß noch gehört er zu den sonstigen Verfahrensmängeln im Sinne der §§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG, 138 VwGO. Dies gilt auch insoweit, als der gerichtlichen Aufklärungsverpflichtung verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19.12.2016 ‒ 4 A 2203/15.A ‒, juris, Rn. 24 f., m. w. N.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Eine Verletzung rechtlichen Gehörs zeigt der Kläger auch insoweit nicht auf, als er sich dagegen wendet, dass das Verwaltungsgericht seinen Vortrag zu einem nächtlichen Überfall der Taliban als widersprüchlich sowie zum Beleg unter anderem seiner Beteiligung an Polio-Schutzimpfungen vorgelegte Dokumente als nicht glaubwürdige Gefälligkeitsbescheinigungen bewertet hat (vgl. Urteilsabdruck, Seite 7, letzter Absatz, bis Seite 9, zweiter Absatz). Damit beanstandet der Kläger die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts, die dem sachlichen Recht zuzuordnen ist und deshalb von vornherein nicht die Zulassung der Berufung wegen eines Verfahrensmangels rechtfertigt.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 2.11.1995 ‒ 9 B 710.94 ‒, DVBl. 1996, 108 = juris, Rn. 5, und vom 1.2.2010 ‒ 10 B 21.09 u. a. ‒, juris, Rn. 13, m. w. N.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">2. Die von dem Kläger geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) ist nicht dargelegt.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht beantwortete Rechtsfrage oder eine im Bereich der Tatsachenfeststellung bisher obergerichtlich nicht geklärte Frage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die sich in dem angestrebten Berufungsverfahren stellen würde und die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts berufungsgerichtlicher Klärung bedarf. Für die Darlegung dieser Voraussetzungen ist neben der Formulierung einer Rechts- oder Tatsachenfrage erforderlich, dass der Zulassungsantrag konkret auf die Klärungsbedürftigkeit und -fähigkeit der Rechts- bzw. Tatsachenfrage sowie ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingeht.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29.1.2016 – 4 A 2103/15.A –, juris, Rn. 2 f., m. w. N.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Eine auf tatsächliche Verhältnisse gestützte Grundsatzrüge erfordert überdies die Angabe konkreter Anhaltspunkte dafür, dass die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen etwa im Hinblick auf hierzu vorliegende gegensätzliche Auskünfte oder abweichende Rechtsprechung einer unterschiedlichen Würdigung zugänglich sind. Insoweit ist es Aufgabe des Rechtsmittelführers, durch die Benennung von bestimmten begründeten Informationen, Auskünften, Presseberichten oder sonstigen Erkenntnisquellen zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür darzulegen, dass nicht die Feststellungen und Einschätzungen des Verwaltungsgerichts, sondern die gegenteiligen Bewertungen in der Zulassungsschrift zutreffend sind, so dass es zur Klärung der sich insoweit stellenden Fragen der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23.2.2017 – 4 A 685/14.A –, juris, Rn. 5 f., m. w. N.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Diesen Darlegungsanforderungen genügt die Antragsbegründung nicht.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Hinsichtlich der von dem Kläger aufgeworfenen Fragen,</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">ob die Taliban und Mullahs ihren Krieg in die Städte und weiteren Regionen in Pakistan, damit auch im Punjap, getragen haben und aufgrund einer Nachrichtensperre der Regierung kein Zugang zu Kampfgebieten ermöglicht wird,</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">ob die terroristische Bedrohung durch die Taliban sich im Wesentlichen auf Teile der sogenannten Stammesgebiete in den FATA und in der Provinz Khyber-Pakhtunkhwa konzentriert oder Gesamt-Pakistan durch eine terroristische Bedrohung durch die Taliban betroffen ist,</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">legt er ihre Klärungsbedürftigkeit nicht schlüssig dar. Es fehlt eine Auseinandersetzung mit der auf entsprechenden Erkenntnissen aus dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: Mai 2016, beruhenden Annahme des Verwaltungsgerichts, für ihn bestehe bei Rückkehr nach Pakistan keine landesweite konkrete Gefahr, Opfer von Angriffen der Taliban oder anderer terroristischer Organisationen auf die Zivilbevölkerung zu werden oder in Auseinandersetzungen der staatlichen Sicherheitskräfte mit den Taliban einbezogen zu werden (Urteilsabdruck, Seite 11, zweiter Absatz). Auch unter Berücksichtigung der vom Kläger im Zulassungsantrag benannten Anschläge besteht angesichts der Größe und Bevölkerungszahl Pakistans kein Anhalt dafür, dass für ihn landesweit die konkrete Gefahr bestünde, Opfer eines entsprechenden Übergriffs zu werden. Er benennt schon keine entsprechenden Erkenntnisquellen, die die von ihm vorgetragenen Anschläge belegen, sondern verweist nur allgemein auf „öffentlich zugängliche Quellen“. Es ist jedoch nicht Aufgabe des Senats, sondern obliegt aufgrund seiner Darlegungslast gemäß § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG dem Kläger, diejenigen öffentlichen Quellen konkret zu benennen, die aus seiner Sicht für die Beantwortung der von ihm aufgeworfenen Fragen von Bedeutung sind.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Hinsichtlich der weiteren Frage,</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">ob der Kläger als Privatperson Angriffen der Taliban ausgesetzt ist,</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">fehlt es an der Darlegung ihrer über den Einzelfall hinausgehenden Bedeutung. Darüber hinaus fehlen auch insoweit Darlegungen zu Erkenntnisquellen, aus denen sich ausreichende Anhaltspunkte dafür ergeben, dass für Privatpersonen generell oder für eine Gruppe von Privatpersonen, zu der der Kläger gehört, landesweit die konkrete Gefahr bestehen könnte, Angriffen durch die Taliban ausgesetzt zu werden.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Schließlich rechtfertigt auch die Frage,</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">ob der Kläger, der in einem Polio-Team arbeitete und zudem an einer Schule unterrichtete und sich insofern mehrfach gegen die Taliban geäußert hat, sich auf die Inanspruchnahme internen Schutzes verweisen lassen muss,</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">die Zulassung der Berufung selbst dann nicht, wenn man sie von ihrem Einzelfallbezug löst und unter Berücksichtigung der diesbezüglichen Ausführungen im Zulassungsantrag verallgemeinernd dahin versteht, ob einer Person, die in Opposition zu den Taliban eine Schule aufgebaut, Kinder unterrichtet sowie sich in einem Polio-Team engagiert hat und deshalb Übergriffen von Taliban ausgesetzt gewesen ist, eine interne Schutzmöglichkeit in anderen Landesteilen offen steht, wenn sie sich bei Rückkehr nach Pakistan in vergleichbarer Weise betätigen will. Der Kläger legt die Entscheidungserheblichkeit dieser Frage nicht dar. Das Verwaltungsgericht hat ihm nicht geglaubt, dass er von Taliban angegriffen wurde, und es hat die von ihm zum Beleg unter anderem seiner Beteiligung an Polio-Schutzimpfungen vorgelegten Dokumente als nicht glaubwürdige Gefälligkeitsbescheinigungen bewertet (vgl. Urteilsabdruck, Seite 7, letzter Absatz, bis Seite 9, zweiter Absatz). Dem ist der Kläger, wie bereits ausgeführt, nicht mit durchgreifendem Zulassungsvorbringen entgegen getreten.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">3. Soweit der Kläger ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils geltend macht, scheitert eine Zulassung bereits daran, dass das Asylgesetz ‒ anders als § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ‒ einen daran anknüpfenden Zulassungsgrund nicht kennt.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und § 83b AsylG.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.</p>
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171,235 | olgk-2019-01-18-6-u-6118 | {
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<p>Die Berufung der Beklagten gegen das am 14.03.2018 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln – 84 O 98/17 – wird zurückgewiesen.</p>
<p>Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.</p>
<p>Dieses Urteil und das genannte Urteil des Landgerichts Köln sind vorläufig vollstreckbar. Dies gilt hinsichtlich der Unterlassungsverpflichtung nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 90.000 € und hinsichtlich des Auskunftsanspruchs in Höhe von 10.000 €. Die Beklagte kann die Vollstreckung im Übrigen durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.</p>
<p>Die Revision wird zugelassen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">G r ü n d e :</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Parteien streiten über die Berechtigung der Beklagten zum Vertrieb von Fleischerzeugnissen unter der Bezeichnung „<em>Culatello di Parma</em>“ in einer in den Antrag aufgenommenen konkreten Form.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin wurde im Jahr 1963 von italienischen Herstellern von Parmaschinken gegründet, um in Umsetzung des nationalen und europäischen Rechts die Ursprungsbezeichnung „<em>Prosciutto di Parma</em>“ zu verteidigen, zu fördern und zu sichern. Als Erzeugerorganisation wurde sie vom italienischen Ministerium für Landwirtschaft, Lebensmittel und Forstwirtschaft am 01.12.2014 formell anerkannt und bestätigt. Als in dieser Weise anerkannte Vereinigung verteidigt die Klägerin in Umsetzung von Art. 45 der Verordnung Nr. 1151/2012 über Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel vom 21. November 2012 die Ursprungsbezeichnung unter anderem gegen widerrechtliche Verwendungen nach Art. 13 der Verordnung, indem sie die zuständigen Behörden hiervon unterrichtet.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Bezeichnung „<em>Prosciutto di Parma</em>“ ist als geschützte Ursprungsbezeichnung im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 eingetragen. Aus Anhang II der diesbezüglich erlassenen Durchführungsverordnung Nr. 1208/13 ergibt sich der folgende Auszug aus der Produktspezifikation:</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">„<em>3.7. Besondere Vorschriften für die Etikettierung</em></p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks"><em>Das charakteristische Zeichen, an dem man echten „Prosciutto di Parma“ auf den ersten Blick erkennen kann, ohne das Etikett genauer zu prüfen, ist die „Herzogskrone“: ein Brandzeichen, das eine fünfzackige stilisierte Krone über einem Oval mit dem Schriftzug „Parma“ zeigt. Dieses Zeichen hat zwei Funktionen: Es ist ein Garant für die Echtheit des „Prosciutto di Parma“ (Erkennungszeichen), der so von anderen Rohschinken unterschieden werden kann, und es garantiert, dass das Erzeugnis alle vorgeschriebenen Verarbeitungsschritte durchlaufen hat und während aller dieser Schritte überwacht und kontrolliert wurde. Nur dieses Markenzeichen berechtigt zur Verwendung der geschützten Ursprungsbezeichnung: Ohne die „Herzogskrone“ darf das Erzeugnis nicht als „Prosciutto di Parma“ bezeichnet werden, weder auf dem Etikett oder der Verpackung, noch in den Verkaufsunterlagen oder im Handel (als ganzer Schinken, in Scheiben geschnitten und vorverpackt oder beim Einzelhandelsverkauf von Portionen).</em></p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks"><em>Für die Etikettierung von „Prosciutto di Parma“ sind die folgenden Angaben verbindlich vorgeschrieben:</em></p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks"><em>[…]</em></p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks"><em>— Für in Scheiben geschnittenen und vorverpackten Parmaschinken:</em></p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks"><em>— Die Verpackungen müssen oben links einen einheitlichen Teil aufweisen, auf dem das Kontrolletikett mit der Herzogskrone und folgende Angaben angebracht sind:</em></p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks"><em>— „Prosciutto di Parma denominazione di origine protetta ai sensi della legge 13 Febbraio 1990, n.26 et del Reg. (CE) n. 1107/96 („Prosciutto di Parma“ mit geschützter Ursprungsbezeichnung nach dem Gesetz Nr. 26 vom 13. Februar 1990 und der Verordnung (EG) Nr. 1107/96);</em></p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks"><em>— „confezionato sotto il controllo dell’Organismo autorizzato“ (verpackt unter Aufsicht der autorisierten Stelle);</em></p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks"><em>— Sitz des Verpackungsbetriebs;</em></p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks"><em>— Herstellungsdatum (Beginn der Reifelagerung auf dem Siegel ausgewiesen).DE L 317/14 Amtsblatt der Europäischen Union 28.11.2013</em></p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks"><em>[…]</em></p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks"><em>4.</em> <strong><em>Kurzbeschreibung der Abgrenzung des geografischen Gebiets</em></strong></p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks"><em>„Prosciutto di Parma“ darf nur in einem begrenzten Gebiet der Provinz Parma (Region Emilia-Romagna, Italien) hergestellt werden. Dieses Gebiet beginnt 5 km südlich der Via Emilia und erstreckt sich bis auf eine Höhe von 900 Metern. Im Osten wird das Erzeugungsgebiet vom Fluss Enza begrenzt, im Westen vom Lauf des Stirone.</em></p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks"><em>Der Rohstoff stammt aus einem Gebiet, das über das Verarbeitungsgebiet hinausgeht. Es umfasst das Verwaltungsgebiet folgender Regionen: Emilia-Romagna, Venetien, Lombardei, Piemont, Molise, Umbrien, Toskana, Marken, Abruzzen und Latium (Italien).“</em></p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Angaben zur Produktbezeichnung wird auf Anhang II der Durchführungsverordnung 1208/2013 (Anlage K5) Bezug genommen. Die Etikettierungsanweisung wird im Handel unter anderem wie folgt umgesetzt:</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks"><img height="381" width="427" src="6_U_61_18_Urteil_20190118_01.png" alt="Die Entscheidung enthält an dieser Stelle ein Bild oder eine Grafik." /></p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die mit dieser geschützten Ursprungsbezeichnung gekennzeichneten Fleischprodukte werden auch nach Deutschland exportiert. In den Jahren 2013 – 2015 wurden so in Deutschland ca. 80 Mio. kg pro Jahr abgesetzt, davon entfielen 7,5 Mio. kg (mehr als 70 Mio. Packungen) pro Jahr auf den Vertrieb als vorverpackte Ware in Scheiben, wie im Folgenden dargestellt: Im Jahr 2015 wurden 2,5 Mio. kg insgesamt und ca. 9,7 Mio. Packungen an vorverpackter Ware nach Deutschland exportiert. Hiermit wurden in diesem Jahr 1.520 Mio. € Umsatz erzielt. Die Werbeaufwendungen für Deutschland beliefen sich in diesem Jahr auf ca. 900.000 €.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte ist ein italienisches Unternehmen mit Sitz in der Region Parma im sogenannten „Parma Food Valley“, das verschiedene Fleischprodukte wie Aufschnitt von Schinken und Wurst vor Ort herstellt und unter anderem nach Deutschland exportiert. Sie war seit 1986 Mitglied der Klägerin (die Mitgliedschaft ist aufgrund der Auseinandersetzungen zwischen den Parteien im Laufe des Verfahrens beendet worden) und führt in ihrem Produktsortiment auch ein Erzeugnis mit der Bezeichnung „<em>Prosciutto di Parma</em>“, das entsprechend den Vorgaben angeboten wird, aber nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites ist.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte führt auch das hier angegriffene Fleischerzeugnis mit der Bezeichnung „<em>Culatello di Parma</em>“ in ihrem Sortiment. Dieses Produkt entspricht nicht den Kriterien der Produktspezifikation für „<em>Prosciutto di Parma</em>“, wie sie sich aus Anlage II der Verordnung 1208/2013 ergeben, weil bei der Herstellung andere als die angegebenen Gewürze, unter anderem Pfeffer und Knoblauch, verwendet werden. Die Beklagte vertreibt dieses Produkt in der folgenden Aufmachung:</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks"><img height="485" width="347" src="6_U_61_18_Urteil_20190118_11.png" alt="Die Entscheidung enthält an dieser Stelle ein Bild oder eine Grafik." /></p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Es handelt sich um eine überwiegend durchsichtige Plastikverpackung, die den Blick auf die versetzt übereinander geschichteten, aufgeschnittenen Rohschinkenscheiben ermöglicht. Das Frontetikett hat die Gestalt eines rechteckigen Streifens mit schwarzer Grundfarbe, auf der die Produktbezeichnung nebst italienischer Flagge vorhanden ist. Neben der näheren Bezeichnung „<em>Prestigioso salume artigianale stagionato in vecchie cantine / In Kellern luftgetrockneter handwerklich hergestellter Schinken</em>“ findet sich eine verkleinerte Landkarte von Italien in grüner Grundfarbe, auf der die Region Emilia- Romagna weiß hervorgehoben ist. Rechts daneben befindet sich der Schriftzug „<em>Origine e Tradizione Italiana</em>“. Auf der Rückseite befindet sich ein weiteres weißes Etikett mit Inhaltsangaben und Mindesthaltbarkeitsdatum. Die Aufmachung der Verpackung entspricht in wesentlichen Teilen der Gestaltung der Verpackungen von anderen Produkten der Beklagten.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Nachdem es zwischen den Parteien bereits am 06.09.2016 wegen des Vertriebs in Belgien und Irland sowie am 22.09.2016 wegen des Vertriebs in Österreich ergebnislose Gespräche über die Einstellung der Produktbezeichnung „<em>Culatello di Parma</em>“ gegeben hatte, mahnte die Klägerin die deutsche Vertriebspartnerin der Beklagten, die G. GmbH & Co. KG, die das Produkt für die Beklagte in Deutschland vertrieb, mit Schreiben vom 10.10.2016 ab, woraufhin diese unter dem 11.10.2016 eine Unterlassungs-und Verpflichtungserklärung unterzeichnete. Am 14.10.2016 widerrief sie diese Erklärung jedoch und focht hilfsweise den Unterwerfungsvertrag an. Unter dem gleichen Datum mahnte die Beklagte die Klägerin mit dem Anliegen ab, Abnehmerverwarnungen zu unterlassen.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin erwirkte am 26.10.2016 vor dem Landgericht Köln eine im Beschlusswege erlassene einstweilige Verfügung, mit der gegenüber der Beklagten antragsgemäß angeordnet wurde, es unter Androhung der üblichen Ordnungsmittel zu unterlassen, in der Bundesrepublik Deutschland Fleischerzeugnisse unter der Bezeichnung „Culatello di Parma“ anzubieten, zu bewerben, in Verkehr zu bringen und/oder einzuführen, wenn dies nicht unter Einhaltung der gemäß Art. 7 der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 des europäischen Parlaments und des Rates vom 21.11.2012 über Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel geltenden Produktspezifikationen der g.U. „Prosciutto di Parma“ erfolgt, und zwar wie nachstehend wiedergegeben. Es folgen die obigen Abbildungen des oben dargestellten Produktes der Beklagten. Nach Widerspruch nahm die Klägerin den Antrag im Rahmen der Berufungsverhandlung vor dem erkennenden Senat zurück, nachdem der Senat auf Dringlichkeitsprobleme hingewiesen hatte.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Das Produkt und die Bezeichnung „Culatello di Parma“ sind durch italienische Behörden bislang nicht beanstandet worden.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin ist der Ansicht gewesen, die Produktbezeichnung „<em>Culatello di Parma</em>“ stelle eine widerrechtliche Verwendung der geschützten Ursprungsbezeichnung „<em>Prosciutto di Parma</em>“ im Sinne einer Anspielung nach § 13 Abs. 1 b der Verordnung Nr. 1151/2015 dar, gegen den sie nach §§ 135 Abs. 1 MarkenG, 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG vorgehen könne.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Der weite Schutzumfang gegen Anspielungen erfasse gerade auch die Verwendung nur einzelner Bestandteile einer Ursprungsbezeichnung, im vorliegenden Fall des geografischen Gebietshinweises „<em>Parma</em>“. Diesem komme in der geschützten Ursprungsbezeichnung gerade die zentrale Identifikationsfunktion zu, weil es sich bei dem vorangestellten Wort „<em>Prosciutto</em>“ für jeden erkennbar um einen nicht unterscheidungsfähigen Gattungsbegriff für „<em>Schinken</em>“ handele. Diese Bedeutung des Begriffes spiegle sich auch in der nach der Produktspezifikation absolut notwendigen Positionierung des Wortes „<em>Parma</em>“ in der Herzogskrone sowie in der deutschen Bezeichnung „<em>Parma-Schinken</em>“ wider. Wegen der zusätzlich gegebenen klanglichen Ähnlichkeit der angegriffenen Produktbezeichnung, die einem vergleichbaren Dreiklang wie die geschützte Ursprungsbezeichnung folge, der vergleichbaren Produktverpackung und –präsentation mit Hervorhebung der traditionellen Herstellungsweise und der Ursprungsregion sowie der Vergleichbarkeit der nahezu identisch geschichteten Fleischprodukte in Konsistenz und Verzehrbarkeit werde bei einem Verbraucher ein starker gedanklicher Bezug zum Produkt der Klägerin erzeugt.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat weiter die Ansicht vertreten, der hohe Grad der Anlehnung in den Einzelmerkmalen lasse auch auf ein absichtliches Vorgehen der Beklagten schließen, was insgesamt den Vorwurf einer Anspielung stütze. Eine anderweitige Notwendigkeit für den Zusatz „<em>di Parma</em>“, wie er bei der Klägerin aufgrund der Produktspezifikationen bestehe, sei bei der Beklagten nicht ersichtlich. Schließlich spreche es nach Ansicht der Klägerin gegen eine bloß zufällige Annäherung, dass die Beklagte seit mehr als 30 Jahren Teil der Klägerin war und sich mit den Schutzvoraussetzungen und Reputationswirkungen einer geschützten Ursprungsbezeichnung auskenne.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat – nach teilweiser Rücknahme der Klage – beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">              I. die Beklagte zu verurteilten, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, und für den Fall, dass dies nicht beigetrieben werden kann, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen,</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">in der Bundesrepublik Deutschland Fleischerzeugnisse unter der Bezeichnung „Culatello di Parma“ anzubieten, zu bewerben, in Verkehr zu bringen und/oder einzuführen, wenn dies nicht unter Einhaltung der gemäß Art. 7 der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 des europäischen Parlaments und des Rates vom 21.11.2012 über Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel geltenden Produktspezifikation der geschützten Ursprungsbezeichnung „Prosciutto di Parma“ erfolgt, wenn dies geschieht wie nachfolgend abgebildet:</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">              <img height="485" width="370" src="6_U_61_18_Urteil_20190118_21.png" alt="Die Entscheidung enthält an dieser Stelle ein Bild oder eine Grafik." /></p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">II. die Beklagte zu verurteilen, Auskunft über Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer und der gewerblichen Abnehmer der unter Ziffer I. beschriebenen Waren sowie der Menge dieser hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Waren und der damit erzielten Umsätze zu erteilen.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">              die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, der Unterlassungsanspruch und dem folgend der Auskunftsanspruch bestünden nicht. Eine unberechtigte Anspielung liege nicht vor. Das streitgegenständliche Produkt „Culatello“ der Beklagten finde als Spezialität, die es bereits seit dem Jahre 1322 gebe, sogar in den eigenen Regelwerken der Klägerin Erwähnung. Bei „Culatello die Parma“ handele es sich um eine gebräuchliche Bezeichnung. Hierzu hat die Beklagte unter Nennung von Beispielen auch hinsichtlich der Koexistenz der Produkte im Einzelnen ausgeführt, was die Klägerin nur teilweise bestritten hat. Auch die Existenz der weiteren – ebenfalls für Fleischwaren geschützten – Herkunftsbezeichnung „Coppa di Parma“, die unstreitig vorhanden ist, beweise unzweideutig, dass sich der Schutzbereich von „Prosciutto di Parma“ nicht auf andere Fleisch- und Schinkenwaren mit dem Wortelement „di Parma“ beziehen könne. Das streitgegenständliche Produkt gehöre zu ihren absoluten Premiumprodukten und sei deutlich feiner und auch wesentlich teurer als der „Prosciutto di Parma“. „Culatello di Parma“ zähle neben „Prosciutto di Parma“ zu den berühmtesten Schinken der Region Parma und werde u.a. als „König unter den Schinken“ vermarktet. Es handele sich mithin um ein absolutes Premiumprodukt für Feinschmecker. Auch nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung des italienischen obersten Kassationsgerichtshofs könne aus der eingetragenen Herkunftsbezeichnung „Prosciutto di Parma“ kein Verbotsanspruch gegen andere Lebensmittelhersteller und -händler abgeleitet werden, auf die Stadt Parma zu verweisen. Im Übrigen existierten sowohl in Italien als auch in Deutschland unter der Bezeichnung „di Parma“ eine nahezu unüberschaubare Vielzahl von weiteren Fleischerzeugnissen wie bspw. „Salame di Parma“, „Pancetta di Parma“ usw. Daneben bestünde eine Vielzahl von eingetragenen Registermarken in der Klasse 29 mit Schutz in Deutschland, die ebenfalls den Wortbestandteil „di Parma“ enthielten. Die Tatsache, dass es eine solche Vielzahl von eingetragenen Kennzeichenrechten in der Klasse 29 mit dem Wortelement „di Parma“ gebe, zeige, dass die Verkehrskreise in Deutschland seit vielen Jahrzehnten daran gewöhnt seien, dass entsprechende Lebensmittel mit ihrer Herkunft aus der Stadt Parma werben würden.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Zudem scheitere eine widerrechtliche Anspielung schon daran, dass in zeichenrechtlicher Hinsicht erkennbare Unterschiede zwischen den Begriffen „Prosciutto di Parma“ und „Culatello di Parma“ vorhanden seien. Es handle sich um zwei völlig unterschiedliche Termini, die aus ganz anderen Buchstaben, Silben und Vokalen bestünden. Das Endungs-„o“, das identisch sei, könne allein nicht zu einer Ähnlichkeit führen. Auch vom Begriffsgehalt her seien die Wörter völlig verschieden. Die Beklagte sei zudem gemäß Art. 17 der Verordnung EU Nr. 1169/2011 (LMIV) dazu verpflichtet, die Verbraucher darüber aufzuklären, um was für ein Erzeugnis es sich handele und woher das Lebensmittel stamme. Insbesondere sei der Zusatz „di Parma“ nach diesen Vorschriften schon deshalb erforderlich, um eine Verwechslung mit der weiteren - unstreitig ebenfalls geschützten - Ursprungsbezeichnung „Culatello di Zibello“ zu vermeiden. Dass Lebensmittel, insbesondere Wurst- und Käsewaren in Scheiben aufgeschnitten in durchsichtigen Verpackungen präsentiert werden, sei heute allgemein üblich und kein besonderes Merkmal für Parmaschinken. Daher verweise diese verbreitete Art der Präsentation den Kunden gerade nicht auf das Produkt „Prosciutto di Parma“. Zudem werde „Culatello di Parma“ zusammenhängend als logische und begriffliche Einheit für ein spezielles Produkt verstanden, dass mit „Prosciutto di Parma“ nichts zu tun habe. Die Verkehrskreise seien auch daran gewöhnt, dass eine Vielzahl von geschützten Ursprungsbezeichnungen und geschützten geographischen Angaben und Angaben zu Fleischerzeugnissen mit Hinweisen auf Ortschaften gebe. Außerdem würden die Produkte „Culatello di Parma“ und „Prosciutto di Parma“ seit vielen Jahren nicht nur auf dem italienischen, sondern auch auf dem deutschen Markt koexistieren, selbst Mitglieder der Klägerin würden entsprechende Produkte – von der Klägerin unbeanstandet – vertreiben. Die Verbraucher seien daran gewöhnt, beide Produkte im Supermarkt vorzufinden. Ausweislich eines von der Beklagten am 08.11.2016 durchgeführten Testkaufes in einer Filiale der Supermarktkette Aldi in München würden dort beide Produkte „in derselben Pappschachtel“ und zum selben Preis angeboten, wobei von dem „Prosciutto di Parma“ 100 g und von dem „Culatello di Parma“ 80 g in der Packung enthalten seien, was unstreitig ist.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat der Klage, soweit diese nicht zurückgenommen worden ist, mit dem angefochtenen Urteil, auf das gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, in vollem Umfang stattgegeben.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">In der vorliegenden Produktetikettierung mit der Kennzeichnung „Culatello di Parma“ sei eine unzulässige Anspielung auf die - unstreitig - geschützte Ursprungsbezeichnung „Prosciutto di Parma“ gem. Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. November 2012 über Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (Grundverordnung) zu sehen, so dass der Klägerin gegen die Beklagte ein Unterlassungsanspruch bezüglich der Verwendung der Bezeichnung „Culatello di Parma“ in der konkreten Verletzungsform gem. § 135 MarkenG i.V.m. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG zustehe.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Der Begriff der widerrechtlichen Anspielung im Sinne von Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Grundverordnung sei weit auszulegen. Eine Anspielung in diesem Sinne liege vor, wenn die zur Bezeichnung eines Erzeugnisses verwendete Kennzeichnung den Verbraucher veranlasse, gedanklich einen Bezug zu der Ware herzustellen, die die geschützte Angabe trage. Dies könne bei Erzeugnissen der Fall sein, die visuelle Ähnlichkeiten und klanglich und visuell ähnliche Verkaufsbezeichnungen aufwiesen. Eine solche Ähnlichkeit liege offensichtlich vor, wenn der für die Bezeichnung des fraglichen Erzeugnisses verwendete Begriff auf die beiden gleichen Silben ende, wie die geschützte Bezeichnung und die gleiche Silbenzahl wie diese umfasse. Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit seien auch Umstände zu berücksichtigen, die darauf hinwiesen, dass die visuelle und klangliche Ähnlichkeit zwischen den zu beurteilenden Bezeichnungen nicht auf Zufall beruhe. Eine Anspielung auf einen geschützten Namen könne auch dann vorliegen, wenn keinerlei Gefahr der Verwechslung zwischen den betroffenen Erzeugnissen bestehe und wenn für die Bestandteile der Referenzbezeichnung, die in dem streitigen Ausdruck übernommen werden, kein gemeinschaftsrechtlicher Schutz gelten würde. Eine Anspielung stehe nach dem Wortlaut von Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Grundverordnung insbesondere eine Offenlegung des tatsächlichen Ursprungs der Ware nicht entgegen. Auch die Verwendung nur einzelner Bestandteile - wie hier „di Parma“ - einer geschützten Bezeichnung nach Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Grundverordnung könne für eine unzulässige Aneignung, Nachahmung oder Anspielung ausreichen, auch wenn Gegenstand des Schutzes nach Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Grundverordnung nur die Angabe in ihrer Gesamtheit sei.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Nach diesen Maßstäben stelle die Verwendung der Bezeichnung „Culatello di Parma“ eine unzulässige Anspielung auf die geschützte Ursprungsbezeichnung „Prosciutto di Parma“ gem. Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Grundverordnung dar. Denn die im Antrag und im Unterlassungstenor wiedergegebene Etikettierung mit der Kennzeichnung „Culatello di Parma“ veranlasse den Verbraucher dazu, gedanklich einen Bezug zu der Ware herzustellen, die die geschützte Angabe „Prosciutto di Parma“ trage. Zum einen sei hierbei zu berücksichtigen, dass die einander gegenüberstehenden Erzeugnisse als solche starke visuelle Ähnlichkeiten aufwiesen, denn es handele sich in beiden Fällen um in einer durchsichtigen Verpackung präsentierte, versetzt übereinander geschichtete, aufgeschnittene Rohschinkenscheiben aus der Hinterkeule des Schweins in sehr ähnlicher Optik. Auch wenn qualitative Unterschiede bestehen sollten, so wiesen die Produkte gemeinsame objektive Merkmale auf und werden aus Sicht des maßgeblichen Verkehrskreises der Verbraucher, zu dem auch die Mitglieder der Kammer zählten, bei identischen Gelegenheiten konsumierten. Hinzu komme, dass ein etwaiger qualitativer Unterschied zwischen den beiden Schinkensorten - auch rein optisch - für den deutschen Verbraucher nicht ohne weiteres erkennbar sei. Auch dies könne die Kammer aus eigener Anschauung beurteilen, da ihre Mitglieder zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehörten. Dem deutschen Verbraucher sei der Begriff Parma-Schinken für eine bestimmte Art von Rohschinken geläufig. Ihm sei auch bekannt, dass dieser aus der Region um bzw. aus der Stadt Parma in Italien stamme. Weiter kenne der Verbraucher auch andere, qualitativ vergleichbare Schinkensorten wie z.B. den aus Spanien stammenden Serrano-Schinken. Ein Schinken namens „Culatello“ habe (jedenfalls bislang) in Deutschland nicht den gleichen Bekanntheitsgrad wie Parma- oder Serrano-Schinken. Ein solcher angeblicher Qualitätsunterschied zwischen „Prosciutto di Parma“ bzw. Parma-Schinken und „Culatello“ sei dem deutschen Verbraucher damit nicht bekannt. Der deutsche Verbraucher sei daher mit dem Begriff „Culatello“ nicht derart vertraut, dass ihm geläufig wäre, dass es sich hierbei um einen angeblich qualitativ viel besseren und damit mit dem „normalen“ Parmaschinken angeblich überhaupt nicht vergleichbaren Rohschinken handele. Dagegen spreche auch der von der Beklagten bei Aldi in München durchgeführte Testkauf. Denn die Produkte würden dem Verbraucher dort in ähnlicher Aufmachung zum selben Preis angeboten. Dass die Packung des „Culatello“ 20 Gramm weniger Inhalt habe, deute zwar tatsächlich auf einen gewissen Qualitätsunterschied hin. Dieser dürfte jedoch deutlich geringer sein, als von der Beklagten behauptet. Dies gelte jedenfalls für die Ware im Massengeschäft des Discounters Aldi.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Aber auch die einander gegenüberstehenden Verkaufsbezeichnungen „Culatello di Parma“ und „Prosciutto di Parma“ wiesen hochgradige visuelle und klangliche Ähnlichkeiten auf. Beide Bezeichnungen bestünden aus der Kombination dreier Worte, wobei in den beiden letzten Worten „di Parma“ vollständige Übereinstimmung besteht. Zudem wiesen auch die vorangestellten Bezeichnungen gewisse Ähnlichkeiten auf, denn auch wenn die Bezeichnung „Culatello“ eine Silbe mehr aufweist, als die Bezeichnung „Prosciutto“, so enden doch beide auf „o“, wobei dem „o“ jeweils ein doppelter Konsonant vorangestellt ist („ello“ / „utto“).</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Zudem bestünden hier weitere Anhaltspunkte dafür, dass die visuelle und klangliche Ähnlichkeit zwischen den zu beurteilenden Bezeichnungen nicht auf Zufall beruhe, sondern seitens der Beklagten ganz bewusst gewählt worden sei, was das Landgericht näher ausführt.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Ansicht der Beklagten stehe der Annahme einer widerrechtlichen Anspielung nicht entgegen, dass neben der Anspielung auf die geschützte Ursprungsbezeichnung „Prosciutto di Parma“ auch eine Anspielung auf den unstreitig weiteren geschützten Namen „Coppa di Parma“ vorliegen möge. Dies gelte jedenfalls unter Berücksichtigung der verwandten Eigenschaften und des sich überschneidenden Herkunftsgebietes der Produkte mit den geschützten Namen.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Unstreitig sei die Bezeichnung „Culatello di Parma“ selbst (jedenfalls bislang) keine eigene geschützte Ursprungsbezeichnung, sondern nur die Bezeichnung „Culatello di Zibello“. Daran ändere auch nichts, dass der Begriff „Culatello“ - und nicht, wie die Beklagte meint, „Culatello di Parma“ - in den eigenen Regelwerken der Klägerin Erwähnung finde.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Auch aus der von der Beklagten angeführten italienischen höchstrichterlichen Rechtsprechung ergebe sich nichts anderes.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">An dem Ergebnis ändere sich auch nichts dadurch, dass es eine Vielzahl von eingetragenen Registermarken bezüglich der Klasse 29 gibt, die den Bestandteil „di Parma“ enthalten.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte sei auch nicht wegen Art. 17 Abs. 2 LMIV gezwungen, ihr Produkt als „Culatello di Parma“ zu bezeichnen und in der konkreten Verpackungsgestaltung mit schwarzem Etikett anzubieten.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Schließlich habe die Beklagte trotz Vorlage zahlreicher Unterlagen die Kammer nicht davon zu überzeugen vermocht, dass es sich bei „Culatello di Parma“ um eine gebräuchliche Bezeichnung handelt, so dass eine Anspielung auf „Prosciutto di Parma“ zu verneinen wäre. Zwar dürfte unstreitig sein, dass die Bezeichnung „Culatello di Parma“ durchaus Verwendung finde. Die von der Beklagten herangezogenen Beispiele beschränkten sich jedoch vornehmlich auf Italien, böten bereits von daher keinen Beleg dafür, dass die Bezeichnung „Culatello di Parma“ in Deutschland und/oder in den übrigen Ländern der Europäischen Union gebräuchlich wäre. Darüber hinaus habe die Klägerin vorgetragen und durch Unterlagen belegt, dass die Bezeichnung „Culatello di Parma“ von Dritten z.T. versehentlich verwendet worden sei, dass die Klägerin gegen Andere erfolgreich Unterlassung verlangt habe und dass es sich bei „Culatello di Parma“ insgesamt nicht um ein traditionelles Agrarerzeugnis handelt.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Vor diesem Hintergrund sei auch das Auskunftsanspruch begründet.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Gegen diese Entscheidung des Landgerichts wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Es liege keine unzulässige Anspielung auf die g.U. „PROSCIUTTO DI PARMA“ vor. Das Landgericht habe bereits im Ausgangspunkt verkannt, dass der Schutzumfang sich aus der Gesamtbezeichnung ergebe. So könne es vorkommen, dass die Bezeichnung des Erzeugnisses und der örtliche Hinweis sich aus einem Wort ergäben, wie beispielsweise bei „Calvados“ oder „Kölsch“. Die meisten Eintragungen bezögen sich allerdings auf zusammengesetzte Bezeichnungen wie „Dresdner Christstollen“ oder „Aachener Printen“. Dies führe dazu, dass der Schutzumfang auf die g.U. in ihrer Gesamtheit beschränkt sei. Wäre dies anders, könne auch die Bezeichnung „COPPA DI PARMA“ nicht verwendet werden.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Die Verwendung desselben Herkunftshinweises könne auch nicht ausgeschlossen werden, was sich schon an der Eintragung von unterschiedlichen Produkten mit demselben Herkunftshinweis ergebe. Es sei auch falsch, zugunsten einer Vereinigung das Recht einzuräumen, Dritten die Möglichkeit der Herkunftsbezeichnung zu nehmen, zumal die Bezeichnung „DI PARMA“ nichts anderes aussage, als „aus Parma“ stammend.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Es sei auch widersprüchlich anzunehmen, dass „COPPA DI PARMA“ und PROSCIUTTO DI PARMA“ parallel existieren könnten, während die Bezeichnung „CULLATELLO DI PARMA“ zu unterlassen sei. Dabei müsse berücksichtigt werden, dass „Culatello di Parma“ seit Jahrhunderten vermarktet werde.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Es komme hinzu, dass das Produkt der Beklagten in einer anderen Aufmachung veräußert werde, als dies den Vorgaben der Klägerin für „PROSCIUTTO DI PARMA“ entspreche.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Soweit das Landgericht davon ausgegangen sei, dass der Verbraucher „PROSCIUTTO DI PARMA“ kenne, „CULATELLO DI PARMA“ hingegen nicht, sei diese Feststellung unzutreffend. Das Landgericht gehe allein von einem deutschen Verbraucher aus, und nicht – was zutreffend sei – von einem europäischen Verbraucher. Dieser kenne indes die Bezeichnung der Beklagten.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht habe in nicht zutreffender Weise auf die Entscheidung des LG Mannheim vom 15.09.2015 (Az. 2 O 187/14) abgestellt, die vom OLG Karlsruhe aufgehoben worden sei. Dieses gehe davon aus, dass eine Bezeichnung nur in ihrer Gesamtheit geschützt werde. Dies entspreche auch der Ansicht des EuGH.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte könne nicht darauf verwiesen werden, dass sie die Bezeichnung „Culatello“ in Alleinstellung verwenden könne, weil die Herkunftsbezeichnung angegeben werden müsse.</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Insgesamt habe das Landgericht die bestehenden Eintragungen falsch gewichtet und die Vorgaben der Rechtsprechung verkannt.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht sei auch von einer falschen Tatsachengrundlage ausgegangen. So habe das Landgericht den unstreitigen Vortrag der Beklagten übergangen, dass italienische Behörden nicht gegen die Bezeichnung „CULATELLO DI PARMA“ vorgegangen seien, obwohl ihnen die entsprechende Nutzung bekannt gewesen sei.</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Insbesondere habe das Landgericht die Koexistenz der beiden Produkte verkannt, die die Beklagte umfassend dargelegt habe. Diese Darlegungen wiederholt und vertieft die Beklagte im Rahmen der Berufungsbegründung, auf die Bezug genommen wird.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Weiter habe das Landgericht nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Beklagte ihre Verpackungen alle in ähnlicher Form gestalte. Lediglich die Verpackung von „PROSCIUTTO DI PARMA“ weiche hiervon ab. Auch handele es sich bei dem Produkt der Beklagten um ein höherpreisiges und höherwertiges Produkt, als das Produkt der Klägerin. Die Koexistenz der Produkte beschreibe auch die Klägerin selbst in ihrer Produktspezifikation. Hierzu trägt die Beklagte ebenfalls ergänzend vor, was sie aufgrund einer vorgetragenen Hinweispflichtverletzung durch das Landgericht Köln für zulässig erachte.</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Es müsse berücksichtigt werden, dass der Hinweis auf die Herkunft aus Parma für Fleischprodukte üblich sei.</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">Die für den Rechtsstreit erheblichen Fragen müssten jedenfalls durch den EuGH geklärt werden, wobei die Beklagte anregt, die entsprechende Vorlage bereits im Rahmen des Berufungsverfahrens vorzunehmen.</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Das Vorgehen der Klägerin sei schließlich auch rechtsmissbräuchlich und kartellrechtswidrig, weil die Klägerin eine Einschränkung des Wettbewerbs bezwecke und dies geeignet sei, den Handel zwischen den Mitgliedsstaaten zu beeinträchtigen.</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">Schließlich sei deutsches Recht nicht, auch nicht subsidiär anzuwenden. Eine Verurteilung komme nicht in Betracht, weil eine solche einen unzulässigen Eingriff in die gemäß Art. 11 GrCH und Art. 5 GG geschützte Meinungsfreiheit der Beklagten darstelle. Jedenfalls sei der Tenor der angefochtenen Entscheidung zu weitgehend, weil der Beklagten die Nutzung auch verboten sei, wenn eine Eintragung der Bezeichnung als geschützte Ursprungsangabe erfolge. Der Tenor müsse daher zeitlich beschränkt werden.</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">unter Abänderung des am 14.03.2018 verkündeten Urteils des Landgerichts Köln, Az. 84 O 98/17, die Klage vom 01.12.2016 abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">              die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages. Sie hat eingeräumt, dass ein „Culatello“ unter der Bezeichnung „CULATELLO DI PARMA“ auch von den Betrieben vertrieben oder jedenfalls beworben wurde, die ihrem Präsidenten und ihrem Vizepräsidenten gehören. Die Klägerin hat die tatsächlichen Voraussetzungen einer Kartellrechtswidrigkeit wie etwa eine Koordinierung des Verhaltens der Hersteller von Prosciutto di Parma und auch die weitere Verwendung der Bezeichnung „Culatello die Parma“ bestritten.</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">Die Parteien haben in der mündlichen Verhandlung vom 16.11.2018 einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt.</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">1. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichts ist gegeben. Zwar ist die Überprüfung der erstinstanzlichen Zuständigkeit dem Berufungsgericht gemäß § 513 Abs. 2 ZPO grundsätzlich entzogen. Eine Ausnahme besteht jedoch für den Fall der internationalen Zuständigkeit.</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ist nach Art. 7 Nr. 2 EuGVVO anzunehmen, der unter den autonom auszulegenden Begriff der unerlaubten Handlung auch Ansprüche aus Wettbewerbs- und Immaterialgüterrechtsverstößen fasst (Stadler in Musielak/Voit, ZPO, 15. Aufl., Art. 7 EuGVVO, Rn. 17 mit weiteren Nachweisen). Bei der vorgetragenen Verletzungshandlung handelt es sich um einen Anspruch aus dem Immaterialgüterrecht in diesem Sinn und die angegriffenen Verletzungshandlungen (Anbieten, Bewerben pp.) sind bereits nach dem Antrag auf solche beschränkt, die in Deutschland stattfanden.</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">2. Die Klage ist auch begründet, weil die Nutzung der Bezeichnung „CULATELLO DI PARMA“ eine unzulässige Anspielung auf „PROSCIUTTO DI PARMA“ darstellt.</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">a) In materieller Hinsicht richtet sich der Unterlassungsanspruch gemäß Art. 8 Abs. 2 Rom-II-VO in erster Linie nach europäischen Recht, hier der Verordnung Nr. 1151/2012. Subsidiär kommt deutsches Recht und damit § 135 MarkenG zur Anwendung.</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">aa) Die Vorschrift des Art. 8 Abs. 2 Rom-II-VO bestimmt für die Frage der Verletzung europäischer Schutzrechte, dass bei solchen Rechten, zu denen auch die Rechte von geographischen Herkunftsangaben zählen (vgl. Heinze in jurisPK-BGB, 8. Aufl., Art. 8 Rom-II-VO Rn. 25, mwN), in erster Linie auf das Unionsrecht abzustellen ist. Nur zur „Lückenfüllung“ ist auf das Recht des Mitgliedsstaates zurückzugreifen, in dem die Verletzung begangen wurde (vgl. Drexl in MünchKomm/BGB, 7. Aufl., Teil 8 Internationales Immaterialgüterrecht, Rn. 134; Spickhoff in BeckOK BGB, 48. Edition, Stand 01.11.2017, Art. 8 VO (EG) 864/2007, Rn. 5; Hohloch in Ermann, BGB, 15. Aufl., Art. 8 Rom-II-VO Rn. 10).</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">bb) Dies führt dazu, dass der Umfang des Schutzes der von der Klägerin geltend gemachten Rechte nach Art. 13 der Grundverordnung richtet, während sich der Unterlassungsanspruch an sich aus § 135 MarkenG, § 8 UWG ergibt. Denn die Vorschrift des Art. 13 Grundverordnung regelt den Umfang des Schutzes. Nationales Recht ist neben Art. 13 VO Nr. 1151/12 bei der Beurteilung des Schutzumfangs nicht zu berücksichtigen. Insoweit kommt daher weder deutsches noch italienisches Recht zur Anwendung.</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">Eine Regelung zu den privatrechtlichen Rechtsfolgen einer Verletzung findet sich indes in der Grundverordnung nicht (vgl. Drexl in MünchKomm/BGB, aaO, Teil 8 Internationales Immaterialgüterrecht, Rn. 147).</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">Dies hat zur Folge, dass gemäß Art. 8 Abs. 2 Rom-II-VO das Recht des Staates anzuwenden ist, in dem die Verletzung begangen wurde. Gemeint ist damit der Handlungsort (vgl. Spickhoff in BeckOK BGB aaO, VO (EG) 864/2007, Art. 8 Rn. 5). Dies ist der Ort der tatsächlichen (natürlichen) Handlung (vgl. Heinze in jurisPK-BGB aaO, Art. 8 Rom-II-VO, Rn. 39, mwN).</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">Dies ist vorliegend Deutschland. Denn die Klägerin greift allein das Anbieten, Bewerben, in-Verkehrs-Bringen und Einführen in die Bundesrepublik Deutschland an, was sich bereits aus dem Wortlaut des Antrages ergibt. Nicht Gegenstand des Antrages sind hingegen weitere Handlungen, die nicht in Deutschland erfolgt sind.</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">Vor diesem Hintergrund stellt sich nicht die Frage, wie der Handlungsort bei mehraktigen Handlungen zu bestimmen ist (vgl. dazu Heinze in jurisPK-BGB aaO, Art. 8 Rom-II-VO Rn. 40ff; Drexl in MünchKomm/BGB, 7. Aufl., Teil 8 Internationales Immaterialgüterrecht, Rn. 139). Eine solche mehraktige Handlung ist nicht Gegenstand des Rechtsstreits. Der Unterlassungsanspruch richtet sich – wie dargelegt – allein gegen Handlungen, die in Deutschland begangen wurden.</p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks">Zu keinem anderen Ergebnis führt die Entscheidung des EuGH vom 27.09.2017 (C-24/16, GRUR 2017, 1120 – Nintendo/BigBen). Denn der Entscheidung lag ein Sachverhalt zugrunde, bei dem – anders als im vorliegenden Fall – dem Anspruchsgegner in verschiedenen Mitgliedsstaaten begangene Verletzungshandlungen vorgeworfen wurden.</p>
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks">b) Der von der Klägerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch ergibt sich aus Art. 13 Abs. 1 lit. b der Grundverordnung in Verbindung mit § 135 Abs. 1 MarkenG, § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG.</p>
<span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks">aa) Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist eine Handlung der Beklagten im geschäftlichen Verkehr im Sinne von § 135 Abs. 1 MarkenG. Dies ist jedes Verhalten am Markt, das der Förderung einer eigenen oder fremden selbständigen Tätigkeit zu dienen bestimmt ist, mit der wirtschaftliche Zwecke verfolgt werden und die sich damit als Ausdruck einer Teilnahme am Erwerbsleben darstellt (vgl. Schulteis in Kur/v.Bomhard/Albrecht, Markenrecht, 2. Aufl., § 135 Rn. 5; Fezer in MarkenR, 4. Aufl., § 135 Rn. 4). Die Beklagte vertreibt das Produkt mit der angegriffenen Kennzeichnung seit 2010 kommerziell in Deutschland und nimmt so am Wirtschaftsverkehr teil.</p>
<span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks">bb) Durch die Art und Weise dieser Teilnahme am Wirtschaftsverkehr verstieß die Beklagte gegen die Bestimmungen von Art. 13 Grundverordnung.</p>
<span class="absatzRechts">92</span><p class="absatzLinks">Nach Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a und b der Grundverordnung werden eingetragene Namen geschützt gegen (Buchst. a) jede direkte oder indirekte kommerzielle Verwendung für Erzeugnisse, die nicht unter die Eintragung fallen, wenn diese Erzeugnisse mit den unter diesem Namen eingetragenen Erzeugnissen vergleichbar sind oder wenn durch diese Verwendung das Ansehen des geschützten Namens ausgenutzt wird, auch wenn diese Erzeugnisse als Zutaten verwendet werden, sowie (Buchst. b) jede widerrechtliche Aneignung, Nachahmung oder Anspielung, selbst wenn der tatsächliche Ursprung des Erzeugnisses oder der Dienstleistung angegeben ist oder wenn der geschützte Name in Übersetzung oder zusammen mit Ausdrücken wie "Art", "Typ", "Verfahren", "Fasson", "Nachahmung" oder dergleichen verwendet wird, auch wenn dieses Erzeugnis als Zutat verwendet wird. Enthält eine geschützte Ursprungsbezeichnung oder eine geschützte geografische Angabe den als Gattungsbezeichnung angesehenen Namen eines Erzeugnisses, so gilt die Verwendung dieser Gattungsbezeichnung nach Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 der Grundverordnung nicht als Verstoß gegen Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a oder b der Grundverordnung (vgl. BGH, Beschluss vom 12.04.2018 – I ZR 253/16, GRUR 2018, 848 – Deutscher Balsamico).</p>
<span class="absatzRechts">93</span><p class="absatzLinks">Der mit der Klage von der Klägerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch setzt damit voraus, dass sich der Schutz der Gesamtbezeichnung "PROSCIUTTO DI PARMA" auch auf die Verwendung der einzelnen geografischen Bestandteile der zusammengesetzten Bezeichnung erstreckt. Dies hat das Landgericht mit Recht angenommen.</p>
<span class="absatzRechts">94</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Ansicht der Beklagten hat das Landgericht in diesem Zusammenhang nicht verkannt, dass sich der Schutzumfang aus der Gesamtbezeichnung ergibt. Denn eine geschützte geografische Angabe, die aus mehreren Begriffen besteht, ist nach Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a oder b der Grundverordnung nicht nur gegen eine Verwendung der vollständigen Angabe, sondern auch gegen eine Verwendung einzelner Begriffe dieser Angabe geschützt, was sich aus Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 der Grundverordnung und der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ergibt (vgl. BGH, GRUR 2018, 848 – Deutscher Balsamico).</p>
<span class="absatzRechts">95</span><p class="absatzLinks">Die Vorschrift des Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 der Grundverordnung regelt den besonderen Fall, dass eine geschützte geografische Angabe den als Gattungsbezeichnung angesehenen Namen eines Erzeugnisses enthält und bestimmt für diesen Fall, dass die Verwendung dieser Gattungsbezeichnung nicht als Verstoß gegen Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a oder b der Grundverordnung gilt. Diese Bestimmung setzt demnach voraus, dass die Verwendung des in einer geschützten geografischen Angabe enthaltenen Begriffs (nämlich des Namens eines Erzeugnisses) gegen Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a oder b der Grundverordnung verstoßen kann (vgl. BGH, GRUR 2018, 848 – Deutscher Balsamico).</p>
<span class="absatzRechts">96</span><p class="absatzLinks">Auch der EuGH geht davon aus, dass sich der Schutz einer als Ursprungsbezeichnung oder geografische Angabe eingetragenen Gesamtbezeichnung auf ihre einzelnen Bestandteile erstrecken kann (so ausdrücklich: BGH, GRUR 2018, 848 – Deutscher Balsamico). Denn nach einer Entscheidung des EuGH kann die geschützte Ursprungsbezeichnung "Parmigiano Reggiano" durch die Verwendung des Wortes "Parmesan" beeinträchtigt werden (vgl. EuGH, Urteil vom 26. Februar 2008 - C-132/05, Slg. 2008, I-957 = GRUR 2008, 524 – Parmigiano Reggiano). Weiter geht der EuGH davon aus, dass die Frage, ob die geschützte geografische Angabe "Bayerisches Bier" durch die Verwendung einer Marke "Bavaria" verletzt wird, am Maßstab des Art. 13 der Grundverordnung zu prüfen ist (vgl. EuGH, Urteil vom 2. Juli 2009 - C-343/07, Slg. 2009, I-5491 = GRUR 2009, 961 Rn. 125 - Bayerischer Brauerbund/Bavaria Italia, sowie insgesamt: BGH, GRUR 2018, 848 – Deutscher Balsamico).</p>
<span class="absatzRechts">97</span><p class="absatzLinks">Im Rahmen der Frage, wie weit der Schutzumfang einer geographischen Angabe geht, die aus mehreren Begriffen besteht, ist auch zu berücksichtigen, dass vom Schutz einzelne Begriffe ausgenommen werden können. Dementsprechend ist die Bezeichnung „Gouda Holland“ mit der Einschränkung eingetragen, dass die Bezeichnung "Gouda" im Gebiet der Europäischen Union im Grundsatz weiter verwendet werden kann (vgl. BGH, GRUR 2018, 848 – Deutscher Balsamico). Gleiches gilt für die Eintragung der Bezeichnung „EDAM Holland“. Diese Beschränkungen sind wirksam, sodass diese Angaben allein gegen eine Verwendung der Gesamtbezeichnung und nicht gegen eine Verwendung der Bestandteile "Gouda" und "Edam" geschützt sind (vgl. BGH, GRUR 2018, 848 – Deutscher Balsamico, mwN und Beispielen).</p>
<span class="absatzRechts">98</span><p class="absatzLinks">Weiter geht der EuGH davon aus, dass sich der Schutz einer zusammengesetzten Ursprungsbezeichnung nicht zwangsläufig auf alle ihre Bestandteile bezieht, wenn in der Eintragungsverordnung keine Fußnote vorhanden ist, der zufolge für einen Teil der Bezeichnung kein Schutz beantragt ist (vgl. BGH, GRUR 2018, 848 – Deutscher Balsamico, mwN).</p>
<span class="absatzRechts">99</span><p class="absatzLinks">Aus dem Vorstehenden wird auch unter Berücksichtigung der genannten Rechtsprechung des BGH und des EuGH deutlich, dass der Schutz der Gesamtbezeichnung auch den Schutz einzelner Elemente aus dieser Bezeichnung umfassen kann. Weiter geht hervor, dass der Schutz jedenfalls die Bestandteile erfasst, die auf die geographische Herkunft hindeuten, was auch aus der Ausnahmeregelung hinsichtlich der Gattungsbezeichnung deutlich wird. Diese Grundsätze hat der EuGH in der Entscheidung „Glen Buchenbach“ (C-44-17, GRUR 2018, 843) bestätigt und die Voraussetzungen für die Annahme einer Anspielung im Rahmen der Auslegung von Art. 16 der VO (EG)110/2008 (Spirituosen-VO), die in den hier wesentlichen Punkten gleichlautend ist mit der hier entscheidenden VO, wie folgt zusammengefasst:</p>
<span class="absatzRechts">100</span><p class="absatzLinks"><em>„Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 16 Buchst. b der Verordnung Nr. 110/2008 dahin auszulegen ist, dass für die Beurteilung, ob die Bezeichnung „Verlados“ im Sinne dieser Vorschrift eine „Anspielung“ auf die geschützte geografische Angabe „Calvados“ für entsprechende Erzeugnisse darstellt, nicht nur die klangliche und visuelle Ähnlichkeit zwischen diesen Bezeichnungen, sondern auch das Vorliegen von Umständen zu berücksichtigen ist, die für eine Benutzung der Bezeichnung „Verlados“ sprechen könnten, die nicht geeignet ist, den finnischen Benutzer zu täuschen.</em></p>
<span class="absatzRechts">101</span><p class="absatzLinks"><em>Insbesondere möchte das vorlegende Gericht wissen, welche Bedeutung den Umständen beizumessen ist, dass erstens der Anfangsteil der Bezeichnung „Verlados“ dem Namen des finnischen Dorfes Verla entspricht und der finnische Verbraucher diesen Namen möglicherweise kennt, zweitens der Bestandteil „Verla“ auf die das Getränk „Verlados“ herstellende Gesellschaft Viiniverla hinweist, drittens dieses Getränk ein lokal hergestelltes und in kleinen Mengen verkauftes Erzeugnis darstellt und viertens die Begriffe „Verlados“ und „Calvados“ nur eine einzige Silbe gemeinsam haben, aber die letzten vier Buchstaben dieser Wörter und damit jeweils die Hälfte aller ihrer Buchstaben übereinstimmen.</em></p>
<span class="absatzRechts">102</span><p class="absatzLinks"><em>Vorab sei daran erinnert, dass es Sache des vorlegenden Gerichts ist, darüber zu entscheiden, ob die Bezeichnung „Verlados“ für einen Brand aus Apfelwein im Sinne von Art. 16 Buchst. b der Verordnung Nr. 110/2008 eine „Anspielung“ auf die geschützte geografische Angabe „Calvados“ darstellt. Der Gerichtshof kann dem nationalen Gericht jedoch auf dessen Vorabentscheidungsersuchen hin gegebenenfalls sachdienliche Hinweise für seine Entscheidung geben (vgl. in diesem Sinne Urteile Severi, C-446/07, EU:C:2009:530, Rn. 60, und Bureau national interprofessionnel du Cognac, C-4/10 und C-27/10, EU:C:2011:484, Rn. 49).</em></p>
<span class="absatzRechts">103</span><p class="absatzLinks"><em>Wie aus Rn. 21 des vorliegenden Urteils hervorgeht, hat das nationale Gericht bei der Beurteilung des Vorliegens einer „Anspielung“ im Sinne von Art. 16 Buchst. b der Verordnung Nr. 110/2008 zu prüfen, ob der Verbraucher durch die Bezeichnung „Verlados“ dazu veranlasst wird, gedanklich einen Bezug zu dem Erzeugnis herzustellen, das die geschützte geografische Angabe – im Ausgangsverfahren „Calvados“ – trägt.</em></p>
<span class="absatzRechts">104</span><p class="absatzLinks"><em>Insoweit hat der Gerichtshof entschieden, dass bei Erzeugnissen, die ähnlich aussehen, davon ausgegangen werden kann, dass eine Anspielung auf eine geschützte Bezeichnung vorliegt, wenn die Verkaufsbezeichnungen eine klangliche und visuelle Ähnlichkeit aufweisen (vgl. in diesem Sinne Urteile Consorzio per la tutela del formaggio Gorgonzola, C-87/97, EU:C:1999:115, Rn. 27, Kommission/Deutschland, C-132/05, EU:C:2008:117, Rn. 46, und Bureau national interprofessionnel du Cognac, C-4/10 und C-27/10, EU:C:2011:484, Rn. 57).</em></p>
<span class="absatzRechts">105</span><p class="absatzLinks"><em>Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs liegt eine solche Ähnlichkeit offensichtlich vor, wenn der für die Bezeichnung des fraglichen Erzeugnisses verwendete Begriff auf die beiden gleichen Silben endet wie die geschützte Bezeichnung und die gleiche Silbenzahl wie diese umfasst (vgl. in diesem Sinne Urteil Consorzio per la tutela del formaggio Gorgonzola, C-87/97, EU:C:1999:115, Rn. 27).</em></p>
<span class="absatzRechts">106</span><p class="absatzLinks"><em>Weiter hat der Gerichtshof entschieden, dass gegebenenfalls auch die „inhaltliche Nähe“ zwischen Begriffen aus verschiedenen Sprachen zu berücksichtigen ist, wobei eine solche Nähe sowie die oben in Rn. 33 des vorliegenden Urteils genannte klangliche und visuelle Ähnlichkeit beim Verbraucher gedanklich einen Bezug zu dem Erzeugnis wachrufen können, dessen geografische Angabe geschützt ist, wenn er ein vergleichbares Erzeugnis vor sich hat, das die streitige Bezeichnung trägt (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Deutschland, C-132/05, EU:C:2008:117, Rn. 47 und 48).</em></p>
<span class="absatzRechts">107</span><p class="absatzLinks"><em>Der Gerichtshof hat überdies festgestellt, dass die Eintragung einer Marke, die eine geografische Angabe oder aber diese Angabe als Gattungsbezeichnung in einer Übersetzung enthält, für Spirituosen, die den für diese Angabe geltenden Spezifikationen nicht entsprechen, eine Anspielung im Sinne von Art. 16 Buchst. b der Verordnung Nr. 110/2008 darstellt (Urteil Bureau national interprofessionnel du Cognac, C-4/10 und C-27/10, EU:C:2011:484, Rn. 58).</em></p>
<span class="absatzRechts">108</span><p class="absatzLinks"><em>Vorliegend ist nach den Ausführungen des vorlegenden Gerichts unstreitig, dass die Bezeichnung „Verlados“ in Finnland für ähnliche Erzeugnisse wie die verwendet wird, die durch die geografische Angabe „Calvados“ geschützt sind, dass diese Erzeugnisse gemeinsame objektive Merkmale aufweisen und dass sie aus der Sicht der maßgeblichen Verkehrskreise bei im Wesentlichen identischen Gelegenheiten konsumiert werden.</em></p>
<span class="absatzRechts">109</span><p class="absatzLinks"><em>In Bezug auf die visuelle und klangliche Ähnlichkeit der Bezeichnungen „Verlados“ und „Calvados“ hat das vorlegende Gericht zu berücksichtigen, dass sie beide aus acht Buchstaben bestehen, wobei die letzten vier identisch sind, und dass sie dieselbe Silbenzahl und die gleiche Endsilbe „dos“ haben, was ihnen eine gewisse visuelle und klangliche Ähnlichkeit verleiht.</em></p>
<span class="absatzRechts">110</span><p class="absatzLinks"><em>Das vorlegende Gericht hat nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs auch etwaige Umstände zu berücksichtigen, die möglicherweise darauf hinweisen, dass die visuelle und klangliche Ähnlichkeit zwischen den beiden Bezeichnungen nicht auf Zufall beruht (vgl. in diesem Sinne Urteil Consorzio per la tutela del formaggio Gorgonzola, C-87/97, EU:C:1999:115, Rn. 28).</em></p>
<span class="absatzRechts">111</span><p class="absatzLinks"><em>Insoweit macht die französische Regierung geltend, das Erzeugnis „Verlados“ habe ursprünglich „Verla“ geheißen und die Endung „dos“ sei erst später hinzugefügt worden, nachdem die Einfuhr von „Calvados“ nach Finnland zwischen 1990 und 2001 erheblich zugenommen habe. Außerdem habe die Endsilbe „dos“ im Finnischen keine besondere Bedeutung. Solche Umstände, die vom vorlegenden Gericht zu überprüfen sind, können Hinweise darauf darstellen, dass die oben in Rn. 38 des vorliegenden Urteils erwähnte Ähnlichkeit nicht auf Zufall beruht.</em></p>
<span class="absatzRechts">112</span><p class="absatzLinks"><em>Hinsichtlich der vom vorlegenden Gericht aufgezählten Umstände ist der von sämtlichen Beteiligten des vorliegenden Verfahrens vertretenen Ansicht beizupflichten, dass diese Umstände für die Beurteilung des Vorliegens einer „Anspielung“ im Sinne von Art. 16 Buchst. b der Verordnung Nr. 110/2008 nicht relevant sind.</em></p>
<span class="absatzRechts">113</span><p class="absatzLinks"><em>Erstens betont das vorlegende Gericht, die Bezeichnung „Verlados“ beziehe sich zum einen auf das dieses Getränk herstellende Unternehmen Viiniverla, sowie zum anderen auf das Dorf Verla, das den finnischen Verbrauchern bekannt sei, so dass sie durch diese Bezeichnung nicht irregeführt werden könnten.</em></p>
<span class="absatzRechts">114</span><p class="absatzLinks"><em>Insoweit ist zunächst daran zu erinnern, dass nach Art. 16 Buchst. b der Verordnung Nr. 110/2008 selbst dann eine „Anspielung“ vorliegen kann, wenn der wahre Ursprung des Erzeugnisses angegeben ist (vgl. in diesem Sinne Urteil Bureau national interprofessionnel du Cognac, C-4/10 und C-27/10, EU:C:2011:484, Rn. 59).</em></p>
<span class="absatzRechts">115</span><p class="absatzLinks"><em>Sodann ist darauf hinzuweisen, dass durch Art. 16 Buchst. b der Verordnung Nr. 110/2008 die in deren Anhang III eingetragenen geografischen Angaben im gesamten Hoheitsgebiet der Union gegen jede „Anspielung“ geschützt werden. Insoweit wurde oben in Rn. 27 des vorliegenden Urteils ausgeführt, dass der Verbraucherbegriff, auf den sich die oben in Rn. 21 des vorliegenden Urteils angeführte Rechtsprechung bezieht, auf den europäischen Verbraucher und nicht nur auf den Verbraucher des Mitgliedstaats abstellt, in dem das Erzeugnis hergestellt wird, das zu der Anspielung auf die geschützte geografische Angabe führt.</em></p>
<span class="absatzRechts">116</span><p class="absatzLinks"><em>Schließlich kann nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs selbst dann eine „Anspielung“ vorliegen, wenn keinerlei Gefahr der Verwechslung zwischen den betroffenen Erzeugnissen besteht (Urteile Consorzio per la tutela del formaggio Gorgonzola, C-87/97, EU:C:1999:115, Rn. 26, und Kommission/Deutschland, C-132/05, EU:C:2008:117, Rn. 45), da es vor allem darauf ankommt, dass beim Publikum keine Assoziationen hinsichtlich des Ursprungs des Erzeugnisses hervorgerufen werden und es einem Wirtschaftsteilnehmer nicht ermöglicht wird, in unberechtigter Weise vom Ansehen der geschützten geografischen Angabe zu profitieren (vgl. in diesem Sinne Urteil Bureau national interprofessionnel du Cognac, C-4/10 und C-27/10, EU:C:2011:484, Rn. 46).</em></p>
<span class="absatzRechts">117</span><p class="absatzLinks"><em>Zweitens weist das vorlegende Gericht auf den Umstand hin, dass es sich bei dem Getränk „Verlados“ um ein im Dorf Verla hergestelltes lokales Erzeugnis handelt, das nur lokal und in geringen Mengen vermarktet wird und darüber hinaus auch auf Bestellung bei der staatlichen Alkoholgesellschaft im Sinne des Alkoholgesetzes erhältlich ist.</em></p>
<span class="absatzRechts">118</span><p class="absatzLinks"><em>Unabhängig davon, dass die französische Regierung dem widersprochen und Unterlagen vorgelegt hat, wonach das Getränk „Verlados“ über den Versandhandel auch für Verbraucher aus anderen Mitgliedstaaten erhältlich ist, ist insoweit festzustellen, dass dieser Umstand jedenfalls nicht relevant ist, da die Verordnung Nr. 110/2008 gemäß ihrem Art. 1 Abs. 2 für alle in der Union vermarkteten Spirituosen gilt.</em></p>
<span class="absatzRechts">119</span><p class="absatzLinks"><em>Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ist auf die zweite Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 16 Buchst. b der Verordnung Nr. 110/2008 dahin auszulegen ist, dass das vorlegende Gericht für die Beurteilung der Frage, ob die Bezeichnung „Verlados“ im Sinne dieser Vorschrift eine „Anspielung“ auf die geschützte geografische Angabe „Calvados“ für ähnliche Erzeugnisse darstellt, die klangliche und visuelle Ähnlichkeit zwischen diesen Bezeichnungen sowie etwaige Umstände berücksichtigen muss, die darauf hinweisen könnten, dass eine solche Ähnlichkeit nicht auf Zufall beruht, um zu prüfen, ob der normal informierte und angemessen aufmerksame und verständige europäische Durchschnittsverbraucher durch den Namen eines Erzeugnisses dazu veranlasst wird, gedanklich einen Bezug zu einem Erzeugnis mit der geschützten geografischen Angabe herzustellen.“</em></p>
<span class="absatzRechts">120</span><p class="absatzLinks">Insgesamt macht die Rechtsprechung des EuGH und ihr folgend des BGH damit deutlich, dass einzelne Elemente, insbesondere solche, die auf die geographische Herkunft hindeuten, geschützt sein können. Weiter ergeben sich aus der zitierten Entscheidung des EuGH auch der Maßstab und die Voraussetzungen, unter denen eine Anspielung im Sinne der Verordnungen auf europäischer Ebene anzunehmen ist.</p>
<span class="absatzRechts">121</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Ansicht der Beklagten ergibt sich nichts anderes daraus, dass die Bezeichnung „COPPA DI PARMA“ ebenfalls geschützt ist, obwohl diese nach der Bezeichnung „PROSCIUTTO DI PARMA“ eingetragen wurde. Denn – wie der EuGH und BGH dargelegt haben – kommt es auf eine Gesamtabwägung an, die bezogen auf eine andere Bezeichnung und ein anderes Produkt auch unterschiedlich ausfallen kann.</p>
<span class="absatzRechts">122</span><p class="absatzLinks">Dies wird durch folgende Erwägung: bestätigt: Ausgangspunkt ist auch insoweit zunächst der Wortlaut: Eine „<em>Anspielung</em>“ („<em>evocation</em>“ [EN], „<em>èvocation</em>“ [FR], „<em>evocazione</em>“ [IT]) ist gekennzeichnet durch die indirekte Hervorrufung eines Eindrucks oder einer Erinnerung bei einer anderen Person, ohne den Eindruck oder die Erinnerung direkt zu benennen. Als Mittel der Kommunikation ist sie darauf angelegt, durch einen inneren Akt des Gegenübers vervollständigt und mit dem tatsächlich gemeinten Bedeutungsgehalt versehen zu werden. Es ist notwendig, dass die Formulierung unter Berücksichtigung aller situationsbedingten Begleitumstände, wie etwa Gestik und Mimik, aber auch Zeit, Ort und einbezogener Gegenstände, geeignet ist, das Gegenüber aufgrund einer bestimmten Vorerfahrung oder eines bestimmten Vorwissens anzusprechen und es in diesem Kontext zu einer, unter Umständen sogar automatischen, eigenen Assoziationsleistung zu bewegen. Dieses Verständnis liegt auch anderen Sprachfassungen der Verordnung zugrunde, beispielsweise indem „<em>evocation</em>“ als „<em>The act of bringing or recalling a feeling, memory, or image to the conscious mind</em>.“ beschrieben wird. Im weiteren – und im Auslegungsansatz bereits teilweise systematischen – Vergleich der Verletzungsformen der lit b bestätigt sich die Weite dieses Deutungsansatzes: von der „<em>Aneignung</em>“ als stark von Übernahme geprägter Handlung über die „<em>Nachahmung</em>“ als zwar eigene, aber immer noch von erkennbaren Anlehnungsbemühungen geprägter Leistung bis schließlich zur „<em>Anspielung</em>“ weiten sich die Begriffe nach dem Prinzip „Spezialisierung vor Generalisierung“ zu einem Auffangtatbestand hin aus. Gleichzeitig bedeutet die dargestellte Ausweitung der jeweiligen Handlung eine entsprechende Verringerung der für die Bejahung einer Verletzung notwendig zu übernehmenden Bezeichnungsmerkmale, bis bei der „<em>Anspielung</em>“ schließlich nur noch ein für die genannten Erinnerungseindrücke ausreichender Anteil vorhanden ist. Diese Interpretation von einem ausgedehnten und damit hohen Schutzumfang steht aus systematischer Sicht schließlich im Einklang mit Erwägungsgrund 32 der Verordnung, der explizit von einer Ausdehnung der erfassten Verletzungsformen zur Erreichung eines hohen Schutzniveaus ausgeht.</p>
<span class="absatzRechts">123</span><p class="absatzLinks">Ausgehend von dem so gebildeten Maßstab stellt sich die streitgegenständliche Produktbezeichnung „<em>Culatello di Parma</em>“ als Anspielung auf die geschützte Ursprungsbezeichnung „<em>Prosciutto di Parma</em>“ dar.</p>
<span class="absatzRechts">124</span><p class="absatzLinks">Die Verkehrsauffassung kann der Senat unter Berücksichtigung der vorstehend dargestellten Kriterien selbst beurteilen. Denn der Senat gehört zu den angesprochenen europäischen Verkehrskreisen. Dass es – was die Beklagte zutreffend anführt – nicht allein auf die Kenntnis eines deutschen Verbrauchers ankommt, sondern auf die Kenntnis eines „europäischen Verbrauchers“ abzustellen ist, führt nicht dazu, dass der Senat die Verkehrsauffassung nicht selbst beurteilen könnte. Wie sich aus der dargestellten Entscheidung des EuGH ergibt, hat dieser den europäischen Verbraucher ausdrücklich dem Verbraucher aus dem Herkunftsland gegenüber gestellt, so dass die Mitglieder des Senats zu diesen Verkehrskreisen zählen, zumal die Mitgliedes Senats auch ein nicht unerhebliches Interesse an den Essgewohnheiten im europäischen Ausland haben und dort immer wieder einkauften.</p>
<span class="absatzRechts">125</span><p class="absatzLinks">Vor diesem Hintergrund muss der Senat auch nicht auf das erst mit Schriftsatz vom 20.12.2018 vorgelegte GfK-Gutachten zurückgreifen und stellt darauf ausdrücklich nicht ab.</p>
<span class="absatzRechts">126</span><p class="absatzLinks">Die Anspielung ergibt sich aus folgenden Erwägungen:</p>
<span class="absatzRechts">127</span><p class="absatzLinks">Die angegriffene Bezeichnung „<em>Culatello di Parma</em>“ weist in den letzten 2 von jeweils 3 Wörtern eine Übereinstimmung mit der Ursprungsbezeichnung auf. Eine in dieser Weise nur teilweise Übereinstimmung kann nach der zitierten Rechtsprechung bereits zum Ausgangspunkt für die Annahme einer Anspielung genommen werden. Dies steht – entgegen der Ansicht der Beklagten – nicht in Widerspruch zu dem Umstand, dass die Ursprungsbezeichnung „<em>Prosciutto di Parma</em>“ nur in ihrer Gesamtheit durch die Eintragung geschützt wird. Nach der Wertung der Grundverordnung in ihrer Umsetzung durch den EuGH kann gerade durch die Übernahme einzelner Bestandteile ein Angriff auf die Ursprungsbezeichnung in ihrer Gesamtheit liegen. Dies korrespondiert auch der Regelung in Art. 13 Abs. 1 Grundverordnung am Ende, wonach die Verwendung eines Gattungsbegriffes, der gleichzeitig in einer geschützten Ursprungsbezeichnung enthalten ist, keine Verletzungshandlung darstellt. Diese Regelung geht bereits in ihrem Ansatz davon aus, dass auch die Verwendung einzelner Begriffe einer Ursprungsbezeichnung eine Verletzungshandlung begründen kann und nimmt hiervon sodann die Verwendung von Gattungsbegriffen aus. Im Umkehrschluss ergibt sich aus der genannten Passage, dass auch die bloße Übernahme einer geografischen Herkunftsangabe wie „<em>di Parma</em>“ bereits tatbestandsmäßig sein kann, weil insoweit keine vergleichbare Ausnahme vorgesehen ist. Im Rahmen einer wertenden Gewichtung dieser Teilübernahme als Ausgangspunkt einer späteren Gesamtabwägung ist schließlich zulasten der Beklagten zu berücksichtigen, dass gemäß Art. 6 Abs. 1 Grundverordnung Gattungsbezeichnungen wie „<em>Prosciutto</em>“ und „<em>Culatello</em>“ allein den Schutzgehalt einer Ursprungsbezeichnung nicht erlangen können. Demnach betrifft die aufgezeigte Teilübereinstimmung der angegriffenen Produktbezeichnung aber gerade die Elemente, aus denen sich die Schutzfähigkeit der Ursprungsbezeichnung ableitet, was durch eine entsprechend stärkere Gewichtung dieses Ausgangspunktes abzubilden ist.</p>
<span class="absatzRechts">128</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Auffassung der Beklagten ist in diesem Zusammenhang nicht erheblich, dass eine Herkunftsbezeichnung (hier „di Parma“) auf diese Weise geschützt wird, auch wenn das Produkt tatsächlich aus der entsprechenden Region stammt. Denn dies entspricht – wie dargelegt – dem Sinn der Verordnung.</p>
<span class="absatzRechts">129</span><p class="absatzLinks">Bei einer weiteren Betrachtung der beiden Bezeichnungen ist zudem eine hohe visuelle Ähnlichkeit zwischen der angegriffenen Produktbezeichnung und der Ursprungsbezeichnung erkennbar. Beide Formulierungen bestehen aus 3 Wörtern, wobei das erste und das dritte Wort als Hauptwörter groß geschrieben werden und das zweite Wort demgegenüber klein geschrieben wird. Als Präposition setzt dieses mittlere Wort die beiden äußeren Wörter zueinander in Beziehung, wodurch sich, nicht zuletzt bedingt durch die Teilübernahme, in beiden Fällen ein recht simpler Dreiklang in Optik und Semantik der Gestalt „<em>Ware aus Ort</em>“ ergibt, der gerade wegen seiner Simplizität einprägsam wirkt.</p>
<span class="absatzRechts">130</span><p class="absatzLinks">Flankiert wird diese optische Ähnlichkeit durch eine gewisse phonetische Ähnlichkeit der Formulierungen, die auch durch den genannten Dreiklang erzeugt wird. Bezüglich des übernommenen Abschnitts „<em>di Parma</em>“ ist die Ähnlichkeit in der Aussprache anzunehmen. Die Unterschiede in den vorangestellten Bezeichnungen „<em>Prosciutto/Culatello</em>“, die eine unterschiedliche Schreibweise und einen abweichenden Klang aufweisen, kann vor diesem Hintergrund kein anderes Ergebnis begründen. Denn neben den Produktbezeichnungen sind auch die so in Bezug genommen Produkte einander in hohem Maß ähnlich. In beiden Fällen handelt es sich um aufgeschnittene Rohschinkenscheiben aus der Hinterkeule eines Schweins. Trotz des unterschiedlichen Herstellungsverfahrens und der unterschiedlichen Schweinerassen sind sie damit für die gleichen Verzehrsituationen geeignet und bestimmt und insoweit für den Verbraucher unmittelbar substituierbar. Zudem ergibt sich aus diesem Umstand eine starke optische Ähnlichkeit in Farbe und Konsistenz beider Produkte, die durch die Verwendung einer durchsichtigen Plastikverpackung auch werbend mit der Produktbezeichnung in Verbindung gebracht wird.</p>
<span class="absatzRechts">131</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Ansicht der Beklagten liegt hierin keine unzulässige Berücksichtigung einer gemeinüblichen Verpackungsform durch das erstinstanzliche Gericht. Abwägungsgesichtspunkt ist wie dargestellt allein die Ähnlichkeit der bezeichneten Produkte selbst. Der Umstand, dass diese Ähnlichkeit gleichzeitig mit der Produktbezeichnung wahrgenommen werden kann, stellt keinen selbständigen Vorwurf einer unzulässigen Verpackungsform dar, sondern setzt das erkennende Gericht in die Lage, die Produktähnlichkeit als Abwägungsgesichtspunkt einzelfallbezogen zu gewichten. Diese Gewichtung fällt dabei tendenziell stärker aus, wenn wie hier die Produktähnlichkeit bereits bei der Wahrnehmung der ähnlichen Produktbezeichnung hervortritt. Vor diesem Hintergrund führt die Tatsache, dass die Produktgestaltung des Produktes der Beklagten von der vorgeschriebenen Gestaltung der Produkte der Klägerin abweicht, zu keinem anderen Ergebnis, zumal sich die Gestaltungen in hohem Maß ähneln.</p>
<span class="absatzRechts">132</span><p class="absatzLinks">Zu keinem anderen Ergebnis führt der Vortrag der Beklagten, aufgrund der bereits jahrhundertelangen Kenntnis von der Schinkengattung „<em>Culatello“</em>, die auch unter der Bezeichnung „Culatello <em>di Parma</em>“ vermarktet worden sei, liege eine Anspielung nicht vor.</p>
<span class="absatzRechts">133</span><p class="absatzLinks">Dabei geht der Senat davon aus, dass die Bezeichnung „Culatello di Parma“ eine gewisse Bekanntheit erlangt hat.</p>
<span class="absatzRechts">134</span><p class="absatzLinks">Zwar ergibt sich aus den von der Beklagten angeführten Regelwerken der Klägerin, wie vom erstinstanzlichen Gericht ausgeführt, nur eine entsprechende Bekanntheit des einzelnen (Gattungs-)Begriffes „<em>Culatello</em>“, der jedenfalls auch auf den „<em>Culatello</em>“ aus der Region Zibello verstanden werden kann, der als Herkunftsbezeichnung Schutz genießt. Angesichts der zahlreichen Internetausdrucke mit verschiedenen Angeboten von „Culatello di Parma“, deren Existenz die Beklagte in wesentlichen Teilen nicht bestritten hat, und der Tatsache, dass selbst die Firma des Präsidenten der Klägerin und die Firma des Vizepräsidenten der Klägerin einen Schinken der Gattung „Culatello“ unter der Bezeichnung „Culatello di Parma“ anboten oder jedenfalls bewarben, steht allerdings fest, dass die Bezeichnung „Culatello di Parma“ jedenfalls im Ursprungsland gebräuchlich ist und daher auch einen gewissen Bekanntheitsgrad genießt. Dies ist im Rahmen der Gesamtabwägung bei der Frage, ob eine Anspielung im dargelegten Sinn besteht, zu berücksichtigen.</p>
<span class="absatzRechts">135</span><p class="absatzLinks">Dies führt indes nicht zu der Annahme, dass die angesprochenen Verkehrskreise – dieses ist der europäische Verbraucher, wie die Beklagte mit Recht ausführt (vgl. die vorstehend zitierte Entscheidung, in der allerdings auch klargestellt wird, dass es nicht auf den Verbraucher in dem Staat ankommt, in dem das Produkt geschützt ist) – eine gedankliche Verbindung nicht herstellen, weil diesem der Begriff „Culatello di Parma“ als solches bekannt ist und daher eine Verbindung zu einem anderen Produkt fern liegt, auch wenn es sich um eine vergleichbare Gattung handelt.</p>
<span class="absatzRechts">136</span><p class="absatzLinks">Es kommt hinzu, dass die Bezeichnung „Culatello di Parma“ nicht als Herkunftsbezeichnung geschützt ist, auch wenn umstritten ist, aus welchem Grund ein solcher Schutz nicht erfolgt. Weiter ergibt sich – wie dargelegt – aus der Rechtsprechung des EuGH, dass ein Schutz auch dann besteht, wenn das entsprechende Produkt aus der Region – hier Parma – stammt.</p>
<span class="absatzRechts">137</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat darüber hinaus nicht hinreichend substantiiert dargelegt, dass der durchschnittliche europäische Verbraucher Kenntnis von den traditionsbedingten Unterschieden der Schinkensorten hat. Die Darlegungen der Beklagten beziehen sich im Wesentlichen auf Verbraucher in Italien und Deutschland. Auf diese kann indes – wie dargelegt – nicht alleine abgestellt werden. Es kommt hinzu, dass die dargelegten hohen Absatzzahlen und der Umfang der Nutzung der Bezeichnung „<em>Culatello di Parma</em>“ gerade ein Ausdruck der hier angegriffenen gedanklichen Bezugnahme sein könnten, die erfolgt wäre, um (insoweit offensichtlich erfolgreich) den Absatz dieses Produktes zu erhöhen.</p>
<span class="absatzRechts">138</span><p class="absatzLinks">Schließlich bestehen auch objektive Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte auf das Produkt der Klägerin bewusst anspielt. Zwar ist ein Verschulden für den Unterlassungsanspruch nach § 135 Abs. 1 MarkenG nicht erforderlich. Für die Beurteilung eines Aussagegehalts, wie sie auch bei der hier maßgeblichen Frage nach einer „<em>Anspielung</em>“ notwendig ist, kann und muss aber auch die erkennbare Intention des sich Äußernden Berücksichtigung finden. In diesem Zusammenhang fällt die Ähnlichkeit der Produktetikettierung (s.o.) auf, wie sie sich aus den oben gezeigten Bildern ergibt. Die Verpackung beider Produkte wird durch jeweils 2 Etiketten geprägt. Das bei der Klägerin als Ecketikett ausgestaltete Hauptetikett fällt im Gesamteindruck durch den großflächigen schwarzen Hintergrund auf, der durch die goldene Herzogskrone kontrastiert wird und auch die Produktbezeichnung, ebenfalls in Gold, trägt. Das Hauptetikett der Beklagten ist ebenfalls in schwarz gehalten und als rechteckiger Streifen über die gesamte Breite der Verpackung ausgestaltet. Eine Kontrastierung findet hier durch die Farben Weiß und Grün statt. Das Zusatzetikett ist in beiden Fällen ein weißes Viereck, das mit der Bezeichnung desselben Unternehmens („<em>S.</em>“) und einem Symbol grüner Blätter eingeleitet wird. Bei beiden Etiketten folgt dann in zentriert formatiertem Schriftsatz die Zutatenangabe, bevor im unteren Bereich des Etiketts weitere Angaben wie das Mindesthaltbarkeitsdatum folgen. Zwar bestehen zwischen den Etiketten einige Unterschiede (fehlende Krone bei der Beklagten, andere Kontrastfarben, zusätzliche Herkunftsangabe bei der Beklagten durch die stilisierte Landkarte), bei einer Gesamtbetrachtung aus der Sicht Verbrauchers in der Einkaufssituation werden jedoch beide Verpackungen durch großflächig-schwarze Hauptetiketten und weiße Zusatzetiketten gekennzeichnet, wobei die Zusatzetiketten nahezu identisch sind und beide Produkte, gerade bei anschließender näherer Betrachtung durch den Verbraucher, auf einen gemeinsamen Nenner bringen. Es ist damit von einer erkennbaren Anlehnung an den Verpackungseindruck der Klägerin auszugehen, die auch nach dem Vortrag der Beklagten selbst bei vergleichbaren Produkten auf dem deutschen Markt so nicht festzustellen ist.</p>
<span class="absatzRechts">139</span><p class="absatzLinks">Dieser Eindruck verstärkt sich zudem, wenn berücksichtigt wird, dass die Beklagte 30 Jahre Mitglied bei der Klägerin war, aufgrund ihres eigenen Warensortiments auch selbst die durch die Produktspezifikation vorgeschriebene Verpackung für „<em>Prosciutto di Parma</em>“ verwendet und damit direkte Kenntnis von den verpackungsprägenden Elementen und deren Wirkung besitzt.</p>
<span class="absatzRechts">140</span><p class="absatzLinks">Hiergegen spricht nicht, dass die Produkte der Beklagten – mit Ausnahme des „PROSCIUTTO DI PARMA“ – alle in vergleichbaren Verpackungen angeboten werden. Denn bereits diese Verpackungen sind offensichtlich an die Vorgaben für „PROSCIUTTO DI PARMA“ angelehnt. Für die Anlehnung spricht in diesem Zusammenhang, dass der Spielraum für die Gestaltung der Verpackungen von Produkten, die nicht unter der Bezeichnung „PROSCIUTTO DI PARMA“ vertrieben werden sollen, erheblich ist, während ein solcher Spielraum bei dem vorgenannten Produkt sehr klein ist.</p>
<span class="absatzRechts">141</span><p class="absatzLinks">Im Rahmen einer Gesamtwürdigung sind die aufgezeigten Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Dabei wirken die Teilübernahme der Bezeichnung, die Produktähnlichkeit sowie der visuelle Dreiklang besonders schwer zu Lasten der Beklagten. Die geringere phonetische Ähnlichkeit, soweit diese selbständig neben der visuellen Ähnlichkeit beurteilt werden kann, und die objektiven Intentionsmomente der Beklagten wirken in dieselbe Richtung.</p>
<span class="absatzRechts">142</span><p class="absatzLinks">Ohne Erfolg sind die weiteren Argumente der Beklagten, mit denen sich diese gegen die Einordnung ihres geschäftlichen Verhaltens als Anspielung nach § 13 Abs. 1 lit. b Grundverordnung wehrt:</p>
<span class="absatzRechts">143</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte kann gegen die angenommene Weite des Schutzbereichs von Art. 13 Abs. 1 lit. b Grundverordnung nicht einwenden, dass es ebenfalls eine geschützte geografische Angabe „<em>Coppa di Parma</em>“ gibt. Dieser Umstand ist mit der Annahme einer Anspielung im vorliegenden Fall vereinbar. Diese Annahme geht zwar in der Tat von der Übernahme der Teilbezeichnung „<em>di Parma</em>“ aus, wie er auch in der geschützten geografischen Angabe enthalten ist. Es bleibt jedoch, wie bereits ausgeführt, zu beachten, dass nicht dieser Bezeichnungsbestandteil selbst geschützt wird, sondern die Gesamtbezeichnung. Aus diesem Grund ist die Anspielung erst durch die weitergehende Ermittlung des Aussagegehalts der angegriffenen Gesamtbezeichnung unter Berücksichtigung aller objektiven Umstände zu ermitteln gewesen. Erst diese Würdigung hat im vorliegenden Fall zur Bejahung einer Anspielung geführt. Ob dies auch im Falle einer entsprechenden Würdigung von „<em>Coppa di Parma</em>“ anzunehmen wäre, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Die Parteien tragen hierzu auch keine ausreichenden Tatsachen vor. Zudem sieht die Grundverordnung in Art. 6 Abs. 3 selbst die eng umrissene Möglichkeit einer späteren teilübereinstimmenden Eintragung vor, wenn die dort genannten Voraussetzungen gegeben sind. Dabei schließt das dort genannte Kriterium der deutlichen Unterscheidbarkeit eine mögliche Verletzungssituation wie im vorliegenden Rechtsstreit aus. Da es bei „<em>Coppa di Parma</em>“ zu einer solchen Eintragung gekommen ist, kann das Gericht vorliegend davon ausgehen, dass die weiteren Kriterien für die Annahme einer Anspielung dort nicht gegeben waren.</p>
<span class="absatzRechts">144</span><p class="absatzLinks">Ebenso wenig kann sich die Beklagte darauf berufen, es existierten im Marktumfeld weitere nicht eingetragene Produktbezeichnungen mit dem Zusatz „<em>di Parma</em>“. Auch in diesen Fällen gilt, dass nicht die Verwendung dieses Zusatzes allein geschützt wird. Ob eine Anspielung bei den angeführten Produktbezeichnungen vorliegt, ist daneben erneut nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Darüber hinaus sind mögliche Verletzungshandlungen Dritter allein auch nicht geeignet, die objektiv aus der Schutzumfangsbestimmung abgeleitete Definition einer Verletzungshandlung zu verschieben. Ansonsten liefe ein eingetragenes Kennzeichenrecht Gefahr, allein durch eine hohe Anzahl an rechtswidrigen Verletzungshandlungen entwertet zu werden. Insofern kann die Beklagte aus dem möglicherweise ebenfalls widerrechtlichen Verhalten Dritter allein keinen rechtlichen Vorteil ziehen.</p>
<span class="absatzRechts">145</span><p class="absatzLinks">Ferner kann sich die Beklagte auch nicht auf eine mögliche Kennzeichnungspflicht aus Art. 26 Abs. 2 lit a) der VO Nr. 1169/2011 berufen. Dies ergibt sich mittelbar bereits aus Art. 26 Abs. 1 der genannten Verordnung, wonach diese Vorschrift die Kennzeichnungsvorschriften der Verordnungen (EU) Nr. 509/2006 und 510/2006 unberührt lässt. Die genannten Verordnungen werden ausweislich des Erwägungsgrundes Nr. 14 der Grundverordnung von dieser ersetzt. Auch wenn Art. 13 Grundverordnung nicht zu den unmittelbaren Kennzeichnungsvorschriften zählt, steht er mit diesen doch derart im Zusammenhang, dass die seinem Schutzgehalt unterfallenden Bezeichnungen gerade zur Kennzeichnung verwendet werden sollen, wie es auch Art. 12 Abs. 2 Grundverordnung vorsieht. Insoweit lässt sich Art. 13 der Verordnung auch als Verbot bestimmter Kennzeichnungen im Verhältnis zu geschützten Ursprungsbezeichnungen begreifen. Demnach darf der Pflicht aus Art. 26 Abs. 2 lit a VO Nr. 1169/2011 nur in der Weise in Übereinstimmung mit den Bestimmungen der Grundverordnung nachgekommen werden, dass der nötige Ursprungshinweis nicht mit einer geschützten Ursprungsbezeichnung kollidiert. Hieraus ergibt sich auch der vom erstinstanzlichen Gericht gezogene Schluss, dass ein Ursprungshinweis nicht notwendig in der Produktbezeichnung zu erfolgen hat. Der Hinweispflicht kann vielmehr an jedem anderen gut erkennbaren Ort der Verpackung, etwa auf dem Zusatzetikett oder auf dem Hauptetikett unter oder neben der Landkarte von Italien nachgekommen werden. Soweit die Beklagte eine Abgrenzung zu dem Produkt „<em>Culatello di Zibello</em>“ erreichen möchte, dürfte dies ohnehin nicht erforderlich sein, weil es sich bei „Culatello“ nach dem unstreitigen Vortrag der Parteien um eine Gattungsbezeichnung handelt, die nicht geschützt ist.</p>
<span class="absatzRechts">146</span><p class="absatzLinks">In gleicher Weise kann sich die Beklagte auch nicht auf ihre Kennzeichnungspflicht aus Art. 17 VO Nr. 1169/2011 berufen. Die isolierte Verwendung der Bezeichnung „<em>Culatello</em>“ wird von der Klägerin nicht angegriffen. Die angenommene Anspielungswirkung beruht nicht allein auf der Verwendung dieses Begriffes, sondern auf seiner Wechselwirkung der oben dargestellten Umstände, wobei die phonetische Ähnlichkeit gerade wegen dem ersten Teilabschnitt von „<em>Culatello</em>“ differenziert zu betrachten war. Eine Vermeidung des Anspielungseffektes ist mithin auch unter Einhaltung dieser Kennzeichnungspflicht möglich.</p>
<span class="absatzRechts">147</span><p class="absatzLinks">Weiter kann die Beklagte sich auch nicht auf die von ihr vorgelegten Registermarken der Klasse 29 berufen, die ebenfalls den Bestandteil „<em>di Parma</em>“ aufweisen. Auch insoweit gilt, dass weder bei den Registermarken noch bei der geschützten Ursprungsbezeichnung dieser Bestandteil isoliert geschützt wird. Dass die Registermarken trotz Vorliegen eines zum hier zu entscheidenden Rechtsstreit vergleichbaren Verletzungsfalles eingetragen wurden, hat die Beklagte ebenfalls nicht substantiiert behauptet.</p>
<span class="absatzRechts">148</span><p class="absatzLinks">Ferner ist auch der Verweis der Beklagten auf die italienische höchstgerichtliche Rechtsprechung nicht geeignet, die dargelegte rechtliche Würdigung zu erschüttern. Die genannte Rechtsprechung aus den Jahren 1999 und 2004 befasst sich ersichtlich nicht mit der Auslegung von Art. 13 Grundverordnung oder den Vorgängervorschriften aus dem Jahr 2006. Aus der Anlage AG 10 wird unmittelbar ersichtlich, dass der Kassationsgerichtshof auf der Basis der nationalen Gesetze Nr. 506 und Nr. 26 entschieden hat, die zur Auslegung der hier entscheidungserheblichen europäischen Rechtsnormen nicht beitragen. In der Sache hat das italienische Gericht zudem auf der Basis einer angenommen Verwechslungsgefahr für den Verbraucher entschieden. Eine solche ist bereits nach dem Wortlaut des Art. 13 Grundverordnung nicht erforderlich und wird auch vom EuGH in der zitierten Entscheidung nicht verlangt.</p>
<span class="absatzRechts">149</span><p class="absatzLinks">Soweit die Beklagte einwendet, die Verurteilung führe zu einem Eingriff in die Meinungsfreiheit nach Art. 11 Abs. 1 GrCH oder Art. 5 GG, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn ein solcher Eingriff ist zulässig.</p>
<span class="absatzRechts">150</span><p class="absatzLinks">Nach Art. 52 Abs. 1 GrCH bedarf jeder Eingriff in die Meinungsfreiheit einer gesetzlichen Grundlage. Ausreichend ist eine rechtssatzförmige Schrankenregelung (Beschränkung durch Gesetz). Grundrechtseingriffe der Unionsgewalt müssen eine Grundlage in Richtlinien und Verordnungen haben (vgl. Cornils in BeckOK Informations- und Medienrecht, Art. 11 Rn. 35 f.). Nach Art. 52 Abs. 1 GrCH müssen Beschränkungen der Kommunikationsfreiheit den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer dienen.</p>
<span class="absatzRechts">151</span><p class="absatzLinks">Nach diesen Grundsätzen war die Einschränkung der Meinungsfreiheit des Art. 11 GrCH zulässig. Denn die Grundverordnung dient dem Gemeinwohl, indem Herkunftsbezeichnungen geschützt werden. Das Verbot ist auch verhältnismäßig.</p>
<span class="absatzRechts">152</span><p class="absatzLinks">Aus den gleichen Gründen ist ein etwaiger Eingriff in die Meinungsfreiheit nach Art. 5 GG zulässig.</p>
<span class="absatzRechts">153</span><p class="absatzLinks">Die Anspielung erfolgte ohne Zustimmung der Klägerin und damit widerrechtlich.</p>
<span class="absatzRechts">154</span><p class="absatzLinks">Die Aktivlegitimation der Klägerin als vom zuständigen Ministerium des Landes Italien anerkannte und bestätigte Vereinigung von italienischen Herstellern von Parmaschinken ergibt sich aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG und ist zwischen den Parteien im Übrigen kein Streitpunkt.</p>
<span class="absatzRechts">155</span><p class="absatzLinks">Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr ist durch die Erstbegehung indiziert.</p>
<span class="absatzRechts">156</span><p class="absatzLinks">c) Das Vorgehen der Klägerin ist nicht rechtsmissbräuchlich. Ein Rechtsmissbrauch könnte sich nur daraus ergeben, dass die Klägerin gegen bestimmte Hersteller von Produkten, die unter der Bezeichnung „CULATELLO DI PARMA“ vertrieben werden, vorgeht und gegen andere hingegen ohne nachvollziehbaren Grund nicht. Dies hat die Beklagte aber nicht hinreichend substantiiert vorgetragen. Insbesondere ist davon auszugehen, dass allein die Beklagte sich nach entsprechender Ansprache durch die Klägerin weigerte, von der weiteren Vermarktung des Produktes Abstand zu nehmen. Alle anderen Beteiligten (so auch die Firmen des Präsidenten der Klägerin und des Vizepräsidenten der Klägerin) haben das Produkt nicht weiter vertrieben oder beworben. Das Vorgehen allein gegen die Klägerin ist daher sachlich nachvollziehbar und nicht rechtsmissbräuchlich.</p>
<span class="absatzRechts">157</span><p class="absatzLinks">d) Entgegen der Ansicht der Beklagten ist das Vorgehen der Klägerin auch nicht kartellrechtswidrig. Dabei kann der Senat die Kartellrechtswidrigkeit selbst prüfen, weil die Beantwortung der kartellrechtliche Vorfrage unzweifelhaft erfolgt und sich aus der Anwendung des Gesetzes ergibt (vgl. BGH, Urteil vom 19.12.2012 – VII ZR 186/11, juris; Schmidt in Immenga/Mestmäcker, GWB, 5. Aufl., § 91 Rn. 11).</p>
<span class="absatzRechts">158</span><p class="absatzLinks">Soweit die Beklagte die Einschränkung des Wettbewerbs und deren Zweck sowie die Eignung der Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedsstaaten behauptet, handelt es sich um unzulässigen und bestrittenen neuen Tatsachenvortrag, der nicht dazu führt, dass die Sache als „nachträgliche Kartellberufungssache“ anzusehen ist (vgl. Schmidt in Immenga/Mestmäcker aaO, § 91 Rn. 13).</p>
<span class="absatzRechts">159</span><p class="absatzLinks">In der Sache liegt eine Kartellrechtswidrigkeit nicht vor, weil der Tatsachenvortrag der Beklagten insoweit präkludiert ist (s.o.). Auch ist eine Einschränkung des Marktes bei Unterlassungen, die auf europäischen Normen beruhen, immanent und schon aus diesem Grund nicht zu beanstanden.</p>
<span class="absatzRechts">160</span><p class="absatzLinks">e) Einer zeitliche Beschränkung des Unterlassungsanspruchs bedarf es entgegen der Ansicht der Beklagten nicht. Entstehen nachträglich rechtsvernichtende oder rechtshemmende Einwendungen gegen die titulierten Anspruch, beispielsweise durch die Veränderung der tatsächlichen Umstände, die zur Grundlage des Titels geworden sind, so kann der Schuldner gegen die Titel vorgehen (vgl. Feddersen in Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 12. Aufl., Kap. 57 Rn. 50 f., mwN). Einer Beschränkung des Titels von vorne herein bedarf es daher nicht.</p>
<span class="absatzRechts">161</span><p class="absatzLinks">f) Der Auskunftsanspruch folgt dem Unterlassungsanspruch und ergibt sich aus Art. 13 Abs. 1 b Grundverordnung iVm §§ 19, 135 MarkenG, § 8 UWG.</p>
<span class="absatzRechts">162</span><p class="absatzLinks">3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, §§ 709, 711 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">163</span><p class="absatzLinks">4. Die Revision wird zugelassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 ZPO). Der Senat geht von einer grundsätzlichen Bedeutung aus, weil die Rechtsfrage, welches nationale Recht vorliegend subsidiär anzuwenden ist, nicht abschließend höchstrichterlich geklärt ist. Soweit der BGH selbst in ähnlichen Fällen deutsches Recht angewandt hat (vgl. Urteil vom 19.07.2018 – I ZR 268/14, juris – Champagner Sorbet II), erfolgte auch die Produktion der dort angebotenen Lebensmittel in Deutschland. Auch ist nicht höchstrichterlich entschieden, wie sich der europäische Verbraucher bestimmt.</p>
<span class="absatzRechts">164</span><p class="absatzLinks">Die vorstehenden Ausführungen dienen allein der Begründung der Zulassung der Revision und stellen keine – nach Auffassung des Senats ohnehin nicht zulässige –Einschränkung der Zulassung der Revision dar.</p>
<span class="absatzRechts">165</span><p class="absatzLinks">Die nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsätze haben keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gegeben.</p>
<span class="absatzRechts">166</span><p class="absatzLinks">5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 100.000 € festgesetzt.</p>
|
171,202 | vg-oldenburg-oldenburg-2019-01-18-7-b-442018 | {
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} | 7 B 4420/18 | 2019-01-18T00:00:00 | 2019-01-29T12:49:56 | 2019-02-13T12:21:09 | Beschluss | <div id="dokument" class="documentscroll">
<a name="focuspoint"><!--BeginnDoc--></a><div id="bsentscheidung"><div>
<h4 class="doc">Tenor</h4>
<div><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
</div></div>
<h4 class="doc">Gründe</h4>
<div><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p><strong>I.</strong></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_1">1</a></dt>
<dd><p>Die Antragstellerin ist ein Unternehmen im Bereich der Fleischverarbeitung und Fleischwarenherstellung. Am 18. September 2018 wurde die Betriebsstätte in ... einer planmäßigen Betriebskontrolle unterzogen, bei der umfangreiche Reinigungs- und Desinfektionsmängel festgestellt wurden. Im Nachfolgenden fanden zahlreiche Nach- bzw. Schwerpunktkontrollen statt. Aufgrund der festgestellten Mängel wurde gegen die Geschäftsführer des Betriebes der Antragstellerin mit Bescheid des Antragsgegners vom 12. Dezember 2018 ein Bußgeld in Höhe von 10.000 Euro verhängt. Bereits mit Schreiben des Antragsgegners vom 6. November 2018 wurde die Antragstellerin zu einer beabsichtigten Veröffentlichung gemäß § 40 Abs. 1a Nr. 2 LFGB angehört und mit Schreiben vom 12. Dezember 2018 informiert, dass eine Veröffentlichung zum 17. Dezember 2018 erfolge.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_2">2</a></dt>
<dd><p>Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p><strong>II.</strong></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_3">3</a></dt>
<dd><p>Der statthafte und zulässige Antrag der Antragstellerin, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufzugeben, die mit der Mitteilung vom 6. November 2018 bzw. 12. Dezember 2018 angekündigte Veröffentlichung gemäß § 40 Abs. 1a LFGB vorläufig - d.h. bis zum Abschluss eines Klageverfahrens -  zu unterlassen, ist unbegründet.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_4">4</a></dt>
<dd><p>Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung im Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts eines Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Die Antragstellerin begehrt hier eine solche Sicherungsanordnung, da sie eine drohende Beeinträchtigung ihrer Rechtsposition verhindern will. Die begehrte einstweilige Anordnung würde zudem – jedenfalls teil- bzw. zeitweise – die Hauptsache vorwegnehmen. Auch eine solche eingeschränkte Vorwegnahme der Hauptsache ist im Hinblick auf den Charakter des vorläufigen Rechtsschutzes gem. § 123 Abs. 1 VwGO nur dann zulässig, wenn eine bestimmte Regelung zur Wahrung eines effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, d.h. wenn sonst die zu erwartenden Nachteile unzumutbar wären und eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit für ein Obsiegen in der Hauptsache besteht (Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 17. Auf. 2011, § 123 R.z. 13 f m. w. N.).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_5">5</a></dt>
<dd><p>Letztgenannte Voraussetzung ist nicht erfüllt, da die Antragstellerin in der Hauptsache nach gegenwärtigem Erkenntnisstand des Gerichtes voraussichtlich nicht obsiegen wird. Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch, den materiell-rechtlichen Anspruch auf die begehrte Leistung, nicht glaubhaft gemacht. Es ist im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner Informationen zu folgenden Parametern auf dem Internetportal „www.verstoesse.lebensmittel-futtermittel-sicherheit.niedersachen.de<span style="text-decoration:underline">“</span> einstellen will, wobei die Informationen ausweislich des Anhörungsschreibens vom 6. November 2018 sechs Monate nach der Veröffentlichung entfernt werden sollen:</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_6">6</a></dt>
<dd><table class="RspIndent" style="margin-left:90pt">
<tr><th colspan="3" rowspan="1"></th></tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">-</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"></td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">Produktbezeichnung</td>
</tr>
</table></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_7">7</a></dt>
<dd><table class="RspIndent" style="margin-left:90pt">
<tr><th colspan="3" rowspan="1"></th></tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">-</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"></td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">Betriebsbezeichnung</td>
</tr>
</table></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_8">8</a></dt>
<dd><table class="RspIndent" style="margin-left:90pt">
<tr><th colspan="3" rowspan="1"></th></tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">-</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"></td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">Anschrift</td>
</tr>
</table></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_9">9</a></dt>
<dd><table class="RspIndent" style="margin-left:90pt">
<tr><th colspan="3" rowspan="1"></th></tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">-</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"></td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">Betreiber</td>
</tr>
</table></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_10">10</a></dt>
<dd><table class="RspIndent" style="margin-left:90pt">
<tr><th colspan="3" rowspan="1"></th></tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">-</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"></td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">Datum der Feststellung des Verstoßes</td>
</tr>
</table></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_11">11</a></dt>
<dd><table class="RspIndent" style="margin-left:90pt">
<tr><th colspan="3" rowspan="1"></th></tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">-</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"></td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">Sachverhalt</td>
</tr>
</table></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_12">12</a></dt>
<dd><table class="RspIndent" style="margin-left:90pt">
<tr><th colspan="3" rowspan="1"></th></tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">-</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"></td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">Rechtsgrundlage</td>
</tr>
</table></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_13">13</a></dt>
<dd><table class="RspIndent" style="margin-left:90pt">
<tr><th colspan="3" rowspan="1"></th></tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">-</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"></td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">Verstoß behoben (ja/nein)</td>
</tr>
</table></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_14">14</a></dt>
<dd><table class="RspIndent" style="margin-left:90pt">
<tr><th colspan="3" rowspan="1"></th></tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">-</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"></td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">Falls ja: Datum der Behebung des Verstoßes.</td>
</tr>
</table></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_15">15</a></dt>
<dd><p>Rechtsgrundlage hierfür ist § 40 Abs. 1a Nr. 2 Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB). Nach dieser Vorschrift informiert die zuständige Behörde die Öffentlichkeit unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels sowie unter Nennung des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel oder Futtermittel hergestellt oder behandelt oder in den Verkehr gelangt ist, wenn der durch Tatsachen, im Falle von Proben nach § 39 Absatz 1 Satz 2 LFGB auf der Grundlage mindestens zweier unabhängiger Untersuchungen von Stellen nach Art. 12 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004, hinreichend begründete Verdacht besteht, dass gegen sonstige Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes, die dem Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Gesundheitsgefährdungen oder vor Täuschung oder der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, in nicht nur unerheblichem Ausmaß oder wiederholt verstoßen worden ist und die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens 350 Euro zu erwarten ist.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_16">16</a></dt>
<dd><p>Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 40 Abs. 1a Nr. 2 LFGB sind im Hinblick auf die Kontrollen des Betriebes der Antragstellerin durch den Antragsgegner erfüllt:</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_17">17</a></dt>
<dd><p>Die Antragstellerin ist ein Lebensmittelunternehmen, unter dessen Namen Lebensmittel hergestellt oder behandelt werden oder in den Verkehr gelangen (s. die Definition in Art. 3 Nrn. 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_18">18</a></dt>
<dd><p>In der beabsichtigen Veröffentlichung sollen ferner die von dem Vorgang betroffenen Lebensmittelprodukte bezeichnet werden (hier voraussichtlich eine abstrakte Bezeichnung, etwa „im Betrieb verarbeitete und hergestellte Fleischwaren“).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_19">19</a></dt>
<dd><p><br>Es besteht ferner ein durch Tatsachen hinreichend begründeter Verdacht, dass gegen sonstige Vorschriften im Anwendungsbereich des LFGB, die der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, verstoßen worden ist. Zutreffend führt die Antragstellerin insoweit aus, dass an die Tatsachengrundlage des Verdachts von Verfassungs wegen hohe Anforderungen zu stellen sind, um die Richtigkeit der Information zu sichern und Fehlvorstellungen der Verbraucher zu vermeiden (vgl. BVerfG, Beschluss v. 21. März 2018, 1 BvF 1/13, juris). Bereits nach dem Wortlaut der Vorschrift muss der Verdacht durch Tatsachen hinreichend begründet sein. Nach der vorzitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist dies im Fall von Proben im Gesetz dahingehend konkretisiert, dass sich der Verdacht auf mindestens zwei unabhängige Untersuchungen gründen muss; der Gesetzgeber hat die Behörde insoweit praktisch zu einer abschließenden Ermittlung der Tatsachen verpflichtet. Hieran hat sich auch das Maß der erforderlichen Tatsachenaufklärung für den Fall zu orientieren, dass dem Verdacht eines Verstoßes nicht durch Proben, sondern auf andere Weise – etwa durch Betriebskontrollen – nachgegangen wird (vgl. BVerfG, a.a.O.). Auch in diesen Fällen müssen die den Verdacht begründenden Tatsachen aus Sicht der Behörde aufgeklärt und in den Überwachungsergebnissen entsprechend dokumentiert sein (vgl. BVerfG, a.a.O.). Hier erscheint nicht zweifelhaft, dass durch die planmäßige Betriebskontrolle am 18. September 2018 sowie im Rahmen der anlassbezogenen Nach- bzw. Schwerpunktkontrollen u.a. am 23. Oktober 2018 und 1. November 2018 Verstöße gegen die Vorschriften, die der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen (Art. 3 VO (EG) 852/2004; Anhang II der VO (EG) 852/2004), festgestellt wurden. Diese wurden umfassend durch die im Verwaltungsvorgang befindlichen Kontrollberichte nebst aussagekräftigen Lichtbildern dokumentiert (vgl. BA001 Bl. 2-14, Bl. 34-72, Bl. 80-100 sowie Kontrollberichte der „Beiakte 1“ und „Beiakte 2“). Die Prüfberichte des Lebensmittel- und Veterinärinstituts Oldenburg vom 24. September 2018 sowie 30. Oktober 2018 dokumentieren ferner im Hinblick auf die im Rahmen der Betriebskontrollen entnommenen Hygieneproben teilweise eine Richtwert-Überschreitung im Hinblick auf die Gesamtkeimzahl sowie die Enterobacteriaceae-Zahlen. Soweit die Antragstellerin einwendet, dass keine Untersuchung der im Rahmen der Kontrollen entnommenen Hygieneproben durch mindestens zwei verschiedene Laboratorien stattgefunden habe, vermag dies eine andere Beurteilung nicht zu rechtfertigen. Die in verschiedenen Produktionsbereichen vorgefundenen Reinigungs- und Desinfektionsmängel wurden hier im Rahmen der amtlichen Betriebskontrollen dokumentiert. Eine starke Verunreinigung einzelner Maschinen und Gerätschaften sowie Räumlichkeiten ist hierbei anhand der Lichtbilder auch für das beschließende Gericht mit „bloßem Auge“ zu erkennen. Auch der Einwand der Antragstellerin, dass die Probenentnahmen vom 19. September 2018 ausweislich des Prüfberichtes des Lebensmittel- und Veterinärinstitut Oldenburg vom 24. September 2018 bei Ankunft eine Temperatur von 7,0 Grad aufgewiesen hätten und das Proben-Ergebnis daher nicht berücksichtigt werden könne, greift nicht. Zwar wurde in dem Prüfbericht ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Proben bei Ankunft eine Temperatur von 7,0 Grad aufwiesen, Proben jedoch bei einer Temperatur von 1- 4 Grad innerhalb 24 Stunden zu transportieren seien, um eine Beeinflussung des Keimgehaltes auszuschließen. Das Lebensmittel- und Veterinärinstitut führte jedoch ebenfalls aus, dass die Beurteilung unter Berücksichtigung der Eingangstemperatur und der Transportzeit erfolgt sei und interpretierte dennoch, dass die ermittelten Werte auf schwerwiegende Mängel in der Reinigung und Desinfektion hinwiesen. Ferner werden die Mängel in der Reinigung und Desinfektion auch durch die Auswertung der in den nachfolgenden Kontrollen entnommenen Proben durch die labortechnisch festgestellten Keimzahlwerte bestätigt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_20">20</a></dt>
<dd><p>Gegen die vorgenannten hygienischen Anforderungen wurde, wie die zahlreichen im Verwaltungsvorgang befindlichen Kontrollberichte und Prüfberichte dokumentieren, seit September 2018 wiederholt verstoßen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_21">21</a></dt>
<dd><p>Es ist außerdem die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens 350 Euro zu erwarten. Durch Bescheid des Antragsgegners vom 12. Dezember 2018 (vgl. BA001 Bl. 139) wurde gegen die Geschäftsführer der Antragstellerin wegen Verstoßes gegen die Reinigungs- und Desinfektionspflichten zur Erfüllung des erforderlichen Hygienestandards (Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anhang II Kap. V Nr. 1a der VO (EG) 852/2004 i.V.m. § 2 Nr. 5 LMRStV) ein Bußgeld in Höhe von 10.000,00 Euro festgesetzt. Selbst wenn der Bußgeldbescheid zum derzeitigen Entscheidungszeitpunkt noch nicht unanfechtbar wäre, so wäre dies unerheblich im Hinblick auf die Prognose, die § 40 Abs. 1a LFGB verlangt. Fest steht durch den vorgenannten Bescheid, dass jedenfalls ein Bußgeld wegen des in Rede stehenden Verstoßes von mehr als 350 Euro erwartet werden muss. Es unterliegt im Übrigen keinen ernsthaften Zweifeln, dass im Hinblick auf den Umfang der Reinigungs- und Hygieneverstöße und des bis zu einem Betrag von 25.000,00 Euro reichenden Bußgeldrahmens eine Bußgeldhöhe von deutlich über 350 Euro auch gerechtfertigt ist.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_22">22</a></dt>
<dd><p>Die beabsichtigte Veröffentlichung begegnet auch insoweit keinen durchgreifenden Bedenken, als dass die Reinigungs- und Hygienemängel zumindest teilweise beseitigt wurden (vgl. etwa Kontrollbericht zur Schwerpunktkontrolle vom 23. November 2018 in „Beiakte 2“ betreffend Gartunnel und Fritteuse im Betrieb der Antragstellerin) und die Antragstellerin Sofortmaßnahmen zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Reinigung des Betriebes ergriffen hat. Es ist verfassungsrechtlich unerlässlich, dass die zuständigen Behörden die zu verbreitenden Informationen mit der Mitteilung verbinden, ob und wann ein Verstoß behoben wurde. Zwar sieht die Ermächtigungsgrundlage eine solche Mitteilung nicht vor, die zuständigen Behörden haben die Regelung jedoch insoweit verfassungskonform anzuwenden (vgl. BVerfG, a.a.O.) Die beabsichtigte Verbraucherinformation soll dementsprechend nach dem Anhörungsschreiben vom 6. November 2018 ausdrücklich darauf hinweisen, ob und ggf. wann eine Mängelbeseitigung bereits erfolgte. Die Veröffentlichung der festgestellten Hygienemängel - einschließlich der ggf. abgestellten - ist hier auch deshalb gerechtfertigt, weil im Betrieb der Antragstellerin seit September 2018 in zahlreichen Kontrollen Verstöße gegen Hygienevorschriften festgestellt wurden und vor diesem Hintergrund zumindest Zweifel bestehen, ob die Antragstellerin sich allein durch die Verhängung eines Bußgeldes zu einer beständigen Einhaltung der Reinigungs- und Hygienevorschriften motivieren ließe. Die Veröffentlichung auch bereits beseitigter Verstöße trägt daher dem generalpräventiven Zweck der Regelung Rechnung, da die Publikation behobener Verstöße die abschreckende Wirkung der Informationsregelung und damit die Einhaltung der einschlägigen Vorschriften erhöht. Daneben dient die Veröffentlichung behobener Verstöße auch dem Ziel der Verbraucherinformation, da auch der Information über ein rechtsverletzendes Verhalten eines Lebensmittelunternehmens in der Vergangenheit für die zukünftigen Konsumentscheidungen des Verbrauchers Relevanz zukommen kann (vgl. BVerfG, a.a.O.). Aus diesen Gründen ist hier ebenfalls nicht maßgeblich, dass im Betrieb der Antragstellerin vom 27. bis 28. November 2018 ein unangekündigtes Folgeaudit des TÜV Nord erfolgte und die Antragstellerin ausweislich eines Schreibens der TÜV Nord vom 20. Dezember 2018 das „IFS Food Audit“ (Nr. 4.10 der Auditanforderungen: „Reinigung und Desinfektion“) voraussichtlich auf Basisniveau bestanden hat.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_23">23</a></dt>
<dd><p>Im Übrigen wurde die Antragstellerin zu der beabsichtigten Veröffentlichung gemäß § 40 Abs. 3 Satz 1 LFGB mit Schreiben vom 6. November 2018 generell angehört.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_24">24</a></dt>
<dd><p>Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 40 Abs. 1a LFGB vor, so ist die zuständige Behörde zur Veröffentlichung verpflichtet. Ihr steht nach dem eindeutigen Wortlaut der bundesgesetzlichen Norm insoweit kein Ermessen zu.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_25">25</a></dt>
<dd><p>Der beabsichtigten Veröffentlichung steht ferner nicht § 475 StPO (i.V.m. § 46 OWiG) entgegen. Die vorgenannte Norm betrifft das Auskunftsrecht bzw. Akteneinsichtsrecht von Privatpersonen und sonstigen Stellen in einem repressiv ausgerichteten Straf- oder Bußgeldverfahren. Vorliegend sollen Gegenstand der Veröffentlichung indes nicht Informationen zu Inhalt oder Stand strafrechtlicher Ermittlungsverfahren sein, sondern ausschließlich die im Rahmen der behördlichen Kontrolltätigkeiten festgestellten Hygienemängel. Die beabsichtigte Information hat demnach ausschließlich präventiven Charakter, sodass die o.g. Normen keine Anwendung finden. Aus diesen Erwägungen ist auch Art. 6 Abs. 2 EMRK, wonach jede Person, die einer Straftat angeklagt ist, bis zum gesetzlichen Beweis ihrer Schuld als unschuldig gilt, nicht einschlägig.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_26">26</a></dt>
<dd><p>Soweit die Antragstellerin meint, dass im laufenden Verfahren eine Information der Öffentlichkeit nur bei Vorliegen einer konkreten Gesundheitsgefahr verhältnismäßig sei und im Übrigen ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse ihres Unternehmens überwiege, gilt neben dem oben Gesagten, dass es nach der Rechtsprechung des BVerfG angemessen ist, die Interessen des Unternehmens im Falle eines in Raum stehenden Rechtsverstoßes hinter die Schutz- und Informationsinteressen der Verbraucher zurücktreten zu lassen, wobei diese Verstöße nicht notwendig mit einer Gesundheitsgefährdung verbunden sein müssen, weil auch der Schutz vor Täuschung und der Nichteinhaltung hygienischer Anforderungen und die Ermöglichung einer eigenverantwortlichen Konsumentscheidung legitime Zwecke des Verbraucherschutzes sind (vgl. BVerfG, a.a.O).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_27">27</a></dt>
<dd><p>Das Vorbringen der Antragstellerin zur Verfassungswidrigkeit der behördlichen Ermächtigungsgrundlage überzeugt im Ergebnis nicht.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_28">28</a></dt>
<dd><p>§ 40 Abs. 1a LFBG ist zwar materiell verfassungswidrig und verstößt insoweit gegen die Berufsfreiheit, als eine gesetzliche Regelung zur zeitlichen Begrenzung der Informationsverbreitung fehlt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. März 2018, 1 BvF 1/13, juris). Die materielle Verfassungswidrigkeit der Norm aufgrund Fehlens einer gesetzlichen Befristung der Veröffentlichung führt vorliegend jedoch nach der vorgenannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht zu einer Nichtigkeit der einfachgesetzlichen Norm (§ 78 Satz 1 BVerfGG), vielmehr obliegt es dem Gesetzgeber zur Abwendung der Nichtigkeit der Regelung bis zum 30. April 2019 die Dauer der Veröffentlichung zu regeln. § 40 Abs. 1a LFGB ist bis zu einer solchen Neureglung durch den Bundesgesetzgeber, längstens aber bis zum 30. April 2019, anzuwenden (vgl. BVerfG a.a.O.). Aufgrund der bisherigen Behördenpraxis, die Veröffentlichung auf höchstens zwölf Monate zu befristen, ist nach dem Bundesverfassungsgericht zu erwarten, dass die zuständigen Behörden § 40 Abs. 1a LFBG in der Übergangszeit im Einklang mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen anwenden werden (vgl. BVerfG a.a.O.; BVerfGE 127,88 <132>). Im hiesigen Fall erklärte der Antragsgegner mit Anhörungsschreiben vom 6. November 2018 dementsprechend, dass die beabsichtigte Informationsverbreitung zeitlich auf die Dauer von sechs Monaten ab Veröffentlichung begrenzt werde. Damit hat der Antragsgegner durch verfassungskonforme Anwendung des § 40 Abs. 1a LFGB dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz insoweit Genüge getan. Die beabsichtigte Befristung der Veröffentlichung auf sechs Monate steht zur Überzeugung der Kammer auch in Einklang mit den Zwecken der Veröffentlichung, insbesondere der Herstellung von Markttransparenz und der Sicherung informierter Konsumentscheidungen der Verbraucher. Hierbei ist grundsätzlich zu berücksichtigen, dass je weiter der Verstoß zeitlich entfernt ist, desto geringer der objektive Informationswert seiner Verbreitung ist, weil sich vom Verstoß in der Vergangenheit objektiv immer weniger auf die aktuelle Situation des betroffenen Unternehmens schließen lässt. Je länger eine für das Unternehmen negative Information in der Öffentlichkeit verbreitet wird, desto größer ist auf der anderen Seite die Belastung, weil umso mehr Verbraucher in ihrer Konsumentscheidung beeinflusst werden können (vgl. BVerfG, a.a.O.). Vorliegend ist zudem einzubeziehen, dass der beabsichtigten Informationsverbreitung nicht ein einzelner Verstoß der Antragstellerin gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften zugrunde liegt, sondern die Antragstellerin ausweislich des Verwaltungsvorganges über mehrere Monate hinweg die maßgeblichen Reinigungs- und Hygienevorschriften für Lebensmittelunternehmen nicht einhalten konnte und den Antragsgegner hierdurch in erheblichem Ausmaß zu behördlichem Handeln, etwa anlassbezogenen Kontrollen, der Anordnung der zeitweiligen amtlichen Abnahme der Reinigungsmaßnahmen vor Produktionsbeginn sowie zu einer zeitweiligen Nutzungsuntersagung einzelner Produktionsmaschinen, veranlasste. Es ist davon auszugehen, dass für die Konsumentscheidung des Verbrauchers grundsätzlich neben dem bloßen Vorliegen eines Verstoßes ebenfalls von Bedeutung ist, wie schnell ein solcher Verstoß von dem Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmen abgestellt wurde. Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer kürzeren Befristung sind weder für das Gericht erkennbar, noch von der Antragstellerin vorgetragen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_29">29</a></dt>
<dd><p>Von dem Befristungserfordernis abgesehen können und müssen unverhältnismäßige Beeinträchtigungen der Berufsfreiheit durch verfassungskonforme Anwendung der Vorschrift vermieden werden, ohne dass es einer Nachbesserung durch den Gesetzgeber bedarf (vgl. BVerfG, a.a.O). Nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts greift daher auch der Einwand, dass der Gesetzgeber verfassungswidrig in § 40 Abs. 1a LFGB der Behörde bei Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen keinen Ermessensspielraum eingeräumt hat (sog. gebundene Entscheidung), nicht. Dass der Behörde kein Ermessen eingeräumt ist, das sie betätigen könnte, um die Veröffentlichung auf hinreichend gewichtige Fälle zu beschränken, führt nicht dazu, dass die mit der Veröffentlichung einhergehenden Grundrechtsbeeinträchtigungen gemessen an den Zwecken des Gesetzes unverhältnismäßig sind (vgl. BVerfG, a.a.O.). Indessen können und müssen die Tatbestandsvoraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage bereits so angewendet werden, dass nur bei Verstößen von hinreichendem Gewicht überhaupt der Tatbestand erfüllt ist und diesbezüglich auf Rechtsfolgenseite eine Veröffentlichungspflicht entsteht (vgl. BVerfG, a.a.O.). Nach Maßgabe dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung und der damit einhergehenden restriktiven Tatbestandsauslegung aus verfassungsrechtlichen Gründen ist zudem kein Wertungswiderspruch zwischen § 40 Abs. 1 LFGB (sog. „Soll-Vorschrift“) und § 40 Abs. 1a Nr. 2 LFGB erkennbar. Dies gilt auch insoweit, als dass nach § 40 Abs. 2 LFGB in den Fällen des Absatzes 1 eine Veröffentlichung durch die zuständige Behörde durch eine Informationsverbreitung durch das Lebens- und Futtermittelunternehmen, d.h. eigene Maßnahmen, abgewendet werden kann, eine solche Regelung in den Fällen des § 40 Abs. 1a LFGB aber nicht vorgesehen ist. Ein Selbsteintrittsrecht des Lebensmittelunternehmens wäre zwar ein milderes Mittel, aber nicht ebenso effektiv, wie eine behördliche Veröffentlichung und birgt zudem die Gefahr lückenhafter Verbraucherinformation (vgl. BVerfG, a.a.O).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_30">30</a></dt>
<dd><p>Entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin ist auch im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung der Tatbestandsvoraussetzungen bei Reinigungs- und Hygienemängeln kein „produktbezogener Verdacht“ bzw. ein konkreter Produktbezug zu fordern. Dies hat zur Folge, dass es – wie hier - genügt, wenn das Umfeld des Verarbeitungsprozesses eines Produktes nicht den erforderlichen hygienischen Anforderungen genügt und eine Verbrauchergefährdung daher nicht auszuschließen ist. Die Veröffentlichungspflicht nach § 40 Abs. 1a LFGB betrifft (alle) Verstöße gegen die dort genannten lebensmittel- und futtermittelrechtlichen Vorschriften, ohne dass es darauf ankommt, ob ein Gesundheitsrisiko für den Verbraucher vorliegt. Dass die Rechtsverstöße nicht notwendig mit einer Gesundheitsgefährdung – etwa durch eine stoffliche Auswirkung des Verstoßes auf bestimmte Lebensmittel – verbunden sind, begegnet grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, weil auch der Schutz vor Täuschung und der Nichteinhaltung hygienischer Anforderungen und die Ermöglichung eigenverantwortlicher Konsumentscheidungen legitime Zwecke des Verbraucherschutzes sind (vgl. zu Letzterem BVerfG, a.a.O.).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_31">31</a></dt>
<dd><p>Die in § 40 Abs. 1a LFGB normierte Tatbestandsvoraussetzung der Erwartung eines Bußgeldes von mindestens 350,00 Euro verstößt ferner nicht gegen den rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 20 Abs. 3 GG) und ist verhältnismäßig im engeren Sinne. So führte das Bundesverfassungsgericht (a.a.O.) bereits aus, dass zwar zum Teil bezweifelt werde, dass die Schwelle mit der zu erwartenden Bußgeldhöhe von mind. 350,00 Euro bestimmt und hoch genug gesetzt ist, um Bagatellfälle zuverlässig ausschließen zu können, es sich bei dieser <span style="text-decoration:underline">– verfassungsrechtlich zweifelsfrei hinreichend bestimmten</span> – Schwelle jedoch lediglich um eine von zwei kumulativ geforderten Erheblichkeitsvoraussetzungen handelt (vgl. BVerfG, a.a.O.). Neben der Bußgelderwartung fordert die Regelung einen wiederholten Verstoß gegen sonstige Vorschriften oder das Vorliegen eines Verstoßes in „nicht nur unerheblichem Ausmaß“. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass mit dem Erfordernis des Verschuldens als Voraussetzung der zu erwartenden Ordnungswidrigkeit ein weiteres Korrektiv eingreift (vgl. BVerfG, a.a.O.).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_32">32</a></dt>
<dd><p>Aus Sicht der Kammer ist auch nicht davon auszugehen, dass § 40 Abs. 1a LFGB und die beabsichtigte Veröffentlichung gegen höherrangiges Gemeinschaftsrecht verstoßen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_33">33</a></dt>
<dd><p>Diese Frage stellt sich zum einen, weil Artikel 10 der Verordnung EG Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit, für eine Information der Öffentlichkeit den hinreichenden Verdacht, dass ein Lebensmittel oder Futtermittel ein Risiko für die Gesundheit von Mensch oder Tier mit sich bringen kann, voraussetzt. § 40 Abs. 1a Nr. 2 LFGB verpflichtet hingegen zur Information der Öffentlichkeit bereits beim hinreichend begründeten Verdacht des Verstoßes gegen Vorschriften, die der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, ohne dass eine konkrete Gesundheitsgefahr vorliegen müsste. Dem Vorbringen der Antragstellerin, das sekundäre Unionsrecht regele Öffentlichkeitsinformation hier abschließend, sodass die Mitgliedstaaten keine Ermächtigung hätten weiterreichende bzw. „überschießende“ Informationsregelungen zu erlassen, folgt das Gericht nicht. So führte der Europäische Gerichtshof bereits zu § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 LFGB aus (EuGH, Urteil v. 11. April 2013, C-636/11, juris):</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_34">34</a></dt>
<dd><p style="margin-left:36pt">„Somit ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 10 der Verordnung Nr. 178/2002 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, nach der eine Information der Öffentlichkeit unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels und des Unternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel hergestellt, behandelt oder in den Verkehr gebracht wurde, zulässig ist, wenn ein Lebensmittel zwar nicht gesundheitsschädlich, aber für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet ist. Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 2 dieser Verordnung ist dahin auszulegen, dass unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens eine solche Information der Öffentlichkeit durch die nationalen Behörden zulässig ist; dabei sind die Vorgaben des Art. 7 der Verordnung Nr. 882/2004 zu beachten.“</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_35">35</a></dt>
<dd><p>Dem folgt das Gericht auch für den hier maßgeblichen § 40 Abs. 1a LFGB. Zwar bezieht sich die Entscheidung des EuGH auf Lebensmittelprodukte, die zwar nicht konkret die Gesundheit gefährden, aber für den Verzehr nicht geeignet, insbesondere ekelerregend, sind. Es sind jedoch für das Gericht keine durchgreifenden Gesichtspunkte erkennbar, die hier für die Frage einer Sperrwirkung des Art. 10 der VO EG Nr. 178/2002 eine andere Bewertung rechtfertigen könnten.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_36">36</a></dt>
<dd><p>Soweit Art. 7 Abs. 3 der Verordnung EG Nr. 882/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz, eine Geheimhaltungspflicht der Behörde u.a. für Informationen betreffend die Vertraulichkeit von „laufenden rechtlichen Verfahren“ vorsieht, spricht dies ebenfalls nicht gegen die geplante Veröffentlichung.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_37">37</a></dt>
<dd><p>Artikel 7 Abs. 1 Satz 3 der Verordnung sieht vor, dass die Öffentlichkeit generell Zugang zu Informationen über Kontrolltätigkeiten der zuständigen Behörde und ihre Wirksamkeit <span style="text-decoration:underline">und</span> Informationen gemäß Art. 10 der Verordnung EG Nr. 178/2002 - mithin gesundheitsgefährdenden Lebensmitteln – hat.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_38">38</a></dt>
<dd><p>Bei den hier in Rede stehenden Informationen handelt es sich auch unter Berücksichtigung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens zu dem Bußgeldbescheid vom 12. Dezember 2018 (Az. 01.11.52.800141.8), selbst bei noch nicht maßgeblichem Abschluss, nicht um solche, die die Vertraulichkeit von laufenden rechtlichen Verfahren im Sinne des Art. 7 Abs. 3 der EU-Verordnung Nr. 882/2004 betreffen. Gegenstand der Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a LFGB sind ausschließlich die im Rahmen der Kontrolltätigkeiten der zuständigen Verwaltungsbehörde festgestellten Tatsachen hinsichtlich eines Verstoßes gegen Vorschriften, die dem Schutz der Verbraucher vor Gesundheitsgefährdungen, Täuschungen oder der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen. Die beabsichtigte Veröffentlichung hat daher keine Informationen aus oder zu dem vorbezeichneten Ordnungswidrigkeitenverfahren zum Gegenstand.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_39">39</a></dt>
<dd><p>Auch das Vorbringen der Antragstellerin, dass in Fällen, in denen es an einer konkreten Gesundheitsgefahr (Information nach Art. 10 der VO EG Nr. 178/2002) fehlt und in denen eine Information nicht bereits nach Art. 7 Abs. 3 der Verordnung EG Nr. 882/2004 ausgeschlossen ist, jedenfalls Art. 7 Abs. 2 der Verordnung einen grundsätzlichen Vorrang des Geheimhaltungsinteresses des betroffenen Unternehmens gegenüber dem bloßen Informationsinteresse des Verbrauchers vorsieht, überzeugt nicht. So hat die Öffentlichkeit gemäß Art. 7 Abs. 1 Satz 3 a) der Verordnung generell Zugang zu Informationen über Kontrolltätigkeiten der zuständigen Behörde und ihre Wirksamkeit, wobei eine akute Gesundheitsrelevanz für den Verbraucher hiernach nicht erforderlich ist. Ein grundsätzlicher Vorrang des Geheimhaltungsinteresses in diesen Fällen folgt auch nicht aus Art. 7 Abs. 2 der Verordnung. Satz 1 verpflichtet die zuständige Behörde lediglich, entsprechende Maßnahmen zu unternehmen, um sicherzustellen, dass die <span style="text-decoration:underline">einzelnen Angehörigen des Personals</span> angehalten sind, keine erworbenen Informationen weiterzugeben, die in begründeten Fällen der Geheimhaltungspflicht unterliegen und betrifft daher die Vermeidung einer von der zuständigen Behörde unbeabsichtigten Informationsverbreitung durch einzelne Angehörige des Personals. Satz 2 regelt indes, dass selbst eine bestehende Geheimhaltungspflicht die zuständigen Behörden nicht daran hindert, Informationen gemäß Art. 7 Abs. 1 b) der Verordnung zu verbreiten. Hieraus folgt lediglich, dass bei Vorliegen einer Geheimhaltungspflicht Informationen über Gesundheitsgefährdungen durch Lebensmittel durch die zuständige Behörde trotz grundsätzlicher Geheimhaltungspflicht verbreitet werden können, sonstige Informationen über behördliche Kontrolltätigkeiten indessen nicht. Eine solche Geheimhaltungspflicht ist hier aber, wie ausgeführt, gerade nicht anzunehmen.</p></dd>
</dl>
</div></div>
</div></div>
<a name="DocInhaltEnde"><!--emptyTag--></a><div class="docLayoutText">
<p style="margin-top:24px"> </p>
<hr style="width:50%;text-align:center;height:1px;">
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171,200 | olgbs-2019-01-18-3-w-518 | {
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<a name="focuspoint"><!--BeginnDoc--></a><div id="bsentscheidung"><div>
<h4 class="doc">Tenor</h4>
<div><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Landgerichts Braunschweig vom 21. September 2018 im Umfang der Anfechtung aufgehoben und die Sache zur weiteren Prüfung und Entscheidung an das Landgericht Braunschweig zurückverwiesen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 30.000.000,00 € festgesetzt.</p></dd>
</dl>
</div></div>
<h4 class="doc">Gründe</h4>
<div><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p style="text-align:center"><strong><span style="text-decoration:underline">I.</span></strong></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_1">1</a></dt>
<dd><p>Die insgesamt noch 518 Kläger machen als Kapitalanleger Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte wegen angeblich pflichtwidrig unterlassener Ad-hoc-Mitteilungen in Zusammenhang mit dem sogenannten VW-Dieselskandal geltend. Mit ihrer sofortigen Beschwerde wendet sich die Beklagte gegen den Beschluss des Landgerichts Braunschweig vom 21. September 2018, mit dem das Verfahren im Hinblick auf den Vorlagebeschluss des Landgerichts Braunschweig vom 5. August 2018 (5 OH 62/16 - Kapitalanleger-Musterverfahren Oberlandesgericht Braunschweig - 3 Kap 1/16) hinsichtlich 440 Kläger gemäß § 8 Abs. 1 KapMuG ausgesetzt worden ist.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>1.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_2">2</a></dt>
<dd><p>Mit Klageschrift vom 16. September 2016 haben die Klägervertreter für die dort genannten 536 Kläger Klage auf Schadensersatz in Höhe von insgesamt rund 567.000.000,00 € wegen unterlassener Kapitalmarktinformationen eingereicht.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_3">3</a></dt>
<dd><p>Mit Zustellung der Klage hat das Landgericht darauf hingewiesen, dass inzwischen ein Vorlagebeschluss nach § 6 KapMuG ergangen sei und daher eine Aussetzung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KapMuG in Betracht komme (Bd. VI, Bl. 239 d. A.).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_4">4</a></dt>
<dd><p>Mit Schriftsatz vom 27. Oktober 2016 (Bd. VII, Bl. 2 d. A.) haben die Klägervertreter mitgeteilt, dass der beabsichtigten Aussetzung des Verfahrens nicht entgegengetreten werde.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_5">5</a></dt>
<dd><p>Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 3. November 2016 (Bd. VII, Bl. 3 ff. d. A.) mitgeteilt, dass sie mit einer Aussetzung grundsätzlich einverstanden sei, jedoch zugleich den Mangel ordnungsgemäßer Bevollmächtigung gerügt, die fehlenden Nachweise bezüglich der Existenz, der Partei- und Prozessfähigkeit sowie der jeweiligen Vertretungsverhältnisse der Kläger gerügt. Vorsorglich hat sie die Existenz der Kläger bestritten, soweit es sich bei ihnen nicht um natürliche Personen handelt. Zur fehlenden Parteifähigkeit hat die Beklagte insbesondere ausgeführt, dass es sich bei den Klägern, die als „Trust“ oder „Fund“, Renten- oder Pensionssystem oder -kasse organisiert seien, um Zweck- bzw. Sondervermögen ohne eigene Rechtspersönlichkeit handele. Hinsichtlich der Prozessfähigkeit hat die Beklagte die Vertretungsmacht sämtlicher Personen bestritten, die als Vertreter der ausländischen Kläger angegeben waren. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass eine Aussetzung nach § 8 Abs. 1 KapMuG nicht erfolgen dürfe, wenn eine Einzelklage unzulässig sei.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_6">6</a></dt>
<dd><p>Mit Schriftsatz vom 4. November 2016 ist die Klage hinsichtlich 16 Kläger zurückgenommen und sind hinsichtlich weiterer Kläger Berichtigungen v. a. bei den Angaben zur gesetzlichen Vertretung vorgenommen worden (Bd. VII, Bl. 21 d. A.).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_7">7</a></dt>
<dd><p>Mit Verfügung vom 8. Dezember 2016 (Bd. VII, Bl. 29 d. A.) hat das Landgericht auf die Erforderlichkeit von Nachweisen zur Existenz, Partei- und Prozessfähigkeit hingewiesen und den Klägervertretern aufgegeben, die Prozessvollmachten im Original vorzulegen, und mit Beschluss vom 26. Januar 2017 (Bd. VII, Bl. 45 d. A.) 24 Klägern die Leistung von Prozesskostensicherheit auferlegt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_8">8</a></dt>
<dd><p>Mit einem am 5. Mai 2017 eingegangenen Schriftsatz (Bd. VII, Bl. 66 d. A.; versehentlich datiert auf den 9. März 2017; vgl. Bd. VII, Bl. 81 d. A.) haben die Klägervertreter zahlreiche Anlagenkonvolute eingereicht, die gemäß einer im Schriftsatz enthaltenen Tabelle den einzelnen Klägern zugeordnet sind und überwiegend aus mit Apostillen versehenen Kopien von Vollmachten und Registerauszügen bestehen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_9">9</a></dt>
<dd><p>Das Landgericht hat daraufhin mit Verfügung vom 15. Juni 2017 hinsichtlich einzelner Kläger um weitere Erläuterung dazu gebeten, inwiefern sich aus den übersandten Anlagen die Rechts- und Parteifähigkeit bzw. die Vertretungsbefugnis der die Prozessvollmacht unterzeichnenden Personen ergebe. Die Klägervertreter haben hierzu mit Schriftsatz vom 17. Juli 2017 Stellung genommen (Bd. VII, Bl. 86 d. A.).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_10">10</a></dt>
<dd><p>Mit Schriftsatz vom 28. Juli 2017 haben die Klägervertreter hinsichtlich zweier Kläger die Klage zurückgenommen, hinsichtlich eines weiteren Klägers eine Korrektur vorgenommen und hinsichtlich eines anderen Klägers die Klage erweitert (Bd. VII, Bl. 99 d. A.).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_11">11</a></dt>
<dd><p>Im Schriftsatz vom 22. September 2017 hat die Beklagte die Auffassung vertreten, dass alle Klagen, die nicht von natürlichen Personen erhoben worden seien, unzulässig seien. Ein ordnungsgemäßer Klägervortrag zu den Prozessvoraussetzungen liege nicht vor. Ausreichende Nachweise zur Existenz, Rechts- sowie Parteifähigkeit seien nicht vorhanden (Bd. VII, Bl. 107 ff. d. A.).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_12">12</a></dt>
<dd><p>Mit Beschluss vom 14. Februar 2018 hat das Landgericht hinsichtlich sechs Kläger das Verfahren gemäß § 8 Abs. 1 KapMuG ausgesetzt (Bd. VII, Bl. 134 d. A.). Mit Verfügung vom selben Tag ist auf noch fehlenden Vortrag zur Rechts- und Parteifähigkeit einzelner Kläger sowie auf das Fehlen der Parteifähigkeit der übrigen Kläger hingewiesen worden (Bd. VII, Bl. 176 d. A.).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_13">13</a></dt>
<dd><p>Mit Schriftsatz vom 29. Mai 2018 haben die Klägervertreter umfangreichen neuen Vortrag zu den Prozessvoraussetzungen gehalten und beantragt, die Parteibezeichnungen der weitaus überwiegenden Anzahl der Kläger zu berichtigen (Bd. VIII, Bl. 1 ff., insbes. 17 ff. d. A.). Sollte das Gericht Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berichtigung der Parteibezeichnungen haben, so werde unter gleichzeitiger Klagerücknahme beantragt, die in der im Schriftsatz enthaltenen Tabelle in der Spalte „Zutreffende Parteibezeichnung“ bezeichneten juristischen Personen als Kläger im Wege der Parteierweiterung zuzulassen. Wenn die Beklagte der Parteierweiterung nicht zustimme, so sei diese zumindest unter dem Gesichtspunkt der Sachdienlichkeit durch das Gericht zuzulassen (Bd. VIII, Bl. 152 ff. d. A.).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
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<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_14">14</a></dt>
<dd><p>Mit Schriftsatz vom 25. Juni 2018 haben die Klägervertreter weitere Nachweise eingereicht und weitere Rubrumsberichtigungen, hilfsweise Klagerweiterung unter gleichzeitiger Klagerücknahme beantragt (Bd. VIII, Bl. 159 ff. d. A.).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_15">15</a></dt>
<dd><p>Die Beklagte hat im Schriftsatz vom 27. August 2018 auch im Hinblick auf die zwischenzeitlichen erfolgten Berichtigungen der Kläger weiterhin Nachbesserungen zu den Vertretungsverhältnissen verlangt und den Mangel der Vollmacht gerügt (Bd. IX, Bl. 18 f. d. A.).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
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<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>2.</p></dd>
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<dl class="RspDL">
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<dd><p></p></dd>
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<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_16">16</a></dt>
<dd><p>Mit Beschluss vom 21. September 2018 hat das Landgericht hinsichtlich 440 Kläger das Verfahren gemäß § 8 Abs. 1 KapMuG ausgesetzt (vgl. Bd. IX, Bl. 20/117/134 ff. d. A.).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_17">17</a></dt>
<dd><p>Zur Begründung hat es zunächst auf den Vorlagebeschluss vom 5. August 2016 zum Aktenzeichen 5 OH 62/16 verwiesen und die Vorgreiflichkeit der im Musterverfahren zu klärenden Feststellungsziele bejaht. Sodann hat es ausgeführt, dass keine vernünftigen Zweifel an der Existenz sowie der Rechts- und Parteifähigkeit der im Tenor genannten Klageparteien bestünden. Die Beklagte trete der Existenz und Parteifähigkeit der im Tenor genannten Parteien nicht entgegen, Vollmachten seien bereits vorher eingereicht worden.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_18">18</a></dt>
<dd><p>Die Einwände der Beklagten hinsichtlich der Vertretung der Parteien hinderten eine Aussetzung nach § 8 Abs. 1 KapMuG nicht. Zwar fehle die Vorgreiflichkeit wegen Entscheidungsreife dann, wenn die Klage offensichtlich unzulässig sei. Eine Aussetzung könne indes auch dann erfolgen, wenn keine ernsthaften Zweifel an der Zulässigkeit der Klage bestünden. Der Gesetzgeber differenziere nämlich bei der Prüfungs- und Kontrolldichte zwischen der Zulässigkeit eines Musterverfahrensantrages einerseits und der Aussetzungsentscheidung andererseits. Sei das Musterverfahren bereits auf den Weg gebracht, so werde die Hürde bei der Aussetzung vom Gesetzgeber niedriger angelegt, indem zwar die Abhängigkeit im Sinne von „abhängen kann“ zu überprüfen sei, nicht aber sämtliche Prozessvoraussetzungen. Die Aussetzungsentscheidung solle von einem sich an dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie orientierenden Beurteilungsspielraum des Prozessgerichtes geprägt sein. Von offensichtlicher Unzulässigkeit der Klage könne hier nicht ausgegangen werden. Die nachträgliche Heilung eines etwaigen Mangels der Vertretung sei bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung möglich, auch durch Genehmigung der ganzen Prozessführung durch den tatsächlichen gesetzlichen Vertreter. Vor diesem Hintergrund sei der vorliegende Rechtsstreit noch nicht entscheidungsreif.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
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<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_19">19</a></dt>
<dd><p>Ob die Anträge in den Schriftsätzen vom 29. Mai 2018 und 25. Juni 2018 eine bloße Rubrumsberichtigung oder einen Parteiwechsel zur Folge hätten, könne in dieser Lage des Verfahrens dahinstehen. Es möge zwar sein, dass ein Parteiwechsel sowohl kosten- als auch verjährungsrechtliche Folgen hätte. Dies ändere aber nichts daran, dass vor einer Entscheidung darüber der Musterentscheid abzuwarten sei, weil dieser vorgreiflich sei.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
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<dd><p></p></dd>
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<dl class="RspDL">
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<dd><p>3.</p></dd>
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<dl class="RspDL">
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<dd><p></p></dd>
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<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_20">20</a></dt>
<dd><p>Gegen diesen ihr am 24. September 2018 zugestellten Beschluss hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 8. Oktober 2018, eingegangen beim Oberlandesgericht am selben Tag (Bd. IX, Bl. 160 d. A.), sofortige Beschwerde gegen die Aussetzung hinsichtlich aller im Beschlusstenor genannten Kläger mit Ausnahme der Kläger zu 10), 11) und 14) eingelegt und sie mit Schriftsatz vom 12. November 2018 (Bd. IX, Bl. 171 ff.) wie folgt begründet:</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
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<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_21">21</a></dt>
<dd><p>Die Klagen der ausgesetzten Kläger seien unzulässig und daher abzuweisen. Die Verfahren dieser Kläger hätten deshalb nicht gem. § 8 Abs. 1 Satz 1 KapMuG ausgesetzt werden dürfen, da die Entscheidung des Rechtsstreits nicht von den geltend gemachten Feststellungszielen abhänge.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_22">22</a></dt>
<dd><p>Es bestehe ein absoluter Vorrang der Zulässigkeitsprüfung vor der Begründetheitsprüfung. Dieser Grundsatz gelte auch im Anwendungsbereich des KapMuG. Es sei fehlerhaft, den für die Vorgreiflichkeitsprüfung herangezogenen Maßstab der „hinreichenden Wahrscheinlichkeit“ auf Zulässigkeitsfragen zu übertragen. Der Begriff der Abhängigkeit in § 8 Abs. 1 Satz 1 KapMuG könne sich nur auf das Abhängen von materiell-rechtlichen Fragen beziehen. Aus dieser Vorschrift ergebe sich eine Arbeitsteilung zwischen Ausgangsgericht (LG) und Prozessgericht (OLG). Letzteres befasse sich im Musterentscheid allein mit den ihm vorgelegten Fragen zur Begründetheit, während das Prozessgericht die Zulässigkeit der Klagen prüfe. Die Zulässigkeitsprüfung habe dabei vorab zu erfolgen. Die Beklagte besitze ein Interesse an einer (klagabweisenden) Entscheidung über die Zulässigkeit, wenn die Klage unzulässig sei oder das Vorliegen der Prozessvoraussetzungen klägerseits nicht belegt werden könne. Könne ein solcher Kläger nämlich am Musterverfahren teilnehmen, könnte er auch von einem etwaigen Vergleich profitieren, ohne dass nochmals eine detaillierte gerichtliche Überprüfung der allgemeinen Prozessvoraussetzungen stattfinde. Es wäre nicht einmal ausgeschlossen, dass die Musterbeklagte nach Vergleichserfüllung erneut, und zwar vom richtigen Anspruchsinhaber belangt werde. Erst jüngst habe das OLG Stuttgart in einem Beschluss vom 19. Oktober 2018 (Az. 1 W 50/18, n. V., Anlagenband Beklagte), der die hiesige Prozessserie betreffe, den Vorrang der Zulässigkeitsprüfung vor der Begründetheitsprüfung als „juristische Selbstverständlichkeit“ bezeichnet (Bd. IX, Bl. 172 ff. d. A.).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_23">23</a></dt>
<dd><p>Es sei anlässlich von Aussetzungsentscheidungen nach § 8 KapMuG auch kein „abstrakter“ oder anderweitig modifizierter Maßstab an die Prüfung der Zulässigkeit anzulegen. Erst recht verbiete es sich, nur offensichtlich unzulässige Klagen abzuweisen und in allen Fällen fehlender ernsthafter Zweifel eine Aussetzung anzuordnen. Diese „Evidenztheorie“ finde keine Stütze im Gesetz und verstoße gegen den verfassungsrechtlich verbürgten Justizgewährleistungsanspruch der beklagten Partei, der nicht zuzumuten sei, dass ein Gericht eine gegen sie erhobene Klage lediglich auf „evidente“ Mängel prüfe (Bd. IX, Bl. 179 ff. d. A.).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
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<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_24">24</a></dt>
<dd><p>Auch sei keine Differenzierung des Prüfungsmaßstabes danach vorzunehmen, ob über die Zulässigkeit von Musterverfahrensanträgen oder über eine Aussetzungsentscheidung zu befinden sei. Zwischen den Formulierungen in § 3 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG und § 8 Abs. 1 KapMuG gebe es abgesehen von der Negativformulierung in § 3 KapMuG keinerlei inhaltliche Unterschiede, so dass schon grammatikalisch nicht ersichtlich sei, warum beiden Vorschriften ein unterschiedliches Verständnis beizumessen sein solle (Bd. IX, Bl. 179 ff. d. A.).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_25">25</a></dt>
<dd><p>Hinsichtlich acht Kläger macht die Beklagte weitere Ausführungen zur fehlenden Rechts- bzw. Parteifähigkeit; es handele sich um unselbstständige Sondervermögen. Dies gelte auch für die übrigen von dem Beschluss betroffenen Ausgangskläger. Insoweit habe eine Aussetzung auch nicht im Hinblick auf die beantragten Rubrumsberichtigungen erfolgen dürfen. Die beantragten Rubrumsberichtigungen seien unzulässig. Im Schriftsatz der Klägerseite vom 17. Juli 2017 sei noch unmissverständlich zum Ausdruck gebracht worden, dass die ursprünglich benannten Kläger die „richtigen“ seien. Somit ginge eine nunmehrige Abänderung der Parteibezeichnung an dem objektiv erklärten Willen der ursprünglichen Kläger vorbei (Bd. IX, Bl. 184 ff. d. A.).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
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<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_26">26</a></dt>
<dd><p>Auch der hilfsweise erklärte Parteiwechsel könne nicht zur Aussetzung führen. Bislang sei es ohnehin nicht zu Parteiwechseln gekommen, weil die Beklagte diesen widersprochen und das Landgericht im Aussetzungsbeschluss hierüber keine Entscheidung getroffen habe. Im Übrigen seien die beantragten Parteiänderungen unzulässig, da sie unter einer Bedingung erklärt worden seien (Bd. IX, Bl. 187 f. d. A.).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_27">27</a></dt>
<dd><p>Außerdem verweist die Beklagte darauf, dass sie bereits im Schriftsatz vom 27. August 2018 die fehlenden Angaben und Nachweise zu den Vertretungsverhältnissen der „berichtigten Kläger“ und zudem den Mangel der Vollmacht gerügt habe. Soweit das Landgericht die Aussetzung mit der Erwägung rechtfertige, dass die ordnungsgemäße Vertretung erst im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung gegeben sein müsse, sei dies verfehlt. Zum einen habe das Landgericht damit § 56 ZPO übergangen, wonach das Fehlen von Prozessvoraussetzungen von Amts wegen zu beachten sei. Es sei dem Gericht daher verwehrt, in der Sache fortzufahren, sobald Zweifel am Vorliegen von Prozessvoraussetzungen bestünden. Zum anderen blende das Landgericht aus, dass eine nachträgliche Genehmigung der Prozessführung durch den richtigen gesetzlichen Vertreter keineswegs vorhersehbar sei (Bd. IX, Bl. 189 f. d. A.).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_28">28</a></dt>
<dd><p>Schließlich sei die Klage jedenfalls hinsichtlich bestimmter Kläger unschlüssig. Obwohl vorgetragen werde, dass alle Kläger Aktionäre der Beklagten seien, würden von einigen Schäden aus Finanzinstrumenten geltend gemacht, die von Dritten begeben worden seien, dies ergebe sich aus der von Klägerseite genannten ISIN, die von den ISIN abweiche, welche für die Stamm- und Vorzugsaktie der Beklagten vergeben worden seien. Daher seien Ansprüche nach § 37b WpHG von vornherein ausgeschlossen (Bd. IX, Bl. 192 ff. d. A.).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_29">29</a></dt>
<dd><p>Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründung Bezug genommen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
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<dd><p></p></dd>
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<dl class="RspDL">
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<dd><p>4.</p></dd>
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<dl class="RspDL">
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<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_30">30</a></dt>
<dd><p>Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und dies im Beschluss vom 19. November 2018 wie folgt begründet:</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_31">31</a></dt>
<dd><p>Die von den Beklagten zitierte Entscheidung des OLG Stuttgart rechtfertige keine andere Beurteilung hinsichtlich des Prüfungsmaßstabes zur Partei- und Rechtsfähigkeit. Die vom OLG Stuttgart angestellten Erwägungen bezögen sich in erster Linie auf Fragen der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit, welche nicht ohne Weiteres auf die Beurteilung der Rechts- und Parteifähigkeit juristischer Personen übertragbar seien. Selbiges gelte auch für die Rechtsprechung des BGH zum Verfahrenshindernis der anderweitigen Rechtshängigkeit, welches der Aussetzung entgegenstehe.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_32">32</a></dt>
<dd><p>Aber selbst wenn man mit der Beklagten davon ausginge, dass eine Aussetzung nur erfolgen könne, wenn die Zulässigkeit der Klage feststehe, so wäre im vorliegenden Fall auszusetzen gewesen: Die Kammer sei von der Existenz, der Rechts- und Parteifähigkeit der Kläger überzeugt. Eine s.p.a. sei nach italienischem Recht, eine S.A. nach französischem Recht, die SICAV nach luxemburgischem Recht, die Limited und die PLC nach dem Recht des Vereinigten Königreichs rechts- und parteifähig. Soweit die Beklagte die Vertretungsverhältnisse bestreite, sei dies unerheblich, denn selbst eine Klageerhebung könne bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung durch den tatsächlich zur Vertretung Berechtigten genehmigt werden.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_33">33</a></dt>
<dd><p>Zum Vortrag der Beklagten, die Klage einiger Kläger sei unschlüssig, da sie Schäden aus anderen Finanzinstrumenten als Aktien der Beklagten geltend machten, hat das Landgericht ausgeführt, die hierzu von der Beklagten angeführte Abweichung der ISIN sei zu einem späteren Zeitpunkt zu prüfen. Durch den Vortrag, Aktionär der Beklagten zu sein, sei schlüssiger Vortrag gehalten. Dass dieser Vortrag infolge der gerügten ISIN-Abweichungen möglicherweise näherer Substantiierung bedürfen könnte, vermöge eine andere Beurteilung im Rahmen der Aussetzungsentscheidung nicht zu rechtfertigen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
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<dl class="RspDL">
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<dd><p>5.</p></dd>
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<dl class="RspDL">
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<dd><p></p></dd>
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<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_34">34</a></dt>
<dd><p>Mit Schriftsatz vom 21. September 2018 (nach Faxaufdruck gesendet am 26. September 2018, Bd. IX, Bl. 139 ff. d. A.) haben die Klägervertreter weitere Nachweise eingereicht sowie zu weiteren Parteien, die vom Aussetzungsbeschluss betroffen sind, Rubrumsberichtigung beantragt, hilfsweise Klagerweiterung/Klagerücknahme erklärt. Eine Stellungnahme zur Beschwerde der Beklagten gegen den Aussetzungsbeschluss ist nicht abgegeben worden.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p style="text-align:center"><strong><span style="text-decoration:underline">II.</span></strong></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_35">35</a></dt>
<dd><p>Die gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 KapMuG, § 567 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 252 ZPO zulässige Beschwerde ist begründet. Das Verfahren kann hinsichtlich der im Tenor des angefochtenen Beschlusses aufgeführten 437 Kläger, auf die sich die Beschwerde bezieht, nicht ausgesetzt werden, da sie bislang nicht Parteien des Rechtsstreits sind und größtenteils die wirksame Bevollmächtigung der Klägervertreter noch nicht hinreichend nachgewiesen ist.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
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<dd><p>1.</p></dd>
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<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_36">36</a></dt>
<dd><p>a) Gemäß § 8 Abs. 1 KapMuG setzt das Prozessgericht nach der Bekanntmachung des Vorlagebeschlusses im Klageregister von Amts wegen alle bereits anhängigen oder bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Feststellungsziele im Musterverfahren noch anhängig werdenden Verfahren aus, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von den geltend gemachten Feststellungszielen abhängt. An dieser Abhängigkeit fehlt es jedenfalls dann, wenn ein Rechtsstreit ohne weitere Beweiserhebungen und ohne Rückgriff auf die Feststellungsziele eines Musterverfahrens entscheidungsreif ist (BGH, Beschluss vom 25. Februar 2016 - III ZB 74/15 -, AG 2016, 465, Rn. 14, juris; Beschluss vom 28. Januar 2016 - III ZB 88/15 -, NZG 2016, 355, Rn. 14, juris; Beschluss vom 2. Dezember 2014 - XI ZB 17/13 -, NZG 2015, 274, Rn. 13, juris; <em>Kruis</em>, in: KK-KapMuG, 2. Aufl., § 8 Rn. 32).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_37">37</a></dt>
<dd><p>Entscheidungsreif ist ein Rechtsstreit u. a. dann, wenn die Klage unzulässig ist und trotz Hinweises der Zulässigkeitsmangel nicht behoben worden ist. In einem solchen Fall ist die Klage als unzulässig abzuweisen (vgl. <em>Althammer</em>, in: Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 56 Rn. 11 u. 13; <em>Hübsch</em>, in: BeckOK ZPO, 31. Ed. 1.12.2018, § 56 Rn. 8).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_38">38</a></dt>
<dd><p>b) Die Zulässigkeitsprüfung hat der Begründetheitsprüfung voranzugehen. Es ist nicht möglich, die Frage der Zulässigkeit einer Klage nicht zu beantworten und diese wegen feststehender Unbegründetheit abzuweisen. Schon wegen der Auswirkungen auf die Rechtskraft ergibt sich insoweit ein absoluter Vorrang der Zulässigkeits- vor der Begründetheitsprüfung (BGH, Urteil vom 19. Juni 2000 - II ZR 319/98 -, NJW 2000, 3718, Rn. 21, juris; <em>Becker-Eberhard, </em>in: MünchKomm/ZPO, 5. Aufl., Vor § 253 Rn. 3, 19; <em>Greger</em>, in: Zöller, a. a. O., Vor § 253 Rn. 10; <em>Assmann</em>, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., Vor § 253 Rn. 152 f., 155).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_39">39</a></dt>
<dd><p>c) Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass eine Aussetzung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KapMuG nur erfolgen kann, wenn die Zulässigkeit der Klage zuvor vollumfänglich geprüft und bejaht worden ist. Würde das Verfahren ohne diese Prüfung ausgesetzt, würde der Kläger zum Beigeladenen des Musterverfahrens, in dem über Fragen entschieden wird, von denen die Begründetheit seiner Klage abhängt. Damit würde der Vorrang der Zulässigkeitsprüfung ausgehebelt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_40">40</a></dt>
<dd><p>Eine Ausnahme kann nur dann gemacht werden, wenn ein Feststellungsziel des Musterverfahrens gerade die streitige Zulässigkeitsfrage betrifft, was insbesondere für Fragen der Zuständigkeit des angerufenen Gerichts in Betracht kommen kann (vgl. etwa Vorlagebeschluss des Landgerichts Stuttgart vom 6. Dezember 2017 - 22 AR 2/17 -, veröffentlicht im Bundesanzeiger - Klageregister). Ein solcher Fall liegt hier indes nicht vor.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_41">41</a></dt>
<dd><p>Auch soweit Rechtsprechung und Literatur weitere Ausnahmen vom Vorrang der Zulässigkeitsprüfung zulassen (vgl. <em>Tilp</em>, in: Festschrift für Schwintowski, 2017, S. 373), ist nicht ersichtlich, dass hier eine vergleichbare Konstellation vorliegt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_42">42</a></dt>
<dd><p>d) Im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung eines ggf. nach § 8 Abs. 1 KapMuG auszusetzenden Verfahrens sind keine geringeren Anforderungen an das Vorliegen der Voraussetzungen als bei anderen Klagen zu stellen. Dem Gesetz kann Derartiges nicht entnommen werden.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_43">43</a></dt>
<dd><p>Soweit das Landgericht in dem angefochtenen Beschluss unter Berufung auf <em>Reuschle</em> (in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 8 KapMuG Rn. 21. ff.; LG Stuttgart, Beschluss vom 20. Oktober 2017 - 22 O 348/16 -, WM 2018, 667, Rn. 15 ff., juris) davon ausgeht, dass der Gesetzgeber bei der Prüfungs- und Kontrolldichte zwischen der Zulässigkeit eines Musterverfahrensantrags einerseits und der Aussetzungsentscheidung andererseits differenziert, und daraus ableitet, es seien für die Aussetzungsentscheidung nicht sämtliche Prozessvoraussetzungen zu überprüfen, findet dies weder im Gesetzeswortlaut, noch der Systematik, noch in der Gesetzgebungsgeschichte eine hinreichende Grundlage. § 3 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG und § 8 Abs. 1 KapMuG verlangen wortgleich, dass die Entscheidung des betroffenen Rechtsstreits von den Feststellungszielen „abhängt“ (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2014 - XI ZB 17/13 -, NZG 2015, 274, Rn. 13, juris). Dass trotz gleichen Wortlautes bei zwei voneinander nur unweit entfernt stehenden, im selben Abschnitt eines Gesetzes enthaltenen Vorschriften eine unterschiedliche Bedeutung anzunehmen ist, ist fernliegend. Die Gesetzesbegründung zum Reformentwurf (BT-Drs. 17/8799) gibt für eine unterschiedliche Interpretation des Begriffs der Abhängigkeit nichts her, sondern spricht vielmehr im Gegenteil dafür, dass der Gesetzgeber von einer identischen Wortbedeutung ausgegangen ist, da die Begründungen zu § 3 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG und § 8 Abs. 1 KapMuG insoweit nahezu wortgleich sind (vgl. BT-Drs. 17/8799, S. 18, li. Spalte, und S. 20, re. Spalte; a. A. <em>Reuschle</em>, a. a. O., Rn. 24; LG Stuttgart, a. a. O., Rn. 22).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_44">44</a></dt>
<dd><p>Zwar ist den Gesetzgebungsmaterialien zu entnehmen, dass dem Prozessgericht bei der Aussetzungsentscheidung ein gewisser Beurteilungsspielraum eingeräumt werden sollte (vgl. BT-Drucks. 17/8799, S. 20). Wenn es dort - wie wortgleich auch in der Begründung zu § 3 Abs. 1 KapMuG (a. a. O., S. 18) - heißt, dass es nicht erforderlich sei, dass die Entscheidung nach Klärung sämtlicher übriger Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfragen nur noch von den Feststellungszielen abhänge, kann dies aber nicht so verstanden werden, dass Zulässigkeitsvoraussetzungen offenbleiben dürften. Der Gebrauch der Worte „übriger Anspruchsvoraussetzungen“ lässt eher darauf schließen, dass diese Überlegungen zu einem Beurteilungsspielraum auf der Ebene der Begründetheitsprüfung angestellt worden sind und Zulässigkeitsfragen nicht im Blick gestanden haben. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass ein grundlegendes Prinzip des Zivilprozesses, nämlich der Vorrang der Zulässigkeitsprüfung, hier quasi nebenbei aufgehoben werden sollte.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_45">45</a></dt>
<dd><p>Auch soweit im Schrifttum (<em>Tilp</em>, in: Festschrift für Schwintowski, 2017, S. 373, 381) darauf hingewiesen wird, dass der Gesetzgeber in der Begründung zu § 3 KapMuG die allgemeinen Prozessvoraussetzungen als Voraussetzung benennt (vgl. BT-Drs. 17/8799, S. 17), während in der Begründung zu § 8 KapMuG ein solcher Hinweis nicht zu finden ist, spricht dies nicht für einen gesetzgeberischen Willen dahingehend, dass für die Zulässigkeitsprüfung im Rahmen von § 8 KapMuG ein Beurteilungs- oder Ermessensspielraum eingeräumt werden sollte. Die Prüfung der Prozessvoraussetzungen ist eine prozessuale Selbstverständlichkeit, so dass ihre Nichterwähnung in der Gesetzesbegründung zu § 8 KapMuG keine Rückschlüsse auf die vom Gesetzgeber zugrunde gelegte Prüfungsdichte zulässt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_46">46</a></dt>
<dd><p>e) Der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs lässt sich nicht entnehmen, dass der BGH im Rahmen der Aussetzungsprüfung von § 8 Abs. 1 KapMuG eine kursorische Prüfung der Prozessvoraussetzungen genügen lassen und lediglich bei „unzweifelhaft unzulässigen Klagen“ davon ausgehen würde, dass sie entscheidungsreif seien und damit nicht ausgesetzt werden dürften (in diesem Sinne aber wohl <em>Tilp, </em>a. a. O., S. 378 f.). Der Bundesgerichtshof hat in den Fällen, in denen er die Aussetzungsentscheidung der Instanzgerichte wegen Entscheidungsreife des Rechtsstreits beanstandet hat (vgl. Nachweise unter a), darauf abgestellt, dass der Rechtsstreit ohne Rückgriff auf die Feststellungziele des jeweils in Rede stehenden Musterverfahrens aus prozessualen oder materiell-rechtlichen Gründen entscheidungsreif gewesen sei. In solchen Fällen, so der BGH, hänge die „Entscheidung unzweifelhaft nicht vom Ausgang des Musterverfahrens ab“ (BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2014 - XI ZB 17/13 -, a. a. O., Rn. 13, juris). Aus dieser Formulierung lässt sich nach dem Verständnis des Senats nicht ableiten, dass für den BGH die „Evidenz der Entscheidungsreife“ von entscheidender Bedeutung für die Aussetzungsfrage ist (so aber <em>Tilp, </em>a. a. O., S. 378); vielmehr geht der BGH davon aus, dass ein entscheidungsreifer Rechtsstreit „evident“ nicht vom Ausgang des Musterverfahrens abhängig ist<em>. </em>Auch wenn bei „bei unzweifelhaft gegebener Entscheidungsreife eine Aussetzung unzulässig“ ist (BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2014 - XI ZB 17/13 -, a. a. O., Rn. 14, juris), bedeutet dies nicht im Umkehrschluss, dass bei nur zweifelhafter Unzulässigkeit der Klage der Rechtsstreit nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KapMuG ohne weitere Prüfung auszusetzen wäre. Auch den Beschlüssen des BGH vom 28. Januar 2016 - III ZB 88/15 -, a. a. O., und vom 25. Februar 2016 - III ZB 74/15 -, a. a. O., Rn. 14 (juris)<em>, </em>lassen sich keine Anknüpfungspunkte für eine „Evidenztheorie“ ableiten, nach der bei streitigen Zulässigkeitsfragen eine Aussetzung nur bei „unzweifelhafter Unzulässigkeit“ abgelehnt werden dürfe.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_47">47</a></dt>
<dd><p>Auch die Rechtsprechung des BGH zur möglichen Verfahrensgestaltung von Massenverfahren auf der Grundlage der ZPO (BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 - III ZR 141/14 -, BGHZ 204, 184-198) spricht nicht für eine großzügigere Zulässigkeitsprüfung im Rahmen der Aussetzungsprüfung von § 8 Abs. 1 KapMuG (so aber <em>Tilp, </em>a. a. O., S. 381 f.). Die angeführte Entscheidung des BGH erging zu einem Entschädigungsverlangen nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG in einem Verfahren aus dem Komplex der „Göttinger Gruppe“ und betraf die - vom BGH gebilligte - Führung von „Pilotverfahren“ bei unterbliebener Förderung übriger gleichgerichteter Verfahren. Diese Konstellation unterscheidet sich von derjenigen eines Musterverfahrens dadurch, dass bei der Prüfung einer Aussetzungsentscheidung nach § 8 Abs. 1 KapMuG eine Bearbeitung des jeweiligen Ausgangsverfahrens stattfindet, die entweder zu einer Abweisung der Klage wegen fehlender Prozessvoraussetzungen oder einem Zwischenurteil führt oder in eine Aussetzung des Verfahrens mündet, welche dem Kläger des Ausgangsverfahrens die Stellung eines Beigeladenen verschafft. Mit der unterbliebenen Förderung gleichgerichteter Verfahren im Sinne der angeführten Entscheidung des BGH ist dies nicht zu vergleichen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_48">48</a></dt>
<dd><p>f) In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass gegen die Schaffung eines Beurteilungsspielraumes bei der Prüfung der Prozessvoraussetzungen im Aussetzungsverfahren nach § 8 KapMuG im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Grundsatz effektiven Rechtsschutzes Bedenken bestehen (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2014 - XI ZB 17/13 -, a. a. O., Rn. 14, juris; Beschluss vom 25. Februar 2016 - III ZB 74/15 -, AG 2016, 465, Rn. 14, juris), weshalb diese Möglichkeit jedenfalls auf besondere Ausnahmefälle zu beschränken ist. Die Zulässigkeitsprüfung kann darunter nicht fallen. Hier ist auch das Entscheidungsinteresse des Beklagten zu berücksichtigen, bei einer unzulässigen Klage zeitnah ein klagabweisendes Urteil zu erhalten. Ein Interesse des Klägers, die Entscheidung über eine unzulässige Klage zu verzögern, ist hingegen nicht anzuerkennen, zumal er bei heilbaren Mängeln die Möglichkeit hat, die Heilung herbeizuführen, etwa seine Rechtsfähigkeit nachzuweisen, eine wirksame Prozessvollmacht zu erteilen und die bisherige Prozessführung zu genehmigen. Dass er diese Obliegenheit erst zu erfüllen hätte, wenn das Musterverfahren beendet ist, ist nicht ersichtlich.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_49">49</a></dt>
<dd><p>g) Es ist auch nicht zu erkennen, dass die Verfahrenseffizienz als wesentliches Ziel des KapMuG gefährdet ist, wenn die Ausgangskläger das Vorliegen der Prozessvoraussetzungen darlegen und ggf. nachweisen müssen. Wie auch das vorliegende Musterverfahren zeigt, lässt dessen Dauer den Ausgangsklägern zeitlich hinreichend Möglichkeit, zu den Prozessvoraussetzungen in den gegebenenfalls auszusetzenden Verfahren vorzutragen und Nachweise einzureichen. Es mögen sich im Einzelfall Schwierigkeiten ergeben, wenn ein Beigeladener erst relativ spät zum Musterverfahren hinzutritt (vgl.<em> Tilp, </em>a. a. O., S. 383). Dies rechtfertigt es aber aus Sicht des Senats nicht, vom Vorrang der Zulässigkeitsprüfung abzusehen. Letztlich haben es die Ausgangskläger in der Hand, durch entsprechenden Vortrag und frühzeitiges Beifügen von Beweismitteln ein verspätetes Hinzutreten zum Musterverfahren zu vermeiden. Würde man für die Aussetzungsentscheidung bei der Zulässigkeitsprüfung einen großzügigeren Maßstab anlegen, wäre es möglich, sich durch absichtlich mangelhaften Vortrag zur Zulässigkeit die Stellung als Beigeladener im Musterverfahren zu „erschleichen“ und die (Muster-) Beklagte in eine Situation zu bringen, in der sie sich möglicherweise über Jahre Klagen ausgesetzt sieht, die bei umfassender Prüfung schon als unzulässig hätten abgewiesen werden können. Dass solche Prüfungen auch eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen können, steht dem nicht entgegen, da das Verfahren bei Aussetzung noch länger dauern würde.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
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<dd><p>2.</p></dd>
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<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_50">50</a></dt>
<dd><p>Selbst wenn man der Auffassung folgen würde, dass eine Aussetzung nur bei offensichtlicher Unzulässigkeit abgelehnt werden kann, hätte im vorliegenden Fall das Verfahren nicht im vorgenommenen Umfang ausgesetzt werden dürfen, da die Klage, soweit sie ausgesetzt wurde, zum Zeitpunkt der Aussetzungsentscheidung offensichtlich unzulässig war. Denn weder ist eine Berichtigung des klägerischen Rubrums entsprechend den nach Klageerhebung von Klägerseite mitgeteilten Parteibezeichnungen möglich, noch liegt ein wirksamer Parteiwechsel auf Klägerseite vor.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_51">51</a></dt>
<dd><p>a) Die Klägervertreter haben in sämtlichen beschwerdegegenständlichen Einzelklagen die Bezeichnung des Klägers geändert und gehen davon aus, dass es sich dabei lediglich um Berichtigung der Parteibezeichnung (Rubrumsberichtigung), nicht aber um einen Klägerwechsel handelt (Schriftsatz vom 29. Mai 2018, S. 115, Bd. VIII, Bl. 115 d. A.). Allerdings haben sie zugleich „vorsorglich und rein hilfsweise“ einen Parteiwechsel (bezeichnet als Klagerücknahme und Parteierweiterung) erklärt, „sollte das Gericht Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berichtigung der Parteibezeichnung gemäß Ziff. II Nr. 1 bezüglich einzelner klagender Parteien haben“ (Bd. VIII, Bl. 115 d. A.). Wegen der einzelnen Änderungen wird auf die anliegende Tabelle zu diesem Beschluss verwiesen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_52">52</a></dt>
<dd><p>b) Das Landgericht hat die Frage, ob es sich um eine schlichte Rubrumsberichtigung oder um einen Parteiwechsel handelt, ausdrücklich offengelassen (vgl. Aussetzungsbeschluss S. 135, Bd. IX, Bl. 135 d. A.; Nichtabhilfebeschluss S. 88, Bd. X, Bl. 88 d. A.). Sind jedoch die Zulässigkeitsvoraussetzungen zu prüfen, kann die Frage, wer Kläger ist, nicht auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_53">53</a></dt>
<dd><p>Die vorgenannten Beschlüsse des Landgerichts können nach Auffassung des Senats auch nicht dahingehend verstanden werden, dass das Landgericht jedenfalls Parteiwechsel auf Klägerseite annehmen und die bei verweigerter Zustimmung der Beklagten dafür erforderliche Sachdienlichkeit bejahen wollte. Für diese Überlegung könnte zwar sprechen, dass das Landgericht die dritte Möglichkeit, nämlich die Abweisung der Klage wegen Unzulässigkeit infolge Unzulässigkeit der Rubrumsberichtigung einerseits und fehlender Zustimmung zum / fehlender Sachdienlichkeit des Parteiwechsels andererseits, nicht erwähnt hat. Dagegen spricht aber, dass es im Aussetzungsbeschluss ausdrücklich heißt, dass vor einer Entscheidung darüber der Musterentscheid abzuwarten sei.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_54">54</a></dt>
<dd><p>Letztlich kann die Frage der Sachdienlichkeit eines Klägerwechsels gegenwärtig dahingestellt bleiben, da die dazu abgegebenen Erklärungen jedenfalls unwirksam sind (dazu unten d).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_55">55</a></dt>
<dd><p>c) Eine Berichtigung des Rubrums kommt hier nicht in Betracht, da sie bei ungenauer oder unrichtiger Parteibezeichnung nur möglich ist, wenn die Identität der Partei trotz Berichtigung gewahrt bleibt (vgl. <em>Althammer</em>, in: Zöller, ZPO, 32. Aufl., Vor § 50 Rn. 7). Nach dem oben unter I. dargestellten bisherigen Prozessverlauf kann im vorliegenden Fall nicht von einer identitätswahrenden Änderung der Parteibezeichnung gesprochen werden.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_56">56</a></dt>
<dd><p>Nach der Rechtsprechung des BGH (BGH, Urteil vom 15. Januar 2003 - XII ZR 300/99 -, NJW 2003, 1043, Rn. 13, juris; Urteil vom 12. Oktober 1987 - II ZR 21/87 -, NW 1988, 1585, Rn. 23, juris; Urteil vom 24. November 1980 - VIII ZR 208/79 -, NJW 1981, 1453, Rn. 12, juris) ist die Bezeichnung der Partei allein für die Parteistellung nicht ausschlaggebend. Vielmehr kommt es darauf an, welcher Sinn der von der klagenden Partei in der Klageschrift gewählten Parteibezeichnung bei objektiver Würdigung des Erklärungsinhalts beizulegen ist. Bei unrichtiger äußerer Bezeichnung ist grundsätzlich die Person als Partei anzusprechen, die erkennbar durch die Parteibezeichnung betroffen werden soll. Bei der hierbei gebotenen Auslegung der Parteibezeichnung sind nicht nur die im Rubrum der Klageschrift enthaltenen Angaben, sondern auch der gesamte Inhalt der Klageschrift einschließlich etwaiger beigefügter Anlagen zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 27. November 2007 - X ZR 144/06 -, NJW-RR 2008, 524, Rn. 7, juris).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_57">57</a></dt>
<dd><p>Hier haben die Klägervertreter in der Klageschrift als Kläger zahlreiche Fonds angegeben, deren Namen jeweils in Fettdruck aufgeführt sind. Obwohl die Beklagte in der Erwiderung ausgeführt hat, dass zahlreiche Kläger nicht parteifähig seien (Schriftsatz vom 3. November 2016, S. 8, Bd. VII, Bl. 10 ff. d. A.), haben die Klägervertreter im Schriftsatz vom 9. März 2017 (Bd. VII, Bl. 66 ff. d. A.) an den bisherigen Bezeichnungen festgehalten (vgl. die dortige Tabelle). Auch im Schriftsatz vom 17. Juli 2017 sind „die Klageparteien“ als parteifähig bezeichnet worden (S. 3, Bd. VII, Bl. 88 d. A.). Die umfassenden Änderungen erfolgten erst zu einem späteren Zeitpunkt. Gerade vor dem Hintergrund dieser Bekräftigungen trotz Kenntnis der von der Gegenseite angesprochenen Problematik ist davon auszugehen, dass hier die in der Klageschrift tatsächlich Genannten Partei sein sollten. Eine unrichtige Bezeichnung kann nicht angenommen werden, vielmehr sollten die Fonds gerade selbst klagen. Eine Rubrumsberichtigung würde daher an dem objektiv erklärten Willen der ursprünglichen Kläger vorbeigehen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_58">58</a></dt>
<dd><p>Eine dem zuwiderlaufende Auslegung ist nicht möglich. Zum einen waren der Klage keine Anlagen beigefügt, die hinreichende Rückschlüsse darauf zugelassen hätten, wer in Abweichung zu der Bezeichnung in der Klageschrift tatsächlich jeweiliger Kläger sein sollte. Zum anderen sind die Abweichungen der Parteibezeichnungen in der Klageschrift zu den nachträglich mitgeteilten Parteibezeichnungen ganz überwiegend derart gravierend, dass auch bei großzügiger Auslegung von einer Identität der Parteien nicht gesprochen werden kann (vgl. die als Anlage zu diesem Beschluss beigefügte Tabelle).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_59">59</a></dt>
<dd><p>d) Auch eine wirksame Klageänderung nach § 263 ZPO durch Parteiwechsel auf der Klägerseite kann bislang nicht angenommen werden. Die Beklagte verweist zutreffend auf das Urteil des BGH vom 21. Januar 2004 - VIII ZR 209/03 -, BGH NJW-RR 2004, 640. Danach kann eine Parteiänderung, die zu einer subjektiven Klagehäufung führt, wirksam nicht bedingt erfolgen, weder unter der prozessualen Bedingung, dass der Anspruch der in erster Linie angeführten Partei für unbegründet befunden wird, noch unter der Bedingung, dass das Gericht die Zulässigkeit der Klage der ursprünglichen Klägerin als Prozessstandschafterin verneint (juris Rn. 9). Bei einem nur bedingten Parteiwechsel handelt es sich nicht wie bei gewöhnlichen Hilfsanträgen darum, ob demselben Kläger der eine oder der andere Anspruch zuzubilligen sei, sondern um die Begründung eines Prozessrechtsverhältnisses mit einer anderen Partei. Ob ein solches besteht, darf schon um der Rechtsklarheit willen nicht bis zum Ende des Rechtsstreits in der Schwebe bleiben.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_60">60</a></dt>
<dd><p>Die vorliegende Situation ist mit der vom Bundesgerichtshof entschiedenen Konstellation einer unwirksamen Prozessstandschaft vergleichbar: Für den Fall, dass eine Rubrumsberichtigung nicht in Betracht kommt und die ursprünglichen Kläger nicht parteifähig sind, wäre die Klage ebenso wie im Fall der unwirksamen Prozessstandschaft als unzulässig abzuweisen. Ein bedingter Parteiwechsel ist hier nicht möglich.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>3.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_61">61</a></dt>
<dd><p>a) Der angefochtene Aussetzungsbeschluss des Landgerichts betrifft nach alldem Kläger, für die ein Prozessrechtsverhältnis noch nicht wirksam begründet ist, und ist damit unwirksam. Eine Aussetzung auf die ursprünglichen Kläger kommt nicht in Betracht, da deren Klagen wegen mittlerweile unstreitiger Prozessunfähigkeit unzulässig sind. Demnach wären diese Klagen abzuweisen, sollten die Bevollmächtigen der Kläger nicht einen unbedingten Parteiwechsel erklären, wozu ihnen Gelegenheit zu geben ist.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_62">62</a></dt>
<dd><p>b) Sollte die Klägerseite einen unbedingten Parteiwechsel erklären und das Landgericht die Sachdienlichkeit der Klageänderung bejahen, wäre die Parteifähigkeit der (neuen) Kläger zu prüfen. Soweit die Beklagte die fehlende Rechts- und Parteifähigkeit einzelner Kläger in der Beschwerdeschrift rügt (Bd. IX, Bl. 181 d. A.), ist dies insoweit überholt, als die Klägerseite nach dem Aussetzungsbeschluss im Schriftsatz vom 21. September 2018 (Bd. IX, Bl. 141 ff. d. A.) für diese Kläger neue Parteibezeichnungen angegeben hat. Hinsichtlich der übrigen „berichtigten“ Kläger geht die Beklagte offenbar nur deshalb von fehlender Parteifähigkeit aus, weil sie den Parteiwechsel für unwirksam hält und daher auf Klägerseite weiterhin nur unselbständige Sondervermögen sieht (Bd. IX, Bl. 143 ff. d. A.). Für den Fall des wirksamen Parteiwechsels hat sie die Parteifähigkeit der „berichtigten“ Kläger bislang nicht in Frage gestellt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_63">63</a></dt>
<dd><p>c) Ferner ist zu klären, ob die anwaltliche Bevollmächtigung wirksam ist, da die Beklagte mit Schriftsatz vom 3. November 2016 (Bd. VII, Bl. 3 ff. d. A.) den Mangel der Vollmacht gerügt hat (§ 88 Abs. 1 ZPO). Ist die Klage durch einen vollmachtlosen Vertreter erhoben worden und kommt es nicht zu einer Genehmigung, so ist die Klage als unzulässig abzuweisen (vgl. <em>Althammer</em>, in: Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 88 Rn. 6).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_64">64</a></dt>
<dd><p>Der Senat geht nach Auswertung der vorliegenden Unterlagen für einen Teil der „berichtigten“ Kläger davon aus, dass insoweit eine wirksame anwaltliche Vertretung vorliegt. Soweit aus Sicht des Senats eine lückenlose Vollmachtskette zwischen dem Vertreter der jeweiligen juristischen Person und den hiesigen Klägervertretern dagegen noch nicht hergestellt werden kann, sind in der Tabelle Anmerkungen zu den jeweils bestehenden Unklarheiten enthalten; die betroffenen Parteien sind in der Tabelle dadurch kenntlich gemacht worden, dass die letzte Zelle der jeweiligen Zeile grau schattiert ist.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p style="text-align:center"><strong><span style="text-decoration:underline">III.</span></strong></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_65">65</a></dt>
<dd><p>1. Das weitere Verfahren ist dem Landgericht zu überlassen (§ 572 Abs. 3 ZPO), da es über die Zulässigkeit gesondert durch End- oder Zwischenurteil nach § 280 ZPO zu entscheiden haben wird, sollte die weitere Prüfung nicht zu einer von beiden Parteien akzeptierten Klärung der Zulässigkeitsfragen führen (vgl. <em>Kruis</em>, in: KK-KapMuG, a. a. O., § 8 Rn. 33).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_66">66</a></dt>
<dd><p>2. Der Senat weist darauf hin, dass er es auch für erforderlich hält, die Kläger zu 508), 510), 512), 514)-525), 527)-536), 540)-544) und 546)-550) vor der Aussetzung deren Verfahren zu dem Vortrag der Beklagten zur Unschlüssigkeit deren Klagen (Ziffer IV der Beschwerdebegründung) Stellung nehmen zu lassen. Der Vortrag, mit dem die Kläger als (vermeintliche) Aktionäre der Beklagten einen Anspruch wegen Verstoßes gegen Ad-hoc-Mitteilungspflichten begründen wollen, wäre nicht schlüssig, wenn die zur Darlegung des Aktienerwerbs aufgeführten ISIN der erworbenen Finanzinstrumente nicht den von der Beklagten emittierten Stamm- oder Vorzugsaktien zugeordnet werden könnten. Denn die erforderliche Angabe des Gegenstands der Klage (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) wäre in diesem Fall widersprüchlich und damit nicht hinreichend bestimmt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_67">67</a></dt>
<dd><p>3. Den Streitwert bemisst der Senat in Anlehnung an den Beschluss des BGH vom 28. Januar 2016 - III ZB 88/15 -, juris, Rn. 19 (in NZG 2016, S. 355 nicht mit abgedruckt), bei Beschwerden gegen Aussetzungsbeschlüsse nach § 8 Abs. 1 KapMuG gemäß § 3 ZPO auf 1/5 der Klagesumme der von der Aussetzung betroffenen Kläger. Dies wäre hier ein Betrag von (440.000.509,70 € x 1/5 =) 89.600.101,94 €. Da dieser den gesetzlichen Höchstwert von 30.000.000,00 € übersteigt, war der Streitwert auf den Höchstwert festzusetzen (vgl. § 39 Abs. 2 GKG, § 22 Abs. 2 Satz 1, § 23 Abs. 2 Satz 2 RVG).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_68">68</a></dt>
<dd><p>4. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Beklagte hat sich gegen die Aussetzung des Rechtsstreits nach § 8 KapMuG gewandt. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens bilden einen Teil der Kosten des Ausgangsrechtsstreits, welche die in der Sache unterliegende Partei unabhängig vom Ausgang des Beschwerdeverfahrens nach §§ 91 ff. ZPO zu tragen hat (BGH, a.a.O.; Beschluss vom 5. November 2015 - III ZB 69/14 -, BGHZ 207, 306 [Rn. 25, zit. n. juris]; Beschluss vom 2. Dezember 2014 - XI ZB 17/13 -, NJW-RR 2015, S. 299 [300 Rn. 20] m.w.N.).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_69">69</a></dt>
<dd><p>5. Die Rechtsbeschwerde war nicht gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 und 3 Satz 1 ZPO zuzulassen. Die Frage, mit welcher Intensität die Prozessvoraussetzungen vor einer Aussetzung des Verfahrens nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KapMuG zu prüfen sind, ist zwar grundsätzlicher Art. Der Aussetzungsbeschluss des Landgerichts war aber aus den zu Ziffer II. 2. genannten Gründen wegen offensichtlicher Unzulässigkeit der Klagen aufzuheben, so dass es für die Entscheidung des vorliegenden Falls nicht darauf ankommt, ob ein geringerer Prüfungsmaßstab anzulegen ist (vgl. zur Entscheidungserheblichkeit der in Rede stehenden Rechtsfrage als Voraussetzung für die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde <em>Heßler, </em>in: Zöller, a. a. O., § 574 Rn. 13a).</p></dd>
</dl>
</div></div>
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<hr style="width:50%;text-align:center;height:1px;">
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<dl class="RspDL">
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<dd><p>Die Klage wird abgewiesen.</p></dd>
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<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
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<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
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<dt></dt>
<dd><p>Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.</p></dd>
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<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_1">1</a></dt>
<dd><p>Der Klägerin macht gegen den Beklagten Unterlassungsansprüche aus Wettbewerbsrecht wegen des Vertriebs apothekenpflichtiger, aber rezeptfreier Medikamente geltend.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_2">2</a></dt>
<dd><p>Die Parteien sind Apotheker und betreiben als eingetragene Kaufmänner eine Apotheke.</p></dd>
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<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
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<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_3">3</a></dt>
<dd><p>Der Beklagte, der eine Versandhandelserlaubnis nach § 11 ApoG besitzt, betreibt zudem eine Versandapotheke im Internet unter www.B-apotheke.de, deren Leistungen jedoch nicht streitgegenständlich sind. Darüber hinaus bietet der Beklagte mit dem Verkäuferprofil "B Apotheke" unter Amazon apothekenpflichtige Medikamente an. Dies geschieht in der Weise, dass der Beklagte sein Medikament unter www.amazon.de auf der Handelsplattform einstellt. Er liefert die dazugehörigen Daten und Bilder und erhält eine eigene ASIN (für Amazon geltenden Produktnummer zur Identifizierung). Wenn das Medikament bereits vorhanden ist, tritt der Beklagte dem schon mit einer ASIN und Produktbeschreibung versehenen Auftritt bei. Wenn der Kunde sich für einen Kauf bei dem Beklagten entschieden hat, legt er das Medikament in den Warenkorb und bezahlt. Anschließend geht die Nachricht an den Beklagten, der die Bestellung freigibt, das Medikament verpackt und versendet.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_4">4</a></dt>
<dd><p>Neben diesem Auftritt bewirbt die Handelsplattform dieses Produkt und andere Produkte. Sie veröffentlicht zu dem Produkt Kundenanfragen und –antworten, Kundenbewertungen und Rezensionen von Kunden. Darüber hinaus bewirbt sie weitere Produkte, z B. unter der Überschrift "Gesponserte Produkte zu diesem Artikel". Auch gibt es Empfehlungen für andere Medikamente mit Formulierungen, "Kunden, die diesen Artikel gekauft haben, kauften auch ...".</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_5">5</a></dt>
<dd><p>Bei Amazon werden Kundendaten gespeichert. Eine Genehmigung zur Speicherung und Verarbeitung von gesundheitsbezogenen Daten geben die Kunden nicht ab. Die Daten werden von Amazon auch an Dritte, wie z.B. verbundene Unternehmen, Partnerunternehmen und Dienstleiter weitergegeben.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_6">6</a></dt>
<dd><p>Der Kläger vertritt die Ansicht, dass das Handeln des Beklagten gesetzlichen Vorschriften, die im Interesse der Marktteilnehmer dazu bestimmt seien, das Marktverhalten zu regeln, zuwiderlaufe, und zwar §§ 17 Abs. 3, 3 Abs. 5 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO), § 43 AMG, 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, 7 und 11 HWG, § 14 Abs. 2 Nr. 1 Berufsordnung der Landesapothekerkammer Sachsen-Anhalt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_7">7</a></dt>
<dd><p>Auch die Vorschriften der Datenschutzgrundverordnung würden missachtet.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_8">8</a></dt>
<dd><p>Mit dem Einstellen von Arzneimitteln auf der Handelsplattform Amazon sei ein Inverkehrbringen durch Feilhalten und Feilbieten verbunden. Eine räumliche Anbindung an die Apotheke erfolge nicht, denn der Marktplatz basiere auf einem Informationssystem außerhalb des dreidimensionalen Raumes. Über den virtuellen Raum habe die Handelsplattform die Herrschaft und nicht der Apotheker, so dass dieser seiner Leitungsfunktion nicht nachkommen könne.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_9">9</a></dt>
<dd><p>Der Kläger beantragt,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_10">10</a></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt">I. den Beklagten zu verurteilen,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt"></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_11">11</a></dt>
<dd><p style="margin-left:36pt">1. unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p style="margin-left:36pt"></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_12">12</a></dt>
<dd><p style="margin-left:54pt">im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken apothekenpflichtige Medikament über die Internet-Handelsplattform „Amazon“ zu vertreiben;</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p style="margin-left:36pt"></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_13">13</a></dt>
<dd><p style="margin-left:36pt">2. dem Kläger Auskunft darüber zu erteilen, in welchen Umfang der Beklagte die vorstehend zu Ziffer I.1. bezeichneten Umsätze begangen hat, wobei die Angaben insbesondere nach Umsätzen und Bundesländern und Orten aufzuschlüsseln sind;</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt"></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_14">14</a></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt">II. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger all denjenigen Schaden zu ersetzen, der diesem durch die vorstehend unter Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen entstanden ist und künftig noch entstehen wird.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_15">15</a></dt>
<dd><p>Der Beklagte beantragt,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_16">16</a></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt">die Klage abzuweisen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_17">17</a></dt>
<dd><p>Er hält den Antrag für unbestimmt, weil er meint, es sei nicht klar, was Handelsplattform "Amazon" bedeute. Er ist der Ansicht die Parteien seien nicht Mitbewerber, weil eine Trennung zwischen dem Versandhandelsapotheker und dem stationären Apotheker erfolgen müsse.</p></dd>
</dl>
</div></div>
<div class="docLayoutMarginTopMore"><h4 class="doc">
<!--hlIgnoreOn-->Entscheidungsgründe<!--hlIgnoreOff-->
</h4></div>
<div class="docLayoutText"><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>I.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_18">18</a></dt>
<dd><p>Die Klage ist zulässig.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_19">19</a></dt>
<dd><p>1. Insbesondere ist der Antrag zu I.1. hinreichend bestimmt. Es gibt keinen Zweifel, was unter einem Vertrieb über die Internet-Handelsplattform "Amazon" gemeint ist. Die Antragstellung verdeutlicht, dass es nicht um das Unternehmen "Amazon" geht, sondern um einen Internethandelsplatz namens Amazon. Unter welcher Internetadresse die Handelsplattform erreicht werden kann, ist unwesentlich. Entscheidend ist, dass es sich um den virtuellen Marktplatz namens "Amazon" handelt. Dass es noch weitere Handelsplattformen gibt, macht den Antrag nicht unbestimmt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_20">20</a></dt>
<dd><p>2. Der Kläger ist grundsätzlich als Mitbewerber nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG klagebefugt. § 2 Abs. 1 UWG definiert den Mitbewerber als einen Unternehmer, der mit anderen Unternehmern als Anbieter von Waren in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht. Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis wird angenommen, wenn zwei Parteien gleichartige Waren innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen suchen. Kläger und Beklagter verkaufen jeweils die hier streitgegenständlichen rezeptfreien, aber apothekenpflichtigen Medikamente. Sie richten sich an den gleichen Endverbraucherkreis, nämlich Personen, die dieser Medikamente bedürfen. Selbst wenn der Kläger keine Internetapotheke betreibt, findet eine örtliche Überschneidung statt. So haben die Verbraucher, die aufgrund örtlicher Nähe zum potentiellen Kundenkreis der in M befindlichen Apotheke des Klägers gehören, über das Internet Zugriff auf das gleiche Angebot des Beklagten. Die Versandapotheken stehen daher mit den stationären Apotheken in einem Wettbewerbsverhältnis.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_21">21</a></dt>
<dd><p>Die Klagebefugnis des Klägers besteht allerdings nicht, soweit er sich auf die Nichteinhaltung der Vorschriften der Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO) stützt. Denn die DS-GVO enthält ein abschließendes Sanktionssystem, welches nur der Person, deren Rechte auf informationelle Selbstbestimmung verletzt worden sind, oder der Aufsichtsbehörde oder der Klage eines Verbandes eine Rechtsdurchsetzung erlaubt (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, UWG, Rn. 1.74 b zu § 3 a, zitiert nach beck-online, Stand 37. Auflage <span style="text-decoration:underline">2019</span>).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_22">22</a></dt>
<dd><p>Die ab dem 22.05.2018 geltende Verordnung regelt selbst umfassend die Durchsetzung der Datenschutzrechte. Sie weist diese Aufgabe in Art. 57 Abs. 1 a DS-GVO den Aufsichtsbehörden die Überwachung und Durchsetzung zu. Sie räumt auch den betroffenen Personen in Art. 79 Abs. 1 DS-GVO das Recht der Beschwerde bei den Aufsichtsbehörden ein. In Art. 80 Abs. 1 DS-GVO kann die von der Rechtsverletzung betroffene Person auch Dritte beauftragen, ihre Rechte durchzusetzen. Art. 80 Abs. 2 DS-GVO erlaubt schließlich auch den Mitgliedstaaten, Regelungen zu schaffen, die diesen Dritten im eigenen Namen und unabhängig von einem Auftrag erlauben, Datenschutzrechte durchzusetzen. Die in Betracht kommenden Organisationen werden in der Norm näher definiert als Einrichtungen, Organisationen oder Vereinigung ohne Gewinnerzielungsabsicht, die ordnungsgemäß nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründet ist, deren satzungsmäßige Ziele im öffentlichem Interesse liegen und die im Bereich des Schutzes der Rechte und Freiheiten von betroffenen Personen in Bezug auf den Schutz ihrer personenbezogenen Daten tätig ist. Damit umschreibt der Verordnungsgeber sehr präzise, wer - im öffentlichen Interesse - als nicht unmittelbar Betroffener gegen die Verletzung der Daten vorgehen kann. Er legt fest, welchen Anforderungen derjenige genügen muss, der das Recht erhält, gegen Rechtsverletzungen vorzugehen. Es entspräche daher nicht mehr dem Willen des Verordnungsgebers, wenn über das Wettbewerbsrecht nun noch weitere Dritte klageberechtigt wären. Etwas anderes lässt sich auch nicht daraus schließen, dass in Art. 77 - 79 DS-GVO den betroffenen Personen auch andere nationale verwaltungsrechtliche oder gerichtliche Rechtsbehelfe erhalten bleiben sollen (so aber OLG Hamburg, Urteil vom 25.10.2018 - 3 U 66/17 -, Rn. 57, welches aber letztlich bei den auch hier zu beurteilenden gesundheitsbezogenen Datenschutz keine Marktverhaltensregelung sieht und damit einen Verstoß gegen § 3 a UWG ablehnt). Gerade das ausdrückliche Offenhalten dieser weiteren Optionen ausschließlich für die betroffenen Personen spricht dafür, dass der Verordnungsgeber im Übrigen von einem abschließenden System ausgeht. Schließlich überzeugt auch nicht der Hinweis auf Art. 82 Abs. 1 DS-GVO, der jeder Person Schadensersatzansprüche zuspricht, denn der Erwägungsgrund 146 macht deutlich, dass hiermit doch wiederum nur die vorher angesprochenen "betroffenen Personen" gemeint sind.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_23">23</a></dt>
<dd><p>Schließlich bietet Art. 58 DS-GVO den Aufsichtsbehörden einen abgestuften Katalog verschiedener behördlicher Maßnahmen, die von einem bloßen Hinweis bis zu einer Geldbuße reichen. Es besteht die Gefahr, dass dieses am Verhältnismäßigkeitsprinzip orientierte System unterlaufen wird, wenn daneben das Wettbewerbsrecht mit den erheblichen Streitwerten und Vertragsstrafen Anwendung fände (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, a.a.O., Rn. 1.40 g).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>II.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_24">24</a></dt>
<dd><p>Soweit die Klage zulässig ist, ist sie jedoch unbegründet. Dem Kläger steht kein Unterlassens- und Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten nach § 8 Abs. 1 und 9 S. 1 UWG zu. Der Verkauf von rezeptfreien, apothekenpflichtigen Medikamenten durch den Beklagten unter Nutzung der Internethandelsplattform Amazon ist nicht wettbewerbswidrig nach § 3 a UWG, denn der Beklagte handelt damit nicht Vorschriften zuwider, die auch dazu bestimmt sind, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_25">25</a></dt>
<dd><p>Allerdings hat das Gericht keine Zweifel, dass die Vorschriften des § 17 Abs. 3, 3 Abs. 5 ApBetrO, 43 AMG, § 14 Betriebsordnung der Apothekenkammer Sachsen-Anhalt, § 11 HWG das Marktverhalten regelnde Vorschriften im Sinne des § 3 a UWG sind. Das Gericht sieht jedoch keinen Verstoß gegen diese Vorschriften.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_26">26</a></dt>
<dd><p>1. Ein Verstoß gegen § 17 Abs. 3 ApBetrO erkennt das Gesetz bei dem Verkauf über die Handelsplattform Amazon nicht. Diese Vorschrift verbietet dem Apothekenleiter apothekenpflichtige Arzneimittel und Medizinprodukte im Wege der Selbstbedienung in den Verkehr zu bringen. Die Bestellung im Internet über eine Versandapotheke unter Nutzung einer Handelsplattform ist jedoch nicht mit einer Selbstbedienung gleichzusetzen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_27">27</a></dt>
<dd><p>Wie das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 18.10.2012 - 3 C 25/11 -, Rn. 15, zitiert nach juris) ausführt, dient das Selbstbedienungsverbot dem Schutz der Gesundheit der Bevölkerung, indem es eine unkontrollierte Arzneimittelabgabe verhindert und eine fachkundige Information und Beratung durch den Apotheker und sein pharmazeutisches Personal sicherstellt. Doch hat das Bundesverwaltungsgericht zugleich dargelegt (BVerwG, a.a.O., Rn. 20 ff.), dass die Vertriebsform des Versandhandels mit einer Selbstbedienung nicht vergleichbar ist. Zum einen schließe sich an die Bestellung über das Internet eine Kontrolle durch den Apotheker an, der auch prüfe, ob eine pharmazeutische Information oder Beratung geboten ist. Erst nach seiner Freigabe erfolge Auslieferung und Aushändigung. Zum anderen verweist das Gericht auf die Überlegungen des Gesetzgebers, der davon ausgegangen sei, dass der Versandhandel in der Regel von chronisch Kranken oder bei wiederholten Medikationen genützt werde, und daraus auf einen geringeren Beratungsbedarf geschlossen habe. Hinzu komme, dass gerade bei akuten gesundheitlichen Beschwerden, die zu einem erhöhten Informationsbedarf führen, doch eher die Apotheke vor Ort aufgesucht werde.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_28">28</a></dt>
<dd><p>Diese Überlegungen, die in dem vom Gesetzgeber zugelassenen Versandhandel mit apothekenpflichtigen Medikamenten keinen Verstoß gegen das Selbstbedienungsverbot sehen, lassen sich auch auf den Verkauf von Medikamenten über eine Internetplattform anwenden. Denn auch der über eine Handelsplattform bestellende Kunde gelangt schließlich an den Apotheker, der prüfen kann, ob Beratung erforderlich ist und der in eigener Verantwortung Auslieferung und Aushändigung freigibt. Einen Unterschied zwischen der Bestellung unmittelbar bei einer Versandapotheke und einer Bestellung durch Vermittlung einer Internetplattform vermag das Gericht an dieser Stelle nicht zu erkennen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_29">29</a></dt>
<dd><p>2. Ebenso wenig ist ein Verstoß gegen § 3 Abs. 5 ApBetrO gegeben. Das Verbot, pharmazeutische Tätigkeiten von anderen Personen als pharmazeutischem Personal auszuführen oder ausführen zu lassen, wird durch die Einschaltung der Handelsplattform "Amazon" nicht tangiert. Zwar vermittelt die Handelsplattform quasi als Wegweiser dem Verbraucher für das vom Kunden gewünschte Medikament einen Verkäufer, aber an der eigentlichen pharmazeutischen Tätigkeit, die sich nur im Rahmen des Vertragsschlusses über den Kauf des Medikaments abspielen kann, sind die Mitarbeiter der Handelsplattform nicht beteiligt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_30">30</a></dt>
<dd><p>3. Auch § 43 Abs. 1 S. 1 AMG ist nicht verletzt. Die Vorgabe, dass Arzneimittel nur in Apotheken und ohne behördliche Erlaubnis nicht im Wege des Versandes in den Verkehr gebracht werden dürfen, beachtet der Beklagte. Er betreibt eine Apotheke und besitzt die behördliche Erlaubnis zum Versand. Wie oben dargelegt ist es gerade nicht die Handelsplattform, die die Arzneimittel freigibt, sondern der Beklagte, der diese auch versendet.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_31">31</a></dt>
<dd><p>3. Wesentlicher Unterschied zwischen dem Einstellen eines Angebots in den eigenen Internet-Shop des Apothekeninhabers und der Nutzung der Handelsplattform Amazon ist die Tatsache, dass die Handelsplattform Einfluss auf den Auftritt und die Präsentation des Medikaments nimmt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_32">32</a></dt>
<dd><p>Soweit hierbei die Präsentation des Medikaments selbst betroffen ist, ist aus Sicht des Gerichts eine Verletzung rechtlicher Vorschriften nicht ersichtlich. Der Beklagte verweist zu Recht darauf, dass er als Verkäufer über die Präsentation selbst entscheidet, indem er entweder die Bilder und Informationen liefert oder sich dem von einem anderen Verkäufer - der notwendigerweise auch Apotheker ist - gestalteten Auftritt anschließt. Dass hierbei rechtliche Vorgaben nicht eingehalten worden sind, wird nicht behauptet. Der Beklagte kann bei unzutreffenden Beschreibungen sich entscheiden, das Produkt nicht mehr über "Amazon" anzubieten.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_33">33</a></dt>
<dd><p>Ein deutlicher Unterschied zu dem von einem durch einen Apothekeninhaber betriebenen Internetshop ist jedoch, dass die Handelsplattform neben dieser vom Verkäufer gestalteten oder gewählten Produktbeschreibung zusätzliche Werbeelemente einbaut. § 11 HWG und § 14 Berufsordnung der Apothekenkammer Sachsen-Anhalt verbieten dem Apotheker bestimmte Formen der Werbung, deren Einhaltung von der Handelsplattform jedoch nicht gewährleistet wird. So wirbt Amazon über die Kundenrezensionen mit Äußerungen Dritter (Verstoß gegen § 11 Abs. 1 Nr. 11 HWG). Auch das Bewerben weiterer Medikamente kann zu einem Mehr- oder Fehlgebrauch begünstigen (Verstoß gegen § 14 Abs. 2 Nr. 1 Berufsordnung der Apothekenkammer Sachsen-Anhalt). Dennoch geht die Kammer davon aus, dass ein Verstoß des Beklagten gegen die die Werbung des Apothekers regulierenden Vorschriften nicht vorliegt, weil es sich insoweit um Aussagen handelt, die dem Beklagten selbst nicht zuzurechnen sind. Dies ist auch für den Verbraucher zu erkennen. Die Kundenbewertungen sind als solche gekennzeichnet und werden von dem Internetnutzer auch nicht dem Verkäufer zugerechnet. Schließlich liegt die Werbewirksamkeit dieser Rezensionen gerade in ihrer (eventuell nur vermeintlichen) Neutralität der anderen Käufer. Auch die gesponserten und sonstigen empfohlenen Produkte sind deutlich von der vom Verkäufer zu verantwortenden Produktbeschreibung abgesetzt, so dass auch hier eine Zurechnung zum Verkäufer gerade nicht erfolgt. Ohne eine Zurechnung kann jedoch dem Beklagten nicht vorgeworfen werden, gegen die Vorschriften der Werbung für Medikamente verstoßen zu haben.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>III.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_34">34</a></dt>
<dd><p>Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollsteckbarkeit aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.</p></dd>
</dl>
</div></div>
<br>
</div>
|
171,147 | ovgsh-2019-01-18-2-la-7518 | {
"id": 1066,
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<div class="docLayoutMarginTopMore"><h4 class="doc">
<!--hlIgnoreOn-->Tenor<!--hlIgnoreOff-->
</h4></div>
<div class="docLayoutText"><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 13. Kammer, Einzelrichter - vom 21. Juli 2017 wird abgelehnt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.</p></dd>
</dl>
</div></div>
<div class="docLayoutMarginTopMore"><h4 class="doc">
<!--hlIgnoreOn-->Gründe<!--hlIgnoreOff-->
</h4></div>
<div class="docLayoutText"><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_1">1</a></dt>
<dd><p>Das Vorbringen des Klägers, das den Prüfungsumfang für das Oberverwaltungsgericht bestimmt (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG), rechtfertigt die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) nicht. Grundsätzliche Bedeutung weist eine Rechtsstreitigkeit dann auf, wenn sie eine rechtliche oder tatsächliche Frage aufwirft, die für die Berufungsinstanz entscheidungserheblich ist und im Sinne der Rechtseinheit einer Klärung bedarf. Um diese Bedeutung darzulegen, hat der Zulassungsantragsteller die für fallübergreifend gehaltene Frage zu formulieren sowie näher zu begründen, weshalb sie eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat und ein allgemeines Interesse an ihrer Klärung besteht. Zudem ist darzustellen, dass sie entscheidungserheblich und ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist (vgl. zu § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, OVG Schleswig, Beschluss vom 22. November 2017 - 2 LA 117/15 - Rn. 19, juris).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_2">2</a></dt>
<dd><p>1. Gemessen an diesen Maßstäben hat die Frage,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_3">3</a></dt>
<dd><p style="margin-left:36pt">„ob eine Verfolgungshandlung iSd § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG immer schon den Verfolgungsgrund der oppositionellen Überzeugung impliziert“,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_4">4</a></dt>
<dd><p>keine grundsätzliche Bedeutung, da sie schon nicht klärungsbedürftig ist. Denn ihre Beantwortung ergibt sich ohne weiteres aus dem Gesetz. § 3a Abs. 3 AsylG verlangt eine Verknüpfung für die „in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen“ mit den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 iVm den in § 3b AsylG genannten Verfolgungsgründen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. Dezember 2018 - 1 B 82.18 -, Rn. 8).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_5">5</a></dt>
<dd><p>2. Der weiter aufgeworfenen Frage,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_6">6</a></dt>
<dd><p style="margin-left:36pt">„ob das syrische Regime jedenfalls angesichts der derzeitigen Lage in Syrien Personen, die sich dem Militärdienst entzogen haben, eine oppositionelle Haltung unterstellt und sie dementsprechend unmenschlich behandelt“,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_7">7</a></dt>
<dd><p>kommt ebenfalls keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil sie in der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts zwischenzeitlich geklärt ist. Mit Urteilen vom 4. Mai 2018 (2 LB 17/18; 2 LB 46/18; 2 LB 18/18) hat der erkennende Senat entschieden, dass es nicht beachtlich wahrscheinlich ist, dass Wehrdienst- bzw. Militärdienstentziehern vom syrischen Regime eine regimefeindliche Haltung unterstellt wird und ihnen daher in Anknüpfung an die in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten Gründe eine relevante Verfolgung droht (vgl. Senatsurteil vom 4. Mai 2018 - 2 LB 17/18 - LS 5 und Rn. 127, juris sowie zuletzt Urteile vom 8. November 2018 - 2 LB 16/18 -, 2 LB 31/18 -, 2 LB 50/18 -, jeweils bei juris).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_8">8</a></dt>
<dd><p>3. Hinsichtlich der Frage,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_9">9</a></dt>
<dd><p style="margin-left:36pt">„ob angesichts der schweren und systematischen Menschenrechtsverletzungen durch das syrische Militär derzeit für jeden syrischen Soldaten der Dienst iSd § 3a AsylG der Militärdienst „Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen““,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_10">10</a></dt>
<dd><p>legt der Kläger eine Entscheidungserheblichkeit nicht dar. Er zeigt nicht substantiiert auf, warum sich diese Frage im angestrebten Berufungsverfahren stellen würde. So bleibt in seinen Ausführungen bereits offen, ob der Anwendungsbereich des § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG für den Kläger überhaupt eröffnet wäre. Das Verwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung gerade nicht festgestellt, dass der Kläger den Militärdienst verweigert hat oder bei Rückkehr nach Syrien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit verweigern wird. Ob § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG überhaupt Fälle der Entziehung des Wehrdienstes durch Flucht – d.h. ohne aktive Verweigerung – erfasst, führt der Kläger nicht aus. Insoweit setzt er sich in keinerlei Weise mit der zugrunde liegenden verwaltungsgerichtlichen Entscheidung auseinander. Die Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Frage muss allerdings feststehen (vgl. hierzu OVG Münster, Beschluss vom 7. November 2017 – 14 A 2295/17, Rn. 11, juris).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_11">11</a></dt>
<dd><p>Darüber hinaus würde sich die Frage – selbst wenn der Kläger den Militärdienst nach § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG verweigerte – in einem Berufungsverfahren nicht stellen. Wie unter Ziffer 1 dargelegt, setzt § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG eine Verknüpfung der Verfolgungshandlung mit den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 iVm 3b AsylG aufgeführten Gründen voraus. Das Verwaltungsgericht hat in seinem Gerichtsbescheid vom 21. Juli 2017 eine solche Verknüpfung abgelehnt und festgestellt, dass keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass Personen, die sich während des Bürgerkrieges dem Wehrdienst bzw. einer erneuten Einberufung entweder in Syrien selbst oder durch Flucht ins Ausland entzogen haben, bei ihrer Ergreifung allein aufgrund dieser Wehrdienstentziehung beachtlich wahrscheinlich eine regimegegnerische Haltung unterstellt würde und sie aus diesem Grunde eine über die gesetzlich vorgesehene Bestrafung für Wehrdienstentzug hinausgehende Verfolgung zu befürchten hätten. Wie unter Ziffer 2 dargelegt, teilt der Senat diese Auffassung. Dass für Verweigerer des Militärdienstes iSd § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG anderes anzunehmen wäre, legt der Kläger gerade nicht dar.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_12">12</a></dt>
<dd><p>Weitere Zulassungsgründe trägt der Kläger nicht vor.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_13">13</a></dt>
<dd><p>Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_14">14</a></dt>
<dd><p>Der Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG, § 84 Abs. 3 VwGO).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_15">15</a></dt>
<dd><p>Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).</p></dd>
</dl>
</div></div>
<br>
</div>
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171,140 | lg-kiel-2019-01-18-12-o-27218 | {
"id": 1064,
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"jurisdiction": null,
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} | 12 O 272/18 | 2019-01-18T00:00:00 | 2019-01-29T12:49:25 | 2019-02-13T12:21:09 | Urteil | <div class="docLayoutText">
<div class="docLayoutMarginTopMore"><h4 class="doc">
<!--hlIgnoreOn-->Tenor<!--hlIgnoreOff-->
</h4></div>
<div class="docLayoutText"><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.763 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.10.2018 zu zahlen und den Kläger von der Forderung seiner Prozessbevollmächtigten wegen deren vorgerichtlicher Tätigkeit in Höhe von 808,13 € freizustellen, Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs der Marke VW vom Typ Golf VI Plus 1.6 TDI mit der Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) ... nebst zwei zugehörigen Fahrzeugschlüsseln, dem zugehörigen Kfz-Schein, dem zugehörigen Kfz-Brief und dem zugehörigen Serviceheft.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>3. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrags.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p style="text-align:center"><strong>Beschluss</strong></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Der Streitwert wird auf 16.990 € festgesetzt.</p></dd>
</dl>
</div></div>
<div class="docLayoutMarginTopMore"><h4 class="doc">
<!--hlIgnoreOn-->Tatbestand<!--hlIgnoreOff-->
</h4></div>
<div class="docLayoutText"><div>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_1">1</a></dt>
<dd><p>Die im Gerichtsbezirk wohnhafte klagende Partei erwarb 2013 den im Tenor bezeichneten VW Golf VI Plus 1.6 TDI von einem außerhalb des Gerichtsbezirks ansässigen Händler zum Preis von 16.990 €. Das Fahrzeug hatte eine Laufleistung von 22.385 km.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_2">2</a></dt>
<dd><p>Das von der Beklagten hergestellte und 2013 erstmals zugelassene Fahrzeug war mit einem Dieselmotor der Baureihe EA 189 ausgestattet. In dem Fahrzeug war eine Motorensteuerungsgerätesoftware installiert, die erkennt, wenn das Fahrzeug auf dem Prüfstand den Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) durchfährt, und dann einen besonderen Modus aktiviert (sog. Umschaltlogik). In diesem Modus wird die Rückführung von Abgasen im Vergleich zu dem normalen Betriebsmodus verändert, wodurch der nach der Euro-5-Norm vorgegebene NOx-Grenzwert während des Durchfahrens des NEFZ eingehalten wird. Im normalen Fahrbetrieb - auch unter vergleichbaren Bedingungen wie im NEFZ - wird dieser Modus deaktiviert, wodurch es zu einem höheren Schadstoffausstoß kommt. Durch Verwendung der Motorensteuerungsgerätesoftware erlangte die Beklagte die EG-Typengenehmigung für das streitgegenständliche Fahrzeug.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_3">3</a></dt>
<dd><p>Dieser Dieselmotor wurde serienmäßig in diversen Fahrzeugmodellen der Beklagten sowie derer Konzernunternehmen verbaut. Die Entscheidung zum Einsatz der „Umschaltlogik“ in zum Verkauf bestimmten Fahrzeugen trafen Mitarbeiter der Beklagten in der Entwicklungsabteilung vorsätzlich, um den nach der Euro-5-Norm vorgegebenen NOx-Grenzwert während des Durchfahrens des NEFZ einzuhalten. Streitig ist, ob auch Vorstandsmitglieder der Beklagten davon wussten oder daran mitwirkten.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_4">4</a></dt>
<dd><p>Das Kraftfahrt-Bundesamt verpflichtete die Beklagte mit Bescheid vom 14.10.2015, bei allen betroffenen Fahrzeugen mit dem Motor EA 189 die aus Sicht des Bundesamtes unzulässige Abschaltvorrichtung zu entfernen und nachzuweisen, dass die gesetzlichen Anforderungen erfüllt werden. Die Beklagte entwickelte ein Update für die Motorensteuerungsgerätesoftware, nach dessen Einspielen das Fahrzeug nur noch über einen einheitlichen Betriebsmodus verfügt. Das Kraftfahrt-Bundesamt sieht das Aufspielen des Updates als verpflichtend an. Wer davon absieht, muss damit rechnen, dass der Zustand des Fahrzeugs von den Prüforganisationen im Rahmen der Hauptuntersuchung als erheblicher Mangel eingestuft wird. Unter Umständen ist auch mit einer Betriebsuntersagung zu rechnen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_5">5</a></dt>
<dd><p>Der Kläger nutzte das Fahrzeug nach dem Kauf. Er hat zwischenzeitlich das von der Beklagten angebotene Update einspielen lassen. Zum Schluss der mündlichen Verhandlung beträgt der Kilometerstand des streitgegenständlichen Fahrzeugs 145.999 km.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_6">6</a></dt>
<dd><p>Die klagende Partei forderte die Beklagte über ihre jetzigen Prozessbevollmächtigten vorgerichtlich mit Schreiben vom 03.05.2018 auf, binnen eines Monats an sie den Kaufpreis von 16.990 € Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs zu erstatten. Auf die Anlage K 27 zur Klageschrift wird wegen der Einzelheiten verwiesen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_7">7</a></dt>
<dd><p>Der Kläger behauptet:</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_8">8</a></dt>
<dd><p>Hätte er von der „Umschaltlogik“ oder der Notwendigkeit eines Software-Updates gewusst, hätte er den Kaufvertrag nicht abgeschlossen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_9">9</a></dt>
<dd><p>Die klagende Partei hält die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts für gegeben, weil der geschlossene Kaufvertrag ihr im Gerichtsbezirk befindliches Vermögen geschädigt habe.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_10">10</a></dt>
<dd><p>Der Kläger wirft der Beklagten vor, ihn vorsätzlich sittenwidrig geschädigt zu haben.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_11">11</a></dt>
<dd><p>Zudem hafte die Beklagte auch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB und i.V.m. § 27 EG-FGV. Die Organe der Beklagten hätten den Tatbestand des Betruges der Klagepartei gegenüber jedenfalls in mittelbarer Täterschaft verwirklicht, weil sie die klagende Partei über die Gesetzeskonformität des Fahrzeugs getäuscht hätten. Schon das Inverkehrbringen des Fahrzeugs ohne Hinweis auf den Umstand, dass die Stickoxidwerte, die Grundlage der allgemeinen Betriebserlaubnis gewesen seien, mithilfe einer Abschaltvorrichtung erzielt worden seien, habe vorgespiegelt, dass der Pkw in einem gesetzeskonformen Zustand die Betriebserlaubnis erhalten habe.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_12">12</a></dt>
<dd><p>Die klagende Partei ist weiter der Auffassung, dass es sich bei § 27 Abs. 1 EG-FGV um ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB handele. Diese Regelung solle auch den einzelnen Verbraucher dahingehend schützen, dass nur technisch einwandfreie und mit den gesetzlichen Bestimmungen in Übereinstimmung zu bringende Fahrzeuge an den Käufer ausgeliefert werden.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_13">13</a></dt>
<dd><p>Die klagende Partei stützt ihren Anspruch auch darauf, dass die Beklagte wahrheitswidrig die Einhaltung der gesetzlichen Abgasnormen öffentlich behauptet habe, um den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorzurufen (§§ 823 Abs. 2 BGB, 16 UWG). Außerdem wirft sie der Beklagten vor, vor Vertragsschluss besonderes Vertrauen in Anspruch genommen und enttäuscht zu haben (§§ 311 Abs. 3, 280 BGB).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_14">14</a></dt>
<dd><p>Die klagende Partei hat mit ihrer Klage zunächst die Zahlung von 10.249,39 € Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs gefordert, wobei sie bei einem Kilometerstand von 110.141 km unter Zugrundelegung einer Gesamtlaufleistung von 300.000 km vom Kaufpreis 6.740,61 € für gezogene Nutzungen in Abzug gebracht hat.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_15">15</a></dt>
<dd><p>Die Klägerpartei verlangt mit ihrer Klage zuletzt Rückzahlung des gesamten Kaufpreises Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs an die Beklagte und Zahlung eines Nutzungsersatzes.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_16">16</a></dt>
<dd><p>Die klagende Partei beantragt zuletzt,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_17">17</a></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt">1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 16.990 € nebst Zinsen in Höhe von 4% seit dem 17.12.2013 bis zum Eintritt der Rechtshängigkeit sowie in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs der Marke VW vom Typ Golf VI Plus 1.6 TDI mit der Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) WVWZZZ1KZCW567287 nebst zwei Fahrzeugschlüsseln, Kfz-Schein, Kfz-Brief und Serviceheft sowie Zahlung eines Nutzungsersatzes in Höhe von 6.740,61 €,<br>hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den Schaden zu ersetzen, der ihm durch die Installation der manipulierten Motorsoftware künftig an seinem Fahrzeug der Marke VW vom Typ Golf VI Plus 1.6 TDI mit der Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) ... entstehen wird,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt"></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_18">18</a></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt">2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme der in vorgenannten Klageanträgen genannten Zug-um-Zug-Leistung im Annahmeverzug befindet,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt"></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_19">19</a></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt">3. festzustellen, dass der in Antrag zu 1 bezeichnete Anspruch aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung der Beklagten herrührt,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt"></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_20">20</a></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt">4. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von den durch die Beauftragung seiner Prozessbevollmächtigten entstandenen Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1.680,28 € freizustellen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_21">21</a></dt>
<dd><p>Wegen des ursprünglich geringer angesetzten Nutzungsersatzes erklärt sie die Klage im Übrigen für erledigt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_22">22</a></dt>
<dd><p>Die Beklagte beantragt,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_23">23</a></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt">die Klage abzuweisen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_24">24</a></dt>
<dd><p>Die Beklagte ist der Ansicht, das klägerische Fahrzeug sei nicht mit einer unzulässigen Abschaltvorrichtung versehen worden, da die streitgegenständliche Software nicht auf das Emissionskontrollsystem einwirke, sondern nur dazu führe, dass Abgase beim Durchfahren des Neuen Europäischen Fahrzyklus in den Motor zurückgeführt würden, bevor sie überhaupt das Emissionskontrollsystem erreichen, ohne im realen Fahrbetrieb auf das Emissionskontrollsystem einzuwirken. Entscheidend sei, dass das Fahrzeug technisch sicher, in seiner Fahrbereitschaft nicht eingeschränkt und die für das Fahrzeug erteilte EG-Typengenehmigung nicht aufgehoben worden sei.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_25">25</a></dt>
<dd><p>Die Beklagte behauptet, dass es nach Durchführung der Software-Updates zu keinerlei negativen Auswirkungen auf Kraftstoffverbrauchswerte, CO2-Emissionswerte, Motorleistung, Drehmoment und Geräuschemissionen komme.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_26">26</a></dt>
<dd><p>Die Beklagte ist der Ansicht, sie habe nicht sittenwidrig gehandelt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_27">27</a></dt>
<dd><p>Zudem habe die darlegungs- und beweisbelastete Klagepartei nicht schlüssig vorgetragen, wer zu welchem Zeitpunkt von dem Einbau der Software überhaupt Kenntnis gehabt habe, dass Personen, deren Kenntnisse der Beklagten zuzurechnen wären, mit Vorsatz hinsichtlich eines angeblichen Schadens der klagenden Partei gehandelt hätten. Die §§ 826, 831 BGB setzten die Benennung des Schädigers und den Vortrag der Tatbestandsvoraussetzungen in dessen Person voraus. Nach dem derzeitigen Ermittlungsstand lägen keine Erkenntnisse dafür vor, dass einzelne Vorstandsmitglieder der Beklagten an der Entwicklung der Software beteiligt gewesen seien. Auf das Wissen anderer Personen als Organmitglieder komme es nicht an. Die Beklagte treffe auch keine sekundäre Darlegungslast, sei dieser im Übrigen aber auch nachgekommen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_28">28</a></dt>
<dd><p>Der klagenden Partei sei durch den Vertragsschluss über das streitgegenständliche Fahrzeug auch kein Schaden entstanden. Dieser ergebe sich weder aus Nutzungsnachteilen noch aus einer Verringerung des Marktwertes.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_29">29</a></dt>
<dd><p>Die Klageschrift ist am 04.10.2018 zugestellt worden.</p></dd>
</dl>
</div></div>
<div class="docLayoutMarginTopMore"><h4 class="doc">
<!--hlIgnoreOn-->Entscheidungsgründe<!--hlIgnoreOff-->
</h4></div>
<div class="docLayoutText"><div>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_30">30</a></dt>
<dd><p>A. Die Klage ist größtenteils zulässig.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_31">31</a></dt>
<dd><p>I. Die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ergibt sich aus § 32 ZPO. Nach dem schlüssigen Vortrag des Klägers ist dieser vorsätzlich und sittenwidrig im Gerichtsbezirk geschädigt worden. Wenngleich das Fahrzeug außerhalb des Gerichtsbezirks gekauft wurde, ist infolge des Vertragsschlusses das am Wohnsitz des Klägers im Gerichtsbezirk belegene Vermögen durch Zahlung des Kaufpreises geschädigt worden.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_32">32</a></dt>
<dd><p>II. Unzulässig ist die Klage, soweit festgestellt werden soll, dass Ansprüche gegen die Beklagte aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung der Beklagten herrührten. Ein Feststellungsinteresse der klagenden Partei ist insoweit nicht ersichtlich. Soweit der Kläger auf § 393 BGB verweist, ist nicht dargetan, dass die Beklagte ihrerseits Forderungen gegen den Kläger habe. Soweit der Kläger auf § 850f ZPO verweist, ist die Vorschrift schon deswegen nicht einschlägig, weil sie sich nur auf den pfändbaren Teil eines Arbeitseinkommens bezieht, wie es die Beklagte als Kapitalgesellschaft nicht haben kann.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_33">33</a></dt>
<dd><p>B. Soweit zulässig, ist die Klage teilweise begründet.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_34">34</a></dt>
<dd><p>I. Die klagende Partei kann von der Beklagten Ersatz eines Schadens von 7.763 € Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des im Tenor bezeichneten Fahrzeugs nebst Zubehör verlangen, § 826 BGB.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_35">35</a></dt>
<dd><p>Gemäß § 826 BGB ist derjenige, der in einer gegen die guten Sitten verstoßenen Weise einem anderen vorsätzlich einen Schaden zufügt, dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die klagende Partei ist im Sinne des § 826 BGB vorsätzlich sittenwidrig geschädigt worden, was der Beklagten zuzurechnen ist.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_36">36</a></dt>
<dd><p>1. Die klagende Partei ist von Mitarbeitern der Beklagten geschädigt worden.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_37">37</a></dt>
<dd><p>a) Die schädigende Handlung liegt in dem arglistigen Inverkehrbringenlassen des mangelhaften Fahrzeugs unter Geheimhaltung der bewusst eingebauten Funktion zur Manipulation der Emissionswerte auf dem Prüfstand durch Mitarbeiter der Beklagten in der Entwicklungsabteilung. Diese haben bewusst und absichtsvoll die „Umschaltlogik“ im Rahmen der Serienproduktion einbauen lassen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_38">38</a></dt>
<dd><p>Dass das streitgegenständliche Fahrzeug mangelhaft war, ergibt sich schon daraus, dass die Beklagte die EG-Typengenehmigung nach der Schadstoffklasse EU5 durch Manipulation des Schadstoffausstoßes im Prüfstand erschlichen hat. Fahrzeugkäufern musste zwar bekannt sein, dass die Schadstoffgrenzwerte der Abgasnorm nur auf dem Prüfstand einzuhalten waren. Fahrzeugkäufer mussten aber nicht damit rechnen, dass der Schadstoffausstoß auf dem Prüfstand mithilfe einer Software gezielt manipuliert wird. Vielmehr kann ein Käufer erwarten, dass die Emissionswerte seines Fahrzeugs jedenfalls dann ähnlich hoch ausfallen wie im Prüfstand, wenn im realen Fahrbetrieb vergleichbare Bedingungen gegeben sind (§ 434 Abs. 1 BGB).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_39">39</a></dt>
<dd><p>Der Mangel ergibt sich auch daraus, dass die zuständigen Behörden die Software als unzulässige Abschalteinrichtung einstufen und deren Beseitigung fordern. Ob diese Rechtsauffassung des Kraftfahrbundesamts tatsächlich zutrifft, ist unerheblich, weil Fahrzeugkäufer erwarten können, dass ihr Fahrzeug nach Einschätzung der zuständigen Behörde mit den einschlägigen Vorschriften in Einklang steht - zumal die Beklagte die Rechtsauffassung des Kraftfahrbundesamts und die darauf beruhenden Maßnahmen ohne Nutzung des Rechtswegs hingenommen hat.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_40">40</a></dt>
<dd><p>Der Mangel ergab sich schließlich daraus, dass der Zustand des Fahrzeugs der klagenden Partei, wie ausgeliefert, aufgrund der eingebauten Software von den Prüforganisationen im Rahmen der Hauptuntersuchung als erheblicher Mangel eingestuft werden kann und auch eine Betriebsuntersagung drohen kann. Damit war die Nutzbarkeit des Fahrzeugs in dem ausgelieferten Zustand nicht gewährleistet.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_41">41</a></dt>
<dd><p>b) Die klagende Partei hat dadurch auch einen Schaden erlitten. Der Schaden der klagenden Partei liegt in dem Abschluss eines ungewollten Kaufvertrags über ein mangelhaftes Fahrzeug.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_42">42</a></dt>
<dd><p>Der Schaden ist unabhängig davon eingetreten, ob das streitgegenständliche Fahrzeug durch die verwendeten Abschalteinrichtungen einen Wertverlust erlitten hat oder ob das streitgegenständliche Fahrzeug, verglichen mit vergleichbaren Modellen anderer Hersteller, im realen Fahrbetrieb vergleichsweise emissionsarm und kraftstoffsparend ist. Ein Schaden im Sinne des § 826 BGB ist nicht nur jede nachteilige Einwirkung auf die Vermögenslage, sondern darüber hinaus jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses und jede Belastung mit einer ungewollten Verpflichtung (BGH, NJW 2004, 2971-2974 Rn. 41; BGH NJW-RR 2015, 275 Rn. 19). Der gemäß § 826 BGB ersatzfähige Schaden wird weit verstanden und beschränkt sich gerade nicht auf die Verletzung bestimmter Rechte oder Rechtsgüter. Erfasst wird ganz allgemein jede nachteilige Einwirkung auf die Vermögenslage. Das Vermögen wird nicht nur als ökonomischer Wert geschützt, sondern zugleich auch die auf das Vermögen bezogene Dispositionsfreiheit des jeweiligen Rechtssubjektes (Münchener Kommentar, BGB, 7. Aufl. 2017, § 826 Rn. 42). Folglich stellt bereits die Belastung mit einer ungewollten Verpflichtung einen gemäß § 826 BGB zu ersetzenden Schaden dar, ohne dass es darauf ankäme, ob die erhaltene Leistung wirtschaftlich betrachtet hinter der Gegenleistung zurückbleibt; denn im Fall der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung dient der Schadensersatzanspruch nicht nur dem Ausgleich jeder nachteiligen Einwirkung durch das sittenwidrige Verhalten auf die objektive Vermögenslage des Geschädigten. Vielmehr muss sich der Geschädigte auch von einer auf dem sittenwidrigen Verhalten beruhenden Belastung mit einer ungewollten Verpflichtung wieder befreien können (BGH NJW-RR 2015, 275).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
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<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_43">43</a></dt>
<dd><p>Das Inverkehrbringenlassen von mangelhaften Fahrzeugen dieser Bauart unter Geheimhaltung der bewusst eingebauten Einrichtungen zur Veränderung der Emissionswerte auf dem Prüfstand war auch ursächlich für den Kauf des streitgegenständlichen Fahrzeugs durch die klagende Partei. Wären mangelhafte Fahrzeuge dieser Art nicht in Verkehr gebracht worden, hätte die klagende Partei ein solches Fahrzeug nicht erwerben können.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_44">44</a></dt>
<dd><p>Wollte man auf das Verschweigen des Mangels abstellen, ergibt sich nichts anders: Wäre die Klagepartei von den Schädigern über den Mangel aufgeklärt worden, wozu diese wegen ihres vorangegangenen Verhaltens verpflichtet gewesen wären, hätte sie den Kaufvertrag nicht geschlossen. Durch persönliche Anhörung des Klägers hat sich der erkennende Richter davon überzeugt (§ 286 ZPO), dass diese Kausalität für die Kaufentscheidung gerade auch beim Kläger vorliegt. Der Kläger hat glaubhaft erklärt, wegen der mit dem „Software-Update“ verbundenen Unwägbarkeiten hätte er das Fahrzeug in Kenntnis der Sachlage zu dem geforderten Preis nicht gekauft.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_45">45</a></dt>
<dd><p>An dem Schaden in Form des ungewollten Vertragsschlusses ändert nichts, dass die klagende Partei der Beklagten zwischenzeitlich die technische Überarbeitung (“Software-Update“) des Fahrzeugs gestattet hat, zumal der klagenden Partei zur Vermeidung andernfalls drohender Nachteile in der Zwischenzeit bis Rückgängigmachung des Kaufs insoweit keine Wahl blieb. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass sich der arglistig getäuschte Käufer einer mangelhaften Sache nicht auf eine Beseitigung des Mangels verweisen lassen muss. Wer einen Gebrauchtwagen zum Preis von über 16.000 € von einem Vertragshändler erwirbt, will nach der Lebenserfahrung normalerweise kein mangelhaftes Fahrzeug kaufen, auch wenn der Mangel später noch beseitigt werden soll.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_46">46</a></dt>
<dd><p>2. Die Schadenszufügung ist sittenwidrig erfolgt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_47">47</a></dt>
<dd><p>Ein Verhalten ist sittenwidrig, wenn es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. In diese rechtliche Beurteilung ist einzubeziehen, ob die Handlung nach ihrem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist (BGH, WM 2014, 71 Rn. 23 m.w.N.). Für die Annahme einer Sittenwidrigkeit genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde vertragliche Pflichten oder das Gesetz verletzt oder bei einem anderen einen Vermögensschaden hervorruft (BGH, NJW 2014,1380 Rn. 8 m.w.N.).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_48">48</a></dt>
<dd><p>Von diesen Grundsätzen ausgehend stellt sich das Verhalten der verantwortlichen Mitarbeiter der Beklagten als sittenwidrig dar:</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_49">49</a></dt>
<dd><p>Es gilt der Grundsatz, dass eine bewusste Täuschung zur Herbeiführung eines Vertragsschlusses - insbesondere unwahre Angaben über vertragswesentliche Umstände - regelmäßig die Sittenwidrigkeit begründet (Palandt, BGB, 77. Aufl., § 826 Rn. 20). Insbesondere hat die Rechtsprechung dies für das arglistige Verschweigen eines Mangels durch Verkäufer angenommen (BGH, Urteil vom 20. April 1988 - VIII ZR 35/87 -, Rn. 12; vgl. auch Staudinger/Oechsler (2018) BGB § 826, Rn. 184). Ebenso als sittenwidrig anerkannt ist die vorsätzliche Herbeiführung eines (Sach-)Mangels (Staudinger/Oechsler (2018) BGB § 826, Rn. 184 m.w.N.). Dass Mitarbeiter der Beklagten vorsätzlich mangelhafte Fahrzeuge unter Geheimhaltung der bewusst eingebauten Funktion zur Manipulation der Emissionswerte auf dem Prüfstand in Verkehr bringen lassen haben, stellt sich danach als sittenwidrig dar. Die Sittenwidrigkeit ergibt sich nicht aus der etwaigen Verletzung öffentlich-rechtlicher Zulassungsvorschriften, sondern aus dem vorsätzlichen Einbau eines Mangels.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_50">50</a></dt>
<dd><p>Der Wertung des § 323 Abs. 5 S. 2 BGB widerspricht die Annahme von Sittenwidrigkeit nicht, weil der oben im Einzelnen aufgezeigte Mangel erheblich ist (näher dazu OLG Köln, Beschluss vom 20. Dezember 2017 - 18 U 112/17 -, Rn. 41 ff. und Beschluss vom 28. Mai 2018 - I-27 U 13/17 -, Rn. 56, juris; OLG Nürnberg, Urteil vom 24. April 2018 - 6 U 409/17 -, Rn. 44 ff.; a.A. OLG München, Urteil vom 3. Juli 2017, - 21 U 4818/16 -, Rn. 28; OLG Koblenz, Beschluss vom 27. September 2017, - 2 U 4/17 -, Rn. 22). Im Übrigen ist die Wertung des § 323 Abs. 5 S. 2 BGB auf § 826 BGB ohnehin nicht übertragbar. Wie auch § 123 BGB zeigt, entfallen die Rechtsfolgen von Arglist nicht dann, wenn sich die Arglist auf einen geringfügigen Mangel bezieht. Der vorsätzliche Einbau von Mängeln verstößt unabhängig von deren Schwere gegen das allgemeine Anstandsgefühl.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_51">51</a></dt>
<dd><p>Die verantwortlichen Mitarbeiter der Beklagten haben bei den von der Beklagten hergestellten Motoren durch den Einbau einer Erkennungssoftware bewirkt, dass diese erkannte, wenn sich das Fahrzeug im Prüfstand befand, um dann ein speziell nur für den Prüfzyklus vorgesehenes Abgasrückführungsverfahren einzuleiten, bei dem die gesetzlichen Grenzwerte der EU-Verordnung 715/2007/EG über die Typengenehmigung von leichten Pkw und Nutzfahrzeugen für Abgase eingehalten werden, um die Zulassung des Fahrzeugs zu erreichen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die erteilte EG-Typengenehmigung wirksam erteilt wurde und dass allgemein bekannt sein mag, dass die unter Laborbedingungen ermittelten Herstellerangaben nicht den Emissionswerten im normalen Straßenverkehr entsprechen. Vielmehr ist für die Entscheidung, ob das Verhalten der Verantwortlichen verwerflich ist, darauf abzustellen, dass die Verantwortlichen für das Zulassungsverfahren einen Betriebsmodus entwickelt und eingebaut haben, dessen alleiniger Zweck in der Manipulation des Schadstoffausstoßes im Genehmigungsverfahren bestand. Wenn üblicherweise im Labor andere Messwerte erzielt werden als im realen Fahrbetrieb, so liegt dies daran, dass die äußeren Rahmenbedingungen eben nicht dem normalen Fahrbetrieb entsprechen, nicht jedoch an einer gezielten Manipulation, die dem Verbraucher bewusst verschwiegen wird.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
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<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_52">52</a></dt>
<dd><p>Das schädigende Verhalten der Verantwortlichen ist sowohl wegen seines Zwecks als auch wegen des angewandten Mittels als auch mit Rücksicht auf die dabei gezeigte Gesinnung als verwerflich anzusehen. Die Verantwortlichen haben mit dem Einsatz der Manipulationssoftware massenhaft und mit erheblichem technischen Aufwand gesetzliche Vorschriften zum Umwelt- und Gesundheitsschutz ausgehebelt und zugleich Kunden getäuscht. Sie haben damit nicht einfach nur Abgasvorschriften außer Acht gelassen und erhebliche Umweltverschmutzung herbeigeführt, sondern zugleich eine planmäßige Verschleierung dieses Vorgehens gegenüber den Aufsichtsbehörden, den Verbrauchern und Mitwettbewerbern vorgenommen, um der Beklagten einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen oder sie wettbewerbsfähig zu halten, weil sie entweder nicht über eine Technik verfügten, um die gesetzlichen Abgasvorschriften einzuhalten, oder weil sie aus Gewinnstreben den Einbau der ansonsten notwendigen teureren Vorrichtungen unterließen. Die daraus zu entnehmende Gesinnung, aus Gewinnstreben massenhaft die Käufer der so produzierten Fahrzeuge bei ihrer Kaufentscheidung zu täuschen, die Wettbewerber zu benachteiligen und die Umwelt zu schädigen, lässt das Verhalten insgesamt als sittenwidrig erscheinen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass es sich bei der Anschaffung eines Fahrzeugs für einen Verbraucher in der Regel um eine wirtschaftliche Entscheidung von erheblichem Gewicht handelt und ein Verbraucher als technischer Laie die Manipulation nicht erkennen kann. Die Verantwortlichen haben die Ahnungslosigkeit des Verbrauchers bewusst zu ihrem Vorteil ausgenutzt, was eine besonders verwerfliche Vorgehensweise darstellt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
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<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_53">53</a></dt>
<dd><p>Die Verantwortlichen haben bewusst das der Beklagten entgegengebrachte Vertrauen der Verbraucher ausgenutzt. Die Beklagte verfügt über ein über viele Jahre gewachsenes überdurchschnittliches Vertrauen, das auf einer in der Vergangenheit erfolgreichen Unternehmenspolitik sowie einem Qualitätsanspruch beruhte, von dem der Durchschnittsbürger annahm, dass die Beklagte ihm überwiegend gerecht wird. Dieses Vertrauen hat die Beklagte genutzt, als sie in der jüngeren Vergangenheit mit der besonderen Umweltverträglichkeit der von ihr entwickelten Dieselmotoren geworben hat. Verbraucher haben die dort angepriesenen technischen Merkmale und aufgezeigten Grenzwerte insbesondere auch deshalb nicht infrage gestellt, weil die Beklagte insofern als glaubwürdig galt. Tatsächlich erfüllten die beworbenen Motoren ohne die Software allerdings nicht einmal die gesetzlichen Anforderungen. Dieses Verhalten ist als verwerflich einzuordnen. Zwar ist es nicht schon verwerflich, wenn ein Unternehmen seinen eigenen Ansprüchen oder denjenigen der Verbraucher nicht genügt. Ein Unternehmen darf sich auch auf den Erfolgen der Vergangenheit ausruhen, wenn es dies will. Die unternehmerische Freiheit findet ihre Grenze jedoch dort, wo - wie hier - das besondere Vertrauen unter Inkaufnahme einer essenziellen Schädigung der potentiellen Kunden ausgenutzt wird, um aus Gewinnstreben sich Wettbewerbsvorteile zu verschaffen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
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<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_54">54</a></dt>
<dd><p>Die Beklagte ist ein bedeutender Fahrzeughersteller und -exporteur Deutschlands, so dass von ihren Mitarbeitern vorgenommene gezielte Manipulationen in Genehmigungsverfahren geeignet sind, das Vertrauen einer Vielzahl von Kunden in die Einhaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen zu untergraben. Aus der Konzerngröße der Beklagten können sich aus einer solchen gezielten Manipulation des Genehmigungsverfahrens Risiken in volkswirtschaftlich relevanter Dimension ergeben. Wenn die Beklagte behauptet, dass die Folgen des Einsatzes der Software für die klagende Partei (und andere Käufer betroffener Fahrzeuge) nicht spürbar seien, ändert dies nichts daran, dass die verantwortlichen Mitarbeiter der Beklagten ein solches Risiko negativer Entwicklungen mit volkswirtschaftlich messbaren Auswirkungen jedenfalls einem mit missbräuchlichen Mitteln verfolgten Gewinnstreben untergeordnet haben und damit verwerflich handelten.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_55">55</a></dt>
<dd><p>3. Die sittenwidrige Schädigung erfolgte auch vorsätzlich.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_56">56</a></dt>
<dd><p>§ 826 BGB setzt kein absichtliches oder arglistiges Verhalten in dem Sinne voraus, dass es dem Täter gerade auf die Schädigung des Dritten ankommen müsste. Es ist auch nicht erforderlich, dass der Täter den Erfolgseintritt für sicher gehalten hat, sondern es reicht das Bewusstsein, dass die Schädigung im Bereich des Möglichen liegt sowie das billigend in Kauf nehmen des Schädigungsrisikos (Münchener Kommentar, BGB, 7. Aufl. 2017, § 826 Rn. 27).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_57">57</a></dt>
<dd><p>Dass im vorliegenden Fall vorsätzliches Handeln seitens der verantwortlichen Mitarbeiter der Beklagten vorlag, ist zwischen den Parteien unstreitig. Die Abgassoftware wurde allein zu dem Zweck eingebaut, um die Abgaswerte der Dieselmotoren zu beschönigen und in der Folge dafür zu sorgen, dass die Dieselmotoren unabhängig von den vorgeschriebenen Grenzwerten die Euro 5-Zulassung erhielten und mit dieser vertrieben werden konnten. Es ist gerade Sinn dieser manipulierenden Software, den Rechtsverkehr, d.h. Zulassungsbehörden, Kunden und Wettbewerber zu täuschen. Dabei nahmen die Verantwortlichen billigend in Kauf, dass der Einsatz der Software unredlich im Verhältnis zu den potentiellen Kunden und gesetzeswidrig sein konnte. Dass Endverbraucher einschließlich nachfolgender Käufer wie die klagende Partei sittenwidrig geschädigt würden, haben die Verantwortlichen als mögliche Folge in Kauf genommen, auch wenn sich ihre unmittelbare Absicht auf die Manipulation des Schadstoffausstoßes im Prüfstand bezog. Konkret nahmen sie in Kauf, Käufer wie die klagende Partei zum Erwerb eines Fahrzeugs zu veranlassen, von dem diese in Kenntnis der Sachlage abgesehen hätten. Wie oben aufgezeigt, kann ein Käufer erwarten, dass die Emissionswerte seines Fahrzeugs jedenfalls dann ähnlich hoch ausfallen wie im Prüfstand, wenn im realen Fahrbetrieb vergleichbare Bedingungen gegeben sind. Dass die in EA 189-Motoren eingebaute Software dies verhinderte und Fahrzeugkäufer keine Kenntnis davon haben konnten, war den verantwortlichen Mitarbeitern der Beklagten bewusst. Die verantwortlichen Mitarbeiter der Beklagten haben überdies zumindest billigend in Kauf genommen, dass die Software zur Manipulation des Schadstoffausstoßes im Prüfstand bei Bekanntwerden von den zuständigen Behörden als unzulässig eingestuft und deren Beseitigung gefordert werden würde, wofür schon die strikte Geheimhaltung dieser Funktion spricht. Dass die eingebaute Software in der Folge von den Prüforganisationen im Rahmen der Hauptuntersuchung als erheblicher Mangel eingestuft werden würde und deswegen auch ein Entzug der Zulassung drohen könnte, sind naheliegende Risiken, welche die verantwortlichen Mitarbeiter der Beklagten ebenfalls billigend in Kauf nahmen, als sie sich zur gezielten Manipulation des zulassungsrelevanten Schadstoffausstoßes im Prüfstand entschlossen, um die Schadstoffgrenzwerte zu erreichen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_58">58</a></dt>
<dd><p>Da das mangelhafte Fahrzeug in der Lieferkette zunächst an einen gutgläubigen Händler und dann an den Erstkäufer veräußert worden war, ist die klagende Partei mittelbar Geschädigte. Die Schädigung ist gleichwohl vom Vorsatz der Mitarbeiter der Beklagten umfasst. Jedenfalls die erste Weiterveräußerung neu hergestellter Fahrzeuge ist üblich und zu erwarten. Der Schädigungsvorsatz muss sich nicht gegen bestimmte, bekannte Personen richten (Palandt-Sprau, § 826 BGB, Rn. 11 m.w.N.).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_59">59</a></dt>
<dd><p>4. Die unerlaubte Handlung der Mitarbeiter der Beklagten ist der Beklagten auch zuzurechnen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_60">60</a></dt>
<dd><p>a) Ob verantwortliche Mitarbeiter der Beklagten als deren Repräsentanten anzusehen sind mit der Folge einer Zurechnung entsprechend § 31 BGB, kann offen bleiben. Die Haftung der Beklagten ergibt sich jedenfalls aus § 831 BGB.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_61">61</a></dt>
<dd><p>Bei den Mitarbeitern der Beklagten im Bereich der Motorenentwicklung, welche die klagende Partei vorsätzlich sittenwidrig geschädigt haben, handelte es sich jedenfalls um von der Beklagten bestellte Verrichtungsgehilfen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_62">62</a></dt>
<dd><p>Trotz eines richterlichen Hinweises auf § 831 BGB macht die Beklagte nicht geltend, dass sie die verantwortlichen Mitarbeiter sorgfältig ausgewählt und überwacht habe oder die Schädigung selbst in diesem Falle eingetreten wäre. Vor diesem Hintergrund erübrigt sich eine Auseinandersetzung hiermit.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_63">63</a></dt>
<dd><p>Entgegen der Auffassung der Beklagten setzt § 831 BGB nicht voraus, dass die verantwortlichen Verrichtungsgehilfen namentlich bekannt sind. Wenn sich der Bundesgerichtshof gegen eine Wissenszusammenrechnung zur Begründung von Sittenwidrigkeit und Vorsatz im Sinne des § 826 BGB ausgesprochen hat (BGH, Urteil vom 28. Juni 2016 - VI ZR 536/15 -), so bedeutet dies lediglich, dass sämtliche Merkmale der unerlaubten Handlung in Person eines einzigen Verrichtungsgehilfen erfüllt sein müssen. Dass einzelne Verrichtungsgehilfen der Beklagten, nämlich die für den Einsatz der Software verantwortlichen Mitarbeiter im Bereich Motorenentwicklung, sämtliche Merkmale des § 826 BGB verwirklicht haben, ist oben dargestellt worden.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_64">64</a></dt>
<dd><p>b) Die Beklagte haftet für das Verhalten der verantwortlichen Mitarbeiter auch wegen Organisationsverschuldens.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_65">65</a></dt>
<dd><p>Der Anwendungsbereich des § 31 BGB wird bei Organisationsmängeln erweitert (Palandt, BGB, 77 der Auflage, § 31 Rn. 7). Juristische Personen sind verpflichtet, den Gesamtbereich ihrer Tätigkeit so zu organisieren, dass für alle wichtigen Aufgabengebiete ein verfassungsmäßiger Vertreter zuständig ist, der die wesentlichen Entscheidungen selbst trifft. Entspricht die Organisation diesen Anforderungen nicht, muss sich die juristische Person so behandeln lassen, als wäre der tatsächlich eingesetzte Verrichtungsgehilfe ein verfassungsmäßiger Vertreter (BGH, NJW 1980, 2810). Die Beauftragung eines wichtigen Aufgabenkreises an einen Funktionsträger oder Bediensteten begründet daher für die juristische Person eine Haftung ohne Entlastungsmöglichkeit. Hat sie dem Vertreter eine selbstständige Stellung mit eigener Entscheidungsbefugnis eingeräumt, ist er verfassungsmäßiger Vertreter; ist das nicht geschehen, ist § 31 BGB wegen eines Organisationsmangels anwendbar.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_66">66</a></dt>
<dd><p>Der Einbau der in Rede stehenden Software in Millionen von Fahrzeugen nicht nur in Europa stellt, wie ausgeführt, eine wesentliche Entscheidung mit großer wirtschaftlicher Bedeutung für die Beklagte dar. Hat nicht der Vorstand diese weitreichende Entscheidung getroffen, sondern Mitarbeiter auf nachgeordneten Arbeitsebenen alleine, muss sich die Beklagte so behandeln lassen, als wären diese Mitarbeiter ihre verfassungsmäßigen Vertreter. Die Beklagte hat nämlich auch auf richterlichen Hinweis keinerlei Organisationsmaßnahmen ihrerseits dargetan, die hätten gewährleisten können, dass Entscheidungen von solcher Tragweite rechtlich geprüft und im Fall erheblicher Risiken dem Vorstand oder einem sonstigen verfassungsgemäß berufenen Vertreter vorgelegt werden. Wenn es der Vorstand der Beklagten zuließ, dass Mitarbeiter auf nachgeordneten Arbeitsebenen eine so schwerwiegende Entscheidung frei treffen konnten, ohne dass der Vorstand naheliegende organisatorische Vorkehrungen dagegen traf, ist eine Zurechnung geboten.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_67">67</a></dt>
<dd><p>Unerheblich ist, ob ein Organisationsverschulden Sittenwidrigkeit zu begründen vermag. Dem Vorstand der Beklagten wird kein eigenes sittenwidriges Handeln zur Last gelegt, sondern die sittenwidrige Schädigung durch Unternehmensmitarbeiter zugerechnet.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_68">68</a></dt>
<dd><p>5. Als Rechtsfolge kann die klagende Partei von der Beklagten Zahlung von 7.763 € Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs nebst Zubehör verlangen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_69">69</a></dt>
<dd><p>Gemäß § 249 Abs. 1 BGB hat die Beklagte den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Vorliegend bedeutet dies, dass die klagende Partei so zu stellen ist, wie wenn sie den Vertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug nicht geschlossen hätte. In diesem Fall hätte die klagende Partei die vereinbarten 16.990 € für das Fahrzeug nicht gezahlt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_70">70</a></dt>
<dd><p>Die klagende Partei hätte ohne den Kauf allerdings auch keine Vermögensvorteile in Form der während der Besitzzeit gezogenen Nutzungen erzielt. Diese sind im Wege der Saldierung auf den Ersatzbetrag anzurechnen (Palandt-Grüneberg, Vorb. v. § 249 BGB, Rn. 94 m.w.N.), weil andernfalls eine vom Schadensrecht nicht gedeckte Überkompensation stattfinden würde. Anders als beim Rücktritt sind die Nutzungen nicht nur Zug-um-Zug zurückzugewähren. Der Vorteilsausgleich erfolgt von Amts wegen. Unionsrechtliche Regelungen über den Verbrauchsgüterkauf stehen der Anrechnung von Nutzungsvorteilen schon deswegen nicht entgegen, weil hier keine Ansprüche aus Kaufvertrag streitgegenständlich sind.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_71">71</a></dt>
<dd><p>Die Berechnung des Nutzungswerts erfolgt, indem der Bruttokaufpreis mit den gefahrenen Kilometern multipliziert und das Produkt durch die zu erwartende Restleistung des Fahrzeugs dividiert wird.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_72">72</a></dt>
<dd><p>Die voraussichtliche Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs schätzt das Gericht gemäß § 287 ZPO auf 250.000 km (ebenso für einen VW Golf mit Dieselmotor LG Kleve, Urteil vom 31. März 2017 - 3 O 252/16 -, juris; LG Krefeld, Urteil vom 04. Oktober 2017 - 2 O 19/17 -, juris; LG Mannheim, Urteil vom 18. Mai 2017 - 10 O 14/16 -, juris). Es handelt sich um den Mittelwert der in der neueren Rechtsprechung zumeist angenommenen Gesamtlaufleistungen zwischen 200.000 und 300.000 km (Nachweise bei Staudinger/Dagmar Kaiser (2012) BGB § 346, Rn. 260).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_73">73</a></dt>
<dd><p>Da das Fahrzeug im Zeitpunkt des Kaufes bereits eine Laufleistung von 22.385 km aufwies, verblieb eine zu erwartende Restlaufleistung vom 227.615 km. An seitens der klagenden Partei gefahrenen Kilometern ergeben sich 123.614 km.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_74">74</a></dt>
<dd><p>Es errechnen sich auszugleichende Vorteile wie folgt:</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_75">75</a></dt>
<dd><table class="RspIndent">
<tr>
<th colspan="8" rowspan="1"></th>
</tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><span style="text-decoration:underline">16.990 € x 123.614 km</span></td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"></td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"></td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"></td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"></td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"></td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"></td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">= 9.226,99 €</td>
</tr>
</table></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_76">76</a></dt>
<dd><p>227.615 km</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_77">77</a></dt>
<dd><p>Dieser Vorteil ist von dem gezahlten Kaufpreis von 16.990 € in Abzug zu bringen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_78">78</a></dt>
<dd><p>II. Zu verzinsen ist die Forderung ab Rechtshängigkeit, § 291 BGB. In der Klageschrift hat die klagende Partei die Laufleistung mitgeteilt, so dass die Beklagte den von ihr geschuldeten Schadenersatz ermitteln konnte. Ob die klagende Partei der Beklagten das Fahrzeug in einer Annahmeverzug begründenden Weise angeboten hat, wenn sie im Gegenzug eine höhere Schadensersatzleistung fordert als ihr zusteht, ist unerheblich. Bei einem Schadensersatzanspruch, der Zug um Zug gegen Rückgewähr einer Leistung zu erfüllen ist, steht eine Zuvielforderung der Pflicht zur Zinszahlung nicht entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 2004 - III ZR 323/03 -, Rn. 7; anders für Fälle des § 348 BGB BGH, Urteil vom 20. Juli 2005 - VIII ZR 275/04 -, BGHZ 163, 381-391, Rn. 30). Die Pflicht zur Zinszahlung kann der Beklagten billigerweise auferlegt werden, nachdem sie die Klageforderung schon dem Grunde nach bestreitet und nicht einmal zur Zahlung des tatsächlich geschuldeten Geldbetrags bereit ist.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_79">79</a></dt>
<dd><p>Eine Verzinsung des durch unerlaubte Handlung „entzogenen“ Kaufpreises nach § 849 BGB kann demgegenüber nicht begehrt werden, weil die klagende Partei nicht mitteilt, wann sie den Kaufpreis gezahlt hat. Verzinsung kann nicht schon ab Vertragsschluss verlangt werden. Dies ist in der Klageerwiderung zutreffend beanstandet worden.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_80">80</a></dt>
<dd><p>Verzug ist auch durch die vorgerichtliche Zahlungsaufforderung nicht eingetreten, denn die beklagte Partei schuldete die Rückzahlung des Kaufpreises nur nach Abzug einer Nutzungsentschädigung, welche die Beklagte mangels Mitteilung der Laufleistung nicht ermitteln konnte.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_81">81</a></dt>
<dd><p>III. Es war nicht festzustellen, dass sich der Rechtsstreit nach Klageerhebung teilweise erledigt habe. Die klagende Partei hat ihren Anspruch nicht beschränkt, sondern erweitert, indem sie nunmehr die Rückzahlung des gesamten Kaufpreises fordert.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_82">82</a></dt>
<dd><p>IV. Das mit dem Klageantrag zu Ziffer 2. verfolgte Feststellungsbegehren ist zulässig, aber nicht begründet. Annahmeverzug scheitert daran, dass die klagende Partei durch unzureichende Anrechnung eines Vorteilsausgleichs eine deutlich höhere Zahlung fordert als geschuldet. Eine solche Zuvielforderung hindert den Eintritt des Annahmeverzugs (BGH, Urteil vom 20. Juli 2005 - VIII ZR 275/04 -, BGHZ 163, 381-391, Rn. 27 ff.; KG Berlin, Urteil vom 19. Oktober 2017 - 8 U 230/15 -, Rn. 111; OLG Frankfurt, Urteil vom 13.07.2016 - 17 U 144/15; OLG Koblenz, Urteil vom 19. Juni 2008 - 6 U 1424/07 -; OLG Karlsruhe, Urteil vom 12.09.2007 - 7 U 169/06; MüKoBGB/Ernst BGB § 295 Rn. 4; a.A. Hager in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 298 BGB, Rn. 3; Niemeyer/König, NJW 2013, 3213). Die potenziell weit reichenden Folgen des Annahmeverzugs (§§ 300 ff. BGB) können dem Gläubiger billigerweise dann nicht aufgebürdet werden, wenn sich der Schuldner zur Herausgabe selbst gegen Erhalt der ihm seinerseits zustehenden Leistung nicht bereit erklärt. Wäre die klagende Partei entgegen ihres Klageantrags zur Herausgabe auch gegen Zahlung eines geringeren Betrags bereit, hätte sie der Beklagten ohne Schwierigkeiten ein entsprechendes wörtliches Angebot zukommen lassen können. Ohne ein solches Angebot kann eine solche Bereitschaft nicht unterstellt werden, zumal die klagende Partei auf das Problem mit Verfügung vom 19.10.2018 (Bl. 202 d.A.) ausdrücklich hingewiesen worden ist.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_83">83</a></dt>
<dd><p>V. Der klagenden Partei steht ein Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 808,13 € aus den §§ 826, 249 Abs. 1 BGB zu.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_84">84</a></dt>
<dd><p>Die erforderlichen Anwaltskosten ergeben sich der Höhe nach aus einer 1,3 Geschäftsgebühr nach einem berechtigten Wert von damals 8.768,68 € (16.990 € Kaufpreis abzüglich 8.221,32 € Nutzungsvorteile) in Höhe von 659,10 €, zuzüglich Auslagenpauschale von 20 € und 19% Mehrwertsteuer = 808,13 €. Die anzurechnenden Nutzungsvorteile errechnen sich anhand der Laufleistung bei Auftragerteilung, die höchstens den in der Klageschrift angegebenen 132.526 km entsprach.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_85">85</a></dt>
<dd><p>Eine über eine 1,3 Geschäftsgebühr hinausgehende Geschäftsgebühr zu zahlen darf die klagende Partei nicht für erforderlich halten. Es handelt sich vorliegend sowohl hinsichtlich des Umfangs als auch hinsichtlich des rechtlichen Schwierigkeitsgrades nicht um einen überdurchschnittlichen Fall. Die diskutierten Rechtsfragen sind Gegenstand unzähliger Rechtsstreitigkeiten und Gerichtsentscheidungen, die Beteiligten verwenden standardisierte Schreiben und Textbausteinsteine formularmäßig in einer Vielzahl von Fällen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_86">86</a></dt>
<dd><p>Die Beklagte schuldet den Ersatz auch dieses Schadens nur Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_87">87</a></dt>
<dd><p>V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Gemessen am Streitwert von 16.990 € obsiegt der Kläger im Wert von 7.763 €.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_88">88</a></dt>
<dd><p>VI. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_89">89</a></dt>
<dd><p>Der Streitwert wird auf 16.990 € festgesetzt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_90">90</a></dt>
<dd><p>Der Streitwert entspricht der Hauptforderung ausweislich des neu gefassten Klageantrags zu 1. Die Zug um Zug angebotene Gegenleistung bleibt unberücksichtigt (Herget in: Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Aufl. 2018, § 3 ZPO, Rn. 16 - Zug-um-Zug-Leistungen). Für den Ansatz des vollen Kaufpreises spricht auch, dass der Streitwert in der Klageschrift ausdrücklich mit 16.990 € angegeben ist.</p></dd>
</dl>
</div></div>
<br>
</div>
|
|
171,052 | vg-wurzburg-2019-01-18-w-2-e-1935 | {
"id": 291,
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} | W 2 E 19.35 | 2019-01-18T00:00:00 | 2019-01-29T12:40:02 | 2019-02-13T12:21:09 | Beschluss | <h2>Tenor</h2>
<div>
<p>I. Der Antrag wird abgelehnt.</p>
<p>II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.</p>
<p>III. Der Streitwert wird auf 7.500,00 Euro festgesetzt.</p>
</div>
<h2>Gründe</h2>
<div>
<p>I.</p>
<p><rd nr="1"/>Die Antragstellerin begehrt (im Rahmen der Antragserwiderung im Parallelverfahren W 2 E 19.28) von den Antragsgegnerinnen, den Vertreterinnen des Bürgerbegehrens, über das mit Bürgerentscheid am 20. Januar 2019 abgestimmt wird, die Abgabe von Erklärungen, ergänzenden Erklärungen im Hinblick auf „unrichtige Aussagen“ der Antragsgegnerinnen in der Öffentlichkeit, gegenüber den Medien und dem Verwaltungsgericht (Eilantrag vom 14. Januar 2019 - W 2 E 19.28), die sich auf behauptete „unwahre Aussagen“ und „Wählertäuschung“ durch den Oberbürgermeister und die Stadtverwaltung der Antragstellerin beziehen.</p>
<p><rd nr="2"/>Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,</p>
<p>1. Die Antragsgegnerinnen werden verurteilt, folgende Erklärung bis spätestens 18.01.2019,14:00 Uhr durch schriftliche Medieninformation gegenüber dem S. Tagblatt, dem S. Anzeiger, dem ... Rundfunk, TV ... und Radio ... sowie etwaigen weiteren Adressaten der Medieninformation der Antragsgegnerinnen vom 15.01.2019 abzugeben:</p>
<p>Wir, Frau … S … und Frau … M …, haben den Oberbürgermeister der Stadt S. sowie die Stadtverwaltung im Zusammenhang mit den am 20.01.2019 stattfindenden Bürgerentscheiden am 15.01.2019 öffentlich bezichtigt, die Unwahrheit gesagt zu haben und Wählertäuschung versucht zu haben.</p>
<p>Diese Behauptung von uns, … S … und … M …, ist falsch. Wir widerrufen diese Erklärung deshalb und werden sie nicht wiederholen.</p>
<p>2. Die Antragsgegnerinnen werden verurteilt, in der unter Ziffer 1 genannten Medieninformation folgende ergänzende Erklärung abzugeben:</p>
<p>a) Richtig ist vielmehr, dass die folgenden Aussagen des Oberbürgermeisters und der Stadtverwaltung nicht zu beanstanden sind:</p>
<p>- Der Wald würde entsprechend der Zielrichtung des Bürgerbegehrens ausschließlich auf dem Gelände der ehemaligen L.-Kaserne angelegt.</p>
<p>- Die Größe des in Bürgerentscheid 2 beantragten Stadtwaldes würde durch den Bürgerentscheid nicht festgelegt.</p>
<p>- Eine theoretische Größe eines Waldes von rund 10 ha wäre nur dann zu erreichen, wenn die in der L.-Kaserne verlaufende Fernwärmeleitung kostspielig verlegt würde.</p>
<p>- Der neu angelegte Wald wird ein Betreten durch Menschen viele Jahre nicht ermöglichen.</p>
<p>- In und unmittelbar um S. existiert bereits ein Stadtwald. Die Fläche des Waldes im Stadtgebiet beträgt rund 500 ha. In unmittelbarer Nähe zum Stadtgebiet befinden sich weitere ca. 850 ha Wald im Eigentum der Stadt (750 ha) oder der Hospitalstiftung (100 ha).</p>
<p>b) Wir, Frau … S … und Frau … M …, haben öffentlich behauptet, dass die Kosten für die Erstellung des mit dem Bürgerentscheid 2 verfolgten Waldes 0,4 Mio. Euro kosten würden. Diese Behauptung Ist falsch. Richtig ist vielmehr, dass die Anlage des Waldes auf der L.-Kaserne mindestens rund 2,4 Mio. Euro kosten würde, selbst wenn die Fernwärmeleitung im Boden verbleiben könnte.</p>
<p>c) Wir, Frau … S … und Frau … M …, haben öffentlich behauptet, dass bei einer Mehrheit für den Bürgerentscheid 2 ein parkähnIicher Wald entstehen würde. Richtig ist vielmehr, dass bei einer Mehrheit für den Bürgerentscheid 2 ein möglichst dicht besetzter Wald entstehen wird, um eine größtmögliche klimaschützende Wirkung zu haben.</p>
<p>3. Die Antragsgegnerinnen werden weiter verurteilt, folgende Richtigstellung im Lokalteil des Sch. Tagblatts der Ausgabe für Samstag, 19.01.2019 in gut wahrnehmbarer Druckposition bekannt zu geben:</p>
<p><rd nr="3"/>Wir, Frau … S … und Frau … M …, haben den Oberbürgermeister der Stadt S. sowie die Stadtverwaltung im Zusammenhang milden am 20.01.2019 stattfindenden Bürgerentscheiden am 15.01.2019 öffentlich bezichtigt, die Unwahrheit gesagt zu haben und Wählertäuschung versucht zu haben.</p>
<p><rd nr="4"/>Diese Behauptung von uns, … S … und … M …, ist falsch. Wir widerrufen diese Erklärung deshalb und werden sie nicht wiederholen. Richtig Ist vielmehr, dass die folgenden Aussagen des Oberbürgermeisters und der Stadtverwaltung nicht zu beanstanden sind:</p>
<p>- Der Wald würde entsprechend der Zielrichtung des Bürgerbegehrens ausschließlich auf dem Gelände der ehemaligen L.-Kaserne angelegt.</p>
<p>- Die Größe des in Bürgerentscheid 2 beantragten Stadtwaldes würde durch den Bürgerentscheid nicht festgelegt.</p>
<p>- Eine theoretische Größe eines Waldes von rund 10 ha wäre nur dann zu erreichen, wenn die in der L.-Kaserne verlaufende Fernwärmeleitung kostspielig verlegt würde.</p>
<p>- Der neu angelegte Wald wird ein Betreten durch Menschen viele Jahre nicht ermöglichen.</p>
<p>- In und unmittelbar um S. existiert bereits ein Stadtwald. Die Fläche des Waldes im Stadtgebiet beträgt rund 500 haIn unmittelbarer Nähe zum Stadtgebiet befinden sich weitere ca. 850 ha Wald Im Eigentum der Stadt (750 ha) oder der Hospitalstiftung (100 ha).</p>
<p><rd nr="5"/>Die weiteren Anträge 2 und 3 werden nur hilfsweise für den Fall gestellt, dass das Gericht dem hiesigen Einwand gegen die unzulässige Vorwegnähme der Entscheidung in der Hauptsache nicht folgen sollte.</p>
<p><rd nr="6"/>Auf die Antragsbegründung wird verwiesen.</p>
<p><rd nr="7"/>Die Einholung einer Stellungnahme der Antragsgegnerinnen war im Hinblick auf die Eilbedürftigkeit nicht möglich.</p>
<p><rd nr="8"/>Auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akte des Verfahrens W 2 E 18.28 sowie der Behördenakte wird verwiesen.</p>
<p>II.</p>
<p><rd nr="9"/>Der Antrag ist bereits unzulässig, aber auch unbegründet.</p>
<p><rd nr="10"/>1. Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor oder mit Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Voraussetzung für eine einstweilige Anordnung ist demnach, das Vorliegen eines Rechts, dessen Sicherung die Anordnung dient (Anordnungsanspruch) sowie die drohende Vereitelung oder Erschwerung dieses Anspruchs (Anordnungsgrund). Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind von der Antragstellerin glaubhaft zu machen (<verweis.norm>§ 123 Abs. 3 <v.abk ersatz="VwGO">VwGO</v.abk></verweis.norm> i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).</p>
<p><rd nr="11"/>1.1 Dem Antrag fehlt bereits ersichtlich das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis.</p>
<p><rd nr="12"/>Die Antragstellerin hat nicht vorgetragen, dass sie vor der Stellung des gerichtlichen Eilantrages die Antragsgegnerinnen aufgefordert hätte, die begehrten Erklärungen freiwillig abzugeben. Es gilt nichts anderes als bei der umgekehrten Situation, wenn ein Bürger etwas von einer Behörde begehrt. In diesem Fall verlangt die überwiegende Meinung (vgl. zum Meinungsstand Happ in: Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2018, § 123 Rn. 34), dass zunächst die zuständige Behörde befasst werden muss. Der vorliegende Fall zeigt überdeutlich, dass diese herrschende Auffassung vorzugswürdig ist, weil die Beteiligten zuerst direkt miteinander kommunizieren sollen, auch wenn das ihnen wegen verhärteter Fronten schwer fallen mag und deshalb der Umweg über das Gericht gewählt wird. Auch kann sich die Kammer des Eindrucks nicht erwehren, dass die vorliegenden Anträge als „Retourkutsche“ auf den Eilantrag der Antragsgegnerinnen (im Parallelverfahren) gedacht sind. Beiden Eilanträgen ist gemein, dass mit ihnen (wohl) kurz vor der Abstimmung über den Umweg des Gerichts möglichst große mediale Aufmerksamkeit erreicht werden soll. Das grenzt an Rechtsmissbrauch.</p>
<p><rd nr="13"/>1.2 Im Übrigen gilt auch hier, was bereits im Parallelverfahren ausgeführt wurde. Die erstrebte Regelungsanordnung scheitert jedenfalls auch am Verbot, die Hauptsache im vorläufigen Rechtsschutzverfahren in unzulässiger Weise vorwegzunehmen.</p>
<p><rd nr="14"/>Der einstweilige Rechtsschutz darf grundsätzlich nicht das gewähren, was nur im Hauptsacheverfahren erreicht werden kann. Würde die Antragstellerin mit ihren Anträgen durchdringen, also die Antragsgegnerinnen verpflichtet, die geforderten Erklärungen abzugeben, würde sie so gestellt, wie nach einem Obsiegen im Hauptsacheverfahren, ein solches wäre folglich entbehrlich. Eine Vorwegnahme der grundsätzlich dem Hauptsacheverfahren vorbehaltenen Entscheidung könnte nur dann ausnahmsweise ergehen, wenn ein wirksamer Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren nicht zu erreichen wäre, der Antragstellerin ohne den Erlass der einstweiligen Anordnung schlechthin schwere und unzumutbare, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile drohten und die Antragstellerin im Hauptsacheverfahren aller Voraussicht nach obsiegen würde (vgl. Happ in: Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2018, § 123 Rn. 66a unter Hinweis auf BVerwG, U.v. 18.4.2013 - 10 C 9/12 - BVerwGE 146, 189).</p>
<p><rd nr="15"/>Einer solchen Entscheidung bedarf es hier aber schon deshalb nicht, weil sich die Kammer zur Rechtslage bereits im Parallelverfahren und damit zu den auch hier maßgeblichen Fragen geäußert hat. Es drohen der Antragstellerin in diesem Verfahren deshalb keine schweren und unzumutbaren Nachteile, denn sie hat im Parallelverfahren obsiegt. Im Übrigen hätte die Antragstellerin das alles vermeiden können, wenn sie die ersichtlich zu unbestimmte Fragestellung des Bürgerbegehrens nicht zum Bürgerentscheid zugelassen hätte.</p>
<p><rd nr="16"/>Der Antrag ist deshalb (ebenfalls) abzulehnen.</p>
<p><rd nr="17"/>2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.</p>
<p><rd nr="18"/>3. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf § 52 Abs. 1 und 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1, <verweis.norm>§ 63 Abs. 2 <v.abk ersatz="GKG">GKG</v.abk></verweis.norm>.</p>
</div>
|
|
171,050 | olgmuen-2019-01-18-34-wx-16518-kost | {
"id": 277,
"name": "Oberlandesgericht München",
"slug": "olgmuen",
"city": null,
"state": 4,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 34 Wx 165/18 Kost | 2019-01-18T00:00:00 | 2019-01-29T12:40:02 | 2019-02-13T12:21:09 | Beschluss | <h2>Tenor</h2>
<div>
<p>Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 werden der Beschluss des Landgerichts Memmingen vom 5. April 2018 und der Kostenansatz des Amtsgerichts Günzburg vom 19. September 2017 (Rechnungsnummer 880140029079) ersatzlos aufgehoben.</p>
</div>
<h2>Gründe</h2>
<div>
<p>I.</p>
<p><rd nr="1"/>Für die Beteiligte zu 3 besteht eine Betreuung mit den Aufgabenkreisen Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge, Vermögenssorge, Abschluss, Änderung und Kontrolle der Einhaltung des Heim- und Pflegevertrags sowie Regelung von Beschäftigungsverhältnissen. Der Beteiligte zu 1 ist seit 15.2.2012 zu ihrem Betreuer bestellt.</p>
<p><rd nr="2"/>Am ...2011 verstarb der Vater der Beteiligten zu 3. Gemäß dessen letztwilliger Verfügung vom 20.11.2010 wurde die Beteiligte zu 3 neben weiteren Begünstigten zur Erbin eingesetzt, wobei ihr nur die Stellung einer nicht befreiten Vorerbin eingeräumt ist. Als Ziel des Testaments bezeichnete der Erblasser ausdrücklich (unter anderem) die Unterstützung des behinderten Kindes über das Sozialamt-Niveau hinaus in der Weise, dass es ein Leben führen könne, „wie es der Mittelklasse in Deutschland entspricht“. Das bedeute Wohnen in einem Einzelzimmer einer Behinderteneinrichtung, Finanzierung moderner Kleidung und von Ferienmaßnahmen, Aktivitäten zur Integration, Unterstützung der Mobilität auch durch Ausflüge mit der notwendigen Begleitung. Zur Verwirklichung dieses und der weiteren genannten Ziele wurde Dauertestamentsvollstreckung auf die Lebenszeit angeordnet.</p>
<p><rd nr="3"/>Das Vermögen der Beteiligten zu 3 besteht im Wesentlichen aus deren Anteil am nicht auseinandergesetzten Nachlass des Verstorbenen. Das übrige Reinvermögen beläuft sich auf weniger als 25.000 €.</p>
<p><rd nr="4"/>Mit Kostenansatz vom 19.9.2017 hat das Amtsgericht - Betreuungsgericht - gegen die Beteiligte zu 3 einen Betrag von 200 € als Jahresgebühr 2017 nach Nr. 11101 KV GNotKG geltend gemacht.</p>
<p><rd nr="5"/>Die hiergegen vom Beteiligten zu 1 erhobene Erinnerung hat es mit Beschluss vom 26.1.2018 zurückgewiesen. Die wertabhängige Gebühr sei aus dem Wert des Vermögens ohne Rücksicht auf dessen Verwertbarkeit oder tatsächliche Verfügbarkeit zu ermitteln; mindernd zu berücksichtigen seien nur die in der Norm ausdrücklich bezeichneten Positionen, nämlich der Freibetrag von 25.000 € und die in <verweis.norm>§ 90 Abs. 2 Nr. 8 <v.abk ersatz="SGB XII">SGB XII</v.abk></verweis.norm> genannten Vermögenswerte. Mittellosigkeit im Sinne der betreuungsrechtlichen Vergütungsvorschriften stehe dem Ansatz von Gerichtskosten nicht entgegen. Gemäß Anregung der Beteiligten zu 2, der zuständigen Bezirksrevisorin als Vertreterin der Staatskasse, hat das Amtsgericht die Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.</p>
<p><rd nr="6"/>Mit Beschluss vom 5.4.2018 hat das Landgericht durch die Kammer, auf die der Einzelrichter das Verfahren übertragen hat, die eingelegte Beschwerde zurückgewiesen. Für die Festsetzung der Jahresgebühr sei es nach den Bestimmungen des Kostenverzeichnisses, nämlich der Vorbemerkung 1.1 Abs. 1 sowie Nr. 11101 Abs. 1 KV GNotKG, unerheblich, ob der Betreute über das für die Wertfestsetzung heranzuziehende Vermögen verfügen könne oder ob er aus dem Vermögen ein Einkommen beziehe, das eine Bezahlung der festgesetzten Gebühr ermögliche. Die weitere Beschwerde hat es zugelassen.</p>
<p><rd nr="7"/>Gegen diese Entscheidung wendet sich der Beteiligte zu 1 mit der weiteren Beschwerde. Er meint, dass die Beteiligte zu 3 keine Gerichtskosten zu tragen habe, da gemäß Leistungsbescheid die Voraussetzungen für Sozialhilfe vorlägen. Die Beteiligte zu 3 sei mittellos. Als nicht befreite Vorerbin habe sie lediglich einen Anspruch auf Auskehr von Früchten, welche der gebundene Nachlass aber nicht abwerfe. Zudem habe sie aufgrund der Testamentsvollstreckung keinen Zugriff auf etwaige Erträge.</p>
<p><rd nr="8"/>Die Beteiligte zu 2 verweist wegen ihres abweichenden Gesetzesverständnisses auf die der Verwaltungspraxis zugrundeliegenden Richtlinien der bayerischen Bezirksrevisoren 2014, dort Nr. 276. Diese besagen unter Bezugnahme auf Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts (RPfleger 1997, 16) und des Landgerichts Koblenz (FamRZ 2006, 138), dass zum maßgeblichen Reinvermögen in vollem Umfang ererbtes, einer Testamentsvollstreckung unterliegendes Vermögen gehöre, auch bei einer nicht befreiten Vorerbschaft.</p>
<p><rd nr="9"/>Das Landgericht hat nicht abgeholfen.</p>
<p>II.</p>
<p><rd nr="10"/>Das Rechtsmittel hat Erfolg und führt zur ersatzlosen Aufhebung des angegriffenen Kostenansatzes.</p>
<p><rd nr="11"/>1. Die gemäß <verweis.norm>§ 81 Abs. 4 Satz 1 <v.abk ersatz="GNotKG">GNotKG</v.abk></verweis.norm> statthafte weitere Beschwerde ist zulässig erhoben. Sie wird gestützt auf die Rüge, die landgerichtliche Entscheidung beruhe auf einer Verletzung des Rechts, weil die dem Kostenansatz zugrunde liegende Gebührenvorschrift nicht richtig ausgelegt und angewendet worden sei, <verweis.norm>§ 81 Abs. 4 Satz 2 <v.abk ersatz="GNotKG">GNotKG</v.abk></verweis.norm> i.V.m. <verweis.norm>§ 546 <v.abk ersatz="ZPO">ZPO</v.abk></verweis.norm>.</p>
<p><rd nr="12"/>Der Beteiligte zu 1 hat das Rechtsmittel zwar nicht ausdrücklich für die Kostenschuldnerin - die Betreute - eingelegt, aber offenkundig in fremdem Interesse in Wahrnehmung seines Amtes als Betreuer. Die Einlegung von Rechtsmitteln in der vorliegenden Kostensache gehört zu der ihm übertragenen Aufgabe der Vermögenssorge und ist daher gemäß <verweis.norm>§ 1902 <v.abk ersatz="BGB">BGB</v.abk></verweis.norm> von seiner gesetzlichen Vertretungsmacht gedeckt. Das Rechtsschutzbedürfnis der Betreuten folgt aus deren Interesse an der Abwehr einer Belastung mit Gerichtskosten.</p>
<p><rd nr="13"/>Über das Rechtsmittel entscheidet der Senat, <verweis.norm>§ 122 Abs. 1 <v.abk ersatz="GVG">GVG</v.abk></verweis.norm>.</p>
<p><rd nr="14"/>2. Die weitere Beschwerde hat in der Sache Erfolg.</p>
<p><rd nr="15"/>Die Entscheidung des Landgerichts beruht auf einer Verletzung des Rechts. Nach Nr. 11101 Abs. 1 Satz 2 KV GNotKG (Anlage 1 zu <verweis.norm>§ 3 Abs. 2 <v.abk ersatz="GNotKG">GNotKG</v.abk></verweis.norm>) ist der Erbanteil der Betroffenen, der im Rahmen eines sog. Behindertentestaments mit einer Nacherbfolge und einer Testamentsvollstreckung beschwert ist, bei der Berechnung des Geschäftswerts für die Erhebung der Jahresgebühr nicht zu berücksichtigen. Für das während des Kalenderjahrs 2017 durchgeführte Betreuungsverfahren ist keine gerichtliche Gebühr in Rechnung zu stellen.</p>
<p><rd nr="16"/>a) Gemäß Nr. 11101 KV GNotKG ist eine wertabhängige Jahresgebühr für jedes angefangene Kalenderjahr einer Dauerbetreuung zu erheben, sofern die Betreuung (zumindest auch) unmittelbar das Vermögen oder Teile des Vermögens zum Gegenstand hat.</p>
<p><rd nr="17"/>Nach Vorbemerkung 1.1 Abs. 1 werden von dem Betroffenen Gebühren nur erhoben, wenn dessen Reinvermögen den Freibetrag von 25.000 € übersteigt, wobei die in <verweis.norm>§ 90 Abs. 2 Nr. 8 <v.abk ersatz="SGB XII">SGB XII</v.abk></verweis.norm> genannten Vermögenswerte nicht mitgerechnet werden. Berechnet wird die Jahresgebühr nach Nr. 11101 KV GNotKG gemäß Abs. 1 Satz 1 des Gebührentatbestands nach dem Wert des Betroffenenvermögens, soweit es nach diesen Vorgaben den Betrag von 25.000 € übersteigt. Ist Gegenstand der Betreuung allerdings nur ein Teil des Vermögens, so ist gemäß Abs. 1 Satz 2 des Gebührentatbestands höchstens dieser Teil des Vermögens zu berücksichtigen.</p>
<p><rd nr="18"/>b) Nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes kommt es somit für die Bemessung des Geschäftswerts zwar nicht darauf an, ob das Vermögen des Betreuten verwertbar oder verfügbar ist, wohl aber darauf, ob sich die Betreuung auf das gesamte Vermögen des Betreuten oder nur auf einen Teil desselben bezieht.</p>
<p><rd nr="19"/>Insoweit unterscheidet sich der Gebührentatbestand der Nr. 11101 KV GNotKG von den Bestimmungen des <verweis.norm>§ 92 Abs. 1 <v.abk ersatz="KostO">KostO</v.abk></verweis.norm> in der durch das Gesetz zur Reform des Rechts der Vormundschaft und Pflegschaft für Volljährige vom 12.9.1990 (BGBl. I S. 2002) ergangenen und der Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 24.7.1996, 3Z BR 116/96 (RPfleger 1997, 86) zugrunde liegenden Fassung. Nach dem Wortlaut der damals geltenden Bestimmung war der Wert des gerichtlichen Verfahrens in Betreuungssachen stets nach dem gesamten Vermögen des Betroffenen zu bemessen, selbst dann, wenn die Betreuung ausschließlich für Aufgabenkreise ohne vermögensrechtlichen Bezug eingerichtet war. Erst aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23.5.2006, 1 BvR 1484/99 (BVerfGE 115, 381) wurde <verweis.norm>§ 92 Abs. 1 <v.abk ersatz="KostO durch das Gesetz vom 22">KostO durch das Gesetz vom 22</v.abk></verweis.norm>.12.2006 (BGBl. I S. 3416) geändert. Mit den in Abs. 1 neu eingefügten Sätzen 3 und 4 wurde ausdrücklich bestimmt, dass sich der Verfahrenswert nur nach dem Wert eines Vermögensteils richtet, wenn Gegenstand der Betreuung lediglich dieser Teil des Vermögens ist, und dass eine Festgebühr nach näherer Maßgabe zu entrichten ist, wenn vom Aufgabenkreis nicht unmittelbar das Vermögen erfasst ist. Die mit Satz 3 eingeführte Beschränkung des Werts auf höchstens den Teil des Vermögens, der Gegenstand „der Maßnahme“, also der Betreuung, ist, entspricht der nun geltenden Beschränkung gemäß Abs. 1 des in Nr. 11101 KV GNotKG geregelten Gebührentatbestands.</p>
<p><rd nr="20"/>Die Begründung der Entscheidung vom 23.5.2006 (a. a. O.), mit dem die Verfassungswidrigkeit der damaligen Kostenvorschrift festgestellt wurde, stellt darauf ab, dass eine Ausrichtung der Gebühr an der Höhe des Vermögens bei solchen Dauerbetreuungen sachlich gerechtfertigt sei, die ausschließlich oder zumindest auch Vermögensangelegenheiten betreffen. Mit dem Wert des Vermögens steige typischerweise auch der Bearbeitungsaufwand, den das Gericht für die Kontrolle der das Vermögen betreffenden Maßnahmen des Betreuers zu erbringen habe. Überdies steige das Haftungsrisiko des Staats. Dies gelte in Fällen der alleinigen Personensorge nicht.</p>
<p><rd nr="21"/>Die daraufhin mit <verweis.norm>§ 92 Abs. 1 Satz 3 <v.abk ersatz="KostO">KostO</v.abk></verweis.norm> erlassene und in Nr. 11101 Abs. 1 Satz 2 KV GNotKG übernommene Beschränkung des Verfahrenswerts in Fällen der Dauerbetreuung mit unmittelbarem Bezug auf lediglich einen Teil des Betreutenvermögens gründet in dieser Verknüpfung zwischen der Höhe des von der Maßnahme betroffenen Vermögens und dem Bearbeitungsaufwand sowie Haftungsrisiko des Gerichts (vgl. BT-Drs. 16/3038 S. 53). Das Vermögen des Betreuten wird danach nur insoweit bei der Bewertung berücksichtigt, als es Gegenstand der Betreuung ist. Dabei kann sich eine Beschränkung auf einen Teil des Vermögens nicht nur aus einer ausdrücklichen Einschränkung im Bestellungsbeschluss (vgl. OLG Hamm Rpfleger 2015, 172), sondern auch „aus den Verhältnissen“ und dem Aufgabenkreis ergeben (so auch Korintenberg/Fackelmann GNotKG 20. Aufl. Nr. 11101 KV Rn. 37).</p>
<p><rd nr="22"/>c) Das der Betreuten über ein sog. „Behindertentestament“ als nicht befreiter Vorerbin zugewandte, der Dauerverwaltung durch einen Testamentsvollstrecker unterliegende Vermögen ist bei der Berechnung des Geschäftswerts, aus dem die Jahresgebühr nach Nr. 11101 KV GNotKG zu erheben ist, nicht zu berücksichtigen, denn dieser Teil des Betreutenvermögens unterliegt nicht der vom Betreuungsgericht zu kontrollierenden Verwaltung des Betreuers, sondern derjenigen des Testamentsvollstreckers.</p>
<p><rd nr="23"/>Dass es für die Bemessung der Jahresgebühr nach allgemeiner und zutreffender Meinung nicht darauf ankommt, ob das vom Aufgabenkreis der Vermögenssorge erfasste Vermögen verwertbar oder für den Betreuten verfügbar ist, ist für die Entscheidung der hier relevanten Frage nach dem Wert des Vermögens, auf das sich die Betreuung und daher die Kontrollaufgabe des Gerichts und dessen Haftungsrisiko beziehen, irrelevant. Die allein auf diese Gesichtspunkte abstellenden Entscheidungen (OLG Celle FamRZ 2017, 1083 m. zust. Anm. Weber NZFam 2017, 327; OLG Hamm FGPrax 2015, 278; OLG Köln, 2 Wx 66/09, juris; LG Hannover BeckRS 2016, 114752; LG Köln NJOZ 2015, 757; LG Koblenz, 2 T 174/05, juris; AG Köln BeckRS 2015, 8109) greifen daher zu kurz. Nichts anderes gilt für den teils beschrittenen Weg eines Wertkorrektivs durch Berücksichtigung des Werts der Nacherbenanwartschaft als Passivposten bei der Ermittlung des Reinvermögens (vgl. LG Kempten, 43 T 783/17, juris; LG Augsburg BtPrax 2017, 249 m. zust. Anm. Hofer BtPrax 2017, 232 ff. sowie Rpfleger 2018, 582 ff. und abl. Anm. Bestelmeyer Rpfleger 2018, 173 f.).</p>
<p><rd nr="24"/>Entscheidend ist vielmehr der Umstand, dass das Nachlassvermögen wegen der angeordneten Dauertestamentsvollstreckung im Sinne einer Verwaltungsvollstreckung (<verweis.norm>§ 2209 <v.abk ersatz="BGB) nicht von 34 Wx 165/18 Kost - Seite 6">BGB) nicht von dem für den Aufgabenkreis der Vermögenssorge bestellten Betreuer, sondern vom Testamentsvollstrecker verwaltet wird, der gemäß </v.abk></verweis.norm><verweis.norm>§ 2216 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 <v.abk ersatz="BGB">BGB</v.abk></verweis.norm> zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses und Einhaltung der vom Erblasser verfügten Verwaltungsanordnungen verpflichtet ist. Gegenstand der Betreuung im Bereich der Vermögenssorge ist wegen dieser gesetzlichen Zuständigkeit deshalb nicht unmittelbar das der Testamentsvollstreckung unterliegende Nachlassvermögen, sondern lediglich die Ausübung der Kontrollrechte (<verweis.norm>§ 2218 <v.abk ersatz="BGB">BGB</v.abk></verweis.norm>) und ggfls. die Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber dem Testamentsvollstrecker (<verweis.norm>§ 2217 Abs. 1, § 2219 Abs. 1 <v.abk ersatz="BGB">BGB</v.abk></verweis.norm>). Aus dieser gesetzlichen Zuständigkeitsverteilung folgt, dass das Vermögen der Betreuten nur hinsichtlich desjenigen Teils Gegenstand der dem Beteiligten zu 1 übertragenen Betreuung ist, der nicht der Testamentsvollstreckung unterliegt (vgl. LG München I, Beschluss vom 24.9.2018, 13 T 6648/18, nicht veröffentlicht; Waldner in Rohs/Wedewer GNotKG Stand 2018 KV Nr. 11101 Rn. 21; Kuchler in BeckOK-Kostenrecht 24. Edition KostO [aK] § 92 Rn. 20; Jürgens/Winterstein Betreuungsrecht 5. Aufl. Kostenverzeichnis Vorbemerkung Rn. 5; hierzu auch Hofer BtPrax 2017, 582/586; ablehnend: Korintenberg/Fackelmann GNotKG 20. Aufl. Vorbemerkung 1.1 Rn. 12). Dementsprechend ist auch die Kontrolltätigkeit des Betreuungsgerichts auf die Prüfung begrenzt, ob der Betreuer seiner Kontrollpflicht nachgekommen ist und bei festgestellten Beanstandungen die Rechte des Betreuten geltend gemacht hat. Die aufwändige Überprüfung der nachlassbezogenen Verwaltungstätigkeit selbst einschließlich der Belege und der Einzelheiten der periodischen Rechnungslegung, die sich hier nach <verweis.norm>§ 2218 Abs. 2 <v.abk ersatz="BGB">BGB</v.abk></verweis.norm> richtet, obliegt hingegen nicht dem Betreuungsgericht, sondern dem Betreuer als gesetzlichem Vertreter der Vorerbin oder gegebenenfalls einem Kontrollbetreuer (vgl. Ruby/Schindler Das Behindertentestament 3. Aufl. § 3 Rn. 17, 121 - 136, § 4 Rn. 37 - 39, § 5 Rn. 39 f., Rn. 54 -57).</p>
<p><rd nr="25"/>d) Nachdem das für die Wertberechnung somit maßgebliche Vermögen der Beteiligten zu 3 im Abrechnungszeitraum 2017 den Freibetrag von 25.000 € nicht überschreitet, sind Gebühren nach Nr. 11101 KV GNotKG nicht zu erheben. Weil auch kein anderer Gebührentatbestand einschlägig ist, insbesondere Nr. 11102 KV GNotKG nicht in Betracht kommt, sind der Kostenansatz des Amtsgerichts und die Entscheidung des Landgerichts über die Kostenbeschwerde ersatzlos aufzuheben.</p>
<p><rd nr="26"/>3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil Gerichtskosten nicht anfallen und außergerichtliche Kosten nicht erstattet werden, <verweis.norm>§ 81 Abs. 8 <v.abk ersatz="GNotKG">GNotKG</v.abk></verweis.norm>.</p>
<p><rd nr="27"/>Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben, <verweis.norm>§ 81 <v.abk ersatz="GNotKG">GNotKG</v.abk></verweis.norm>.</p>
</div>
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188,475 | vg-munster-2019-01-17-2-k-332017 | {
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<p>Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p>Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.</p>
<p>Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">T a t b e s t a n d:</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin begehrt die Erteilung eines Bauvorbescheides für die Erweiterung ihres Einzelhandels betreffend den Verkauf von Fahrrädern und Fahrradzubehör und Fahrradbekleidung.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Sie ist Eigentümerin eines baurechtlich genehmigten rd. 2039 m<sup>2</sup> großen Fachmarktstandortes – Fahrradeinzelhandel - auf dem Grundstück Gemarkung N.       Flur 000 Flurstück 00 (S.      -C.     -T.      0 - 0 in N.       ). Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 000 „T1.------straße – S.      -C.     -T.      “, der dort ein Sondergebiet mit Positivliste der zulässigen Einzelhandelsnutzungen festsetzt. Nach den textlichen Festsetzungen sind dort u.a. großflächige Einzelhandelsbetriebe mit der Warengruppe Fahrradbedarf zulässig. Der Anteil der Randsortimente darf allerdings nicht mehr als 10 % der jeweiligen Verkaufsfläche oder maximal 700 m<sup>2</sup> betragen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Nachdem ein an das Grundstück der Klägerin angrenzendes Ladenlokal mit 830 m<sup>2</sup> seit geraumer Zeit leersteht, möchte die Klägerin dieses Ladenlokal ihrer bereits vorhandenen Einzelhandelsfläche hinzufügen und eine Aufteilung ihres Sortiments vornehmen. Vor diesem Hintergrund stellte die Klägerin mit Schreiben vom 19. Januar 2016 bei der Beklagten einen Antrag auf Erteilung eines Bauvorbescheides zu folgenden Fragen: Sind der Abbruch der gekennzeichneten Gebäudeteile und die Neuaufteilung zulässig? Wird der aufgrund der erteilten Baugenehmigungen vermittelte Bestandsschutz dadurch berührt? Ist für die Nutzungserweiterung der Mietflächen eine Baugenehmigung erforderlich oder handelt es sich um ein genehmigungsfreies Vorhaben (z.B. aufgrund von § 65 Abs. 1 Nr. 8 der Landesbauordnung Nordrhein-Westfalen)?</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Ausgehend von dieser Bauvoranfrage beschloss der Rat der Stadt N.       am 16. März 2016 die Änderung des Bebauungsplans Nr. 000. Zur Begründung führte der Rat an: Angesichts der eingereichten Bauvoranfrage solle eine Anpassung der einzelhandelsbezogenen Festsetzungen des Bebauungsplans an die Zielsetzungen des in Fortschreibung befindlichen Einzelhandels- und Zentrenkonzepts der Stadt N.       erreicht werden. Hintergrund sei, dass das Sortiment Fahrräder am Standort S.      -C.     -Strasse/T1.------straße allgemein und ohne Größenbegrenzung zulässig sei, obwohl es gemäß der N1.        Sortimentsliste zentren- und innenstadtrelevant sei. Es solle geprüft werden, ob eine Anpassung des Planungsrechts an die Zielsetzungen des Einzelhandelskonzeptes erforderlich sei. Der Aufstellungsbeschluss wurde samt einer Karte des Plangebietes im Amtsblatt der Stadt N.       vom 24. März 2016 veröffentlicht.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Nach vorheriger Anhörung der Klägerin setzte die Beklagte die Entscheidung über deren Bauvoranfrage durch Bescheid vom 18. April 2016 für einen Zeitraum von 12 Monaten aus. Gleichzeitig ordnete die Beklagte die sofortige Vollziehung des Zurückstellungsbescheides an, um die Planungsabsichten durch zwischenzeitliche Bauaktivitäten oder Nutzungsänderungen nicht zu erschweren oder zu behindern.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Hiergegen hat die Klägerin vor dem erkennenden Gericht am 19. Mai 2016 Klage (2 K 1885/16) erhoben, die jedoch am 17. Mai 2017 eingestellt wurde, nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit für in der Hauptsache übereinstimmend erledigt erklärt hatten.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Hintergrund hierfür war, dass der Rat der Stadt N.       am 22. März 2017 die Veränderungssperre Nr. 000 als Satzung beschloss und diese im Amtsblatt der Stadt N.       vom 31. März 2017 bekannt machte. Nach § 4 der Satzung tritt diese am Tage nach ihrer Bekanntmachung in Kraft und außer Kraft, sobald und soweit für ihren Geltungsbereich die Bauleitplanung rechtsverbindlich abgeschlossen sei, unter Berücksichtigung eines zurückgestellten Bauantrages jedoch spätestens am 18. April 2018.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Durch Bescheid vom 10. April 2017 lehnte die Beklagte die Bauvoranfrage der Klägerin zur Erweiterung der Verkaufsfläche eines Fahrradmarktes ab, da die vom Rat erlassene Veränderungssperre Nr. 00 dem Bauvorhaben entgegenstehe. Die Bauvoranfrage mit der Änderung eines bestehenden Fahrradfachmarktes von rd. 2050 m<sup>2</sup> um weitere 830 m<sup>2</sup> habe eine Änderung des Bebauungsplanes erforderlich gemacht. Wegen der Begründung wird auf den Inhalt des Ablehnungsbescheides verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Hiergegen hat die Klägerin am 12. Mai 2017 die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor: Die erlassene Veränderungssperre sei rechtswidrig. Es handele sich um eine reine Verhinderungsplanung. Für die Veränderungssperre Nr. 107 bestehe kein Sicherungsbedürfnis. Die mit der 1. Änderung in Aussicht genommene neue Planung des Bebauungsplans sei nicht hinreichend konkretisiert. Es sei bis dato nicht einmal ein Mindestmaß des Inhalts der beabsichtigten Planung erkennbar. Unter allen Betrachtungsweisen ergebe sich keine Veränderung für das Einzelhandels- und Zentrenkonzept der Beklagten aus dem Jahr 2009. Bleibe es bei der Eingruppierung des Warensortiments „Fahrräder und Zubehör“ sei nicht erkennbar, inwieweit sich hieraus Veränderungen für das Zentrenkonzept ergäben. Falle die Warengruppe aus dem Sortimentskatalog heraus, gebe es erst Recht keinen Grund für eine Anpassung. Bei der Planung des künftigen Gebietes seien auch ihre Interessen zu berücksichtigen. Es sei nicht ersichtlich, welcher Handlungsbedarf sich aus der Fortschreibung des Einzelhandelskonzeptes 2009 für die S.      -C.     -T.      ergebe. Die Veränderungssperre könne ihrer Bauvoranfrage deshalb nicht entgegengehalten werden. Damit komme es nur auf das bestehende Planungsrecht an. Die Bauvoranfrage entspreche den dort genannten Festsetzungen des bestehenden Bebauungsplans Nr. 000. Jedenfalls lägen die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahme von der Veränderungssperre gemäß § 14 Abs. 2 BauGB vor. Es gehe nicht um eine Neuansiedlung, sondern um die Erweiterung eines bereits durch langfristige Mietverträge an den Standort gebundenen Fachmarktes. Eine Gefährdung des Einzelhandels im Zentrum von N.       sei durch die Erweiterung ausgeschlossen wie sich aus dem „Monitoring-Bericht zur Einzelhandelsentwicklung in N.       2010“ ergebe. Die großen Fahrradfachmärkte lägen alle außerhalb der zentralen Versorgungsbereiche. Dies werde auch durch ein von ihr in Auftrag gegebenes Gutachten bestätigt.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Der Rat der Stadt N.       beschloss in seiner Sitzung vom 31. Januar 2018 die Verlängerung der Veränderungssperre Nr. 000 um ein Jahr bis zum 18. April 2019. Den Verlängerungsbeschluss machte die Beklagte in ihrem Amtsblatt vom 9. Februar 2018 öffentlich bekannt.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">die Beklagte unter Aufhebung ihres Ablehnungsbescheides vom 10. April 2017 zu verpflichten, ihr auf ihren Antrag vom 19. Januar 2016 den beantragten Bauvorbescheid zu erteilen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin wie folgt entgegen: Der Bauvoranfrage stünden öffentliche-rechtliche Vorschriften entgegen. Das Bauvorhaben liege im Geltungsbereich der Veränderungssperre Nr. 000. Diese sei wirksam und lasse auch ein Mindestmaß an Planungsabsichten erkennen. Die Anpassung vorhandener Bebauungspläne an ein zwischenzeitlich fortgeschriebenes Einzelhandelskonzept sei nicht offensichtlich rechtswidrig, sondern eine legitime städtebauliche Änderungsabsicht. Sowohl bei der Erst-, als auch bei der Änderungsplanung hänge das Maß der Gestaltungsfreiheit der Gemeinde vor dem Hintergrund der gebotenen Erforderlichkeit immer von den Umständen des Einzelfalles ab. Auch in der Vorlage zur Fortschreibung des Einzelhandels- und Zentrenkonzeptes N.       vom 23. Februar 2015 werde darauf hingewiesen, dass die allgemein zulässigen Sortimente nicht mehr mit dem aktuellen Einzelhandelskonzept übereinstimmten. Eine Ausnahme nach § 14 Abs. 2 BauGB liege nicht vor, da durch den Antragsgegenstand die Planungsziele negativ berührt werden. Das Bauleitplanverfahren sei noch nicht abgeschlossen, so dass zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht feststehe, wie die späteren Regelungen aussähen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1, 2. Alt. VwGO) ist zulässig, aber nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung einer positiven Bescheidung ihrer Bauvoranfrage, da der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 10. April 2017 nicht rechtswidrig ist und die Klägerin nicht in eigenen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 S. 2, Abs. 1 S. 1 VwGO).</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Gemäß § 71 Abs. 2 i.V.m. 75 Abs. 1 S. 1 BauO NRW ist ein Bauvorbescheid zu erteilen, wenn dem Vorhaben öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen. Diese Voraussetzung liegt jedoch nicht vor. Denn dem Bauvorhaben der Klägerin stehen bauplanungsrechtliche Vorschriften entgegen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Der beantragten Erteilung eines Bauvorbescheides der Klägerin steht im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung als der für eine Verpflichtungsklage maßgeblichen Sach- und Rechtslage die vom Rat der Stadt N.       am 22. März 2017 beschlossene und auf den 18. April 2019 verlängerte Veränderungssperre Nr. 107 als öffentlich-rechtliche Vorschrift entgegen.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die als Satzung beschlossene Veränderungssperre ist wirksam.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Bedenken in formeller Hinsicht sind weder vorgetragen worden noch ersichtlich.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die Veränderungssperre ist auch in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Ist - wie hier - ein Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans gefasst – so am 16. März 2016 -, kann die Gemeinde zur Sicherung der Planung für den künftigen Planbereich eine Veränderungssperre beschließen (§ 14 Abs. 1 BauGB). Auch das Ziel, einen Bebauungsplan zu ändern, erlaubt es der Gemeinde, sich des Sicherungsmittels der Veränderungssperre zu bedienen (§ 1 Abs. 8 BauGB).</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Urt. v. 30. September 1992 Az. 4 NB 35/92 BayVBl 1993, 283.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Als Sicherungsmittel ungeeignet ist eine Veränderungssperre nur dann, wenn sich das aus dem Aufstellungsbeschluss ersichtliche Planungsziel im Wege planerischer Festsetzung nicht erreichen lässt, wenn der beabsichtigte Bauleitplan einer positiven Planungskonzeption entbehrt und der Förderung von Zielen dient, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuchs nicht bestimmt sind, oder wenn rechtliche Mängel schlechterdings nicht behebbar sind.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Beschl. v. 21. Dezember 1993 - 4 NB 40/93 -, NVwZ 1994, 685; BayVGH, Urt. v. 3. März 2003 - 15 N 02.593 -, BayVBl 2004, 239.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Da die nachteiligen Wirkungen der Veränderungssperre - auch vor dem Hintergrund des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG - nicht erträglich wären, wenn sie zur Sicherung einer Planung dienen sollte, die sich in ihrem Inhalt noch in keiner Weise absehen lässt, darf eine Veränderungssperre erst erlassen werden, wenn die Planung, die sie sichern soll, ein Mindestmaß dessen erkennen lässt, was Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplans sein soll, insbesondere muss die Gemeinde bereits positive Vorstellungen über den Inhalt des Bebauungsplans entwickelt haben.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Vgl. ständige Rspr, z.B. BVerwG, Urteil vom 10. September 1976 - BVerwG 4 C 39.74 - BVerwGE 51, 121 <128>; Beschluss vom 27. Juli 1990 - BVerwG 4 B 156.89 - ZfBR 1990, 302; Beschl. v. 25. November 2003 - BVerwG 4 BN 60.03 -, Urt. v. 19. Februar 2004 - 4 CN 16/03 -, NVwZ 2004, 858.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Eine strikte Akzessorietät zwischen konkreten Planungsabsichten der Gemeinde und der Rechtmäßigkeit der Veränderungssperre besteht nicht. Es ist gerade deren Sinn, vorhandene planerische Ziele zu sichern und deren weitere Entwicklung zu ermöglichen. Grundsätzlich ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dass die Gemeinde im Zeitpunkt des Erlasses einer Veränderungssperre zumindest Vorstellungen über die Art der beabsichtigten baulichen Nutzung besitzt, sei es, dass sie einen bestimmten Baugebietstyp, sei es, dass sie nach den Vorschriften des § 9 Abs. 1 BauGB festsetzbare Nutzungen ins Auge gefasst hat.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29. August 2013 - 2 B 875/13 -, juris.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Wesentlich ist dabei, dass die Gemeinde bereits positive Vorstellungen über den Inhalt des Bebauungsplans entwickelt hat. Eine Negativplanung, die sich darin erschöpft, einzelne Vorhaben auszuschließen, reicht nicht aus. Denn wenn Vorstellungen über die angestrebte Art der baulichen Nutzung der betroffenen Grundflächen fehlen, ist der Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplans noch offen. Die nachteiligen Wirkungen der Veränderungssperre wären - auch vor dem Hintergrund des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG - nicht erträglich, wenn sie zur Sicherung einer Planung dienen sollte, die sich in ihrem Inhalt noch in keiner Weise absehen lässt.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Urteil vom 10. September 1976 - BVerwG 4 C 39.74 - BVerwGE 51, 121 <128>; Beschluss vom 5. Februar 1990 - BVerwG 4 B 191.89 - ZfBR 1990, 206.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Ein Mindestmaß an konkreter planerischer Vorstellung gehört auch zur Konzeption des § 14 BauGB. Nach seinem Absatz 2 Satz 1 kann eine Ausnahme von der Veränderungssperre zugelassen werden, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Ob der praktisch wichtigste öffentliche Belang, nämlich die Vereinbarkeit des Vorhabens mit der beabsichtigten Planung, beeinträchtigt ist, kann aber nur beurteilt werden, wenn die planerischen Vorstellungen der Gemeinde nicht noch völlig offen sind.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Gemessen an diesen Maßstäben greifen die von der Klägerin für die Ungültigkeit der Veränderungssperre der Beklagten vorgetragenen Argumente nicht durch. Die Veränderungssperre Nr. 000 hat das OVG NRW bereits in einem anderen Klageverfahren geprüft und für rechtswirksam gehalten.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urt. v. 5. Juni 2017 – 7 A 197/15 -, juris Rn. 23 ff.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Das planerische Konzept der Beklagte ließ im Zeitpunkt des Erlasses der Veränderungssperre Nr. 000 das zu fordernde Mindestmaß dessen erkennen, was Inhalt der zu erwartenden Änderung des Bebauungsplans Nr. 000 sein soll. Die notwendige Konkretisierung der Planung kann sich aus den Niederschriften der Gemeinderatsmitglieder, aber auch aus allen anderen erkennbaren Unterlagen und Umständen ergeben.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Beschl. v. 1. Oktober 2009 – 4 BN 34/09 -, NVwZ 2010, 42; OVG NRW, Urt. v. 8. Mai 2018 – 2 D 44/17.NE -, juris Rn. 38.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Aus der öffentlichen Beschlussvorlage vom 24. Januar 2017 (Beiakte – Heft 1 – S. 201) ergibt sich, dass „mit der Änderung des Bebauungsplans Nr. 000 … eine Anpassung der einzelhandelsbezogenen Festsetzungen des Bebauungsplans an die Zielsetzungen des in Fortschreibung befindlichen Einzelhandels- und Zentrenkonzepts N.       erreicht werden“ soll. Da der Antrag auf Bauvorbescheid zur Erweiterung des bereits bestehenden zentrentypischen Fachmarktes diesen Zielvorstellungen widerspricht, sah sich der Plangeber veranlasst, eine Veränderungssperre zu erlassen, damit seine Planungsabsichten nicht behindert oder erschwert werden.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Die Rüge der Klägerin, dass das Vorhaben zu keiner Veränderung des Einzelhandels- und Zentrenkonzeptes der Stadt N.       führe, greift nicht durch. Zwar wird das Zentrenkonzept der Beklagten durch die Erweiterung des Fahrradfachmarktes nicht in Frage gestellt, aber der Bebauungsplan Nr. 000 soll insoweit gerade an die bauleitplanerische Zielvorstellung der Gemeinde angepasst werden. Das der Änderungsplanung zugrundeliegende Einzelhandelskonzept soll nach den Vorstellungen des Planungsgebers zur Sicherung des Einzelhandels im Zentrum konsequent auch für die außerhalb der Stadt vorhandenen Einzelhandelsnutzungen angewandt werden. Ein von der Gemeinde auf der Grundlage von § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB beschlossenes Einzelhandelskonzept hat sich dabei nicht auf die Beschreibung des Faktischen zu beschränken, sondern soll der Gemeinde bei der Aufstellung oder Änderung von Bebauungsplänen i.S.v. § 9 Abs. 2 a Satz 2 BauGB auch dazu dienen, zu entwickelnde zentrale Versorgungsbereiche festzulegen und diese durch eine begleitende Bauleitplanung zu sichern.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">vgl. dazu OVG NRW, Urteil vom 6. November 2008 - 10 A 1512/07 -, S. 16</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Die Planungsabsicht weist damit auch ein Mindestmaß an inhaltlichen Vorstellungen auf, die durch den geänderten Bebauungsplan Nr. 000 verwirklicht werden sollen, wenn dieser an das Einzelhandels- und Zentrenkonzept der Stadt N.       angepasst werden soll. Danach sollen Geschäfte, die solche Waren an den Endverbraucher verkaufen, die typischerweise in zentralen Lagen/Zentren (hier: Innenstadt) vertreten sind, aus dem Plangebiet künftig herausgehalten werden. Ziel und Zweck der Planung ist daher eine vollständige oder teilweise Beschränkung des Einzelhandels im Plangebiet auf Waren, die im Allgemeinen nicht für zentrale Lagen kennzeichnend sind. Die Einzelheiten der Planung und detaillierte Ausführungen zum konkreten Umfang der beabsichtigten Beschränkungen unter Berücksichtigung des Bestandsschutzes können in dieser frühen Phase der Planung noch nicht verlangt werden.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urt. v. 5.. Juli 2017 – 7 A 197/15 –, juris Rn. 29.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Dass die Anpassung an ein in Fortschreibung befindliches Einzelhandels- und Zentrenkonzept grundsätzlich möglich ist, hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen nicht nur allgemein, sondern explizit für den Fall des Bebauungsplans Nr. 000 im Hinblick auf das Einzelhandels- und Zentrenkonzept der Beklagten festgestellt.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Vgl, OVG NRW, a.a.O.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Die Veränderungssperre dient nicht allein der Verhinderung der Vergrößerung des Fahrrad-Fachmarkthandels auf dem Grundstück der Klägerin. Vielmehr dient die von der Klägerin gestellte Bauvoranfrage zur Erweiterung des vorhandenen Fahrradfachmarktes der Beklagten als Initiativgrundlage, um den bestehenden Bebauungsplan Nr. 000 an die Zielsetzungen des in Fortschreibung befindlichen Einzelhandels- und Zentrenkonzeptes der Stadt N.       anzupassen. Diese Anpassung des Bebauungsplans kann im Sinne des § 1 Abs. 3 S. 1 BauGB erforderlich sein und mit den Mitteln des § 9 Abs. 1 BauGB festgesetzt werden.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Nicht erforderlich im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB sind nur solche Bebauungspläne, die einer positiven Planungskonzeption entbehren und ersichtlich der Förderung von Zielen dienen, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuchs nicht bestimmt sind. Davon ist u. a. auszugehen, wenn eine positive Zielsetzung nur vorgeschoben wird, um eine in Wahrheit auf bloße Verhinderung gerichtete Planung zu verdecken. Ein solcher Fall ist aber nicht schon dann gegeben, wenn der Hauptzweck der Festsetzungen in der Verhinderung bestimmter städtebaulich relevanter Nutzungen besteht.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Beschl. v. 15. März 2012 - 4 BN 9/12 -, BauR 2012, 1067.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Insbesondere gibt es kein generelles Verbot negativer Festsetzungen. Positive Planungsziele können nicht nur durch positive, sondern auch durch negative Beschreibungen, etwa zur Abgrenzung und zur genaueren Beschreibung des Gewollten, festgesetzt werden. Der Gemeinde ist es auch nicht verwehrt, auf Bauanträge oder Bauvoranfragen mit der Aufstellung eines Bebauungsplans zu reagieren, der ihnen die materielle Rechtsgrundlage entzieht. Auch eine zunächst nur auf die Verhinderung einer - aus der Sicht der Gemeinde - Fehlentwicklung gerichtete Planung kann einen Inhalt haben, der rechtlich nicht zu beanstanden ist.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Beschl. v. 18. Dezember 1990 - 4 NB 8/90 -, BayVBl 1991, 280</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Der Beklagten geht es um die Erhaltung ihrer Innenstadt als handelsgeprägtes Einkaufszentrum. Deshalb sollen für das außerhalb der Innenstadt gelegene Sondergebiet an der S.      -C.     -T.      /T1.------straße zentrenrelevante Sortimente auf Grundlage ihres Einzelhandelkonzepts ausgeschlossen werden. Damit verfolgt die Beklagte (positive) städtebauliche Ziele, ihren zentralen Versorgungsbereich „Innenstadt“ zu erhalten und zu entwickeln (§ 1 Abs. 6 Nr. 4 BauGB) und die Ergebnisse des von ihr beschlossenen städtebaulichen Zentrenkonzeptes umzusetzen (§ 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB). Darin liegt zugleich die städtebauliche Rechtfertigung für ihre Planung. Die Stärkung der Zentren durch Konzentration von Einzelhandelsnutzungen ist ein Ziel, das den Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben (bzw. Sortimentsbeschränkungen) in nicht zentralen Lagen städtebaulich rechtfertigen kann.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Beschl. v. 10. November 2004 - 4 BN 33/04 -, BauR 2005, 818 zur innerstädtischen Kernzone; BVerwG, Urt. v. 26. März 2009 - 4 C 21/07 -, NVwZ 2009, 1228 zu Stadtbezirks- und Ortsteilzentren).</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Die Beschränkung auf bestimmte nicht-zentrenrelevante Sortimente lässt sich auch mit den Mitteln der Bauleitplanung verwirklichen. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB kann die Art der baulichen Nutzung im Bebauungsplan aus städtebaulichen Gründen festgesetzt werden. Besondere Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung können, sofern es bei einem Sondergebiet nach § 11 Abs. 2 BauGB verbleiben sollte, unmittelbar nach § 11 Abs. 2 Satz 1  BauNVO getroffen werden.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Beschl. v. 9. Februar 2011 – 4 BN 43/10 -, BauR 2011, 1118 = juris Rn. 12.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollsteckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11, 711 ZPO.</p>
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<p/><p>Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 09.12.2016 wird hinsichtlich der Ziffern 1, 3, 4, 5 und 6 aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.</p><p>Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.</p>
<h2>Tatbestand</h2>
<table><tr><td> </td><td> <table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>1 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="1"/>Die Kläger begehren die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>2 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="2"/>Die Kläger Ziffer 1 und 2, geboren 1971 bzw. 1976, sind die Eltern der 2005, 2007 bzw. 2009 geborenen Kläger Ziffer 3, 4 und 5. Die Kläger sind Staatsangehörige der Russischen Föderation, russischer Volkszugehörigkeit, Zeugen Jehovas und am 08.09.2014 auf dem Luftweg von Moskau aus in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Am 03.11.2014 stellten sei förmliche Asylanträge.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>3 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="3"/>Die Kläger legten dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (nachfolgend: Bundesamt) verschiedene Unterlagen über den Umgang russischer Behörden mit Zeugen Jehovas vor.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>4 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="4"/>Bei seiner persönlichen Anhörung gemäß § 35 AsylG am 19.07.2016 in Karlsruhe gab der Kläger Ziffer 1 zu seinen Asylgründen im Wesentlichen an, er und seine Familie seien Zeugen Jehovas. Er sei von Tür zu Tür gegangen und habe Leute angesprochen. Er sei oft beleidigt und bedroht worden. Sie seien auch bedroht worden, als er mit seiner Frau mit einem Rollenständer auf der Straße gestanden habe. Es habe immer öfter Festnahmen durch die Polizei und auch Geldstrafen gegen Zeugen Jehovas gegeben. Sie selbst seien nicht festgenommen bzw. Geldstrafen gegen sie verhängt worden. Konkreter Anlass für ihre Ausreise sei letztlich ein Vorfall vom 03.07.2014 gewesen, als eine Glaubensschwester in Stari Osgol mit über 80 Messerstichen zusammengestochen worden sei. Seit diesem Vorfall habe er nicht mehr schlafen können. Er habe vier kleine Kinder, die auch in der Schule nicht mehr glücklich gewesen seien. Sie seien dort u.a. als Sektanten beschimpft worden. Seine ältere Tochter habe aus diesem Grund auch Probleme mit den Nerven bekommen und sein Sohn sei von einem Mitschüler geschlagen worden und die anderen Mitschüler hätten ihm nicht geholfen, obwohl sie den Vorfall mitbekommen hätten. Ein Umzug innerhalb der Russischen Föderation hätte nichts gebracht, weil Zeugen Jehovas überall in Russland dasselbe Problem hätten. Bei einer Rückkehr dorthin befürchte er, dass er gleich am Flughafen festgenommen werde, weil sie Zeugen Jehovas seien. Man werde ihm die elterliche Sorge entziehen. Wenn er ins Gefängnis komme, werde er bald tot sein, weil er einer anderen Religion angehöre als die Christen dort. Er wisse nicht, was mit seinen Kindern passiere. Wahrscheinlich kämen sie ins Waisenhaus oder es geschehe Anderes mit ihnen. Was mit seiner Frau passiere, könne er sich nur schwer vorstellen. Ins Gefängnis werde er kommen, weil die Literatur, die sie verteilten, als extremistisch eingestuft worden sei. Daher werde er als Extremist angesehen und müsse eingesperrt werden. Seit ihrer Ausreise habe sich die Situation nochmals wesentlich verschlechtert. Zeugen Jehovas hätten immer eine Bibel dabei. Wenn er jetzt in Russland mit einer Bibel auf die Straße gehe, werde er dort gleich festgenommen. Zeugen Jehovas würden in Russland als Objekt für Bestrafungen ausgesucht. Die Polizei helfe ihnen nicht und die Gerichte entschieden gegen sie. Nach dem neuen Gesetz Jarowoja könne er bis zu 15 Jahre Gefängnis bekommen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>5 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="5"/>Die Klägerin Ziffer 2 gab bei ihrer persönlichen Anhörung gemäß § 25 AsylG am 19.07.2016 in Karlsruhe ebenfalls an, Zeugin Jehovas zu sein. Wegen ihrer Zugehörigkeit zu den Zeugen Jehovas seien sie verfolgt worden. Das sei ihr Asylgrund. Ihre Kinder würden ebenfalls in diesem Glauben erzogen. Ihnen sei in ihrem Herkunftsland u.a. die Festnahme, Gefängnis und die Entziehung des Sorgerechts für ihre Kinder angedroht worden.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>6 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="6"/>Mit Bescheid vom 09.12.2016, dem Verfahrensbevollmächtigten der Kläger am 12.12.2016 zugestellt, lehnte das Bundesamt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziff. 1), die Anerkennung als Asylberechtigte (Ziff. 2) sowie die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziff. 3) gegenüber den Klägern ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziff. 4) und forderte die Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung bzw. nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen, andernfalls würden sie in die Russische Föderation abgeschoben (Ziff. 5). Schließlich befristete das Bundesamt das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziff. 6). Zur Begründung führte das Bundesamt insbesondere aus, es sei den Klägern nicht gelungen, substantiiert darzustellen, inwiefern für sie als Zeugen Jehovas eine individuelle persönliche Gefahr bestehe. Sie hätten nicht vermocht, stichhaltige Nachweise einer real existierenden Bedrohung, welche über das Maß hinausgehe, das andere Zeugen Jehovas zu erdulden hätten, vor- bzw. darzulegen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>7 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="7"/>Am 20.12.2016 haben die Kläger anwaltlich vertreten Klage zum Verwaltungsgericht Sigmaringen erhoben. Zur Begründung wiederholen und vertiefen sie im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen und legen weitere Unterlagen vor, denen zu entnehmen sei, dass nach der aktuellen Situation in der Russischen Föderation hinsichtlich der aktiven Mitglieder der Zeugen Jehovas von einer landesweiten Verfolgung auszugehen sei. Es sei ihnen nicht zuzumuten, auf die grundlegenden Glaubensbekundungen oder Glaubensbetätigungen zu verzichten, um eine Verfolgung zu vermeiden. Entgegen der Auffassung der Beklagten würden Mitglieder der Zeugen Jehovas auch allein wegen ihrer Zugehörigkeit zu dieser Gruppe vom Herkunftsstaat verfolgt. Gegenwärtig sei die Religionsgemeinschaft sogar verboten. Ein interner Schutz stehe ihnen nicht zur Verfügung.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>8 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="8"/>Die Kläger beantragen,</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>9 </td></tr></table></td><td><table style="margin-left:6pt"><tr><td><rd nr="9"/>den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 09.12.2016 in Ziffern 1, 3, 4, 5 und 6 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihnen die Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen, weiter hilfsweise ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 / Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>10 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="10"/>Die Beklagte beantragt,</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>11 </td></tr></table></td><td><table style="margin-left:6pt"><tr><td><rd nr="11"/>die Klage abzuweisen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>12 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="12"/>Zur Begründung bezieht sie sich auf die angefochtene Entscheidung und führt ergänzend insbesondere aus, dass es unstreitig sei, dass der Kläger Ziffer 1 aktives Mitglied der Zeugen Jehovas sei und dass sich die Situation für die Anhänger der Religion in der Russischen Föderation seit der Gerichtsentscheidung des Obersten Gerichts der Russischen Föderation aus dem Jahr 2017 über das Verbot dieser Religionsgemeinschaft offiziell verschlechtert habe. Jedoch könne der internationale Schutz nur aufgrund konkreter individueller Verfolgungsschicksale, mithin einer Verfolgungshandlung in jedem konkreten Fall, zuerkannt werden. Weder aus der ersten Anhörung der Kläger Ziffer 1 und 2 noch aus ihrer erneuten Anhörung beim Bundesamt während des Klageverfahrens am 21.12.2017 ließen sich Anhaltspunkte für eine persönliche Bedrohung der Kläger entnehmen. Die Schilderung der Gesamtsituation betreffend die Zeugen Jehovas in Russland seitens des Verfahrensbevollmächtigten der Kläger in Form von Überreichen von Gerichtsentscheidungen oder Pressemitteilungen trage nicht dazu bei, dass eine konkrete Verfolgung hier vorliege. Allein die Zugehörigkeit zu der Religionsgemeinschaft sei für die Zuerkennung des internationalen Schutzes nicht ausreichend (VG Regensburg, Urt. v. 24.10.2017 – RO 9 K 17.34747). Eine Gruppenverfolgung allein wegen der Zugehörigkeit zu den Zeugen Jehovas sei nach derzeitigem Kenntnisstand des Bundesamts nicht anzunehmen und eine persönliche Vorverfolgung der Kläger nicht festzustellen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>13 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="13"/>Ergänzend haben die Kläger ein ärztliches Attest des Dr. D.-W. vom 12.09.2018 vorgelegt, wonach bei der Klägerin Ziffer 2 eine posttraumatische Belastungsstörung, Angst bzw. depressive Störung gemischt, eine mittelgradige depressive Episode sowie eine Hypomanie diagnostiziert wurde. Weiter haben sie zwei Bescheinigungen der Jehovas Zeugen Deutschland vom 17.12.2018 vorgelegt, wonach den Klägern Ziffer 1 und 2 bescheinigt wurde, dass sie 2006 bzw. 1996in Russland als Zeugen Jehovas getauft wurden, derzeit Mitglied der Jehovas Zeugen Versammlung R.-R. sind und sich aktiv am Predigtdienst der Versammlung beteiligen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>14 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="14"/>Mit Beschluss vom 12.01.2018 hat die Kammer den Rechtsstreit der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>15 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="15"/>Mit Schriftsatz des Verfahrensbevollmächtigten der Kläger vom 15.01.2019 und allgemeiner Prozesserklärung der Beklagten vom 27.06.2017 haben die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>16 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="16"/>Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Rechtsstreits wird auf die Gerichtsakte sowie auf die übersandte elektronische Verwaltungsakte des Bundesamts ergänzend Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der Entscheidung.</td></tr></table>
</td></tr></table>
<h2>Entscheidungsgründe</h2>
<table><tr><td> </td><td><table><tr><td/></tr></table></td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>17 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="17"/>Die Entscheidung ergeht gemäß § 76 Abs. 4 Satz 1 AsylG durch die Einzelrichterin, da kein Fall des § 76 Abs. 4 Satz 2 AsylG vorliegt.</td></tr></table></td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>18 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="18"/>Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet das Gericht ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).</td></tr></table></td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>19 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="19"/>Die zulässige Klage ist bereits im Hauptantrag begründet.</td></tr></table></td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>20 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="20"/>Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 09.12.2016 ist, soweit er hier allein streitgegenständlich ist, also hinsichtlich der Ziffern 1, 3, 4, 5 und 6, aufzuheben, da er insoweit rechtswidrig ist. Die Kläger haben im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 Abs. 1 Satz 1 zweiter HS AsylG) einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).</td></tr></table></td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>21 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="21"/>Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, wenn er Flüchtling im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG ist. Danach ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will.</td></tr></table></td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>22 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="22"/>Die Verfolgungsfurcht ist begründet im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG, wenn dem Antragsteller bei verständiger Würdigung der Gesamtumstände des Falles Verfolgung tatsächlich, d.h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit, droht, wobei bei der Vorverfolgte durch eine Beweiserleichterung privilegiert wird dergestalt, dass für diesen die tatsächliche (widerlegbare) Vermutung streitet, dass sich die verfolgungsbegründenden Umstände bei der Rückkehr erneut realisieren werden. Dadurch wird (allein) der Vorverfolgte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden Umstände bei der Rückkehr erneut realisieren werden (vgl. Haderlein in: Heusch/Haderlein/Schönenbroicher, Das neue Asylrecht, 2016, Rn. 41).</td></tr></table></td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>23 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="23"/>Der Begriff Religion im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG umfasst nach § 3b Abs. 1 Nr. 2 AsylG insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind. Als Gruppe im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG gilt gemäß § 3b Abs. 1 Nr. 4a AsylG insbesondere eine bestimmte soziale Gruppe, wenn die Mitglieder dieser Gruppe eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen ist, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten.</td></tr></table></td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>24 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="24"/>Als Verfolgung im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG gelten gemäß § 3a Abs. 1 AsylG Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder Handlungen, die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher Weise betroffen ist. Als Verfolgung im Sinne des § 3a Abs. 1 AsylG können nach § 3a Abs. 2 Nr. 2 AsylG u.a. gesetzlich, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, gelten oder nach § 3a Abs. 2 Nr. 4 AsylG auch die Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung.</td></tr></table></td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>25 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="25"/>Eine Verfolgung im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG kann gemäß § 3c AsylG ausgehen von dem Staat, Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die vorgenannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor der Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.</td></tr></table></td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>26 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="26"/>Gemäß § 3e Abs. 1 AsylG wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslands keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.</td></tr></table></td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>27 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="27"/>Nach diesen Maßgaben haben die Kläger einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Sie befinden sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Religion bzw. ihrer Zugehörigkeit zu den Zeugen Jehovas, einer Gruppe i.S.v. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG, außerhalb ihres Herkunftslandes. Interner Schutz steht ihnen nicht zur Verfügung. Ihnen droht im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung im Sinne von §§ 3 Abs. 1, 3a AsylG.</td></tr></table></td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>28 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="28"/>Eine Verfolgung im Sinne o.g. Vorschriften kann in einer schwerwiegenden Verletzung des in Art. 10 Abs. 1 der Europäischen Grundrechtecharta (GRCh) verankerten Rechts auf Religionsfreiheit liegen, die den Betroffenen erheblich beeinträchtigt. Die „erhebliche Beeinträchtigung“ muss nicht schon eingetreten sein, es genügt bereits, dass ein derartiger Eingriff unmittelbar droht. Zu den Handlungen, die eine schwerwiegende Verletzung der Religionsfreiheit darstellen können, gehören nicht nur gravierende Eingriffe in die Freiheit, seinen Glauben im privaten Rahmen zu praktizieren, sondern auch solche in die Freiheit, diesen Glauben öffentlich zu leben. Ob eine Verletzung des durch Art. 10 Abs. 1 GRCh garantierten Rechts eine Verfolgungshandlung darstellt, richtet sich danach, wie gravierend die Maßnahmen und Sanktionen sind, die gegenüber dem Betroffenen ergriffen werden oder ergriffen werden können. Demnach kann es sich bei einer Verletzung des Rechts auf Religionsfreiheit um eine Verfolgung handeln, wenn der Asylbewerber aufgrund der Ausübung dieser Freiheit in seinem Herkunftsland u.a. tatsächlich Gefahr läuft, strafrechtlich verfolgt oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Ein hinreichend schwerer Eingriff in die Religionsfreiheit setzt nicht voraus, dass der Ausländer seinen Glauben nach Rückkehr in sein Herkunftsland tatsächlich in einer Weise ausübt, die ihn der Gefahr der Verfolgung aussetzt. Vielmehr kann bereits der unter dem Druck der Verfolgungsgefahr erzwungene Verzicht auf die Glaubensbetätigung die Qualität einer Verfolgung erreichen. Als relevanten subjektiven Gesichtspunkt für die Schwere der drohenden Verletzung der Religionsfreiheit ist der Umstand anzusehen, dass für den Betroffenen die Befolgung einer bestimmten gefahrträchtigen religiösen Praxis in der Öffentlichkeit zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig ist. Dem Umstand, dass die konkrete Form der Glaubensbetätigung (z.B. Missionierung) nach dem Selbstverständnis der Glaubensgemeinschaft, der der Schutzsuchende angehört, zu einem tragenden Glaubensprinzip gehört, kann dabei eine indizielle Wirkung zukommen. Maßgeblich ist aber, wie der einzelne Gläubige seinen Glauben lebt und ob die verfolgungsträchtige Glaubensbetätigung für ihn persönlich nach seinem Glaubensverständnis unverzichtbar ist. Der Maßstab, dass die Befolgung einer bestimmten religiösen Praxis zur Wahrung der religiösen Identität besonders wichtig ist, setzt nicht voraus, dass der Betroffene innerlich zerbrechen oder jedenfalls schweren seelischen Schaden nehmen würde, wenn er auf eine entsprechende Praktizierung seines Glaubens verzichten müsste. Jedoch muss die konkrete Glaubenspraxis für den Einzelnen ein zentrales Element seiner religiösen Identität und in diesem Sinne für ihn unverzichtbar sein. Es reicht nicht aus, dass der Asylbewerber eine enge Verbundenheit mit seinem Glauben hat, wenn er diesen – jedenfalls im Aufnahmemitgliedstaat – nicht in einer Weise lebt, die ihn im Herkunftsstaat der Gefahr der Verfolgung aussetzen würde. Maßgeblich für die Schwere der Verletzung der religiösen Identität ist die Intensität des Drucks auf die Willensentscheidung des Betroffenen, seinen Glauben in einer für ihn als verpflichtend empfundenen Weise auszuüben oder hierauf wegen der drohenden Sanktionen zu verzichten. Die Tatsache, dass er die unterdrückte religiöse Betätigung seines Glaubens für sich selbst als verpflichtend empfindet, um seine religiöse Identität zu wahren, muss der Asylbewerber zur vollen Überzeugung des Gerichts nachweisen (zu alledem: VG Hamburg, Urt. v. 27. Juni 2018 – 17 A 2777/18 –, juris Rn. 17 ff. unter Verweis auf BVerwG, Urt. v. 20.02.2013 – 10 C 23/12 –).</td></tr></table></td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>29 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="29"/>Nach diesen Maßstäben ist den Klägern die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.</td></tr></table></td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>30 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="30"/>Bestimmte religiöse Gruppen, so auch die Zeugen Jehovas, sind aufgrund ihres Glaubens zur Zielscheibe der russischen Behörden geworden. Man stützt sich hier vor allem auf das Extremismusgesetz (das sog. Yarovaya-Gesetz). Im Zuge dieser Extremismusgesetzgebung wurden u.a. auch private religiöse Reden kriminalisiert und die Gesetzgebung genutzt, um religiöse Gruppen zu unterdrücken und wegen Extremismus zu bekämpfen. Seit Juli 2016 wurden über 100 religiöse Aktivisten mit Bußgeldern belegt, weil sie entweder ohne Genehmigung gepredigt hatten, oder religiöse Literatur ohne Anführen des Namens des Betreibers verteilten. Am 20.04.2017 billigte das Oberste Gericht Russlands einen Antrag des Justizministeriums, in dem die russische Zentrale der Zeugen Jehovas als extremistische Gruppe eingestuft wurde, die die Bürgerrechte sowie die öffentliche Ordnung und Sicherheit bedrohe. Von dem Verbot sind alle 395 Regionalverbände des Landes betroffen. Ihr Besitz wird beschlagnahmt. Die Zeugen Jehovas können somit für die Ausübung ihres Glaubens strafrechtlich verfolgt werden. Zeugen Jehovas, die sich weiter zu ihren Überzeugungen bekannten, mussten mit Strafverfolgung und Freiheitsstrafen von bis zu zwölf Jahren rechnen. Laufende Gerichtsverfahren beziehen sich etwa auf die staatliche Beschlagnahme von Eigentum der Religionsgemeinschaft oder die Diskreditierung ihrer Schriften als extremistische Literatur. Ende des Jahres 2017 waren einige Einrichtungen der Zeugen Jehovas konfisziert. Gläubige sollen sich laut Medienberichten bei der Ausübung ihrer Religion nunmehr in die Verborgenheit zurückziehen. Gewisses Aufsehen erregte in den vergangenen Monaten die Festnahme sowie das Verfahren gegen einen Zeugen Jehovas, der allerdings dänischer Staatsangehöriger ist. Die Zeugen Jehovas, Medien und NGOs berichten von diversen Festnahmen und Geldstrafen in Höhe von 100.000 Rubel (ca. 14.000 EUR). Zudem kam es zu einer Vielzahl von Gewalttaten durch Unbekannte gegenüber Anhängern der Zeugen Jehovas (Brandstiftung, Gewaltandrohungen, Vandalismus; vgl. zu alledem: Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Bundesamt für Fremdwesen und Asyl der Republik Österreich – BFA –, Russische Föderation, Gesamtaktualisierung vom 31.08.2018, Seite 58 f., 61 f.).</td></tr></table></td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>31 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="31"/>Es besteht daher zumindest ein Verbot des organisatorischen Zusammenhalts der Zeugen Jehovas in der Russischen Föderation und ihrer gemeinschaftlichen Religionsausübung. Dieser Eingriff in die Freiheit der Religionsausübung stellt seiner Intensität nach eine Verfolgung im Sinne von §§ 3, 3a AsylG dar, denn den Zeugen Jehovas wird verboten, ihren Glauben im privaten Bereich und unter sich zu bekennen und Gottesdienste abseits der Öffentlichkeit in privater Gemeinschaft mit ihren Glaubensgenossen zu halten (VG Hamburg, Urt. v. 27. Juni 2018 – 17 A 2777/18 –, juris Rn. 24).</td></tr></table></td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>32 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="32"/>Das Gericht ist auch davon überzeugt, dass es den Klägern und Zeugen Jehovas nicht zugemutet werden kann, darauf zu vertrauen, dass im privaten Bereich abgehaltene Gottesdienste den russischen Behörden nicht bekannt werden würden. Denn es ist damit zu rechnen, dass die russischen Behörden auch von solchen Gottesdiensten Kenntnis erlangen, etwa durch Meldungen von Nachbarn (vgl. VG Hamburg, Urt. v. 27. Juni 2018 – 17 A 2777/18 –, juris Rn. 24).</td></tr></table></td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>33 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="33"/>Das Verbot der (gemeinschaftlichen) Glaubensausübung würde sich für die Kläger als Verzicht auf eine Form der Ausübung ihres Glaubens darstellen, die sie als für sich verpflichtend empfinden und die sie auch bisher praktiziert haben. Denn das Gericht ist davon überzeugt, dass die Kläger überzeugte und aktive Zeugen Jehovas sind, für die die gemeinschaftliche Ausübung ihres Glaubens mit ihren Glaubensbrüdern und -schwestern zentraler Bestandteil ihres Glaubens ist. Dies wird von der Beklagten nicht bestritten und wird zur Überzeugung des Gerichts durch die Bescheinigungen der „Jehovas Zeugen in Deutschland“ vom 17.12.2018 belegt, in welchen den Klägern Ziffer 1 und 2 nicht nur bescheinigt wird, dass sie 1996 bzw. 2006 als Zeugen Jehovas in Russland getauft wurden, sondern dass sie auch hier in Deutschland Mitglied der Jehovas Zeugen Versammlung R.-R. sind und aktiv am Predigtdienst der Versammlung beteiligt sind. Die Kläger haben überdies angegeben, ihre Kinder, die Kläger Ziffer 3 bis 5, in diesem Glauben zu erziehen.</td></tr></table></td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>34 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="34"/>Damit leben die Kläger ihre Religion in einer Art, mit der sie in der Russischen Föderation nach obigen Feststellungen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit der Verfolgung ausgesetzt wären.</td></tr></table></td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>35 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="35"/>Eine inländische Fluchtalternative (§ 3e AsylG) besteht für die Kläger nicht, da die Zeugen Jehovas landesweit verfolgt werden.</td></tr></table></td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>36 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="36"/>Darauf, ob die Kläger vor ihrer Ausreise bereits einer konkreten individuellen Verfolgung im o.g. Sinne ausgesetzt waren, kommt es damit vorliegend entgegen der Auffassung der Beklagten nicht entscheidungserheblich an.</td></tr></table></td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>37 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="37"/>Nachdem den Klägern die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist, erweist sich der angefochtene Bescheid zugleich hinsichtlich seiner Entscheidungen in Ziffern 3, 4, 5 und 6 als rechtswidrig, weil diese Entscheidungen jedenfalls zu früh ergangen sind. Auf das bezüglich der Klägerin Ziffer 2 vorgelegte ärztliche Attest kommt es demnach nicht entscheidungserheblich an.</td></tr></table></td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>38 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="38"/>Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.</td></tr></table></td></tr></table>
<h2>Gründe</h2>
<table><tr><td> </td><td><table><tr><td/></tr></table></td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>17 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="17"/>Die Entscheidung ergeht gemäß § 76 Abs. 4 Satz 1 AsylG durch die Einzelrichterin, da kein Fall des § 76 Abs. 4 Satz 2 AsylG vorliegt.</td></tr></table></td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>18 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="18"/>Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet das Gericht ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).</td></tr></table></td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>19 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="19"/>Die zulässige Klage ist bereits im Hauptantrag begründet.</td></tr></table></td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>20 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="20"/>Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 09.12.2016 ist, soweit er hier allein streitgegenständlich ist, also hinsichtlich der Ziffern 1, 3, 4, 5 und 6, aufzuheben, da er insoweit rechtswidrig ist. Die Kläger haben im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 Abs. 1 Satz 1 zweiter HS AsylG) einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).</td></tr></table></td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>21 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="21"/>Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, wenn er Flüchtling im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG ist. Danach ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will.</td></tr></table></td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>22 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="22"/>Die Verfolgungsfurcht ist begründet im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG, wenn dem Antragsteller bei verständiger Würdigung der Gesamtumstände des Falles Verfolgung tatsächlich, d.h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit, droht, wobei bei der Vorverfolgte durch eine Beweiserleichterung privilegiert wird dergestalt, dass für diesen die tatsächliche (widerlegbare) Vermutung streitet, dass sich die verfolgungsbegründenden Umstände bei der Rückkehr erneut realisieren werden. Dadurch wird (allein) der Vorverfolgte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden Umstände bei der Rückkehr erneut realisieren werden (vgl. Haderlein in: Heusch/Haderlein/Schönenbroicher, Das neue Asylrecht, 2016, Rn. 41).</td></tr></table></td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>23 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="23"/>Der Begriff Religion im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG umfasst nach § 3b Abs. 1 Nr. 2 AsylG insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind. Als Gruppe im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG gilt gemäß § 3b Abs. 1 Nr. 4a AsylG insbesondere eine bestimmte soziale Gruppe, wenn die Mitglieder dieser Gruppe eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen ist, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten.</td></tr></table></td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>24 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="24"/>Als Verfolgung im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG gelten gemäß § 3a Abs. 1 AsylG Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder Handlungen, die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher Weise betroffen ist. Als Verfolgung im Sinne des § 3a Abs. 1 AsylG können nach § 3a Abs. 2 Nr. 2 AsylG u.a. gesetzlich, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, gelten oder nach § 3a Abs. 2 Nr. 4 AsylG auch die Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung.</td></tr></table></td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>25 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="25"/>Eine Verfolgung im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG kann gemäß § 3c AsylG ausgehen von dem Staat, Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die vorgenannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor der Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.</td></tr></table></td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>26 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="26"/>Gemäß § 3e Abs. 1 AsylG wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslands keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.</td></tr></table></td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>27 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="27"/>Nach diesen Maßgaben haben die Kläger einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Sie befinden sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Religion bzw. ihrer Zugehörigkeit zu den Zeugen Jehovas, einer Gruppe i.S.v. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG, außerhalb ihres Herkunftslandes. Interner Schutz steht ihnen nicht zur Verfügung. Ihnen droht im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung im Sinne von §§ 3 Abs. 1, 3a AsylG.</td></tr></table></td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>28 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="28"/>Eine Verfolgung im Sinne o.g. Vorschriften kann in einer schwerwiegenden Verletzung des in Art. 10 Abs. 1 der Europäischen Grundrechtecharta (GRCh) verankerten Rechts auf Religionsfreiheit liegen, die den Betroffenen erheblich beeinträchtigt. Die „erhebliche Beeinträchtigung“ muss nicht schon eingetreten sein, es genügt bereits, dass ein derartiger Eingriff unmittelbar droht. Zu den Handlungen, die eine schwerwiegende Verletzung der Religionsfreiheit darstellen können, gehören nicht nur gravierende Eingriffe in die Freiheit, seinen Glauben im privaten Rahmen zu praktizieren, sondern auch solche in die Freiheit, diesen Glauben öffentlich zu leben. Ob eine Verletzung des durch Art. 10 Abs. 1 GRCh garantierten Rechts eine Verfolgungshandlung darstellt, richtet sich danach, wie gravierend die Maßnahmen und Sanktionen sind, die gegenüber dem Betroffenen ergriffen werden oder ergriffen werden können. Demnach kann es sich bei einer Verletzung des Rechts auf Religionsfreiheit um eine Verfolgung handeln, wenn der Asylbewerber aufgrund der Ausübung dieser Freiheit in seinem Herkunftsland u.a. tatsächlich Gefahr läuft, strafrechtlich verfolgt oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Ein hinreichend schwerer Eingriff in die Religionsfreiheit setzt nicht voraus, dass der Ausländer seinen Glauben nach Rückkehr in sein Herkunftsland tatsächlich in einer Weise ausübt, die ihn der Gefahr der Verfolgung aussetzt. Vielmehr kann bereits der unter dem Druck der Verfolgungsgefahr erzwungene Verzicht auf die Glaubensbetätigung die Qualität einer Verfolgung erreichen. Als relevanten subjektiven Gesichtspunkt für die Schwere der drohenden Verletzung der Religionsfreiheit ist der Umstand anzusehen, dass für den Betroffenen die Befolgung einer bestimmten gefahrträchtigen religiösen Praxis in der Öffentlichkeit zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig ist. Dem Umstand, dass die konkrete Form der Glaubensbetätigung (z.B. Missionierung) nach dem Selbstverständnis der Glaubensgemeinschaft, der der Schutzsuchende angehört, zu einem tragenden Glaubensprinzip gehört, kann dabei eine indizielle Wirkung zukommen. Maßgeblich ist aber, wie der einzelne Gläubige seinen Glauben lebt und ob die verfolgungsträchtige Glaubensbetätigung für ihn persönlich nach seinem Glaubensverständnis unverzichtbar ist. Der Maßstab, dass die Befolgung einer bestimmten religiösen Praxis zur Wahrung der religiösen Identität besonders wichtig ist, setzt nicht voraus, dass der Betroffene innerlich zerbrechen oder jedenfalls schweren seelischen Schaden nehmen würde, wenn er auf eine entsprechende Praktizierung seines Glaubens verzichten müsste. Jedoch muss die konkrete Glaubenspraxis für den Einzelnen ein zentrales Element seiner religiösen Identität und in diesem Sinne für ihn unverzichtbar sein. Es reicht nicht aus, dass der Asylbewerber eine enge Verbundenheit mit seinem Glauben hat, wenn er diesen – jedenfalls im Aufnahmemitgliedstaat – nicht in einer Weise lebt, die ihn im Herkunftsstaat der Gefahr der Verfolgung aussetzen würde. Maßgeblich für die Schwere der Verletzung der religiösen Identität ist die Intensität des Drucks auf die Willensentscheidung des Betroffenen, seinen Glauben in einer für ihn als verpflichtend empfundenen Weise auszuüben oder hierauf wegen der drohenden Sanktionen zu verzichten. Die Tatsache, dass er die unterdrückte religiöse Betätigung seines Glaubens für sich selbst als verpflichtend empfindet, um seine religiöse Identität zu wahren, muss der Asylbewerber zur vollen Überzeugung des Gerichts nachweisen (zu alledem: VG Hamburg, Urt. v. 27. Juni 2018 – 17 A 2777/18 –, juris Rn. 17 ff. unter Verweis auf BVerwG, Urt. v. 20.02.2013 – 10 C 23/12 –).</td></tr></table></td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>29 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="29"/>Nach diesen Maßstäben ist den Klägern die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.</td></tr></table></td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>30 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="30"/>Bestimmte religiöse Gruppen, so auch die Zeugen Jehovas, sind aufgrund ihres Glaubens zur Zielscheibe der russischen Behörden geworden. Man stützt sich hier vor allem auf das Extremismusgesetz (das sog. Yarovaya-Gesetz). Im Zuge dieser Extremismusgesetzgebung wurden u.a. auch private religiöse Reden kriminalisiert und die Gesetzgebung genutzt, um religiöse Gruppen zu unterdrücken und wegen Extremismus zu bekämpfen. Seit Juli 2016 wurden über 100 religiöse Aktivisten mit Bußgeldern belegt, weil sie entweder ohne Genehmigung gepredigt hatten, oder religiöse Literatur ohne Anführen des Namens des Betreibers verteilten. Am 20.04.2017 billigte das Oberste Gericht Russlands einen Antrag des Justizministeriums, in dem die russische Zentrale der Zeugen Jehovas als extremistische Gruppe eingestuft wurde, die die Bürgerrechte sowie die öffentliche Ordnung und Sicherheit bedrohe. Von dem Verbot sind alle 395 Regionalverbände des Landes betroffen. Ihr Besitz wird beschlagnahmt. Die Zeugen Jehovas können somit für die Ausübung ihres Glaubens strafrechtlich verfolgt werden. Zeugen Jehovas, die sich weiter zu ihren Überzeugungen bekannten, mussten mit Strafverfolgung und Freiheitsstrafen von bis zu zwölf Jahren rechnen. Laufende Gerichtsverfahren beziehen sich etwa auf die staatliche Beschlagnahme von Eigentum der Religionsgemeinschaft oder die Diskreditierung ihrer Schriften als extremistische Literatur. Ende des Jahres 2017 waren einige Einrichtungen der Zeugen Jehovas konfisziert. Gläubige sollen sich laut Medienberichten bei der Ausübung ihrer Religion nunmehr in die Verborgenheit zurückziehen. Gewisses Aufsehen erregte in den vergangenen Monaten die Festnahme sowie das Verfahren gegen einen Zeugen Jehovas, der allerdings dänischer Staatsangehöriger ist. Die Zeugen Jehovas, Medien und NGOs berichten von diversen Festnahmen und Geldstrafen in Höhe von 100.000 Rubel (ca. 14.000 EUR). Zudem kam es zu einer Vielzahl von Gewalttaten durch Unbekannte gegenüber Anhängern der Zeugen Jehovas (Brandstiftung, Gewaltandrohungen, Vandalismus; vgl. zu alledem: Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Bundesamt für Fremdwesen und Asyl der Republik Österreich – BFA –, Russische Föderation, Gesamtaktualisierung vom 31.08.2018, Seite 58 f., 61 f.).</td></tr></table></td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>31 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="31"/>Es besteht daher zumindest ein Verbot des organisatorischen Zusammenhalts der Zeugen Jehovas in der Russischen Föderation und ihrer gemeinschaftlichen Religionsausübung. Dieser Eingriff in die Freiheit der Religionsausübung stellt seiner Intensität nach eine Verfolgung im Sinne von §§ 3, 3a AsylG dar, denn den Zeugen Jehovas wird verboten, ihren Glauben im privaten Bereich und unter sich zu bekennen und Gottesdienste abseits der Öffentlichkeit in privater Gemeinschaft mit ihren Glaubensgenossen zu halten (VG Hamburg, Urt. v. 27. Juni 2018 – 17 A 2777/18 –, juris Rn. 24).</td></tr></table></td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>32 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="32"/>Das Gericht ist auch davon überzeugt, dass es den Klägern und Zeugen Jehovas nicht zugemutet werden kann, darauf zu vertrauen, dass im privaten Bereich abgehaltene Gottesdienste den russischen Behörden nicht bekannt werden würden. Denn es ist damit zu rechnen, dass die russischen Behörden auch von solchen Gottesdiensten Kenntnis erlangen, etwa durch Meldungen von Nachbarn (vgl. VG Hamburg, Urt. v. 27. Juni 2018 – 17 A 2777/18 –, juris Rn. 24).</td></tr></table></td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>33 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="33"/>Das Verbot der (gemeinschaftlichen) Glaubensausübung würde sich für die Kläger als Verzicht auf eine Form der Ausübung ihres Glaubens darstellen, die sie als für sich verpflichtend empfinden und die sie auch bisher praktiziert haben. Denn das Gericht ist davon überzeugt, dass die Kläger überzeugte und aktive Zeugen Jehovas sind, für die die gemeinschaftliche Ausübung ihres Glaubens mit ihren Glaubensbrüdern und -schwestern zentraler Bestandteil ihres Glaubens ist. Dies wird von der Beklagten nicht bestritten und wird zur Überzeugung des Gerichts durch die Bescheinigungen der „Jehovas Zeugen in Deutschland“ vom 17.12.2018 belegt, in welchen den Klägern Ziffer 1 und 2 nicht nur bescheinigt wird, dass sie 1996 bzw. 2006 als Zeugen Jehovas in Russland getauft wurden, sondern dass sie auch hier in Deutschland Mitglied der Jehovas Zeugen Versammlung R.-R. sind und aktiv am Predigtdienst der Versammlung beteiligt sind. Die Kläger haben überdies angegeben, ihre Kinder, die Kläger Ziffer 3 bis 5, in diesem Glauben zu erziehen.</td></tr></table></td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>34 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="34"/>Damit leben die Kläger ihre Religion in einer Art, mit der sie in der Russischen Föderation nach obigen Feststellungen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit der Verfolgung ausgesetzt wären.</td></tr></table></td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>35 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="35"/>Eine inländische Fluchtalternative (§ 3e AsylG) besteht für die Kläger nicht, da die Zeugen Jehovas landesweit verfolgt werden.</td></tr></table></td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>36 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="36"/>Darauf, ob die Kläger vor ihrer Ausreise bereits einer konkreten individuellen Verfolgung im o.g. Sinne ausgesetzt waren, kommt es damit vorliegend entgegen der Auffassung der Beklagten nicht entscheidungserheblich an.</td></tr></table></td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>37 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="37"/>Nachdem den Klägern die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist, erweist sich der angefochtene Bescheid zugleich hinsichtlich seiner Entscheidungen in Ziffern 3, 4, 5 und 6 als rechtswidrig, weil diese Entscheidungen jedenfalls zu früh ergangen sind. Auf das bezüglich der Klägerin Ziffer 2 vorgelegte ärztliche Attest kommt es demnach nicht entscheidungserheblich an.</td></tr></table></td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>38 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="38"/>Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.</td></tr></table></td></tr></table> |
|
180,248 | vg-gelsenkirchen-2019-01-17-7-l-187218 | {
"id": 843,
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<ul><li><strong>1.</strong><p>Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird auf Kosten des Antragstellers abgelehnt.</p>
</li>
<li><strong>2.</strong><p>Der Streitwert wird auf 2.500,-- Euro festgesetzt.</p>
</li>
</ul><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">G r ü n d e:</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">1.  Der sinngemäß gestellte Antrag,</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">die aufschiebende Wirkung der Klage 7 K 5204/18 gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 14. September 2018 wiederherzustellen bzw. anzuordnen,</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">ist zulässig, aber unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus. Die Ordnungsverfügung, mit der dem Antragsteller die Fahrerlaubnis entzogen worden ist, erweist sich bei summarischer Prüfung als rechtmäßig. Zur Begründung verweist die Kammer zur Vermeidung von Wiederholungen auf die rechtlichen und tatsächlichen Ausführungen in der angegriffenen Verfügung, denen sie im Wesentlichen folgt (vgl. § 117 Abs. 5 VwGO). Ergänzend ist mit Rücksicht auf das Antrags- und Klagevorbringen Folgendes auszuführen:</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Antragsteller hat sich gemäß § 11 Abs. 1 Fahrerlaubnis-Verordnung ‑ FeV ‑ i. V. m. Ziffer 9.2 der Anlage 4 zur FeV als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen. Nach Ziffer 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV ist im Fall der gelegentlichen Einnahme von Cannabis die Kraftfahreignung in der Regel zu verneinen, wenn zwischen Konsum und Fahren nicht getrennt wird. Das ist nach summarischer Prüfung hier der Fall.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Maßgeblich ist insofern, dass der Antragsteller am 6. Mai 2018 gegen 13:30 Uhr unter Cannabiseinfluss ein Fahrzeug geführt hat. Der im Blut des Antragstellers nach dem Ergebnis des Gutachtens des Labors L.     aus C.   T.         vom 18. Mai 2018 festgestellte THC-Wert von 24 µg/l (= ng/ml) übersteigt dem zu § 24a Abs. 2 Straßenverkehrsgesetz ‑ StVG ‑ durch die Grenzwertkommission festgesetzten Wert von 1 ng/ml und rechtfertigt die Annahme eines zeitnahen Konsums mit entsprechender Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit. Das Erreichen dieses Grenzwertes ist nämlich für die Annahme relevanten Cannabiseinflusses erforderlich, aber auch ausreichend.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. Dezember 2004 ‑ 1 BvR 2652/03 ‑ mit zahlreichen Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur. Zu den neuesten Erkenntnissen und der Frage der Beibehaltung dieses Grenzwertes siehe VG Gelsenkirchen, Urteil vom 20. Januar 2016 ‑ 9 K 4303/15 ‑ und Beschluss vom 25. Februar 2016 ‑ 7 L 30/16 ‑; OVG NRW, Urteil vom 15. März 2017 ‑ 16 A 551/16 und 16 A 432/16 ‑, juris Rn. 64 ff, 122, das abweichend von der neueren Empfehlung der Grenzwertkommission weiterhin von einem Grenzwert von 1,0 ng/ml THC im Serum ausgeht (‑ 16 A 551/16 - nicht rechtskräftig, vgl.: BVerwG ‑ 3 C 14.17 -).</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Kammer hat, anders als der Antragsteller dies andeutet, nach summarischer Prüfung keine Zweifel daran, dass die Messung der Werte durch das Labor L.     aus C.   T.         zutreffend ist und sich die Rückstände in der angegebenen Höhe im Blut des Antragstellers befunden haben. Mit dem pauschal geäußerten Hinweis auf eine etwaige Verfälschung der Werte durch Festsetzung von Abbauprodukten in den körpereigenen Fettzellen hat er die Richtigkeit der Ergebnisse nicht durchgreifend in Frage gestellt.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Durch das Führen eines Kraftfahrzeuges unter Cannabiseinfluss hat der Antragsteller bewiesen, dass er zwischen Konsum von Cannabis und Fahren nicht trennen kann. Unerheblich ist es für die Frage der mangelnden Trennung, dass er nur einmal ein Kraftfahrzeug unter Cannabiseinfluss geführt hat.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Ständige Rechtsprechung der Kammer, vgl. etwa Beschluss vom 30. März 2017 ‑ 7 L 217/17 ‑; OVG NRW, Urteil vom 15. März 2017 ‑ 16 A 432/16 ‑, juris Rn. 143; OVG NRW, Beschluss vom 29. Mai 2017 ‑ 16 B 473/17 ‑ juris, jeweils m. w. N., a.A. Bay. VGH, Urteil vom 25. April 2017 ‑ 11 BV 17.33 ‑ (Revision eingelegt, BVerwG 3 C 13.17).</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Soweit der Antragsteller sinngemäß vorträgt, dass er davon ausgegangen sei, keine Rückstände von Cannabis mehr im Blut zu haben, weil der letzte Konsum von Cannabisprodukten mehrere Tage zurückgelegen habe, führt dies nicht zu einem anderen Ergebnis. Bei dem in Ziffer 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV beschriebenen Gefährdungstatbestand kommt es nicht auf ein Element des Verschuldens oder auf eine subjektive Vorwerfbarkeit an.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Kammer geht nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung auch von einem gelegentlichen, d.h. mehr als einmaligen, Konsum aus. Der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers hat in der Antragsschrift vom 8. Oktober 2018 eingeräumt, dass der Antragsteller gelegentlich Cannabisprodukte konsumiert habe. Zuvor hatte sich der Antragsteller bereits am Tag des Vorfalls gegenüber den Polizeibeamten dahingehend eingelassen, dass er „letztmalig vor einer Woche THC konsumiert habe“ (Bl. 5 BA1). Daran muss er sich festhalten lassen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Es ist nicht ersichtlich, dass der Antragsteller seine Kraftfahreignung bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Zustellung der streitgegenständlichen Verfügung wiedererlangt haben könnte. Soweit der Antragsteller mit Schriftsatz vom 8. Oktober 2018 eine fünfmonatige Abstinenz behauptet, hat er diese nicht nachgewiesen. Das diesbezüglich in Aussicht gestellte Gutachten wurde nicht vorgelegt. Nach rechtskräftigem Abschluss des Entziehungsverfahrens besteht für den Antragsteller die Möglichkeit, den Nachweis einer wiedergewonnenen Kraftfahreignung in einem späteren Wiedererteilungsverfahren durch eine medizinisch-psychologische Untersuchung zu führen, die zwingend vorgeschrieben ist (§ 14 Abs. 2 FeV).</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Bei feststehender Ungeeignetheit unterbleibt gemäß § 11 Abs. 7 FeV die Anordnung eines Gutachtens und die Fahrerlaubnis ist zwingend zu entziehen; ein Ermessen steht dem Antragsgegner nicht zu.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die in Ziffer 2 der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung enthaltene deklaratorische Aufforderung zur Abgabe des Führerscheins (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG) begegnet keinen rechtlichen Bedenken.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Angesichts der Rechtmäßigkeit der Ordnungsverfügung ist ein Überwiegen des Aussetzungsinteresses des Antragstellers nicht gegeben. Dass das Interesse des Antragstellers, seine Fahrerlaubnis wenigstens bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens nutzen zu können, aus anderen Gründen Vorrang gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug der Entziehungsverfügung genießt, ist nicht festzustellen. Selbst wenn wegen der diesbezüglich noch ausstehenden höchstrichterlichen Klärung von offenen Erfolgsaussichten der Klage ausgegangen würde, hätte der Antrag des Antragstellers keinen Erfolg. Denn die vom Ausgang des Hauptsacheverfahrens unabhängige Interessenabwägung fiele auch mit Blick darauf, dass die Entziehungsverfügung nicht kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist, zu seinen Lasten aus. Zwar kann die Fahrerlaubnisentziehung die persönliche Lebensführung und damit die Wahrnehmung grundrechtlicher Freiheiten des Erlaubnisinhabers gravierend beeinflussen und im Einzelfall bis zur Vernichtung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage reichen. Die mit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis eventuell verbundenen persönlichen und beruflichen Schwierigkeiten für den Antragsteller muss er als Betroffener jedoch angesichts des von fahrungeeigneten Verkehrsteilnehmern ausgehenden besonderen Risikos für die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs und des aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz ableitbaren Auftrags zum Schutz vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben hinnehmen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">So auch: OVG NRW, Beschluss vom 13. Februar 2015 ‑ 16 B 74/15 ‑, juris m. w. N.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Auch der Zeitablauf von vier Monaten zwischen dem Vorfallstag und der Entziehungsverfügung steht der Annahme eines überwiegenden Vollziehungsinteresses bei feststehender fehlender Kraftfahreignung mangels ausreichend nachgewiesener Abstinenz, anders als der Antragsteller meint, nicht entgegen.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die in Ziffer 3 der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung enthaltene Zwangsgeldandrohung kommt ebenfalls nicht in Betracht. Sie entspricht den Anforderungen von §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2, 60, 63 Verwaltungsvollstreckungsgesetz NRW und ist rechtmäßig.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">2.  Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1, 2 Gerichtskostengesetz. Der Streitwert eines Klageverfahrens, das die Entziehung einer Fahrerlaubnis betrifft, ist ungeachtet der im Streit stehenden Fahrerlaubnisklassen nach dem Auffangwert zu bemessen. Dieser ist im vorliegenden Eilverfahren zu halbieren.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 4. Mai 2009 ‑ 16 E 550/09 ‑, juris.</p>
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178,105 | bverfg-2019-01-17-2-bvq-119 | {
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<p>Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.</p>
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<h2>Gründe</h2>
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<h2>I.</h2>
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</dt>
<dd>
<p>
1. Der 1991 geborene Antragsteller ist afghanischer Staatsangehöriger. Er reiste eigenen Angaben zufolge 2009 aus Afghanistan aus und hielt sich zunächst in Griechenland auf. 2013 reiste er nach Deutschland ein, wo er einen Asylantrag stellte. In der Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 14. Oktober 2016 teilte er mit, dass seine Familie in Afghanistan erpresst und bedroht worden sei. Die Täter hätten seinen Bruder entführt. Als möglichen Grund für die Erpressung nannte er die schiitische Glaubenszugehörigkeit seiner Familie. Eine Rückkehr nach Afghanistan sei wegen der Probleme der Schiiten in Afghanistan schlecht für ihn. Das Bundesamt lehnte den Asylantrag mit Bescheid vom 19. November 2016 als offensichtlich unbegründet ab und drohte die Abschiebung nach Afghanistan an. Die hiergegen erhobene Klage des Antragstellers lehnte das Verwaltungsgericht Bayreuth mit Urteil vom 15. September 2017 ab.</p>
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<dl class="RspDL">
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<a name="rd_2">2</a>
</dt>
<dd>
<p>
2. Die Familie des Antragstellers lebt seit 2013 in R. in Mecklenburg-Vorpommern; er selbst ist dem Zuständigkeitsbereich der Zentralen Ausländerbehörde O. in Bayern zugewiesen. Er stellte am 28. Oktober 2014 einen Antrag auf Umverteilung nach R. in Mecklenburg-Vorpommern, den er mit Problemen mit Andersgläubigen in seiner Gemeinschaftsunterkunft begründete. Er sei Christ, weshalb es oft zu Streitigkeiten gekommen sei. Ab dem 1. Mai 2017 war der Antragsteller unbekannten Aufenthaltes. Am 19. November 2018 sprach er erneut bei der für ihn zuständigen Zentralen Ausländerbehörde O. vor. Ab dem 20. November 2018 befand er sich in Abschiebehaft. In der Anhörung zur Abschiebehaft erklärte er, dass er zunächst nach Italien ausgereist und dann nach Deutschland zurückgekehrt sei, weil seine Mutter krank sei. Er sei in Afghanistan gefährdet, weil er seit 2013 Christ sei.</p>
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<dl class="RspDL">
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<a name="rd_3">3</a>
</dt>
<dd>
<p>
3. Der Antragsteller mandatierte seine jetzige Bevollmächtigte am 12. Dezember 2018. Die Abschiebung des Antragstellers nach Afghanistan war für den 7. Januar 2019 um 21.00 Uhr geplant und ist zu diesem Zeitpunkt vollzogen worden.</p>
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</dl>
<dl class="RspDL">
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</dt>
<dd>
<p>
4. Am 7. Januar 2019 stellte der Antragsteller einen Asylfolgeantrag. Diesen begründete er damit, dass er 2013 zum Christentum konvertiert sei. Er habe den Islam als menschenfeindlich angesehen und sich am 22. Juli 2013 in der evangelischen Freikirche Athen (Athens Baptist Church) taufen lassen; eine Taufbescheinigung dieser Freikirche fügte er bei. Zusätzlich legte er ein Schreiben des Pfarrers einer evangelisch-lutherischen Pfarrgemeinde in G. in Mecklenburg-Vorpommern vom 6. Januar 2019 vor, wonach er seit Juli 2016 aktiv am Gottesdienst teilgenommen habe; es stehe außer Zweifel, dass er Christ sei und sich auch öffentlich dazu bekenne. Mit eidesstattlicher Versicherung vom 6. Januar 2019 erklärte ein Freund des Antragstellers, dass dieser mit ihm einige Monate lang gemeinsam den Gottesdienst in G. besucht habe. Der Pfarrer der evangelisch-lutherischen Friedenskirchengemeinde in Hamburg teilte durch Schreiben vom 3. Januar 2019 mit, dass der Antragsteller ab dem 5. November 2017 für einige Wochen an den deutschsprachigen Gottesdiensten mit persischer Übersetzung teilgenommen habe.</p>
</dd>
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<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_5">5</a>
</dt>
<dd>
<p>
Der Antragsteller erklärte, er habe die Konversion im Asylerstverfahren nicht erwähnt, weil er eine solche Entscheidung für eine Privatangelegenheit gehalten habe. Zum damaligen Zeitpunkt habe er sich auch nicht getraut, seinen Glauben nach außen zu tragen. Zudem sei ihm nicht bekannt gewesen, dass dieser Umstand für sein Asylverfahren relevant sein könne. Später allerdings habe er sich in Diskussionen gegenüber seiner Familie negativ über den Islam geäußert; er habe das Fasten kritisiert und die Überzeugung vertreten, dass der Islam eine Lüge sei. Dies bestätigten ebenfalls vorgelegte eidesstattliche Versicherungen seines Bruders und dessen Freundin.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
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<a name="rd_6">6</a>
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<dd>
<p>
Zur Begründung des Folgeantrags trug der Antragsteller weiter vor, Konvertiten und Apostaten seien in Afghanistan einer konkreten Lebensgefahr ausgesetzt. Es drohe neben staatlicher Strafverfolgung eine gesellschaftliche Ächtung, die mit einer Tötung enden könne. Für die Annahme einer konkreten Lebensgefahr genüge es bereits, dass dem Antragsteller nach Bekanntwerden der Taufe und der Kirchenbesuche die Eigenschaft als Christ zugeschrieben werde. Er gebe seine Abneigung gegenüber dem Islam offen kund und habe seine Eltern bereits damit konfrontiert. Wie zwei näher benannte Beispiele belegten, würden in Afghanistan auch konkrete Einzelfälle von Rückkehrern aus Deutschland bekannt. Die Identifizierung und biografische Überprüfung von Fremden seien in Afghanistan Grundlage des allgemeinen gesellschaftlichen Umgangs. Wegen der sozialen Stigmatisierung sei es dem Antragsteller, der überdies seit zehn Jahren nicht mehr in Afghanistan gelebt habe, nicht möglich, sich dort ohne familiäres oder sonstiges soziales Netzwerk eine Existenzgrundlage aufzubauen. Darüber hinaus habe er hinsichtlich des Bestehens von Abschiebungsverboten einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Da ihm in Afghanistan wegen seiner Konversion die Todesstrafe drohe, sei das Ermessen hier auf Null reduziert.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_7">7</a>
</dt>
<dd>
<p>
5. Mit Schriftsatz vom 7. Januar 2019, eingegangen um 13.23 Uhr, beantragte der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Bayreuth, das Bundesamt im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, eine bereits ergangene Mitteilung an die Ausländerbehörde gemäß § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG zu widerrufen beziehungsweise eine solche zu unterlassen. Zur Begründung wiederholte er sein Vorbringen im Asylfolgeantrag.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_8">8</a>
</dt>
<dd>
<p>
6. Mit Bescheid vom 7. Januar 2019, beim Verwaltungsgericht um 19.13 Uhr eingegangen, lehnte das Bundesamt den Asylfolgeantrag als unzulässig ab. Zudem lehnte es den Antrag auf Abänderung des Asylerstbescheids hinsichtlich der Feststellungen zu Abschiebungsverboten ab.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_9">9</a>
</dt>
<dd>
<p>
a) Die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Asylverfahrens lägen nicht vor; es sei keine nachträgliche Änderung der Sachlage eingetreten. Seinen Glaubensübertritt habe der Antragsteller angesichts des Umstands, dass er eine Taufurkunde vom 22. Juli 2013 vorgelegt habe, bereits im Asylerstverfahren geltend machen können. Der Umstand, dass er einen Glaubenswechsel erst unmittelbar vor der bevorstehenden Abschiebung geltend gemacht habe, spreche für ein rein asyltaktisches Verhalten. Aus einem Beschluss des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 4. Januar 2019 - B 6 E 19.3 - gehe hervor, dass der Antragsteller bereits seit dem 20. November 2018 Kenntnis von seiner für Januar 2019 geplanten Abschiebung gehabt habe. Es sei dem Antragsteller und seiner am 12. Dezember 2018 mandatierten Bevollmächtigten bei Kenntnis von den Wiederaufgreifensgründen möglich gewesen, bereits vor dem Tag der Abschiebung einen Asylfolgeantrag zu stellen. Darüber hinaus sei die Konversion zum Christentum nicht glaubhaft dargelegt worden. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb der Antragsteller weder gegenüber dem Bundesamt noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren seinen Glaubenswechsel angegeben habe. Bei der Asylantragstellung am 16. Dezember 2013 habe er unverkennbar eine schiitische Glaubenszugehörigkeit geltend gemacht, obwohl er angeblich ein halbes Jahr zuvor zum Christentum konvertiert sei. Die schiitische Glaubenszugehörigkeit habe er in der Anhörung beim Bundesamt am 14. Oktober 2016 noch bestätigt. Es sei nicht nachvollziehbar, dass er zu diesem Zeitpunkt nach dreijährigem Aufenthalt in Deutschland die Bedeutung eines vermeintlichen Glaubensübertritts für sein Asylverfahren nicht erkannt habe und nach dreijähriger Zugehörigkeit zum Christentum noch immer den Drang verspüre, seine Konversion zu verheimlichen. Auch unter Berücksichtigung des aktuellen UNHCR-Reports vom 30. August 2018 zur Lage in Afghanistan seien keine veränderten Umstände der Sachlage erkennbar.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_10">10</a>
</dt>
<dd>
<p>
b) Der Antrag auf Abänderung der Feststellungen zu den Abschiebungsverboten werde abgelehnt, weil der Vortrag zu einer Konversion beziehungsweise einer Apostasie unsubstantiiert sei. Die Teilnahme an Gottesdiensten in G. in Mecklenburg-Vorpommern seit Juli 2016 sowie in Hamburg ab November 2017 sei für den Antragsteller nur eingeschränkt möglich gewesen, weil er in W. beziehungsweise dem Amtsbereich der Zentralen Ausländerbehörde O. in Bayern wohnpflichtig gewesen und ab dem 1. Mai 2017 als unbekannt verzogen gemeldet gewesen sei. Sollte der Antragsteller tatsächlich zum christlichen Glauben konvertiert sein, sei nicht davon auszugehen, dass er sich bei einer Rückkehr nach Afghanistan verfolgungsauslösend verhalten werde. Eigenen Angaben zufolge sei er zurückhaltend mit den Themen seiner Apostasie und Konversion umgegangen. Die zeitliche Nähe des Vorbringens zum Abschiebungstermin lasse nicht auf eine hinreichende Ernsthaftigkeit schließen.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_11">11</a>
</dt>
<dd>
<p>
7. Mit einem elf Seiten umfassenden Beschluss vom 7. Januar 2019, der Bevollmächtigten des Antragstellers um 20.20 Uhr zugegangen, lehnte das Verwaltungsgericht Bayreuth den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes unter Bezugnahme auf den Bescheid des Bundesamts vom 7. Januar 2019 ab. Ergänzend stellte es fest, dass der Antrag unzulässig, jedenfalls aber unbegründet sei.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_12">12</a>
</dt>
<dd>
<p>
a) Der von dem Antragsteller gemäß § 123 Abs. 1 VwGO gestellte Antrag sei (teilweise) unstatthaft. Hinsichtlich der Ablehnung der Durchführung eines Asylfolgeverfahrens sei ein Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO statthaft, in Bezug auf die Ablehnung von Abschiebungsverboten sei ein Antrag gemäß § 123 Abs. 1 VwGO zu erheben.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_13">13</a>
</dt>
<dd>
<p>
b) Zudem fehle dem Antragsteller das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Aus der Gesamtschau der Umstände ergebe sich, dass er den Asylfolgeantrag rechtsmissbräuchlich aus asyltaktischen Gründen gestellt habe. Bereits bei seinem Umverteilungsantrag (28. April 2014) habe der Antragsteller seine christliche Glaubenszugehörigkeit erwähnt. In der Anhörung zur Abschiebehaft am 20. November 2018 habe er erklärt, dass er seit 2013 Christ sei. Bereits seit dem Bestehen seiner Ausreisepflicht im Januar 2017 oder seit der rechtskräftigen Ablehnung seines Asylerstantrags habe der Antragsteller einen Asylfolgeantrag stellen können. Spätestens seit Beginn der Abschiebehaft am 20. November 2018 habe ihm bewusst sein müssen, dass seine Abschiebung bevorstehe. Obwohl er ab dem 12. Dezember 2018 durch seine aktuelle Bevollmächtigte vertreten gewesen sei, habe er bis zum Tag der Abschiebung mit der Folgeantragstellung gewartet. Im Widerspruch zu seiner Aussage, 2013 zum Christentum konvertiert zu sein, habe er bei der Anhörung durch das Bundesamt am 14. Oktober 2016 mitgeteilt, dass ihm wegen seiner schiitischen Religionszugehörigkeit in Afghanistan Probleme drohten. Effektiver Rechtsschutz im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG setze voraus, dass der Rechtsschutzsuchende eine ihm mögliche rechtzeitige Antragstellung bei der Behörde wahrnehme, um rechtzeitig eine gerichtlich überprüfbare Behördenentscheidung zu erhalten.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_14">14</a>
</dt>
<dd>
<p>
c) Der Antrag sei zudem unbegründet, weil sich die Sachlage nicht nachträglich zu Ungunsten des Antragstellers geändert habe.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_15">15</a>
</dt>
<dd>
<p>
aa) Die Konversion habe er bereits in seinem Asylerstverfahren geltend machen können. Es sei auch nicht dargelegt worden, dass seine Zuwendung zum christlichen Glauben in der Zwischenzeit eine andere Qualität angenommen habe. Dem Asylfolgeantrag sei nicht zu entnehmen, dass sich gerade innerhalb der letzten drei Monate ein Qualitätsumschwung ergeben habe. Dies folge auch nicht aus den vorgelegten Bescheinigungen der beiden Gemeindepfarrer oder aus den eidesstattlichen Versicherungen des Bruders, dessen Freundin und eines weiteren Freundes. Zudem könne den Unterlagen eine identitätsprägende christliche Überzeugung des Antragstellers nicht entnommen werden. In den eidesstattlichen Versicherungen werde lediglich ein Verhalten des Antragstellers beschrieben, das sich auf Kritik am Islam beschränke. Er habe auch nicht die Nähe einer baptistischen Glaubensgemeinschaft gesucht, zu der er kraft der Taufe gehöre, sondern sich evangelisch-lutherischen Gemeinden angeschlossen. In seinem Wohnbereich in O. sei ein kirchlicher Kontakt nicht dokumentiert.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_16">16</a>
</dt>
<dd>
<p>
bb) Unter Bezugnahme auf die Begründung des Bundesamtsbescheids vom 7. Januar 2019 stellte das Verwaltungsgericht fest, dass nationale Abschiebungsverbote einer Abschiebung nach Afghanistan nicht entgegenstünden. Die Schwelle einer Verletzung von Art. 3 EMRK sei nicht erreicht. Hierzu schloss sich das Verwaltungsgericht zwei im April 2018 ergangenen Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg an. Es sei davon auszugehen, dass der Antragsteller als junger, gesunder und arbeitsfähiger Mann auch ohne familiäres Netzwerk in Afghanistan seinen Lebensunterhalt zumindest am Rand des Existenzminimums werde sicherstellen können.</p>
</dd>
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<h2>II.</h2>
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<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_17">17</a>
</dt>
<dd>
<p>
Am 7. Januar 2019 um 18.00 Uhr hat der Antragsteller beim Bundesverfassungsgericht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Er rügt eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 2 Abs. 2 GG, Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 6 EMRK, Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 103 Abs. 1 GG.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_18">18</a>
</dt>
<dd>
<p>
Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen seine Ausführungen im Asylfolgeantrag. Ergänzend trägt er vor, die Garantie effektiven Rechtsschutzes und das Recht auf rechtliches Gehör machten angesichts der Apostasie und Konversion des Antragstellers eine erneute Prüfung seines Asylantrags dringend erforderlich. Für die Annahme eines Wiederaufnahmegrundes sei nicht zu überprüfen, ob der mit einem Asylfolgeantrag geltend gemachte neue Sachvortrag tatsächlich zutreffe und die Annahme einer Verfolgung im Zielstaat begründe. Es genüge, wenn der Antragsteller eine mögliche rechtliche Relevanz seiner Wiederaufnahmegründe darlege. Die Glaubhaftigkeit der Konversion und die Gefahr einer Zuschreibung der Konversion beziehungsweise Apostasie in Afghanistan seien im Folgeverfahren zu überprüfen und könnten nicht zum Gegenstand der Zulässigkeitsentscheidung gemacht werden.</p>
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</dl>
<dl class="RspDL">
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<a name="rd_19">19</a>
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<dd>
<p>
Nachdem der Beschluss des Verwaltungsgerichts ergangen war, hat der Antragsteller gerügt, dass ihm der Bescheid des Bundesamts vom 7. Januar 2019 zuvor nicht zugegangen sei und das Verwaltungsgericht ihn nach Erhalt des Bescheids um 19.13 Uhr hierüber nicht informiert habe. Erst durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts habe er hiervon erfahren. Es verstoße gegen Art. 19 Abs. 4 GG, dass er sich - ohne die Begründung des Bundesamts zu kennen - 30 Minuten vor der Abschiebung mit den Gründen des 22 Seiten langen Beschlusses nicht hinreichend auseinandersetzen könne, obwohl er den Antrag bei dem Verwaltungsgericht schon am Mittag desselben Tages eingereicht habe. Das Verwaltungsgericht habe zudem das Recht auf effektiven Rechtsschutz verletzt, indem es von einer rechtsmissbräuchlichen Antragstellung ausgegangen sei. Dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Februar 2018 - 2 BvR 301/18 - zufolge genüge eine späte Antragstellung im Eilverfahren bei unmittelbar bevorstehender Abschiebung nicht für eine Qualifizierung als rechtsmissbräuchliches Verhalten. Schließlich habe das Verwaltungsgericht Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, weil es sich nicht mit der Frage befasst habe, ob bezüglich der Abänderung der Feststellungen zu den Abschiebungsverboten eine Ermessensreduzierung auf Null vorliege. Die Ablehnung des Anspruchs auf ermessenfehlerfreie Entscheidung in Bezug auf die Abschiebungsverbote habe es lediglich mit einer fehlenden Veränderung der Sachlage begründet.</p>
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<h2>III.</h2>
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</dl>
<dl class="RspDL">
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<a name="rd_20">20</a>
</dt>
<dd>
<p>
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist unbegründet.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_21">21</a>
</dt>
<dd>
<p>
1. Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Bei der Prüfung dieser Voraussetzungen ist ein strenger Maßstab anzulegen. Dabei haben die Gründe, welche der Antragsteller für die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Hoheitsakte anführt, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, die Verfassungsbeschwerde erweist sich von vornherein als unzulässig oder offensichtlich unbegründet. Bei offenem Ausgang des Verfassungsbeschwerdeverfahrens muss das Bundesverfassungsgericht die Folgen abwägen, die eintreten würden, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. BVerfGE 76, 253 <255>).</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_22">22</a>
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<dd>
<p>
2. Nach diesen Maßstäben bleibt der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ohne Erfolg. Eine noch zu erhebende Verfassungsbeschwerde wäre derzeit - auch unter Zugrundelegung reduzierter Anforderungen in extremen Eilfällen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 2. März 2017 - 2 BvQ 7/17 -, juris, Rn. 3) - unzulässig. Der Antragsteller hat die von ihm geltend gemachten Grundrechtsverstöße nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Für eine Folgenabwägung ist daher kein Raum.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_23">23</a>
</dt>
<dd>
<p>
a) Soweit der Antragsteller rügt, dass seiner Bevollmächtigten der den Asylfolgeantrag ablehnende Bescheid nicht vor der Entscheidung des Verwaltungsgerichts zugestellt worden sei und das Verwaltungsgericht sie auch nicht über den Erlass des Bescheids in Kenntnis gesetzt habe, hat er eine Verletzung des Rechts auf effektiven Rechtsschutz, auf ein faires Verfahren oder auf rechtliches Gehör nicht substantiiert dargelegt.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_24">24</a>
</dt>
<dd>
<p>
aa) Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet nicht nur das formelle Recht, die Gerichte anzurufen, sondern auch die Effektivität des Rechtsschutzes (vgl. BVerfGE 93, 1 <13>; stRspr). Den Anforderungen an die Gewährung effektiven Rechtsschutzes müssen die Gerichte auch bei der Auslegung und Anwendung der Vorschriften über den verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutz Rechnung tragen (vgl. BVerfGE 79, 69 <74>), da dieser in besonderer Weise der Sicherung grundrechtlicher Freiheit dient. Auch im Eilverfahren darf sich der Rechtsschutz nicht in der bloßen Möglichkeit der Anrufung eines Gerichts erschöpfen, er muss vielmehr zu einer wirksamen Kontrolle in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht führen (vgl. BVerfGE 40, 272 <275>; 61, 82 <111>; 67, 43 <58>; BVerfGK 1, 201 <204 f.>). Ein effektiver Rechtsschutz ist auch im Eilverfahren deshalb nur dann gewährleistet, wenn das gerichtliche Verfahren so ausgestaltet ist und durchgeführt wird, dass der gegen eine behördliche Entscheidung gerichtete Rechtsbehelf durch die Verwaltungsgerichte ergebnisoffen beurteilt werden kann. Dies setzt grundsätzlich voraus, dass der Betroffene die Gelegenheit hat, sich zu der behördlichen Entscheidung zu äußern. Im Zusammenhang mit der Pflicht der Gerichte zur Gewährleistung rechtlichen Gehörs im Sinne von Art. 103 Abs. 1 GG ergibt sich, dass es einem Asylsuchenden möglich sein muss, mit den Gründen, die er für seinen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes geltend machen will, auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Einfluss zu nehmen (vgl. BVerfGE 81, 123 <129>). Aus dem Anspruch auf ein faires Verfahren aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip folgt zudem, dass die Gerichte sich nicht widersprüchlich verhalten dürfen, dass sie aus eigenen oder ihnen zuzurechnenden Fehlern und Versäumnissen keine Verfahrensnachteile ableiten dürfen und dass sie allgemein zur Rücksichtnahme gegenüber den Verfahrensbeteiligten in ihrer konkreten Situation verpflichtet sind (vgl. BVerfGE 38, 105 <111 ff.>; 40, 95 <98 f.>; 46, 202 <210>; 51, 188 <192>; 60, 1 <6>; 69, 381 <387>; 75, 183 <190>; 78, 123 <126>).</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_25">25</a>
</dt>
<dd>
<p>
bb) Dass das Verwaltungsgericht diese Anforderungen verfehlt hätte, ergibt sich aus dem Vortrag des Antragstellers nicht.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_26">26</a>
</dt>
<dd>
<p>
Zwar ist der angegriffene Bescheid der Bevollmächtigten des Antragstellers vor der Entscheidung des Verwaltungsgerichts über den Eilantrag nicht zur Kenntnis gelangt; vielmehr hat sie nach ihren Angaben erst durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts um 20.20 Uhr von der Existenz des Bescheids erfahren. Der Umstand, dass das Verwaltungsgericht den dort um 19.13 Uhr eingegangenen Bescheid vor Ergehen der eigenen Entscheidung und nur etwa 45 Minuten vor der geplanten Abschiebung nicht an die Bevollmächtigte des Antragstellers zur Stellungnahme übersandt hat, ist auf dem Boden des Beschwerdevortrags jedoch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Zwar muss das Gericht im Regelfall sicherstellen, dass die Verfahrensbeteiligten Gelegenheit haben, zu den tatsächlichen Grundlagen, auf die eine Entscheidung gestützt werden soll, Stellung zu nehmen; diesem Ziel dienen insbesondere die Übermittlung von Erkenntnismittellisten an die Verfahrensbeteiligten und die laufende Unterrichtung der Beteiligten über den Fortgang des Verfahrens. Das Verwaltungsgericht darf sich allerdings grundsätzlich darauf verlassen, dass der Streitgegenstand des Verfahrens dem Antragsteller bekannt ist, insbesondere dass ihm der angegriffene Bescheid also entweder durch die für den Erlass zuständige Behörde übermittelt oder durch seinen Bevollmächtigten selbst beschafft wird. Denn die Zustellung des Bescheids ist Aufgabe der zuständigen Behörde und muss von dieser bewirkt werden; dies gilt auch dann, wenn ein gerichtliches Verfahren (vorsorglich) eingeleitet worden ist, bevor der verfahrensgegenständliche Verwaltungsakt erlassen worden ist. Es oblag in der hier bestehenden Situation der besonderen Eilbedürftigkeit dem Verwaltungsgericht auch nicht, zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes und rechtlichen Gehörs selbst dafür Sorge zu tragen, dass der angegriffene Bescheid an die Bevollmächtigte des Antragstellers übermittelt wurde. Vielmehr durfte das Verwaltungsgericht davon ausgehen, dass angesichts des extrem geringen, für die Entscheidungsfindung zur Verfügung stehenden Zeitraums entweder das Bundesamt zugleich mit der Übersendung des Bescheids an das Gericht um 19.13 Uhr eine Übermittlung auch an die Bevollmächtigte vornehmen würde oder dass diese sich ihrerseits intensiv bemühen würde, den Bescheid so schnell wie möglich unmittelbar vom Bundesamt zu erhalten.</p>
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</dl>
<dl class="RspDL">
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<a name="rd_27">27</a>
</dt>
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Denn das Verfahren des Antragstellers war durch Besonderheiten geprägt: Zunächst hat die Bevollmächtigte die außerordentliche Eilbedürftigkeit selbst herbeigeführt. Der Antragsteller hatte sie bereits am 12. Dezember 2018, mithin zu einem Zeitpunkt mandatiert, als bereits feststand, dass mit einer Abschiebung in Kürze zu rechnen war und dass ein Wiederaufgreifensgrund aufgrund der Konversion des Antragstellers in Betracht kam. Mit der Entscheidung, auch den Asylfolgeantrag erst am Mittag des Tags der Abschiebung am 7. Januar 2019 zu stellen, ist sie das Risiko eingegangen, dass nicht mehr ausreichend Zeit zur Verfügung stehen würde, um zu dem Asylfolgebescheid hinreichend Stellung zu nehmen. Dass das Verwaltungsgericht noch am Abend des 7. Januar 2019 über den Eilantrag entscheiden würde, war angesichts der für 21.00 Uhr geplanten Abschiebung des Antragstellers zu erwarten. Der um 20.20 Uhr an die Bevollmächtigte übermittelte Beschluss des Verwaltungsgerichts stellte nach den besonderen Umständen des Einzelfalls keine überraschende Entscheidung dar. Der Umstand, dass dem Folgeantrag Bescheinigungen und Erklärungen beigefügt waren, die unter anderem auf den 3. und 6. Januar 2019 datiert waren, ändert hieran nichts. Denn der Inhalt dieser Erklärungen bezieht sich auf Geschehnisse seit 2016; Gründe dafür, warum diese Erklärungen nicht bereits früher abgegeben werden konnten, hat der Antragsteller nicht vorgetragen.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
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<a name="rd_28">28</a>
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Die Bevollmächtigte des Antragstellers hat auch nicht die Bemühungen angestellt, die angesichts der von ihr herbeigeführten extremen Eilsituation von ihr zu erwarten waren. Jedenfalls durfte sie sich nicht auf eine rechtzeitige Übersendung des Asylfolgebescheids durch das Bundesamt oder das Gericht verlassen. Ihr standen mehrere Möglichkeiten offen, die drängende Frage zu klären, ob und wann über den Folgeantrag entschieden worden war. Dazu zählte es mit Blick auf die um 21.00 Uhr bevorstehende Abschiebung des Antragstellers unter anderem auch, rechtzeitig Vorsorge dafür zu treffen, dass das Bundesamt auch nach dem Ende der üblichen Dienstzeiten für Auskünfte zu dem Folgeantragsverfahren erreichbar bleiben würde. Demgegenüber hat sie zur Begründung ihres Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung weder geltend gemacht, dass sie sich vergebens um die Übermittlung des Bescheids bemüht habe, noch hat sie erklärt, weshalb ihr ausschließlich durch den Umstand, dass ihr das Verwaltungsgericht den ihm um 19.13 Uhr vorliegenden Bescheid nicht umgehend übermittelt hat, die Möglichkeit genommen war, auf die gerichtliche Entscheidung Einfluss zu nehmen.</p>
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</dl>
<dl class="RspDL">
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<a name="rd_29">29</a>
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Soweit die Bevollmächtigte geltend macht, dass eine Auseinandersetzung mit den Gründen des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses 30 Minuten vor der Abschiebung und ohne die Begründung des Bescheids zu kennen nicht mehr möglich war, stellt dies die Gewährung effektiven Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht ebenfalls nicht in Frage. Die Übermittlung einer Entscheidung etwa eine Stunde nach dem Eingang des Bescheids des Bundesamts und kurz vor der geplanten Abschiebung lässt nicht erkennen, dass das fachgerichtliche Verfahren in einer die Gewährung effektiven Rechtsschutzes gefährdenden Weise ausgestaltet war. Im Übrigen zielt dieser Einwand im Wesentlichen auf das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht und nicht auf die durch Art. 19 Abs. 4 GG geschützte Stellungnahmemöglichkeit im fachgerichtlichen Verfahren.</p>
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</dl>
<dl class="RspDL">
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<a name="rd_30">30</a>
</dt>
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<p>
b) Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob die - nicht entscheidungstragende - Wertung des Verwaltungsgerichts, die späte Antragstellung sei rechtsmissbräuchlich, einen Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG darstellt. Das Verwaltungsgericht hat allerdings gute Gründe für die Annahme einer rechtsmissbräuchlich späten Antragstellung genannt.</p>
</dd>
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<dl class="RspDL">
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<a name="rd_31">31</a>
</dt>
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<p>
Grundsätzlich genügt - jedenfalls im verwaltungsgerichtlichen Verfahren - nicht bereits die späte Antragstellung für die Vermutung eines Rechtsmissbrauchs (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 21. Februar 2018 - 2 BvR 301/18 -, juris, Rn. 5 und vom 14. September 2017 - 2 BvQ 56/17 -, juris, Rn. 14). Der vorliegende Fall wies jedoch die Besonderheit auf, dass der Antragsteller mehrere ihm zur Verfügung stehende Zeitpunkte hat verstreichen lassen, um den von ihm vorgebrachten Wiederaufgreifensgrund der Konversion überhaupt im behördlichen Verfahren geltend zu machen. Zwar ist der Asylfolgeantrag zeitlich über die Vorgabe des § 51 Abs. 3 VwVfG hinaus nicht gebunden. Allerdings fehlt es hier an einer plausiblen Erklärung dazu, weshalb es dem Antragsteller zu keinem der vom Verwaltungsgericht genannten Zeitpunkte möglich gewesen sein soll, einen Asylfolgeantrag zu stellen. Insbesondere ist unklar geblieben, weshalb ab dem 12. Dezember 2018, als der Antragsteller seine jetzige Bevollmächtigte beauftragt hatte, er von einer zeitnah bevorstehenden Abschiebung nach Afghanistan ausgehen musste und der geltend gemachte Grund der Konversion bereits bestand, eine solche Antragstellung nicht vorgenommen werden konnte. Weshalb erst am Tag der geplanten Abschiebung mittags ein Asylfolgeantrag gestellt werden konnte, ist nach dem Vortrag des Antragstellers nicht nachvollziehbar. Der Eindruck eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens wird auch dadurch unterstrichen, dass die Bevollmächtigte des Antragstellers im verfassungsgerichtlichen Verfahren den im Bescheid des Bundesamts zitierten Beschluss des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 4. Januar 2019 - B 6 E 19.3 -, aus dem sich die Kenntnis des Antragstellers von der für Januar 2019 geplanten Abschiebung ergeben soll, nicht erwähnt hat.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
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<a name="rd_32">32</a>
</dt>
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<p>
Ob damit ein Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG ausgeräumt ist, kann hier jedoch offenbleiben. Denn jedenfalls hinsichtlich der weiteren selbstständig tragenden Erwägung des Gerichts, der Eilantrag sei unbegründet, fehlt es an einer substantiierten Darlegung eines Verfassungsverstoßes.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_33">33</a>
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c) Die Qualifizierung des Eilantrags als unbegründet ist nicht mit einer hinreichend substantiierten Begründung angegriffen worden.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
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<a name="rd_34">34</a>
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<p>
aa) Soweit das Verwaltungsgericht die Ablehnung eines Wiederaufgreifens hinsichtlich des Antrags auf internationalen Schutz durch das Bundesamt mangels nachträglich geänderter Sachlage bestätigt hat, wird dies vom Antragsteller nicht substantiiert beanstandet. Auch im verfassungsgerichtlichen Verfahren hat er nicht plausibel erklärt, dass er den Wiederaufgreifensgrund der Konversion innerhalb der Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG geltend gemacht hat beziehungsweise weshalb ihm Wiedereinsetzung hätte gewährt werden müssen. Es sind keine verfassungsrechtlichen Anhaltspunkte dafür vorgetragen worden, dass das Verwaltungsgericht von einer veränderten Sachlage hätte ausgehen müssen. Dies gilt insbesondere für eine etwaige Vertiefung des christlichen Glaubens innerhalb der letzten drei Monate vor Stellen des Asylfolgeantrags.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_35">35</a>
</dt>
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<p>
bb) Die Rüge, dass das Verwaltungsgericht Art. 103 Abs. 1 GG verletzt habe, indem es sich nicht mit der Frage befasst habe, ob das behördliche Ermessen bei der Entscheidung über das Wiederaufgreifen des Verfahrens hinsichtlich des Bestehens von Abschiebungsverboten auf Null reduziert sei, ist ebenfalls nicht hinreichend begründet. Der Antragsteller macht geltend, dass das Verwaltungsgericht diesbezüglich einen falschen Maßstab zugrunde gelegt und lediglich auf das Fehlen eines Wiederaufgreifensgrundes abgestellt habe. Er verkennt jedoch, dass sich das Verwaltungsgericht zu dem Wiederaufgreifen hinsichtlich der Abschiebungsverbote auf die Begründung des Bescheids gestützt hat. Darin wird erläutert, weshalb der Vortrag zu der geltend gemachten Apostasie und der Konversion des Antragstellers widersprüchlich und nicht glaubhaft sei. Auch das Verwaltungsgericht geht in seinem Beschluss auf die mangelnde Glaubhaftigkeit des Vortrags ein. Der Antragsteller hat demgegenüber keine Umstände dargelegt, die dieser Wertung entgegenstehen. Er hat sich darauf beschränkt, die allgemeine Gefahr für Christen beziehungsweise Apostaten in Afghanistan zu erörtern. Dass er selbst konkret zu diesen gefährdeten Gruppen gehört, hat er jedoch nicht dargelegt. Die Widersprüche im Vortrag zu seiner Konversion konnte er auch im verfassungsgerichtlichen Verfahren nicht ausräumen. Insbesondere den Umstand, dass er drei Jahre nach seinem Glaubenswechsel zum Christentum in der Anhörung beim Bundesamt angegeben hat, Schiit zu sein, hat er nicht erklärt. Es fehlt zudem an einer nachvollziehbaren Darstellung, dass er sich nach außen erkennbar vom Islam distanziert habe. Schließlich hat er auch die Gefahr der Zuschreibung der gefahrerhöhenden Merkmale nicht plausibel dargelegt. Zwar ist nachvollziehbar, dass auch in Afghanistan auf unterschiedlichen Wegen Einzelheiten zu Rückkehrern aus Deutschland bekannt werden. Der Antragsteller hat jedoch nicht näher erklärt, weshalb man ihm in Afghanistan unterstellen werde, dass er sich vom Islam abgewandt habe und zum Christentum übergetreten sei. Die von dem Antragsteller vorgetragenen beiden Beispiele sind nicht auf seinen Fall übertragbar, da er bezüglich seiner Konversion beziehungsweise der Abkehr vom Islam nur über innerfamiliäre Streitigkeiten berichtet hat. Erst recht sind besondere Umstände, die eine Ermessenreduzierung auf Null begründet hätten, in denen also ein Festhalten an der ursprünglichen Entscheidung zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis geführt hätte, nicht vorgetragen worden.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
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<a name="rd_36">36</a>
</dt>
<dd>
<p>
Soweit der Antragsteller seine Existenzsicherung in Afghanistan als Christ beziehungsweise Apostat gefährdet sieht, fehlt es für die Annahme einer Verletzung von Art. 3 EMRK ebenfalls an der substantiierten Darlegung einer Zugehörigkeit zu der Gruppe der Christen beziehungsweise Apostaten.</p>
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</dl>
<dl class="RspDL">
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<a name="rd_37">37</a>
</dt>
<dd>
<p>
cc) Schließlich ist nicht substantiiert begründet worden, dass das Verwaltungsgericht Art. 19 Abs. 4 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verletzt hat, indem es einen falschen Maßstab angelegt hat. Es durfte bei der Überprüfung von veränderten Umständen hinsichtlich der Abschiebungsverbote die in dem Bundesamtsbescheid bewertete Glaubhaftigkeit des Vortrags zur Konversion berücksichtigen. Inwiefern das Verwaltungsgericht seinen Vortrag verfassungsrechtlich unzulässig vorab gewürdigt hat, hat der Antragsteller nicht erklärt. Damit ist nicht über die - in diesem Verfahren nicht aufgeworfene - Frage entschieden, ob aus § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG die Pflicht des Bundesamts folgt, auch bei Anträgen auf Abänderung der Feststellungen zu Abschiebungsverboten die Voraussetzungen von § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG - unabhängig von den Voraussetzungen eines Wiederaufgreifens und einer Ermessensentscheidung über die Aufhebung einer früheren Entscheidung hinsichtlich der Abschiebungsverbote - zu prüfen.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_38">38</a>
</dt>
<dd>
<p>
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.</p>
</dd>
</dl>
</div>
|
175,044 | eugh-2019-01-17-c-69017 | {
"id": 2,
"name": "Europäischer Gerichtshof",
"slug": "eugh",
"city": null,
"state": 19,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": null
} | C-690/17 | 2019-01-17T00:00:00 | 2019-01-31T19:20:59 | 2019-01-31T19:20:59 | Schlussantrag des Generalanwalts | ECLI:EU:C:2019:39 | <p class="C36Centre">SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS</p>
<p class="C36Centre">MANUEL CAMPOS SÁNCHEZ-BORDONA</p>
<p class="C36Centre">vom 17. Januar 2019(<a href="#Footnote1" name="Footref1">1</a>)</p>
<p class="C38Centregrasgrandespacement">
<b>Rechtssache C</b>‑<b>690/17</b>
</p>
<p class="C37Centregras">
<b>ÖKO</b>‑<b>Test Verlag GmbH</b>
</p>
<p class="C37Centregras">
<b>gegen</b>
</p>
<p class="C37Centregras">
<b>Dr. Rudolf Liebe Nachf. GmbH & Co. KG</b>
</p>
<p class="C39Centreespacement">(Vorabentscheidungsersuchen des Oberlandesgerichts Düsseldorf [Deutschland])</p>
<p class="C71Indicateur">„Vorabentscheidungsersuchen – Unionsmarke – Rechte aus der Marke – Recht, sich der Benutzung eines identischen oder ähnlichen Zeichens durch einen Dritten zu widersetzen – Unbefugte Anbringung einer Marke als Qualitätstest‑Label auf einer Ware“</p>
<br/>
<br/>
<br/>
<br/>
<p class="C02AlineaAltA">
<br/>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point1">1.</a>        Bei diesem Vorabentscheidungsersuchen geht es um die Frage, ob der Inhaber einer Marke (ÖKO‑TEST), die aus einem Testsiegel(<a href="#Footnote2" name="Footref2">2</a>) besteht und für eine Reihe von Dienstleistungen eingetragen wurde, berechtigt ist, ihre Benutzung durch einen Dritten zu verbieten, der sie ohne seine Zustimmung auf der Verpackung einer Zahncreme (Aminomed) verwendet.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point2">2.</a>        Hat es in einem Fall wie diesem, in dem keine Identität oder Ähnlichkeit zwischen den Zahnpflegeprodukten und den Dienstleistungen, die der Inhaber des Testsiegels erbringt, zu bestehen scheint, einen Sinn, sich auf Ansprüche wegen Markenrechtsverletzungen zu stützen? Dies ist im Wesentlichen die Frage des vorlegenden Gerichts, mit der die Schwierigkeiten geklärt werden sollen, die sich daraus ergeben, dass der Inhaber der Marke ÖKO‑TEST gegen einen Dritten, der das Testsiegel ohne seine Zustimmung verwendet, weder vertragliche Ansprüche noch Ansprüche aus den deutschen Vorschriften über den unlauteren Wettbewerb geltend machen kann.</p>
<p class="C21Titrenumerote1">I.      <b>Rechtlicher Rahmen</b>
</p>
<p class="C22Titrenumerote2">A.      <b>Unionsrecht</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point3">3.</a>        Der rechtliche Rahmen zum Schutz der Marken umfasst sowohl Maßnahmen zur Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften (insbesondere die Richtlinie 2008/95/EG(<a href="#Footnote3" name="Footref3">3</a>)) als auch Bestimmungen über die Unionsmarke (Verordnung Nr. 207/2009(<a href="#Footnote4" name="Footref4">4</a>)), die für Wirtschaftsteilnehmer gelten, die sich für dieses gewerbliche Eigentumsrecht entscheiden.</p>
<p class="C23Titrenumerote3">1.      <b>Richtlinie 2008/95</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point4">4.</a>        Art. 5 Abs. 1 bis 3 bestimmt:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„(1)      Die eingetragene Marke gewährt ihrem Inhaber ein ausschließliches Recht. Dieses Recht gestattet es dem Inhaber, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">a)      ein mit der Marke identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für die sie eingetragen ist;</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">b)      ein Zeichen zu benutzen, wenn wegen der Identität oder der Ähnlichkeit des Zeichens mit der Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die Marke und das Zeichen erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird.</p>
<p class="C02AlineaAltA">(2)      Die Mitgliedstaaten können ferner bestimmen, dass es dem Inhaber gestattet ist, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr ein mit der Marke identisches oder ihr ähnliches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die nicht denen ähnlich sind, für die die Marke eingetragen ist, wenn diese in dem betreffenden Mitgliedstaat bekannt ist und die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt.</p>
<p class="C02AlineaAltA">(3)      Sind die Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 erfüllt, so kann insbesondere verboten werden:</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">a)      das Zeichen auf Waren oder deren Aufmachung anzubringen;</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">b)      unter dem Zeichen Waren anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen oder unter dem Zeichen Dienstleistungen anzubieten oder zu erbringen;</p>
<p class="C02AlineaAltA">…“</p>
<p class="C23Titrenumerote3">2.      <b>Verordnung 2017/1001</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point5">5.</a>        Art. 9 Abs. 1 bis 3(<a href="#Footnote5" name="Footref5">5</a>) sieht vor:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„(1)      Mit der Eintragung einer Unionsmarke erwirbt ihr Inhaber ein ausschließliches Recht an ihr.</p>
<p class="C02AlineaAltA">(2)      Der Inhaber dieser Unionsmarke hat unbeschadet der von Inhabern vor dem Zeitpunkt der Anmeldung oder dem Prioritätstag der Unionsmarke erworbenen Rechte das Recht, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr ein Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, wenn</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">a)      das Zeichen mit der Unionsmarke identisch ist und für Waren oder Dienstleistungen benutzt wird, die mit denjenigen identisch sind, für die die Unionsmarke eingetragen ist;</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">b)      das Zeichen mit der Unionsmarke identisch oder ihr ähnlich ist und für Waren oder Dienstleistungen benutzt wird, die mit denjenigen identisch oder ihnen ähnlich sind, für die die Unionsmarke eingetragen ist, und für das Publikum die Gefahr einer Verwechslung besteht, die die Gefahr einschließt, dass das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird;</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">c)      das Zeichen mit der Unionsmarke identisch oder ihr ähnlich ist, unabhängig davon, ob es für Waren oder Dienstleistungen benutzt wird, die mit denjenigen identisch sind oder denjenigen ähnlich oder nicht ähnlich sind, für die die Unionsmarke eingetragen ist, wenn diese in der Union bekannt ist und die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Unionsmarke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt.</p>
<p class="C02AlineaAltA">(3)      Sind die Voraussetzungen des Absatzes 2 erfüllt, so kann insbesondere verboten werden,</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">a)      das Zeichen auf Waren oder deren Verpackung anzubringen;</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">b)      unter dem Zeichen Waren anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen oder unter dem Zeichen Dienstleistungen anzubieten oder zu erbringen;</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">…“</p>
<p class="C22Titrenumerote2">B.      <b>Deutsches Recht: Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen</b>(<a href="#Footnote6" name="Footref6">6</a>)</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point6">6.</a>        In § 14 Abs. 2 Nr. 3 dieses Gesetzes hat die Bundesrepublik Deutschland von der in Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2008/95 für bekannte Marken eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht.</p>
<p class="C21Titrenumerote1">II.    <b>Sachverhalt und Vorlagefragen</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point7">7.</a>        Die Öko‑Test Verlag GmbH ist Herausgeberin des bundesweit erscheinenden ÖKO‑TEST-Magazins, in dem neben allgemeinen Verbraucherinformationen Waren- und Dienstleistungstests veröffentlicht werden, die bei unabhängigen Laboratorien in Auftrag gegeben werden. Die Untersuchungen und Tests werden ohne Wissen der jeweiligen Hersteller durchgeführt.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point8">8.</a>        Die folgende nationale Bildmarke bzw. Unionsbildmarke von Öko‑Test Verlag ist seit dem 23. April 2012 beim Deutschen Patent- und Markenamt bzw. seit dem 31. August 2012 beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) eingetragen(<a href="#Footnote7" name="Footref7">7</a>):</p>
<p class="C36Centre">
<img src="data:image/png;base64,iVBORw0KGgoAAAANSUhEUgAAAK4AAADDCAYAAAAbZipqAAAABGdBTUEAALGPC/xhBQAAAAlwS FlzAAAOwgAADsIBFShKgAAAABl0RVh0U29mdHdhcmUATWljcm9zb2Z0IE9mZmljZX/tNXEAAB 0ZSURBVHhe7ZwJeFRFtsezQ8hGwo4LIOqIgo4j4jDq8424zWN0QH2jgoqjiPuOC4jwQNn0uYw 6M47LqDMuuI27iAgStoQsnaSTTq/ZutPd2ROSAAmL551Ttzrp5d6ExPg+C8/v+w7pvlX33rpV /zp1qm41UcAwirF8+fIoFi6jHCxcRklYuIySsHAZJWHhMkrCwmWUhIXLKAkLl1ESFi6jJD+qc M3FZli28gn49YXnQ8b4oyF5zAhIGTuK7WdgyWNGijanticNkBYGkh9FuD6vF666bi5EpybBiN gYuDQxGe5PyYBHU4fDotRhaIG/AQs/Hpyu99noWHj64RzTS6e/Rp+N8umlh+fR+xv4bJQenqa XTn+NPvflWHi6Xj69dPob+nkxfr4/NUO0PWkgBrVAmiBtDAQDLtyS4mKYcMpJMCQmCh5NzoD8 hAyojR4KzWhN0pqjkqEhKhrq8dbNUYMxLR2Pp+NnshSRVodpTVEJ+J3OofTu89l++kbtTVYXk y40QFoYEhMttEEa+aEMqHD9fh8WbBIclRAPXyQOh1YseH1UKlRHpYEnOg2q0TxRg8ARlw6Vs+ ZA1Y13gHP8ZKiMigEv5vWgiJ0xaVB++bVQcfv94DrlLKgQadr5bOoZtX09GmmBNHFUQoIQr9/ nk6rpHwMq3Dk3XC887ReJw6ANCxsQbJdFDQFb6kho2JQpzwDY19gMjgt+D+6oWHAMyYCG9Rtl CsD+ffvAdeW1Qtgh12FTzkgLpIkvUbxJqJE5N8yTrdw/Bky4NptVxLSLk9OhFYf3CNGiVeCtP 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<p class="C01PointAltN">
<a name="point9">9.</a>        Die wichtigsten von der Marke erfassten Dienstleistungen(<a href="#Footnote8" name="Footref8">8</a>) gehören zu den Klassen 35 (Verbraucherberatung und ‑information bei der Auswahl von Waren und Dienstleistungen unter Verwendung von Test- und Untersuchungsergebnissen; Durchführung und Auswertung von Meinungsforschungen und Umfragen) und 42 (Durchführung und Auswertung von wissenschaftlich basierten Warentests und Dienstleistungsuntersuchungen; Durchführung und Auswertung von Qualitätsuntersuchungen; Durchführung und Auswertung von technischen Tests und Überprüfungen).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point10">10.</a>      Öko‑Test Verlag finanziert sich vor allem durch Erlöse aus dem Vertrieb ihrer Zeitschrift sowie durch die Lizenzverträge über die Benutzung der Marke, die sie nach der Durchführung der Tests mit den Herstellern der Waren abschließt. Die Lizenznehmer erhalten eine Datei mit dem ÖKO‑TEST‑Siegel, das sie für ihre Waren benutzen, indem sie in das auf dem Siegel enthaltene Leerfeld das Testergebnis und dessen Fundstelle(<a href="#Footnote9" name="Footref9">9</a>) eintragen.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point11">11.</a>      Der Lizenzvertrag endet, wenn das Testergebnis, das sich auf das Produkt des Lizenznehmers bezieht, durch einen zeitlich neueren Test (mit neuen Parametern) überholt ist, und zwar unabhängig davon, ob das Produkt bei dem neueren Test getestet wurde(<a href="#Footnote10" name="Footref10">10</a>), oder wenn die Beschaffenheit oder Merkmale des Produkts verändert werden.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point12">12.</a>      Die Dr. Rudolf Liebe Nachf. GmbH & Co. KG(<a href="#Footnote11" name="Footref11">11</a>) stellt Zahncremes, u. a. das Produkt Aminomed, her. Öko‑Test Verlag testete eine Reihe von Zahncremes, darunter die Aminomed Fluorid-Kamillen-Zahncreme, und veröffentlichte die Testergebnisse im Jahrbuch Kosmetik 2005, wobei die betreffende Zahncreme mit der Note „sehr gut“ bewertet wurde.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point13">13.</a>      Im August 2005 schlossen die beiden Unternehmen einen Lizenzvertrag zur Nutzung des (damals noch nicht als Marke eingetragenen) ÖKO‑TEST‑Siegels, und Dr. Liebe begann, dieses zur Bewerbung ihres Produkts zu verwenden.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point14">14.</a>      Im Oktober 2014 erfuhr Öko‑Test Verlag, dass Aminomed in der nachfolgend dargestellten Form vertrieben wurde:</p>
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</p>
<p class="C02AlineaAltA">Die Verpackung war gegenüber der ursprünglichen Verpackung verändert.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point15">15.</a>      Öko‑Test Verlag erhob beim Landgericht Düsseldorf (Deutschland) eine Klage wegen Verletzung des Markenrechts. Sie machte geltend, dass Dr. Liebe nach dem Lizenzvertrag nicht dazu berechtigt sei, das ÖKO‑TEST-Siegel zu verwenden, da a) dieses gar nicht Gegenstand des Vertrags gewesen sei, b) 2008 ein neuer Test für Zahncreme veröffentlicht worden sei, der neue Testparameter aufweise, so dass Dr. Liebe schon deswegen nicht mehr zur Nutzung des Zeichens befugt sei, und c) es sich bei dem von Dr. Liebe unter Verwendung des Testsiegels angebotenen Produkt nicht mehr um ein testidentisches Produkt im Sinne des Lizenzvertrags handele, da sich zumindest die Bezeichnung, die Beschreibung und die Verpackung des Produkts geändert hätten.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point16">16.</a>      Dr. Liebe hält der Klage entgegen, der Lizenzvertrag bestehe fort und sie sei zur Benutzung des ÖKO‑TEST-Siegels berechtigt. Sie habe die nationale Marke und die Unionsmarke nach deren Eintragung nicht mehr benutzt.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point17">17.</a>      Das Landgericht stellte fest, dass Dr. Liebe die streitige Marke für die Dienstleistung „Verbraucherinformation und ‑beratung“ benutze und sich nicht mehr auf den Lizenzvertrag berufen könne. Da sie keine näheren Angaben zur Produktionseinstellung vorgetragen habe, sei davon auszugehen, dass sie die Zahncreme auch noch nach Markeneintragung mit diesem Testsiegel vertrieben habe. Das Landgericht verurteilte Dr. Liebe daher, die Verwendung des ÖKO‑TEST‑Zeichens im geschäftlichen Verkehr für Aminomed zu unterlassen und das Produkt vom Markt zu nehmen.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point18">18.</a>      Dr. Liebe legte gegen das Urteil Berufung beim Oberlandesgericht Düsseldorf ein, das im Vorlagebeschluss ausführt, dass es a) mit dem Landgericht der Auffassung sei, dass der Lizenzvertrag bereits seit Längerem ausgelaufen sei, und b) folglich davon ausgehe, dass Dr. Liebe die Marke ohne Zustimmung ihres Inhabers im geschäftlichen Verkehr benutzt habe.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point19">19.</a>      Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">–      scheiden, wenn man davon ausgeht, dass die streitige Marke für eine <i>Ware</i> (Zahncreme) verwendet wurde, Ansprüche von Öko‑Test Verlag aus Art. 9 Abs. 2 Buchst. a und b der Verordnung 2017/1001 aus, weil keine der beiden Eintragungen von ÖKO‑TEST Zahncreme oder „ähnliche Waren“ umfasst.</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">–      kann Öko‑Test Verlag sich nur dann auf ihr in diesem Artikel verankertes Recht als Markeninhaberin berufen, wenn die Verwendung eines Testsiegels für eine<i> Ware </i>seiner Benutzung für eine der von der Marke geschützten <i>Dienstleistungen</i> wie z. B. die „Verbraucherinformation und ‑beratung bei der Auswahl von Waren und Dienstleistungen“ gleichgesetzt werden kann.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point20">20.</a>      Das vorlegende Gericht betont außerdem, Testsiegel seien nicht mit Qualitätssiegeln vergleichbar, da insoweit Unterschiede bestünden, noch zur Eintragung als Gewährleistungsmarke(<a href="#Footnote12" name="Footref12">12</a>) geeignet. Es weist allerdings darauf hin, dass das Verständnis eines Testsiegels durch den Verbraucher, wie in der Rechtssache Gözze(<a href="#Footnote13" name="Footref13">13</a>), demjenigen eines Qualitätssiegels ähnele. Die Anbringung des Testsiegels auf der Ware gewährleiste eine bestimmte, geprüfte Qualität, aber nicht, dass die Ware unter der Kontrolle des Inhabers der aus dem Testsiegel bestehenden Marke hergestellt worden sei. Der Verkehr identifiziere daher die Marke ÖKO‑TEST nicht mit den Herstellern der getesteten Ware, da ihm bekannt sei, dass Öko‑Test Verlag von den Herstellern unabhängig sei und darauf besonderen Wert lege.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point21">21.</a>      Sehe man die Anbringung des Testsiegels als Benutzung für die eingetragene Dienstleistung an, habe Dr. Liebe sowohl hinsichtlich der Herkunftsfunktion als auch hinsichtlich der Qualitätsfunktion die Marke verletzt(<a href="#Footnote14" name="Footref14">14</a>). Sollte die erste Vorlagefrage zu verneinen sein, stelle sich jedoch eine Folgefrage zu Art. 9 Abs. 2 Buchst. c der Verordnung 2017/1001 und Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2008/95.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point22">22.</a>      Tatsächlich sei die Marke ÖKO‑TEST in der Bundesrepublik Deutschland zwar bekannt, allerdings nicht als Zeichen eines gewerblichen Schutzrechts, sondern als Testsiegel. Nach dem Urteil Gözze lasse sich daher nur schwer argumentieren, dass Dr. Liebe die Marke für die Zahncreme und nicht für die von Öko‑Test Verlag erbrachte Dienstleistung genutzt habe. Daher stelle sich die Frage, ob von einer bekannten Individualmarke ausgegangen werden könne, wenn der Ruf der Marke auf ihrer Eigenschaft als Testsiegel beruhe.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point23">23.</a>      Die Rechtsprechung zu bekannten Marken(<a href="#Footnote15" name="Footref15">15</a>) biete keine hinreichenden Anhaltspunkte, um zu klären, ob das Inverkehrbringen der mit dem Testsiegel versehenen Zahncreme eine rechtsverletzende Benutzung darstelle und ob dies insbesondere auch dann gelte, wenn es sich um eine nicht „markenmäßige“ Benutzung handele. Eine Rufausbeutung oder ein Imagetransfer, wie sie durch die angesprochenen Vorschriften untersagt würden, träten auch dann ein, wenn der Dritte die Individualmarke nicht einsetze, um die Ursprungsidentität der Ware aus seinem Unternehmen zu garantieren.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point24">24.</a>      Vor diesem Hintergrund legt das Oberlandesgericht Düsseldorf dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor:</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">1.      Stellt es eine rechtsverletzende Benutzung einer Individualmarke im Sinne des Art. 9 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 oder Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a der Richtlinie 2008/95 dar, wenn</p>
<p class="C12Marge1avectiretlong">–        die Individualmarke auf einer Ware angebracht ist, für die die Individualmarke nicht geschützt ist,</p>
<p class="C12Marge1avectiretlong">–        die Anbringung der Individualmarke durch einen Dritten vom Verkehr als sogenanntes Testsiegel verstanden wird, also in dem Sinne, dass die Ware von einem nicht unter Kontrolle des Markeninhabers stehenden Dritten hergestellt und in den Verkehr gebracht wurde, der Markeninhaber diese Ware aber auf bestimmte Eigenschaften hin getestet und auf Grund dessen mit einem bestimmten, in dem Testsiegel vermerkten Ergebnis bewertet hat,</p>
<p class="C12Marge1avectiretlong">–        und die Individualmarke u. a. für „Verbraucherinformation und ‑beratung bei der Auswahl von Waren und Dienstleistungen, insbesondere unter Verwendung von Test- und Untersuchungsergebnissen sowie mittels Qualitätsurteilen“ eingetragen ist?</p>
<p class="C02AlineaAltA">2.      Sollte der Gerichtshof die Frage zu Nummer 1. verneinen:</p>
<p class="C10Marge1">Stellt es eine rechtsverletzende Benutzung im Sinne des Art. 9 Abs. 2 Buchst. c der Verordnung 2017/1001 und des Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2008/95 dar, wenn</p>
<p class="C12Marge1avectiretlong">–        die Individualmarke nur als – unter Nummer 1. beschriebenes – Testsiegel bekannt ist und</p>
<p class="C12Marge1avectiretlong">–        die Individualmarke vom Dritten als Testsiegel verwendet wird?</p>
<p class="C21Titrenumerote1">III. <b>Verfahren vor dem Gerichtshof</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point25">25.</a>      Der Vorlagebeschluss ist am 8. Dezember 2017 beim Gerichtshof eingegangen. Öko‑Test Verlag, die deutsche Regierung und die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht und an der mündlichen Verhandlung vom 7. November 2018 teilgenommen, an der auch Dr. Liebe teilgenommen hat.</p>
<p class="C21Titrenumerote1">IV.    <b>Rechtliche Würdigung </b>
</p>
<p class="C22Titrenumerote2">A.      <b>Vorbemerkungen</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point26">26.</a>      Das vorlegende Gericht fragt zwar nach der Anwendbarkeit von Art. 9 der Verordnung 2017/1001 und Art. 5 der Richtlinie 2008/95, hebt jedoch hervor, dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens ihren Anspruch auf die Unionsmarke und nur hilfsweise auf die nationale Marke stütze(<a href="#Footnote16" name="Footref16">16</a>). Für eine bessere Verständlichkeit wird sich meine Prüfung daher in erster Linie auf die Vorschriften der Verordnung 2017/1001 über die Unionsmarke beziehen, auch wenn die Ergebnisse dieser Prüfung auf die entsprechenden Vorschriften der Richtlinie 2008/95(<a href="#Footnote17" name="Footref17">17</a>) übertragbar sind.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point27">27.</a>      Wie bereits ausgeführt, verneint das vorlegende Gericht einen Rechtschutzanspruch von Öko‑Test Verlag sowohl auf vertraglicher Grundlage, da der Lizenzvertrag seit Längerem ausgelaufen sei(<a href="#Footnote18" name="Footref18">18</a>), als auch auf der Grundlage unlauteren Wettbewerbs, da dies erfordere, dass die Klägerin und die Beklagte im Wettbewerb stünden, was hier nicht der Fall sei(<a href="#Footnote19" name="Footref19">19</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point28">28.</a>      Während ich hinsichtlich des Hindernisses, das nach den deutschen Vorschriften über den unlauteren Wettbewerb einem Unterlassungsanspruch entgegensteht, keine Bedenken habe, sollte angesichts einiger Urteile des Gerichtshofs vielleicht doch in Betracht gezogen werden, einen vertraglichen Anspruch zu prüfen. Nach diesen Urteilen gilt Folgendes:</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">–      Um festzustellen, ob es sich im Sinne von Art. 5 Abs. 1 und 3 der Brüssel‑I-Verordnung(<a href="#Footnote20" name="Footref20">20</a>) um einen Anspruch „aus einem Vertrag“ und nicht um eine „unerlaubte Handlung“ handelt, muss geprüft werden, ob das vorgeworfene Verhalten als Verstoß gegen die vertraglichen Verpflichtungen angesehen werden kann, wie sie sich anhand des Vertragsgegenstands ermitteln lassen(<a href="#Footnote21" name="Footref21">21</a>).</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">–      Für die Entscheidung über eine Schadensersatzklage aus außervertraglicher Haftung der Organe der Union ist zu prüfen, ob auch nach Ende der Vertragsbeziehungen zwischen den Parteien ein echter vertragsrechtlicher Zusammenhang besteht, der mit dem Gegenstand des Rechtsstreits verknüpft ist und dessen eingehende Prüfung sich für die Entscheidung über die Klage als unerlässlich erweist(<a href="#Footnote22" name="Footref22">22</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point29">29.</a>      Es liegt auf der Hand, dass sich die rechtlichen Umstände der vorliegenden Rechtssache von denjenigen der von mir in den Fn. 21 und 22 zitierten Urteile unterscheiden. Jedoch könnte der dort verfolgte methodische Ansatz hier entsprechend heranzuziehen sein. Obwohl aus dem Vorlagebeschluss das Gegenteil hervorzugehen scheint, haben die Parteien des Ausgangsverfahrens in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass im Rahmen der Vertragsbeziehung die Zustimmung zur Nutzung des Logos(<a href="#Footnote23" name="Footref23">23</a>) erteilt worden war. Wenn Dr. Liebe, wie aus den Akten hervorgeht, das Testsiegel weiter genutzt hat, hat sie die (eventuell implizite) Vertragspflicht, die Anbringung des Labels auf der Zahnpastaverpackung nach Ende der Vertragsbeziehung zu unterlassen, verletzt.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point30">30.</a>      Das vorlegende Gericht könnte daher, falls es dies für angebracht hält, diesen Ansatz zur Begründung eines etwaigen Anspruchs von Öko‑Test Verlag aus Vertrag nutzen. Ich möchte hier nur auf diese Möglichkeit hinweisen, da mir bewusst ist, dass im Rahmen dieses Vorabentscheidungsersuchens die gestellten Vorlagefragen zu beantworten und nicht alternative Lösungen, die letzten Endes zum nationalen Recht gehören, vorzuschlagen sind.</p>
<p class="C22Titrenumerote2">B.      <b>Erste Vorlagefrage: zur rechtsverletzenden Benutzung</b>
</p>
<p class="C23Titrenumerote3">1.      <b>Zusammenfassung der Erklärungen der Parteien</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point31">31.</a>      Nach Ansicht von Öko‑Test Verlag wird ihr Siegel nicht als Marke für Zahncreme, sondern für eine (von ihr selbst erbrachte) Dienstleistung verwendet. Die erste Vorlagefrage sei zu bejahen. Ein Testsiegel sei nicht mit einem Qualitätssiegel oder Gütezeichen gleichzusetzen, da ein Testsiegel darüber informiere, ob ein Produkt bestimmte im Voraus festgelegte Standardanforderungen erfülle, während durch Gütezeichen eine gewisse Produkteigenschaft für den Verbraucher auf einen Blick erkennbar gemacht werde. Öko‑Test Verlag stimmt mit dem vorlegenden Gericht und der deutschen Regierung darin überein, dass jegliche Gemeinsamkeit mit den Garantie- und Gewährleistungsmarken(<a href="#Footnote24" name="Footref24">24</a>) zu verneinen sei.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point32">32.</a>      Öko‑Test Verlag trägt vor, der Verkehr gehe davon aus, dass es sich bei der Nutzung des ÖKO‑TEST‑Siegels auf der Zahncreme um eine vom Inhaber autorisierte Markennutzung handele, mit der mitgeteilt werde, dass a) das Produkt bei den von Öko‑Test Verlag durchgeführten Tests die Note „sehr gut“ erzielt habe und b) diese Bewertung dem Inhalt ihrer Warentestveröffentlichung und ihren neutralen, objektiven und sachkundigen Maßstäben entspreche. Daher greife die Nutzung des ÖKO‑TEST‑Siegels durch Dr. Liebe sowohl in die Herkunftsfunktion der Marke als auch in die weiteren von der Rechtsprechung des Gerichtshofs anerkannten Markenfunktionen ein(<a href="#Footnote25" name="Footref25">25</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point33">33.</a>      Die deutsche Regierung meint, die erste Vorlagefrage ziele nicht auf die doppelte Identität nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2008/95 ab, sondern auf die Verwechslungsgefahr nach Buchst. b, da zwischen dem als Marke eingetragenen ÖKO‑TEST-Zeichen und dem auf der Zahncreme angebrachten Zeichen (insbesondere bei den Testergebnissen und der Fundstelle in der Zeitschrift) gewisse Unterschiede bestünden. Nach Ansicht der deutschen Regierung ist die Vorlagefrage zu bejahen. Eine für eine Dienstleistung eingetragene Marke könne für eine Ware benutzt werden, wenn es sich für das Publikum erkennbar um eine eigenständige Dienstleistung handele, die mit der Ware in Zusammenhang stehe.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point34">34.</a>      Entscheidend sei dabei die Wahrnehmung des Publikums, das daran gewöhnt sei, dass vom Hersteller unabhängige Stellen Waren des täglichen Bedarfs prüften und anschließend die Verbraucher über die Ergebnisse informierten. Das Publikum könne dem Testsiegel ohne Schwierigkeiten entnehmen, dass Öko‑Test Verlag die Zahncreme bewertet und ihr die Note „sehr gut“ verliehen habe. Außerdem sei die Kennzeichnung von Waren mit mehreren Marken oder Zeichen verschiedener Unternehmen üblich, wie z. B. bei den Güte- oder Garantiezeichen (biologische Landwirtschaft, Energieeffizienzkennzeichnung der EU, Fair Trade) oder bei der Anbringung von Marken eines Lieferanten als Hinweis auf Qualität der Bestandteile des Endprodukts (z. B. Intel Inside bei Computerprozessoren).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point35">35.</a>      Nach Ansicht der Kommission dagegen bezieht sich die Vorlagefrage sowohl bei Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 als auch bei Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2008/95 tatsächlich auf Buchst. a und nicht auf Buchst. b. Zwar verweise die Verwendung der ÖKO‑TEST-Marke auf der Zahnpastaverpackung zwangsläufig auch auf die vom Markeninhaber (Öko‑Test Verlag) erbrachte Dienstleistung. Diese Verweisung sei aber der Werbung für das Zahnpflegeprodukt inhärent und bedeute nicht, dass Dr. Liebe das Zeichen für die gleichen Dienstleistungen verwende wie Öko‑Test Verlag.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point36">36.</a>      Die Kommission unterstreicht die Werbewirkung, die der Zahncremehersteller mit der Benutzung des ÖKO‑TEST-Siegels anstrebe, nämlich bei der Öffentlichkeit die Dienstleistung des Inhabers des Testsiegels in Erinnerung zu rufen. Nur ihm könne ein unabhängiges Urteil zugeschrieben werden. Mit den Klauseln des Lizenzvertrags solle verhindert werden, dass ein Qualitätsverlust des getesteten Produkts die Marke von Öko‑Test Verlag selbst negativ beeinträchtige, was der Fall wäre, wenn der Qualitätsverlust des Produkts mit dem die Tests durchführenden Unternehmen in Verbindung gebracht werde.</p>
<p class="C23Titrenumerote3">2.      <b>Würdigung</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point37">37.</a>      Mit der ersten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob das als eingetragene Marke geschützte Testsiegel ÖKO‑TEST, so wie es auf der Zahnpastaverpackung von Dr. Liebe verwendet wird, zur Identifizierung der Dienstleistungen des Markeninhabers und nicht nur zur Identifizierung der von Dr. Liebe vertriebenen Waren dient.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point38">38.</a>      Der Gerichtshof hat im Urteil Gözze festgestellt, dass „keine Benutzung entsprechend der Hauptfunktion der Individualmarke vor[liegt], wenn ihre Anbringung auf den Waren nur die Funktion eines Gütezeichens für diese Waren hat und nicht die Funktion, überdies zu garantieren, dass die Waren aus einem einzigen Unternehmen stammen, unter dessen Kontrolle sie hergestellt werden und das für ihre Qualität verantwortlich gemacht werden kann“(<a href="#Footnote26" name="Footref26">26</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point39">39.</a>      Würde man sich buchstabengetreu an diese Feststellung halten, wäre der Rechtsstreit relativ leicht zu lösen, da Öko‑Test Verlag die Zahncreme nicht herstellt und ihre Marke auch nicht als Herkunftshinweis auf der Verpackung angebracht wird. Damit wäre ihr das Recht, Dr. Liebe nach Art. 9 Abs. 2 Buchst. a und b der Verordnung 2017/1001 die Benutzung der Marke ÖKO‑TEST im geschäftlichen Verkehr zu verbieten, abzusprechen.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point40">40.</a>      Obwohl sich in dieser Rechtssache eine solche Lösung (wie ich im Folgenden darlegen werde) aufgrund der Wertschätzung, die ÖKO‑TEST auf dem deutschen Markt genießt, anhand Buchst. c dieser Vorschrift korrigieren ließe, bin ich der Meinung, dass auch den Inhabern nicht bekannter Zeichen ein markenrechtliches Rechtsinstrument zur Verfügung gestellt werden muss, damit sie in einer Situation wie der vorliegenden gegen eine nicht genehmigte Benutzung durch Dritte vorgehen können(<a href="#Footnote27" name="Footref27">27</a>). Eventuell könnte bei einer Prüfung der Unterschiede zwischen einem Gütezeichen und einem Testsiegel eine Antwort gefunden werden, die über die im Urteil Gözze gebotene Antwort hinausgeht.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point41">41.</a>      Bezüglich der Auslegung der Vorlagefrage bestand bei den Parteien Uneinigkeit darüber, ob sich der vorliegende Fall unter Buchst. a oder Buchst. b des Art. 9 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 subsumieren lässt. Sinnvoller ist es daher, die Kriterien für die Feststellung, ob die den beiden Varianten gemeinsamen Anwendungsvoraussetzungen erfüllt sind(<a href="#Footnote28" name="Footref28">28</a>), aufzuzeigen und auf dieser Grundlage eine der Varianten auszuwählen.</p>
<p class="C24Titrenumerote4">a)      <b>Beurteilungsgrundlage</b>
</p>
<p class="C25Titrenumerote5">1)      <i>Ausgangspunkt</i>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point42">42.</a>      Grundsätzlich hat der Inhaber einer eingetragenen Marke nach Art. 9 Abs. 2 Buchst. a und b der Verordnung 2017/1001 nur dann das Recht, einem Dritten die Benutzung eines Zeichens zu verbieten, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">–      Zum einen muss das Zeichen mit der eingetragenen Marke des Inhabers identisch(<a href="#Footnote29" name="Footref29">29</a>) oder ihr ähnlich sein;</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">–      zum anderen muss die Benutzung der eingetragenen Marke a) im geschäftlichen Verkehr und b) ohne Zustimmung des Markeninhabers erfolgen; c) Waren oder Dienstleistungen betreffen, die mit denjenigen identisch oder ihnen ähnlich sind, für die die Marke eingetragen ist, und d) eine der Funktionen der Marke beeinträchtigen oder beeinträchtigen können(<a href="#Footnote30" name="Footref30">30</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point43">43.</a>      Der vom vorlegenden Gericht übersandten Akte lässt sich entnehmen, dass die (erste) Voraussetzung der Identität des Zeichens(<a href="#Footnote31" name="Footref31">31</a>) keine Probleme bereiten dürfte, da Dr. Liebe nicht abstreitet, das ÖKO‑TEST‑Siegel auf den Verpackungen ihrer Zahncreme benutzt zu haben.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point44">44.</a>      In diesem Zusammenhang ist die Auffassung der deutschen Regierung, dass zwischen der eingetragenen Marke ÖKO‑TEST und der Abbildung auf der Zahnpastaverpackung von Dr. Liebe Unterschiede bestünden, wenig überzeugend. Dass auf dieser Verpackung in der Marke die Testergebnisse und die Fundstelle in der Zeitschrift angegeben werden, ist aus zwei Gründen irrelevant: Erstens ist das Publikum daran gewöhnt, die Marke ÖKO‑TEST mit diesen Angaben zu sehen (ohne diese Angaben hat ihre Abbildung in der Produktwerbung wenig oder gar keinen Sinn), und zweitens und als Folge daraus würden diese Unterschiede einem Durchschnittsverbraucher entgehen, so dass er das Zeichen nicht für eine andere Marke halten würde (was als Tatsachenfrage allerdings vom vorlegenden Gericht zu klären ist)(<a href="#Footnote32" name="Footref32">32</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point45">45.</a>      Ebenso wenig ist streitig, dass die Voraussetzungen der Verwendung im Geschäftsverkehr und der fehlenden Zustimmung des Markeninhabers vorliegen. Der Markeninhaber muss mit dem Hersteller der Ware nicht im Wettbewerb stehen: Art. 9 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 gibt dem Markeninhaber das Recht, „Dritten“ zu verbieten, die Marke ohne seine Zustimmung zu benutzen. Es muss sich also nicht unbedingt um einen Wettbewerber handeln. Dass die Buchst. a und b in erster Linie auf Wettbewerber angewandt werden, bedeutet nicht, dass der Gesetzgeber die etwaige Reaktion des Markeninhabers auf diese begrenzt hat.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point46">46.</a>      Es bleibt also noch zu klären, ob eine Übereinstimmung zwischen den Waren und Dienstleistungen vorlag, und, wenn diese Frage geklärt ist, ob die Nutzung der Marke ÖKO‑TEST durch Dr. Liebe ausreichte, um eine der für diese Marke charakteristischen Funktionen zu beeinträchtigen.</p>
<p class="C25Titrenumerote5">2)      <i>Art der Marke</i>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point47">47.</a>      Bei dem ÖKO‑TEST-Siegel handelt es sich um eine für Dienstleistungen eingetragene Marke. Diese Zeichen unterscheiden sich von den für Waren eingetragenen Zeichen durch die Immaterialität der Dienstleistungen, so dass bei ihnen – anders als bei den durch Fabrik- oder Handelsmarken geschützten Waren – ein konkreter Träger fehlt(<a href="#Footnote33" name="Footref33">33</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point48">48.</a>      Die <i>Immaterialität</i> der Dienstleistungen ermöglicht eine Wechselwirkung zwischen den Dienstleistungen und dem Produkt. Wenn Dienstleistungen Auswirkungen auf die Produkteigenschaften haben, finden sich neben den Warenmarken Dienstleistungsmarken, die diese Tatsache hervorheben. So verhält es sich bei der weitverbreiteten Nutzung von Labels und Siegeln, auf die die deutsche Regierung verweist.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point49">49.</a>      Normalerweise erfolgt die Nutzung von Warenmarken, die Siegel (wie die Testsiegel) beinhalten, auf der Grundlage eines Vertrags, der eine Nutzungslizenz umfasst. Mit dem Vertrag erhält der Hersteller als Lizenznehmer das Recht zur Nutzung des Siegels, was ihm zur Steigerung des Ansehens seiner Produkte verhelfen wird. Das Testsiegel wird gerade dazu verwendet, um dem Publikum mitzuteilen, dass diese Produkte nach Bestehen der entsprechenden Tests von dem Unternehmen, das Inhaber des Siegels ist (in diesem Fall Öko‑Test Verlag), positiv beurteilt wurden.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point50">50.</a>      Ist das Siegel als Marke eingetragen, ist der Lizenznehmer aufgrund des Vertrags berechtigt, es als Marke auf seinen eigenen Produkten anzubringen. Dieser Vertrag dient jedoch auch dem Markeninhaber im Rahmen einer für ihn und für die verschiedenen Lizenznehmer vorteilhaften Zusammenarbeit dazu, seine eigenen Dienstleistungen beim Publikum bekannt zu machen. Es kommt also, wie ich bei der Beschreibung der Eigenschaften des Testsiegels darstellen werde, zu einer Art „doppelten Nutzung“(<a href="#Footnote34" name="Footref34">34</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point51">51.</a>      So kann Dr. Liebe, sofern sie über eine ordnungsgemäße Lizenz verfügt, das Testsiegel als Marke auf ihren eigenen Produkten anbringen. Gleichzeitig führt diese Benutzung des ÖKO‑TEST-Siegels aber zu einer größeren Verbreitung der Dienstleistungen, die Öko‑Test Verlag für Unternehmen und Verbraucher erbringt.</p>
<p class="C25Titrenumerote5">3)      <i>Eigenschaften der von Öko</i>‑<i>Test Verlag erbrachten Dienstleistungen</i>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point52">52.</a>      Die Verordnung 2017/1001 und die Richtlinie 2015/2436 sprechen von Kollektivmarken(<a href="#Footnote35" name="Footref35">35</a>) und Gewährleistungsmarken(<a href="#Footnote36" name="Footref36">36</a>):</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">–      Kollektivmarken sind geeignet, Waren und Dienstleistungen der Mitglieder des Verbands, der Markeninhaber ist, von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden.</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">–      Gewährleistungs- oder Garantiemarken erfüllen ihre Funktion als Herkunftshinweis, indem sie „Waren oder Dienstleistungen, für die der Inhaber der Marke das Material, die Art und Weise der Herstellung der Waren oder der Erbringung der Dienstleistungen, die Qualität, Genauigkeit oder andere Eigenschaften … gewährleistet, von solchen [unterscheidet], für die keine derartige Gewährleistung besteht“(<a href="#Footnote37" name="Footref37">37</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point53">53.</a>      Das Testsiegel weist zwar gewisse Ähnlichkeiten mit der Gewährleistungsmarke auf, ist mit dieser jedoch nicht identisch und wird auch in keinem der genannten Gesetzestexte erwähnt. Im Allgemeinen kann ein Testsiegel von jedem Unternehmen als Individualmarke eingetragen werden, das sich der objektiven und unabhängigen Produktbewertung widmet und einer Vielzahl von Wirtschaftsteilnehmern im Rahmen eines Lizenzvertrags die Möglichkeit bietet, durch die Benutzung des entsprechenden Logos die Qualität ihrer Waren nachzuweisen.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point54">54.</a>      Diese Unterschiede erklären, warum von den Inhabern der Testsiegel schwerlich gefordert werden kann, dass sie Satzungen im Sinne von Art. 75 der Verordnung 2017/1001 ausarbeiten, da es sich zum einen nicht – wie bei den kollektiven Gewährleistungsmarken – um Mitglieder handelt, die zur Einhaltung der Satzung verpflichtet sind, und da zum anderen der Markeninhaber die getesteten Produkte und die Testparameter nach Belieben ändern kann.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point55">55.</a>      Das vorlegende Gericht betont die Unterschiede zwischen einem Testsiegel und einem Qualitätssiegel (wie dem im Urteil Gözze geprüften Gütezeichen). Nach seiner Auffassung unterscheiden sich Testsiegel hauptsächlich dadurch, dass a) die Tests nicht nur an einem Produkt bzw. einer Dienstleistung, sondern an einer Vielzahl von Waren und Dienstleistungen durchgeführt werden; b) die Kriterien an die Verbraucherbedürfnisse angepasst und die Tests laufend verändert werden; c) die Hersteller keinen Einfluss auf die Organisation, die die Prüfdienstleistungen erbringt, nehmen können; und d) die Genehmigung zur Benutzung des Testsiegels nicht nur von der Erfüllung bestimmter Kriterien abhängt, sondern das Testergebnis in Form einer Schulnote vergeben wird(<a href="#Footnote38" name="Footref38">38</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point56">56.</a>      Ein Unternehmer, dessen Produkte die Qualitätstests bestanden haben, ist nach Abschluss eines Lizenzvertrags über die Nutzung der Marke berechtigt, dies in der Beschreibung oder auf der Verpackung der Produkte anzugeben. Im vorliegenden Fall wäre Dr. Liebe, sofern sie über die Zustimmung von Öko‑Test Verlag verfügt, berechtigt, das ÖKO‑TEST‑Siegel mit der erzielten Note und dem Verweis auf die Nummer der Zeitschrift, in der die Ergebnisse veröffentlicht wurden, sichtbar auf der Zahnpastaverpackung anzubringen. Wie die Kommission hervorhebt, erscheint es logisch, dass ein Unternehmen, dessen Produkte den Tests von Öko‑Test Verlag unterzogen wurden und ein zufriedenstellendes Ergebnis erzielt haben, ein Interesse daran hat, das Testsiegel als <i>Bestandteil der Werbung </i>für die Vorzüge seiner Waren auf seinen Produkten anzubringen.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point57">57.</a>      Mit der sichtbaren Anbringung des ÖKO‑TEST-Siegels auf der Verpackung von Aminomed wollte Dr. Liebe hauptsächlich die Botschaft der Qualität der Zahncreme verstärken, und zwar mittels des guten Rufs und der Vertrauenswürdigkeit, die mit der Marke ÖKO‑TEST verbunden sind und die durch die erzielte Note (sehr gut) und die Fundstelle in der Zeitschrift, die die Testergebnisse veröffentlichte, bestätigt werden(<a href="#Footnote39" name="Footref39">39</a>). Dieselbe Handlung trägt jedoch gleichzeitig dazu bei, unter den Verbrauchern die Kenntnis von der Vertrauenswürdigkeit der von Öko‑Test Verlag erbrachten Leistungen zu verbreiten, d. h. das hinter den Tests und der Beurteilung der Verbrauchsgüter stehende Unternehmen zu identifizieren.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point58">58.</a>      Daher lässt sich nicht, wie es Dr. Liebe in der mündlichen Verhandlung getan hat, argumentieren, das ÖKO‑TEST-Siegel sei im Sinne des 21. Erwägungsgrundes der Verordnung Nr. 2017/1001<i> deskriptiv</i> als zusätzliche Information über das Produkt benutzt worden. Diesem Argument ist meines Erachtens aus folgenden Gründen nicht zu folgen:</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">–      Die Art der Benutzung lässt den Willen erkennen, die Marke zur Kennzeichnung der Dienstleistungen von Öko‑Test Verlag zu verwenden. Wenn nur eine bloße Information über die Note hätte vermittelt werden sollen, hätte dies ohne das Logo erfolgen können.</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">–      Der genannte Erwägungsgrund lässt eine deskriptive Nutzung zu, sofern sie <i>rechtmäßig und redlich</i> ist, was hier jedoch schwerlich bejaht werden kann, da es an der Zustimmung, die zunächst eingeholt worden war, fehlt.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point59">59.</a>      Im Ergebnis hat die Nutzung des Testsiegels, nachdem dieses als Individualmarke eingetragen wurde, aufgrund der engen Verbindung zwischen den Dienstleistungen, die von dem das Testsiegel (ÖKO‑TEST) verleihenden Unternehmen erbracht werden, und den das Testsiegel tragenden Produkten (Aminomed) zwei wichtige Folgen im Sinne von Art. 9 Abs. 2 Buchst. a und b der Verordnung 2017/1001: Zum einen verstärkt das Testsiegel den Hinweis auf die Qualität der Produkte, die es tragen dürfen, so dass von einer Nutzung für diese Produkte gesprochen werden kann(<a href="#Footnote40" name="Footref40">40</a>). Zum anderen dient das Testsiegel auch als Werbung für die Dienstleistungen des Unternehmens, das es verleiht. Hier kommt die <i>doppelte Nutzung</i> zum Ausdruck, die ich oben erwähnt habe.</p>
<p class="C25Titrenumerote5">4)      <i>Wahrnehmung durch den Verbraucher</i>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point60">60.</a>      Bei der Beurteilung des Durchschnittsverbrauchers und seiner Wahrnehmung der Marke handelt es sich um Sachfragen, für die das vorlegende Gericht zuständig ist(<a href="#Footnote41" name="Footref41">41</a>). Der Gerichtshof kann dem vorlegenden Gericht jedoch Hinweise geben, die ihm die Entscheidung ermöglichen(<a href="#Footnote42" name="Footref42">42</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point61">61.</a>      Sowohl Öko‑Test Verlag als auch die deutsche Regierung und die Kommission (Letztere mit gewissen Einschränkungen) sind sich darüber einig, dass das betreffende Publikum die Verwendung der Marke ÖKO‑TEST auf der Zahnpastaverpackung als einen Hinweis auf die unabhängigen Dienstleistungen des Markeninhabers (Öko‑Test Verlag) versteht. Der Durchschnittsverbraucher bringt daher das Zeichen zumindest mit der „Verbraucherberatung und ‑information bei der Auswahl von Waren und Dienstleistungen, insbesondere unter Verwendung von Test- und Untersuchungsergebnissen“ (Klasse 35) und mit der „Durchführung und Auswertung von wissenschaftlich basierten Warentests und Dienstleistungsuntersuchungen“ (Klasse 42) in Verbindung.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point62">62.</a>      Auf der Verpackung zahlreicher Produkte werden regelmäßig Testsiegel und Gütezeichen (oder sonstige Angaben der Zertifizierung oder des Nachweises der Herkunft aus ökologischer Landwirtschaft oder aus fairem Handel) angebracht. In einem Fall wie dem vorliegenden kann der Durchschnittsverbraucher daher ohne Schwierigkeiten verstehen,<i/>dass die Marke ÖKO-TEST, so wie sie von Dr. Liebe verwendet wird, auf die Dienstleistungen von Öko‑Test Verlag, mit der er das Testsiegel assoziiert, verweist. Dr. Liebe verwendet die Marke somit „wie eine Marke“(<a href="#Footnote43" name="Footref43">43</a>), indem garantiert wird, dass die Qualitätsanalyse der Zahncreme von dem Unternehmen, das Inhaber der Marke ist, nämlich Öko‑Test Verlag, durchgeführt wurde.</p>
<p class="C25Titrenumerote5">5)      <i>Beeinträchtigung der Funktionen der Marke</i>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point63">63.</a>      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ermöglicht es das ausschließliche Recht dem Markeninhaber, seine spezifischen Interessen zu schützen, d. h. sicherzustellen, dass die Marke ihre Funktionen erfüllen kann. Die Ausübung dieses Rechts muss auf Fälle beschränkt bleiben, in denen die Benutzung des Zeichens durch einen Dritten die <i>Funktionen</i> der Marke beeinträchtigt oder beeinträchtigen könnte, wobei die bloße Gefahr einer solchen Beeinträchtigung ausreicht(<a href="#Footnote44" name="Footref44">44</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point64">64.</a>      Zu diesen Funktionen der Marke gehören sowohl die (Haupt‑)Funktion der Identifikation der Herkunft der Ware oder Dienstleistung als auch die Funktion der Gewährleistung ihrer Qualität und die Kommunikations‑, Investitions- oder Werbefunktion(<a href="#Footnote45" name="Footref45">45</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point65">65.</a>      Mit ihrer Hauptfunktion dient die Marke insbesondere „dem Ausweis dessen, dass die mit dieser Marke versehenen Waren unter der Kontrolle eines einzigen Unternehmens hergestellt oder geliefert worden sind, dem sich die Verantwortung für ihre Qualität zuordnen lässt“(<a href="#Footnote46" name="Footref46">46</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point66">66.</a>      Der Sachverhaltsdarstellung im Vorlagebeschluss zufolge benutzte Dr. Liebe die Marke ohne Zustimmung von Öko‑Test Verlag, und die angegebene Bewertung, die die Zahncreme in den 2005 durchgeführten Tests erhalten hatte, stand in keinem Zusammenhang mit den Tests von 2008, bei denen die Zahncreme nicht geprüft wurde. Unter diesen Umständen könnte der Durchschnittsverbraucher denken, dass Öko‑Test Verlag die Qualität der Zahncreme weiterhin so bewertet, wie im früheren Test festgestellt und durch das Testsiegel bestätigt, während es in Wirklichkeit an dieser Bestätigung fehlte, da die Zahncreme nicht den neuen Tests unterzogen worden war.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point67">67.</a>      Folglich konnte die Benutzung der Marke ÖKO‑TEST durch Dr. Liebe irreführend sein, da der Anschein erweckt wurde, die Note „sehr gut“ sei nach Durchführung von Tests unter der Kontrolle von Öko‑Test Verlag verliehen worden. Auf diese Weise wurde die Hauptfunktion der Marke beeinträchtigt(<a href="#Footnote47" name="Footref47">47</a>), da Öko‑Test Verlag in der Vergangenheit zwar Tests durchgeführt hatte, die auf der Verpackung angebrachte Note jedoch weder aus den aktuellsten Zahnpastatests von Öko‑Test Verlag stammte, über die diese in ihrer Zeitschrift informierte, noch von den nach diesen neuen Tests erteilten Lizenzen gedeckt war(<a href="#Footnote48" name="Footref48">48</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point68">68.</a>      Der von mir dargestellte Widerspruch zwischen dem von Dr. Liebe mit dem ÖKO-TEST‑Zeichen angepriesenen Ergebnis und den tatsächlichen Testergebnissen könnte außerdem dem von Öko‑Test Verlag mit ihrer Marke erworbenen Ruf schaden und so die Investitionsfunktion (definiert als die Möglichkeit des Markeninhabers, seine Marke zum Erwerb oder zur Wahrung eines Rufs einzusetzen, der geeignet ist, Verbraucher anzuziehen und zu binden) beeinträchtigen(<a href="#Footnote49" name="Footref49">49</a>).</p>
<p class="C24Titrenumerote4">b)      <b>Schlussfolgerung </b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point69">69.</a>      Wie ich bereits hervorgehoben habe, wollte ich mich nicht von Anfang an auf die Anwendbarkeit von einem der beiden Buchst. a oder b des Art. 9 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 festlegen. Um dem vorlegenden Gericht jedoch eine sachdienliche Antwort zu geben, führen mich die bisher angeführten Erläuterungen zu folgendem Schluss:</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">–      Dr. Liebe hat eine Marke, die mit der Ursprungsmarke (ÖKO‑TEST) übereinstimmt, doppelt verwendet, d. h. sowohl zur Steigerung der Attraktivität ihrer Zahncreme mittels des Testsiegels (und der Note „sehr gut“) als auch zum Hinweis auf die von Öko‑Test Verlag angebotenen Dienstleistungen. Es liegt daher eine Identität der Zeichen und der Dienstleistungen vor, so dass die Voraussetzung der „doppelten Identität“ nach Buchst. a des Art. 9 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 erfüllt ist.</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">–      Da der Durchschnittsverbraucher nicht annehmen wird, dass die Marke ÖKO‑TEST darauf hinweist, dass Dr. Liebe die Zahncreme Aminomed getestet hat, wird er aufgrund der großen Bekanntheit der Marke beim deutschen Publikum auch nicht annehmen, dass die Zahncreme von diesem Unternehmen oder von wirtschaftlich verbundenen Unternehmen stammt, was eine Verwechslungsgefahr im Sinne von Buchst. b des Art. 9 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 ausschließt.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point70">70.</a>      Da die Benutzung der Marke ÖKO‑TEST durch Dr. Liebe außerdem die Gefahr einer Beeinträchtigung zumindest der Herkunfts- und der Investitionsfunktion der Marke birgt, liegen die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 9 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung 2017/1001 vor, so dass sie als <i>rechtsverletzend </i>angesehen werden kann.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point71">71.</a>      Schließlich ist zu beachten, dass die in Art. 9 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2017/1001(<a href="#Footnote50" name="Footref50">50</a>) enthaltene Aufzählung der Arten der Benutzung der Marke, die der Inhaber verbieten kann, nicht abschließend und die unter den genannten Umständen erfolgte Benutzung durch Dr. Liebe folglich hinzuzurechnen ist.</p>
<p class="C22Titrenumerote2">C.      <b>Zweite Vorlagefrage: rechtsverletzende Benutzung einer bekannten Marke</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point72">72.</a>      Da ich vorschlage, die erste Vorlagefrage zu bejahen, und das vorlegende Gericht die zweite Vorlagefrage nur für den Fall stellt, dass die erste Vorlagefrage verneint wird, wären weitere Ausführungen nicht unbedingt erforderlich. Dennoch werde ich, hilfsweise, die zweite Vorlagefrage für den Fall behandeln, dass sich der Gerichtshof bei der ersten Vorlagefrage für eine andere Antwort entscheiden oder die Lösung, die ich für die doppelte Identität der Zeichen auf der einen und der Dienstleistungen und Waren auf der anderen Seite vorschlage, als zu gekünstelt ablehnen sollte.</p>
<p class="C23Titrenumerote3">1.      <b>Zusammenfassung der Erklärungen der Parteien </b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point73">73.</a>      Öko‑Test Verlag vertritt die Ansicht, dass der bekannten Marken gewährte besondere Schutz über den Bereich der Identität oder Ähnlichkeit der Produkte hinausgehe und sich auf die Beeinträchtigung und missbräuchliche Nutzung dieser Marken konzentriere. An der Bekanntheit der Marke ÖKO-TEST bestünden keine Zweifel, und die Öffentlichkeit bringe die Marke mit dem von Dr. Liebe auf seinen Produkten angebrachten Zeichen gedanklich in Verbindung.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point74">74.</a>      Nach Ansicht von Öko‑Test Verlag und der Kommission handelt es sich um eine rechtsverletzende Benutzung der bekannten Marke ÖKO‑TEST, wenn ein Dritter sie ohne Zustimmung verwendet und soweit die Funktionen der Marke beeinträchtigt werden. Außerdem bestehe die Gefahr, dass das Publikum das Vertrauen in die Dienstleistungen von Öko‑Test Verlag verliere, wenn das Produkt nicht seine Erwartungen erfülle. Der Verbraucher könnte seine Enttäuschung auf die in den Tests und Veröffentlichungen zum Ausdruck kommende Arbeit von Öko‑Test Verlag übertragen.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point75">75.</a>      Die deutsche Regierung bejaht die erste Vorlagefrage und äußert sich daher nicht zur zweiten Vorlagefrage, da diese hilfsweise gestellt wurde.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point76">76.</a>      Nach Ansicht der Kommission sind die Anwendungsvoraussetzungen von Art. 9 Abs. 2 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 und Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2008/95 erfüllt, wenn die Individualmarke als Testsiegel bekannt ist. Die rechtsverletzende Benutzung im Sinne dieser Vorschriften umfasse die Anbringung einer Marke durch einen Dritten auf seinen eigenen Produkten.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point77">77.</a>      Die Marke müsse einem bedeutenden Teil des deutschen Publikums, das von den durch diese Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen betroffen sei, bekannt sein(<a href="#Footnote51" name="Footref51">51</a>). Die Art und Weise, in der das ÖKO‑TEST-Siegel benutzt werde, könne ihm als Marke Ansehen verleihen. Mithilfe des Lizenzvertrags erreiche Öko‑Test Verlag, dass ihre Marke im Bewusstsein des Publikums als ein Hinweis auf ihre Dienstleistungen der Verbraucherinformation und ‑beratung erscheine.</p>
<p class="C23Titrenumerote3">2.      <b>Würdigung </b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point78">78.</a>      Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob der Schutzanspruch für bekannte Marken aus Art. 9 Abs. 2 Buchst. c der Verordnung 2017/1001 geltend gemacht werden kann, wenn der Schutzanspruch für die Marke ÖKO‑TEST aus Buchst. a nicht besteht.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point79">79.</a>      Das vorlegende Gericht steht offenbar vor dem Problem, dass die Individualmarke ÖKO‑TEST nur als Testsiegel bekannt ist und der Dritte sie als ein solches Testsiegel benutzt. Ich halte diesen Faktor jedoch nicht für relevant:</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">–      Wenn das vorlegende Gericht damit sagen möchte, dass keine „Benutzung als Marke“ im Sinne des Urteils Gözze vorlag, verweise ich, um diese These zu widerlegen, auf die vorstehenden Ausführungen(<a href="#Footnote52" name="Footref52">52</a>).</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">–      Wenn es hingegen zwischen der Bekanntheit der Marke und der Bekanntheit des „Testsiegels“ beim Publikum unterscheiden möchte, so halte ich dies für einen künstlichen Unterschied. ÖKO‑TEST wurde als nationale Individualmarke bzw. Individualmarke der Union eingetragen und muss daher den Schutz erhalten, der diesen Arten von Marken gewährt wird, unabhängig davon, ob dem Publikum dieser Umstand bekannt ist oder ob ein Dritter eine Marke nur als Testsiegel nutzen will. Andernfalls würde den Marken ihr legitimer Schutz genommen, da dieser vom Bekanntheitsgrad ihrer Eintragung beim Publikum abhängig gemacht würde.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point80">80.</a>      Mit der zweiten Vorlagefrage soll daher im Wesentlichen geklärt werden, ob sich der Inhaber des ÖKO‑TEST-Siegels auf den Schutz bekannter Marken berufen kann, um gegen eine rechtsverletzende Benutzung durch einen Dritten vorzugehen. Angesichts der Bekanntheit dieses Siegels bei den deutschen Verbrauchern kann offensichtlich davon ausgegangen werden, dass die Marke ausreichend bekannt ist. Dabei handelt es sich um eine Tatsachenfrage, die ausschließlich vom vorlegenden Gericht zu klären ist(<a href="#Footnote53" name="Footref53">53</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point81">81.</a>      Art. 9 Abs. 2 Buchst. c der Verordnung 2017/1001 führt für bekannte Marken einen Schutz ein, der über den in Abs. 2 Buchst. a und b dieses Artikels vorgesehenen Schutz hinausgeht. Die kumulativen Voraussetzungen(<a href="#Footnote54" name="Footref54">54</a>) für diesen Schutz sind: a) Es muss um die Benutzung eines Zeichens gehen, das mit einer eingetragenen Marke identisch oder ihr ähnlich ist; b) diese Benutzung erfolgt ohne rechtfertigenden Grund; c) die Benutzung erfolgt für Waren oder Dienstleistungen, unabhängig davon, ob sie identisch, ähnlich oder nicht ähnlich sind(<a href="#Footnote55" name="Footref55">55</a>), und d) mit der Benutzung wird bzw. würde die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke in unlauterer Weise ausgenutzt oder beeinträchtigt(<a href="#Footnote56" name="Footref56">56</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point82">82.</a>      Die Voraussetzungen a), b) und c) sind nicht streitig: Die Benutzung des Testsiegels durch Dr. Liebe erfolgte ohne Zustimmung von Öko‑Test Verlag und somit ohne rechtfertigenden Grund sowie für Waren oder Dienstleistungen, für die eine Feststellung der Identität oder Ähnlichkeit nicht unbedingt erforderlich ist.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point83">83.</a>      Es muss daher nur geprüft werden, ob Dr. Liebe mit der Benutzung der Marke ÖKO‑TEST eine(<a href="#Footnote57" name="Footref57">57</a>) der in Art. 9 Abs. 2 Buchst. c der Verordnung 2017/1001 genannten Handlungen vorgenommen hat. Diese Handlungen können in einer Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft der Marke, einer Beeinträchtigung der Wertschätzung dieser Marke oder im unlauteren Ausnutzen der Unterscheidungskraft oder der Wertschätzung dieser Marke bestehen.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point84">84.</a>      Aus den in den Nrn. 66 bis 68 der vorliegenden Schlussanträge genannten Gründen kann die Benutzung der Marke ÖKO‑TEST durch Dr. Liebe meiner Ansicht nach dem Ansehen dieser Marke schaden, da sie beim Verbraucher zu einer Verwechslung führt, die die Anziehungskraft der Marke schmälern kann(<a href="#Footnote58" name="Footref58">58</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point85">85.</a>      Außerdem könnte Dr. Liebe durch die Benutzung der Marke ÖKO‑TEST ohne rechtfertigenden Grund einen Vorteil erlangen, da die bereits genannten positiven Assoziationen, die mit dieser Marke in Bezug auf Werbung und Qualität verbunden werden, auf die Zahncreme übertragen werden, die den neueren Tests nicht unterzogen wurde. Somit läge eine unlautere Ausnutzung der Wertschätzung der Marke im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs(<a href="#Footnote59" name="Footref59">59</a>) vor.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point86">86.</a>      Auf jeden Fall ist es Sache des vorlegenden Gerichts, festzustellen, ob nach dem Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits eine ohne rechtfertigenden Grund erfolgte Benutzung des Zeichens vorliegt, die die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke ÖKO‑TEST in unlauterer Weise ausnutzt(<a href="#Footnote60" name="Footref60">60</a>).</p>
<p class="C21Titrenumerote1">V.      <b>Ergebnis</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point87">87.</a>      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom Oberlandesgericht Düsseldorf (Deutschland) gestellten Vorlagefragen wie folgt zu beantworten:</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">1.      Art. 9 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke und Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken berechtigen den Inhaber einer Individualmarke, die aus einem Testsiegel besteht und für „Verbraucherinformation und ‑beratung bei der Auswahl von Waren und Dienstleistungen, insbesondere unter Verwendung von Test- und Untersuchungsergebnissen sowie mittels Qualitätsurteilen“ eingetragen ist, sich einer von ihm nicht genehmigten Benutzung seiner Marke zu widersetzen, wenn</p>
<p class="C12Marge1avectiretlong">–        ein Dritter die Marke auf einer Ware anbringt, für die die Marke nicht eingetragen ist;</p>
<p class="C12Marge1avectiretlong">–        das Publikum die Marke als Testsiegel versteht, also in dem Sinne, dass die Ware von einem Dritten und nicht vom Markeninhaber hergestellt und in den Verkehr gebracht wurde, der Markeninhaber diese Ware aber getestet und mit einer in dem Testsiegel vermerkten Note bewertet hat, und</p>
<p class="C12Marge1avectiretlong">–        die Benutzung eine der Funktionen der Marke beeinträchtigt.</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">2.      Die Benutzung einer Individualmarke durch einen Dritten mit den beschriebenen Besonderheiten ohne Zustimmung des Inhabers stellt eine rechtsverletzende Benutzung im Sinne von Art. 9 Abs. 2 Buchst. c der Verordnung 2017/1001 und Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2008/95 dar, wenn</p>
<p class="C12Marge1avectiretlong">–        die Marke bekannt ist, sei es auch nur als Testsiegel, und</p>
<p class="C12Marge1avectiretlong">–        das Ansehen der Marke beeinträchtigt wird und der Dritte in unlauterer Weise einen Vorteil aus der Benutzung des Zeichens zieht, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat.</p>
<hr/>
<p class="C40FootnoteLangue">
<a href="#Footref1" name="Footnote1">1</a><sup/>      Originalsprache: Spanisch.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref2" name="Footnote2">2</a><sup/>      Obwohl in den meisten verglichenen Übersetzungen das deutsche Wort „Testsiegel“ mit Bezug auf das Wort „Test“ („label de test“ auf Französisch, „test seal“ auf Englisch, „sigillo di test“ auf Italienisch, „testlabel“ auf Niederländisch und „selo de teste“ auf Portugiesisch) übersetzt wurde, werde ich auf Spanisch den Ausdruck „distintivo de calidad“, den ich für passender halte, verwenden. Die Öko‑Test Verlag GmbH hat in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass sie nicht die jeweiligen Eigenschaften der verschiedenen Produkte isoliert prüft, sondern die Produkte miteinander vergleicht. Ausgehend von diesem Vergleich vergibt sie für jedes einzelne Produkt nach Maßgabe der Erfüllung bestimmter im Voraus festgelegter Qualitätskriterien eine Note.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref3" name="Footnote3">3</a><sup/>      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 2008, L 299, S. 25). Diese Richtlinie wurde durch die den gleichen Titel tragende Richtlinie (EU) 2015/2436 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2015 (ABl. 2015, L 336, S. 1) geändert, die vorliegend jedoch in zeitlicher Hinsicht nicht anwendbar ist.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref4" name="Footnote4">4</a><sup/>      Grundsätzlich ist hier die Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1) anwendbar. Es existiert eine spätere, durch die Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. 2017, L 154, S. 1) kodifizierte Fassung, die den streitigen Sachverhalt in zeitlicher Hinsicht in Bezug auf den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch betrifft und daher in den vorliegenden Schlussanträgen herangezogen wird.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref5" name="Footnote5">5</a><sup/>      Dieser Artikel entspricht im Wesentlichen Art. 9 Abs. 1 bis 3 der Verordnung Nr. 207/2009 in der durch die Verordnung (EU) 2015/2424 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2015 zur Änderung der Verordnung Nr. 207/2009 und der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates über die Gemeinschaftsmarke und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2869/95 der Kommission über die an das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) zu entrichtenden Gebühren (ABl. 2015, L 341, S. 21) geänderten Fassung.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref6" name="Footnote6">6</a><sup/>      Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen vom 25. Oktober 1994 (BGBl. I S. 3082, 1995 I S. 156, 1996 I S. 682), zuletzt geändert durch § 11 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2541).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref7" name="Footnote7">7</a><sup/>      Da die von Öko‑Test Verlag eingetragenen Zeichen – das nationale und das Unionszeichen – identisch sind, werde ich mich im Folgenden auf „die Marke“ beziehen. Sollte in einem bestimmten Fall eine Unterscheidung angebracht sein, werde ich von „der nationalen Marke“ oder „der Unionsmarke“ sprechen.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref8" name="Footnote8">8</a><sup/>      Nach dem Abkommen von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957, geändert am 28. September 1979.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref9" name="Footnote9">9</a><sup/>      Dieses Erfordernis ergibt sich dem vorlegenden Gericht zufolge aus der deutschen Rechtsprechung zum unlauteren Wettbewerb, nach der eine Werbung mit Testergebnissen nur bei Nennung der Fundstelle zulässig ist.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref10" name="Footnote10">10</a><sup/>      Über die Anwendung dieser Klausel sind sich die Parteien des Ausgangsverfahrens nicht einig.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref11" name="Footnote11">11</a><sup/>      Im Folgenden: Dr. Liebe.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref12" name="Footnote12">12</a><sup/>      Art. 83 ff. der Verordnung 2017/1001 und für die nationale Gewährleistungsmarke Art. 27 ff. der Richtlinie 2015/2436.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref13" name="Footnote13">13</a><sup/>      Urteil vom 8. Juni 2017, W. F. Gözze Frottierweberei und Gözze (C‑689/15, im Folgenden: Urteil Gözze, EU:C:2017:434, Rn. 45 ff).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref14" name="Footnote14">14</a><sup/>      Das vorlegende Gericht bezieht sich auf die Urteile vom 23. März 2010, Google France und Google (C‑236/08 bis C‑238/08, EU:C:2010:159), und vom 25. März 2010, Die BergSpechte (C‑278/08, im Folgenden: Urteil BergSpechte, EU:C:2010:163).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref15" name="Footnote15">15</a><sup/>      Das vorlegende Gericht nimmt Bezug auf das Urteil vom 23. Oktober 2003, Adidas-Salomon und Adidas Benelux (C‑408/01, EU:C:2003:582).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref16" name="Footnote16">16</a><sup/>      Rn. 8 des Vorlagebeschlusses.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref17" name="Footnote17">17</a><sup/>      Erforderlichenfalls werde ich mich jedoch speziell auf die Richtlinie 2015/2436 beziehen.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref18" name="Footnote18">18</a><sup/>      Rn. 10 des Vorlagebeschlusses. In der mündlichen Verhandlung hat Dr. Liebe jedoch bekräftigt, dass der Vertrag ihrer Ansicht nach zum maßgeblichen Zeitpunkt gültig gewesen sei.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref19" name="Footnote19">19</a><sup/>      Nach § 8 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 3. Juli 2004 in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. März 2010 (BGBl. I S. 254), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. Februar 2016 (BGBl. I S. 233), gehören Nichtwettbewerber nicht zu den klagebefugten Personen. Dr. Liebe und Öko‑Test Verlag sind auf verschiedenen Märkten tätig.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref20" name="Footnote20">20</a><sup/>      Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref21" name="Footnote21">21</a><sup/>      Dies ist grundsätzlich der Fall, wenn eine Auslegung des Vertrags unerlässlich erscheint, um zu klären, ob das dem Beklagten vorgeworfene Verhalten rechtmäßig oder vielmehr widerrechtlich ist. Diese Klärung ist Sache des vorlegenden Gerichts. Vgl. Urteile vom 13. März 2014, Brogsitter (C‑548/12; EU:C:2014:148, Rn. 23 bis 25), und vom 14. Juli 2016, Granarolo (C‑196/15; EU:C:2016:559, Rn. 21 und 22).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref22" name="Footnote22">22</a><sup/>      Urteil vom 18. April 2013, Kommission/Systran und Systran Luxembourg (C‑103/11 P, EU:C:2013:245, Rn. 66), und Schlussanträge des Generalanwalts Cruz Villalón in dieser Rechtssache (EU:C:2012:714, Nrn. 49 und 50). Obwohl die Verträge ausgelaufen waren, erklärte der Gerichtshof in diesem Fall, dass die Unionsgerichte gerade aufgrund des vertragsrechtlichen Zusammenhangs, dessen Prüfung sich als unerlässlich erwies, um über den Rechtsstreit zu entscheiden, für die Entscheidung über die Schadensersatzklage aus außervertraglicher Haftung nicht zuständig waren.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref23" name="Footnote23">23</a><sup/>      Öko‑Test Verlag hat erläutert, dass es sich dabei um das Zeichen in der von ihr lizenzierten Form gehandelt habe, bevor diverse Veränderungen zur Modernisierung und Vereinheitlichung vorgenommen wurden.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref24" name="Footnote24">24</a><sup/>      Geregelt sowohl in Art. 27 der Richtlinie 2015/2436 als auch in Art. 83 der Verordnung 2017/1001 (in Fn. 3 bzw. 4 der vorliegenden Schlussanträge angeführt).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref25" name="Footnote25">25</a><sup/>      Urteile vom 18. Juni 2009, L’Oréal u. a. (C‑487/07, EU:C:2009:378, Rn. 58), vom 23. März 2010, Google France und Google (C‑236/08 bis C‑238/08, EU:C:2010:159, Rn. 49, 77 und 79), und vom 22. September 2011, Interflora und Interflora British Unit (C‑323/09, EU:C:2011:604, Rn. 38).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref26" name="Footnote26">26</a><sup/>      Rn. 46.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref27" name="Footnote27">27</a><sup/>      Die deutsche Regierung hat in der mündlichen Verhandlung dieselbe Meinung vertreten. Ansonsten würde nur den bekannten Marken Schutz gewährt, während die weniger bekannten und neuen Marken ungeschützt blieben.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref28" name="Footnote28">28</a><sup/>      Ich werde zu diesem Zweck den Begriff „Übereinstimmung“ benutzen, der besser zu der einheitlichen Behandlung der zwei Buchstaben des genannten Artikels passt und es ermöglicht, die Ausdrücke „identisch“ und „ähnlich“ zu vermeiden.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref29" name="Footnote29">29</a><sup/>      Buchst. a stellt auf die Identität – und nicht die Ähnlichkeit – der Marke und der Waren ab (sogenannte Voraussetzung der „doppelten Identität“). </p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref30" name="Footnote30">30</a><sup/>      Urteil vom 22. September 2011, Interflora und Interflora British Unit (C‑323/09, EU:C:2011:604, Rn. 33 und 34 und die dort angeführte Rechtsprechung). Buchst. b der streitigen Bestimmung verlangt die „Gefahr einer Verwechslung“ der Zeichen, und der Gerichtshof hat daraus abgeleitet, dass dies nur dann gegeben ist, wenn die Hauptfunktion der Marke beeinträchtigt ist (Urteil BergSpechte, Rn. 22).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref31" name="Footnote31">31</a><sup/>      Die Identität eines Zeichens mit einem anderen, sofern das zweite Zeichen als eingetragene Marke benutzt wird. Vgl. Urteil vom 23. Februar 1999, BMW (C‑63/97, EU:C:1999:82, Rn. 38). Obwohl nicht ausdrücklich erwähnt, lässt sich dies ebenfalls aus dem Kontext des Urteils vom 25. Januar 2007,<i/>Adam Opel (C‑48/05, EU:C:2007:55), entnehmen.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref32" name="Footnote32">32</a><sup/>      Urteil vom 8. Juli 2010, Portakabin (C‑558/08, EU:C:2010:416, Rn. 47 und 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref33" name="Footnote33">33</a><sup/>      Da die Verordnung 2017/1001 keine ausdrückliche Einschränkung des Schutzes von Dienstleistungsmarken enthält, hat der Gerichtshof beiden Arten von Marken den gleichen Schutz zuerkannt. Vgl. Urteil vom 16. Juli 2009, American Clothing Associates/HABM und HABM/American Clothing Associates (C‑202/08 P und C‑208/08 P, EU:C:2009:477, Rn. 75 bis 78), und Schlussanträge des Generalanwalts Ruiz-Jarabo Colomer in dieser Rechtssache (EU:C:2009:299, Nrn. 111 bis 114).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref34" name="Footnote34">34</a><sup/>      Ich erlaube es mir, die Übersetzung von „dual use“ heranzuziehen, die gewöhnlich für Güter benutzt wird, die sowohl zu militärischen als auch zu zivilen Zwecken eingesetzt werden können.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref35" name="Footnote35">35</a><sup/>      Art. 74 ff. der Verordnung 2017/1001 und Art. 27 und 29 der Richtlinie 2015/2436.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref36" name="Footnote36">36</a><sup/>      Art. 83 ff. der Verordnung 2017/1001 und Art. 27 und 28 der Richtlinie 2015/2436. Art. 27 der Richtlinie setzt die Begriffe der Gewährleistungsmarke und der Garantiemarke gleich.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref37" name="Footnote37">37</a><sup/>      Urteil Gözze (Rn. 50).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref38" name="Footnote38">38</a><sup/>      Rn. 14 der Vorlageentscheidung. Die deutsche Regierung schließt sowohl aufgrund der vom vorlegenden Gericht aufgezeigten Unterschiede als auch aufgrund der Tatsache, dass sich das Urteil Gözze hauptsächlich um die Auslegung von Art. 15 der Verordnung Nr. 207/2009 dreht, eine Übertragung der Entscheidung in der Rechtssache Gözze auf den vorliegenden Rechtsstreit aus.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref39" name="Footnote39">39</a><sup/>      Dr. Liebe will sich nicht als Inhaber des Testsiegels darstellen; dies wäre für sie kontraproduktiv, weil es den Eindruck der Note auf den Verbraucher schwächen würde.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref40" name="Footnote40">40</a><sup/>      Zumindest teilweise im Einklang mit der Rechtsprechung, insbesondere in Bezug auf Art. 9 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung 2017/1001; vgl. Urteil vom 23. März 2010, Google France und Google (C‑236/08 bis C‑238/08, EU:C:2010:159, Rn. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref41" name="Footnote41">41</a><sup/>      Urteile vom 16. November 2004, Anheuser-Busch (C‑245/02, EU:C:2004:717, Rn. 60 und 61), und vom 25. Januar 2007, Adam Opel (C‑48/05, EU:C:2007:55, Rn. 25).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref42" name="Footnote42">42</a><sup/>      Urteil vom 5. Juni 2014, I (C‑255/13, EU:C:2014:1291, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref43" name="Footnote43">43</a><sup/>      Es handelt sich um eine ungeschriebene Anwendungsvoraussetzung, vgl. Beschluss vom 19. Februar 2009, UDV North America (C‑62/08,<b/>EU:C:2009:111, Rn. 42).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref44" name="Footnote44">44</a><sup/>      Urteil BergSpechte (Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref45" name="Footnote45">45</a><sup/>      Urteil vom 25. Juli 2018, Mitsubishi Shoji Kaisha und Mitsubishi Caterpillar Forklift Europe (C‑129/17, EU:C:2018:594, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref46" name="Footnote46">46</a><sup/>      Urteile vom 12. November 2002, Arsenal Football Club (C‑206/01, EU:C:2002:651, Rn. 48), und vom 12. Juli 2011, L’Oréal u. a. (C‑324/09, EU:C:2011:474, Rn. 80).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref47" name="Footnote47">47</a><sup/>      Vgl. die Definition dieser Funktion im Urteil vom 25. Juli 2018, Mitsubishi Shoji Kaisha und Mitsubishi Caterpillar Forklift Europe (C‑129/17, EU:C:2018:594, Rn. 35).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref48" name="Footnote48">48</a><sup/>      Es könnte angenommen werden, dass auch die Qualitätsfunktion der Marke ÖKO‑TEST beeinträchtigt sei. Ich stimme jedoch mit Generalanwalt Wathelet darin überein, dass diese Funktion eine<i> Folge </i>der Funktion als Herkunftshinweis ist, da die Gewährleistung der Qualität an ihre Herkunft <i>geknüpft</i> ist (Schlussanträge in der Rechtssache Gözze, C‑689/15, EU:C:2016:916, Nrn. 62 bis 64).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref49" name="Footnote49">49</a><sup/>      Zur Investitionsfunktion vgl. Urteil vom 25. Juli 2018, Mitsubishi Shoji Kaisha und Mitsubishi Caterpillar Forklift Europe (C‑129/17, EU:C:2018:594, Rn. 36).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref50" name="Footnote50">50</a><sup/>      Und im entsprechenden Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2008/95.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref51" name="Footnote51">51</a><sup/>      Die Kommission zitiert das Urteil vom 14. September 1999, General Motors (C‑375/97, EU:C:1999:408, Rn. 31).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref52" name="Footnote52">52</a><sup/>      Nrn. 47 bis 62 der vorliegenden Schlussanträge.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref53" name="Footnote53">53</a><sup/>      Urteil vom 6. Oktober 2009, PAGO International (C‑301/07, EU:C:2009:611, Rn. 24 und 25).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref54" name="Footnote54">54</a><sup/>      Urteil vom 10. Dezember 2015, El Corte Inglés/HABM (C‑603/14 P,<b/>EU:C:2015:807, Rn. 38).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref55" name="Footnote55">55</a><sup/>      Urteil vom 6. Februar 2014, Leidseplein Beheer und de Vries (C‑65/12, EU:C:2014:49, Rn. 34).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref56" name="Footnote56">56</a><sup/>      Urteil vom 18. Juni 2009, L’Oréal u. a. (C‑487/07, EU:C:2009:378, Rn. 34 und 35 sowie die dort angeführte Rechtsprechung.)</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref57" name="Footnote57">57</a><sup/>      Urteil vom 22. September 2011, Interflora und Interflora British Unit (C‑323/09, EU:C:2011:604, Rn. 72 und die dort angeführte Rechtsprechung).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref58" name="Footnote58">58</a><sup/>      Urteil vom 18. Juni 2009, L’Oréal u. a. (C‑487/07, EU:C:2009:378, Rn. 40).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref59" name="Footnote59">59</a><sup/>      Urteil vom 18. Juni 2009, L’Oréal u. a. (C‑487/07, EU:C:2009:378, Rn. 41).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref60" name="Footnote60">60</a><sup/>      Urteil vom 20. Juli 2017, Ornua (C‑93/16, EU:C:2017:571, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).</p>
|
175,043 | eugh-2019-01-17-c-70617 | {
"id": 2,
"name": "Europäischer Gerichtshof",
"slug": "eugh",
"city": null,
"state": 19,
"jurisdiction": null,
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} | C-706/17 | 2019-01-17T00:00:00 | 2019-01-31T19:20:59 | 2019-01-31T19:20:59 | Schlussantrag des Generalanwalts | ECLI:EU:C:2019:38 | <p>Vorläufige Fassung</p>
<p class="C36Centre">SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS</p>
<p class="C36Centre">NILS WAHL</p>
<p class="C36Centre">vom 17. Januar 2019(<a href="#Footnote1" name="Footref1">1</a>)</p>
<p class="C38Centregrasgrandespacement">
<b>Rechtssache C</b>‑<b>706/17</b>
</p>
<p class="C37Centregras">
<b>AB „Achema“,</b>
</p>
<p class="C37Centregras">
<b>AB „Orlen Lietuva“,</b>
</p>
<p class="C37Centregras">
<b>AB „Lifosa“</b>
</p>
<p class="C37Centregras">
<b>gegen</b>
</p>
<p class="C37Centregras">
<b>Valstybinė kainų ir energetikos kontrolės komisija (VKEKK)</b>
</p>
<p class="C37Centregras">
<b>Beigeladene:</b>
</p>
<p class="C37Centregras">
<b>Lietuvos Respublikos energetikos ministerija,</b>
</p>
<p class="C37Centregras">
<b>UAB „BALTPOOL“</b>
</p>
<p class="C39Centreespacement">(Vorabentscheidungsersuchen des Lietuvos vyriausiasis administracinis teismas [Oberstes Verwaltungsgericht Litauens])</p>
<p class="C71Indicateur">„Staatliche Beihilfen – Begriff ‚staatliche Mittel‘ – Selektivität – Beeinträchtigung des Handels – Verfälschung des Wettbewerbs – Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse im Elektrizitätssektor – Altmark-Kriterien“</p>
<br/>
<br/>
<br/>
<br/>
<p class="C02AlineaAltA">
<br/>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point1">1.</a>        Mit seinen Fragen möchte der Lietuvos vyriausiasis administracinis teismas (Oberstes Verwaltungsgericht Litauens) im Wesentlichen wissen, ob bestimmte Aspekte der litauischen Regelung über die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse (im Folgenden: DAI) im Elektrizitätssektor und ihre Finanzierung (im Folgenden: DAI-Regelung) als staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV anzusehen sind.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point2">2.</a>        Der vorliegende Fall bietet dem Gerichtshof die Gelegenheit, seine Rechtsprechung insbesondere zum Begriff „staatliche Mittel“ und zu den entsprechenden Kriterien, wie sie im Urteil des Gerichtshofs vom 24. Juli 2003, Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg (im Folgenden: Urteil Altmark)(<a href="#Footnote2" name="Footref2">2</a>), entwickelt wurden, zu konkretisieren.</p>
<p class="C21Titrenumerote1">I.      <b>Rechtlicher Rahmen</b>
</p>
<p class="C22Titrenumerote2">A.      <b>Litauisches Recht</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point3">3.</a>        Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts sind die einschlägigen Vorschriften des nationalen Rechts in den folgenden Rechtsakten (in ihrer zur maßgeblichen Zeit geltenden Fassung) enthalten: dem Elektros energijos įstatymas Nr. VIII 1881 (litauisches Elektrizitätsgesetz Nr. VIII 1881) vom 20. Juli 2000, dem Lietuvos Respublikos atsinaujinančių išteklių energetikos įstatymas Nr. XI 1375 (litauisches Gesetz über Energie aus erneuerbaren Quellen Nr. XI 1375) vom 12. Mai 2011, dem Lietuvos Respublikos elektros energetikos sistemos integracijos į Europos elektros energetikos sistemas įstatymas Nr. XI 2052 (litauisches Gesetz über die Integration des Stromnetzes in die europäischen Stromnetze Nr. XI 2052) vom 12. Juni 2012 und dem Lietuvos Respublikos atsinaujinančių išteklių energetikos įstatymo 2, 11, 13, 14, 16, 20, 21 straipsnių pakeitimo ir papildymo įstatymas Nr. XII 169 (litauisches Gesetz zur Durchführung des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung der Art. 2, 11, 13, 14, 16, 20 und 21 des Gesetzes über Energie aus erneuerbaren Quellen Nr. XII 169) vom 17. Januar 2013 sowie den Rechtsakten zur Durchführung dieser Gesetze, insbesondere dem Lietuvos Respublikos Vyriausybės nutarimas Nr. 916 „Dėl viešuosius interesus atitinkančių paslaugų elektros energetikos sektoriuje teikimo tvarkos aprašo patvirtinimo“ (Regierungsbeschluss Nr. 916 zur Annahme des Verfahrens für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse im Elektrizitätssektor) vom 18. Juli 2012 und dem Vyriausybės nutarimas Nr. 1157 „Viešuosius interesus atitinkančių paslaugų elektros energetikos sektoriuje lėšų administravimo tvarkos aprašas“ (Regierungsbeschluss Nr. 1157 über das Verfahren zur Verwaltung der Gelder für Dienstleistungen von allgemeinem Interesse im Elektrizitätssektor) vom 19. September 2012 (im Folgenden: einschlägige nationale Rechtsvorschriften).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point4">4.</a>        Die Vorschriften dieser Rechtsakte werden – soweit sie für das vorliegende Verfahren relevant sind – unten in den Nrn. 12 bis 15 zusammenfassend dargestellt.</p>
<p class="C21Titrenumerote1">II.    <b>Sachverhalt, Verfahren und Vorlagefragen</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point5">5.</a>        Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens – die AB „Achema“, die AB „Orlen Lietuva“ und die AB „Lifosa“ (im Folgenden: Achema u. a.) – sind in der Republik Litauen registrierte und tätige Gesellschaften, die unter anderem Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen betreiben. Den in diesen Anlagen erzeugten Strom verwenden sie zur Deckung ihres eigenen Energiebedarfs sowie zur Versorgung anderer Unternehmen. Zusätzlich kaufen sie Strom bei in Litauen tätigen eigenständigen Erzeugern ein.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point6">6.</a>        Wie jeder Stromverbraucher mussten Achema u. a. gemäß der geltenden nationalen gesetzlichen Regelung einen bestimmten Betrag für die ihnen gegenüber im Jahr 2014 erbrachten DAI zahlen.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point7">7.</a>        Achema u. a. erhoben Klagen beim Vilniaus apygardos administracinis teismas (Regionales Verwaltungsgericht Vilnius, Litauen) auf Nichtigerklärung der Nrn. 1.2 bis 1.4, 1.7, 2 und 3 des Beschlusses der Valstybinė kainų ir energetikos kontrolės komisija (staatliche Kommission für Preis- und Energiekontrolle, im Folgenden: staatliche Kommission) vom 11. Oktober 2013 (in der durch den Beschluss Nr. O3‑704 vom 22. November 2013 geänderten Fassung) (im Folgenden: angefochtener Beschluss). In dem angefochtenen Beschluss hatte die staatliche Kommission die Höhe der zu leistenden Zahlungen für DAI erbringende Elektrizitätsunternehmen (im Folgenden: DAI-Erbringer) für das Jahr 2014 (Nr. 1) und den DAI-Preis für litauische (End‑)Stromverbraucher, einschließlich der Klägerinnen (Nrn. 2 und 3), festgelegt.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point8">8.</a>        Mit Urteil vom 9. Februar 2016 wies das Gericht die Klage von Achema u. a. als unbegründet ab.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point9">9.</a>        Gegen dieses Urteil legten Achema u. a. beim Lietuvos vyriausiasis administracinis teismas (Oberstes Verwaltungsgericht Litauens) ein Rechtsmittel ein. Aufgrund seiner Zweifel hinsichtlich der Auslegung der einschlägigen unionsrechtlichen Bestimmungen hat dieses Gericht das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:</p>
<p class="C02AlineaAltA">Ist der gesetzliche Rahmen für die [DAI-Regelung] auf der Grundlage [der einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften] in ihrer 2014 geltenden Fassung, oder Teile davon, insbesondere im Hinblick auf die folgenden Fragen als staatliche Beihilfe (staatliche Beihilferegelung) im Sinne von Art. 107 Abs. 1 [AEUV] anzusehen:</p>
<p class="C03Tiretlong">–        Ist Art. 107 Abs. 1 AEUV unter Umständen, wie sie in der vorliegenden Rechtssache gegeben sind, dahin auszulegen, dass DAI-Gelder (nicht) als staatliche Mittel anzusehen sind?</p>
<p class="C03Tiretlong">–        Ist Art. 107 Abs. 1 AEUV dahin auszulegen, dass der Fall, dass Netzbetreiber (Unternehmen) verpflichtet werden, Strom von Stromerzeugern zu einem Festpreis (Tarif) abzunehmen und/oder den Strom [bzw. entsprechende Schwankungen] auszugleichen, und für die den Netzbetreibern aus dieser Verpflichtung entstehenden Verluste ein Ausgleich aus Geldern geleistet wird, die möglicherweise staatlichen Mitteln zuzurechnen sind, nicht als Gewährung einer Beihilfe an Stromerzeuger aus staatlichen Mitteln anzusehen ist?</p>
<p class="C03Tiretlong">–        Ist Art. 107 Abs. 1 AEUV dahin auszulegen, dass unter Umständen, wie sie in der vorliegenden Rechtssache gegeben sind, folgende Unterstützungsleistungen (nicht) als selektiv und/oder geeignet, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, anzusehen sind: Unterstützungsleistungen, die einem Unternehmen gewährt werden, das ein Projekt von strategischer Bedeutung, wie etwa das NordBalt-Projekt, durchführt; Unterstützungsleistungen, die Unternehmen gewährt werden, die für einen bestimmten Zeitraum mit der Gewährleistung der Stromversorgungssicherheit beauftragt sind; Unterstützungsleistungen als Ausgleich für Marktbedingungen widerspiegelnde und tatsächlich entstandene Verluste von Personen, wie etwa den vorliegend in Rede stehenden Entwicklern von Solar-Photovoltaikanlagen, die sich daraus ergeben, dass der Staat (aufgrund geänderter nationaler Regelungen) gegebene Zusagen nicht mehr erfüllen will; Unterstützungsleistungen, die Unternehmen (Netzbetreibern) mit dem Ziel gewährt werden, tatsächliche Verluste auszugleichen, die aus der Erfüllung ihrer Verpflichtung entstanden sind, Strom von DAI erbringenden Stromerzeugern zu einem Festpreis abzunehmen und den Strom auszugleichen?</p>
<p class="C03Tiretlong">–        Ist Art. 107 Abs. 1 AEUV in Verbindung mit Art. 106 Abs. 2 AEUV dahin auszulegen, dass unter Umständen, wie sie in der vorliegenden Rechtssache gegeben sind, davon auszugehen ist, dass die in Rede stehende DAI-Regelung (oder Teile davon) die in den Rn. 88 bis 93 des Urteils [Altmark] des Gerichtshofs der Europäischen Union aufgestellten Kriterien (nicht) erfüllt?</p>
<p class="C03Tiretlong">–        Ist Art. 107 Abs. 1 AEUV dahin auszulegen, dass unter Umständen, wie sie in der vorliegenden Rechtssache gegeben sind, davon auszugehen ist, dass die DAI-Regelung (oder Teile davon) den Wettbewerb (nicht) verfälscht oder zu verfälschen droht?</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point10">10.</a>      Schriftliche Erklärungen sind im vorliegenden Verfahren von Achema, Baltpool, der litauischen Regierung sowie der Kommission eingereicht worden. Sie haben in der Sitzung vom 6. November 2018 auch mündlich vorgetragen.</p>
<p class="C21Titrenumerote1">III. <b>Würdigung</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point11">11.</a>      Vor der konkreten Prüfung der durch das vorliegende Verfahren aufgeworfenen Fragen erscheint es mir zweckdienlich, kurz die wesentlichen Aspekte der litauischen Regelung für DAI im Elektrizitätssektor – wie sie vom vorlegenden Gericht erläutert wurde – darzustellen und dann einige einleitende Bemerkungen zu machen.</p>
<p class="C22Titrenumerote2">A.      <b>Die litauische DAI-Regelung</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point12">12.</a>      Laut dem vorlegenden Gericht sind DAI im Wesentlichen Leistungen oder Tätigkeiten, die im Interesse der Allgemeinheit und gemäß den einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften ausgeführt werden. Zu den DAI zählten im maßgeblichen Zeitraum u. a.: die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen und ihr Ausgleich, die Stromerzeugung im Kraft-Wärme-Kopplungsbetrieb in Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, soweit diese Anlagen Wärme an Fernwärmenetze geliefert haben und die Primärenergieersparnis eine kombinierte Wärme- und Energieerzeugung effizient erscheinen ließ, die Stromerzeugung in spezifizierten Anlagen, soweit die Stromerzeugung erforderlich war, um die Stromversorgungssicherheit zu gewährleisten, die Durchführung strategischer Vorhaben im Elektrizitätssektor im Zusammenhang mit der Verbesserung der Energiesicherheit durch den Bau von Verbindungsleitungen zu Stromnetzen anderer Staaten und/oder durch Verbindung der Stromnetze der Republik Litauen mit Stromnetzen anderer Mitgliedstaaten (wie das Projekt „Netzübergreifende Stromverbindung zwischen Litauen und Schweden“, im Folgenden: NordBalt) sowie die Entwicklung des Solar-Photovoltaikanlagenprojekts.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point13">13.</a>      Entsprechend den gesetzlich festgelegten Verfahren ermitteln die zuständigen litauischen Behörden jährlich die jeweiligen DAI-Erbringer, konkretisieren den Anwendungsbereich der DAI-Regelung und legen die Modalitäten und die Höhe der für die erbrachten DAI geschuldeten Kompensationszahlung fest. Alle Stromverbraucher zahlen den DAI-Preis in der von der staatlichen Kommission festgesetzten Höhe je nach dem tatsächlichen Stromverbrauch für den eigenen Bedarf. Die Zahlung des DAI-Preises ist entweder im Preis für den abgenommenen Strom enthalten oder separat an die Netzbetreiber zu leisten.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point14">14.</a>      Die litauischen Netzbetreiber geben die von den Stromverbrauchern vereinnahmten Gelder (im Folgenden: DAI-Gelder) weiter an die Verwalterin der DAI-Gelder, die UAB „Baltpool“, eine privatrechtliche juristische Person in Staatsbesitz. Baltpool wiederum leistet den DAI-Erbringern gemäß dem gesetzlich festgelegten Verfahren Zahlungen für deren Dienstleistungen. Baltpool wird nicht aus öffentlichen Geldern finanziert, ihre Verwaltungskosten werden durch die DAI-Gelder gedeckt.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point15">15.</a>      Die DAI-Gelder können nur für die Zahlungen an die DAI-Erbringer und nicht für andere Zwecke verwendet werden; sie sind nicht Teil des Staatshaushalts. Ausstehende Beträge von Verbrauchern, die den DAI-Preis nicht zahlen, werden im Wege des allgemeinen zivilrechtlichen Verfahrens eingetrieben. Diese Verbraucher haften nicht nach öffentlich-rechtlichen Regelungen.</p>
<p class="C22Titrenumerote2">B.      <b>Vorbemerkungen</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point16">16.</a>      Vor diesem Hintergrund ist zunächst zu betonen, dass es in einem Vorabentscheidungsverfahren Aufgabe des Gerichtshofs ist, dem nationalen Gericht die Tragweite der Unionsbestimmungen zu erläutern, um diesem eine ordnungsgemäße Anwendung dieser Bestimmungen auf den ihm vorliegenden Sachverhalt zu ermöglichen, nicht aber, diese Anwendung selbst vorzunehmen, zumal er nicht immer über die hierfür erforderlichen Angaben verfügt(<a href="#Footnote3" name="Footref3">3</a>). In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass die nationalen Gerichte den Begriff „staatliche Beihilfe“ selbst auslegen und anwenden dürfen und dass es in bei ihnen anhängigen Verfahren an ihnen ist, das Vorliegen der in Art. 107 Abs. 1 AEUV verankerten Voraussetzungen zu prüfen(<a href="#Footnote4" name="Footref4">4</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point17">17.</a>      Diese „Arbeitsteilung“ zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten ist von äußerster Wichtigkeit. Dies gilt erst recht in einem Fall wie dem vorliegenden: Die im Ausgangsverfahren anwendbaren nationalen Regelungen sind ziemlich komplex und enthalten verschiedene Maßnahmen, die zumindest potenziell in den Anwendungsbereich von Art. 107 Abs. 1 AEUV fallen könnten. Des Weiteren befragt das nationale Gericht den Gerichtshof bei einigen Problemstellungen zu Aspekten, die hauptsächlich faktischer und eher technischer Natur sind, im Grunde mit dem Ziel, der Gerichtshof möge seiner Bewertung beipflichten. Wie jedoch Baltpool in der mündlichen Verhandlung zutreffend vorgetragen hat, verfügt der Gerichtshof nicht über die notwendigen Angaben und anderen sachverhaltsrelevanten Informationen, um die vorläufigen Ergebnisse des nationalen Gerichts zu bestätigen oder für falsch zu erklären. Es ist daher Sache des nationalen Gerichts, zu diesen Aspekten die endgültigen Feststellungen zu treffen, und zwar im Licht der vom Gerichtshof gegebenen Hinweise zur Bedeutung und zum Anwendungsbereich von Art. 107 Abs. 1 AEUV.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point18">18.</a>      Als Nächstes mag auch der Hinweis sachdienlich sein, dass die Qualifizierung als „staatliche Beihilfe“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV nach ständiger Rechtsprechung verlangt, dass alle in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Erstens muss es sich um eine staatliche Maßnahme oder eine Maßnahme unter Inanspruchnahme staatlicher Mittel handeln. Zweitens muss die Maßnahme geeignet sein, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Drittens muss dem Begünstigten durch sie ein selektiver Vorteil gewährt werden. Viertens muss sie den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen(<a href="#Footnote5" name="Footref5">5</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point19">19.</a>      Nach diesen Vorbemerkungen komme ich nun zur Würdigung der mit den Vorlagefragen aufgeworfenen rechtlichen Probleme.</p>
<p class="C22Titrenumerote2">C.      <b>Zur ersten Frage</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point20">20.</a>      Die erste Vorlagefrage betrifft die erste der oben in Nr. 18 genannten Voraussetzungen. Mit ihr möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 107 Abs. 1 AEUV dahin gehend auszulegen ist, dass Gelder wie die DAI-Gelder als staatliche Mittel anzusehen sind.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point21">21.</a>      Nach meiner Ansicht muss diese Frage bejaht werden.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point22">22.</a>      Zunächst ist zu berücksichtigen, dass nach ständiger Rechtsprechung Vergünstigungen nur dann als Beihilfen im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV eingestuft werden können, wenn sie zum einen unmittelbar oder mittelbar aus staatlichen Mitteln gewährt werden und zum anderen dem Staat zuzurechnen sind(<a href="#Footnote6" name="Footref6">6</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point23">23.</a>      Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass die Maßnahmen, deren Beihilfecharakter zur Prüfung steht, aus Gesetzes- bzw. Verordnungsvorschriften der litauischen Staatsorgane hervorgehen. Diese Maßnahmen können daher <i>dem Staat zugerechnet</i> werden. </p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point24">24.</a>      Die eigentliche Frage besteht aber darin, ob bei diesen Maßnahmen <i>staatlichen Mittel</i> im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV zum Einsatz kommen.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point25">25.</a>      Es ist klar, dass der Begriff „staatliche Mittel“ sämtliche finanziellen Mittel umfasst, die der Staat zur Unterstützung von Unternehmen aufwendet: Dies sind nicht nur Gelder, die unmittelbar oder mittelbar aus dem Staatshaushalt fließen, oder Einnahmen, auf die der Staat verzichtet, sondern auch solche Mittel, die, auch wenn sie nicht auf Dauer dem Staat gehören, ständig unter staatlicher Kontrolle stehen(<a href="#Footnote7" name="Footref7">7</a>). Einfacher gesagt sind dies Gelder, die zwar von Privaten stammen, aber vom Staat, im Namen des Staates oder kraft einer staatlichen Maßnahme eingezogen und den zuständigen nationalen Behörden zugänglich gemacht werden, denen die Entscheidung über ihre letztliche Verwendung zusteht.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point26">26.</a>      Dies scheint auch bei den DAI-Geldern im Rahmen der litauischen DAI-Regelung der Fall zu sein.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point27">27.</a>      Ab dem Zeitpunkt ihrer Einziehung bei den Stromverbrauchern bis zu ihrer Verteilung unter den DAI-Erbringern stehen die DAI-Gelder unter staatlicher Kontrolle. Insbesondere sind es die Behörden, die bestimmen, welche Dienstleistungen in einem bestimmten Jahr als DAI gelten, und die die Unternehmen auswählen, die als DAI-Erbringer einzustufen sind. Auch die Höhe des von den Stromverbrauchern für die DAI zu zahlenden Betrags wird von einer staatlichen Behörde, der staatlichen Kommission, festgesetzt. Nach Einziehung der DAI-Gelder durch die Stromnetzbetreiber werden sie an Baltpool weitergegeben, eine juristische Person, die zwar als privatrechtliche Gesellschaft errichtet wurde, jedoch im Staatseigentum steht. Baltpool verwaltet die erhaltenen Gelder und verteilt sie anhand der gesetzlich festgelegten Kriterien an die DAI-Erbringer, wobei sie einen Teil der Gelder zur Deckung der eigenen Verwaltungskosten einbehält. Der gesamte Lebenszyklus der DAI-Gelder ist also streng reguliert.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point28">28.</a>      Der Sachverhalt des vorliegenden Verfahrens ist daher von den in anderen Urteilen des Gerichtshofs, z. B. in den Rechtssachen PreussenElektra(<a href="#Footnote8" name="Footref8">8</a>) und ENEA(<a href="#Footnote9" name="Footref9">9</a>), die ebenfalls nationale Unterstützungsleistungen für erneuerbare Energien betrafen, geprüften Sachverhalten zu unterscheiden. In jenen Urteilen hat der Gerichtshof festgestellt, dass die bloße vom Staat privaten Unternehmen auferlegte Verpflichtung zur Abnahme von Strom zu einem Preis über dem üblichen Marktpreis keine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellt. In jenen Fällen war entscheidend, dass es dort – im Gegensatz zu der hier vorliegenden DAI-Regelung – keinen staatlich verwalteten Finanzierungsvorgang gab. Es gab weder eine Einziehung noch Verteilung der von den Stromverbrauchern gezahlten Gelder, über die der Staat in irgendeiner Weise eine Kontrolle ausüben konnte.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point29">29.</a>      Genauso wenig ist die litauische DAI-Regelung mit den Maßnahmen vergleichbar, die der Gerichtshof in den Urteilen Pearle u. a.(<a href="#Footnote10" name="Footref10">10</a>) und Doux Élevage(<a href="#Footnote11" name="Footref11">11</a>) geprüft hat.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point30">30.</a>      Auch wenn in jenen Rechtssachen die finanziellen Beiträge bzw. Abgaben, die bestimmte Unternehmen zu zahlen hatten, gesetzlich festgesetzt und von juristischen Personen eingezogen und verwaltet wurden, denen der Staat bestimmte Befugnisse übertragen hatte, hat der Gerichtshof entschieden, dass diese Maßnahmen nicht in den Geltungsbereich von Art. 107 Abs. 1 AEUV fielen. In beiden Fällen diente die juristische Person, die die Mittel verwaltete, allerdings als bloßes Vehikel für die Einziehung und Verteilung der Gelder, die für Tätigkeiten bestimmt waren, die im kommerziellen Interesse derjenigen Unternehmen standen, die die Beiträge bzw. Abgaben zahlen mussten(<a href="#Footnote12" name="Footref12">12</a>). Diese Pflichtbeiträge bzw. –abgaben waren also auf Initiative von privaten Unternehmen eingeführt worden, die dann auch über ihre letztliche Verwendung entschieden. Weder in der Rechtssache Pearle u. a. noch in der Rechtssache Doux Élevage mussten die eingezogenen Gelder nach den Weisungen staatlicher Behörden oder zur Förderung eines von den Behörden festgelegten Ziels im Allgemeininteresse verwendet werden(<a href="#Footnote13" name="Footref13">13</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point31">31.</a>      Im Gegensatz dazu stellt Baltpool nach den hier einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften in keiner Weise ein „Vehikel“ dar, das nach Weisung und für die kommerziellen Zwecke der Unternehmen handelt, die zur Zahlung verpflichtet sind. Stattdessen verwendet Baltpool die eingezogenen Gelder nach Maßgabe eines staatlichen Plans. Aus wirtschaftlicher Sicht sind die Begünstigten der subventionierten Tätigkeiten nicht diejenigen, die die Unterstützungsmaßnahmen finanzieren. Es findet also – unter Aufsicht des Staates – ein Transfer von Mitteln von den Verbrauchern an bestimmte Unternehmen statt.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point32">32.</a>      Dass Baltpool keinerlei Ermessen hinsichtlich der Verwendung der eingezogenen Mittel hat, ändert nichts an der Tatsache, dass die Entscheidung darüber von den staatlichen Behörden getroffen wird(<a href="#Footnote14" name="Footref14">14</a>). Wie oben in Nr. 27 beschrieben, müssen die eingezogenen Gelder genau entsprechend den in den einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften gemachten Vorgaben eingesetzt werden. Dies zeigt, dass die DAI-Gelder unter staatlicher Kontrolle stehen.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point33">33.</a>      In diesem Zusammenhang ist es auch kaum von Belang, dass Baltpool die Zivilgerichte gemäß dem ordentlichen Gerichtsverfahren anrufen muss, wenn Verbraucher die geschuldeten Beträge nicht zahlen. Nach meiner Ansicht hängt dies gezwungenermaßen damit zusammen, dass die litauischen Behörden die Einziehung der DAI-Gelder den Netzbetreibern und die Verwaltung der Gelder einer privatrechtlichen juristischen Person übertragen haben. Dieser Aspekt, den der Gerichtshof bei der Bestimmung des Charakters von privatrechtlichen Zusammenschlüssen von Branchenorganisationen in der Rechtssache Doux Élevage(<a href="#Footnote15" name="Footref15">15</a>) berücksichtigt hat, ist im vorliegenden Fall nicht relevant. Es bestehen nämlich keine Zweifel daran, dass Baltpool, auch wenn sie in Form einer privatrechtlichen Gesellschaft errichtet wurde, unter staatlicher Kontrolle steht und bei der Verwendung der DAI-Gelder an die Vorgaben in den einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften gebunden ist(<a href="#Footnote16" name="Footref16">16</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point34">34.</a>      Ich bin der Auffassung, dass die litauische DAI-Regelung der französischen Regelung im Stromsektor, die der Gerichtshof in der Rechtssache Association Vent de Colère! u. a. geprüft hat, im Kern stark ähnelt(<a href="#Footnote17" name="Footref17">17</a>). In jener Rechtssache hat der Gerichtshof festgestellt, dass ein Mechanismus, mit dem die Mehrkosten, die Unternehmen durch eine Abnahmepflicht für Strom aus Windkraftanlagen zu einem Preis über dem Marktpreis entstehen, vollständig ausgeglichen werden und dessen Finanzierung von den Endverbrauchern getragen wird, als staatliche Maßnahme oder als Maßnahme unter Inanspruchnahme staatlicher Mittel im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV anzusehen ist. Nach meinem Verständnis war der Hauptgrund für dieses Ergebnis, dass die von den Verbrauchern eingezogenen Beträge – deren Höhe vom Minister für Energie festgesetzt wurde – der Caisse des dépôts et consignations anvertraut wurden, einer öffentlichen Einrichtung, die bei der Verwaltung der Gelder als zwischengeschaltete Stelle agierte(<a href="#Footnote18" name="Footref18">18</a>). Tatsächlich konnte in der mündlichen Verhandlung weder die litauische Regierung noch Baltpool eine aussagekräftige Antwort auf die Frage geben, ob es einen wesentlichen Unterschied zwischen dem vom Gerichtshof in der Rechtssache Association Vent de Colère! u. a. geprüften Sachverhalt und dem im Ausgangsverfahren maßgebenden Sachverhalt gibt.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point35">35.</a>      Weiter gestützt wird die Ansicht, dass die DAI-Gelder nach den unionsrechtlichen Beihilferegeln als staatliche Beihilfen anzusehen sind, durch das Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache Essent Netwerk Noord u. a.(<a href="#Footnote19" name="Footref19">19</a>). In jener Rechtssache – einer Vorlage eines niederländischen Gerichts – hat der Gerichtshof festgestellt, dass mit nationalen Vorschriften über die Erhebung eines von den Verbrauchern zu tragenden Aufschlags auf den Preis für den Transport von Elektrizität, der durch die Netzbetreiber eingezogen und an ein bestimmtes Unternehmen, das mit der Verwaltung und Verteilung betraut war, weitergeleitet wurde, staatliche Mittel im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV eingesetzt wurden.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point36">36.</a>      Es trifft zu, dass die Maßnahmen, die der Gerichtshof in Rechtssachen wie PreussenElektra und ENEA(<a href="#Footnote20" name="Footref20">20</a>) geprüft hat, den in Rechtssachen wie Essent Netwerk Noord u. a. und Association Vent de Colère! u. a.(<a href="#Footnote21" name="Footref21">21</a>) geprüften bei rein wirtschaftlicher Betrachtung sehr ähnlich erscheinen mögen. Wie Generalanwalt Mengozzi in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Essent Netwerk Noord u. a. ausgeführt hat, müssen diese Maßnahmen indessen aus rechtlicher Sicht ganz anders eingestuft werden(<a href="#Footnote22" name="Footref22">22</a>). Auch wenn Art. 107 Abs. 1 AEUV lediglich die Wirkung der staatlichen Maßnahmen betrifft, ist es eine Binsenweisheit, dass sich die Art und Weise, wie eine Maßnahme strukturiert ist und zum Einsatz kommt, darauf auswirken kann, welcher Rechtsrahmen einschlägig ist. Es kann zum Beispiel sein, dass eine staatliche Maßnahme nicht als Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV einzustufen ist, aber – je nach den Umständen – auf ihre Vereinbarkeit mit den Verträgen nach Maßgabe anderer unionsrechtlicher Vorschriften, wie zum Beispiel der Regelungen über den Binnenmarkt, geprüft werdenmuss(<a href="#Footnote23" name="Footref23">23</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point37">37.</a>      Vor diesem Hintergrund sollte die erste Frage nach meiner Auffassung dahin gehend beantwortet werden, dass unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens Art. 107 Abs. 1 AEUV so auszulegen ist, dass DAI-Gelder, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede stehen, als staatliche Mittel einzustufen sind.</p>
<p class="C22Titrenumerote2">D.      <b>Zur zweiten Frage</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point38">38.</a>      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, wer als Begünstigter der mit den DAI-Geldern gewährten Beihilfe anzusehen ist, soweit die einschlägigen Maßnahmen im Rahmen der DAI-Regelung die Stromnetzbetreiber verpflichten, Strom von DAI-Erbringern zu einem Festpreis abzunehmen und den von ihnen erzeugten Strom auszugleichen. Das vorlegende Gericht fragt sich insbesondere, wer einen wirtschaftlichen Vorteil aus den DAI-Geldern zieht, die Netzbetreiber oder die Stromerzeuger.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point39">39.</a>      Nach meiner Auffassung sind die (mittelbar) Begünstigten dieser Maßnahme die Stromerzeuger, nicht die Netzbetreiber.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point40">40.</a>      Im Zusammenhang mit der Maßnahme, die Gegenstand der zweiten Vorlagefrage ist, sind die DAI-Gelder – nach meinen Verständnis – nämlich nur dafür da, die zusätzlichen Kosten auszugleichen, die die Netzbetreiber gegebenenfalls infolge der ihnen auferlegten Verpflichtung tragen, bestimmte Mengen an Strom zu festgelegten Preisen abzunehmen, die die üblichen Marktpreise übersteigen können. In den Akten findet sich kein Hinweis darauf, dass die Netzbetreiber aus den DAI-Geldern einen Nettogewinn erzielen könnten. Laut den Ausführungen der litauischen Regierung und von Baltpool in der mündlichen Verhandlung scheint es zudem eher nicht der Fall zu sein, dass die Netzbetreiber die zusätzlichen Kosten (ganz oder teilweise) an ihre Kunden weitergeben können, was die Gefahr mit sich gebracht hätte, dass die Betreiber zu viel Ausgleich erhalten(<a href="#Footnote24" name="Footref24">24</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point41">41.</a>      Vielmehr eröffnen die DAI-Gelder durch den Ausgleich der zusätzlichen Kosten, die den Netzbetreibern durch die genannte Abnahmeverpflichtung entstehen, einigen Energieerzeugern die Möglichkeit, bestimmte Mengen an Strom zu einem Preis über dem üblichen Marktpreis zu verkaufen oder jedenfalls größere Mengen zu verkaufen. Die betreffenden Energieerzeuger können daher höhere Gewinne erzielen als unter üblichen Marktbedingungen. Obwohl die DAI-Gelder tatsächlich an andere Netzbetreiber gezahlt werden mögen, sind also die Stromerzeuger <i>mittelbar</i> die Begünstigten dieser Gelder(<a href="#Footnote25" name="Footref25">25</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point42">42.</a>      Aus diesen Gründen schlage ich vor, dass der Gerichtshof die zweite Vorlagefrage dahin gehend beantworten sollte, dass bei Sachverhalten wie im Ausgangsverfahren – wenn eine staatliche Maßnahme Stromnetzbetreiber verpflichtet, Strom von Stromerzeugern zu einem Festpreis zu erwerben und den von ihnen erzeugten Strom auszugleichen, und vorsieht, dass die den Netzbetreibern entstehenden zusätzlichen Kosten durch Zahlungen der Endverbraucher ausgeglichen werden – die Stromerzeuger als Begünstigte der Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV anzusehen sind.</p>
<p class="C22Titrenumerote2">E.      <b>Zur dritten und zur fünften Frage</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point43">43.</a>      Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die mit DAI-Geldern gewährte Unterstützungsleistung für bestimmte Tätigkeiten in Litauen im Elektrizitätssektor als selektiv und/oder geeignet, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV anzusehen ist. Mit seiner fünften Frage, deren Prüfung im Anschluss an die dritte Frage ich für zweckdienlich halte, da die beiden gemeinsam beantwortet werden können, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 107 Abs. 1 AEUV dahin auszulegen ist, dass unter Umständen, wie sie in der vorliegenden Rechtssache gegeben sind, davon auszugehen ist, dass die DAI-Regelung den Wettbewerb verfälscht oder zu verfälschen droht.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point44">44.</a>      Der Gerichtshof ist gebeten worden, folgende Maßnahmen unter diesem Gesichtspunkt zu prüfen: (i) Unterstützungsleistungen, die einem Unternehmen gewährt werden, das ein Projekt von strategischer Bedeutung, wie etwa das NordBalt-Projekt, durchführt, (ii) Unterstützungsleistungen, die Unternehmen gewährt werden, die für einen bestimmten Zeitraum mit der Gewährleistung der Stromversorgungssicherheit beauftragt sind, (iii) Unterstützungsleistungen als Ausgleich für tatsächlich entstandene Verluste von Unternehmen, wie etwa Entwicklern von Solar-Photovoltaikanlagen, und (iv) Unterstützungsleistungen, die Netzbetreibern mit dem Ziel gewährt werden, tatsächliche Verluste auszugleichen, die aus der Erfüllung ihrer Verpflichtung entstanden sind, Strom von DAI erbringenden Stromerzeugern zu einem Festpreis abzunehmen und den Strom auszugleichen (im Folgenden: gegenständliche Maßnahmen).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point45">45.</a>      Wie oben in den Nrn. 16 und 17 ausgeführt, sind die endgültigen Feststellungen zu diesen Maßnahmen Sache des vorlegenden Gerichts. Um dem vorlegenden Gericht alle notwendigen Hinweise für die Auslegung der einschlägigen unionsrechtlichen Vorschriften an die Hand zu geben, werde ich aber wie folgt fortfahren. Als Erstes werde ich die wichtigste Rechtsprechung darlegen, und darauf aufbauend werde ich versuchen, dem vorlegenden Gericht genauere Hinweise zu den Bedingungen zu geben, unter denen die gegenständlichen Maßnahmen gegebenenfalls die Tatbestandsmerkmale der Selektivität, der Beeinträchtigung des Handels und der Verfälschung des Wettbewerbs erfüllen. </p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point46">46.</a>      Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass für die Beurteilung, ob das Kriterium der <i>Selektivität</i> erfüllt ist, geprüft werden muss, ob eine staatliche Maßnahme nach Maßgabe einer bestimmten rechtlichen Regelung (sogenannter „Bezugsrahmen“) geeignet ist, bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige gegenüber anderen Unternehmen, die sich im Hinblick auf das mit der betreffenden Maßnahme verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden, zu begünstigen(<a href="#Footnote26" name="Footref26">26</a>). Umgekehrt sind unterschiedslos auf alle Wirtschaftsteilnehmer in einem Mitgliedstaat anwendbare allgemeine Maßnahmen, deren Vorteile jedermann offenstehen, der die Voraussetzungen dafür erfüllt, nicht selektiv und fallen daher nicht in den Geltungsbereich von Art. 107 Abs. 1 AEUV(<a href="#Footnote27" name="Footref27">27</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point47">47.</a>      Im Hinblick auf das Merkmal der <i>Beeinträchtigung des Handels</i> ist zu berücksichtigen, dass es für die Qualifizierung einer nationalen Maßnahme als staatliche Beihilfe nicht des Nachweises einer tatsächlichen Auswirkung der fraglichen Beihilfe auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten bedarf, sondern nur der Prüfung, ob die Beihilfe geeignet ist, diesen Handel zu beeinträchtigen. Eine Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten darf jedoch nicht bloß hypothetischer Natur sein oder vermutet werden. Es muss daher geprüft werden, ob und, wenn ja, wie die betreffende Maßnahme aufgrund ihrer voraussichtlichen Auswirkungen geeignet ist, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Der innergemeinschaftliche Handel wird insbesondere dann durch eine von einem Mitgliedstaat gewährte Beihilfe beeinträchtigt, wenn sie die Stellung eines Unternehmens gegenüber anderen, konkurrierenden Unternehmen in diesem Handel stärkt. Die begünstigten Unternehmen brauchen dabei nicht selbst am innergemeinschaftlichen Handel teilzunehmen. Wenn nämlich ein Mitgliedstaat einem Unternehmen eine Beihilfe gewährt, kann die inländische Tätigkeit dadurch beibehalten oder verstärkt werden, so dass sich die Chancen der in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Unternehmen, in den Markt dieses Mitgliedstaats einzudringen, verringern(<a href="#Footnote28" name="Footref28">28</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point48">48.</a>      Schließlich ist in Bezug auf die Voraussetzung der Verfälschung des Wettbewerbs zu betonen, dass nach ständiger Rechtsprechung Beihilfen, die ein Unternehmen von den Kosten befreien sollen, die es normalerweise im Rahmen seiner laufenden Geschäftsführung oder seiner üblichen Tätigkeiten zu tragen gehabt hätte, die Wettbewerbsbedingungen verfälschen(<a href="#Footnote29" name="Footref29">29</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point49">49.</a>      Vor diesem Hintergrund werde ich die mit der dritten Vorlagefrage aufgeworfenen Probleme behandeln.</p>
<p class="C23Titrenumerote3">1.      <b>Zur Selektivität </b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point50">50.</a>      Zunächst scheinen Unterstützungsleistungen, die Unternehmen gewährt werden, die für einen bestimmten Zeitraum mit der Gewährleistung der Stromversorgungssicherheit beauftragt sind, Unterstützungsleistungen als Ausgleich für tatsächlich entstandene Verluste von Unternehmen wie Entwicklern von Solar-Photovoltaikanlagen sowie Unterstützungsleistungen, die Netzbetreibern mit dem Ziel gewährt werden, tatsächliche Verluste auszugleichen, die aus der Erfüllung ihrer Verpflichtung entstanden sind, Strom von DAI erbringenden Stromerzeugern zu einem Festpreis abzunehmen und den Strom auszugleichen, auf den ersten Blick Maßnahmen zu sein, die nur für solche Unternehmen vorteilhaft sind, die in einem bestimmten Sektor tätig sind oder eine bestimmte Art von Dienstleistungen erbringen.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point51">51.</a>      Mir scheint, dass diese Maßnahmen die begünstigten Unternehmen von bestimmten Kosten befreien sollen, die sie andernfalls selbst tragen müssten. Das vorlegende Gericht legt in seinem Vorabentscheidungsersuchen selbst dar, dass „nicht bestritten wird“, dass einige Maßnahmen der DAI-Regelung den begünstigten Unternehmen bestimmte Gewinne ohne Risiko garantieren.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point52">52.</a>      Es trifft zu, dass der Gerichtshof in der Rechtssache Asteris feststellt hat, dass Schadensersatzzahlungen an Unternehmen, zu denen nationale Behörden zum Ersatz von Schäden, die sie den betreffenden Unternehmen verursacht haben, verurteilt werden, keine Beihilfe im Sinne des heutigen Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellen(<a href="#Footnote30" name="Footref30">30</a>). In jener Rechtssache bezog sich der Gerichtshof jedoch auf gezahlte oder zu zahlende Beträge im Zusammenhang mit der außervertraglichen Haftung eines Mitgliedstaats. Der Grund ist klar: Ein Geldbetrag, der eine Person lediglich für einen Schaden entschädigen soll, der infolge einer im Bereich des Zivilrechts oder des Verwaltungsrechts begangenen Rechtsverletzung einer Behörde erlitten wurde, führt streng genommen nicht zu einem wirtschaftlichen Vorteil dieser Person im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point53">53.</a>      Diese Rechtsprechung ist im vorliegenden Fall jedoch nicht relevant. Bei den Verlusten, für die die gegenständlichen staatlichen Maßnahmen entschädigen, wird, soweit ich das sehe, nicht behauptet, dass sie die Folge einer rechtswidrigen Handlung einer Behörde seien. Diese Verluste sind lediglich Kosten, die den betreffenden Unternehmen im Zusammenhang mit ihren geschäftlichen Tätigkeiten entstehen.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point54">54.</a>      In diesem Zusammenhang möchte ich hinzufügen, dass es nicht entscheidend ist, ob die behördliche Zusage einer staatlichen Unterstützung den Anlass zu Entscheidungen der Begünstigten über Investitionen oder Anschaffungen gegeben oder dazu ermutigt hat. Der Umstand, dass einige Marktteilnehmer ohne die fraglichen Maßnahmen andere unternehmerische Entscheidungen getroffen hätten, berührt den Beihilfecharakter der Maßnahmen nicht. Die meisten Beihilfeprogramme haben genau diesen Zweck: bestimmte wirtschaftliche Tätigkeiten zu fördern, die nach Ansicht der Behörden im öffentlichen Interesse liegen. Doch sind die Gründe und Zwecke staatlicher Maßnahmen für die Auslegung von Art. 107 Abs. 1 AEUV nicht von Bedeutung: Nach dieser Vorschrift ergibt sich der Beihilfecharakter einer Maßnahme nur aus ihrer Auswirkung auf den Binnenmarkt(<a href="#Footnote31" name="Footref31">31</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point55">55.</a>      Die Beurteilung der Selektivität von Unterstützungsleistungen schließlich, die einem Unternehmen gewährt werden, das ein Projekt von strategischer Bedeutung, wie etwa das NordBalt-Projekt, durchführt, bedarf einer komplexeren Prüfung.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point56">56.</a>      Zunächst muss berücksichtigt werden, dass die finanzielle Unterstützung des Infrastrukturausbaus für den allgemeinen Gebrauch (und nicht nur für einen bestimmten Zweck), womit also nicht nur bestimmte Nutzer begünstigt werden, allgemein nicht als selektiv im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV angesehen wird(<a href="#Footnote32" name="Footref32">32</a>). Dies ist nach meiner Ansicht bei der infrastrukturellen Verbindung zwischen dem litauischen und dem schwedischen Stromnetz sehr wahrscheinlich der Fall.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point57">57.</a>      Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine finanzielle Unterstützung des Unternehmens, das den Bau der Infrastruktur durchführt, keine Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellt. Es ist klar, dass in dem Fall, dass die litauischen Behörden nur eine Dienstleistung (Bau einer bestimmten Infrastruktureinheit) von einem bestimmten Unternehmen – einem der vielen auf dem Markt tätigen, die die betreffende Dienstleistung erbringen können – einkaufen, das Vorliegen einer Beihilfe im Wesentlichen davon abhängig wäre, welche Preise und Bedingungen für den Bau vereinbart werden, wobei das Verfahren zur Auswahl des Anbieters berücksichtigt werden muss. Bei dieser Beurteilung würde der allgemein anerkannte Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden Marktteilnehmers helfen(<a href="#Footnote33" name="Footref33">33</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point58">58.</a>      Aus den Akten entnehme ich, dass dem NordBalt-Projekt strategische Bedeutung zugemessen wird und dass die notwendigen Bauarbeiten <i>per Gesetz</i> einem bestimmten Unternehmen (LITGRID AB) übertragen wurden. Ein Projekt dieser Art fällt – wegen seiner Größenordnung, Kosten und Bedeutung – üblicherweise in den Verantwortungsbereich des Staates. Es ist nicht unüblich, dass Behörden die Entwicklung von wichtiger Infrastruktur an Unternehmen übertragen, die zwar privatrechtlich errichtet wurden, an denen sie aber Anteile halten(<a href="#Footnote34" name="Footref34">34</a>). Nach meinem Dafürhalten ist die Kernfrage eher die Auftragserteilung durch den Staat. Allerdings verfügt der Gerichtshof – wie auch bei anderen Aspekten der im Ausgangsverfahren gegenständlichen Maßnahmen – nicht über die erforderlichen Angaben, um endgültige Einstufungen nach Art. 107 Abs. 1 AEUV vorzunehmen.</p>
<p class="C23Titrenumerote3">2.      <b>Zur Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten </b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point59">59.</a>      In der Rechtssache Fondul Proprietatea(<a href="#Footnote35" name="Footref35">35</a>) hatte der Gerichtshof den möglichen Beihilfecharakter einer Maßnahme zur Unterstützung eines im Elektrizitätssektor tätigen Unternehmens zu prüfen. In diesem Zusammenhang betonte der Gerichtshof, dass der Umstand, dass ein Wirtschaftssektor wie der der Energie auf Unionsebene liberalisiert worden ist, dazu führen kann, dass sich eine staatliche Maßnahme, die eine Beihilfe darstellen soll, auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV auswirkt. Der Gerichtshof stellte fest, dass durch eine solche Liberalisierung die Elektrizität Gegenstand des grenzüberschreitenden Handels ist. Dementsprechend entschied der Gerichtshof, dass – vorbehaltlich der Prüfung durch das nationale Gericht – eine Maßnahme der rumänischen Behörden zur Unterstützung eines im Elektrizitätssektor tätigen Unternehmens das Merkmal „Beeinträchtigung des Handels“ erfüllt.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point60">60.</a>      Im vorliegenden Fall sehe ich keinen objektiven Grund, von der Entscheidung des Gerichtshofs in der Rechtssache Fondul Proprietatea abzuweichen.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point61">61.</a>      Dass die begünstigten Unternehmen möglicherweise nur innerhalb der nationalen Grenzen tätig sind, ist nicht relevant. Die Stärkung der lokalen Betreiber durch die gegenständlichen Maßnahmen kann nämlich dazu führen, dass der Zugang ausländischer Unternehmen zum litauischen Energiemarkt behindert wird. Dies kann jedoch – wie oben in Nr. 58 ausgeführt – bei Beihilfen für ein Unternehmen, das mit der Umsetzung eines strategisch wichtigen Projekts wie NordBalt betraut ist, anders sein.</p>
<p class="C23Titrenumerote3">3.      <b>Verfälschung des Wettbewerbs</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point62">62.</a>      Hinsichtlich des letzten Merkmals, der Verfälschung des Wettbewerbs, sollte es ausreichen, nochmals auf das kürzlich ergangene Urteil Fondul Proprietatea(<a href="#Footnote36" name="Footref36">36</a>) Bezug zu nehmen.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point63">63.</a>      Im Einklang mit einer gefestigten Rechtsprechung hat der Gerichtshof in jener Rechtssache festgestellt, dass die dort gegenständliche Beihilfemaßnahme grundsätzlich geeignet ist, den Wettbewerb auf dem Elektrizitätsmarkt zu verfälschen. Er betonte, dass der Umstand, dass ein Wirtschaftssektor wie der der Energie auf Unionsebene liberalisiert worden ist, dazu führen kann, dass die Beihilfen den Wettbewerb tatsächlich oder potenziell beeinflussen und sich auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten auswirken.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point64">64.</a>      Nach meiner Auffassung gelten diese Überlegungen auch im Kontext des vorliegenden Verfahrens. Das Argument der litauischen Regierung, dass der litauische Elektrizitätsmarkt im Jahr 2014 noch relativ isoliert gewesen sei, überzeugt mich in der Tat nicht. In seinem Vorabentscheidungsersuchen betont das vorlegende Gericht selbst, dass das litauische Stromnetz in dem betreffenden Zeitraum mit dem Netz anderer Mitgliedstaaten (wie Estland) verbunden gewesen sei und dass es einen regen Wettbewerb gegeben habe. Jedenfalls können staatliche Beihilfen, die etablierte Unternehmen fördern, eine dauerhafte Verfälschung auf einem sich für ausländische Wettbewerber immer weiter öffnenden Markt bewirken.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point65">65.</a>      In der Stromerzeugung oder in der Entwicklung von Solar-Photovoltaikanlagen tätige Unternehmen in Litauen stehen eindeutig im Wettbewerb mit ähnlichen Unternehmen in anderen Mitgliedstaaten. Der Fall kann jedoch – aus den oben in den Nrn. 58 und 61 angeführten Gründen – anders gelagert sein, wenn Unternehmen betroffen sind, die mit strategisch wichtigen Projekten wie NordBalt betraut sind.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point66">66.</a>      Im Ergebnis schlage ich vor, die dritte und die fünfte Vorlagefrage wie folgt zu beantworten.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point67">67.</a>      Erstens sind Maßnahmen, die nur in einem bestimmten Sektor tätige oder eine bestimmte Art von Dienstleistungen erbringende Unternehmen begünstigen, indem sie diese Unternehmen von bestimmten Kosten befreien, die sie andernfalls zu tragen gehabt hätten, als für die Zwecke von Art. 107 Abs. 1 AEUV selektiv anzusehen. Zweitens sind Unterstützungsmaßnahmen für Unternehmen, die in einem auf Unionsebene liberalisierten Wirtschaftssektor wie dem der Energie tätig sind, grundsätzlich geeignet, im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen und den Wettbewerb zu verfälschen. Drittens ist es Sache des vorlegenden Gerichts, letztendlich zu entscheiden, ob diese Merkmale im Fall der gegenständlichen Maßnahmen erfüllt sind.</p>
<p class="C22Titrenumerote2">F.      <b>Zur vierten Frage</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point68">68.</a>      Schließlich möchte das vorlegende Gericht mit seiner vierten Frage wissen, ob Art. 107 Abs. 1 AEUV in Verbindung mit Art. 106 Abs. 2 AEUV dahin auszulegen ist, dass unter Umständen, wie sie in der vorliegenden Rechtssache gegeben sind, davon auszugehen ist, dass die in Rede stehende DAI-Regelung die in den Rn. 88 bis 93 des Urteils Altmark aufgestellten Kriterien erfüllt.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point69">69.</a>      In jenem Urteil hat der Gerichtshof klargestellt, dass Unternehmen, wenn sie gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen erfüllen, mit der als Ausgleich dafür erhaltenen Gegenleistung in Wirklichkeit kein finanzieller Vorteil zugutekommt, so dass sie sich gegenüber den mit ihnen im Wettbewerb stehenden Unternehmen nicht in einer günstigeren Wettbewerbsstellung befinden. Dafür hat der Gerichtshof vier kumulative Voraussetzungen (im Folgenden: Altmark-Kriterien) entwickelt, bei deren Vorliegen Ausgleichszahlungen für Dienstleistungen von allgemeinem Interesse keine staatlichen Beihilfen im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellen(<a href="#Footnote37" name="Footref37">37</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point70">70.</a>      Im Schrifttum ist jedoch häufig angemerkt worden, dass die Altmark-Kriterien aufgrund ihrer strengen Anforderungen schwer zu erfüllen sind(<a href="#Footnote38" name="Footref38">38</a>). In diesem Zusammenhang sollte daher darauf hingewiesen werden, dass auch eine Maßnahme, die diese Kriterien nicht erfüllt, trotzdem nach Art. 106 Abs. 2 AEUV gerechtfertigt sein kann. Außerdem sind die Altmark-Kriterien, wie der Gerichtshof in der Rechtssache Viasat sehr deutlich gemacht hat, bei der Prüfung der <i>Vereinbarkeit</i> einer staatlichen Beihilfe für einen Erbringer einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse mit dem Binnenmarkt nicht zu berücksichtigen(<a href="#Footnote39" name="Footref39">39</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point71">71.</a>      Die Frage des vorlegenden Gerichts betrifft grundsätzlich alle vier Altmark-Kriterien. Die in dem Vorabentscheidungsersuchen entwickelten Argumente beziehen sich jedoch hauptsächlich auf das erste Kriterium. Hinsichtlich der anderen drei Kriterien führt das vorlegende Gericht nur recht knapp aus, weshalb die einzelnen gegenständlichen Maßnahmen nach seiner Auffassung diese erfüllten. Wie oben in den Nrn. 16 und 17 ausgeführt, ist es jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, darüber zu entscheiden, nicht nur wegen der in den Verträgen festgelegten Arbeitsteilung zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten, sondern auch deshalb, weil die Angaben in den Akten nicht ausreichen, um es dem Gerichtshof zu ermöglichen, der Wertung des nationalen Gerichts entweder zuzustimmen oder sie zu verwerfen.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point72">72.</a>      Vor diesem Hintergrund und mit der Absicht, dem vorlegenden Gericht so weit wie möglich zu helfen, möchte ich die folgenden Anmerkungen machen.</p>
<p class="C23Titrenumerote3">1.      <b>Erstes Altmark-Kriterium</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point73">73.</a>      Nach dem ersten Altmark-Kriterium ist festzustellen, ob das begünstigte Unternehmen tatsächlich mit der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen betraut wurde und ob diese Verpflichtungen klar definiert sind. Dieses Kriterium hat somit verschiedene – wenn auch untrennbar miteinander verbundene – Aspekte, die im Wesentlichen den folgenden Fragen entsprechen: (i) Haben die Behörden die betreffenden Dienstleistungen rechtmäßig als „Dienste“ bzw. „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“ im Sinne von Art. 14 und Art. 106 Abs. 2 AEUV eingestuft, (ii) ist ein bestimmtes Unternehmen (oder mehrere) im Zusammenhang mit diesen Dienstleistungen mit der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen betraut worden und (iii) sind die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen klar definiert?</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point74">74.</a>      Hier muss zunächst betont werden, dass die Mitgliedstaaten nach ständiger Rechtsprechung bei der Einstufung von Dienstleistungen als Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse einen weiten Ermessensspielraum haben, weshalb die von einem Mitgliedstaat vorgenommene Einstufung nur im Fall eines offensichtlichen Fehlers angegriffen werden kann(<a href="#Footnote40" name="Footref40">40</a>). Dies wird auch durch Art. 1 des Protokolls Nr. 26 über Dienste von allgemeinem Interesse bestätigt, wonach zu den gemeinsamen Werten der Union in Bezug auf Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse insbesondere „die wichtige Rolle und der <i>weite Ermessensspielraum</i> der nationalen, regionalen und lokalen Behörden in der Frage, wie Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse auf eine den Bedürfnissen der Nutzer so gut wie möglich entsprechende Weise zur Verfügung zu stellen, in Auftrag zu geben und zu organisieren sind“, gehören(<a href="#Footnote41" name="Footref41">41</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point75">75.</a>      Ein <i>weiter</i> Ermessensspielraum bedeutet jedoch keinen <i>unbegrenzten </i>Ermessensspielraum. Um zu verhindern, dass die gemeinsamen Vorschriften leicht umgangen oder ihrer Wirksamkeit beraubt werden, setzen die Verträge dem Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten bestimmte Grenzen. Im Hinblick auf das unionsrechtliche Wettbewerbsrecht sieht Art. 106 Abs. 2 AEUV vor, dass für mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraute Unternehmen die Vorschriften der Verträge gelten, „soweit die Anwendung dieser Vorschriften nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert“, wobei „[d]ie Entwicklung des Handelsverkehrs … nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt werden [darf], das dem Interesse der Union zuwiderläuft“.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point76">76.</a>      Vor dem Hintergrund dieser Vorschriften und unter Berücksichtigung von allgemeinen Rechtsgrundsätzen wie der loyalen Zusammenarbeit oder der Verhältnismäßigkeit bin ich der Auffassung, dass der Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten bei der Einstufung von Dienstleistungen als Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse „nicht willkürlich mit dem alleinigen Ziel ausgeübt werden [darf], einen bestimmten [Wirtschafts‑]Sektor … der Anwendung der Wettbewerbsregeln zu entziehen“(<a href="#Footnote42" name="Footref42">42</a>). Ungeachtet des von den nationalen Behörden verfolgten Zwecks steht für mich fest, dass nicht einfach jede Art von Dienstleistung als eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse eingestuft werden darf: Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse müssen im Vergleich zu anderen auf dem Markt gewöhnlich erbrachten Dienstleistungen „besondere Merkmale“ aufweisen(<a href="#Footnote43" name="Footref43">43</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point77">77.</a>      Diese Merkmale betreffen als Erstes die <i>Natur</i> der erbrachten Dienstleistungen. Die Behörden müssen insbesondere berechtigte Gründe für die Auffassung haben, dass die Dienstleistung ohne die staatliche Beihilfe voraussichtlich nicht oder nicht so erbracht würde, wie es als am angemessensten angesehen wird(<a href="#Footnote44" name="Footref44">44</a>). Ziel der staatlichen Maßnahme muss also sein, einen echten gesellschaftlichen Bedarf an einer bestimmten Dienstleistung zu decken, der durch unter normalen Marktbedingungen tätige Unternehmen nicht angemessen befriedigt wird (und in absehbarer Zeit auch nicht angemessen befriedigt werden wird)(<a href="#Footnote45" name="Footref45">45</a>). In diesem Zusammenhang möchte ich betonen, dass die Richtlinie 2009/72/EG über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt(<a href="#Footnote46" name="Footref46">46</a>) insbesondere in Art. 3 Abs. 2 vorsieht, dass Mitgliedstaaten Elektrizitätsunternehmen im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse Verpflichtungen auferlegen können, die sich auf verschiedene dort aufgeführte Tätigkeiten beziehen können.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point78">78.</a>      Als Zweites betreffen die besonderen Merkmale der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse die <i>Art und Weise</i> der Erbringung der Dienstleistung. Die Dienstleistung muss insbesondere bis zu einem gewissen Grad universal und zwingend erbracht werden(<a href="#Footnote47" name="Footref47">47</a>). Mit universal meine ich, dass die Dienstleistung zumindest potenziell an alle Personen erbracht wird, die dies verlangen. Mit zwingend beziehe ich mich auf den Umstand, dass die Erbringung verpflichtend sein muss; eine einfache Genehmigung zur Erbringung der Dienstleistung genügt dafür nicht. Darüber hinaus kann für die Feststellung, ob eine Dienstleistung tatsächlich von allgemeinem Interesse ist, relevant sein, ob sie mit einer gewissen Regelmäßigkeit zu einheitlichen und transparenten Bedingungen und zu erschwinglichen Preisen erbracht wird(<a href="#Footnote48" name="Footref48">48</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point79">79.</a>      Daraus folgt für diesen Punkt, dass zwei Hauptvoraussetzungen erfüllt sein müssen, damit eine Dienstleistung rechtmäßig als Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse eingestuft werden kann: Zum einen müssen objektive Gründe vorliegen, weshalb die Behörden die betreffende staatliche Maßnahme als für die Sicherstellung der Dienstleistungserbringung erforderlich erachten, und zum anderen muss die Dienstleistung universal und zwingend erbracht werden. Das Vorliegen dieser beiden Voraussetzungen kann selbstverständlich von den nationalen(<a href="#Footnote49" name="Footref49">49</a>) oder den Unionsgerichten(<a href="#Footnote50" name="Footref50">50</a>) – je nach den Umständen des Einzelfalls – überprüft werden, wegen des weiten Ermessensspielraums der nationalen Behörden jedoch nur hinsichtlich offensichtlicher Beurteilungsfehler(<a href="#Footnote51" name="Footref51">51</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point80">80.</a>      Sodann muss berücksichtigt werden, dass der bloße Umstand, dass eine Dienstleistung im nationalen Recht als von allgemeinem Interesse eingestuft wird, nicht bedeutet, dass jeder Wirtschaftsteilnehmer, der sie erbringt, mit der Erfüllung klar definierter gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen im Sinne der Altmark-Rechtsprechung betraut ist(<a href="#Footnote52" name="Footref52">52</a>). Die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen müssen einem bestimmten oder mehreren bestimmten Unternehmen durch einen Akt (oder mehrere Akte) der Behörde übertragen werden. Dieser Akt kann verschiedene Formen annehmen: Typischerweise handelt es sich um einen hoheitlichen Akt (zum Beispiel ein Gesetz, eine Verordnung oder einen Verwaltungsakt)(<a href="#Footnote53" name="Footref53">53</a>), obwohl eine klare Betrauung mit einer gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung unter bestimmten Umständen auch durch einen Vertrag erfolgen kann(<a href="#Footnote54" name="Footref54">54</a>). Unabhängig von der Art des Aktes muss die Betrauung aber klar und eindeutig sein: Der Akt muss hinreichend genau die Art, die Dauer und die Tragweite der jeweiligen gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung definieren(<a href="#Footnote55" name="Footref55">55</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point81">81.</a>      Auch diese Aspekte können im Streitfall selbstverständlich gerichtlich überprüft werden – entweder durch die zuständigen nationalen Gerichte oder die Unionsgerichte. Soweit diese Aspekte technische oder faktische Punkte betreffen, ist die richterliche Kontrolle allerdings nicht auf eine oberflächliche Überprüfung beschränkt.(<a href="#Footnote56" name="Footref56">56</a>)</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point82">82.</a>      Zur Anwendung der genannten Grundsätze auf den vorliegenden Fall möchte ich die folgenden zwei Anmerkungen machen.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point83">83.</a>      Erstens kann es bestimmte wirtschaftliche Aktivitäten geben, die der Staat für förderungswürdig hält (z. B. die Erzeugung von grüner Energie oder die Entwicklung von grünen Technologien) und für die er direkte finanzielle Unterstützung oder andere Fördermaßnahmen gewährt, die aber keine Dienstleistungen im Sinne der Altmark-Rechtsprechung darstellen. Das typische Altmark-Szenarium sieht so aus, dass ein oder mehrere Unternehmen (die Erbringer von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse) rechtlich verpflichtet sind, im Zusammenhang mit der Erbringung von Dienstleistungen bestimmte gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen (zumindest potenziell) gegenüber einer Vielzahl von Empfängern zu erfüllen. Üblicherweise zahlen die Empfänger für die erhaltenen Dienstleistungen eine Vergütung, die aufgrund der vom Staat an die betreffenden Dienstleistungserbringer gewährten Beihilfe jedoch unter dem üblichen (oder hypothetischen) Marktpreis liegen kann. Die Altmark-Grundsätze passen nicht ohne weiteres auf ein Szenarium, in dem es streng genommen keine wirtschaftlichen Transaktionen gibt, die Dienstleistungen beinhalten. Zum Beispiel bezweifele ich, dass sämtliche Aktivitäten, die in der DAI-Regelung als DAI eingestuft werden (z. B. der bloße Bau von öffentlicher Infrastruktur oder die Entwicklung von Solar-Photovoltaikanlagenprojekten), als eine <i>Dienstleistungserbringung</i> im Sinne der Altmark-Rechtsprechung angesehen werden können.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point84">84.</a>      Zweitens kann es wirtschaftliche Aktivitäten geben, die – auch wenn sie tatsächlich eine Dienstleistungserbringung umfassen – die Unternehmen freiwillig, also ohne eine bestimmte Betrauung durch den Staat, ausführen. Wie Generalanwalt Szpunar in der Rechtssache Renerga, die die Vereinbarkeit von bestimmten Aspekten der im vorliegenden Fall einschlägigen nationalen Gesetzgebung mit Unionsrecht betraf, dargelegt hat, ist der bloße Umstand, dass eine Aktivität ausdrücklich und gesetzlich als eine „Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“ eingestuft ist, für die Zwecke der Altmark-Rechtsprechung nicht ausreichend(<a href="#Footnote57" name="Footref57">57</a>). Es zudem muss einen hoheitlichen Akt geben, mit dem ein oder mehrere bestimmte Unternehmen damit betraut werden, die jeweiligen Dienstleistungen <i>mit einer gewissen Universalität und einem gewissen zwingenden Charakter</i>(<a href="#Footnote58" name="Footref58">58</a>) zu erbringen. Hier ist in der Ausgangsrechtssache nicht klar, ob nach der DAI-Regelung allen Unternehmen, die als DAI-Erbringer eingestuft wurden, tatsächlich gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen im Sinne des Unionsrechts auferlegt wurden(<a href="#Footnote59" name="Footref59">59</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point85">85.</a>      Trifft dies zu, kann die Frage, ob die Handlungen des Staates und der betreffenden Unternehmen eine Form von Beihilfe, für die Art. 107 Abs. 1 AEUV einschlägig ist, verschleiern, nur ohne Anwendung der Altmark-Vorgaben beantwortet werden. Diese finden – um es nochmal zu betonen – nur auf Unternehmen Anwendung, die <i>gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen erfüllen</i>. Daher sind staatliche Maßnahmen, die von der Altmark-Rechtsprechung nicht erfasst werden, nach Maßgabe eines marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsteilnehmers (wie oben in Nr. 57 erwähnt) zu prüfen.</p>
<p class="C23Titrenumerote3">2.      <b>Zweites und drittes Altmark-Kriterium</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point86">86.</a>      Das zweite Altmark-Kriterium betrifft die Parameter, anhand deren die Ausgleichszahlung berechnet wird: Sie müssen zuvor objektiv und transparent aufgestellt worden sein, um zu verhindern, dass der Ausgleich einen wirtschaftlichen Vorteil darstellt, der das Unternehmen, dem er gewährt wird, gegenüber konkurrierenden Unternehmen begünstigt.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point87">87.</a>      Nach dem dritten Altmark-Kriterium wiederum darf der Ausgleich nicht mehr als die gesamten Kosten decken, die bei der Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen entstehen, wobei die einschlägigen Einnahmen sowie ein angemessener Gewinn für die Erfüllung dieser Verpflichtungen zugrunde zu legen sind.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point88">88.</a>      Diese beiden sich ergänzenden Kriterien haben dasselbe Ziel: die Verhinderung einer Überbezahlung der Unternehmen, denen die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen auferlegt wurden.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point89">89.</a>      Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts sind bei den hier gegenständlichen Maßnahmen beide Kriterien erfüllt. Die einschlägige nationale Gesetzgebung umfasse konkrete Regelungen zu den Bedingungen für die Ausgleichszahlung, zu ihrer Höhe bzw. zu den Verfahren zur Berechnung ihrer Höhe sowie einen Mechanismus zur Kontrolle der Verwendung der erhaltenen Gelder. Hinsichtlich der Höhe der geschuldeten Ausgleichszahlung beinhalteten die Gesetze Regelungen, die sicherstellen sollten, dass nur die notwendigen Investitionen, die Kosten für die Erbringung der Dienstleistungen und ein „moderater Gewinn“ eingerechnet würden.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point90">90.</a>      Allerding ist es – wie oben in Nr. 71 ausgeführt – nicht Sache des Gerichtshofs, diese Wertung zu bestätigen oder zu verwerfen. Vielmehr muss das vorlegende Gericht prüfen, ob eine hinreichend klare und umfassende gesetzliche Regelung vorliegt, die sicherstellt, dass keine Überbezahlung an die Dienstleistungserbringer erfolgt und dass jeder mögliche Fehler in dieser Hinsicht rasch und wirkungsvoll behoben wird.</p>
<p class="C23Titrenumerote3">3.      <b>Viertes Altmark-Kriterium</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point91">91.</a>      Gemäß dem vierten Altmark-Kriterium muss die Höhe der Ausgleichszahlungen, wenn die Wahl des Unternehmens, das mit der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen betraut werden soll, nicht im Rahmen eines Verfahrens zur Vergabe öffentlicher Aufträge erfolgt, auf der Grundlage einer Analyse der Kosten bestimmt werden, die ein durchschnittliches, gut geführtes Unternehmen, das so angemessen mit den notwendigen Mitteln ausgestattet ist, dass es den gestellten gemeinwirtschaftlichen Anforderungen genügen kann, bei der Erfüllung der betreffenden Verpflichtungen hätte, wobei die dabei erzielten Einnahmen und ein angemessener Gewinn aus der Erfüllung dieser Verpflichtungen zu berücksichtigen sind.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point92">92.</a>      Von den vier Altmark-Kriterien ist dies wohl dasjenige, das am schwierigsten zu prüfen ist.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point93">93.</a>      Laut dem vorlegenden Gericht scheint auch dieses Kriterium bei den gegenständlichen Maßnahmen erfüllt zu sein. Zunächst stellt das vorlegende Gericht fest, dass die Erbringer von DAI im Bereich der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen in einem Ausschreibungsverfahren aufgrund des niedrigsten, jedoch nicht über dem von der staatlichen Kommission festgelegten Preis liegenden Angebotspreises ausgewählt würden; die staatliche Kommission lege auch den festen Tarif für alle anderen Erzeuger von Strom aus erneuerbaren Energiequellen fest. Was die Unterstützungsleistungen für Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen angeht, stellt das nationale Gericht fest, dass diese für alle Energieerzeugungsanlagen gewährt würden, die die erzeugte thermische Energie an Fernwärmenetze lieferten, soweit die Energieerzeugungsanlagen die einschlägigen Anforderungen, u. a. an die Effizienz, erfüllten und ein Antrag gestellt werde; nach Ansicht des Gerichts können Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, die nicht in dieser Weise im Kopplungsbetrieb arbeiten, oder Energieerzeugungsanlagen, die ein effizientes Kopplungsverfahren nicht gewährleisten können, nicht in gleicher Weise beurteilt werden. Das Gericht betont ferner, dass die Maßnahme im Rahmen der in Rede stehenden DAI-Regelung auf solche Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen Anwendung finde, deren Hauptaufgabe insbesondere die Belieferung der Bevölkerung mit Wärme sei, und dass die Unterstützungsleistungen nur für Strom gewährt würden, der in der Heizperiode erzeugt werde.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point94">94.</a>      Sodann werde die Durchführung des NordBalt-Projekts auf der Basis der echten und tatsächlichen Kosten finanziert, die im Wesentlichen auf Zahlungen für in einem öffentlichen Ausschreibungsverfahren bezogene Waren und Dienstleistungen entfielen. Auch die Ausgleichsleistungen an Entwickler von Solarenergieanlagen und die o. g. Netzbetreiber würden für Kosten gewährt, die nicht über den tatsächlich angefallenen Kosten lägen und durchschnittlichen Marktpreisen entsprächen.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point95">95.</a>      Wie bei dem zweiten und dem dritten Altmark-Kriterium findet sich in den Akten zwar nach meinem Dafürhalten nichts, was an der vorläufigen Bewertung durch das vorlegende Gericht Zweifel weckt. Dem Gerichtshof liegen aber nicht genügend Informationen vor, um die Bewertung bestätigen zu können.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point96">96.</a>      Es ist daher Sache des vorlegenden Gerichts, sicherzustellen, dass die DAI-Erbringer gemäß einem der zwei Alternativszenarien ausgewählt werden, die mit dem vierten Altmark-Kriterium in Einklang stehen. DAI-Erbringer können entweder durch ein öffentliches Ausschreibungsverfahren – d. h. mit hinreichend freiem und echtem Wettbewerb(<a href="#Footnote60" name="Footref60">60</a>) – ausgewählt werden, mit dem derjenige Bieter ausgewählt werden kann, der die jeweiligen Dienstleistungen so erbringen kann, dass der Allgemeinheit möglichst geringe Kosten entstehen. Oder die DAI-Erbringer können ohne ein echtes Ausschreibungsverfahren auf der Grundlage einer detaillierten und transparenten Analyse der Kosten bestimmt werden, die einem in dem betreffenden Sektor tätigen wirtschaftlichen und kosteneffizienten Unternehmen bei der Erfüllung seiner Verpflichtungen entstünden.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point97">97.</a>      Im Ergebnis sollte die vierte Vorlagefrage nach meiner Auffassung dahin beantwortet werden, dass es Sache des vorlegenden Gerichts ist, festzustellen, ob die im Ausgangsverfahren gegenständlichen Maßnahmen die in den Rn. 88 bis 93 des Urteils Altmark des Gerichtshofs aufgestellten Kriterien erfüllen. Dafür sollte das vorlegende Gericht insbesondere prüfen:</p>
<p class="C03Tiretlong">–        das Vorliegen eines hoheitlichen Aktes, der die DAI-Erbringer mit der Erbringung der entsprechenden Dienstleistungen mit einer gewissen Universalität und einem gewissen zwingenden Charakter betraut und der hinreichend klar zumindest die Natur, die Dauer und die Tragweite der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen bestimmt,</p>
<p class="C03Tiretlong">–        das Vorliegen einer hinreichend klaren und umfassenden gesetzlichen Regelung, die sicherstellt, dass keine Überbezahlung der Dienstleistungserbringer erfolgt und dass jeder mögliche Fehler in dieser Hinsicht rasch und wirkungsvoll behoben wird,</p>
<p class="C03Tiretlong">–        dass die DAI-Erbringer entweder auf der Grundlage eines hinreichend freien und echten Wettbewerbs ausgewählt werden oder nach einer detaillierten und transparenten Analyse der Kosten, die einem in dem betreffenden Sektor tätigen wirtschaftlichen und kosteneffizienten Unternehmen bei der Erfüllung seiner Verpflichtungen entstünden.</p>
<p class="C21Titrenumerote1">IV.    <b>Ergebnis</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point98">98.</a>      Im Ergebnis schlage ich dem Gerichtshof vor, die Fragen, die ihm vom Lietuvos vyriausiasis administracinis teismas (Oberstes Verwaltungsgericht Litauens) zur Vorabentscheidung vorgelegt wurden, dahin gehend zu beantworten, dass Art. 107 Abs. 1 AEUV richtigerweise wie folgt auszulegen ist:</p>
<p class="C03Tiretlong">–        Mittel wie diejenigen, die zur Finanzierung der litauischen Regelung für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse im Elektrizitätssektor verwendet werden, sind als staatliche Mittel anzusehen,</p>
<p class="C03Tiretlong">–        wenn eine staatliche Maßnahme Stromnetzbetreiber verpflichtet, Strom von Stromerzeugern zu einem Festpreis zu erwerben und den von ihnen erzeugten Strom auszugleichen, und vorsieht, dass die den Netzbetreibern entstehenden zusätzlichen Kosten durch Zahlungen der Endverbraucher ausgeglichen werden, sind die Stromerzeuger als Begünstigte der Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV anzusehen,</p>
<p class="C03Tiretlong">–        Maßnahmen, die nur in einem bestimmten Sektor tätige oder eine bestimmte Art von Dienstleistungen erbringende Unternehmen begünstigen, indem sie diese Unternehmen von bestimmten Kosten befreien, die sie andernfalls zu tragen gehabt hätten, sind grundsätzlich als selektiv anzusehen; Unterstützungsmaßnahmen für im Energiesektor tätige Unternehmen sind grundsätzlich geeignet, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen und den Wettbewerb im Binnenmarkt zu verfälschen; es ist Sache des vorlegenden Gerichts, festzustellen, ob die im Ausgangsverfahren gegenständlichen Maßnahmen diese Merkmale erfüllen;</p>
<p class="C03Tiretlong">–        es ist Sache des vorlegenden Gerichts, festzustellen, ob die im Ausgangsverfahren gegenständlichen Maßnahmen die in den Rn. 88 bis 93 des Urteils des Gerichtshofs vom 24. Juli 2003, Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg (C‑280/00, EU:C:2003:415), entwickelten Kriterien erfüllen. Dafür sollte das vorlegende Gericht insbesondere prüfen:</p>
<p class="C12Marge1avectiretlong">–        das Vorliegen eines hoheitlichen Aktes, der die Erbringer von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse mit der Erbringung der entsprechenden Dienstleistungen mit einer gewissen Universalität und einem gewissen zwingenden Charakter betraut und der hinreichend klar zumindest die Natur, die Dauer und die Tragweite der zu erfüllenden gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen bestimmt,</p>
<p class="C12Marge1avectiretlong">–        das Vorliegen einer hinreichend klaren und umfassenden gesetzlichen Regelung, die es ermöglicht, eine Überbezahlung der Dienstleistungserbringer zu verhindern und jeden mögliche Fehler in dieser Hinsicht rasch und wirkungsvoll zu beheben,</p>
<p class="C12Marge1avectiretlong">–        dass die Erbringer von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse entweder auf der Grundlage eines hinreichend freien und echten Wettbewerbs ausgewählt werden oder nach einer detaillierten und transparenten Analyse der Kosten, die einem in dem betreffenden Sektor tätigen wirtschaftlichen und kosteneffizienten Unternehmen bei der Erfüllung seiner gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen entstünden.</p>
<hr/>
<p class="C40FootnoteLangue">
<a href="#Footref1" name="Footnote1">1</a>      Originalsprache: Englisch.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref2" name="Footnote2">2</a><sup/>      C‑280/00, EU:C:2003:415.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref3" name="Footnote3">3</a><sup/>      Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge des Generalanwalts Jääskinen in der Rechtssache Vent De Colère u. a. (C‑262/12, EU:C:2013:469, Nr. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref4" name="Footnote4">4</a><sup/>      Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. Oktober 2006, Transalpine Ölleitung in Österreich (C‑368/04, EU:C:2006:644, Rn. 39), und vom 11. November 2015, Klausner Holz Niedersachsen (C‑505/14, EU:C:2015:742, Rn. 22).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref5" name="Footnote5">5</a><sup/>      Vgl. Urteil vom 21. Dezember 2016, Kommission/Hansestadt Lübeck (C‑524/14 P, EU:C:2016:971, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref6" name="Footnote6">6</a><sup/>      Vgl. Urteil vom 27. Juni 2017, Congregación de Escuelas Pías Provincia Betania (C‑74/16, EU:C:2017:496, Rn. 74 und die dort angeführte Rechtsprechung).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref7" name="Footnote7">7</a><sup/>      Vgl. Urteil vom 19. Dezember 2013, Association Vent De Colère! u. a. (C‑262/12, EU:C:2013:851, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref8" name="Footnote8">8</a><sup/>      Urteil vom 13. März 2001, PreussenElektra (C‑379/98, EU:C:2001:160).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref9" name="Footnote9">9</a><sup/>      Urteil vom 13. September 2017, ENEA (C‑329/15, EU:C:2017:671).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref10" name="Footnote10">10</a><sup/>      Urteil vom 15. Juli 2004, Pearle u. a. (C‑345/02, EU:C:2004:448).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref11" name="Footnote11">11</a><sup/>      Urteil vom 30. Mai 2013, Doux Élevage und Coopérative agricole UKL-ARREE (C‑677/11, EU:C:2013:348).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref12" name="Footnote12">12</a><sup/>      Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Wathelet in der Rechtssache Doux Élevage und Coopérative agricole UKL-ARREE (C‑677/11, EU:C:2013:58, Rn. 66).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref13" name="Footnote13">13</a><sup/>      Vgl. Urteile vom 15. Juli 2004, Pearle u. a. (C‑345/02, EU:C:2004:448, Rn. 37), und vom 30. Mai 2013, Doux Élevage und Coopérative agricole UKL-ARREE (C‑677/11, EU:C:2013:348, Rn. 31).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref14" name="Footnote14">14</a><sup/>      Vgl. dazu Urteil vom 17. Juli 2008, Essent Netwerk Noord u. a. (C‑206/06, EU:C:2008:413, Rn. 69 und 70). Vgl. auch Schlussanträge des Generalanwalts Mengozzi in der Rechtssache Essent Netwerk Noord u. a. (C‑206/06, EU:C:2008:33, Nr. 109).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref15" name="Footnote15">15</a><sup/>      Urteil vom 30. Mai 2013, Doux Élevage und Coopérative agricole UKL-ARREE (C‑677/11, EU:C:2013:348, Rn. 32).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref16" name="Footnote16">16</a><sup/>      Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Jääskinen in der Rechtssache Vent De Colère u. a. (C‑262/12, EU:C:2013:469, Nr. 44).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref17" name="Footnote17">17</a><sup/>      Urteil vom 19. Dezember 2013, Association Vent De Colère! u. a. (C‑262/12, EU:C:2013:851).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref18" name="Footnote18">18</a><sup/>      Ebd., Rn. 22, 23 und 28 bis 33.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref19" name="Footnote19">19</a><sup/>      Urteil vom 17. Juli 2008, Essent Netwerk Noord u. a. (C‑206/06, EU:C:2008:413).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref20" name="Footnote20">20</a><sup/>      Urteile vom 13. März 2001, PreussenElektra (C‑379/98, EU:C:2001:160), bzw. vom 13. September 2017, ENEA (C‑329/15, EU:C:2017:671).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref21" name="Footnote21">21</a><sup/>      Urteile vom 17. Juli 2008, Essent Netwerk Noord u. a. (C‑206/06, EU:C:2008:413), bzw. vom 19. Dezember 2013, Association Vent De Colère! u. a. (C‑262/12, EU:C:2013:851).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref22" name="Footnote22">22</a><sup/>      Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Mengozzi in der Rechtssache Essent Netwerk Noord u. a. (C‑206/06, EU:C:2008:33, Nrn. 108 und 109).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref23" name="Footnote23">23</a><sup/>      Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge des Generalanwalts Wathelet in der Rechtssache Doux Élevage und Coopérative agricole UKL-ARREE (C‑677/11, EU:C:2013:58, Nrn. 97 bis 105).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref24" name="Footnote24">24</a><sup/>      Vgl. dazu Urteil vom 13. September 2017, ENEA (C‑329/15, EU:C:2017:671, Rn. 28 f.).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref25" name="Footnote25">25</a><sup/>      Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Saugmandsgaard Øe in der Rechtssache ENEA (C‑329/15, EU:C:2017:233, Nrn. 75, 83 und 84).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref26" name="Footnote26">26</a><sup/>      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. November 2001, Adria-Wien Pipeline und Wietersdorfer & Peggauer Zementwerke (C‑143/99, EU:C:2001:598, Rn. 41). Vgl. auch Urteile vom 6. September 2006, Portugal/Kommission (C‑88/03, EU:C:2006:511, Rn. 54), und vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich (C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732, Rn. 75).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref27" name="Footnote27">27</a><sup/>      Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 18. Juli 2013, P (C‑6/12, EU:C:2013:525, Rn. 18), vom 9. Oktober 2014, Ministerio de Defensa und Navantia (C‑522/13, EU:C:2014:2262, Rn. 23), und vom 21. Dezember 2016, Kommission/World Duty Free Group u. a. (C‑20/15 P und C‑21/15 P, EU:C:2016:981, Rn. 56 und 59).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref28" name="Footnote28">28</a><sup/>      Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 18. Mai 2017, Fondul Proprietatea (C‑150/16, EU:C:2017:388, Rn. 29 bis 32 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 14. Januar 2015, Eventech (C‑518/13, EU:C:2015:9, Rn. 66 bis 68 und die dort angeführte Rechtsprechung).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref29" name="Footnote29">29</a><sup/>      Vgl. Urteil vom 25. Juli 2018, Kommission/Spanien u. a. (C‑128/16 P, EU:C:2018:591, Rn. 84 und die dort angeführte Rechtsprechung).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref30" name="Footnote30">30</a><sup/>      Urteil vom 27. September 1988, Asteris u. a. (106/87 bis 120/87, EU:C:1988:457, Rn. 24).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref31" name="Footnote31">31</a><sup/>      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. Juli 1974, Italien/Kommission (173/73, EU:C:1974:71, Rn. 13).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref32" name="Footnote32">32</a><sup/>      Vgl. z. B. Hancher, L., Ottervanger, T., Slot, P. J., <i>EU State aids</i>, 4. Aufl., Sweet & Maxwell, 2012, S. 91. </p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref33" name="Footnote33">33</a><sup/>      Vgl. z. B. Urteile vom 2. September 2010, Kommission/Scott (C‑290/07 P, EU:C:2010:480, Rn. 68 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 5. Juni 2012, Kommission/EDF (C‑124/10 P, EU:C:2012:318, Rn. 78 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. auch Schlussanträge des Generalanwalts Tizzano in den verbundenen Rechtssachen P & O European Ferries (Vizcaya) und Diputación Foral de Vizcaya/Kommission (C‑442/03 P und C‑471/03 P, EU:C:2006:91, Nrn. 86 bis 88).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref34" name="Footnote34">34</a><sup/>      Vgl. Quigley, C., <i>European State Aid Law and Policy</i>, 3. Aufl., 2015, Hart, S. 75.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref35" name="Footnote35">35</a><sup/>      Urteil vom 18. Mai 2017, Fondul Proprietatea (C‑150/16, EU:C:2017:388, Rn. 34 bis 38).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref36" name="Footnote36">36</a><sup/>      Urteil vom 18. Mai 2017, Fondul Proprietatea (C‑150/16, EU:C:2017:388, Rn. 33 bis 35).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref37" name="Footnote37">37</a><sup/>      Rn. 89 bis 93 des Urteils. Diese Kriterien sind: Erstens muss das begünstigte Unternehmen tatsächlich mit der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen betraut sein, und diese Verpflichtungen müssen klar definiert sein. Zweitens sind die Parameter, anhand deren der Ausgleich berechnet wird, zuvor objektiv und transparent aufzustellen, um zu verhindern, dass der Ausgleich einen wirtschaftlichen Vorteil mit sich bringt, der das Unternehmen, dem er gewährt wird, gegenüber konkurrierenden Unternehmen begünstigt. Drittens darf der gewährte Ausgleich nicht über das hinausgehen, was erforderlich ist, um die Kosten der Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen unter Berücksichtigung der dabei erzielten Einnahmen und eines angemessenen Gewinns aus der Erfüllung dieser Verpflichtungen ganz oder teilweise zu decken. Viertens ist dieser Ausgleich auf der Grundlage einer Analyse der Kosten zu bestimmen, die ein durchschnittliches, gut geführtes Unternehmen, das so angemessen mit den notwendigen Mitteln ausgestattet ist, dass es den gestellten gemeinwirtschaftlichen Anforderungen genügen kann, bei der Erfüllung der betreffenden Verpflichtungen hätte, wobei die dabei erzielten Einnahmen und ein angemessener Gewinn aus der Erfüllung dieser Verpflichtungen zu berücksichtigen sind.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref38" name="Footnote38">38</a><sup/>      Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Viasat Broadcasting UK/Kommission (C‑660/15 P, EU:C:2016:854, Nr. 29, mit weiteren Nachweisen).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref39" name="Footnote39">39</a><sup/>      Urteil vom 8. März 2017, Viasat Broadcasting UK/Kommission (C‑660/15 P, EU:C:2017:178, Rn. 35).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref40" name="Footnote40">40</a><sup/>      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Dezember 2017, Comunidad Autónoma del País Vasco u. a./Kommission (C‑66/16 P bis C‑69/16 P, EU:C:2017:999, Rn. 69 und 70 und die dort angeführte Rechtsprechung).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref41" name="Footnote41">41</a><sup/>      Hervorhebung nur hier.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref42" name="Footnote42">42</a><sup/>      Schlussanträge des Generalanwalts Wathelet in der Rechtssache Comunidad Autónoma del País Vasco u. a./Kommission (C‑66/16 P bis C‑69/16 P, C‑70/16 P und C‑81/16 P, EU:C:2017:654, Nr. 48).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref43" name="Footnote43">43</a><sup/>      Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. Dezember 1991, Merci convenzionali Porto di Genova (C‑179/90, EU:C:1991:464, Rn. 27), vom 17. Juli 1997, GT‑Link (C‑242/95, EU:C:1997:376, Rn. 53), und vom 18. Juni 1998, Corsica Ferries France (C‑266/96, EU:C:1998:306, Rn. 45).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref44" name="Footnote44">44</a><sup/>      Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache Farrell (C‑413/15, EU:C:2017:492, Nr. 90), sowie Urteil vom 16. September 2013, Colt Télécommunications France/Kommission (T‑79/10, EU:T:2013:463, Rn. 154).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref45" name="Footnote45">45</a><sup/>      Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 7. November 2018, Kommission/Ungarn (C‑171/17, EU:C:2018:881, Rn. 56 und 57), und vom 1. März 2017, SNCM/Kommission, (T‑454/13, EU:T:2017:134, Rn. 133, 134, 172, und 173).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref46" name="Footnote46">46</a><sup/>      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/54/EG (ABl. 2009, L 211, S. 55).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref47" name="Footnote47">47</a><sup/>      Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Szpunar in der Rechtssache Hiebler (C‑293/14, EU:C:2015:472, Nr. 61), sowie Urteil vom 12. Februar 2008, BUPA u. a./Kommission (T‑289/03, EU:T:2008:29, Rn. 172).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref48" name="Footnote48">48</a><sup/>      Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Ruiz-Jarabo Colomer in der Rechtssache Federutility u. a. (C‑265/08, EU:C:2009:640, Nrn. 54 und 55).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref49" name="Footnote49">49</a><sup/>      Falls notwendig unter Einbeziehung des Gerichtshofs gemäß Art. 267 AEUV.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref50" name="Footnote50">50</a><sup/>      Im Fall einer Nichtigkeitsklage gegen eine Entscheidung der Kommission in einer solchen Sache.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref51" name="Footnote51">51</a><sup/>      Urteil vom 20. Dezember 2017, Comunidad Autónoma del País Vasco u. a./Kommission (C‑66/16 P bis C‑69/16 P, EU:C:2017:999, Rn. 70 und die dort angeführte Rechtsprechung).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref52" name="Footnote52">52</a><sup/>      Ebd., Rn. 100, unter Bestätigung der Wertung des Gerichts.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref53" name="Footnote53">53</a><sup/>      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. Oktober 1997, Kommission/Frankreich (C‑159/94, EU:C:1997:501, Rn. 66).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref54" name="Footnote54">54</a><sup/>      Vgl. Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Beihilfevorschriften der Europäischen Union auf Ausgleichsleistungen für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (ABl. 2012, C 8, S. 4), Rn. 52.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref55" name="Footnote55">55</a><sup/>      Urteil vom 20. Dezember 2017, Comunidad Autónoma del País Vasco u. a./Kommission (C‑66/16 P bis C‑69/16 P, EU:C:2017:999, Rn. 73).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref56" name="Footnote56">56</a><sup/>      Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge des Generalanwalts Wathelet in der Rechtssache Comunidad Autónoma del País Vasco u. a./Kommission (C‑66/16 P bis C‑69/16 P, C‑70/16 P und C‑81/16 P, EU:C:2017:654, Nr. 112).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref57" name="Footnote57">57</a><sup/>      Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Szpunar in der Rechtssache Renerga (C‑238/17, EU:C:2018:571, Nrn. 28 bis 34).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref58" name="Footnote58">58</a><sup/>      Zur Bedeutung des zwingenden Charakters von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse vgl. allgemein de Hautecloque, A., Salerno, F. M., Suciu, S., „Services of General Economic Interest“, in: Hancher, L., de Hautecloque, A., Salerno, F. M. (Hrsg.), <i>State Aid and the Energy Sector</i>, Hart, 2018, S. 275 bis 277.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref59" name="Footnote59">59</a><sup/>      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. November 2018, Renerga (C‑238/17, EU:C:2018:905, Rn. 19 bis 29).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref60" name="Footnote60">60</a><sup/>      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. März 2017, SNCM/Kommission (T‑454/13, EU:T:2017:134, Rn. 241).</p>
|
175,042 | eugh-2019-01-17-c-13318 | {
"id": 2,
"name": "Europäischer Gerichtshof",
"slug": "eugh",
"city": null,
"state": 19,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": null
} | C-133/18 | 2019-01-17T00:00:00 | 2019-01-31T19:20:58 | 2019-01-31T19:20:58 | Schlussantrag des Generalanwalts | ECLI:EU:C:2019:37 | <p>Vorläufige Fassung</p>
<p class="C36Centre">SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS</p>
<p class="C36Centre">GERARD WILLIAM HOGAN</p>
<p class="C36Centre">vom 17. Januar 2019(<a href="#Footnote1" name="Footref1">1</a>)</p>
<p class="C38Centregrasgrandespacement">
<b>Rechtssache C</b>‑<b>133/18</b>
</p>
<p class="C37Centregras">
<b>Sea Chefs Cruise Services GmbH</b>
</p>
<p class="C37Centregras">
<b>gegen</b>
</p>
<p class="C37Centregras">
<b>Ministre de l’Action et des Comptes publics</b>
</p>
<p class="C39Centreespacement">(Vorabentscheidungsersuchen des Tribunal administratif de Montreuil [Verwaltungsgericht Montreuil, Frankreich])</p>
<p class="C71Indicateur">„Vorlage zur Vorabentscheidung – Mehrwertsteuer – Richtlinie 2006/112/EG – Art. 171 – Erstattung der Mehrwertsteuer – Richtlinie 2008/9/EG – Art. 20 – Anforderung zusätzlicher Informationen durch den Mitgliedstaat der Erstattung – Informationen, die dem Mitgliedstaat der Erstattung innerhalb eines Monats ab Eingang des Informationsersuchens bei dessen Adressaten vorzulegen sind – Rechtsnatur der Frist und Folgen der Nichteinhaltung“</p>
<br/>
<br/>
<br/>
<br/>
<p class="C02AlineaAltA">
<br/>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point1">1.</a>        Wenn ein Steuerpflichtiger es versäumt, innerhalb der einmonatigen Frist, die in der Richtlinie 2008/9/EG des Rates vom 12. Februar 2008 zur Regelung der Erstattung der Mehrwertsteuer gemäß der Richtlinie 2006/112/EG an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige(<a href="#Footnote2" name="Footref2">2</a>) vorgesehen ist, ein Ersuchen der zuständigen Steuerbehörden um zusätzliche Informationen zu beantworten, bedeutet dies, dass dadurch sein Anspruch auf ein Mehrwertsteuerguthaben automatisch erloschen ist? Darum geht es im Wesentlichen im vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point2">2.</a>        Dieses Vorabentscheidungsersuchen betrifft infolgedessen die Auslegung von Art. 20 Abs. 2 der Richtlinie 2008/9. Es ergeht in einem Rechtsstreit zwischen der Sea Chefs Cruise Services GmbH (im Folgenden: Sea Chefs), einer Gesellschaft mit Sitz in Deutschland, und dem Ministre de l’Action et des Comptes publics (Minister für staatliches Handeln und öffentliche Haushalte, Frankreich) vor dem Tribunal administratif de Montreuil (Verwaltungsgericht Montreuil, Frankreich) über den Bescheid dieses Ministeriums, mit dem der Antrag von Sea Chefs auf Erstattung eines von ihr für die Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2014 beanspruchten Mehrwertsteuerguthabens zurückgewiesen wurde.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point3">3.</a>        Mit seiner Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen klären, ob die in Art. 20 Abs. 2 der Richtlinie 2008/9 vorgesehene Frist von einem Monat für die Vorlage von Informationen eine Ausschlussfrist darstellt, deren Nichteinhaltung zum Erlöschen des Erstattungsanspruchs führt, oder ob diese Bestimmung dahin auszulegen ist, dass Mängel eines Antrags auf Mehrwertsteuererstattung behoben werden können, indem im Rahmen eines Einspruchsverfahrens nach Art. 23 der Richtlinie Nachweise beigebracht werden.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point4">4.</a>        Bevor ich mich mit diesen Fragen befasse, sind jedoch zunächst die maßgebenden Rechtsvorschriften anzuführen.</p>
<p class="C21Titrenumerote1">I.      <b>Rechtlicher Rahmen</b>
</p>
<p class="C22Titrenumerote2">A.      <b>Unionsrecht</b>
</p>
<p class="C23Titrenumerote3">1.      <b>Richtlinie 2006/112</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point5">5.</a>        Art. 169 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem(<a href="#Footnote3" name="Footref3">3</a>) in der Fassung der Richtlinie 2008/8/EG des Rates vom 12. Februar 2008(<a href="#Footnote4" name="Footref4">4</a>) bestimmt:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„Über den Vorsteuerabzug nach Artikel 168 hinaus hat der Steuerpflichtige das Recht, die in jenem Artikel genannte Mehrwertsteuer abzuziehen, soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke folgender Umsätze verwendet werden:</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">a)      für seine Umsätze, die sich aus den in Artikel 9 Absatz 1 Unterabsatz 2 genannten Tätigkeiten ergeben, die außerhalb des Mitgliedstaats, in dem diese Steuer geschuldet oder entrichtet wird, bewirkt werden und für die das Recht auf Vorsteuerabzug bestünde, wenn sie in diesem Mitgliedstaat bewirkt worden wären;</p>
<p class="C10Marge1">…“</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point6">6.</a>        Art. 170 der Richtlinie 2006/112 sieht vor:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„Jeder Steuerpflichtige, der im Sinne des Artikels 1 der Richtlinie 86/560/EWG, des Artikels 2 Nummer 1 und des Artikels 3 der Richtlinie 2008/9/EG und des Artikels 171 der vorliegenden Richtlinie nicht in dem Mitgliedstaat ansässig ist, in dem er die Gegenstände und Dienstleistungen erwirbt oder mit der Mehrwertsteuer belastete Gegenstände einführt, hat Anspruch auf Erstattung dieser Mehrwertsteuer, soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke folgender Umsätze verwendet werden:</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">a)      die in Artikel 169 genannten Umsätze;</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">b)      die Umsätze, bei denen die Steuer nach den Artikeln 194 bis 197 und 199 lediglich vom Empfänger geschuldet wird.“</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point7">7.</a>        Art. 171 der Richtlinie 2006/112 bestimmt: </p>
<p class="C02AlineaAltA">„(1)      Die Erstattung der Mehrwertsteuer an Steuerpflichtige, die nicht in dem Mitgliedstaat, in dem sie die Gegenstände und Dienstleistungen erwerben oder mit der Mehrwertsteuer belastete Gegenstände einführen, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind, erfolgt nach dem in der Richtlinie 2008/9/EG vorgesehenen Verfahren.</p>
<p class="C02AlineaAltA">…“</p>
<p class="C23Titrenumerote3">2.      <b>Richtlinie 2008/9</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point8">8.</a>        Art. 7 der Richtlinie 2008/9 lautet:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„Um eine Erstattung von Mehrwertsteuer im Mitgliedstaat der Erstattung zu erhalten, muss der nicht im Mitgliedstaat der Erstattung ansässige Steuerpflichtige einen elektronischen Erstattungsantrag an diesen Mitgliedstaat richten und diesen in dem Mitgliedstaat, in dem er ansässig ist, über das von letzterem Mitgliedstaat eingerichtete elektronische Portal einreichen.“</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point9">9.</a>        Art. 8 der Richtlinie 2008/9 lautet:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„(1)      Der Erstattungsantrag muss die folgenden Angaben enthalten:</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">a)      Name und vollständige Anschrift des Antragstellers;</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">b)      eine Adresse für die elektronische Kommunikation;</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">c)      eine Beschreibung der Geschäftstätigkeit des Antragstellers, für die die Gegenstände und Dienstleistungen erworben werden;</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">d)      der Erstattungszeitraum, auf den sich der Antrag bezieht;</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">e)      eine Erklärung des Antragstellers, dass er während des Erstattungszeitraums keine Lieferungen von Gegenständen bewirkt und Dienstleistungen erbracht hat, die als im Mitgliedstaat der Erstattung bewirkt gelten, mit Ausnahme der Umsätze gemäß Artikel 3 Buchstabe b Ziffern i und ii;</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">f)      die Mehrwertsteuer‑Identifikationsnummer oder Steuerregisternummer des Antragstellers;</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">g)      seine Bankverbindung (inklusive IBAN und BIC).</p>
<p class="C02AlineaAltA">(2)      Neben den in Absatz 1 genannten Angaben sind in dem Erstattungsantrag für jeden Mitgliedstaat der Erstattung und für jede Rechnung oder jedes Einfuhrdokument folgende Angaben zu machen:</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">a)      Name und vollständige Anschrift des Lieferers oder Dienstleistungserbringers;</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">b)      außer im Falle der Einfuhr die Mehrwertsteuer‑Identifikationsnummer des Lieferers oder Dienstleistungserbringers oder die ihm vom Mitgliedstaat der Erstattung zugeteilte Steuerregisternummer im Sinne der Artikel 239 und 240 der Richtlinie 2006/112/EG;</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">c)      außer im Falle der Einfuhr das Präfix des Mitgliedstaats der Erstattung im Sinne des Artikels 215 der Richtlinie 2006/112/EG;</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">d)      Datum und Nummer der Rechnung oder des Einfuhrdokuments;</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">e)      Steuerbemessungsgrundlage und Mehrwertsteuerbetrag in der Währung des Mitgliedstaats der Erstattung;</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">f)      gemäß Artikel 5 und Artikel 6 Absatz 2 berechneter Betrag der abziehbaren Mehrwertsteuer in der Währung des Mitgliedstaats der Erstattung;</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">g)      gegebenenfalls der nach Artikel 6 berechnete und als Prozentsatz ausgedrückte Pro-rata-Satz des Vorsteuerabzugs;</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">h)      Art der erworbenen Gegenstände und Dienstleistungen aufschlüsselt nach den Kennziffern gemäß Artikel 9.“</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point10">10.</a>      Art.15 der Richtlinie 2008/9 sieht vor:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„Der Erstattungsantrag muss dem Mitgliedstaat, in dem der Steuerpflichtige ansässig ist, spätestens am 30. September des auf den Erstattungszeitraum folgenden Kalenderjahres vorliegen. Der Erstattungsantrag gilt nur dann als vorgelegt, wenn der Antragsteller alle in den Artikeln 8, 9 und 11 geforderten Angaben gemacht hat.</p>
<p class="C02AlineaAltA">…“</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point11">11.</a>      Art. 20 der Richtlinie 2008/9 bestimmt:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„(1)      Ist der Mitgliedstaat der Erstattung der Auffassung, dass er nicht über alle relevanten Informationen für die Entscheidung über eine vollständige oder teilweise Erstattung verfügt, kann er insbesondere beim Antragsteller oder bei den zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, in dem der Antragsteller ansässig ist, innerhalb des in Artikel 19 Absatz 2 genannten Viermonatszeitraums elektronisch zusätzliche Informationen anfordern. Werden die zusätzlichen Informationen bei einer anderen Person als dem Antragsteller oder der zuständigen Behörde eines Mitgliedstaats angefordert, soll das Ersuchen nur auf elektronischem Wege ergehen, wenn der Empfänger des Ersuchens über solche Mittel verfügt.</p>
<p class="C02AlineaAltA">Gegebenenfalls kann der Mitgliedstaat der Erstattung weitere zusätzliche Informationen anfordern.</p>
<p class="C02AlineaAltA">Die gemäß diesem Absatz angeforderten Informationen können die Einreichung des Originals oder eine Durchschrift der einschlägigen Rechnung oder des einschlägigen Einfuhrdokuments umfassen, wenn der Mitgliedstaat der Erstattung begründete Zweifel am Bestehen einer bestimmten Forderung hat. In diesem Fall gelten die in Artikel 10 genannten Schwellenwerte nicht.</p>
<p class="C02AlineaAltA">(2)      Die gemäß Absatz 1 angeforderten Informationen sind dem Mitgliedstaat der Erstattung innerhalb eines Monats ab Eingang des Informationsersuchens bei dessen Adressaten vorzulegen.“</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point12">12.</a>      In Art. 21 der Richtlinie 2008/9 heißt es:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„Fordert der Mitgliedstaat der Erstattung zusätzliche Informationen an, so teilt er dem Antragsteller innerhalb von zwei Monaten ab Eingang der angeforderten Informationen ... oder, falls er keine Antwort auf sein Ersuchen erhalten hat, binnen zwei Monaten nach Ablauf der Frist nach Artikel 20 Absatz 2 mit, ob er die Erstattung gewährt oder den Erstattungsantrag abweist. …</p>
<p class="C02AlineaAltA">…“</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point13">13.</a>      Art. 23 der Richtlinie 2008/9 sieht vor:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„(1)      Wird der Erstattungsantrag ganz oder teilweise abgewiesen, so teilt der Mitgliedstaat der Erstattung dem Antragsteller gleichzeitig mit seiner Entscheidung die Gründe für die Ablehnung mit.</p>
<p class="C02AlineaAltA">(2)      Der Antragsteller kann bei den zuständigen Behörden des Mitgliedstaats der Erstattung Einspruch gegen eine Entscheidung, einen Erstattungsantrag abzuweisen, einlegen, und zwar in den Formen und binnen der Fristen, die für Einsprüche bei Erstattungsanträgen der in diesem Mitgliedstaat ansässigen Personen vorgesehen sind.</p>
<p class="C02AlineaAltA">…“</p>
<p class="C22Titrenumerote2">B.      <b>Nationales Recht</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point14">14.</a>      Art. 242‑0 W in Anhang II des Code général des impôts (Allgemeines Steuergesetzbuch), mit dem der oben angeführte Art. 20 der Richtlinie 2008/9 umgesetzt wird, bestimmt:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„I. – Die Steuerbehörde kann auf elektronischem Wege … insbesondere beim Antragsteller oder bei den zuständigen Behörden des Mitgliedstaats der Europäischen Union, in dem er ansässig ist, zusätzliche Informationen anfordern, wenn sie der Auffassung ist, dass sie nicht über alle für die Entscheidung über den gesamten vom Antragsteller eingereichten Erstattungsantrag oder über einen Teil dieses Antrags erforderlichen Informationen verfügt. Werden die zusätzlichen Informationen bei einer anderen Person als dem Antragsteller oder der zuständigen Behörde eines Mitgliedstaats angefordert, soll das Ersuchen nur auf elektronischem Wege ergehen, wenn der Empfänger des Ersuchens über solche Mittel verfügt. Gegebenenfalls kann die Steuerbehörde neue zusätzliche Informationen anfordern. Im Rahmen dieser Ersuchen kann die Steuerbehörde vom Antragsteller die Einreichung des Originals einer Rechnung oder eines Einfuhrdokuments anfordern, wenn sie begründete Zweifel am Bestehen einer bestimmten Forderung oder an ihrer Höhe hat. Das Ersuchen kann sich auf alle Umsätze beziehen, ungeachtet ihrer Höhe.</p>
<p class="C02AlineaAltA">II. – Die gemäß Abs. 1 angeforderten zusätzlichen Informationen sind innerhalb eines Monats ab Eingang des Informationsersuchens bei dessen Adressaten vorzulegen.“</p>
<p class="C21Titrenumerote1">II.    <b>Ausgangsverfahren und Vorlagefragen</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point15">15.</a>      Am 17. September 2015 beantragte Sea Chefs bei den französischen Steuerbehörden für den Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Dezember 2014 die Erstattung eines Mehrwertsteuerguthabens in Höhe von 40 054,31 Euro. Im Ausgangsverfahren wurde die Forderung auf 32 143,47 Euro beschränkt.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point16">16.</a>      Mit Bescheid vom 29. Januar 2016 wurde der Antrag von Sea Chefs in vollem Umfang zurückgewiesen, weil sie die ihr von den französischen Steuerbehörden mit E‑Mail vom 14. Dezember 2015 übermittelte Anforderung zusätzlicher Informationen nicht beantwortet habe.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point17">17.</a>      Mit einer Klageschrift und einem Schriftsatz, die am 7. April 2016 und am 2. Januar 2017 in das Register eingetragen wurden, hat Sea Chefs vor dem Tribunal administratif de Montreuil (Verwaltungsgericht Montreuil) u. a. Klage auf Erstattung eines Mehrwertsteuerguthabens in Höhe von 32 143,47 Euro für den in Rede stehenden Zeitraum erhoben.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point18">18.</a>      Mit Schriftsätzen vom 24. Oktober 2016 und vom 28. Dezember 2017 hat der Direktor der Steuerdirektion für Nicht-Gebietsansässige beantragt, die Klage als unzulässig abzuweisen. Die in Art. 20 Abs. 2 der Richtlinie 2008/9 aufgestellte und durch den letzten Absatz von Art. 242‑0 W in Anhang II des Code général des impôts in nationales Recht umgesetzte Beantwortungsfrist sei nicht eingehalten worden. Die Nichteinhaltung der einmonatigen Beantwortungsfrist führe dazu, dass der Antrag verfristet sei. Es sei nicht möglich, Mängel eines Antrags auf Mehrwertsteuererstattung vor dem Finanzgericht durch die Beibringung von Nachweisen für den Erstattungsanspruch zu beheben.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point19">19.</a>      Mit Urteil vom 27. Juni 2017 beschloss das Tribunal administratif de Montreuil (Verwaltungsgericht Montreuil), die Entscheidung über die Klage der Sea Chefs auszusetzen, dem Conseil d’État (Staatsrat, Frankreich) gemäß Art. L. 113‑1 des Code de justice administrative (Verwaltungsgerichtsordnung) die Akte der Rechtssache zu übermitteln und ihm eine Reihe von Fragen vorzulegen.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point20">20.</a>      Der Conseil d’État (Staatsrat) entschied über diese Fragen mit Avis contentieux (Gutachten in Streitsachen) Nr. 412053 vom 18. Oktober 2017.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point21">21.</a>      Das Tribunal administratif de Montreuil (Verwaltungsgericht Montreuil) führt u. a. aus, wenn die französischen Steuerbehörden nicht über alle Informationen verfügten, um sich zu vergewissern, dass der nicht in Frankreich ansässige Steuerpflichtige die Voraussetzungen für den Anspruch auf Erstattung der Mehrwertsteuer auf ihm in Frankreich gelieferte Gegenstände oder erbrachte Dienstleistungen erfülle, könnten sie von ihm auf elektronischem Wege Informationen anfordern. Der Steuerpflichtige müsse die Informationen innerhalb eines Monats ab Eingang des Informationsersuchens vorlegen.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point22">22.</a>      Das vorlegende Gericht führt ferner aus, zur Gewährleistung der Wirksamkeit des Mehrwertsteuersystems seien in der Richtlinie 2008/9 Fristen vorgesehen, um die zügige Bearbeitung der Erstattungsanträge zu ermöglichen. Sie müssten von den Antragstellern eingehalten werden. Allerdings regele weder die Richtlinie 2008/9 noch eine nationale Bestimmung, welche Folgen die Nichteinhaltung der Beantwortungsfrist für den Anspruch auf Mehrwertsteuererstattung habe. Insbesondere gebe es keine Rechtsvorschrift, aus der klar hervorgehe, ob der Steuerpflichtige die Möglichkeit habe, Mängel seines Antrags im gerichtlichen Verfahren zu beheben, oder ob sein Antrag präkludiert sei.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point23">23.</a>      Sea Chefs hat vor dem Tribunal administratif de Montreuil (Verwaltungsgericht Montreuil) vorgebracht, im Kontext eines Vorgehens nach Art. 23 der Richtlinie 2008/9 verstoße es gegen den unionsrechtlich gewährleisteten Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer, ihr die Behebung von Mängeln unmöglich zu machen. Die Neutralität der Mehrwertsteuer werde durch einen Anspruch auf vollständigen Abzug sichergestellt, der ein tragender Grundsatz im Bereich der Mehrwertsteuer sei und das Recht auf einen gerichtlichen Rechtsbehelf einschließe.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point24">24.</a>      Ferner verstoße das Fehlen einer Möglichkeit, Mängel ihres Antrags auf Mehrwertsteuererstattung vor Gericht zu beseitigen, gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mehrwertsteuer. Die Steuerbehörden müssten zwar sicherstellen, dass ein Steuerpflichtiger seinen Verpflichtungen in Bezug auf die Angabe und Zahlung der Mehrwertsteuer nachkomme, und könnten weitere Pflichten auferlegen, damit die Mehrwertsteuer korrekt erhoben und Steuerhinterziehung vermieden werde; sie dürften jedoch nicht über das zur Erreichung dieser Ziele erforderliche Maß hinausgehen.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point25">25.</a>      Das Tribunal administratif de Montreuil (Verwaltungsgericht Montreuil) führt aus, die Frage der Vereinbarkeit der in Rede stehenden Ausschlussvorschrift mit den Grundsätzen der Neutralität und der Verhältnismäßigkeit sei von entscheidender Bedeutung für den von ihm zu entscheidenden Rechtsstreit und werfe ernste Schwierigkeiten auf.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point26">26.</a>      Unter diesen Umständen hat das Tribunal administratif de Montreuil (Verwaltungsgericht Montreuil) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:</p>
<p class="C02AlineaAltA">Sind die Bestimmungen von Art. 20 Abs. 2 der Richtlinie 2008/9/EG des Rates vom 12. Februar 2008 dahin auszulegen, dass mit ihnen eine Ausschlussvorschrift geschaffen wird, die bedeutet, dass ein Steuerpflichtiger eines Mitgliedstaats, der von einem Mitgliedstaat, in dem er nicht ansässig ist, die Erstattung der Mehrwertsteuer verlangt, Mängel seines Erstattungsantrags nicht vor dem zuständigen Richter beheben kann, wenn er die Frist für die Beantwortung eines Auskunftsersuchens der Verwaltung nach den Bestimmungen von Abs. 1 dieses Artikels nicht eingehalten hat, oder vielmehr dahin, dass der Steuerpflichtige im Rahmen des in Art. 23 der Richtlinie vorgesehenen Einspruchsrechts und im Hinblick auf die Grundsätze der Neutralität und der Verhältnismäßigkeit der Mehrwertsteuer Mängel seines Antrags vor dem zuständigen Richter beheben kann?</p>
<p class="C21Titrenumerote1">III. <b>Verfahren vor dem Gerichtshof</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point27">27.</a>      Sea Chefs, die französische und die spanische Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Am Ende des schriftlichen Verfahrens ist der Gerichtshof zu dem Ergebnis gekommen, dass er ausreichend unterrichtet ist, um gemäß Art. 76 Abs. 2 seiner Verfahrensordnung ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden.</p>
<p class="C21Titrenumerote1">IV.    <b>Analyse</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point28">28.</a>      Die Richtlinie 2008/9 soll nach ihrem Art. 1 die Einzelheiten der Erstattung der Mehrwertsteuer gemäß Art. 170 der Richtlinie 2006/112 an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung ansässige Steuerpflichtige regeln, die die Voraussetzungen von Art. 3 der Richtlinie 2008/9 erfüllen. Der Anspruch eines in einem Mitgliedstaat niedergelassenen Steuerpflichtigen auf die in der Richtlinie 2008/9 geregelte Erstattung der in einem anderen Mitgliedstaat entrichteten Mehrwertsteuer entspricht seinem durch die Richtlinie 2006/112 geschaffenen Anspruch auf Abzug der in seinem eigenen Mitgliedstaat entrichteten Vorsteuer(<a href="#Footnote5" name="Footref5">5</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point29">29.</a>      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist das Recht der Steuerpflichtigen, von der von ihnen geschuldeten Mehrwertsteuer die Mehrwertsteuer abzuziehen, die bereits als Vorsteuer die von ihnen erworbenen Gegenstände und empfangenen Dienstleistungen belastet hat, ein fundamentaler Grundsatz des durch das Unionsrecht geschaffenen gemeinsamen Mehrwertsteuersystems. Durch die Regelung des Vorsteuerabzugs – und damit auch der Erstattungen – soll der Unternehmer nämlich vollständig von der im Rahmen seiner gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlastet werden. Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem gewährleistet auf diese Weise die Neutralität hinsichtlich der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten unabhängig von ihrem Zweck oder ihrem Ergebnis, sofern diese Tätigkeiten selbst grundsätzlich der Mehrwertsteuer unterliegen. Das Recht auf Vorsteuerabzug unterliegt jedoch der Einhaltung sowohl materieller als auch formeller Anforderungen oder Bedingungen(<a href="#Footnote6" name="Footref6">6</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point30">30.</a>      Ungeachtet der in der Rechtsprechung des Gerichtshofs zwischen dem Anspruch auf Vorsteuerabzug und dem Anspruch auf Erstattung der Mehrwertsteuer gezogenen Parallelen sind die Bestimmungen in der Richtlinie 2008/9 über die Informationen, die ein Erstattungsantrag enthalten muss(<a href="#Footnote7" name="Footref7">7</a>), und die Fristen für die Einreichung eines Erstattungsantrags(<a href="#Footnote8" name="Footref8">8</a>) sehr viel detaillierter als die Bestimmungen für den Vorsteuerabzug in der Richtlinie 2006/112(<a href="#Footnote9" name="Footref9">9</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point31">31.</a>      Beispielsweise enthält die Richtlinie 2006/112 keine Frist für den Vorsteuerabzug. In seinem Urteil vom 28. Juli 2016, Astone(<a href="#Footnote10" name="Footref10">10</a>), hat der Gerichtshof gleichwohl festgestellt, dass die Art. 167, 168, 178, 179 Abs. 1, 180 und 182 der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung, die für die Ausübung des Abzugsrechts eine Ausschlussfrist vorsieht, nicht entgegenstehen, sofern die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität beachtet werden, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist. Zudem hat er in seinen Urteilen vom 8. Mai 2008, Ecotrade(<a href="#Footnote11" name="Footref11">11</a>), und vom 12. Juli 2012, EMS-Bulgaria Transport(<a href="#Footnote12" name="Footref12">12</a>), ausgeführt, dass die Möglichkeit, das Abzugsrecht ohne jede zeitliche Beschränkung auszuüben, dem Grundsatz der Rechtssicherheit zuwiderliefe, der verlangt, dass die steuerliche Lage des Steuerpflichtigen in Anbetracht seiner Rechte und Pflichten gegenüber der Steuerverwaltung nicht unbegrenzt lange offenbleiben kann.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point32">32.</a>      Die Richtlinie 2008/9 enthält dagegen eine Reihe von Fristen für das Verfahren zur Einreichung eines Antrags und für die Erstattung der Mehrwertsteuer. Dazu hat der Gerichtshof in seinem Urteil vom 21. Juni 2012, Elsacom(<a href="#Footnote13" name="Footref13">13</a>), festgestellt, dass Art. 15 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2008/9 eine Ausschlussfrist für die Einreichung eines Antrags auf Mehrwertsteuererstattung vorsieht und dass die Nichteinhaltung dieser Frist zum Erlöschen des Erstattungsanspruchs führt.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point33">33.</a>      Der Gerichtshof hat dazu ausgeführt, dass die Verwendung der Begriffe „no later than“ (spätestens) in Art. 7 Abs. 1 Unterabs. 1 der Achten Richtlinie 79/1072/EWG des Rates vom 6. Dezember 1979 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Verfahren zur Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Inland ansässige Steuerpflichtige(<a href="#Footnote14" name="Footref14">14</a>) bzw. „at the latest“ (spätestens) in Art. 15 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2008/9 deutlich macht, dass es sich um eine Ausschlussfrist handelt, und dass die Einreichung eines Antrags auf Mehrwertsteuererstattung nach Ablauf der betreffenden Fristen nicht mehr möglich ist.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point34">34.</a>      Nebenbei bemerkt hat der Gerichtshof jedoch in seinem Urteil vom 21. Juni 2012, Elsacom(<a href="#Footnote15" name="Footref15">15</a>), der imperativen Formulierung der fraglichen Bestimmungen kein Gewicht beigemessen.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point35">35.</a>      Anders als bei der Frist in Art. 15 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2008/9 geht aus dem Wortlaut von Art. 20 Abs. 2 der Richtlinie nicht klar hervor, ob es sich bei der dort festgelegten Frist von einem Monat um eine Ausschlussfrist handelt, denn er enthält keinen Begriff wie „spätestens“. Zwar heißt es in Art. 20 Abs. 2 der Richtlinie „sind … vorzulegen“, doch halte ich dies unter den konkreten Umständen nicht für ausschlaggebend.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point36">36.</a>      Mir scheint vielmehr die Tatsache, dass Art. 20 Abs. 2 der Richtlinie 2008/9, anders als ihr Art. 15 Abs. 1, keinen Begriff wie „spätestens“ enthält, bedeutsam und kein bloßer Zufall zu sein. Sein Fehlen ist ein klarer Hinweis darauf, dass der Unionsgesetzgeber in Art. 20 Abs. 2 keine Ausschlussfrist festlegen wollte(<a href="#Footnote16" name="Footref16">16</a>). In Anbetracht der grundlegenden Natur des Rechts auf Erstattung der Mehrwertsteuer im Kontext des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems und des Neutralitätsgrundsatzes, der für dieses System von zentraler Bedeutung ist, müssen Ausschlussfristen, die zum Erlöschen dieses Rechts führen, zwingend in klarer und eindeutiger Weise mit expliziten Worten in der Richtlinie selbst normiert werden.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point37">37.</a>      Ferner ist darauf hinzuweisen, dass der Mitgliedstaat, der über einen Erstattungsantrag zu entscheiden hat, nach Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie 2008/9 beim Antragsteller oder bei den zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, in dem der Antragsteller ansässig ist, oder auch bei Dritten zusätzliche Informationen anfordern kann. Art. 20 Abs. 2 der Richtlinie 2008/9 sieht gleichwohl eine einheitliche Frist von einem Monat für die Vorlage der angeforderten Informationen vor, unabhängig davon, von wem sie angefordert werden.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point38">38.</a>      Schon diese Tatsache ist meines Erachtens ein starkes Indiz dafür, dass die von den französischen Steuerbehörden vertretene Auslegung dieser Bestimmung(<a href="#Footnote17" name="Footref17">17</a>) nicht richtig sein kann. Wäre ihre Auslegung richtig, würde dies bedeuten, dass das Abzugsrecht des Steuerpflichtigen – obwohl es ein grundlegender Aspekt des gesamten Mehrwertsteuersystems ist – völlig von Handlungen Dritter abhinge, die nicht alle in der Lage sein dürften, die angeforderten Informationen innerhalb dieser relativ kurzen Frist vorzulegen. Es wäre daher schlicht unbillig, wenn das Versäumnis Dritter – etwa der Steuerbehörden des Mitgliedstaats, in dem der Steuerpflichtige ansässig ist –, angeforderte Informationen innerhalb der in Art. 20 Abs. 2 der Richtlinie vorgesehenen Frist vorzulegen, zum Erlöschen des Erstattungsanspruchs eines Steuerpflichtigen führen könnte.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point39">39.</a>      Dieses Ergebnis wird auch durch eine Erwägung in der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs bestätigt, mit der die Bedeutung des Rechts jeder Person auf eine gute Verwaltung(<a href="#Footnote18" name="Footref18">18</a>) und des durch Art. 47 der Charta gewährleisteten Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf(<a href="#Footnote19" name="Footref19">19</a>) hervorgehoben wird. In diesem Kontext sehe ich einen wesentlichen Aspekt des Rechts jeder Person auf eine gute Verwaltung und des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf darin, dass ein unionsrechtlich garantiertes materielles Recht nicht durch die Anwendung einer Frist, bei der es unter Umständen zu einer unbilligen oder willkürlichen Handhabung kommen kann, vereitelt oder ausgeschlossen werden kann. Dies wäre hier jedoch der Fall, wenn der Abzugsanspruch des Steuerpflichtigen automatisch verfristet wäre, nur weil ein <i>Anderer</i> es versäumt hat, ein Informationsersuchen innerhalb eines Monats zu beantworten.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point40">40.</a>      Ferner ist darauf hinzuweisen, dass Art. 21 Abs. 1 der Richtlinie 2008/9 eine Frist für den Mitgliedstaat der Erstattung enthält, innerhalb deren er – nach Eingang der gemäß Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie angeforderten Informationen oder falls er keine Antwort auf sein Ersuchen erhalten hat – dem Antragsteller mitteilen muss, ob er die Erstattung gewährt oder den Erstattungsantrag ablehnt. Man kann daher sagen, dass Art. 21 der Richtlinie 2008/9 es nicht ausschließt, dass der Mitgliedstaat eine Mehrwertsteuererstattung gewährt, obwohl der Antragsteller ein Ersuchen um zusätzliche Informationen unbeantwortet gelassen hat. Dies ist ein weiterer Beleg dafür, dass die Frist in Art. 20 Abs. 2 nicht als Ausschlussfrist in dem Sinne gedacht war, dass der Abzugsanspruch automatisch erlischt, wenn sie nicht eingehalten wird.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point41">41.</a>      Darüber hinaus ist in Art. 26 Abs. 2 der Richtlinie 2008/9 vorgesehen, dass der Mitgliedstaat der Erstattung dem Antragsteller, wenn dieser von dem Mitgliedstaat angeforderte zusätzliche Informationen nicht innerhalb der vorgesehenen Fristen vorlegt, keine Zinsen auf einen nach Ablauf der in Art. 22 Abs. 1 der Richtlinie 2008/9 genannten Zahlungsfrist erstatteten Betrag schuldet. Art. 26 Abs. 2 der Richtlinie 2008/9 beruht somit eindeutig auf der Prämisse, dass die Nichteinhaltung der Frist für die Vorlage zusätzlicher Informationen in Art. 20 Abs. 2 nicht zum Erlöschen des Anspruchs auf Erstattung der Mehrwertsteuer führt.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point42">42.</a>      Aus all diesen Gründen erscheint mir der Schluss zwingend, dass die in Art. 20 Abs. 2 der Richtlinie 2008/9 festgelegte Frist keine Ausschlussfrist in dem Sinne ist, in dem sie im vorliegenden Fall von den französischen Steuerbehörden angewandt wurde. Auch wenn die Frist in Art. 20 Abs. 2 der Richtlinie 2008/9 keine Ausschlussfrist ist, bleibt ihre Nichteinhaltung gleichwohl nicht ohne Folgen.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point43">43.</a>      Erstens muss der Mitgliedstaat der Erstattung gemäß Art. 21 Abs. 1 der Richtlinie 2008/9, falls er keine Antwort auf sein Ersuchen um zusätzliche Informationen erhalten hat, dem Antragsteller binnen zwei Monaten nach Ablauf der Frist nach Art. 20 Abs. 2 mitteilen, ob er die Erstattung gewährt oder den Erstattungsantrag ablehnt. Das Unterbleiben einer Antwort führt daher grundsätzlich zum Erlass einer Entscheidung über den Erstattungsantrag, gegen die der Antragsteller sodann nach Art. 23 Abs. 2 der Richtlinie 2008/9 Einspruch einlegen kann.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point44">44.</a>      Art. 23 Abs. 2 der Richtlinie 2008/9 enthält keine detaillierten Bestimmungen über das darin vorgesehene Einspruchsrecht. Mangels näherer, den Anforderungen sowohl der Äquivalenz als auch der Effektivität unterliegender Angaben oder Beschränkungen richtet sich der Umfang des Einspruchs nach dem nationalen Verfahrensrecht. Daraus folgt, dass grundsätzlich zumindest Rechtsbehelfe vor einer Verwaltungsbehörde und/oder einem Gericht möglich sind, und zwar unter rechtlichen und tatsächlichen Aspekten.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point45">45.</a>      Da meines Erachtens die Frist in Art. 20 Abs. 2 keine Ausschlussfrist ist und der Antragsteller seinen Anspruch auf eine Mehrwertsteuererstattung nicht dadurch verliert, dass er einem Ersuchen um weitere Informationen nicht innerhalb der vorgesehenen Frist nachkommt, kann er die zuvor vom Mitgliedstaat der Erstattung angeforderten zusätzlichen Informationen im Rahmen des Einspruchsverfahrens zur Behebung von Mängeln seines Erstattungsantrags vorlegen.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point46">46.</a>      Um sicherzustellen, dass von dieser Befugnis nicht systematisch Gebrauch gemacht wird und dass die Frist in Art. 20 Abs. 2 der Richtlinie 2008/9 gleichwohl eingehalten wird, ist der Mitgliedstaat der Erstattung meines Erachtens – wiederum vorbehaltlich der Wahrung der Grundsätze der Effektivität und der Äquivalenz – berechtigt, aber nicht verpflichtet, anzuordnen, dass der Antragsteller die Kosten des Einspruchsverfahrens zu tragen hat, die sich daraus ergeben, dass er die zusätzlichen Informationen nicht innerhalb der in dieser Vorschrift vorgesehenen Frist vorgelegt hat.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point47">47.</a>      Zweitens kann, wie oben in Nr. 41 dargelegt, die nicht rechtzeitige Beantwortung eines Ersuchens um zusätzliche Informationen nach Art. 26 der Richtlinie 2008/9 Auswirkungen auf die dem Antragsteller bei verspäteter Erstattung der Mehrwertsteuer zu zahlenden Zinsen haben.</p>
<p class="C21Titrenumerote1">V.      <b>Ergebnis</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point48">48.</a>      In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die Frage des Tribunal administratif de Montreuil (Verwaltungsgericht Montreuil, Frankreich) wie folgt zu beantworten:</p>
<p class="C02AlineaAltA">Art. 20 Abs. 2 der Richtlinie 2008/9/EG des Rates vom 12. Februar 2008 zur Regelung der Erstattung der Mehrwertsteuer gemäß der Richtlinie 2006/112/EG an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige ist dahin auszulegen, dass mit ihm keine Ausschlussfrist geschaffen wird, deren Nichteinhaltung zum automatischen Verlust des Anspruchs auf Erstattung der Mehrwertsteuer durch einen Mitgliedstaat führt. Ein Steuerpflichtiger kann daher Mängel seines Antrags auf Mehrwertsteuererstattung beheben, indem er im Rahmen eines Einspruchsverfahrens nach Art. 23 der Richtlinie Nachweise beibringt.</p>
<hr/>
<p class="C40FootnoteLangue">
<a href="#Footref1" name="Footnote1">1</a>      Originalsprache: Englisch.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref2" name="Footnote2">2</a>      ABl. 2008, L 44, S. 23. </p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref3" name="Footnote3">3</a>      ABl. 2006, L 347, S. 1. </p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref4" name="Footnote4">4</a>      ABl. 2008, L 44, S. 1. </p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref5" name="Footnote5">5</a>      Urteil vom 21. März 2018,<i/>Volkswagen (C‑533/16, EU:C:2018:204, Rn. 34 und 36 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref6" name="Footnote6">6</a>      Urteil vom 21. März 2018, Volkswagen (C‑533/16, EU:C:2018:204, Rn. 37 bis 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref7" name="Footnote7">7</a>      Vgl. Art. 8 der Richtlinie 2008/9. Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Unterlagen ergibt sich, dass Sea Chefs den Antrag auf Mehrwertsteuererstattung offenbar innerhalb der Frist des Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie einreichte. Zudem gibt es, vorbehaltlich der Nachprüfung durch das vorlegende Gericht, in den dem Gerichtshof vorliegenden Unterlagen keinen Anhaltspunkt dafür, dass Sea Chefs die nationalen Rechtsvorschriften zur Umsetzung des Art. 8 der Richtlinie 2008/9 nicht eingehalten hätte; Sea Chefs hatte somit einen gültigen und vollständigen Antrag auf Mehrwertsteuererstattung eingereicht. Zudem gibt es keine Anhaltspunkte für Betrug oder Rechtsmissbrauch.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref8" name="Footnote8">8</a>      Vgl. Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2008/9. </p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref9" name="Footnote9">9</a>      Vgl. Art. 178 der Richtlinie 2006/112 zu den Bedingungen für die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref10" name="Footnote10">10</a>      C‑332/15, EU:C:2016:614, Rn. 39. </p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref11" name="Footnote11">11</a>      C‑95/07 und C‑96/07, EU:C:2008:267, Rn. 44.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref12" name="Footnote12">12</a>      C‑284/11, EU:C:2012:458, Rn. 48.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref13" name="Footnote13">13</a>      C‑294/11, EU:C:2012:382, Rn. 26 und 33. </p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref14" name="Footnote14">14</a>      ABl. 1979, L 331, S. 11.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref15" name="Footnote15">15</a>      C‑294/11, EU:C:2012:382, Rn. 26 und 33. </p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref16" name="Footnote16">16</a>      Eine solche Vorgehensweise stünde auch im Einklang mit der Vorgehensweise des europäischen Gesetzgebers bei den Verfahren für den Vorsteuerabzug und mit dem Fehlen einer spezifischen Frist für die Einreichung eines Abzugsantrags in der Richtlinie 2006/112.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref17" name="Footnote17">17</a>      Siehe oben, Nr. 18. </p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref18" name="Footnote18">18</a>      Vgl. entsprechend Art. 41 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta), der u. a. die Organe der Union bindet. Art. 41 der Charta bindet zwar nicht die Behörden der Mitgliedstaaten; sie unterliegen aber bei der Umsetzung von Unionsrecht der in diesem Artikel der Charta verankerten Pflicht zu guter Verwaltung, da er einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts widerspiegelt. Vgl. Urteil vom 8. Mai 2014, N. (C‑604/12, EU:C:2014:302, Rn. 49 und 50). </p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref19" name="Footnote19">19</a>      Vgl. entsprechend Urteil vom 19. September 2018, C.E. und N.E. (C‑325/18 PPU und C‑375/18 PPU, EU:C:2018:739, Rn. 82). Zum Einspruchsrecht nach Art. 23 Abs. 2 der Richtlinie 2008/9 siehe unten, Nrn. 44 bis 46.</p>
|
175,041 | eugh-2019-01-17-c-63717 | {
"id": 2,
"name": "Europäischer Gerichtshof",
"slug": "eugh",
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"state": 19,
"jurisdiction": null,
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} | C-637/17 | 2019-01-17T00:00:00 | 2019-01-31T19:20:57 | 2019-01-31T19:20:57 | Schlussantrag des Generalanwalts | ECLI:EU:C:2019:32 | <p>Vorläufige Fassung</p>
<p class="C36Centre">SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN</p>
<p class="C36Centre">JULIANE KOKOTT</p>
<p class="C36Centre">vom 17. Januar 2019(<a href="#Footnote1" name="Footref1">1</a>)</p>
<p class="C38Centregrasgrandespacement">
<b>Rechtssache C</b>‑<b>637/17</b>
</p>
<p class="C37Centregras">
<b>Cogeco Communications Inc</b>
</p>
<p class="C37Centregras">
<b>gegen</b>
</p>
<p class="C37Centregras">Sport TV Portugal, SA,</p>
<p class="C37Centregras">Controlinveste-SGPS, SA </p>
<p class="C37Centregras">und</p>
<p class="C37Centregras">NOS-SGPS, SA</p>
<p class="C39Centreespacement">(Vorabentscheidungsersuchen des Tribunal Judicial da Comarca de Lisboa [Kreisgericht Lissabon, Portugal])</p>
<p class="C71Indicateur">„Vorabentscheidungsersuchen – Wettbewerb – Private Durchsetzung – Richtlinie 2014/104/EU – Schadensersatzklagen nach nationalem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union (‚Kartellschadensersatz‘) – Verjährungsfristen für Schadensersatzklagen nach nationalem Recht – Beweiswert der Entscheidung einer nationalen Wettbewerbsbehörde im Schadensersatzprozess – Zeitliche Anwendbarkeit der Richtlinie auf Sachverhalte, die sich vor ihrem Inkrafttreten ereignet haben – Frist zur Umsetzung der Richtlinie“</p>
<br/>
<br/>
<br/>
<br/>
<p class="C02AlineaAltA">
<br/>
</p>
<p class="C21Titrenumerote1">I.      <b>Einleitung</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point1">1.</a>        Die private Durchsetzung der in den europäischen Verträgen enthaltenen Wettbewerbsregeln („private enforcement“) hat in den letzten Jahren als zweites Standbein neben der öffentlichen Durchsetzung („public enforcement“) mehr und mehr an Bedeutung gewonnen. Private Schadensersatzklagen der Opfer von wettbewerbswidrigen Geschäftspraktiken erfreuen sich zunehmender Beliebtheit und sind aus dem dezentralen System der Kartellrechtsdurchsetzung, wie es mit der Verordnung (EG) Nr. 1/2003(<a href="#Footnote2" name="Footref2">2</a>) ins Werk gesetzt wurde, heute nicht mehr wegzudenken(<a href="#Footnote3" name="Footref3">3</a>). Oft werden sie im Gefolge von Entscheidungen der zuständigen Wettbewerbsbehörden erhoben (als sogenannte „follow-on actions“), teilweise aber auch unabhängig davon (als sogenannte „stand-alone actions“).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point2">2.</a>        Im Detail harren freilich auch weiterhin viele Fragen einer Klärung, nicht zuletzt solche im Zusammenhang mit der neuen Kartellschadensersatzrichtlinie (Richtlinie 2014/104/EU(<a href="#Footnote4" name="Footref4">4</a>)), die den Gerichtshof im vorliegenden Fall zum ersten Mal beschäftigt.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point3">3.</a>        Der Gerichtshof ist aufgerufen, zu beurteilen, ob eine Verjährungsregelung wie die des portugiesischen Zivilrechts, die für private Schadensersatzklagen wegen missbräuchlicher Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung früher eine Verjährungsfrist von drei Jahren vorsah, mit den primärrechtlichen und sekundärrechtlichen Vorgaben des Unionsrechts vereinbar ist. Außerdem geht es um den Beweiswert der Entscheidungen nationaler Wettbewerbsbehörden vor den Zivilgerichten, die über solche privaten Schadensersatzklagen zu befinden haben.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point4">4.</a>        Der zugrunde liegende Sachverhalt hat sich vor der Veröffentlichung und dem Inkrafttreten der Richtlinie 2014/104 ereignet, und die Schadensersatzklage vor dem nationalen Gericht wurde nach dem Inkrafttreten der Richtlinie, aber vor dem Ablauf ihrer Umsetzungsfrist erhoben. Zwar ist diese Umsetzungsfrist inzwischen abgelaufen, und der portugiesische Gesetzgeber hat die Richtlinie jüngst – mit einiger Verspätung – in nationales Recht umgesetzt, doch gelten die neuen gesetzlichen Regelungen nicht für die Vergangenheit und auch nicht für vor ihrem Inkrafttreten erhobene Klagen.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point5">5.</a>        Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche Lösungselemente die Richtlinie 2014/104 für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits bereithalten kann und ob gegebenenfalls aus Art. 102 AEUV sowie aus den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts – namentlich aus dem Effektivitätsgrundsatz – gewisse Vorgaben folgen. Dabei wird allerdings besonders zu beachten sein, dass der Ausgangsrechtsstreit ein rein horizontales Rechtsverhältnis zwischen Privaten zum Gegenstand hat.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point6">6.</a>        Für die Praxis der nationalen Gerichte sowie für die private Durchsetzung des Unionskartellrechts dürfte das Urteil des Gerichtshofs im vorliegenden Vorabentscheidungsverfahren von nicht zu unterschätzender Bedeutung sein.</p>
<p class="C21Titrenumerote1">II.    <b>Rechtlicher Rahmen</b>
</p>
<p class="C22Titrenumerote2">A.      <b>Unionsrecht</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point7">7.</a>        Der unionsrechtliche Rahmen dieses Falles wird zum einen durch die allgemeinen Rechtsgrundsätze des Unionsrechts – namentlich den Effektivitätsgrundsatz und das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf – sowie zum anderen durch die sekundärrechtlichen Vorschriften der Verordnung Nr. 1/2003 und der Richtlinie 2014/104 bestimmt.</p>
<p class="C05Titre2"> <b>Verordnung Nr. 1/2003</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point8">8.</a>        Zum Verhältnis zwischen Art. 102 AEUV und dem einzelstaatlichen Wettbewerbsrecht ist in Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 1/2003 Folgendes bestimmt:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„Wenden die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten oder einzelstaatliche Gerichte das einzelstaatliche Wettbewerbsrecht auf nach [Art. 102 AEUV] verbotene Missbräuche an, so wenden sie auch [Art. 102 AEUV] an.“</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point9">9.</a>        Unter der Überschrift „Zuständigkeit der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten“ enthält ferner Art. 5 der Verordnung Nr. 1/2003 diese Regelung:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„Die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten sind für die Anwendung der [Art. 101 und 102 AEUV] in Einzelfällen zuständig. Sie können hierzu von Amts wegen oder aufgrund einer Beschwerde Entscheidungen erlassen, mit denen</p>
<p class="C03Tiretlong">–        die Abstellung von Zuwiderhandlungen angeordnet wird,</p>
<p class="C03Tiretlong">–        einstweilige Maßnahmen angeordnet werden,</p>
<p class="C03Tiretlong">–        Verpflichtungszusagen angenommen werden oder</p>
<p class="C03Tiretlong">–        Geldbußen, Zwangsgelder oder sonstige im innerstaatlichen Recht vorgesehene Sanktionen verhängt werden.</p>
<p class="C02AlineaAltA">Sind die Voraussetzungen für ein Verbot nach den ihnen vorliegenden Informationen nicht gegeben, so können sie auch entscheiden, dass für sie kein Anlass besteht, tätig zu werden.“</p>
<p class="C05Titre2"> <b>Richtlinie 2014/104</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point10">10.</a>      Der „Gegenstand und Anwendungsbereich“ der Richtlinie 2014/104 wird in deren Art. 1 wie folgt beschrieben:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„(1)      In dieser Richtlinie sind bestimmte Vorschriften festgelegt, die erforderlich sind, um zu gewährleisten, dass jeder, der einen durch eine Zuwiderhandlung eines Unternehmens oder einer Unternehmensvereinigung gegen das Wettbewerbsrecht verursachten Schaden erlitten hat, das Recht, den vollständigen Ersatz dieses Schadens von diesem Unternehmen oder dieser Unternehmensvereinigung zu verlangen, wirksam geltend machen kann. In dieser Richtlinie sind Vorschriften festgelegt, mit denen der unverfälschte Wettbewerb im Binnenmarkt gefördert und Hindernisse für sein reibungsloses Funktionieren beseitigt werden, indem in der ganzen Union ein gleichwertiger Schutz für jeden gewährleistet wird, der einen solchen Schaden erlitten hat.</p>
<p class="C02AlineaAltA">(2)      In dieser Richtlinie sind Vorschriften für die Koordinierung der Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften durch die Wettbewerbsbehörden und der Durchsetzung dieser Vorschriften im Wege von Schadensersatzklagen vor nationalen Gerichten festgelegt.“</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point11">11.</a>      Ausweislich der Begriffsbestimmungen in Art. 2 der Richtlinie 2014/104 gilt:</p>
<p class="C02AlineaAltA">Der Ausdruck „Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht“ bezeichnet „eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 101 oder 102 AEUV oder gegen nationales Wettbewerbsrecht“ (Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie), und der Ausdruck „nationales Wettbewerbsrecht“ bezeichnet „Bestimmungen des nationalen Rechts, mit denen überwiegend das gleiche Ziel verfolgt wird wie mit den Artikeln 101 und 102 AEUV und die nach Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 auf denselben Fall und parallel zum Wettbewerbsrecht der Union angewandt werden, unter Ausschluss nationaler Rechtsvorschriften, mit denen natürlichen Personen strafrechtliche Sanktionen auferlegt werden, sofern solche strafrechtlichen Sanktionen nicht als Mittel dienen, um die für Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln durchzusetzen“ (Art. 2 Nr. 3 der Richtlinie).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point12">12.</a>      Zur „Wirkung nationaler Entscheidungen“ bestimmt Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2014/104:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass eine in einer bestandskräftigen Entscheidung einer nationalen Wettbewerbsbehörde oder einer Rechtsmittelinstanz festgestellte Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht für die Zwecke eines Verfahrens über eine Klage auf Schadensersatz nach Artikel 101 oder 102 AEUV oder nach nationalem Wettbewerbsrecht vor einem ihrer nationalen Gerichte als unwiderlegbar festgestellt gilt.“</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point13">13.</a>      Art. 10 der Richtlinie 2014/104 ist der „Verjährung“ gewidmet und hat folgenden Wortlaut:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„(1)      Die Mitgliedstaaten legen die Vorschriften über die Verjährungsfristen für die Erhebung von Schadensersatzklagen im Einklang mit diesem Artikel fest. In diesen Vorschriften wird festgelegt, wann die Verjährungsfrist beginnt, ihre Dauer und unter welchen Umständen eine Unterbrechung oder Hemmung der Frist eintritt.</p>
<p class="C02AlineaAltA">(2)      Die Verjährungsfrist beginnt nicht, bevor die Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht beendet wurde und der Kläger von Folgendem Kenntnis erlangt hat oder diese Kenntnis vernünftigerweise erwartet werden kann:</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">a)      dem Verhalten und der Tatsache, dass dieses eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht darstellt,</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">b)      der Tatsache, dass ihm durch die Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht ein Schaden entstanden ist, und</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">c)      der Identität des Rechtsverletzers.</p>
<p class="C02AlineaAltA">(3)      Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass die Verjährungsfristen für die Erhebung von Schadensersatzklagen mindestens fünf Jahre betragen.</p>
<p class="C02AlineaAltA">(4)      Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass eine Verjährungsfrist gehemmt oder – je nach nationalem Recht – unterbrochen wird, wenn eine Wettbewerbsbehörde Maßnahmen im Hinblick auf eine Untersuchung oder ihr Verfahren wegen einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht trifft, auf die sich die Schadensersatzklage bezieht. Die Hemmung endet frühestens ein Jahr, nachdem die Zuwiderhandlungsentscheidung bestandskräftig geworden oder das Verfahren auf andere Weise beendet worden ist.“</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point14">14.</a>      Unter der Überschrift „Umsetzung“ bestimmt Art. 21 Abs. 1 der Richtlinie 2014/104:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„Die Mitgliedstaaten setzen die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie spätestens bis zum 27. Dezember 2016 nachzukommen. …</p>
<p class="C02AlineaAltA">…“</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point15">15.</a>      Schließlich ist zur „zeitlichen Geltung“ der Richtlinie 2014/104 in deren Art. 22 Folgendes vorgesehen:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„(1)      Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass die nationalen Vorschriften, die nach Artikel 21 erlassen werden, um den materiell-rechtlichen Vorschriften dieser Richtlinie zu entsprechen, nicht rückwirkend gelten.</p>
<p class="C02AlineaAltA">(2)      Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass die nationalen Vorschriften, die nach Artikel 21 erlassen werden und die nicht unter Absatz 1 fallen, nicht für Schadensersatzklagen gelten, die vor dem 26. Dezember 2014 bei einem nationalen Gericht erhoben wurden.“</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point16">16.</a>      Ausweislich ihres Art. 23 ist die Richtlinie 2014/104 am 25. Dezember 2014, dem 20. Tag nach ihrer Veröffentlichung im <i>Amtsblatt der Europäischen Union</i>, in Kraft getreten(<a href="#Footnote5" name="Footref5">5</a>).</p>
<p class="C22Titrenumerote2">B.      <b>Nationales Recht</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point17">17.</a>      Aus dem portugiesischen Recht sind zum einen Art. 498 des portugiesischen Zivilgesetzbuchs (Código Civil, „CC“) und zum anderen Art. 623 der portugiesischen Zivilprozessordnung (Código de Processo Civil, „CPC“) von Belang.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point18">18.</a>      In Art. 498 CC ist Folgendes bestimmt:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„1. Der Anspruch auf Schadenersatz verjährt nach einer Frist von drei Jahren ab dem Zeitpunkt, zu dem der Geschädigte von dem ihm zustehenden Anspruch Kenntnis erlangt, auch wenn ihm die Person des Haftenden und das gesamte Ausmaß der Schäden nicht bekannt sind, unbeschadet der allgemeinen Verjährung für den Fall des Ablaufs der betreffenden Frist ab dem schädigenden Ereignis.</p>
<p class="C02AlineaAltA">2. Der Rückgriffsanspruch zwischen den Haftenden verjährt ebenfalls nach einer Frist von drei Jahren ab dem Zeitpunkt der Erfüllung.</p>
<p class="C02AlineaAltA">3. Stellt die rechtswidrige Handlung eine Straftat dar, für die gesetzlich eine längere Verjährungsfrist vorgesehen ist, so findet diese Frist Anwendung.</p>
<p class="C02AlineaAltA">4. Die Verjährung des Schadenersatzanspruchs bewirkt nicht die Verjährung einer etwaigen Eigentumsklage oder einer Klage auf Herausgabe wegen ungerechtfertigter Bereicherung.“</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point19">19.</a>      Art. 623 CPC steht unter der Überschrift „Drittwirkung der strafrechtlichen Verurteilung“ und ist wie folgt abgefasst:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„ Eine im Strafprozess ergangene rechtskräftige Verurteilung begründet gegenüber Dritten eine widerlegliche Vermutung hinsichtlich der Erfüllung der tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für die Bestrafung sowie der Deliktsmerkmale in allen Zivilverfahren, in denen es um Rechtsverhältnisse geht, die von der Begehung der Straftat abhängen.“</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point20">20.</a>      Die Richtlinie 2014/104 wurde erst im Juni 2018 durch das Gesetz Nr. 23/2018 in portugiesisches Recht umgesetzt(<a href="#Footnote6" name="Footref6">6</a>). Wie sich aus seinem Art. 25 ergibt, ist dieses Gesetz 60 Tage nach seiner Veröffentlichung in Kraft getreten. Außerdem finden die materiell-rechtlichen Vorschriften des besagten Gesetzes – einschließlich jener zur Beweislast – ausweislich seines Art. 24 nicht rückwirkend Anwendung, und die verfahrensrechtlichen Vorschriften dieses Gesetzes gelten nicht für vor seinem Inkrafttreten erhobene Klagen.</p>
<p class="C21Titrenumerote1">III. <b>Sachverhalt und Ausgangsverfahren</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point21">21.</a>      Cogeco Communications Inc. (Cogeco) ist eine kanadische Handelsgesellschaft, die mit Klage vom 27. Februar 2015 vor dem Tribunal Judicial da Comarca de Lisboa(<a href="#Footnote7" name="Footref7">7</a>) (Portugal), dem vorlegenden Gericht, einen Schadensersatzprozess gegen die drei portugiesischen Gesellschaften Sport TV Portugal, SA (Sport TV), Controlinveste-SGPS, SA (Controlinveste) und NOS-SGPS, SA (NOS) angestrengt hat (im Folgenden gemeinsam: die Beklagten), wobei es sich bei Controlinveste und bei NOS um Anteilseignerinnen von Sport TV in dem für die Klage relevanten Zeitraum handelt.</p>
<p class="C05Titre2"> <b>Wettbewerbsrechtlicher Hintergrund des Ausgangsrechtsstreits</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point22">22.</a>      Cabovisão – Televisão Por Cabo, SA (Cabovisão), deren Anteilseignerin Cogeco seinerzeit war(<a href="#Footnote8" name="Footref8">8</a>), ist eine Anbieterin von Bezahlfernsehen in Portugal. Sie reichte am 30. Juli 2009 bei der Autoridade da Concorrência(<a href="#Footnote9" name="Footref9">9</a>) (Portugal) eine Beschwerde gegen Sport TV ein(<a href="#Footnote10" name="Footref10">10</a>), mit der sie wettbewerbswidrige Praktiken dieses Unternehmens im Bereich der Premium-Sportkanäle rügte, insbesondere eine diskriminierende Preispolitik, was ihrer Ansicht nach den Vorwurf des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung begründete.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point23">23.</a>      Mit Entscheidung vom 14. Juni 2013 stellte die Autoridade da Concorrência (Wettbewerbsbehörde) fest, dass Sport TV ihre marktbeherrschende Stellung missbraucht habe und dadurch gegen Art. 102 AEUV sowie gegen eine entsprechende Bestimmung im portugiesischen Recht(<a href="#Footnote11" name="Footref11">11</a>) verstoßen habe(<a href="#Footnote12" name="Footref12">12</a>). Dafür erlegte sie Sport TV eine Geldbuße von 3,73 Mio. Euro zuzüglich einer Nebenstrafe auf.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point24">24.</a>      Auf Einspruch von Sport TV änderte das Tribunal da Concorrência, Regulação e Supervisão(<a href="#Footnote13" name="Footref13">13</a>) (Portugal) die Entscheidung der Autoridade da Concorrência (Wettbewerbsbehörde) mit Urteil vom 4. Juni 2014 dahin gehend ab, dass sich Sport TV nur nach nationalem Recht einer Ordnungswidrigkeit wegen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung in Form von diskriminierenden Preispraktiken schuldig gemacht habe, nicht aber auch eines Verstoßes gegen Art. 102 AEUV(<a href="#Footnote14" name="Footref14">14</a>). Wörtlich entschied das Tribunal da Concorrência, Regulação e Supervisão (Gericht für wettbewerb, Regulierung und Aufsicht) im Tenor seines Urteils u. a.: „Art. 102 AEUV ist auf das Verhalten der Beschuldigten nicht anwendbar.“ Ferner setzte es die gegen Sport TV verhängte Geldbuße auf 2,7 Mio. Euro herab und hob überdies die Nebenstrafe auf.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point25">25.</a>      Ein gegen jenes Urteil eingelegtes Rechtsmittel von Sport TV zum Tribunal da Relação de Lisboa(<a href="#Footnote15" name="Footref15">15</a>) (Portugal) wurde am 11. März 2015 zurückgewiesen.</p>
<p class="C05Titre2"> <b>Bisheriger Verlauf des nationalen zivilrechtlichen Schadensersatzprozesses</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point26">26.</a>      Mit ihrer zivilrechtlichen Klage begehrt Cogeco nunmehr Schadensersatz für das schuldhafte und rechtswidrige wettbewerbswidrige Verhalten der drei Beklagten im Zeitraum vom 3. August 2006 bis zum 30. März 2011. Der geltend gemachte Schaden, zuzüglich Verzugszinsen, soll erstens aus der Zahlung überhöhter Preise durch Cabovisão für die Übertragungsrechte an den Sendungen von Sport TV resultieren, zweitens aus entgangenen Erträgen auf – angesichts der überhöhten Preise nicht zur Verfügung stehendes – Kapital sowie drittens aus entgangenem Gewinn. Hilfsweise beantragt Cogeco, die drei Beklagten gesamtschuldnerisch zur Erstattung der von ihnen zu Unrecht erzielten Einnahmen zu verurteilen.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point27">27.</a>      Die drei Beklagten haben hiergegen die Einrede der Verjährung erhoben. Ihrer Ansicht nach ist die im portugiesischen Recht vorgesehene dreijährige Verjährungsfrist gemäß Art. 498 Abs. 1 CC für Ansprüche aus außervertraglicher Haftung bereits abgelaufen. Sie bringen vor, Cogeco habe spätestens zu einem der folgenden vier Zeitpunkte über sämtliche Informationen verfügt, die für eine Kenntnis vom Bestehen des Schadensersatzanspruchs erforderlich waren:</p>
<p class="C03Tiretlong">–        am 30. April 2008, dem Tag des Erwerbs der Übertragungsrechte für die Sendungen von Sport TV durch Cabovisão,</p>
<p class="C03Tiretlong">–        am 30. Juli 2009, dem Tag der Einreichung der Beschwerde von Cabovisão bei der Autoridade da Concorrência (Wettbewerbsbehörde),</p>
<p class="C03Tiretlong">–        am 30. März 2011, dem Tag der Beendigung des geltend gemachten Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln, oder</p>
<p class="C03Tiretlong">–        am 29. Februar 2012, dem Tag des Verkaufs von Cabovisão durch Cogeco.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point28">28.</a>      Demgegenüber ist nach Auffassung von Cogeco noch keine Verjährung eingetreten. Im Ausgangsrechtsstreit argumentiert Cogeco, die Verjährungsfrist habe erst mit dem Erlass der Entscheidung der Autoridade da Concorrência (Wettbewerbsbehörde) am 14. Juni 2013 zu laufen begonnen, weil das Unternehmen erst mit dieser Entscheidung Zugang zu sämtlichen Informationen erhalten habe, die zur Beurteilung der wettbewerbswidrigen Praktiken und zur Geltendmachung von Ansprüchen auf Schadensersatz erforderlich gewesen seien. Vor der Entscheidung der Autoridade da Concorrência (Wettbewerbsbehörde) habe lediglich der Verdacht eines Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln bestanden. Jedenfalls sei die Verjährungsfrist, so Cogeco, während des Verfahrens vor der Autoridade da Concorrência (Wettbewerbsbehörde) gehemmt gewesen.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point29">29.</a>      Das vorlegende Gericht möchte sich nun vergewissern, ob Art. 498 CC und Art. 623 CPC im Einklang mit den unionsrechtlichen Vorgaben stehen. Es erkennt an, dass sich der Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits noch vor Erlass der Richtlinie 2014/104 und erst recht vor Ablauf ihrer Umsetzungsfrist ereignet hat. Gleichwohl fragt es sich, nicht zuletzt unter Bezugnahme auf die Urteile Van Duyn(<a href="#Footnote16" name="Footref16">16</a>) und Mangold(<a href="#Footnote17" name="Footref17">17</a>) sowie auf die Loyalitätspflicht der Mitgliedstaaten (Art. 4 Abs. 3 EUV), ob diese Richtlinie gegebenenfalls Vorwirkungen erzeugt, die das Gericht bei seiner Entscheidung in einem Rechtsstreit zwischen Privaten zu beachten hat, zumal zum jetzigen Zeitpunkt, an dem die Umsetzungsfrist der Richtlinie längst abgelaufen ist.</p>
<p class="C21Titrenumerote1">IV.    <b>Vorabentscheidungsersuchen und Verfahren vor dem Gerichtshof</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point30">30.</a>      Mit Beschluss vom 25. Juli 2017, eingegangen am 15. November 2017, hat das Tribunal Judicial da Comarca de Lisboa (Kreisgericht Lissabon) dem Gerichtshof nach Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">1.      Können Art. 9 Abs. 1 und Art. 10 Abs. 2, 3 und 4 der Richtlinie 2014/104/EU sowie ihre übrigen Bestimmungen oder anwendbare allgemeine unionsrechtliche Grundsätze dahin ausgelegt werden, dass sie Rechte für einen Einzelnen (im vorliegenden Fall eine Handelsgesellschaft mit der Rechtsform einer Corporation nach kanadischem Recht) begründen, die dieser im Rahmen einer Klage auf Ersatz angeblicher Schäden, die infolge eines Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht entstanden sein sollen, vor Gericht gegen einen anderen Einzelnen (im vorliegenden Fall eine Handelsgesellschaft mit der Rechtsform einer Aktiengesellschaft nach portugiesischem Recht) geltend machen kann, insbesondere, wenn die den Mitgliedstaaten in Art. 21 Abs. 1 der Richtlinie für die Umsetzung dieser Richtlinie in innerstaatliches Recht gewährte Frist zum Zeitpunkt der Erhebung der fraglichen Klage (am 27. Februar 2015) noch nicht abgelaufen war?</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">2.      Können Art. 10 Abs. 2, 3 und 4 der Richtlinie 2014/104 sowie ihre übrigen Bestimmungen oder anwendbare allgemeine unionsrechtliche Grundsätze dahin ausgelegt werden, dass damit eine nationale Vorschrift wie Art. 498 Abs. 1 des portugiesischen Código Civil unvereinbar ist, die bei ihrer Anwendung auf einen Sachverhalt, der sich vor der Veröffentlichung der Richtlinie, vor ihrem Inkrafttreten und vor dem für ihre Umsetzung festgelegten Zeitpunkt abgespielt hat, im Rahmen einer ebenfalls vor dem letztgenannten Zeitpunkt erhobenen Klage</p>
<p class="C11Marge1avecretrait">a)      für einen Schadensersatzanspruch aufgrund außervertraglicher Haftung eine Verjährungsfrist von drei Jahren festlegt,</p>
<p class="C11Marge1avecretrait">b)      vorsieht, dass diese Frist von drei Jahren zu dem Zeitpunkt zu laufen beginnt, zu dem der Geschädigte von dem ihm zustehenden Anspruch Kenntnis erlangt hat, auch wenn ihm die verantwortliche Person und das gesamte Ausmaß der Schäden nicht bekannt sind,</p>
<p class="C11Marge1avecretrait">c)      und in Bezug auf die keine Vorschrift bekannt ist, die die Aussetzung oder Unterbrechung dieser Frist in dem konkreten Fall vorschreibt oder zulässt, dass eine Wettbewerbsbehörde Maßnahmen im Rahmen einer Untersuchung oder eines Verfahrens in Bezug auf den Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht, mit dem die Schadensersatzklage zusammenhängt, erlassen hat?</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">3.      Können Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2014/104 sowie ihre übrigen Bestimmungen oder anwendbare allgemeine unionsrechtliche Grundsätze dahin ausgelegt werden, dass damit eine nationale Vorschrift wie Art. 623 des portugiesischen Código de Processo Civil unvereinbar ist, die bei ihrer Anwendung auf einen Sachverhalt, der sich vor dem Inkrafttreten der Richtlinie und vor dem für ihre Umsetzung festgelegten Zeitpunkt abgespielt hat, im Rahmen einer ebenfalls vor dem letztgenannten Zeitpunkt erhobenen Klage</p>
<p class="C11Marge1avecretrait">a)      vorsieht, dass eine endgültige Verurteilung in einem Ordnungswidrigkeitsverfahren keine Wirkungen in Zivilverfahren entfaltet, in denen es um rechtliche Beziehungen geht, die vom Vorliegen des Verstoßes abhängen, oder (je nach Auslegung)</p>
<p class="C11Marge1avecretrait">b)      bestimmt, dass eine rechtskräftige Verurteilung in einem Ordnungswidrigkeitsverfahren im Verhältnis zu Dritten in Zivilverfahren, in denen es um rechtliche Beziehungen geht, die vom Vorliegen des Verstoßes abhängen, lediglich eine widerlegbare Vermutung darstellt, was die Erfüllung der tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für die Bestrafung betrifft?</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">4.      Können Art. 9 Abs. 1, Art. 10 Abs. 2, 3 und 4 der Richtlinie 2014/104, Art. 288 Abs. 3 AEUV oder andere einschlägige Bestimmungen des Primär- oder Sekundärrechts, Präzedenzfälle oder allgemeine Grundsätze der Europäischen Union dahin ausgelegt werden, dass damit die Anwendung von nationalen Vorschriften wie Art. 498 Abs. 1 des portugiesischen Código Civil und Art. 623 des portugiesischen Código de Processo Civil unvereinbar ist, die bei ihrer Anwendung auf einen Sachverhalt, der sich vor der Veröffentlichung der Richtlinie, vor ihrem Inkrafttreten und vor dem für ihre Umsetzung festgelegten Zeitpunkt abgespielt hat, im Rahmen einer ebenfalls vor dem letztgenannten Zeitpunkt erhobenen Klage, den Wortlaut und die Ziele der Richtlinie nicht berücksichtigen und nicht darauf gerichtet sind, das mit der Richtlinie angestrebte Ergebnis zu erzielen?</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">5.      Hilfsweise, lediglich für den Fall, dass der Gerichtshof der Europäischen Union eine der vorstehenden Fragen bejaht: Können Art. 22 der Richtlinie 2014/104 sowie ihre übrigen Bestimmungen oder anwendbare allgemeine unionsrechtliche Grundsätze dahin ausgelegt werden, dass es damit unvereinbar ist, wenn das nationale Gericht auf den vorliegenden Fall Art. 498 Abs. 1 des portugiesischen Código Civil oder Art. 623 des portugiesischen Código de Processo Civil in ihrer derzeitigen Fassung anwendet, jedoch so ausgelegt und angewendet, dass sie mit Art. 10 der Richtlinie vereinbar sind?</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">6.      Für den Fall, dass Frage 5 bejaht wird: Kann sich ein Einzelner vor einem nationalen Gericht in einem Verfahren wegen des Ersatzes von Schäden, die infolge eines Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht entstanden sein sollen, gegenüber einem anderen Einzelnen auf Art. 22 der Richtlinie 2014/104 berufen?</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point31">31.</a>      Im Vorabentscheidungsverfahren vor dem Gerichtshof haben Cogeco, Sport TV, Controlinveste und NOS als Parteien des Ausgangsrechtsstreits sowie ferner die Portugiesische Republik, die Italienische Republik und die Europäische Kommission schriftlich Stellung genommen. Mit Ausnahme von Controlinveste und Italien waren dieselben Beteiligten auch in der mündlichen Verhandlung vom 15. November 2018 vertreten.</p>
<p class="C21Titrenumerote1">V.      <b>Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point32">32.</a>      Wie das vorlegende Gericht selbst betont, weist der Ausgangsrechtsstreit zwei Besonderheiten auf:</p>
<p class="C03Tiretlong">–        Erstens ereignete sich der zugrunde liegende Sachverhalt noch vor dem Erlass sowie dem Inkrafttreten der Richtlinie 2014/104, und auch die Klage von Cogeco auf Schadensersatz wurde zu einem Zeitpunkt erhoben, der zwar bereits nach dem Inkrafttreten dieser Richtlinie, aber noch vor dem Ablauf ihrer Umsetzungsfrist lag.</p>
<p class="C03Tiretlong">–        Zweitens konnte sich Portugals nationale Wettbewerbsbehörde vor den bislang mit diesem Fall befassten innerstaatlichen Gerichten nicht mit ihrer Auffassung durchsetzen, wonach die Preisgestaltung von Sport TV neben dem nationalen Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung auch gegen das entsprechende unionsrechtliche Verbot nach Art. 102 AEUV verstieß.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point33">33.</a>      Unter diesen Umständen mag man bei vordergründiger Betrachtung die Frage aufwerfen, ob das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen nicht mangels Entscheidungserheblichkeit ganz oder teilweise unzulässig ist.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point34">34.</a>      Allerdings ist daran zu erinnern, dass für Vorabentscheidungsersuchen, welche die Auslegung des Unionsrechts betreffen, nach ständiger Rechtsprechung eine Vermutung der Entscheidungserheblichkeit gilt(<a href="#Footnote18" name="Footref18">18</a>). Hinzu kommt, dass der Gerichtshof die fehlende Entscheidungserheblichkeit der ihm gestellten Fragen nur höchst ausnahmsweise feststellt, und zwar dann, wenn sie offensichtlich ist(<a href="#Footnote19" name="Footref19">19</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point35">35.</a>      Davon kann im vorliegenden Fall sicher nicht ausgegangen werden. Weder ist die Richtlinie 2014/104 offensichtlich unanwendbar, noch steht ohne jeden Zweifel fest, dass Art. 102 AEUV hier nicht zur Anwendung kommen kann.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point36">36.</a>      Was zunächst die Richtlinie 2014/104 betrifft, so zeigt ein Blick auf ihren Art. 22 Abs. 2, dass jedenfalls einige ihrer Vorschriften durchaus auf Klagen Anwendung finden können, die – wie die hier in Rede stehende Klage von Cogeco – zwischen dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Richtlinie und dem Ablauf ihrer Umsetzungsfrist vor nationalen Gerichten anhängig gemacht werden und Sachverhalte aus der Vergangenheit zum Gegenstand haben. Ob auch die hier besonders streitigen Art. 9 und 10 der Richtlinie 2014/104 für einen Fall wie den vorliegenden Geltung beanspruchen können, ist keine Frage der Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens, sondern eine inhaltliche Frage, die nur nach eingehender Erörterung jener Richtlinienbestimmungen beantwortet werden kann(<a href="#Footnote20" name="Footref20">20</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point37">37.</a>      Jedenfalls lässt sich vor dem Hintergrund von Art. 22 Abs. 2 der Richtlinie 2014/104 nicht argumentieren, dass die Bestimmungen dieser Richtlinie für den Ausgangsrechtsstreit <i>offensichtlich</i> nicht entscheidungserheblich wären.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point38">38.</a>      Was sodann Art. 102 AEUV anbelangt, so hat zwar das Tribunal da Concorrência, Regulação e Supervisão (Gericht für wettbewerb, Regulierung und Aufsicht) als Kontrollinstanz für die Entscheidungen der nationalen Wettbewerbsbehörde im vorliegenden Fall ausdrücklich festgestellt, jene unionsrechtliche Bestimmung sei auf das Verhalten von Sport TV „nicht anwendbar“, und das Tribunal da Relação de Lisboa (Appelationshof Lissabon) hat dies später in zweiter Instanz bestätigt.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point39">39.</a>      Ein solcher Gerichtsentscheid allein sollte jedoch nicht zu der vorschnellen Schlussfolgerung verleiten, dass der vorliegende Fall <i>offensichtlich</i> keinen Bezug zum Unionsrecht – sei es Primärrecht oder Sekundärrecht – hat und somit Fragen zu Art. 102 AEUV von vornherein nicht entscheidungserheblich sein können.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point40">40.</a>      Zum einen bestehen nämlich angesichts der Rechtsprechung unseres Gerichtshofs(<a href="#Footnote21" name="Footref21">21</a>) erhebliche Zweifel, ob nationale Gerichte überhaupt zu einer bindenden Feststellung befugt sind, Art. 102 AEUV sei auf einen konkreten Einzelfall – so etwa hier auf das Verhalten von Sport TV – „nicht anwendbar“.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point41">41.</a>      Zum anderen war die innerstaatliche Rechtslage in Portugal, namentlich Art. 623 CPC, nach Auskunft des vorlegenden Gerichts zum Zeitpunkt der Klageerhebung durch Cogeco noch so zu verstehen, dass die Feststellung einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln in einer Entscheidung der nationalen Wettbewerbsbehörde für die Zwecke zivilrechtlicher Schadensersatzprozesse allenfalls eine widerlegliche Vermutung darstellte. Legt man diese Rechtslage zugrunde, so bestünde für das vorlegende Gericht nach nationalem Recht kein absoluter Hinderungsgrund, Art. 102 AEUV in Abweichung von der Auffassung eines anderen Gerichts im vorangegangenen Wettbewerbsverfahren für anwendbar zu halten.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point42">42.</a>      Vor diesem Hintergrund machen letztlich auch die Vorlagefragen zum Beweiswert von Entscheidungen nationaler Wettbewerbsbehörden absolut Sinn. Denn im Kern möchte sich das vorlegende Gericht mit diesen Fragen doch nur vergewissern, dass das Unionsrecht – insbesondere Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2014/104 – es ihm <i>nicht verwehrt</i>, von der Rechtsauffassung eines zuvor mit einer Entscheidung der nationalen Wettbewerbsbehörde befassten anderen Gerichts zur Nichtanwendbarkeit von Art. 102 AEUV <i>abzuweichen</i> und diese Vorschrift des Unionsprimärrechts <i>anzuwenden</i>. Dies ist eine genuin unionsrechtliche Frage, zu deren Beantwortung der Gerichtshof berufen ist und von der das Schicksal der Klage von Cogeco im Ausgangsrechtsstreit entscheidend abhängen kann.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point43">43.</a>      Alles in allem besteht also kein Anlass, die Entscheidungserheblichkeit der an den Gerichtshof herangetragenen unionsrechtlichen Fragen und damit letztlich die Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens ganz oder teilweise zu verneinen.</p>
<p class="C21Titrenumerote1">VI.    <b>Inhaltliche Würdigung der Vorlagefragen</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point44">44.</a>      Das Unionsrecht verpflichtet nach ständiger Rechtsprechung den nationalen Richter, auch in einem Rechtsstreit zwischen Privatpersonen den Rechtsschutz sicherzustellen, der sich für den Einzelnen aus den unionsrechtlichen Bestimmungen ergibt, und deren volle Wirkung zu gewährleisten(<a href="#Footnote22" name="Footref22">22</a>). Das Vorabentscheidungsersuchen des Tribunal Judicial da Comarca de Lisboa (Kreisgericht Lissabon) ist ersichtlich von dem Bestreben gekennzeichnet, dieser unionsrechtlichen Verpflichtung gerecht zu werden.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point45">45.</a>      Mit seinen insgesamt sechs Fragen möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen in Erfahrung bringen, welche Anforderungen sich aus dem Unionsrecht für Zivilprozesse zwischen Privaten ergeben, in denen Rechtsfragen zur Verjährung von Schadensersatzansprüchen wegen Wettbewerbsverstößen und zum Beweis von solchen Wettbewerbsverstößen aufgeworfen werden. Dabei bezieht sich das vorlegende Gericht in erster Linie auf die Richtlinie 2014/104, insbesondere auf deren Art. 9, 10 und 22. Es beschränkt sich aber nicht allein auf diese sekundärrechtlichen Vorschriften, vielmehr nimmt das vorlegende Gericht ausdrücklich auch die „anwendbaren allgemeinen unionsrechtlichen Grundsätze“ und damit letztlich das Unionsprimärrecht in den Blick. Im Primärrecht ist nicht zuletzt das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung (Art. 102 AEUV) verankert, das für den vorliegenden Fall von besonderer Relevanz ist. Um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben(<a href="#Footnote23" name="Footref23">23</a>), sind alle Fragen zu den „anwendbaren allgemeinen unionsrechtlichen Grundsätzen“ dahin gehend zu verstehen, dass sie schwerpunktmäßig auf Art. 102 AEUV und den Grundsatz der Effektivität abzielen.</p>
<p class="C22Titrenumerote2">A.      <b>Vorbemerkungen zur Anwendbarkeit von Art. 102 AEUV und der Richtlinie 2014/104</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point46">46.</a>      In jeder einzelnen seiner sechs Vorlagefragen bezieht sich das vorlegende Gericht mit weitgehend identischer Formulierung auf die Richtlinie 2014/104, auf die „anwendbaren allgemeinen unionsrechtlichen Grundsätze“ oder auf beides. Vor diesem Hintergrund bietet es sich an, alle etwaigen Zweifelsfragen im Hinblick auf die Anwendbarkeit des Art. 102 AEUV und der Richtlinie vorab zu erörtern.</p>
<p class="C23Titrenumerote3">1.      <b>Die Anwendbarkeit von Art. 102 AEUV</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point47">47.</a>      <i>Rationae temporis</i> ist Art. 102 AEUV – bzw. der inhaltsgleiche Art. 82 EG für die Zeit vor dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon – ohne Weiteres auf den Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits anwendbar.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point48">48.</a>      Jedoch könnten sich Zweifel an der Anwendbarkeit <i>rationae materiae</i> von Art. 102 AEUV im Ausgangsrechtsstreit ergeben, angesichts der im Vorfeld ergangenen Urteile der beiden portugiesischen Gerichte, die in diesem Fall über die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der nationalen Wettbewerbsbehörde zum Geschäftsgebaren von Sport TV zu urteilen hatten. Wie bereits erwähnt, ist das Tribunal da Concorrência, Regulação e Supervisão (Gericht für Wettbewerb, Regulierung und Aufsicht) dabei von der Auffassung der Autoridade da Concorrência (Wettbewerbsbehörde) abgewichen und hat ausdrücklich festgestellt, Art. 102 AEUV sei auf das Verhalten von Sport TV „nicht anwendbar“, was im späteren Berufungsverfahren vor dem Tribunal da Relação de Lisboa (Appelationshof Lissabon) nicht mehr in Frage gestellt wurde.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point49">49.</a>      Allerdings darf diese Feststellung in Urteilen anderer nationaler Gerichte nicht dahin gehend missverstanden werden, dass auf ihrer Grundlage nunmehr auch für das vorlegende Gericht im Schadensersatzprozess die Unanwendbarkeit von Art. 102 AEUV mit Bindungswirkung feststünde. Denn im dezentralen System zur Durchsetzung des Unionskartellrechts kann keiner nationalen Stelle die Befugnis zukommen, mit Bindungswirkung für andere nationale Stellen oder gar für die Europäische Kommission entweder die Unanwendbarkeit von Art. 102 AEUV festzustellen oder auszusprechen, dass keine missbräuchliche Verhaltensweise im Sinne dieser Vorschrift vorliegt.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point50">50.</a>      In Bezug auf die Befugnisse nationaler Wettbewerbsbehörden hat der Gerichtshof dies bereits vor einigen Jahren im Urteil Tele 2 Polska aus Art. 5 der Verordnung Nr. 1/2003 hergeleitet(<a href="#Footnote24" name="Footref24">24</a>). Letztere Vorschrift beschränkt bei mangelnden Anhaltspunkten für eine Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV die Befugnisse nationaler Wettbewerbsbehörden darauf, zu entscheiden, dass für sie kein Anlass besteht, tätig zu werden. Es ist den nationalen Wettbewerbsbehörden also verwehrt, die deutlich weiter gehende Feststellung zu treffen, dass kein Verstoß gegen Art. 102 AEUV vorliege.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point51">51.</a>      Nichts anderes kann gelten, wenn die im Rahmen eines Rechtsbehelfs angerufenen nationale Gerichte – wie hier – unter Abänderung der Entscheidung einer nationalen Wettbewerbsbehörde zu dem Schluss gelangen, dass es an bestimmten Voraussetzungen für die Annahme eines Verstoßes gegen Art. 102 AEUV fehlt. Auch dann dürfen sie nicht kurzerhand Art. 102 AEUV für unanwendbar erklären oder mit Bindungswirkung für andere Verfahren feststellen, es liege kein Verstoß gegen jene unionsrechtliche Vorschrift vor. Auch die durch Art. 6 der Verordnung Nr. 1/2003 erneut bekräftigte Zuständigkeit einzelstaatlicher Gerichte(<a href="#Footnote25" name="Footref25">25</a>) für die Anwendung der Artikel 101 und 102 AEUV vermag zu keinem anderen Ergebnis zu führen. Soweit solche Gerichte nicht als Wettbewerbsbehörden im Sinne von Art. 5 der Verordnung Nr. 1/2003 tätig werden, kann ihre Überprüfung die Entscheidung einer nationalen Wettbewerbsbehörde gemäß den Vorgaben aus Art. 5 der Verordnung Nr. 1/2003 zum Gegenstand haben. Unbeschadet ihrer Prüfungsbefugnisse nach nationalem Recht in einem solchen Fall ist jedenfalls auszuschließen, dass ihre Entscheidung für die Zuständigkeit eines anderen Gerichts, etwa im Rahmen einer Schadensersatzklage, nach Art. 6 der Verordnung Nr. 1/2003 beschnitten wird. </p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point52">52.</a>      Die Beschränkung der Befugnisse der nationalen Stellen durch Art. 5 der Verordnung Nr. 1/2003 soll nämlich letztlich sicherstellen, dass in einem System der dezentralen Durchsetzung der Wettbewerbsregeln nicht eine zuständige nationale Stelle anderen, ebenfalls zuständigen Stellen die Hände bindet. Insbesondere soll es den Opfern von Kartellvergehen ermöglicht werden, den Ersatz ihrer etwaigen Schäden nicht nur im Rahmen sogenannter „follow-on actions“ (d. h. mit Klagen im Gefolge der behördlichen Feststellung von Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln), sondern auch im Rahmen sogenannter „stand-alone actions“ (d. h. mit Klagen unabhängig von etwaigen behördlichen Feststellungen) zivilrechtlich geltend zu machen(<a href="#Footnote26" name="Footref26">26</a>). Dieser Zielsetzung ist auch im Rahmen von Art. 6 der Verordnung Nr. 1/2003 Rechnung zu tragen.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point53">53.</a>      Dem vorlegenden Gericht obliegt es also im Ausgangsrechtsstreit, die nötigen Feststellungen zur sachlichen Anwendbarkeit von Art. 102 AEUV – und insbesondere zur Eignung des Geschäftsgebarens von Sport TV zur spürbaren Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten(<a href="#Footnote27" name="Footref27">27</a>) – eigenständig zu treffen, ohne dass es dabei an die zuvor erfolgte Feststellung der Unanwendbarkeit von Art. 102 AEUV durch andere, früher mit diesem Fall befasste nationale Gerichte gebunden wäre.</p>
<p class="C23Titrenumerote3">2.      <b>Die Anwendbarkeit der Richtlinie 2014/104</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point54">54.</a>      Was die Richtlinie 2014/104 anbelangt, so steht neben ihrer sachlichen vor allem ihre zeitliche Anwendbarkeit auf den Ausgangsrechtsstreit im Zweifel.</p>
<p class="C24Titrenumerote4">a)      <b>Sachlicher Anwendungsbereich der Richtlinie</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point55">55.</a>      Der sachliche Anwendungsbereich der Richtlinie 2014/104 wird durch deren Art. 1 in Verbindung mit Art. 2 definiert.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point56">56.</a>      Nach ihrem Art. 1 Abs. 1 hat die Richtlinie Zuwiderhandlungen von Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen gegen das Wettbewerbsrecht zum Gegenstand und enthält Regelungen, die jedermann den wirksamen Ersatz der aus solchen Zuwiderhandlungen entstandenen Schäden gewährleisten sollen.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point57">57.</a>      Der Begriff der „Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht“ wird wiederum in Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie dahin gehend präzisiert, dass es sich um Zuwiderhandlungen gegen Art. 101 oder 102 AEUV oder gegen nationales Wettbewerbsrecht handeln muss. Als „nationales Wettbewerbsrecht“ gelten allerdings nach Art. 2 Nr. 3 der Richtlinie nur solche Bestimmungen des nationalen Rechts, die auf denselben Fall und parallel zum Wettbewerbsrecht der Union angewandt werden.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point58">58.</a>      Aus der Zusammenschau von Art. 1 Abs. 1 mit Art. 2 Nrn. 1 und 3 folgt also, dass sich der sachliche Anwendungsbereich der Richtlinie 2014/104 auf Rechtsstreitigkeiten über Schadensersatzansprüche beschränkt, die – jedenfalls auch – auf Verstöße gegen das Unionskartellrecht gestützt sind. Ansprüche, die sich ausschließlich auf Verstöße gegen das nationale Wettbewerbsrecht gründen, fallen hingegen nicht in den sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie. Dies erklärt sich mit der Zielsetzung der Richtlinie, die ausweislich ihres Art. 1 einen gleichwertigen Schutz für jedermann auf dem Binnenmarkt gewährleisten will(<a href="#Footnote28" name="Footref28">28</a>). Einen hinreichenden Bezug zum Binnenmarkt haben aber nur Fälle, in denen die „Zwischenstaatlichkeitsklausel“ von Art. 101 AEUV bzw. Art. 102 AEUV erfüllt ist, in denen also – zumindest potenziell – eine spürbare Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten angenommen werden kann.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point59">59.</a>      Wie schon dargelegt(<a href="#Footnote29" name="Footref29">29</a>), ist das vorlegende Gericht im Ausgangsrechtsstreit nicht allein deswegen gehindert, Art. 102 AEUV anzuwenden, weil das Tribunal da Concorrência, Regulação e Supervisão (Gericht für Wettbewerb, regulierung und Aufsicht) zuvor im selben Fall diese Vorschrift für „nicht anwendbar“ erklärte. Vielmehr obliegt es dem vorlegenden Gericht, die nötigen Feststellungen zur sachlichen Anwendbarkeit von Art. 102 AEUV – und damit zugleich auch jene zur sachlichen Anwendbarkeit der Richtlinie 2014/104 – eigenständig zu treffen.</p>
<p class="C24Titrenumerote4">b)      <b>Zeitlicher Anwendungsbereich der Art. 9 und 10 der Richtlinie</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point60">60.</a>      Der zeitliche Anwendungsbereich der Richtlinie 2014/104 wird durch ihren Art. 22 dahin gehend begrenzt, dass für materiell-rechtliche Vorschriften zu ihrer Umsetzung ein generelles Rückwirkungsverbot gilt (vgl. dazu Art. 22 Abs. 1 der Richtlinie). Alle anderen nationalen Umsetzungsvorschriften – also namentlich Verfahrensvorschriften – sind zwar durchaus auf Sachverhalte aus der Zeit vor dem Inkrafttreten der Richtlinie anzuwenden, allerdings nur im Rahmen von Klagen, die ihrerseits nach dem Inkrafttreten der Richtlinie erhoben wurden.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point61">61.</a>      Um reine Verfahrensvorschriften handelt es sich aber bei den hier in Rede stehenden Bestimmungen von Art. 9 Abs. 1 und Art. 10 der Richtlinie 2014/104 nicht.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point62">62.</a>      Zum einen ist der Beweiswert, der nach Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie den Entscheidungen nationaler Wettbewerbsbehörden im Hinblick auf den Nachweis von Zuwiderhandlungen gegen Art. 101 oder 102 AEUV beizumessen ist, eine Frage des materiellen Rechts.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point63">63.</a>      Und zum anderen ordnete jedenfalls das portugiesische Recht seinerzeit nach den unwidersprochenen Angaben mehrerer Verfahrensbeteiligter die Verjährung, auf die sich Art. 10 der Richtlinie bezieht, ebenfalls dem materiellen Recht zu. Solange die Frage der Verjährung von Schadensersatzansprüchen nicht harmonisiert war, blieb es der portugiesischen Rechtsordnung unbenommen, genau eine solche Zuordnung zum materiellen Recht vorzunehmen(<a href="#Footnote30" name="Footref30">30</a>). Inwieweit diese Zuordnung aufgrund der mittlerweile erfolgten Richtlinienumsetzung(<a href="#Footnote31" name="Footref31">31</a>) im Lichte des Art. 22 Abs. 2 der Richtlinie 2014/104 in Frage gestellt wird, kann, wie von mehreren Teilnehmern an der mündlichen Verhandlung richtigerweise betont wurde, letztlich dahinstehen, da solche nationale Umsetzungsvorschriften jedenfalls nicht nach altem Recht bereits verjährte Ansprüche „wiederaufleben“ lassen können. </p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point64">64.</a>      Aus Art. 22 Abs. 1 der Richtlinie 2014/104 folgt somit, dass weder Art. 9 noch Art. 10 dieser Richtlinie auf eine Klage wie die im Ausgangsrechtsstreit anhängige Anwendung finden kann, die zwar nach dem Inkrafttreten der Richtlinie erhoben wurde, sich aber auf einen Sachverhalt aus der Zeit vor dem Erlass und dem Inkrafttreten der Richtlinie bezieht(<a href="#Footnote32" name="Footref32">32</a>). Im Übrigen steht Art. 22 Abs. 2 der Richtlinie 2014/104 einer Bestimmung zur zeitlichen Anwendbarkeit der Umsetzungsvorschriften, wonach die verfahrensrechtlichen Vorschriften des betreffenden Gesetzes nicht für vor seinem Inkrafttreten erhobene Klagen gelten(<a href="#Footnote33" name="Footref33">33</a>), jedenfalls nicht entgegen.</p>
<p class="C22Titrenumerote2">B.      <b>Wirkungen der unionsrechtlichen Bestimmungen im Verhältnis zwischen Privaten (erste und sechste Vorlagefrage)</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point65">65.</a>      Mit seiner ersten Frage und der hilfsweise gestellten sechsten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob einerseits die Richtlinie 2014/104 und andererseits die „anwendbaren allgemeinen unionsrechtlichen Grundsätze“ – also namentlich Art. 102 AEUV – unmittelbare Wirkung zwischen Privaten (zwischen „Einzelnen“) entfalten können. Es empfiehlt sich, beide Fragen gemeinsam zu erörtern.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point66">66.</a>      Was Art. 102 AEUV betrifft, so entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass das in dieser Vorschrift primärrechtlich verankerte Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung in den Beziehungen zwischen Einzelnen unmittelbare Wirkungen erzeugt und unmittelbar in deren Person Rechte entstehen lässt, die die nationalen Gerichte zu wahren haben(<a href="#Footnote34" name="Footref34">34</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point67">67.</a>      Anders verhält es sich hingegen in einem Fall wie dem vorliegenden mit den Vorschriften der Richtlinie 2014/104.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point68">68.</a>      Sicherlich können auch Richtlinien durchaus unmittelbare Wirkung entfalten, wenn – wie hier inzwischen geschehen – die Frist zu ihrer Umsetzung abgelaufen ist und außerdem die in Rede stehenden Richtlinienbestimmungen inhaltlich unbedingt sowie hinreichend genau sind(<a href="#Footnote35" name="Footref35">35</a>). Allerdings kann nach ständiger Rechtsprechung eine Richtlinie nicht selbst Verpflichtungen für einen Einzelnen begründen, so dass ihm gegenüber eine Berufung auf die Richtlinie als solche nicht möglich ist(<a href="#Footnote36" name="Footref36">36</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point69">69.</a>      Im Übrigen kann der Richtlinie 2014/104 auch kein sogenannter „effet d’exclusion“(<a href="#Footnote37" name="Footref37">37</a>) dergestalt zukommen, dass mit der Richtlinie unvereinbare innerstaatliche Bestimmungen wie Art. 498 CC und Art. 623 CPC in einem Rechtsstreit zwischen Privaten schlicht unangewendet bleiben. Der Gerichtshof hat der Theorie vom „effet d’exclusion“ jüngst eine klare Absage erteilt und geurteilt, dass ein nationales Gericht nicht allein auf der Grundlage des Unionsrechts verpflichtet sein kann, etwaige mit einer Richtlinie unvereinbare innerstaatliche Vorschriften in einem Rechtsstreit zwischen Privaten unangewendet zu lassen(<a href="#Footnote38" name="Footref38">38</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point70">70.</a>      Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass eine Richtlinie schwerlich außerhalb ihrer zeitlichen Anwendungsgrenzen Geltung beanspruchen kann. Da der Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits, wie bereits ausgeführt(<a href="#Footnote39" name="Footref39">39</a>), in zeitlicher Hinsicht nicht von den Art. 9 und 10 der Richtlinie 2014/104 erfasst ist, können sich die Parteien vor dem nationalen Gericht nicht auf diese Richtlinienbestimmungen berufen.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point71">71.</a>      Als Antwort auf die erste Vorlagefrage bleibt somit festzuhalten:</p>
<p class="C02AlineaAltA">Art. 102 AEUV erzeugt in den Beziehungen zwischen Einzelnen unmittelbare Wirkungen. Hingegen können die Art. 9 und 10 der Richtlinie 2014/104 keine unmittelbare Anwendung auf einen Rechtsstreit zwischen Einzelnen finden, in dem die zivilrechtliche Klage vor Ablauf der Umsetzungsfrist dieser Richtlinie erhoben wurde und einen Sachverhalt aus der Zeit vor dem Inkrafttreten der Richtlinie betrifft.</p>
<p class="C22Titrenumerote2">C.      <b>Verjährung von Schadensersatzansprüchen für Wettbewerbsverstöße (zweite Vorlagefrage)</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point72">72.</a>      Die zweite Vorlagefrage ist der Verjährung von Schadensersatzansprüchen nach nationalem Recht gewidmet. Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob einerseits die Richtlinie 2014/104 und andererseits „anwendbare allgemeine unionsrechtliche Grundsätze“ einer Verjährungsregelung wie der portugiesischen gemäß Art. 498 Abs. 1 CC entgegenstehen, nach der die Verjährungsfrist für zivilrechtliche Schadensersatzklagen aus außervertraglicher Haftung drei Jahre beträgt, mit der bloßen Kenntniserlangung des Geschädigten vom Bestehen eines Schadens zu laufen beginnt und keine Möglichkeit der Hemmung oder Unterbrechung während eines laufenden Verwaltungsverfahrens vor der nationalen Wettbewerbsbehörde kennt.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point73">73.</a>      Da sich der vorliegende Fall, wie bereits erwähnt, außerhalb des zeitlichen Geltungsbereichs der Richtlinie 2014/104 und insbesondere ihres Art. 10 bewegt, kann eine Verjährungsregelung wie die des Art. 498 Abs. 1 CC im Ausgangsrechtsstreit lediglich am Maßstab der allgemeinen unionsrechtlichen Grundsätze gemessen werden, nicht aber am Maßstab der Richtlinie.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point74">74.</a>      Zu den allgemeinen unionsrechtlichen Grundsätzen ist anzumerken, dass die Wettbewerbsbehörden und die Gerichte der Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die Art. 101 AEUV und 102 AEUV anzuwenden und ihre wirksame Anwendung im öffentlichen Interesse sicherzustellen, wenn der Sachverhalt unter das Unionsrecht fällt(<a href="#Footnote40" name="Footref40">40</a>). Sollte also das vorlegende Gericht zu der Einsicht gelangen, dass das Geschäftsgebaren von Sport TV geeignet war, den Handel zwischen Mitgliedstaaten spürbar zu beeinträchtigen, so müsste es Art. 102 AEUV im Ausgangsrechtsstreit zur Anwendung bringen und dafür Sorge tragen, dass das Recht der Geschädigten auf Ersatz ihrer Schäden wegen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung(<a href="#Footnote41" name="Footref41">41</a>) effektiv durchgesetzt werden kann.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point75">75.</a>      Solange die mit der Richtlinie 2014/104 bewirkte Harmonisierung noch keine Anwendung findet, richtet sich die Durchsetzung dieses Rechts auf Schadensersatz weiterhin nach der innerstaatlichen Rechtsordnung des jeweiligen Mitgliedstaats, wobei der Äquivalenz- und der Effektivitätsgrundsatz zu beachten sind(<a href="#Footnote42" name="Footref42">42</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point76">76.</a>      Da die Verjährungsregelung des Art. 498 CC nach den übereinstimmenden Angaben der Verfahrensbeteiligten für unionsrechtlich begründete Schadensersatzansprüche wie auch für solche nach innerstaatlichem Recht gleichermaßen gilt, ist ein Verstoß gegen den Grundsatz der Äquivalenz hier nicht anzunehmen.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point77">77.</a>      Einer eingehenderen Prüfung bedarf hingegen die Frage, ob die besagte Verjährungsregelung mit dem Effektivitätsgrundsatz vereinbar ist, der besagt, dass die nationalen Vorschriften die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen(<a href="#Footnote43" name="Footref43">43</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point78">78.</a>      Den Umstand allein, dass eine nationale Vorschrift wie Art. 498 Abs. 1 CC Schadensersatzansprüche aus außervertraglicher Haftung einer Verjährung von drei Jahren unterwirft, wird man kaum als Verstoß gegen den Grundsatz der Effektivität ansehen können. Denn drei Jahre sind für potenziell Geschädigte eine hinreichend lange Zeit, um ihre unionsrechtlichen Ansprüche auf Schadensersatz im Klageweg vor einem innerstaatlichen Zivilgericht geltend zu machen.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point79">79.</a>      Zwar hat inzwischen Art. 10 Abs. 3 der Richtlinie 2014/104 für kartellrechtliche Schadensersatzklagen eine großzügigere Verjährungsfrist von mindestens fünf Jahren eingeführt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine bislang auf nationaler Ebene geltende kürzere gesetzliche Verjährungsfrist die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen Verstoßes gegen die unionsrechtlichen Wettbewerbsregeln von vornherein unmöglich machen oder übermäßig erschweren würde.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point80">80.</a>      Mit der harmonisierten Verjährungsfrist von mindestens fünf Jahren, wie sie nunmehr in Art. 10 Abs. 3 der Richtlinie 2014/104 vorgesehen ist, hat der Unionsgesetzgeber einen Schritt zur Verbesserung des Rechtsschutzes für die Geschädigten von Kartellvergehen unternommen. Diese Richtlinienbestimmung ist nicht etwa als bloße Kodifizierung dessen zu verstehen, was sich ohnehin schon bisher – implizit – aus dem Primärrecht ergab, namentlich aus Art. 102 AEUV und dem Grundsatz der Effektivität.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point81">81.</a>      Wie aber die Kommission zu Recht hervorhebt, genügt es bei der Prüfung der Effektivität nicht, einzelne Elemente der nationalen Verjährungsregelung isoliert zu betrachten. Vielmehr kommt es auf eine Würdigung dieser Regelung in ihrer Gesamtheit an(<a href="#Footnote44" name="Footref44">44</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point82">82.</a>      In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass eine nationale Regelung wie die portugiesische in Art. 498 Abs. 1 CC sich nicht darin erschöpft, die Verjährungsfrist auf drei Jahre zu begrenzen. Vielmehr zeichnet sich diese Regelung zum einen dadurch aus, dass die Verjährungsfrist unabhängig davon zu laufen beginnt, ob der Geschädigte die Identität der verantwortlichen Person und das gesamte Ausmaß des Schadens kennt. Zum anderen sieht diese Regelung keinerlei Hemmung oder Unterbrechung der Verjährung während eines laufenden Verfahrens vor der nationalen Wettbewerbsbehörde vor(<a href="#Footnote45" name="Footref45">45</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point83">83.</a>      Sowohl der Beginn des Laufs der Verjährungsfrist ohne Kenntnis vom Schädiger und vom Ausmaß des Schadens als auch die fehlende Hemmung oder Unterbrechung der Verjährungsfrist während eines wettbewerbsbehördlichen Verfahrens sind meines Erachtens geeignet, die Geltendmachung von kartellrechtlichen Schadensersatzansprüchen übermäßig zu erschweren.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point84">84.</a>      Einerseits ist die Kenntnis von der verantwortlichen Person auch und gerade im Kartellrecht unverzichtbar für eine erfolgreiche Geltendmachung von außervertraglichen Schadensersatzansprüchen, insbesondere im Klageweg. Denn die für Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln verantwortlichen Unternehmen sind zumeist als juristische Personen organisiert, die nicht selten in für Außenstehende schwer durchschaubare Unternehmensgruppen oder Konzernstrukturen eingebunden sind und zudem im Lauf der Zeit Gegenstand von Umstrukturierungen sein können.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point85">85.</a>      Andererseits erfordert eine zutreffende rechtliche Bewertung von Verstößen gegen die Wettbewerbsregeln in zahlreichen Fällen die Beurteilung komplexer wirtschaftlicher Zusammenhänge sowie interner Geschäftsunterlagen, die nicht selten erst durch die Arbeit der Wettbewerbsbehörden ans Licht kommen(<a href="#Footnote46" name="Footref46">46</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point86">86.</a>      Vor diesem Hintergrund ist zur zweiten Vorlagefrage festzuhalten:</p>
<p class="C02AlineaAltA">Art. 102 AEUV in Verbindung mit dem unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz steht einer Vorschrift wie Art. 498 Abs. 1 des portugiesischen Código Civil entgegen, die für außervertragliche Schadensersatzansprüche wegen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung eine Verjährungsfrist von drei Jahren festlegt, die auch dann zu laufen beginnt, wenn dem Geschädigten die verantwortliche Person sowie das gesamte Ausmaß der Schäden noch nicht bekannt sind, und die während eines Verfahrens der nationalen Wettbewerbsbehörde zur Untersuchung und Ahndung dieser Zuwiderhandlung weder gehemmt noch unterbrochen wird.</p>
<p class="C22Titrenumerote2">D.      <b>Beweiswert von Entscheidungen nationaler Wettbewerbsbehörden (dritte Vorlagefrage)</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point87">87.</a>      Die dritte Vorlagefrage betrifft den Nachweis des Wettbewerbsverstoßes, für den Schadensersatz begehrt wird. Im Kern möchte das vorlegende Gericht wissen, ob einerseits die Richtlinie 2014/104 und andererseits „anwendbare allgemeine unionsrechtliche Grundsätze“ einer Bestimmung wie der portugiesischen gemäß Art. 623 CPC entgegenstehen, nach der die rechtskräftige Feststellung einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren der nationalen Wettbewerbsbehörde in zivilrechtlichen Schadensersatzprozessen entweder keine Wirkung hat oder lediglich eine widerlegbare Vermutung darstellt.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point88">88.</a>      Da sich der vorliegende Fall, wie bereits erwähnt, außerhalb des zeitlichen Geltungsbereichs der Richtlinie 2014/104 und insbesondere ihres Art. 9 bewegt, kann eine Beweisregelung wie die des Art. 623 CPC im Ausgangsrechtsstreit lediglich am Maßstab der allgemeinen unionsrechtlichen Grundsätze gemessen werden, nicht aber am Maßstab der Richtlinie.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point89">89.</a>      Zu den allgemeinen unionsrechtlichen Grundsätzen ist, wie schon im Rahmen der zweiten Vorlagefrage(<a href="#Footnote47" name="Footref47">47</a>), anzumerken, dass die Wettbewerbsbehörden und die Gerichte der Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die Art. 101 AEUV und 102 AEUV anzuwenden und ihre wirksame Anwendung im öffentlichen Interesse sicherzustellen, wenn der Sachverhalt unter das Unionsrecht fällt. Sollte also das vorlegende Gericht zu der Einsicht gelangen, dass das Geschäftsgebaren von Sport TV geeignet war, den Handel zwischen Mitgliedstaaten spürbar zu beeinträchtigen, so müsste es Art. 102 AEUV im Ausgangsrechtsstreit zur Anwendung bringen und dafür Sorge tragen, dass das Recht der Geschädigten auf Ersatz ihrer Schäden wegen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung effektiv durchgesetzt werden kann.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point90">90.</a>      Solange die mit der Richtlinie 2014/104 bewirkte Harmonisierung noch keine Anwendung findet, richtet sich die Durchsetzung dieses Rechts auf Schadensersatz weiterhin nach der innerstaatlichen Rechtsordnung des jeweiligen Mitgliedstaats, wobei der Äquivalenz- und der Effektivitätsgrundsatz zu beachten sind(<a href="#Footnote48" name="Footref48">48</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point91">91.</a>      Da die Beweisregelung des Art. 623 CPC nach den übereinstimmenden Angaben der Verfahrensbeteiligten für unionsrechtlich begründete Schadensersatzansprüche wie auch für solche nach innerstaatlichem Recht gleichermaßen gilt, ist ein Verstoß gegen den Grundsatz der Äquivalenz hier nicht anzunehmen.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point92">92.</a>      Was den Grundsatz der Effektivität anbelangt, so ist anzumerken, dass Art. 623 CPC nach den Angaben des vorlegenden Gerichts zwei unterschiedlichen Auslegungen zugänglich ist: entweder in dem Sinne, dass die Feststellung einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln als Ordnungswidrigkeit durch die nationale Wettbewerbsbehörde keinerlei Wirkungen im zivilrechtlichen Schadensersatzprozess entfaltet, oder dahin gehend, dass von ihr lediglich eine widerlegbare Vermutung für das Vorliegen eines solchen Wettbewerbsverstoßes ausgeht.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point93">93.</a>      Einerseits würde es die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen wegen Verstößen gegen Art. 102 AEUV übermäßig erschweren, wenn man den Vorarbeiten einer Wettbewerbsbehörde im zivilrechtlichen Schadensersatzprozess keinerlei Wirkungen zugestehen würde. Angesichts der besonderen Komplexität vieler Kartellvergehen und der praktischen Schwierigkeiten für Geschädigte, diese Vergehen nachzuweisen, gebietet der Effektivitätsgrundsatz, der rechtskräftigen Feststellung einer Zuwiderhandlung durch die nationale Wettbewerbsbehörde zumindest eine Indizwirkung im Schadensersatzprozess zuzubilligen.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point94">94.</a>      Andererseits wird man dem Grundsatz der Effektivität als solchem kaum entnehmen können, dass der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung in einem zivilrechtlichen Schadensersatzprozess vor dem nationalen Richter stets unwiderleglich feststehen muss, sobald die nationale Wettbewerbsbehörde einen solchen Wettbewerbsverstoß rechtskräftig festgestellt hat.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point95">95.</a>      Mit der Einführung einer unwiderleglichen Vermutung, wie sie nunmehr in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2014/104 vorgesehen ist, hat der Unionsgesetzgeber einen Schritt zur Verbesserung des Rechtsschutzes für die Geschädigten von Kartellvergehen unternommen. Diese Richtlinienbestimmung ist nicht etwa als bloße Kodifizierung dessen zu verstehen, was sich ohnehin schon bisher – implizit – aus dem Primärrecht ergab, namentlich aus Art. 102 AEUV und dem Grundsatz der Effektivität.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point96">96.</a>      Vor dem Anwendungsbeginn des Art. 9 der Richtlinie 2014/104 war von Unionsrechts wegen lediglich Entscheidungen der Europäischen Kommission eine Bindungswirkung in Verfahren vor innerstaatlichen Gerichten zuzubilligen. Diese besondere Bindungswirkung, die aus Art. 16 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 sowie aus der Masterfoods-Rechtsprechung(<a href="#Footnote49" name="Footref49">49</a>) folgt, begründet sich mit der Schlüsselrolle der Kommission bei der Gestaltung der Wettbewerbspolitik im europäischen Binnenmarkt und letztlich auch mit dem Vorrang des Unionsrechts sowie mit der Verbindlichkeit von Beschlüssen der Unionsorgane. Sie kann nicht in gleicher Weise auf die Entscheidungen nationaler Wettbewerbsbehörden ausgedehnt werden, es sei denn, der Unionsgesetzgeber legt dies ausdrücklich fest, so wie er es für die Zukunft mit Art. 9 der Richtlinie 2014/104 getan hat.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point97">97.</a>      Alles in allem ist folglich zur dritten Vorlagefrage festzuhalten:</p>
<p class="C02AlineaAltA">Art. 102 AEUV in Verbindung mit dem Effektivitätsgrundsatz steht der Auslegung einer Vorschrift wie Art. 623 des portugiesischen Código de Processo Civil entgegen, nach der die rechtskräftige Feststellung des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung durch die nationale Wettbewerbsbehörde im zivilrechtlichen Schadensersatzprozess keinerlei Wirkungen entfaltet. Hingegen ist diese Vorschrift mit Art. 102 AEUV und dem Effektivitätsgrundsatz vereinbar, wenn sie dahin gehend verstanden wird, dass im späteren zivilrechtlichen Schadensersatzprozess aus einer solchen rechtskräftigen Feststellung durch die nationale Wettbewerbsbehörde die widerlegliche Vermutung des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung folgt.</p>
<p class="C22Titrenumerote2">E.      <b>Unionsrechtskonforme Auslegung (vierte und fünfte Vorlagefrage)</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point98">98.</a>      Mit seiner vierten sowie der hilfsweise gestellten fünften Frage begehrt das vorlegende Gericht im Wesentlichen Auskunft über Inhalt und Grenzen seiner Pflicht zur unionsrechtskonformen Auslegung nationalen Rechts, namentlich von Vorschriften wie Art. 498 Abs. 1 CC und Art. 623 CPC. Es empfiehlt sich, diese beiden Fragen gemeinsam zu erörtern.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point99">99.</a>      Nach ständiger Rechtsprechung verlangt der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung von den nationalen Gerichten, unter Berücksichtigung des gesamten innerstaatlichen Rechts und unter Anwendung der dort anerkannten Auslegungsmethoden alles zu tun, was in ihrer Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit des Unionsrechts zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem vom Unionsrecht verfolgten Ziel im Einklang steht; dies gilt für die primärrechtskonforme Auslegung(<a href="#Footnote50" name="Footref50">50</a>) ebenso wie für die sekundärrechtskonforme, insbesondere die richtlinienkonforme Auslegung(<a href="#Footnote51" name="Footref51">51</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point100">100.</a> Allerdings kann der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung nur innerhalb des Geltungsbereichs der jeweils in Rede stehenden Bestimmung des Unionsrechts wirken. Speziell mit Blick auf die Richtlinie 2014/104 bedeutet dies, dass im vorliegenden Fall keinerlei Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung bestehen kann, da der Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits, wie oben dargelegt(<a href="#Footnote52" name="Footref52">52</a>), sich außerhalb des zeitlichen Geltungsbereichs dieser Richtlinie bewegt, wie ihn ihr Art. 22 definiert.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point101">101.</a> Zwar besteht nach ständiger Rechtsprechung ein Frustrationsverbot dergestalt, dass die Mitgliedstaaten auch schon vor Ablauf der Umsetzungsfrist einer Richtlinie alles unterlassen müssen, was geeignet wäre, das in dieser Richtlinie vorgeschriebene Ziel ernstlich in Frage zu stellen(<a href="#Footnote53" name="Footref53">53</a>). Daraus folgt, dass die Behörden der Mitgliedstaaten sowie die nationalen Gerichte ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens einer Richtlinie es so weit wie möglich unterlassen müssen, das innerstaatliche Recht auf eine Weise auszulegen, die die Erreichung des mit dieser Richtlinie verfolgten Ziels nach Ablauf von deren Umsetzungsfrist ernsthaft gefährden würde(<a href="#Footnote54" name="Footref54">54</a>). Im Fall der hier interessierenden Richtlinie 2014/104 ist aber das vom Unionsgesetzgeber vorgegebene Ziel gerade die Vermeidung einer rückwirkenden Anwendung der harmonisierten Vorschriften über die Verjährung von Schadensersatzansprüchen und den Beweiswert von Entscheidungen nationaler Wettbewerbsbehörden, sei es, weil es sich um materiell-rechtliche Vorschriften, die dem Rückwirkungsverbot nach Art. 22 Abs. 1 der Richtlinie 2014/104 unterliegen, handelt, sei es, weil der nationale Gesetzgeber bei der Umsetzung der Richtlinie die Schranken einer allfälligen Rückwirkung von sonstigen Vorschriften nach Art. 22 Abs. 2 der Richtlinie jedenfalls eingehalten hat(<a href="#Footnote55" name="Footref55">55</a>). Somit kann auch aus dem Frustrationsverbot keine unionsrechtliche Pflicht für das vorlegende Gericht hergeleitet werden, in einem Fall wie dem vorliegenden ein mit der Richtlinie konformes Ergebnis zu erzielen.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point102">102.</a> Sollte allerdings das vorlegende Gericht zu der Einsicht gelangen, dass das Geschäftsgebaren von Sport TV geeignet war, den Handel zwischen Mitgliedstaaten spürbar zu beeinträchtigen(<a href="#Footnote56" name="Footref56">56</a>), so müsste es völlig unabhängig von der Richtlinie 2014/104 das unionsrechtliche Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung im Ausgangsrechtsstreit zur Anwendung bringen und dann das nationale Recht – insbesondere Art. 498 Abs. 1 CC und Art. 623 CPC – im Einklang mit Art. 102 AEUV sowie mit dem Grundsatz der Effektivität auslegen und anwenden.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point103">103.</a> Mit Blick auf den Beweiswert einer Entscheidung der nationalen Wettbewerbsbehörde bedeutet dies konkret, dass das nationale Gericht diese Entscheidung nicht kurzerhand ignorieren darf, sondern ihr – wie oben ausgeführt(<a href="#Footnote57" name="Footref57">57</a>) – im Rahmen von Art. 623 CPC zumindest eine Indizwirkung zubilligen muss.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point104">104.</a> Was die Verjährung von Schadensersatzansprüchen aus außervertraglicher Haftung anbelangt, so folgt aus dem Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung, dass das nationale Gericht das Ziel der wirksamen Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen wegen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung bei der Auslegung und Anwendung einer Vorschrift wie Art. 498 Abs. 1 CC zu berücksichtigen hat, und zwar in Bezug auf den Beginn, die Dauer und etwaige Gründe für die Hemmung oder Unterbrechung der Verjährungsfrist.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point105">105.</a> Allerdings findet der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts seine Grenze in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen und darf auch nicht als Grundlage für eine Auslegung <i>contra legem</i> des nationalen Rechts dienen(<a href="#Footnote58" name="Footref58">58</a>). Konkret bedeutet dies im vorliegenden Fall, dass keine unionsrechtliche Pflicht für das nationale Gericht besteht, entgegen dem Wortlaut von Art. 498 Abs. 1 CC und etwaiger anderer für die Verjährung einschlägiger Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts den Beginn der Verjährungsfrist bis zur Kenntnis von den Verantwortlichen und vom vollen Ausmaß des Schadens hinauszuschieben, der Verjährungsfrist eine längere Dauer als drei Jahre zu geben oder einen im nationalen Gesetz nicht bekannten, gänzlich neuen Grund für die Hemmung oder Unterbrechung der Verjährung anzuerkennen.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point106">106.</a> Zusammenfassend ist somit zur vierten und zur fünften Vorlagefrage festzuhalten:</p>
<p class="C02AlineaAltA">Bezieht sich eine zivilrechtliche Schadensersatzklage auf einen Sachverhalt, der außerhalb des zeitlichen Geltungsbereichs der Richtlinie 2014/104 liegt, so besteht keine Pflicht zur Auslegung des nationalen Rechts im Einklang mit dieser Richtlinie. Unberührt bleibt die Pflicht zur Auslegung des nationalen Rechts im Einklang mit Art. 102 AEUV, soweit Letzterer anwendbar ist, und mit dem Grundsatz der Effektivität, sofern dabei die allgemeinen Rechtsgrundsätze des Unionsrechts beachtet werden und das Unionsrecht nicht als Grundlage für eine Auslegung <i>contra legem</i> des nationalen Rechts herangezogen wird.</p>
<p class="C21Titrenumerote1">VII. <b>Ergebnis</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point107">107.</a> Aufgrund der vorstehenden Ausführungen schlage ich dem Gerichtshof vor, das Vorabentscheidungsersuchen des Tribunal Judicial da Comarca de Lisboa (Kreisgericht Lissabon, Portugal) wie folgt zu beantworten:</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">1.      Art. 102 AEUV erzeugt in den Beziehungen zwischen Einzelnen unmittelbare Wirkungen. Hingegen können die Art. 9 und 10 der Richtlinie 2014/104 keine unmittelbare Anwendung auf einen Rechtsstreit zwischen Einzelnen finden, in dem die zivilrechtliche Klage vor Ablauf der Umsetzungsfrist dieser Richtlinie erhoben wurde und einen Sachverhalt aus der Zeit vor dem Inkrafttreten der Richtlinie betrifft.</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">2.      Art. 102 AEUV in Verbindung mit dem unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz steht einer Vorschrift wie Art. 498 Abs. 1 des portugiesischen Código Civil entgegen, die für außervertragliche Schadensersatzansprüche wegen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung eine Verjährungsfrist von drei Jahren festlegt, die auch dann zu laufen beginnt, wenn dem Geschädigten die verantwortliche Person sowie das gesamte Ausmaß der Schäden noch nicht bekannt sind, und die während eines Verfahrens der nationalen Wettbewerbsbehörde zur Untersuchung und Ahndung dieser Zuwiderhandlung weder gehemmt noch unterbrochen wird.</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">3.      Art. 102 AEUV in Verbindung mit dem Effektivitätsgrundsatz steht der Auslegung einer Vorschrift wie Art. 623 des portugiesischen Código de Processo Civil entgegen, nach der die rechtskräftige Feststellung des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung durch die nationale Wettbewerbsbehörde im zivilrechtlichen Schadensersatzprozess keinerlei Wirkungen entfaltet. Hingegen ist diese Vorschrift mit Art. 102 AEUV und dem Effektivitätsgrundsatz vereinbar, wenn sie dahin gehend verstanden wird, dass im späteren zivilrechtlichen Schadensersatzprozess aus einer solchen rechtskräftigen Feststellung durch die nationale Wettbewerbsbehörde die widerlegliche Vermutung des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung folgt.</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">4.      Bezieht sich eine zivilrechtliche Schadensersatzklage auf einen Sachverhalt, der außerhalb des zeitlichen Geltungsbereichs der Richtlinie 2014/104 liegt, so besteht keine Pflicht zur Auslegung des nationalen Rechts im Einklang mit dieser Richtlinie. Unberührt bleibt die Pflicht zur Auslegung des nationalen Rechts im Einklang mit Art. 102 AEUV, soweit Letzterer anwendbar ist, und mit dem Grundsatz der Effektivität, sofern dabei die allgemeinen Rechtsgrundsätze des Unionsrechts beachtet werden und das Unionsrecht nicht als Grundlage für eine Auslegung <i>contra legem</i> des nationalen Rechts herangezogen wird.</p>
<hr/>
<p class="C40FootnoteLangue">
<a href="#Footref1" name="Footnote1">1</a>      Originalsprache: Deutsch.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref2" name="Footnote2">2</a>      Verordnung des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1, im Folgenden: Verordnung Nr. 1/2003).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref3" name="Footnote3">3</a>      Vgl. grundlegend zu dieser Thematik Urteile vom 20. September 2001, Courage und Crehan (C‑453/99, EU:C:2001:465), vom 13. Juli 2006, Manfredi u. a. (C‑295/04 bis C‑298/04, EU:C:2006:461), und vom 5. Juni 2014, Kone u. a. (C‑557/12, EU:C:2014:1317). Siehe außerdem die anhängige Rechtssache Otis Gesellschaft u. a. (C‑435/18).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref4" name="Footnote4">4</a>      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. November 2014 über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach nationalem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union (ABl. 2014, L 349, S. 1, im Folgenden auch: die Richtlinie).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref5" name="Footnote5">5</a>      Die Ausgabe des Amtsblatts, in der die Richtlinie 2014/104 veröffentlicht wurde, datiert vom 5. Dezember 2014.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref6" name="Footnote6">6</a>      Gesetz vom 5. Juni 2018 (<i>Diário da República</i> Nr. 107/2018, S. 2368).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref7" name="Footnote7">7</a>      Kreisgericht Lissabon.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref8" name="Footnote8">8</a>      Aus den Akten ergibt sich, dass Cogeco seinerzeit – direkt oder indirekt – die alleinige Kontrolle über Cabovisão ausübte.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref9" name="Footnote9">9</a>      Wettbewerbsbehörde.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref10" name="Footnote10">10</a>      Neben Sport TV waren von der Beschwerde auch noch weitere Unternehmen betroffen.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref11" name="Footnote11">11</a>      Art. 6 des portugiesischen Gesetzes Nr. 18/2003.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref12" name="Footnote12">12</a>      Aktenzeichen PRC‑02/2010.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref13" name="Footnote13">13</a>      Gericht für Wettbewerb, Regulierung und Aufsicht.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref14" name="Footnote14">14</a>      Das Tribunal da Concorrência, Regulação e Supervisão (Gericht für Wettbewerb, Regulierung und Aufsicht) sah es nicht als erwiesen an, dass das in Rede stehende Geschäftsgebaren von Sport TV geeignet war, im Sinne von Art. 102 AEUV den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref15" name="Footnote15">15</a>      Appellationshof Lissabon.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref16" name="Footnote16">16</a>      Urteil vom 4. Dezember 1974 (41/74, EU:C:1974:133, Rn. 12).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref17" name="Footnote17">17</a>      Urteil vom 22. November 2005 (C‑144/04, EU:C:2005:709).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref18" name="Footnote18">18</a>      Urteile vom 7. September 1999, Beck und Bergdorf (C‑355/97, EU:C:1999:391, Rn. 22), vom 23. Januar 2018, F. Hoffmann-La Roche u. a. (C‑179/16, EU:C:2018:25, Rn. 45), vom 29. Mai 2018, Liga van Moskeeën en Islamitische Organisaties Provincie Antwerpen u. a. (C‑426/16, EU:C:2018:335, Rn. 31), und vom 25. Juli 2018, Confédération paysanne u. a. (C‑528/16, EU:C:2018:583, Rn. 73).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref19" name="Footnote19">19</a>      Aus der in Fn. 18 angeführten ständigen Rechtsprechung ergibt sich, dass der Gerichtshof die Entscheidung über ein Ersuchen eines nationalen Gerichts nur dann verweigern darf, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn er nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref20" name="Footnote20">20</a>      Siehe dazu meine Ausführungen zur ersten und zur sechsten Vorlagefrage (unten, Nrn. 65 bis 71 dieser Schlussanträge).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref21" name="Footnote21">21</a>      Urteil vom 3. Mai 2011, Tele 2 Polska (C‑375/09, EU:C:2011:270, insbesondere Rn. 21 bis 30).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref22" name="Footnote22">22</a>      Urteile vom 19. April 2016, DI (C‑441/14, EU:C:2016:278, Rn. 29), und vom 7. August 2018, Smith (C‑122/17, EU:C:2018:631, Rn. 37); im selben Sinne bereits Urteile vom 5. Oktober 2004, Pfeiffer u. a. (C‑397/01 bis C‑403/01, EU:C:2004:584, Rn. 111), und vom 13. Juli 2006, Manfredi u. a. (C‑295/04 bis C‑298/04, EU:C:2006:461, Rn. 89).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref23" name="Footnote23">23</a>      Die Notwendigkeit, den innerstaatlichen Gerichten sachdienliche Hinweise zur Auslegung und Anwendung des Unionsrechts zu geben und zu diesem Zweck die Vorlagefragen nötigenfalls umzuformulieren, ist in ständiger Rechtsprechung anerkannt; vgl., statt vieler, Urteil vom 7. August 2018, Smith (C‑122/17, EU:C:2018:631, Rn. 34).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref24" name="Footnote24">24</a>      Urteil vom 3. Mai 2011 (C‑375/09, EU:C:2011:270, insbesondere Rn. 21 bis 30).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref25" name="Footnote25">25</a>      Siehe dazu bereits Schlussanträge des Generalanwalts Mazák in der Rechtssache Tele 2 Polska (C‑375/09, EU:C:2010:743, Nr. 32).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref26" name="Footnote26">26</a>      Vgl. dazu auch den ersten Satz des 13. Erwägungsgrundes der Richtlinie 2014/104, wonach das Recht auf Schadensersatz unabhängig von einer vorherigen Feststellung der Zuwiderhandlung durch eine Wettbewerbsbehörde anerkannt ist.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref27" name="Footnote27">27</a>      Vgl. dazu auch, statt vieler, Urteil vom 13. Juli 2006, Manfredi u. a. (C‑295/04 bis C‑298/04, EU:C:2006:461, Rn. 40 bis 42).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref28" name="Footnote28">28</a>      In diesem Sinne auch Erwägungsgründe 9 und 10 der Richtlinie 2014/104.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref29" name="Footnote29">29</a>      Vgl. dazu soeben, Nrn. 47 bis 53 dieser Schlussanträge.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref30" name="Footnote30">30</a>      Im selben Sinne, bezogen auf einen strafrechtlichen Kontext, Urteil vom 5. Dezember 2017, M.A.S. und M.B. (C‑42/17, EU:C:2017:936, Rn. 44 und 45).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref31" name="Footnote31">31</a>      Vgl. oben, Nr. 20 und Fn. 6.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref32" name="Footnote32">32</a>      Im selben Sinne Urteil vom 3. März 1994, Vaneetveld (C‑316/93, EU:C:1994:82, Rn. 16 bis 18).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref33" name="Footnote33">33</a>      Vgl. oben, Nr. 20.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref34" name="Footnote34">34</a>      Urteile vom 30. Januar 1974, BRT/SABAM (127/73, EU:C:1974:6, Rn. 16), vom 18. März 1997, Guérin automobiles/Kommission (C‑282/95 P, EU:C:1997:159, Rn. 39), vom 20. September 2001, Courage und Crehan (C‑453/99, EU:C:2001:465, Rn. 23), vom 13. Juli 2006, Manfredi u. a. (C‑295/04 bis C‑298/04, EU:C:2006:461, Rn. 39), und vom 5. Juni 2014, Kone u. a. (C‑557/12, EU:C:2014:1317, Rn. 20); im selben Sinne auch der erste Satz des dritten Erwägungsgrundes der Richtlinie 2014/104.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref35" name="Footnote35">35</a>      Grundlegend dazu Urteil vom 19. Januar 1982, Becker (8/81, EU:C:1982:7, Rn. 25); vgl. auch Urteile vom 24. Januar 2012, Dominguez (C‑282/10, EU:C:2012:33, Rn. 33), und vom 25. Juli 2018, Alheto (C‑585/16, EU:C:2018:584, Rn. 98).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref36" name="Footnote36">36</a>      Urteile vom 26. Februar 1986, Marshall (152/84, EU:C:1986:84, Rn. 48), vom 14. Juli 1994, Faccini Dori (C‑91/92, EU:C:1994:292, Rn. 20), und vom 7. August 2018, Smith (C‑122/17, EU:C:2018:631, Rn. 42).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref37" name="Footnote37">37</a>      Grundlegend zum „effet d’exclusion“ vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Léger in der Rechtssache Linster (C‑287/98, EU:C:2000:3, insbesondere Nrn. 57 und 67 bis 89).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref38" name="Footnote38">38</a>      Urteil vom 7. August 2018, Smith (C‑122/17, EU:C:2018:631, insbesondere Rn. 49).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref39" name="Footnote39">39</a>      Vgl. dazu oben, Nrn. 60 bis 64 dieser Schlussanträge.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref40" name="Footnote40">40</a>      Urteil vom 14. Juni 2011, Pfleiderer (C‑360/09, EU:C:2011:389, Rn. 19).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref41" name="Footnote41">41</a>      Zum Recht auf Schadensersatz vgl. Urteile vom 13. Juli 2006, Manfredi u. a. (C‑295/04 bis C‑298/04, EU:C:2006:461, Rn. 60 und 61), vom 6. Juni 2013, Donau Chemie u. a. (C‑536/11, EU:C:2013:366, Rn. 21), und vom 5. Juni 2014, Kone u. a. (C‑557/12, EU:C:2014:1317, Rn. 21 bis 23), jeweils bezogen auf die vergleichbare Problematik im Zusammenhang mit der verwandten Vorschrift des Art. 101 AEUV (ehemals Art. 81 EG).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref42" name="Footnote42">42</a>      Urteile vom 13. Juli 2006, Manfredi u. a. (C‑295/04 bis C‑298/04, EU:C:2006:461, Rn. 62 und 64), vom 6. Juni 2013, Donau Chemie u. a. (C‑536/11, EU:C:2013:366, Rn. 25 bis 27), und vom 5. Juni 2014, Kone u. a. (C‑557/12, EU:C:2014:1317, Rn. 24); vgl. auch elfter Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/104.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref43" name="Footnote43">43</a>      Urteile vom 13. Juli 2006, Manfredi u. a. (C‑295/04 bis C‑298/04, EU:C:2006:461, Rn. 62), vom 6. Juni 2013, Donau Chemie u. a. (C‑536/11, EU:C:2013:366, Rn. 27), und vom 5. Juni 2014, Kone u. a. (C‑557/12, EU:C:2014:1317, Rn. 25).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref44" name="Footnote44">44</a>      In diesem Sinne auch Urteil vom 13. Juli 2006, Manfredi u. a. (C‑295/04 bis C‑298/04, EU:C:2006:461, Rn. 78 bis 82), in dem der Gerichtshof die Dauer der Verjährungsfrist nicht zuletzt in Abhängigkeit vom Zeitpunkt für den Beginn der Verjährung und den Möglichkeiten einer Unterbrechung dieser Verjährung würdigt. Vgl. auch schon meine Schlussanträge in den verbundenen Rechtssachen Berlusconi u. a. (C‑387/02, C‑391/02 und C‑403/02, EU:C:2004:624, Nr. 109).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref45" name="Footnote45">45</a>      Anders etwa als norwegische Rechtsvorschriften, welche Gegenstand einer Effektivitätsprüfung im Urteil des EFTA-Gerichtshofs vom 17. September 2018, Nye Kystlink AS v Color Group AS and Color Line AS (E-10/17, Rn. 119), waren.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref46" name="Footnote46">46</a>      Siehe in diesem Sinne auch die Überlegungen im bereits zitierten Urteil des EFTA-Gerichtshofs in der Rechtssache E-10/17, Rn. 118.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref47" name="Footnote47">47</a>      Vgl. dazu oben, Nr. 74 dieser Schlussanträge.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref48" name="Footnote48">48</a>      Urteile vom 13. Juli 2006, Manfredi u. a. (C‑295/04 bis C‑298/04, EU:C:2006:461, Rn. 62 und 64), vom 6. Juni 2013, Donau Chemie u. a. (C‑536/11, EU:C:2013:366, Rn. 25 bis 27), und vom 5. Juni 2014, Kone u. a. (C‑557/12, EU:C:2014:1317, Rn. 24); vgl. auch elfter Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/104.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref49" name="Footnote49">49</a>      Urteil vom 14. Dezember 2000, Masterfoods und HB (C‑344/98, EU:C:2000:689, insbesondere Rn. 52 in Verbindung mit Rn. 46 und 49).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref50" name="Footnote50">50</a>      Urteil vom 13. Juli 2016, Pöpperl (C‑187/15, EU:C:2016:550, Rn. 43); vgl. außerdem Urteile vom 4. Februar 1988, Murphy u. a. (157/86, EU:C:1988:62, Rn. 11), und vom 11. Januar 2007, ITC (C‑208/05, EU:C:2007:16, Rn. 68).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref51" name="Footnote51">51</a>      Urteile vom 14. Juli 1994, Faccini Dori (C‑91/92, EU:C:1994:292, Rn. 26), vom 5. Oktober 2004, Pfeiffer u. a. (C‑397/01 bis C‑403/01, EU:C:2004:584, Rn. 113, 115, 118 und 119), vom 15. April 2008, Impact (C‑268/06, EU:C:2008:223, Rn. 98 und 101), und vom 7. August 2018, Smith (C‑122/17, EU:C:2018:631, Rn. 39).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref52" name="Footnote52">52</a>      Vgl. dazu oben, Nrn. 60 bis 64 dieser Schlussanträge.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref53" name="Footnote53">53</a>      In diesem Sinne Urteile vom 18. Dezember 1997, Inter-Environnement Wallonie (C‑129/96, EU:C:1997:628, Rn. 45), vom 2. Juni 2016, Pizzo (C‑27/15, EU:C:2016:404, Rn. 32), und vom 27. Oktober 2016, Milev (C‑439/16 PPU, EU:C:2016:818, Rn. 31).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref54" name="Footnote54">54</a>      Urteil vom 27. Oktober 2016, Milev (C‑439/16 PPU, EU:C:2016:818, Rn. 32); vgl. auch Urteil vom 4. Juli 2006, Adeneler u. a. (C‑212/04, EU:C:2006:443, Rn. 122 und 123).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref55" name="Footnote55">55</a>      Vgl. dazu nochmals oben, Nrn. 60 bis 64 dieser Schlussanträge. Insofern unterscheidet sich der Ausgangsfall vom Fall, der jüngst Gegenstand des Urteils vom 17. Oktober 2018, Klohn (C‑167/17, EU:C:2018:833, Rn. 39 und 40), war.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref56" name="Footnote56">56</a>      Vgl. dazu oben, insbesondere Nr. 53 dieser Schlussanträge.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref57" name="Footnote57">57</a>      Vgl. oben, Nr. 93 dieser Schlussanträge.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref58" name="Footnote58">58</a>      Urteile vom 4. Juli 2006, Adeneler u. a. (C‑212/04, EU:C:2006:443, Rn. 110), vom 19. April 2016, DI (C‑441/14, EU:C:2016:278, Rn. 32), und vom 7. August 2018, Smith (C‑122/17, EU:C:2018:631, Rn. 40).</p>
|
175,040 | eugh-2019-01-17-c-7418 | {
"id": 2,
"name": "Europäischer Gerichtshof",
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<p class="C19Centre">URTEIL DES GERICHTSHOFS (Sechste Kammer)</p>
<p class="C19Centre">17. Januar 2019(<a href="#Footnote*" name="Footref*">*</a>)</p>
<p class="C71Indicateur">„Vorlage zur Vorabentscheidung – Richtlinie 2009/138/EG – Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit – Art. 13 Nr. 13 – Begriff des ‚Mitgliedstaats, in dem das Risiko belegen ist‘ – In einem Mitgliedstaat niedergelassene Gesellschaft, die Versicherungsdienstleistungen für vertragliche Risiken im Zusammenhang mit Umwandlungen von Gesellschaften in einem anderen Mitgliedstaat erbringt – Art. 157 – Mitgliedstaat der Erhebung einer Steuer auf Versicherungsprämien“</p>
<p class="C02AlineaAltA">In der Rechtssache C‑74/18</p>
<p class="C02AlineaAltA">betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Korkein hallinto-oikeus (Oberster Verwaltungsgerichtshof, Finnland) mit Entscheidung vom 31. Januar 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 5. Februar 2018, in dem Verfahren auf Betreiben der</p>
<p class="C02AlineaAltA">
<b>A Ltd</b>
</p>
<p class="C02AlineaAltA">Beteiligte:</p>
<p class="C02AlineaAltA">
<b>Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö</b>
</p>
<p class="C02AlineaAltA">erlässt</p>
<p class="C19Centre">DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)</p>
<p class="C02AlineaAltA">unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin C. Toader sowie der Richter A. Rosas und M. Safjan (Berichterstatter),</p>
<p class="C02AlineaAltA">Generalanwalt: G. Pitruzzella,</p>
<p class="C02AlineaAltA">Kanzler: A. Calot Escobar,</p>
<p class="C02AlineaAltA">aufgrund des schriftlichen Verfahrens,      </p>
<p class="C02AlineaAltA">unter Berücksichtigung der Erklärungen</p>
<p class="C03Tiretlong">–        der finnischen Regierung, vertreten durch H. Leppo als Bevollmächtigte,</p>
<p class="C03Tiretlong">–        der Europäischen Kommission, vertreten durch H. Tserepa-Lacombe, A. Armenia und E. Paasivirta als Bevollmächtigte,</p>
<p class="C02AlineaAltA">aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,</p>
<p class="C02AlineaAltA">folgendes</p>
<p class="C75Debutdesmotifs">
<b>Urteil</b>
</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point1">1</a>        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 13 und 157 der Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II) (ABl. 2009, L 335, S. 1) in der durch die Richtlinie 2013/58/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2013 (ABl. 2013, L 341, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2009/138).</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point2">2</a>        Es ergeht im Rahmen eines Verfahrens, das das Versicherungsunternehmen A Ltd wegen seines beim keskusverolautakunta (Zentraler Steuerausschuss, Finnland) gestellten Antrags auf einen Steuervorbescheid hinsichtlich der Bestimmung des zur Erhebung einer Steuer auf Versicherungsprämien berechtigten Mitgliedstaats eingeleitet hat. </p>
<p class="C04Titre1"> <b>Rechtlicher Rahmen</b>
</p>
<p class="C05Titre2"> <b>Unionsrecht</b>
</p>
<p class="C06Titre3"> <i>Richtlinie 2009/138</i>
</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point3">3</a>        Gemäß Art. 13 Nr. 13 der Richtlinie 2009/138 bezeichnet der Ausdruck „Mitgliedstaat, in dem das Risiko belegen ist“ einen der nachfolgend genannten Mitgliedstaaten:</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">„a)      bei der Versicherung entweder von Gebäuden oder von Gebäuden und den darin befindlichen Sachen, sofern diese durch den gleichen Versicherungsvertrag gedeckt sind, den Mitgliedstaat, in dem die Immobilien belegen sind;</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">b)      bei der Versicherung von zugelassenen Fahrzeugen aller Art den Zulassungsmitgliedstaat;</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">c)      bei einem höchstens viermonatigen Vertrag zur Versicherung von Reise- oder Ferienrisiken ungeachtet des betreffenden Zweigs den Mitgliedstaat, in dem der Versicherungsnehmer den Vertrag geschlossen hat;</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">d)      in allen nicht ausdrücklich in Buchstaben a, b oder c genannten Fällen den Mitgliedstaat, in dem Folgendes belegen ist:</p>
<p class="C11Marge1avecretrait">i)      der gewöhnliche Aufenthaltsort des Versicherungsnehmers; oder</p>
<p class="C11Marge1avecretrait">ii)      wenn der Versicherungsnehmer eine juristische Person ist, die Niederlassung dieses Versicherungsnehmers, auf die sich der Vertrag bezieht.“</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point4">4</a>        Art. 157 dieser Richtlinie bestimmt:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„(1)      Unbeschadet einer späteren Harmonisierung unterliegen alle Versicherungsverträge ausschließlich den indirekten Steuern und steuerähnlichen Abgaben, die in dem Mitgliedstaat des Risikos bzw. dem Mitgliedstaat der Verpflichtung auf Versicherungsprämien erhoben werden.</p>
<p class="C02AlineaAltA">…</p>
<p class="C02AlineaAltA">(3)      Jeder Mitgliedstaat wendet auf Versicherungsunternehmen, die in seinem Hoheitsgebiet Risiken decken oder Verpflichtungen eingehen, seine einzelstaatlichen Bestimmungen an, mit denen die Erhebung der indirekten Steuern und steuerähnlichen Abgaben, die nach Absatz 1 fällig sind, sichergestellt werden soll.“</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point5">5</a>        Gemäß Art. 310 dieser Richtlinie wird die Richtlinie 88/357/EWG des Rates vom 22. Juni 1988 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) und zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs sowie zur Änderung der Richtlinie 73/239/EWG (ABl. 1988, L 172, S. 1) mit Wirkung vom 1. Januar 2016 aufgehoben und Verweisungen auf die aufgehobene Richtlinie gelten als Verweisungen auf die Richtlinie 2009/138 und sind nach Maßgabe der Entsprechungstabelle in Anhang VII dieser Richtlinie zu lesen. Dieser Tabelle zufolge entspricht Art. 13 Nr. 13 der Richtlinie 2009/138 Art. 2 Buchst. d der Richtlinie 88/357.</p>
<p class="C06Titre3"> <i>Richtlinie 88/357 </i>
</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point6">6</a>        Art. 2 der Richtlinie 88/357 sah vor:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„Im Sinne dieser Richtlinie gilt als</p>
<p class="C02AlineaAltA">…</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">d) Mitgliedstaat, in dem das Risiko belegen ist: </p>
<p class="C12Marge1avectiretlong">–        bei der Versicherung entweder von Gebäuden oder von Gebäuden und den darin befindlichen Sachen, sofern diese durch die gleiche Versicherungspolice gedeckt ist, der Mitgliedstaat, in dem die Gegenstände belegen sind, </p>
<p class="C12Marge1avectiretlong">–        bei der Versicherung von zugelassenen Fahrzeugen aller Art der Zulassungsmitgliedstaat,</p>
<p class="C12Marge1avectiretlong">–        bei einem höchstens viermonatigen Vertrag zur Versicherung von Reise- und Ferienrisiken, ungeachtet des betreffenden Zweigs der Mitgliedstaat, in dem der Versicherungsnehmer den Vertrag geschlossen hat, </p>
<p class="C12Marge1avectiretlong">–        in allen Fällen, die nicht ausdrücklich unter den vorstehenden Gedankenstrichen bezeichnet sind, der Mitgliedstaat, in dem der Versicherungsnehmer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder, wenn der Versicherungsnehmer eine juristische Person ist, der Mitgliedstaat, in dem sich die Niederlassung dieser juristischen Person befindet, auf die sich der Vertrag bezieht; </p>
<p class="C02AlineaAltA">…“ </p>
<p class="C05Titre2"> <b>Finnisches Recht</b>
</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point7">7</a>        Gemäß § 1 Abs. 1 des laki eräistä vakuutusmaksuista suoritettavasta verosta (Gesetz über die auf bestimmte Versicherungsprämien zu entrichtende Steuer) (664/1966) in der auf den Ausgangsrechtsstreit anzuwendenden Fassung ist auf eine auf Grund eines Versicherungsvertrags erhobene Versicherungsprämie, sofern in Finnland befindliches Vermögen beziehungsweise ein mit einer in Finnland ausgeübten Tätigkeit verbundenes oder ein in Finnland befindliches sonstiges Interesse versichert ist, Steuer an den Staat nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes zu entrichten. </p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point8">8</a>        Gemäß § 6 Abs. 1 des laki ulkomaisista vakuutusyhtiöistä (Gesetz über ausländische Versicherungsgesellschaften) (398/1995) ist mit einem „in Finnland belegenen Risiko“ gemeint:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„1. in Finnland belegenes Vermögen, wenn Gegenstand der Versicherung ein Grundstück oder Gebäude beziehungsweise ein Gebäude und die darin befindlichen beweglichen Sachen sind, sofern die beweglichen Sachen mit derselben Versicherung versichert sind wie das Gebäude;</p>
<p class="C02AlineaAltA">2. ein in Finnland zugelassenes Fahrzeug, wenn Gegenstand der Versicherung das Fahrzeug ist; oder </p>
<p class="C02AlineaAltA">3. ein mit einer Reise oder einem Urlaub verbundenes Risiko, wenn der betreffende Versicherungsvertrag für höchstens vier Monate geschlossen wurde und der Versicherungsnehmer den Vertrag in Finnland abgeschlossen hat.“</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point9">9</a>        Gemäß § 6 Abs. 2 dieses Gesetzes gilt in anderen als den in Abs. 1 dieser Vorschrift genannten Fällen ein Risiko als in Finnland belegen, wenn der Versicherungsnehmer dort seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort, oder, sofern der Versicherungsnehmer eine juristische Person ist, in Finnland eine Niederlassung hat, auf die sich die Versicherung bezieht.</p>
<p class="C04Titre1"> <b>Ausgangsverfahren und Vorlagefragen</b>
</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point10">10</a>      A Ltd ist Anbieterin von Versicherungsprodukten mit Sitz in Großbritannien und ist in Finnland über eine Marktlizenz tätig. Die Gesellschaft hat in Finnland keine gesonderte feste Niederlassung.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point11">11</a>      A Ltd bietet ihren Kunden u. a. Versicherungsprodukte im Zusammenhang mit Unternehmenskäufen an. Bei diesen Versicherungsprodukten handelt es sich hauptsächlich um sogenannte „Warranty & indemnity“–Versicherungen, deren Versicherungsnehmer entweder der Verkäufer oder der Erwerber ist, und um eine Haftpflichtversicherung hinsichtlich der Haftung für die steuerliche Situation des veräußerten Unternehmens (im Folgenden: Haftpflichtversicherung für die steuerliche Haftung). Der Zweck dieser Versicherungen besteht darin, eine für den Versicherungsnehmer entstandene Haftung abzudecken oder einen diesem entstandenen Vermögensschaden zu ersetzen. </p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point12">12</a>      Die vom Verkäufer oder Käufer abgeschlossenen „Warranty & indemnity“–Versicherungen bezwecken eine Übereinkunft darüber, dass die Versicherungsgesellschaft nach Maßgabe der Bedingungen des Versicherungsvertrags den Schaden deckt, der dem Käufer durch eine Verletzung der vom Verkäufer im Kaufvertrag gegebenen Zusicherungen entstanden ist. Die Funktionsweise der Haftpflichtversicherung für die steuerliche Haftung ist ähnlich, ihr Zweck besteht aber darin, die vom Verkäufer im Kaufvertrag eingegangene Zusage zu decken, dass gegen die Gesellschaft, die Gegenstand des Kaufs ist (im Folgenden: Zielgesellschaft), keine Steuern für den Zeitraum festgesetzt werden, in dem sie noch im Eigentum des Verkäufers stand. </p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point13">13</a>      Bei allen vorstehend genannten Versicherungen geht es um das mit dem Wert der Aktien verbundene vertragliche Risiko und um die Berechtigung des vom Käufer gezahlten Kaufpreises. </p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point14">14</a>      A Ltd stellte beim Zentralen Steuerausschuss einen Antrag auf einen Steuervorbescheid über die Bestimmung des zur Erhebung von Steuern auf Versicherungsprämien berechtigten Mitgliedstaats, wenn entweder der Versicherungsnehmer oder die Zielgesellschaft des Unternehmenskaufs eine ausländische juristische Person und die andere Person eine finnische Aktiengesellschaft ist.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point15">15</a>      Wie aus der Vorlageentscheidung hervorgeht, wies A Ltd in ihrem Antrag auf Steuervorbescheid darauf hin, dass die vom Verkäufer abgeschlossene „Warranty & indemnity“–Versicherung u. a. bis zu einem vereinbarten Höchstbetrag die Prozesskosten und den Schadensersatz im Zusammenhang mit einer Verletzung der vom Verkäufer im Kaufvertrag gegebenen Zusicherungen decke. In diesen Fällen hafte der Verkäufer gegenüber dem Käufer und sei verpflichtet, ihn zu entschädigen. Die Versicherung ihrerseits gleiche die dem Verkäufer entstandenen Kosten und seine Schadenshaftung gegenüber dem Käufer aus.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point16">16</a>      Hinsichtlich der vom Käufer abgeschlossenen „Warranty & indemnity“–Versicherung trug A Ltd vor, dass mit der Versicherung unmittelbar der Vermögensschaden ersetzt werden solle, der dem Käufer durch eine Verletzung der vom Verkäufer gemachten Zusicherungen entstanden sei. Des Weiteren decke die Versicherung die dem Käufer entstandenen rechtlichen Kosten, die durch eine von dritter Seite erhobene Schadensersatzforderung verursacht worden seien, die gleichzeitig zu einer Verletzung der vom Verkäufer gemachten Zusicherungen geführt habe.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point17">17</a>      In Bezug auf die Haftpflichtversicherung für die steuerliche Haftung machte A Ltd geltend, dass sie entweder den Verkäufer oder den Käufer vor der steuerlichen Haftung schütze, die für die Zielgesellschaft vor dem Verkauf entstanden sei. Die Funktionsweise dieser Haftpflichtversicherung entspreche im Übrigen den beiden Arten der „Warranty & indemnity“–Versicherung.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point18">18</a>      Die von der A Ltd angebotenen Versicherungsverträge, die eine Verbindung zu Finnland aufweisen, sehen für den Versicherungsnehmer und die Zielgesellschaft drei Optionen vor: In den meisten Fällen ist der Versicherungsnehmer, entweder der Verkäufer oder der Käufer, eine finnische Aktiengesellschaft und auch die Zielgesellschaft ist eine finnische juristische Person. Es ist aber auch möglich, dass der Versicherungsnehmer eine finnische Aktiengesellschaft und die Zielgesellschaft eine ausländische juristische Person oder dass der Versicherungsnehmer eine ausländische juristische Person und die Zielgesellschaft eine finnische Aktiengesellschaft ist.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point19">19</a>      Mit Bescheid vom 4. November 2016 stellte der Zentrale Steuerausschuss in seinem Vorbescheid für den Zeitraum vom 4. November 2016 bis zum 31. Dezember 2017 fest, dass auf die Versicherungsprämien in Finnland keine Steuer zu entrichten sei, wenn die A Ltd einer finnischen Aktiengesellschaft Versicherungen anbiete und die Zielgesellschaft eine ausländische juristische Person sei.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point20">20</a>      Dieser Ausschuss stellte weiter fest, dass auf die Versicherungsprämien in Finnland Steuer zu entrichten sei, wenn die A Ltd einer ausländischen juristischen Person Versicherungen anbiete und die Zielgesellschaft eine finnische Aktiengesellschaft sei.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point21">21</a>      In ihrer Beschwerde beim Korkein hallinto-oikeus (Oberster Verwaltungsgerichtshof, Finnland) gegen diesen Vorbescheid macht A Ltd geltend, dass der Belegenheitsmitgliedstaat des Risikos auf der Grundlage des Niederlassungsstaates des Versicherungsnehmers bestimmt werden müsste.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point22">22</a>      Die Veronsaajien Oikeudenvalvontayksikkö (Stelle zur Wahrung der Rechte der Steuerberechtigten, Finnland) hat sich dem Verfahren zur Unterstützung der Auffassung des Zentralen Steuerausschusses in seinem Steuervorbescheid angeschlossen. Unter Hinweis auf das Urteil vom 14. Juni 2001, Kvaerner (C‑191/99, EU:C:2001:332), trug diese Stelle vor, dass das Risiko den Konzern treffe, zu dem die ausländische Zielgesellschaft gehöre, und dass der Ort, an dem sich dieses Risiko befinde, nach einem Anknüpfungskriterium zugerechnet werden müsse. Der Niederlassungsort der Zielgesellschaft sei hierbei ein konkreter Faktor, auf Grund dessen der Ort, an dem das Risiko belegen sei, bestimmt werden könne. </p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point23">23</a>      Unter diesen Umständen hat der Korkein hallinto-oikeus (Oberster Verwaltungsgerichtshof) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">1.      Wird bei der Auslegung von Art. 157 Abs. 1 Unterabs. 1 in Verbindung mit Art. 13 Nrn. 13 und 14 der Richtlinie 2009/138 als zur Erhebung von Steuer auf Versicherungsprämien berechtigter Mitgliedstaat der Niederlassungsstaat der Gesellschaft (juristischen Person), die Versicherungsnehmer ist, oder der Belegenheitsstaat der Gesellschaft, die Gegenstand des Unternehmenskaufs ist, angesehen, wenn eine Versicherungsgesellschaft, die ihren Sitz im Vereinigten Königreich hat und in Finnland über keine Niederlassung verfügt, eine Versicherung zur Deckung von Risiken im Zusammenhang mit einem Unternehmenskauf</p>
<p class="C12Marge1avectiretlong">–        einer bei dem Unternehmenskauf als Käufer auftretenden, in Finnland nicht niedergelassenen Gesellschaft anbietet und die Zielgesellschaft des Unternehmenskaufs in Finnland niedergelassen ist,</p>
<p class="C12Marge1avectiretlong">–        einer bei dem Unternehmenskauf als Käufer auftretenden, in Finnland niedergelassenen Gesellschaft anbietet und die Zielgesellschaft des Unternehmenskaufs in Finnland nicht niedergelassen ist,</p>
<p class="C12Marge1avectiretlong">–        einer bei dem Unternehmenskauf als Verkäufer auftretenden, in Finnland nicht niedergelassenen Gesellschaft anbietet und die Zielgesellschaft des Unternehmenskaufs in Finnland niedergelassen ist,</p>
<p class="C12Marge1avectiretlong">–        einer bei dem Unternehmenskauf als Verkäufer auftretenden, in Finnland niedergelassenen Gesellschaft anbietet und die Zielgesellschaft des Unternehmenskaufs in Finnland nicht niedergelassen ist?</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">2.      Ist in der Rechtssache von Bedeutung, dass die Versicherung nur die steuerliche Haftung abdeckt, die vor der Durchführung des Unternehmenskaufs für die Zielgesellschaft entstanden ist?</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">3.      Ist in der Rechtssache von Bedeutung, ob Gegenstand des Unternehmenskaufs die Aktien oder ein Geschäftsbereich der Zielgesellschaft sind?</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">4.      Ist in einer Situation, in der Gegenstand des Unternehmenskaufs die Aktien der Zielgesellschaft sind, von Bedeutung, dass sich die Zusicherungen, die der Verkäufer dem Käufer gemacht hat, nur darauf beziehen, dass dem Verkäufer das Eigentum an den verkauften Aktien zusteht und sich keinerlei Forderungen Dritter darauf richten? </p>
<p class="C04Titre1"> <b>Zu den Vorlagefragen</b>
</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point24">24</a>      Mit seinen vier Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 157 Abs. 1 Unterabs. 1 in Verbindung mit Art. 13 Nr. 13 der Richtlinie 2009/138 dahin auszulegen ist, dass, wenn eine Versicherungsgesellschaft mit Sitz in einem Mitgliedstaat eine Versicherung zur Deckung von vertraglichen Risiken im Zusammenhang mit dem Wert der Aktien und der Berechtigung des vom Käufer beim Erwerb eines Unternehmens gezahlten Kaufpreises anbietet, ein in diesem Rahmen geschlossener Versicherungsvertrag ausschließlich den indirekten Steuern und steuerähnlichen Abgaben unterliegt, die in dem Mitgliedstaat, in dem der Versicherungsnehmer niedergelassen ist, oder in dem Mitgliedstaat, in dem die Zielgesellschaft niedergelassen ist, auf Versicherungsprämien erhoben werden.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point25">25</a>      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass sich aus dem Wortlaut von Art. 157 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2009/138 ergibt, dass unbeschadet einer späteren Harmonisierung alle Versicherungsverträge ausschließlich den indirekten und steuerähnlichen Abgaben unterliegen, die in dem Mitgliedstaat des Risikos auf Versicherungsprämien erhoben werden.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point26">26</a>      Es ist auch festzustellen, dass gemäß Art. 13 Nr. 13 Buchst. d Ziff. ii der Richtlinie 2009/138 der Ausdruck „Mitgliedstaat, in dem das Risiko belegen ist“ für die Zwecke dieser Richtlinie den Mitgliedstaat bezeichnet, in dem sich, wenn der Versicherungsnehmer eine juristische Person ist, die Niederlassung dieser juristischen Person, auf die sich der Vertrag bezieht, befindet.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point27">27</a>      Da somit unter Umständen wie denjenigen des Ausgangsverfahrens der Versicherungsnehmer eine juristische Person ist, ist zur Beantwortung der Vorlagefragen der Mitgliedstaat zu bestimmen, in dem sich im Sinne von Art. 13 Nr. 13 Buchst. d Ziff. ii der Richtlinie 2009/138 die Niederlassung des Versicherungsnehmers befindet, auf die sich die Versicherungsverträge beziehen.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point28">28</a>      Dazu ist, da Art. 13 Nr. 13 der Richtlinie 2009/138 nach der Tabelle in Anhang VII dieser Richtlinie Art. 2 Buchst. d der Richtlinie 88/357 entspricht, auf die Tragweite von Art. 2 Buchst. d letzter Gedankenstrich der Richtlinie 88/357, die mit derjenigen von Art. 13 Nr. 13 Buchst. d Ziff. ii der Richtlinie 2009/138 identisch ist, und auf die hierzu ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs zu verweisen.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point29">29</a>      Zum einen hat der Gerichtshof dazu ausgeführt, dass aus Art. 2 Buchst. d erster bis vierter Gedankenstrich der Richtlinie 88/357 hervorgeht, dass der Unionsgesetzgeber für alle versicherten Risiken eine Lösung vorschlagen wollte, die die Bestimmung des Staates, in dem das Risiko belegen ist, dadurch ermöglicht, dass sie auf konkrete und physische Merkmale statt auf rechtliche Merkmale abstellt. Jedem Risiko sollte ein konkreter Anknüpfungspunkt entsprechen, der seine Zuordnung zu einem bestimmten Mitgliedstaat ermöglicht (Urteil vom 14. Juni 2001, Kvaerner, C‑191/99, EU:C:2001:332, Rn. 44). </p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point30">30</a>      Zum anderen hat er erläutert, dass Art. 2 Buchst. d letzter Gedankenstrich dieser Richtlinie u. a. dem Zweck dient, eine Auffangregelung für die Bestimmung des Ortes zu treffen, an dem ein betriebliches Risiko belegen ist, wenn dieses Risiko nicht speziell mit einem Gebäude, einem Fahrzeug oder einer Reise verbunden ist. Zu diesem Zweck wird auf den Ort abgestellt, an dem die Tätigkeit ausgeübt wird, deren Risiko durch den Vertrag gedeckt wird (Urteil vom 14. Juni 2001, Kvaerner, C‑191/99, EU:C:2001:332, Rn. 46).</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point31">31</a>      Aus dieser Rechtsprechung folgt, dass für die Bestimmung des Mitgliedstaats, in dem das Risiko belegen ist, im Sinne von Art. 157 Abs. 1 der Richtlinie 2009/138 insbesondere die genaue Tätigkeit zu identifizieren ist, deren Risiken von den verschiedenen im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Versicherungsverträgen gedeckt sind. </p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point32">32</a>      Nach der Vorlageentscheidung geht es im Ausgangsverfahren um verschiedene Arten von Verträgen, die verschiedene Arten von Risiken erfassen. </p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point33">33</a>      Erstens soll mit der entweder vom Käufer oder vom Verkäufer der Zielgesellschaft abgeschlossenen „Warranty & indemnity“–Versicherung der Schaden abgedeckt werden, der dem Käufer durch eine Verletzung der vom Verkäufer im Kaufvertrag gegebenen Zusicherungen entstanden ist. </p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point34">34</a>      Zweitens soll die Haftpflichtversicherung für die steuerliche Haftung das Risiko im Zusammenhang mit der Zusage decken, die der Verkäufer der Zielgesellschaft in Bezug auf die steuerliche Situation dieser Gesellschaft zum Zeitpunkt des Kaufs für den Zeitraum vor Übertragung des Eigentums an den Erwerber gemacht hat, und schützt somit entweder den Verkäufer oder den Erwerber vor der Haftung, die für die Zielgesellschaft vor ihrem Erwerb möglicherweise entstanden ist.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point35">35</a>      Im Hinblick auf die in den vorstehenden Randnummern dargelegten Schutzziele sollen die Versicherungsverträge in jedem dieser Fälle ausschließlich den Versicherungsnehmer vor dem mit der Verletzung der Zusicherungen und Verpflichtungen, die der Verkäufer beim Verkauf gemacht hat, verbundenen Risiko schützen, unabhängig davon, ob er als Erwerber oder als Verkäufer der Zielgesellschaft handelt. </p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point36">36</a>      Wie aus der Vorlageentscheidung ausdrücklich hervorgeht, betreffen diese im Ausgangsverfahren in Rede stehenden drei Arten von Versicherungsverträgen die Versicherung gegen das mit dem Wert der Aktien und der Berechtigung des vom Käufer gezahlten Kaufpreises verbundene vertragliche Risiko. Die Versicherung umfasst nur die Verringerung des Werts der Aktien, die durch Umstände verursacht wird, die Gegenstand von gesonderten Zusicherungen des Verkäufers beim Abschluss des Kaufvertrags waren.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point37">37</a>      Denn weder die „Warranty & indemnity“–Versicherungen noch die Haftpflichtversicherung für die steuerliche Haftung sollen die Risiken eventueller Schäden oder finanzieller Verluste im Zusammenhang mit dem Betrieb der Zielgesellschaft oder ihrem reibungslosen Funktionieren abdecken.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point38">38</a>      Es würde am Wortlaut von Art. 13 Nr. 13 Buchst. d Ziff. ii der Richtlinie 2009/138 scheitern, den Ort, an dem die Tätigkeit, deren Risiko durch den Versicherungsvertrag erfasst ist, automatisch anhand des Ortes, an dem die Zielgesellschaft niedergelassen ist, zu bestimmen – wie die finnische Regierung vorschlägt –, da nach dieser Bestimmung klar ist, dass zur Bestimmung des Mitgliedstaats, an dem das Risiko belegen ist, der Ort der Niederlassung des „Versicherungsnehmers“ maßgebend ist.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point39">39</a>      In dem Fall, dass der Erwerber eines Unternehmens als Versicherungsnehmer den Versicherungsvertrag abgeschlossen hat, kann aber dieses Unternehmen erst ab dem Zeitpunkt, zu dem die Übertragung des Eigentums an diesem Unternehmen stattgefunden hat, als „Niederlassung des Versicherungsnehmers“ angesehen werden. </p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point40">40</a>      Das Gleiche gilt im gegenteiligen Fall, in dem der Verkäufer des Unternehmens den Versicherungsvertrag abgeschlossen hat. In diesem Fall kann das Unternehmen nur bis zu demselben Zeitpunkt als „Niederlassung des Versicherungsnehmers“ angesehen werden.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point41">41</a>      Angesichts des Vorstehenden ist zum einen festzustellen, dass der Ort, an dem die Tätigkeit, deren Risiko von den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Versicherungsverträgen erfasst ist, ausgeübt wird, der Ort der Niederlassung des Versicherungsnehmers ist, bei dem es sich je nach dem Gegenstand des fraglichen Versicherungsvertrags entweder um den Verkäufer oder den Erwerber handelt, und nicht der Ort der Niederlassung der Zielgesellschaft. </p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point42">42</a>      Zum anderen folgt aus dem Vorstehenden, dass die in der zweiten bis vierten Vorlagefrage dargelegten Umstände im vorliegenden Fall keine Auswirkungen haben.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point43">43</a>      Auf die Vorlagefragen ist somit zu antworten, dass Art. 157 Abs. 1 Unterabs. 1 in Verbindung mit Art. 13 Nr. 13 der Richtlinie 2009/138 dahin auszulegen ist, dass, wenn eine Versicherungsgesellschaft mit Sitz in einem Mitgliedstaat eine Versicherung zur Deckung von vertraglichen Risiken im Zusammenhang mit dem Wert der Aktien und der Berechtigung des vom Käufer beim Erwerb eines Unternehmens gezahlten Kaufpreises anbietet, ein in diesem Rahmen geschlossener Versicherungsvertrag ausschließlich den indirekten Steuern und steuerähnlichen Abgaben unterliegt, die in dem Mitgliedstaat, in dem der Versicherungsnehmer niedergelassen ist, auf Versicherungsprämien erhoben werden.</p>
<p class="C04Titre1"> <b>Kosten</b>
</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point44">44</a>      Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.</p>
<p class="C41DispositifIntroduction">Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Sechste Kammer) für Recht erkannt:</p>
<p class="C30Dispositifalinea">
<b>Art. 157 Abs. 1 Unterabs. 1 in Verbindung mit Art. 13 Nr. 13 der Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II) in der durch die Richtlinie 2013/58/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2013 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass, wenn eine Versicherungsgesellschaft mit Sitz in einem Mitgliedstaat eine Versicherung zur Deckung von vertraglichen Risiken im Zusammenhang mit dem Wert der Aktien und der Berechtigung des vom Käufer beim Erwerb eines Unternehmens gezahlten Kaufpreises anbietet, ein in diesem Rahmen geschlossener Versicherungsvertrag ausschließlich den indirekten Steuern und steuerähnlichen Abgaben unterliegt, die in dem Mitgliedstaat, in dem der Versicherungsnehmer niedergelassen ist, auf Versicherungsprämien erhoben werden.</b>
</p>
<p class="C77Signatures">Unterschriften</p>
<hr/>
<p class="C42FootnoteLangue">
<a href="#Footref*" name="Footnote*">*</a>      Verfahrenssprache: Finnisch.</p>
|
175,039 | eugh-2019-01-17-c-63917 | {
"id": 2,
"name": "Europäischer Gerichtshof",
"slug": "eugh",
"city": null,
"state": 19,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": null
} | C-639/17 | 2019-01-17T00:00:00 | 2019-01-31T19:20:56 | 2019-01-31T19:20:56 | Urteil | ECLI:EU:C:2019:31 | <p>Vorläufige Fassung</p>
<p class="C19Centre">URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)</p>
<p class="C19Centre">17. Januar 2019(<a href="#Footnote*" name="Footref*">*</a>)</p>
<p class="C71Indicateur">„Vorlage zur Vorabentscheidung – Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und ‑abrechnungssystemen – Richtlinie 98/26/EG – Geltungsbereich – Begriff ‚Zahlungs- bzw. Übertragungsauftrag‘ – Zahlungsauftrag, den ein Inhaber eines gewöhnlichen Girokontos einem Kreditinstitut erteilt hat, das anschließend für zahlungsunfähig erklärt worden ist“</p>
<p class="C02AlineaAltA">In der Rechtssache C‑639/17</p>
<p class="C02AlineaAltA">betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Augstākā tiesa (Oberster Gerichtshof, Lettland) mit Entscheidung vom 8. November 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 15. November 2017, in dem Verfahren</p>
<p class="C02AlineaAltA">
<b>SIA „KPMG Baltics“</b> als Insolvenzverwalterin der AS „Latvijas Krājbanka“</p>
<p class="C02AlineaAltA">gegen</p>
<p class="C02AlineaAltA">
<b>SIA „Ķipars AI“</b>
</p>
<p class="C02AlineaAltA">erlässt</p>
<p class="C19Centre">DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)</p>
<p class="C02AlineaAltA">unter Mitwirkung des Präsidenten der Siebten Kammer T. von Danwitz (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Vierten Kammer, der Richterin K. Jürimäe sowie der Richter C. Lycourgos, E. Juhász und C. Vajda,</p>
<p class="C02AlineaAltA">Generalanwalt: M. Szpunar,</p>
<p class="C02AlineaAltA">Kanzler: A. Calot Escobar,</p>
<p class="C02AlineaAltA">aufgrund des schriftlichen Verfahrens,</p>
<p class="C02AlineaAltA">unter Berücksichtigung der Erklärungen</p>
<p class="C03Tiretlong">–        der SIA „KPMG Baltics“ als Insolvenzverwalterin der AS „Latvijas Krājbanka“, Prozessbevollmächtigter: J. Ozoliņš, </p>
<p class="C03Tiretlong">–        der lettischen Regierung, vertreten durch I. Kucina und E. Petrocka-Petrovska als Bevollmächtigte,</p>
<p class="C03Tiretlong">–        der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek, J. Vláčil und O. Serdula als Bevollmächtigte,</p>
<p class="C03Tiretlong">–        der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von G. Rocchitta, avvocato dello Stato,</p>
<p class="C03Tiretlong">–        der Europäischen Kommission, vertreten durch H. Tserepa-Lacombe und I. Rubene als Bevollmächtigte,</p>
<p class="C02AlineaAltA">aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,</p>
<p class="C02AlineaAltA">folgendes</p>
<p class="C75Debutdesmotifs">
<b>Urteil</b>
</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point1">1</a>        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 98/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 1998 über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und ‑abrechnungssystemen (ABl. 1998, L 166, S. 45) in der durch die Richtlinie 2009/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 (ABl. 2009, L 146, S. 37) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 98/26).</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point2">2</a>        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der SIA „KPMG Baltics“ als Insolvenzverwalterin der AS „Latvijas Krājbanka“ und der SIA „Ķipars AI“ wegen der Ausführung eines von Letzterer der Latvijas Krājbanka erteilten Zahlungsauftrags.</p>
<p class="C04Titre1"> <b>Rechtlicher Rahmen</b>
</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point3">3</a>        In den Erwägungsgründen 1 bis 4 der Richtlinie 98/26 heißt es:</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">„(1)      Im Lamfalussy-Bericht von 1990 an die GlO-Zentralbankpräsidenten wurde das nicht zu unterschätzende Systemrisiko in Zahlungssystemen aufgezeigt, die auf der Grundlage verschiedener – insbesondere multilateraler – Formen der Aufrechnung (netting) von Zahlungsaufträgen arbeiten. Die Verringerung der rechtlichen Risiken im Zusammenhang mit der Teilnahme an Systemen, die auf der Basis der Bruttoabwicklung in Echtzeit (‚Real Time Gross Settlement‘) arbeiten, ist eine vorrangige Aufgabe, da diese Systeme immer mehr an Bedeutung gewinnen.</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">(2)      Es ist ferner überaus wichtig, das mit der Teilnahme an Wertpapierliefer- und ‑abrechnungssystemen verbundene Risiko zu vermindern, insbesondere wenn enge Beziehungen zwischen derartigen Systemen und Zahlungssystemen bestehen.</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">(3)      Diese Richtlinie soll zur effizienten und kostengünstigen Abwicklung grenzüberschreitender Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und ‑abrechnungsvereinbarungen in der Europäischen Gemeinschaft beitragen, was die Freiheit des Kapitalverkehrs im Binnenmarkt stärkt. … </p>
<p class="C09Marge0avecretrait">(4)      Es ist wünschenswert, dass die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten darauf gerichtet sind, die Beeinträchtigung eines Systems im Fall von Insolvenzverfahren gegen einen Teilnehmer des betreffenden Systems so gering wie möglich zu halten.“</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point4">4</a>        Art. 1 der Richtlinie bestimmt:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„Diese Richtlinie gilt</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">a)      für Systeme im Sinne des Artikels 2 Buchstabe a), die dem Recht eines Mitgliedstaates unterliegen und in einer beliebigen Währung, in Euro oder in verschiedenen Währungen, die das System gegenseitig konvertiert, arbeiten;</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">b)      für Teilnehmer eines solchen Systems;</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">c)      für dingliche Sicherheiten im Zusammenhang mit</p>
<p class="C12Marge1avectiretlong">–        der Teilnahme an einem System oder</p>
<p class="C12Marge1avectiretlong">–        Maßnahmen der Zentralbanken der Mitgliedstaaten oder der Europäischen Zentralbank im Rahmen ihrer besonderen Aufgabenstellung als Zentralbanken.“</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point5">5</a>        Art. 2 der Richtlinie sieht vor:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">a)      ‚System‘ eine förmliche Vereinbarung,</p>
<p class="C12Marge1avectiretlong">–        Die – ohne den Betreiber dieses Systems, einer etwaigen Verrechnungsstelle, zentralen Vertragspartei oder Clearingstelle oder eines etwaigen indirekten Teilnehmers – zwischen mindestens drei Teilnehmern getroffen wurde und gemeinsame Regeln und vereinheitlichte Vorgaben für das Clearing, mit oder ohne Einschaltung einer zentralen Vertragspartei, oder die Ausführung von Zahlungs- bzw. Übertragungsaufträgen zwischen den Teilnehmern vorsieht,</p>
<p class="C12Marge1avectiretlong">–        die dem Recht eines von den Teilnehmern gewählten Mitgliedstaats unterliegt; die Teilnehmer können sich jedoch nur für das Recht eines Mitgliedstaats entscheiden, in dem zumindest einer von ihnen seine Hauptverwaltung hat, und</p>
<p class="C12Marge1avectiretlong">–        die unbeschadet anderer, weitergehender einzelstaatlicher Vorschriften von allgemeiner Geltung als System angesehen wird und der Kommission von dem Mitgliedstaat, dessen Recht maßgeblich ist, gemeldet worden ist, nachdem der Mitgliedstaat sich von der Zweckdienlichkeit der Regeln des Systems überzeugt hat.</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">…</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">b)      ‚Institut‘ </p>
<p class="C12Marge1avectiretlong">–        Kreditinstitute im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 der [Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (ABl. 2006, L 177, S. 1)] einschließlich der in Artikel 2 derselben Richtlinie bezeichneten Institute,</p>
<p class="C12Marge1avectiretlong">–        Wertpapierfirmen im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 Nummer 1 der [Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates (ABl. 2004, L 145, S. 1)], mit Ausnahme der in Artikel 2 Absatz 1 derselben Richtlinie bezeichneten Institute,</p>
<p class="C12Marge1avectiretlong">–        öffentlich-rechtliche Körperschaften sowie Unternehmen, die mit einer öffentlichen Garantie ausgestattet sind, oder</p>
<p class="C12Marge1avectiretlong">–        Unternehmen mit Hauptverwaltung außerhalb der [Union], deren Tätigkeit der eines Kreditinstituts oder einer Wertpapierfirma der Gemeinschaft im Sinne des ersten und zweiten Gedankenstrichs entspricht,</p>
<p class="C10Marge1">die Teilnehmer eines Systems sind und für die Erfüllung der finanziellen Verpflichtungen aufgrund von Zahlungs- bzw. Übertragungsaufträgen innerhalb dieses Systems haften.</p>
<p class="C10Marge1">…</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">c)      ‚zentrale Vertragspartei‘ eine Stelle, die in einem System zwischen den Instituten eingeschaltet ist und in Bezug auf die Zahlungs- bzw. Übertragungsaufträge dieser Institute als deren ausschließliche Vertragspartei fungierte;</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">d)      ‚Verrechnungsstelle‘ eine Stelle, die Instituten und/oder einer zentralen Vertragspartei, die Teilnehmer von Systemen sind, Konten, über die die Zahlungs- bzw. Übertragungsaufträge innerhalb des Systems abgewickelt werden, zur Verfügung stellt und die diesen Instituten und/oder zentralen Vertragsparteien gegebenenfalls Kredit zum Zweck des Zahlungsausgleichs sowie des Ausgleichs von Verpflichtungen zur Lieferung von Wertpapieren gewährt;</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">e)      ‚Clearingstelle‘ eine Organisation, die für die Berechnung der Nettopositionen der Institute, einer etwaigen zentralen Vertragspartei und/oder einer etwaigen Verrechnungsstelle zuständig ist;</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">f)      ‚Teilnehmer‘ ein Institut, eine zentrale Vertragspartei, eine Verrechnungsstelle, eine Clearingstelle oder ein Systembetreiber.</p>
<p class="C10Marge1">Je nach den Regeln des Systems kann ein und derselbe Teilnehmer als zentrale Vertragspartei, als Verrechnungsstelle oder als Clearingstelle auftreten oder alle diese Funktionen ganz oder teilweise ausüben.</p>
<p class="C10Marge1">Ein Mitgliedstaat kann entscheiden, dass ein indirekter Teilnehmer für die Zwecke dieser Richtlinie als Teilnehmer betrachtet werden kann, wenn dies unter dem Gesichtspunkt des Systemrisikos gerechtfertigt ist. Gilt ein indirekter Teilnehmer unter dem Gesichtspunkt des Systemrisikos als Teilnehmer, wird die Verantwortlichkeit des Teilnehmers, über den der indirekte Teilnehmer Zahlungs- bzw. Übertragungsaufträge in das System einbringt, hierdurch nicht eingeschränkt;</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">g)      ‚indirekter Teilnehmer‘ ein Institut, eine zentrale Vertragspartei, eine Verrechnungsstelle, eine Clearingstelle oder ein Systembetreiber mit einer vertraglichen Beziehung zu einem Teilnehmer eines Systems zur Ausführung von Zahlungs- bzw. Übertragungsaufträgen, wodurch der indirekte Teilnehmer in die Lage versetzt wird, Zahlungs- bzw. Übertragungsaufträge in das System einzubringen, sofern der indirekte Teilnehmer dem Systembetreiber bekannt ist;</p>
<p class="C02AlineaAltA">…</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">i)      ‚Zahlungs- bzw. Übertragungsauftrag‘</p>
<p class="C12Marge1avectiretlong">–        eine Weisung eines Teilnehmers, einem Endbegünstigten einen bestimmten Geldbetrag mittels Verbuchung auf dem Konto eines Kreditinstituts, einer Zentralbank, einer zentralen Vertragspartei oder einer Verrechnungsstelle zur Verfügung zu stellen, oder eine Weisung, die die Übernahme oder Erfüllung einer Zahlungsverpflichtung im Sinne der Regeln des Systems nach sich zieht (Zahlungsauftrag), oder</p>
<p class="C12Marge1avectiretlong">–        eine Weisung eines Teilnehmers, die auf die Übertragung des Eigentums an Wertpapieren oder eines Anspruchs auf Übereignung von Wertpapieren im Wege der Verbuchung oder auf sonstige Weise gerichtet ist (Übertragungsauftrag);</p>
<p class="C02AlineaAltA">… </p>
<p class="C09Marge0avecretrait">p)      ‚Systembetreiber‘ die Stelle oder Stellen, die in rechtlicher Hinsicht für den Betrieb eines Systems verantwortlich sind. Ein Systembetreiber kann auch als Verrechnungsstelle, zentrale Vertragspartei oder Clearingstelle agieren.“</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point6">6</a>        In Art. 3 der Richtlinie heißt es:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„(1)      Zahlungs- bzw. Übertragungsaufträge und Aufrechnungen (netting) sind rechtlich verbindlich und auch im Fall eines Insolvenzverfahrens gegen einen Teilnehmer Dritten gegenüber wirksam, sofern die Zahlungs- bzw. Übertragungsaufträge vor dem Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß Artikel 6 Absatz 1 in das System eingebracht wurden. Dies gilt auch im Fall eines Insolvenzverfahrens gegen einen Teilnehmer (des betreffenden Systems oder eines interoperablen Systems) oder gegen den Betreiber eines interoperablen Systems, der selbst nicht Teilnehmer des Systems ist.</p>
<p class="C02AlineaAltA">…</p>
<p class="C02AlineaAltA">(3)      Der Zeitpunkt des Einbringens eines Zahlungs- bzw. Übertragungsauftrags in ein System wird nach den Regeln des betreffenden Systems bestimmt. Enthält das für das System maßgebliche einzelstaatliche Recht Bestimmungen über den Zeitpunkt des Einbringens, so müssen die Regeln des Systems mit diesen Bestimmungen in Einklang stehen.</p>
<p class="C02AlineaAltA">…“</p>
<p class="C04Titre1"> <b>Ausgangsverfahren und Vorlagefragen</b>
</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point7">7</a>        Am 17. November 2011 erteilte Ķipars AI als Inhaberin eines gewöhnlichen Girokontos bei der Latvijas Krājbanka dieser den Auftrag, sämtliche auf diesem Girokonto verfügbaren Gelder auf ein anderes Konto, das sie bei einem anderen Bankinstitut unterhielt, zu übertragen. Dieser Auftrag wurde in das interne Abrechnungssystem der Latvijas Krājbanka eingebracht und die Gelder wurden vom von Ķipars AI dort unterhaltenen Girokonto abgebucht und zum Zweck der Übertragung auf einem Zwischenkonto der Latvijas Krājbanka verbucht. Der Zahlungsauftrag wurde jedoch nicht vollständig ausgeführt, da die Finanšu un kapitāla tirgus komisija (Finanz- und Kapitalmarktkommission, Lettland) einige Stunden später der Latvijas Krājbanka die Ausführung jeglicher Lastschriftgeschäfte mit einem Wert von mehr als 100 000 Euro untersagte und diese Bank danach für zahlungsunfähig erklärt wurde. KPMG Baltics wurde zur Insolvenzverwalterin der Latvijas Krājbanka bestellt.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point8">8</a>        Nachdem das erstinstanzliche und das Berufungsgericht der von Ķipars AI erhobenen Klage auf Ausführung des Zahlungsauftrags stattgegeben hatten, legte KPMG Baltics beim vorlegenden Gericht Kassationsbeschwerde ein. Ķipars AI beruft sich im Kassationsbeschwerdeverfahren insbesondere auf die Bestimmungen der Richtlinie 98/26. Das vorlegende Gericht ist zwar grundsätzlich der Ansicht, dass diese Richtlinie in den Beziehungen zwischen Privatpersonen und Kreditinstituten und somit auf den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Zahlungsauftrag nicht anwendbar sei, hat insoweit aber gleichwohl Zweifel, da es annimmt, dass der Begriff „Zahlungs- bzw. Übertragungsauftrag“ im Sinne der Richtlinie in Anbetracht der Natur der Übertragung der Gelder auch einen solchen Zahlungsauftrag erfassen könnte.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point9">9</a>        Unter diesen Umständen hat die Augstākā tiesa (Oberster Gerichtshof, Lettland) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">1.      Umfasst der Begriff „Zahlungs- bzw. Übertragungsauftrag“ im Sinne der Richtlinie 98/26 einen Zahlungsauftrag, den ein Einleger einem Kreditinstitut zur Überweisung von Geldern an ein anderes Kreditinstitut erteilt hat?</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">2.      Falls die erste Frage bejaht wird: Ist Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 98/26, wonach „Zahlungs- bzw. Übertragungsaufträge und Aufrechnungen (netting) … rechtlich verbindlich und auch im Fall eines Insolvenzverfahrens gegen einen Teilnehmer Dritten gegenüber wirksam [sind], sofern die Zahlungs- bzw. Übertragungsaufträge vor dem Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß Artikel 6 Absatz 1 in das System eingebracht wurden, [und] [d]ies … auch im Fall eines Insolvenzverfahrens gegen einen Teilnehmer (des betreffenden Systems oder eines interoperablen Systems) oder gegen den Betreiber eines interoperablen Systems [gilt], der selbst nicht Teilnehmer des Systems ist“, dahin auszulegen, dass ein Auftrag wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende als „in das System eingebracht“ anzusehen ist und ausgeführt werden muss? </p>
<p class="C04Titre1"> <b>Zur Zuständigkeit des Gerichtshofs</b>
</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point10">10</a>      KPMG Baltics und die lettische Regierung machen im Wesentlichen geltend, der Gerichtshof sei für die Beantwortung der Vorlagefragen nicht zuständig, da der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Zahlungsauftrag nicht in den Geltungsbereich der Richtlinie 98/26 falle und der Ausgangsrechtsstreit keinen Bezug zum Unionsrecht aufweise.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point11">11</a>      Hierzu ist zum einen darauf hinzuweisen, dass das vorlegende Gericht mit seiner ersten Frage gerade feststellen möchte, ob der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Zahlungsauftrag unter den Begriff „Zahlungs- bzw. Übertragungsauftrag“ im Sinne der Richtlinie 98/26 und somit in den Geltungsbereich dieser Richtlinie fällt. Das Vorbringen von KPMG Baltics und der lettischen Regierung, wonach dieser Zahlungsauftrag nicht in den Geltungsbereich der Richtlinie falle, ist demzufolge untrennbar mit der Antwort verbunden, die auf die erste Frage zu geben ist, und lässt somit die Zuständigkeit des Gerichtshofs für die Beantwortung dieser Frage unberührt (vgl. entsprechend Urteile vom 10. September 2015, Wojciechowski, C‑408/14, EU:C:2015:591, Rn. 29, und vom 26. September 2018, Staatssecretaris van Veiligheid en justitie [Aufschiebende Wirkung des Rechtsmittels], C‑180/17, EU:C:2018:775, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point12">12</a>      Zum anderen wird die zweite Frage nur für den Fall gestellt, dass die erste Frage bejaht wird, d. h. für den Fall, dass der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Zahlungsauftrag in den Geltungsbereich der Richtlinie 98/26 fällt. Unter diesen Umständen kann auch die zweite Frage nicht als außerhalb der Zuständigkeit des Gerichtshofs liegend angesehen werden.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point13">13</a>      Der Gerichtshof ist daher für die Beantwortung der vorgelegten Fragen zuständig.</p>
<p class="C04Titre1"> <b>Zu den Vorlagefragen</b>
</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point14">14</a>      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob ein Zahlungsauftrag wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende, den ein Inhaber eines gewöhnlichen Girokontos einem Kreditinstitut zur Überweisung von Geldern an ein anderes Kreditinstitut erteilt hat, unter den Begriff „Zahlungs- bzw. Übertragungsauftrag“ im Sinne der Richtlinie 98/26 und somit in den Geltungsbereich dieser Richtlinie fällt. </p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point15">15</a>      Wie aus den Erwägungsgründen 1 bis 4 der Richtlinie 98/26 hervorgeht, soll diese das Systemrisiko verringern und die Stabilität der Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und ‑abrechnungssysteme gewährleisten, indem die Beeinträchtigung eines solchen Systems im Fall von Insolvenzverfahren gegen einen Teilnehmer des betreffenden Systems so gering wie möglich gehalten wird. </p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point16">16</a>      Zu diesem Zweck sieht die Richtlinie u. a. in Art. 3 Abs. 1 vor, dass Zahlungs- bzw. Übertragungsaufträge rechtlich verbindlich und auch im Fall eines Insolvenzverfahrens gegen einen Teilnehmer Dritten gegenüber wirksam sind, sofern sie vor dem Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in das System eingebracht wurden. </p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point17">17</a>      Im vorliegenden Fall wurde der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Zahlungsauftrag von Ķipars AI als Inhaberin eines gewöhnlichen Girokontos bei der Latvijas Krājbanka dieser Bank erteilt, um sämtliche auf diesem Girokonto verfügbaren Gelder auf ein anderes Konto, das Ķipars AI bei einem anderen Kreditinstitut unterhielt, zu übertragen. Um bestimmen zu können, ob ein solcher Zahlungsauftrag unter den Begriff „Zahlungs- bzw. Übertragungsauftrag“ im Sinne der Richtlinie 98/26 und somit in den Geltungsbereich dieser Richtlinie fällt, ist auf Art. 1 der Richtlinie, der deren Geltungsbereich betrifft, sowie auf die Begriffsbestimmungen in Art. 2 der Richtlinie Bezug zu nehmen.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point18">18</a>      Insoweit ist festzustellen, dass die Richtlinie 98/26 nach ihrem Art. 1 für Systeme im Sinne von Art. 2 Buchst. a gilt sowie für Teilnehmer eines solchen Systems und für dingliche Sicherheiten im Zusammenhang mit der Teilnahme an einem solchen System oder im Rahmen von Maßnahmen der Zentralbanken der Mitgliedstaaten oder der Europäischen Zentralbank im Rahmen ihrer besonderen Aufgabenstellung als Zentralbanken. </p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point19">19</a>      Art. 2 Buchst. a der Richtlinie bestimmt den Begriff „System“ dahin, dass er sich im Wesentlichen auf eine förmliche Vereinbarung bezieht, die zwischen mindestens drei Teilnehmern getroffen wurde und gemeinsame Regeln und vereinheitlichte Vorgaben für das Clearing oder die Ausführung von Zahlungs- bzw. Übertragungsaufträgen zwischen den Teilnehmern vorsieht.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point20">20</a>      Der Begriff „Zahlungs- bzw. Übertragungsauftrag“ seinerseits bezieht sich, wie aus Art. 2 Buchst. a, b und i der Richtlinie 98/26 hervorgeht, ausschließlich auf Weisungen, die finanzielle Verpflichtungen nach sich ziehen und von Teilnehmern eines solchen Systems im Rahmen des betreffenden Systems anderen Teilnehmern erteilt werden, die für die Erfüllung dieser Verpflichtungen haften. Hingegen umfasst dieser Begriff nicht die Weisungen, die finanzielle Verpflichtungen nach sich ziehen und von Dritten außerhalb eines solchen Systems erteilt werden. </p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point21">21</a>      Diese Bedeutung des Begriffs „Zahlungs- bzw. Übertragungsauftrag“ wird durch Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie bestätigt, der den Schutz, der in dieser Vorschrift für Zahlungs- bzw. Übertragungsaufträge vorgesehen ist, an die Voraussetzung knüpft, dass diese „in das System eingebracht“ wurden. </p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point22">22</a>      Des Weiteren wird diese Bedeutung dadurch bestätigt, dass die Richtlinie, wie aus Rn. 15 des vorliegenden Urteils hervorgeht, ein genau bestimmtes und umschriebenes Ziel verfolgt, das darin besteht, das Systemrisiko zu verringern und die Stabilität der Systeme zu gewährleisten, auf die sich diese Richtlinie bezieht, indem die Auswirkungen von Insolvenzverfahren auf diese Systeme begrenzt werden. Soweit nämlich eine Weisung, die finanzielle Verpflichtungen nach sich zieht, in ein solches System nicht durch einen Teilnehmer des betreffenden Systems eingebracht wurde, wird durch die Nichterfüllung dieser Weisung wegen eines Insolvenzverfahrens weder ein Systemrisiko geschaffen noch beeinträchtigt dies die Stabilität eines solchen Systems. Es ginge daher über das hinaus, was zur Erreichung des mit der Richtlinie 98/26 verfolgten Ziels erforderlich ist, wenn der von dieser Richtlinie für die von den Teilnehmern solcher Systeme innerhalb dieser Systeme erteilten Zahlungs- bzw. Übertragungsaufträge vorgesehene Schutz auf von Dritten außerhalb solcher Systeme erteilte Weisungen, die finanzielle Verpflichtungen nach sich ziehen, erweitert würde.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point23">23</a>      Um bestimmen zu können, ob ein Zahlungsauftrag wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende in den Geltungsbereich der Richtlinie 98/26 fällt, ist daher zu prüfen, ob er so angesehen werden kann, als sei er im Rahmen eines Systems im Sinne von Art. 2 Buchst. a dieser Richtlinie durch einen der Teilnehmer dieses Systems erteilt worden. </p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point24">24</a>      In Art. 2 Buchst. f der Richtlinie 98/26 sind die unter den Begriff „Teilnehmer“ fallenden Stellen abschließend aufgezählt. Es kann sich dabei um ein „Institut“, eine „zentrale Vertragspartei“, eine „Verrechnungsstelle“, eine „Clearingstelle“ oder einen „Systembetreiber“ handeln. Diese Stellen sind ihrerseits in Art. 2 Buchst. b bis e und p der Richtlinie genau definiert. </p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point25">25</a>      Aus den in den letztgenannten Bestimmungen enthaltenen Definitionen, die in Rn. 5 des vorliegenden Urteils angeführt sind, ergibt sich aber, dass ein Inhaber eines gewöhnlichen Girokontos wie Ķipars AI keiner dieser Stellen entspricht. Insbesondere fällt ein solcher Inhaber eines Girokontos nicht unter den Begriff „Institut“, da sich dieser nach Art. 2 Buchst. b der Richtlinie nur auf die Stellen, die für die Erfüllung der finanziellen Verpflichtungen aufgrund von Zahlungs- bzw. Übertragungsaufträgen innerhalb eines Systems haften können, bezieht, zu denen u. a. Kreditinstitute und Wertpapierfirmen zählen. </p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point26">26</a>      Zwar räumt Art. 2 Buchst. f Unterabs. 3 der Richtlinie 98/26 den Mitgliedstaaten die Möglichkeit ein, zu entscheiden, dass ein indirekter Teilnehmer für die Zwecke dieser Richtlinie als Teilnehmer betrachtet werden kann, wenn dies unter dem Gesichtspunkt des Systemrisikos gerechtfertigt ist. Jedoch enthält die dem Gerichtshof vorliegende Akte keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Republik Lettland von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht hätte. Jedenfalls geht aus der Definition des Begriffs „indirekter Teilnehmer“ in Art. 2 Buchst. g der Richtlinie hervor, dass die Stellen, die unter diesen Begriff fallen können, dieselben sind wie diejenigen, auf die sich der Begriff „Teilnehmer“, wie er in Rn. 24 des vorliegenden Urteils dargelegt worden ist, bezieht, wobei der Unterschied zwischen einem Teilnehmer und einem indirekten Teilnehmer darin besteht, dass der Teilnehmer unmittelbar mit dem System verbunden ist, während der indirekte Teilnehmer dies nur über eine vertragliche Beziehung zu einem Teilnehmer ist. Da ein Inhaber eines gewöhnlichen Girokontos wie Ķipars AI aber keiner dieser Stellen entspricht, kann er nicht als indirekter Teilnehmer im Sinne von Art. 2 Buchst. f der Richtlinie angesehen werden. </p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point27">27</a>      Ein von einem solchen Inhaber eines gewöhnlichen Girokontos erteilter Zahlungsauftrag kann somit nicht so angesehen werden, als sei er von einem Teilnehmer eines Systems im Sinne von Art. 2 Buchst. a und f der Richtlinie 98/26 erteilt worden. Daraus folgt, dass – wie im Übrigen sämtliche Verfahrensbeteiligte geltend gemacht haben, die beim Gerichtshof schriftliche Erklärungen eingereicht haben – ein solcher Zahlungsauftrag nicht unter den Begriff „Zahlungs- bzw. Übertragungsauftrag“ im Sinne der genannten Richtlinie und somit auch nicht in deren Geltungsbereich fällt.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point28">28</a>      Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass ein Zahlungsauftrag wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende, den ein Inhaber eines gewöhnlichen Girokontos einem Kreditinstitut zur Überweisung von Geldern an ein anderes Kreditinstitut erteilt hat, nicht unter den Begriff „Zahlungs- bzw. Übertragungsauftrag“ im Sinne der Richtlinie 98/26 und somit auch nicht in den Geltungsbereich dieser Richtlinie fällt.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point29">29</a>      In Anbetracht der Antwort auf die erste Frage braucht die zweite Frage nicht beantwortet zu werden.</p>
<p class="C04Titre1"> <b>Kosten</b>
</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point30">30</a>      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.</p>
<p class="C41DispositifIntroduction">Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:</p>
<p class="C30Dispositifalinea">
<b>Ein Zahlungsauftrag wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende, den ein Inhaber eines gewöhnlichen Girokontos einem Kreditinstitut zur Überweisung von Geldern an ein anderes Kreditinstitut erteilt hat, fällt nicht unter den Begriff „Zahlungs- bzw. Übertragungsauftrag“ im Sinne der Richtlinie 98/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 1998 über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und </b>‑<b>abrechnungssystemen in der durch die Richtlinie 2009/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 geänderten Fassung und somit auch nicht in den Geltungsbereich dieser Richtlinie.</b>
</p>
<p class="C77Signatures">Unterschriften</p>
<hr/>
<p class="C42FootnoteLangue">
<a href="#Footref*" name="Footnote*">*</a>      Verfahrenssprache: Lettisch.</p>
|
175,038 | eugh-2019-01-17-c-71217 | {
"id": 2,
"name": "Europäischer Gerichtshof",
"slug": "eugh",
"city": null,
"state": 19,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": null
} | C-712/17 | 2019-01-17T00:00:00 | 2019-01-31T19:20:55 | 2019-01-31T19:20:55 | Schlussantrag des Generalanwalts | ECLI:EU:C:2019:35 | <p>Vorläufige Fassung</p>
<p class="C36Centre">SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN</p>
<p class="C36Centre">JULIANE KOKOTT</p>
<p class="C36Centre">vom 17. Januar 2019(<a href="#Footnote1" name="Footref1">1</a>)</p>
<p class="C38Centregrasgrandespacement">
<b>Rechtssache C</b>‑<b>712/17</b>
</p>
<p class="C37Centregras">
<b>EN.SA. Srl</b>
</p>
<p class="C37Centregras">gegen</p>
<p class="C37Centregras">Agenzia delle Entrate – Direzione Regionale Lombardia Ufficio Contenzioso</p>
<p class="C39Centreespacement">(Vorabentscheidungsersuchen des Commissione Tributaria Regionale per la Lombardia [Finanzgericht der Region Lombardei, Italien])</p>
<p class="C71Indicateur">„Vorabentscheidungsersuchen – Mehrwertsteuer – fiktive Umsätze – Versagung des Vorsteuerabzugs – Entstehung einer Steuerschuld durch Rechnungserteilung – Zusätzliche Sanktion in voller Höhe des versagten Vorsteuerabzugs – Vereinbarkeit mit dem Neutralitätsgrundsatz – Vereinbarkeit mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz“</p>
<br/>
<br/>
<br/>
<br/>
<p class="C02AlineaAltA">
<br/>
</p>
<p class="C21Titrenumerote1">I.      <b>Einleitung</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point1">1.</a>        Dieser Fall betrifft wieder einmal(<a href="#Footnote2" name="Footref2">2</a>) die Problematik des „Sanktionscharakters“ des Mehrwertsteuerrechts. Bei der Bekämpfung des Mehrwertsteuerbetrugs ist der Gerichtshof insoweit recht streng: Eine Versagung des Vorsteuerabzugs (und einer Steuerbefreiung) kommt nicht nur in Betracht, wenn der Steuerpflichtige selbst eine Steuerhinterziehung begeht, sondern auch, wenn ein Steuerpflichtiger wusste oder hätte wissen müssen, dass er mit seinem Erwerb an einem Umsatz teilnahm, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war(<a href="#Footnote3" name="Footref3">3</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point2">2.</a>        Gilt dieser strenge Ansatz (Versagung des Vorsteuerabzugs auf allen Stufen einer Leistungskette) nun auch dann, wenn ein Mehrwertsteuerbetrug ausgeschlossen ist, jedoch mittels fingierter Umsätze anderweitige ungerechtfertigte Vorteile erschlichen werden sollen? Können die Betroffenen hier – unbeschadet strafrechtlicher Sanktionen – durch das Mehrwertsteuerrecht „sanktioniert“ werden, indem in einer längeren Leistungskette jedem der Beteiligten der Vorsteuerabzug versagt, zugleich aber eine Steuerpflicht festgesetzt und zusätzlich noch eine verwaltungsrechtliche Sanktion in Höhe von 100 % des versagten Vorsteuerabzugs auferlegt wird?</p>
<p class="C21Titrenumerote1">II.    <b>Rechtlicher Rahmen</b>
</p>
<p class="C22Titrenumerote2">A.      <b>Unionsrecht</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point3">3.</a>        Den unionsrechtlichen Rahmen des Falles bildet die Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem(<a href="#Footnote4" name="Footref4">4</a>) (im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie). </p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point4">4.</a>        Art. 168 Abs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie bestimmt:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„(1) Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige berechtigt, in dem Mitgliedstaat, in dem er diese Umsätze bewirkt, vom Betrag der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen: </p>
<p class="C09Marge0avecretrait">a)      die in diesem Mitgliedstaat geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert bzw. erbracht wurden oder werden; …“</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point5">5.</a>        Art. 203 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:</p>
<p class="C10Marge1">„Die Mehrwertsteuer wird von jeder Person geschuldet, die diese Steuer in einer Rechnung ausweist.“</p>
<p class="C22Titrenumerote2">B.      <b>Italienisches Recht</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point6">6.</a>        Im italienischen Recht wurden die Vorgaben der Mehrwertsteuerrichtlinie in mehreren Dekreten des Präsidenten der Republik umgesetzt.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point7">7.</a>        Art. 19 des Dekrets Nr. 633/72 des Präsidenten der Republik vom 26. Oktober 1972 (im Folgenden: Dekret Nr. 633/72) bestimmt, dass „vom Betrag der Steuer auf die getätigten Umsätze der Betrag der vom Steuerpflichtigen entrichteten oder geschuldeten oder ihm im Wege der Überwälzung in Rechnung gestellten Steuer auf von ihm in Ausübung seines Unternehmens, Handwerks oder freien Berufs eingeführte oder erworbene Gegenstände und Dienstleistungen abzuziehen“ ist.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point8">8.</a>        Art. 21 Abs. 7 des Dekrets Nr. 633/72 sieht hingegen vor: „Wird eine Rechnung für nicht existente Umsätze ausgestellt oder werden die Gegenleistungen für die Umsätze oder die entsprechenden Steuern in der Rechnung höher als der tatsächliche Betrag ausgewiesen, ist die Steuer auf den gesamten ausgewiesenen Betrag oder entsprechend den Angaben in den Rechnungen zu entrichten.“</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point9">9.</a>        In dem Fall, dass ein Umsatz, für den eine Rechnung ausgestellt und registriert wurde, ganz oder teilweise entfällt, hat der Veräußerer gemäß Art. 26 des Dekrets Nr. 633/72 im Rahmen der dort genannten Voraussetzungen und Fristen das Recht, die Mehrwertsteuer zu registrieren und in Abzug zu bringen, während sich der Erwerber im Wege des Regresses an ihn wenden muss, um die Erstattung des gezahlten Betrags zu erwirken.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point10">10.</a>      Art. 6 Abs. 6 des gesetzesvertretenden Dekrets Nr. 471 vom 18. Dezember 1997 („Verletzung von Pflichten im Zusammenhang mit der Dokumentierung, Registrierung und Identifizierung von Umsätzen“) erlaubt nach Angaben des vorlegenden Gerichts der Finanzverwaltung, eine Sanktion in voller Höhe des nicht anerkannten Vorsteuerbetrags zu verhängen.</p>
<p class="C21Titrenumerote1">III. <b>Ausgangsrechtsstreit</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point11">11.</a>      Der Ausgangsrechtsstreit stellt sich nach den Darstellungen des vorlegenden Gerichts wie folgt dar.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point12">12.</a>      Der Kläger des Ausgangsverfahrens (EN.SA. S.r.l. – im Folgenden: EN.SA) ist im Stromhandel tätig und betreibt auf Grundlage von Termingeschäften Stromhandel außerhalb der Piattaforma dei Conti Energia (PCE).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point13">13.</a>      Dabei hat EN.SA in den Steuerjahren 2009 und 2010 große Mengen von Elektrizität an Gesellschaften der Gruppe „Green Network“ verkauft und von diesen in einer „zirkulären“ Art und Weise auch wieder angekauft. Buchhalterisch wurden die Umsätze in der richtigen Höhe ausgewiesen. Es wurden auch entsprechende Rechnungen über diese Umsätze erstellt.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point14">14.</a>      Offen ist, ob EN.SA Teil der Unternehmensgruppe „Green Network“ oder ein selbständiges Unternehmen ist. Offen ist auch, ob EN.SA die gleichen Mengen an Elektrizität zeitnah und zum gleichen Preis wieder zurückgekauft hat. Ebenfalls offen ist, worin der Zweck des An- und Verkaufs von und an dieselben Personen gelegen haben soll. Das Finanzamt vermutet, dass dieser darin bestand, in der Buchhaltung der involvierten Gesellschaften große Beträge auszuweisen, damit diese (besseren) Zugang zu Bankfinanzierungen erhalten. EN.SA bestreitet dies jedoch.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point15">15.</a>      Fest steht allerdings, dass die für diese Umsätze mit Elektrizität in den Rechnungen ausgewiesene Mehrwertsteuer pünktlich und ordnungsgemäß gezahlt und von dem jeweiligen Leistungsempfänger als Vorsteuerabzug geltend gemacht wurde. Fest steht auch, dass dem Fiskus dadurch im Bereich der Mehrwertsteuer keinerlei Nachteile entstanden sind. Nach Auskunft des vorlegenden Gerichts ist insbesondere jede Möglichkeit eines sogenannten „Karussellbetrugs“ ausgeschlossen. Ausweislich seiner Vorlagefrage geht das vorlegende Gericht jedoch davon aus, dass die hier zu beurteilenden Umsätze mit Elektrizität in den Streitjahren 2009 und 2010 als inexistent zu betrachten sind.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point16">16.</a>      Die Finanzverwaltung versagte EN.SA per Bescheid auf der Eingangsseite (d.h. soweit diese die Elektrizität angekauft hat) für diese inexistenten Umsätze den Vorsteuerabzug. Bezüglich der inexistenten Umsätze auf der Ausgangsseite (d. h., soweit EN.SA Elektrizität verkauft hat) wurde eine entsprechende Steuerschuld aber festgesetzt, da in den Rechnungen der EN.SA die Mehrwertsteuer gesondert ausgewiesen war. Dies führte zu einer Festsetzung einer Steuerschuld (zusätzliche Mehrwertsteuer, Zinsen und Sanktionen) von 47 618 491,00 Euro für 2009 und von 22 001 078,00 Euro für 2010.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point17">17.</a>      Gegen diesen Bescheid hat EN.SA Klage erhoben, die von der Commissione Tributaria Provinciale di Milano (Finanzgericht der Provinz Mailand, Italien) abgewiesen wurde. Das vorlegende Gericht muss über die von EN.SA eingelegte Berufung entscheiden.</p>
<p class="C21Titrenumerote1">IV.    <b>Vorabentscheidungsersuchen und Verfahren vor dem Gerichtshof</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point18">18.</a>      Mit Entscheidung vom 9. Oktober 2017, eingegangen am 20. Dezember 2017, hat die Commissione Tributaria Regionale per la Lombardia (Finanzgericht der Region Lombardei, Italien) dem Gerichtshof gemäß Art. 267 AEUV die folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:</p>
<p class="C02AlineaAltA">Steht bei als inexistent erachteten Umsätzen, die dem Fiskus keinen Schaden verursacht und dem Steuerpflichtigen keinen Steuervorteil verschafft haben, die nationale Regelung, die sich aus der Anwendung der Art. 19 (Vorsteuerabzug) und 21 Abs. 7 (Inrechnungstellung der Umsätze) des Dekrets Nr. 633 des Präsidenten der Republik vom 26. Oktober 1972 und von Art. 6 Abs. 6 des gesetzesvertretenden Dekrets Nr. 471 vom 18. Dezember 1997 (Verletzung von Pflichten im Zusammenhang mit der Dokumentierung, Registrierung und Identifizierung von Umsätzen) ergibt, mit den vom Gerichtshof aufgestellten Gemeinschaftsgrundsätzen im Bereich des Mehrwertsteuerrechts im Einklang, wenn die gleichzeitige Anwendung der nationalen Vorschriften dazu führt, dass</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">a)      die Steuer, die der Erwerber beim Erwerb gezahlt hat, bei keinem der streitigen, dasselbe Steuersubjekt und dieselbe Steuerbemessungsgrundlage betreffenden Umsätze abzugsfähig ist;</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">b)      die Steuer auf die entsprechenden parallelen Veräußerungsumsätze, die ebenfalls als inexistent erachtet werden, erhoben und vom Veräußerer entrichtet wird (und eine Erstattung rechtsgrundlos gezahlter Beträge ausgeschlossen ist);</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">c)      eine Sanktion in Höhe der als nicht abzugsfähig erachteten Vorsteuer verhängt wird?</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point19">19.</a>      Im Verfahren vor dem Gerichtshof haben die Italienische Republik und die Europäische Kommission schriftliche Stellungnahmen abgegeben.</p>
<p class="C21Titrenumerote1">V.      <b>Würdigung</b>
</p>
<p class="C22Titrenumerote2">A.      <b>Vorbemerkungen zum Sachverhalt und der Vorlagefrage</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point20">20.</a>      Für die Beantwortung der vorgelegten Frage ist aufgrund der konkreten Vorlagefrage davon auszugehen, dass es sich bei den vorliegenden Umsätzen mit Elektrizität um inexistente (fiktive) Umsätze (d. h. Scheingeschäfte) handelt, die als solche nicht stattgefunden haben.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point21">21.</a>      Allerdings wird durch den geschilderten Sachverhalt das Vorliegen von existenten (d. h. echten) Umsätzen nicht zwingend ausgeschlossen. Da bei Umsätzen mit Elektrizität unter Stromhändlern im Ergebnis nie eine körperliche Übergabe der Elektrizität stattfindet, sondern lediglich (in der Regel auf elektronischem Wege) Stromentnahmerechte ge- und verkauft werden, sind dafür keine speziellen Übergabehandlungen nötig. Wenn diese Entnahmerechte rechtlich tatsächlich wirksam übertragen wurden, dann kann allein aus dem Umstand, dass durch diese Geschäfte möglicherweise nur die Bilanz künstlich aufgebläht werden sollte, nicht zwingend auf das Vorliegen von inexistenten Umsätzen geschlossen werden(<a href="#Footnote5" name="Footref5">5</a>). Es könnte auch angenommen werden, dass dieses Ziel gerade wirksam durchgeführte Umsätze voraussetzt. Sofern die Kosten für eine Transaktion im (elektronischen) Energiehandel eher marginal sind, besteht nämlich kein Grund, echte Umsätze durch fiktive Umsätze zu ersetzen.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point22">22.</a>      Daher sollte das vorlegende Gericht genau prüfen, ob nicht doch existente Umsätze vorliegen. Bei diesen würde sich dann das Problem der möglichen Versagung des Vorsteuerabzugs bei betrügerischem, aber mehrwertsteuerrechtlich rechtmäßigem Verhalten stellen, zu dem der Gerichtshof hier aber nicht befragt wurde.</p>
<p class="C22Titrenumerote2">B.      <b>Rechtliche Würdigung</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point23">23.</a>      Die gestellte Vorlagefrage enthält hingegen drei andere Aspekte, die ich getrennt behandeln werde. Erstens möchte das vorlegende Gericht im Kern wissen, ob sich aus Art. 168 der Mehrwertsteuerrichtlinie ergibt, dass bei einer Leistungskette mit inexistenten Umsätzen jedes Mal wieder der Vorsteuerabzug versagt werden kann (dazu unter 1.). Zweitens möchte das vorlegende Gericht im Ergebnis wissen, ob sich aus Art. 203 der Mehrwertsteuerrichtlinie ergibt, dass dennoch bei den nicht existenten Weiterverkäufen eine Steuer erhoben wird (und eine Erstattung rechtsgrundlos gezahlter Beträge ausgeschlossen ist) (dazu unter 2.). Drittens möchte das vorlegende Gericht im Kern wissen, ob in einem solchen Fall eine zusätzliche Sanktion in Höhe der nicht abzugsfähigen Vorsteuer verhältnismäßig ist (dazu unter 3.).</p>
<p class="C23Titrenumerote3">1.      <b>Die Versagung des Vorsteuerabzugs bei nicht existenten Umsätzen</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point24">24.</a>      Art. 168 der Mehrwertsteuerrichtlinie billigt dem Steuerpflichtigen einen Vorsteuerabzug nur unter bestimmten Voraussetzungen zu. So muss der Steuerpflichtige zum einen selbst Umsätze erbringen, und zum anderen kann er nur die Mehrwertsteuer abziehen, die für Gegenstände geschuldet oder entrichtet wurde, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden. Gemäß Art. 15 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie ist Elektrizität einem körperlichen Gegenstand gleichgestellt.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point25">25.</a>      Damit setzt ein Vorsteuerabzug voraus, dass tatsächlich eine Lieferung von Elektrizität erfolgt ist(<a href="#Footnote6" name="Footref6">6</a>). Mithin ist ein Vorsteuerabzug nicht möglich, wenn die Lieferung des Gegenstands tatsächlich nicht bewirkt wurde(<a href="#Footnote7" name="Footref7">7</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point26">26.</a>      Unschädlich ist, wie auch die Kommission und Italien vortragen, dass der fiktiv Leistende eine Steuer nach Maßgabe des Art. 203 der Mehrwertsteuerrichtlinie schuldet, weil er für die fiktive Lieferung eine Rechnung ausgestellt hat, die eine Mehrwertsteuer gesondert ausweist. Denn der Gerichtshof hat bereits mehrfach klargestellt, dass das Recht auf Vorsteuerabzug sich nicht auf eine Steuer erstreckt, die ausschließlich deswegen geschuldet wird, weil sie in einer Rechnung ausgewiesen ist(<a href="#Footnote8" name="Footref8">8</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point27">27.</a>      Im Ergebnis folgt daraus, dass für EN.SA kein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, wenn ihr keine Lieferung erbracht wurde. An diesem Ergebnis ändert sich auch nichts, wenn in einer längeren Leistungskette mehrere fiktive Lieferungen hintereinander vorliegen. Art. 168 der Mehrwertsteuerrichtlinie differenziert nicht zwischen einer einzelnen Lieferung oder mehreren Lieferungen, die hintereinander oder im Kreis erfolgen. </p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point28">28.</a>      Mangels Vorsteuerabzugsberechtigung stellt sich die Frage nach einer Versagung des Vorsteuerabzugs aufgrund betrügerischen Verhaltens hier also nicht.</p>
<p class="C23Titrenumerote3">2.      <b>Die Steuerpflicht aufgrund einer Rechnungserteilung</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point29">29.</a>      Als Nächstes ist zu prüfen, ob trotz einer fiktiven Lieferung auf der Eingangsseite – die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt – für die fiktive Lieferung auf der Ausgangsseite eine Mehrwertsteuer festgesetzt werden kann. Dies würde in einer längeren Lieferkette ein sehr hohes Steueraufkommen für den betroffenen Staat generieren, obwohl der Grundtatbestand des Mehrwertsteuerrechts (Art. 2 Abs. 1 – Lieferung oder Dienstleistung eines Steuerpflichtigen gegen Entgelt) nicht vorliegt.</p>
<p class="C24Titrenumerote4">a)      <b>Steuerschuld des Rechnungsausstellers über fiktive Umsätze</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point30">30.</a>      Für die Beantwortung dieser Frage sind die Art. 193 und 203 der Mehrwertsteuerrichtlinie entscheidend. Art. 193 der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor, dass die Mehrwertsteuer zunächst von dem Steuerpflichtigen geschuldet wird, der Gegenstände steuerpflichtig liefert. An einer Lieferung fehlt es nach den Angaben des vorlegenden Gerichts. Daneben regelt aber Art. 203 der Mehrwertsteuerrichtlinie, dass die Mehrwertsteuer (auch) von jeder Person geschuldet wird, die diese Steuer in einer Rechnung ausweist. Diese Konstellation liegt im Fall der EN.SA vor.</p>
<p class="C25Titrenumerote5">1)      <i>Sinn und Zweck des Art. 203 der Mehrwertsteuerrichtlinie</i>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point31">31.</a>      Der Sinn und Zweck des Art. 203 der Mehrwertsteuerrichtlinie besteht darin, der Gefährdung des Steueraufkommens entgegenzuwirken, die sich aus der Geltendmachung eines unberechtigten Vorsteuerabzugs durch den Rechnungsempfänger aufgrund dieser Rechnung ergeben kann(<a href="#Footnote9" name="Footref9">9</a>). Diese Gefährdung veranschaulicht der vorliegende Sachverhalt.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point32">32.</a>      Zwar besteht das Vorsteuerabzugsrecht nur für diejenigen Steuern, die mit einem mehrwertsteuerpflichtigen Umsatz in Zusammenhang stehen(<a href="#Footnote10" name="Footref10">10</a>). Jedoch ist das Steueraufkommen gefährdet, solange der Adressat einer Rechnung, in der die Mehrwertsteuer zu Unrecht ausgewiesen ist, diese noch dazu nutzen kann, das Abzugsrecht nach Art. 168 der Mehrwertsteuerrichtlinie auszuüben(<a href="#Footnote11" name="Footref11">11</a>). Denn es ist nicht auszuschließen, dass die Finanzverwaltung nicht rechtzeitig feststellen kann, dass materiell-rechtliche Erwägungen einer Ausübung des formal gegebenen Abzugsrechts entgegenstehen.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point33">33.</a>      Art. 203 der Mehrwertsteuerrichtlinie bezweckt damit einen vergleichbaren Gleichlauf zwischen dem Vorsteuerabzug des Rechnungs<i>empfängers</i> und der Steuerschuld des Rechnungs<i>austellers</i>, wie er normalerweise auch bei einer echten Lieferung für den Leistenden und den Leistungsempfänger bestehen würde. Ausweislich des Wortlauts von Art. 203 der Mehrwertsteuerrichtlinie ist es dabei nicht nötig, dass tatsächlich ein Vorsteuerabzug durch den Rechnungsempfänger vorgenommen wurde.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point34">34.</a>      Im Ergebnis haftet folglich der Rechnungsaussteller schuldunabhängig für das Risiko (d. h. abstrakt), dass der Rechnungsempfänger aufgrund dieser (unrichtigen) Rechnung einen unberechtigten Vorsteuerabzug vornehmen kann. Es handelt sich um eine abstrakte Gefährdungshaftung des Rechnungsausstellers. Sie greift nicht nur bei einem Irrtum über den richtigen Steuersatz (in der Rechnung wird der Regelsteuersatz statt des ermäßigten Steuersatzes genannt), sondern insbesondere auch bei der Abrechnung über fiktive Umsätze.</p>
<p class="C25Titrenumerote5">2)      <i>Keine Anwendung im Fall einer Abrechnung einer fiktiven Lieferung?</i>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point35">35.</a>      Allerdings hat der Gerichtshof in einer Entscheidung geurteilt, dass, weil die zugrunde liegenden Leistungen nicht der Mehrwertsteuer unterliegen, der fälschlicherweise in der Rechnung als Mehrwertsteuer ausgewiesene Betrag auch nicht als Mehrwertsteuer qualifiziert werden könne(<a href="#Footnote12" name="Footref12">12</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point36">36.</a>      Eine konsequente Fortsetzung dieser Rechtsprechung würde im vorliegenden Fall bedeuten, dass die Abrechnung über fiktive Umsätze – da diese auch nicht der Mehrwertsteuer unterliegen (siehe oben, Nrn. 24 ff.) – nicht die Rechtsfolgen des Art. 203 der Mehrwertsteuerrichtlinie auslösen würde. Art. 203 der Mehrwertsteuerrichtlinie würde dann nur Anwendung finden auf den Fall einer zu hoch ausgewiesenen Mehrwertsteuer für eine (reale) Lieferung oder Dienstleistung. Für eine solche Einschränkung gibt jedoch weder der Wortlaut noch der Sinn und Zweck als abstrakte Gefährdungshaftung irgendwelche Anhaltspunkte.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point37">37.</a>      Darüber hinaus hat der Gerichtshof in der gleichen und einer weiteren Entscheidung(<a href="#Footnote13" name="Footref13">13</a>) formuliert, dass die Sechste Richtlinie(<a href="#Footnote14" name="Footref14">14</a>) nicht ausdrücklich den Fall vorsehe, dass eine Mehrwertsteuer irrtümlich in einer Rechnung ausgewiesen wird, obwohl sie nicht geschuldet wird. Letztlich ging es aber auch in diesen Urteilen um die Berichtigungen solcher Rechnungen, die Art. 203 der Mehrwertsteuerrichtlinie in der Tat nicht vorsieht(<a href="#Footnote15" name="Footref15">15</a>). Zudem betrafen diese Urteile nicht die bewusste Abrechnung fiktiver Umsätze, sondern Irrtümer über die Eigenschaft als Steuerpflichtiger und den Ort der Umsätze. </p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point38">38.</a>      Insbesondere hat der Gerichtshof in einer anderen Rechtssache bestätigt, dass Art. 21 Nr. 1 Buchst. c der Sechsten Richtlinie (dieser entspricht Art. 203 der Mehrwertsteuerrichtlinie) auch Pro-forma-Rechnungen (d. h. Rechnungen über fiktive Umsätze) erfasst(<a href="#Footnote16" name="Footref16">16</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point39">39.</a>      Schließlich geht es nicht an, nur den Rechnungsaussteller für die eingetretene (abstrakte) Gefährdung des Steueraufkommens haften zu lassen, der sich über die Höhe des Steuersatzes irrt oder bewusst eine Mehrwertsteuer für einen steuerfreien Umsatz ausweist, nicht aber denjenigen, der bewusst über fiktive Umsätze abrechnet. In beiden Fällen ist die Gefährdung des Steueraufkommens durch einen unberechtigten Vorsteuerabzug des Rechnungsempfängers dieselbe(<a href="#Footnote17" name="Footref17">17</a>). Daher gehen sowohl die Kommission als auch Italien ebenfalls von einer Anwendbarkeit des Art. 203 der Mehrwertsteuerrichtlinie im vorliegenden Fall aus.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point40">40.</a>      Art. 203 der Mehrwertsteuerrichtlinie erfasst also gerade auch die hier vorliegende Konstellation, in der bewusst eine Mehrwertsteuer in einer Rechnung ausgewiesen wird, obwohl sie mangels Umsätzen nicht geschuldet wird. Damit schuldet grundsätzlich EN.SA die Mehrwertsteuer, die sie in den Rechnungen über die fiktiven Umsätze ausgewiesen hat. </p>
<p class="C24Titrenumerote4">b)      <b>Korrektur der Steuerschuld nach Art. 203 der Mehrwertsteuerrichtlinie</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point41">41.</a>      Zu prüfen ist noch, ob diese Steuerschuld jedenfalls dann korrigiert werden können muss, wenn tatsächlich keine Gefährdung des Steueraufkommens eingetreten ist. Diese Frage stellt sich insbesondere, weil das vorlegende Gericht in seiner Frage anklingen lässt, dass die Erstattung einer rechtsgrundlos gezahlten Mehrwertsteuer ausgeschlossen sei.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point42">42.</a>      Diesbezüglich hat der Gerichtshof jedoch schon entschieden, dass die Sechste Richtlinie (Gleiches gilt für die aktuell anwendbare Mehrwertsteuerrichtlinie) keine Bestimmungen über die Berichtigung zu Unrecht in Rechnung gestellter Mehrwertsteuer durch den Aussteller der Rechnung enthält(<a href="#Footnote18" name="Footref18">18</a>). Solange diese Lücke nicht durch den Unionsgesetzgeber ausgefüllt wird, ist es folglich Sache der Mitgliedstaaten, hierfür eine Lösung zu finden(<a href="#Footnote19" name="Footref19">19</a>).</p>
<p class="C25Titrenumerote5">1)      <i>Pflicht zur Einräumung einer Berichtigungsmöglichkeit</i>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point43">43.</a>      In diesem Zusammenhang ist es zum einen Aufgabe der Mitgliedstaaten, zur Gewährleistung der Neutralität der Mehrwertsteuer in ihrer innerstaatlichen Rechtsordnung die Möglichkeit vorzusehen, jede zu Unrecht in Rechnung gestellte Steuer zu berichtigen, wenn der Rechnungsaussteller seinen <i>guten Glauben</i> nachweist(<a href="#Footnote20" name="Footref20">20</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point44">44.</a>      Darüber hinaus verlangt der Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer, dass die zu Unrecht in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer berichtigt werden kann, wenn der Rechnungsaussteller die Gefährdung des Steueraufkommens rechtzeitig und vollständig beseitigt hat, <i>ohne</i> dass die Mitgliedstaaten eine solche Berichtigung vom guten Glauben des Rechnungsausstellers abhängig machen dürfen(<a href="#Footnote21" name="Footref21">21</a>). Diese Berichtigung darf zudem nicht im Ermessen der Finanzverwaltung stehen(<a href="#Footnote22" name="Footref22">22</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point45">45.</a>      Zudem dürfen die Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten erlassen, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu verhindern, nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist. Sie dürfen daher nicht so eingesetzt werden, dass sie die Neutralität der Mehrwertsteuer in Frage stellen, die ein Grundprinzip des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems ist(<a href="#Footnote23" name="Footref23">23</a>). Dies gilt insbesondere für einen abstrakten Gefährdungstatbestand (dazu bereits oben, Nrn. 34 und 35).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point46">46.</a>      Wird die Erstattung der Mehrwertsteuer in Anbetracht der Bedingungen, unter denen Anträge auf Steuererstattungen gestellt werden können, unmöglich oder übermäßig erschwert, können die genannten Grundsätze folglich gebieten, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Mittel und Verfahrensmodalitäten vorsehen, die es dem Steuerpflichtigen ermöglichen, die zu Unrecht in Rechnung gestellte Steuer erstattet zu bekommen(<a href="#Footnote24" name="Footref24">24</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point47">47.</a>      Laut dem vorlegenden Gericht besteht keine Gefährdung des Steueraufkommens. Dies folgt aus der Tatsache, dass die anfallende Mehrwertsteuer ordnungsgemäß durch die involvierten Gesellschaften gezahlt wurde und daher aufgrund des Gleichlaufs von Mehrwertsteuer und Vorsteuer der italienische Staat keine Mehrwertsteuer an einen der Beteiligten ausgezahlt hat, ohne dass er den Betrag zuvor vereinnahmen konnte. Insofern ist das Ziel, die Wahrung eines Gleichlaufs von Vorsteuerabzug und Steuerschuld zu sichern (dazu oben, Nrn. 32 ff.), hier nicht beeinträchtigt worden.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point48">48.</a>      Außerdem ergibt sich aus dem Sachverhalt und der Vorlagefrage, dass die Finanzverwaltung sämtliche Beteiligten kennt und allen den unberechtigten Vorsteuerabzug versagt hat. Auch unter diesem Gesichtspunkt scheidet eine Gefährdung des Steueraufkommens aus. Wenn aber keine Gefährdung des Steueraufkommens durch die Abrechnung über fiktive Umsätze existiert, dann muss eine Berichtigung dieser Steuer nach Art. 203 der Mehrwertsteuerrichtlinie möglich sein, auch wenn EN.SA bezüglich der fiktiven Umsätze nicht gutgläubig gehandelt hat.</p>
<p class="C25Titrenumerote5">2)      <i>Zeitpunkt der Berichtigung</i>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point49">49.</a>      Der gebotene Zeitpunkt der Berichtigung ist der Zeitpunkt, zu dem feststeht, dass keine Gefährdung des Steueraufkommens besteht. Das könnte hier z. B. der Zeitpunkt sein, in dem die Finanzverwaltung von der fehlenden Berechtigung des Rechnungsempfängers zum Vorsteuerabzug Kenntnis erlangt und ihm den Vorsteuerabzug mit Erfolg versagt.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point50">50.</a>      Ob darüber hinaus auch eine Rückzahlung des Betrags an den Rechnungsempfänger Voraussetzung für eine Berichtigung der Steuerschuld nach Art. 203 der Mehrwertsteuerrichtlinie ist, wenn dieser gutgläubig von seiner Vorsteuerabzugsberechtigung ausging, kann aufgrund des fehlenden guten Glaubens(<a href="#Footnote25" name="Footref25">25</a>) der hier betroffenen Gruppe „Green Network“ offenbleiben.</p>
<p class="C25Titrenumerote5">3)      <i>Ergebnis</i>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point51">51.</a>      Im Ergebnis verlangt das Unionsrecht (insbesondere die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Neutralität der Mehrwertsteuer) eine Korrekturmöglichkeit der als abstrakte Gefährdungshaftung ausgestalteten Mehrwertsteuerschuld nach Art. 203 der Mehrwertsteuerrichtlinie zu dem Zeitpunkt, in dem eine Gefährdung des Steueraufkommens ausgeschlossen ist.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point52">52.</a>      Wie der Gerichtshof jedoch auch schon entschieden hat, hindert das Unionsrecht die Mitgliedstaaten nicht daran, die Ausstellung fingierter Rechnungen (für fiktive Umsätze), in denen zu Unrecht Mehrwertsteuer ausgewiesen wird, als Straftat zu behandeln und in einem solchen Fall die nach ihrem nationalen Recht vorgesehenen Sanktionen zu verhängen(<a href="#Footnote26" name="Footref26">26</a>).</p>
<p class="C23Titrenumerote3">3.      <b>Verhältnismäßigkeit einer Sanktion in Höhe von 100 % des zu Unrecht geltend gemachten Vorsteuerabzugs</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point53">53.</a>      Schließlich ist noch die im dritten Teil des Vorabentscheidungsersuchens angesprochene Frage zu beantworten, ob in einem Fall wie dem vorliegenden eine zusätzliche Sanktion in Höhe von 100 % des zu Unrecht geltend gemachten Vorsteuerabzugs verhältnismäßig ist.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point54">54.</a>      Mangels einer Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Union auf dem Gebiet der Sanktionen können die Mitgliedstaaten bei Nichtbeachtung der Voraussetzungen, die eine nach dem Unionsrecht geschaffene Regelung vorsieht, die Sanktionen wählen, die ihnen sachgerecht erscheinen. Sie sind jedoch verpflichtet, bei der Ausübung dieser Befugnis das Unionsrecht und seine allgemeinen Grundsätze, also auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, zu beachten(<a href="#Footnote27" name="Footref27">27</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point55">55.</a>      Derartige Sanktionen dürfen also nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung der Ziele erforderlich ist, die genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu verhindern. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Sanktion mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist, sind u. a. die Art und die Schwere des Verstoßes, der mit dieser Sanktion geahndet werden soll, sowie die Methoden für die Bestimmung der Höhe dieser Sanktion zu berücksichtigen(<a href="#Footnote28" name="Footref28">28</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point56">56.</a>      Bezüglich der Möglichkeiten der Mitgliedstaaten, finanzielle Sanktionen im Rahmen des Mehrwertsteuerrechts zu verhängen, hat der Gerichtshof bereits mehrere Entscheidungen getroffen, in denen erkennbar wird, dass Sanktionen zwar zulässig sind. Sie dürfen aber nicht dazu führen, die Wertungen des Mehrwertsteuerrechts zu unterlaufen, und insbesondere nicht die Neutralität der Mehrwertsteuer in Frage stellen(<a href="#Footnote29" name="Footref29">29</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point57">57.</a>      Im vorliegenden Fall führt die Sanktion in Höhe von 100 % des zu Unrecht vorgenommenen Vorsteuerabzugs dazu, dass die hinsichtlich der Steuerschuld nach Art. 203 der Mehrwertsteuerrichtlinie gebotene Berichtigungsmöglichkeit im Ergebnis leerläuft. Denn selbst wenn die Steuerschuld nach Art. 203 der Mehrwertsteuerrichtlinie aufgrund der mangelnden Gefährdung des Steueraufkommens berichtigt wird, verbleibt eine vergleichbar hohe Geldschuld. Sofern Einkaufspreis und Verkaufspreis identisch sind, verbleibt sogar eine Geldschuld in identischer Höhe.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point58">58.</a>      Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass eine Sanktion in Höhe von 50 % – wenn das Verhalten weder zu Mindereinnahmen der Steuerverwaltung geführt noch Anhaltspunkte für eine Steuerhinterziehung geboten hat – unverhältnismäßig erscheint, was zu prüfen allerdings Sache des vorlegenden Gerichts ist(<a href="#Footnote30" name="Footref30">30</a>). Dies gilt erst recht für eine Sanktion in Höhe von 100 % in einem Fall, in dem ein Steuerschaden und ein Steuerbetrug ausgeschlossen sind(<a href="#Footnote31" name="Footref31">31</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point59">59.</a>      Darüber hinaus kommen, wie der Gerichtshof schon in anderer Sache entschieden hat(<a href="#Footnote32" name="Footref32">32</a>), auch andere – mildere– Mittel in Betracht. So ist im vorliegenden Fall die Auferlegung einer Geldbuße oder einer finanziellen Sanktion, die in angemessenem Verhältnis zur Schwere des Verstoßes und zur Schwere des Schadens steht, denkbar. Offenbar tritt nach der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung die Sanktion jedoch in jedem Fall ein, ohne Berücksichtigung der konkreten Umstände und der konkreten Mehrwertsteuergefährdung bzw. des konkreten Mehrwertsteuerschadens. Das geht – wie auch die Kommission zu Recht anmerkt – aber über das hinaus, was zur Sicherstellung der genauen Erhebung der Steuer und zur Vermeidung von Steuerhinterziehungen (vgl. zu diesen Zielen nur Art. 273 und auch Art. 131 der Mehrwertsteuerrichtlinie) erforderlich ist.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point60">60.</a>      Aus dem gleichen Grund kann die in Frage stehende Sanktion auch nicht als verhältnismäßige Sanktion bezüglich der zu Unrecht ausgestellten Rechnungen betrachtet werden (zu der Möglichkeit siehe oben, Nr. 53), zumal sie nicht an die Höhe der dort ausgewiesenen Steuerschuld und eine Gefährdung, sondern an den zuvor zu Unrecht geltend gemachten Vorsteuerabzug anknüpft.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point61">61.</a>      Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass dem (aufgrund der fiktiven Lieferungen auf der Eingangsseite) zu Unrecht vorgenommenen Vorsteuerabzug die ebenfalls zu Unrecht abgeführte Mehrwertsteuer aus den fiktiven Lieferungen auf der Ausgangsseite gegenübersteht. Beide „Zahlungen“ beziehen sich auf denselben Lieferungsgegenstand und können schon deshalb nicht isoliert betrachtet werden. Beide erfolgten zu Unrecht und sind daher zurück zu gewähren.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point62">62.</a>      Wie die Systematik der Mehrwertsteuerrichtlinie darüber hinaus deutlich zeigt (vgl. Art. 206 der Mehrwertsteuerrichtlinie), setzt sich die Steuerschuld des Steuerpflichtigen immer aus der geschuldeten Steuer aus den Ausgangsleistungen abzüglich der abziehbaren Vorsteuer aus den Eingangsleistungen desselben Steuerzeitraums zusammen. Dieser Gedanke sollte auch bei der Beurteilung der Angemessenheit einer Sanktionierung fiktiver Umsätze berücksichtigt werden.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point63">63.</a>      Bei einer Verrechnung der beiden Ansprüche ergibt sich hier eine konkrete Zahllast für EN.SA (und damit ein Steuerschaden für Italien) von 0 Euro, wenn Einkaufspreis und Verkaufspreis identisch waren, worauf die Ausführungen des vorlegenden Gerichts hindeuten. Die Verhängung einer Sanktion in Höhe von 100 % des zu Unrecht und zulasten des Staates Italien geltend gemachten Vorsteuerabzugs ohne Berücksichtigung des ebenfalls zu Unrecht aber zugunsten des Staates Italien abgeführten Mehrwertsteuerbetrags ist aufgrund der inhaltlichen Nähe der beiden Ansprüche unverhältnismäßig.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point64">64.</a>      Italien bleibt es aber unbenommen, die nach Art. 203 der Mehrwertsteuerrichtlinie (abstrakte Gefährdungshaftung) entstandene Steuerschuld bis zu ihrer Berichtigung angemessen zu verzinsen und – wie oben schon ausgeführt – die Erstellung von Rechnungen über fiktive Umsätze auch strafrechtlich zu sanktionieren.</p>
<p class="C21Titrenumerote1">VI.    <b>Ergebnis</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point65">65.</a>      Ich schlage dem Gerichtshof vor, die Frage der Commissione Tributaria Regionale per la Lombardia (Finanzgericht der Region Lombardei, Italien) wie folgt zu beantworten:</p>
<p class="C02AlineaAltA">Die Art. 168 und 203 der Richtlinie 2006/112/EG stehen bei fiktiven Umsätzen einer gleichzeitigen Steuerschuld aufgrund einer Rechnungserteilung und einer Versagung des Vorsteuerabzugs (auch mehrfach innerhalb einer zirkulären Leistungskette) nicht entgegen. Voraussetzung ist, dass die Steuerschuld aus Art. 203 der Mehrwertsteuerrichtlinie korrigiert werden kann, sobald eine Gefährdung des Steueraufkommens ausgeschlossen ist. In einem solchen Fall darf zwar wegen der Ausstellung einer unrichtigen Rechnung eine Sanktion verhängt werden, doch ist eine Sanktion in voller Höhe der nicht abzugsfähigen Vorsteuer der fiktiven Eingangsleistungen unverhältnismäßig, sofern eine entsprechende Mehrwertsteuer für die fiktiven Ausgangsleistungen abgeführt wurde und daher keine Gefährdung des Steueraufkommens bestand.</p>
<hr/>
<p class="C40FootnoteLangue">
<a href="#Footref1" name="Footnote1">1</a>      Originalsprache: Deutsch.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref2" name="Footnote2">2</a>      Ohne Anspruch auf Vollständigkeit: Vgl. Urteile vom 20. Juni 2018, Enteco Baltic (C‑108/17, EU:C:2018:473), vom 22. Oktober 2015, PPUH Stehcemp (C‑277/14, EU:C:2015:719), vom 18. Dezember 2014, Schoenimport „Italmoda“ Mariano Previti (C‑131/13, C‑163/13 und C‑164/13, EU:C:2014:2455), vom 9. Oktober 2014, Traum (C‑492/13, EU:C:2014:2267), vom 13. Februar 2014, Maks Pen (C‑18/13, EU:C:2014:69), vom 6. Dezember 2012, Bonik (C‑285/11, EU:C:2012:774), vom 6. September 2012, Mecsek-Gabona (C‑273/11, EU:C:2012:547), vom 21. Juni 2012, Mahagében (C‑80/11 und C‑142/11, EU:C:2012:373), und vom 6. Juli 2006, Kittel und Recolta Recycling (C‑439/04 und C‑440/04, EU:C:2006:446).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref3" name="Footnote3">3</a>      Urteil vom 22. Oktober 2015, PPUH Stehcemp (C‑277/14, EU:C:2015:719, Rn. 48), Urteile vom 20. Juni 2018, Enteco Baltic (C‑108/17, EU:C:2018:473, Rn. 94), vom 13. Februar 2014, Maks Pen (C‑18/13, EU:C:2014:69, Rn. 27), vom 6. September 2012, Mecsek-Gabona (C‑273/11, EU:C:2012:547, Rn. 54), vom 6. Dezember 2012, Bonik (C‑285/11, EU:C:2012:774, Rn. 39), und vom 6. Juli 2006, Kittel und Recolta Recycling (C‑439/04 und C‑440/04, EU:C:2006:446, Rn. 56); zu dem daraus resultierenden Problem der Überkompensation des entstandenen Schadens vgl. bereits meine Schlussanträge in der Rechtssache Vetsch Int. Transporte (C‑531/17, EU:C:2018:677, Nrn. 39 ff.).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref4" name="Footnote4">4</a>      ABl. 2006, L 347, S. 1.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref5" name="Footnote5">5</a>      Selbst die Einstufung dieses Verhaltens als strafbar würde nicht ohne Weiteres dazu führen, dass der fragliche Vorgang nicht steuerbar ist – so ausdrücklich: Urteiel vom 6. Juli 2006, Kittel und Recolta Recycling (C‑439/04 und C‑440/04, EU:C:2006:446, Rn. 50), vom 12. Januar 2006, Optigen u. a. (C‑354/03, C‑355/03 und C‑484/03, EU:C:2006:16, Rn. 49), und vom 29. Juni 2000, Salumets u. a. (C‑455/98, EU:C:2000:352, Rn. 19).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref6" name="Footnote6">6</a>      Urteile vom 27. Juni 2018, SGI und Valériane (C‑459/17 und C‑460/17, EU:C:2018:501, Rn. 35), vom 31. Januar 2013, LVK (C‑643/11, EU:C:2013:55, Rn. 34), vom 26. Mai 2005, António Jorge (C‑536/03, EU:C:2005:323, Rn. 24 und 25), vom 29. April 2004, Terra Baubedarf-Handel (C‑152/02, EU:C:2004:268, Rn. 31), und vom 8. Juni 2000, Breitsohl (C‑400/98, EU:C:2000:304, Rn. 36).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref7" name="Footnote7">7</a>      So zuletzt ausdrücklich: Urteil vom 27. Juni 2018, SGI und Valériane (C‑459/17 und C‑460/17, EU:C:2018:501, Rn. 36).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref8" name="Footnote8">8</a>      Urteile vom 27. Juni 2018, SGI und Valériane (C‑459/17 und C‑460/17, EU:C:2018:501, Rn. 37), vom 31. Januar 2013, LVK (C‑643/11, EU:C:2013:55, Rn. 34), vom 15. März 2007, Reemtsma Cigarettenfabriken (C‑35/05, EU:C:2007:167, Rn. 23), und vom 13. Dezember 1989, Genius (C‑342/87, EU:C:1989:635, Rn. 19).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref9" name="Footnote9">9</a>      So ausdrücklich Urteile vom 31. Januar 2013, LVK (C‑643/11, EU:C:2013:55, Rn. 35 und 36), vom 18. Juni 2009, Stadeco (C‑566/07, EU:C:2009:380, Rn. 28 ff.), mit Verweis auf Urteil vom 19. September 2000, Schmeink & Cofreth und Strobel (C‑454/98, EU:C:2000:469, Rn. 57 und 61), und vom 6. November 2003, Karageorgou u. a. (C‑78/02 bis C‑80/02, EU:C:2003:604, Rn. 50).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref10" name="Footnote10">10</a>      Urteil vom 13. Dezember 1989, Genius (C‑342/87, EU:C:1989:635, Rn. 13).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref11" name="Footnote11">11</a>      So ausdrücklich Urteil vom 18. Juni 2009, Stadeco (C‑566/07, EU:C:2009:380, Rn. 28 ff.), mit Verweis auf Urteil vom 19. September 2000, Schmeink & Cofreth und Strobel (C‑454/98, EU:C:2000:469, Rn. 57).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref12" name="Footnote12">12</a>      Urteil vom 6. November 2003, Karageorgou u. a. (C‑78/02 bis C‑80/02, EU:C:2003:604, Rn. 53).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref13" name="Footnote13">13</a>      Urteile vom 18. Juni 2009, Stadeco (C‑566/07, EU:C:2009:380, Rn. 35), und vom 6. November 2003, Karageorgou u. a. (C‑78/02 bis C‑80/02, EU:C:2003:604, Rn. 49).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref14" name="Footnote14">14</a>      Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. 1997, L 145, S. 1).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref15" name="Footnote15">15</a>      So zutreffend: Urteil vom 19. September 2000, Schmeink & Cofreth und Strobel (C‑454/98, EU:C:2000:469, Rn. 48) – „Die Sechste Richtlinie enthält keine Bestimmung über die Berichtigung zu Unrecht in Rechnung gestellter Mehrwertsteuer durch den Aussteller der Rechnung.“</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref16" name="Footnote16">16</a>      Urteil vom 15. Oktober 2002, Kommission/Deutschland (C‑427/98, EU:C:2002:581, Rn. 41).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref17" name="Footnote17">17</a>      Im Ergebnis so wohl auch Urteil vom 31. Januar 2013, LVK (C‑643/11, EU:C:2013:55, Rn.42) – Steuerschuld nach Art. 203 der Mehrwertsteuerrichtlinie, unabhängig davon, ob ein steuerpflichtiger Umsatz tatsächlich vorliegt.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref18" name="Footnote18">18</a>      So ausdrücklich Urteil vom 19. September 2000, Schmeink & Cofreth und Strobel (C‑454/98, EU:C:2000:469, Rn. 48). Zitiert in Urteilen vom 18. Juni 2009, Stadeco (C‑566/07, EU:C:2009:380, Rn. 35), und vom 6. November 2003, Karageorgou u. a. (C‑78/02 bis C‑80/02, EU:C:2003:604, Rn. 49), die aber davon sprechen, dass der Fall, dass die Mehrwertsteuer irrtümlich in einer Rechnung ausgewiesen wird, nicht ausdrücklich in der Richtlinie vorgesehen ist. </p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref19" name="Footnote19">19</a>      Urteile vom 18. Juni 2009, Stadeco (C‑566/07, EU:C:2009:380, Rn. 35), vom 6. November 2003, Karageorgou u. a. (C‑78/02 bis C‑80/02, EU:C:2003:604, Rn. 49), und vom 19. September 2000, Schmeink & Cofreth und Strobel (C‑454/98, EU:C:2000:469, Rn. 49).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref20" name="Footnote20">20</a>      Urteile vom 18. Juni 2009, Stadeco (C‑566/07, EU:C:2009:380, Rn. 36), und vom 13. Dezember 1989, Genius (C‑342/87, EU:C:1989:635, Rn. 18).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref21" name="Footnote21">21</a>      Urteile vom 31. Januar 2013, LVK (C‑643/11, EU:C:2013:55, Rn. 37), vom 18. Juni 2009, Stadeco (C‑566/07, EU:C:2009:380, Rn. 37), vom 6. November 2003, Karageorgou u. a. (C‑78/02 bis C‑80/02, EU:C:2003:604, Rn. 50), und vom 19. September 2000, Schmeink & Cofreth und Strobel (C‑454/98, EU:C:2000:469, Rn. 58).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref22" name="Footnote22">22</a>      Urteile vom 18. Juni 2009, Stadeco (C‑566/07, EU:C:2009:380, Rn. 38), und vom 19. September 2000, Schmeink & Cofreth und Strobel (C‑454/98, EU:C:2000:469, Rn. 68).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref23" name="Footnote23">23</a>      Urteil vom 18. Juni 2009, Stadeco (C‑566/07, EU:C:2009:380, Rn. 39), und vgl. entsprechend Urteil vom 19. September 2000, Schmeink & Cofreth und Strobel (C‑454/98, EU:C:2000:469, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref24" name="Footnote24">24</a>      Urteil vom 18. Juni 2009, Stadeco (C‑566/07, EU:C:2009:380, Rn. 40), vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 15. März 2007, Reemtsma Cigarettenfabriken (C‑35/05, EU:C:2007:167, Rn. 41).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref25" name="Footnote25">25</a>      Wenn davon ausgegangen wird, dass innerhalb der Unternehmensgruppe fiktive Umsätze vorliegen, schließt dies grundsätzlich auch einen guten Glauben innerhalb der Gruppe aus.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref26" name="Footnote26">26</a>      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. September 2000, Schmeink & Cofreth und Strobel (C‑454/98, EU:C:2000:469, Rn. 62).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref27" name="Footnote27">27</a>      Urteil vom 26. April 2017, Farkas (C‑564/15, EU:C:2017:302, Rn. 59), vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom 6. Februar 2014, Fatorie (C‑424/12, EU:C:2014:50, Rn. 50), und vom 7. Dezember 2000, de Andrade (C‑213/99, EU:C:2000:678, Rn. 20).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref28" name="Footnote28">28</a>      Urteil vom 26. April 2017, Farkas (C‑564/15, EU:C:2017:302, Rn. 60), vgl. in diesem Sinne Urteile vom 20. Juni 2013, Rodopi-M 91 (C‑259/12, EU:C:2013:414, Rn. 38), sowie vom 8. Mai 2008, Ecotrade (C‑95/07 und C‑96/07, EU:C:2008:267, Rn. 65 bis 67).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref29" name="Footnote29">29</a>      Urteil vom 15. September 2016, Senatex (C‑518/14, EU:C:2016:691, Rn. 41), vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. Juli 2015, Salomie und Oltean (C‑183/14, EU:C:2015:454, Rn. 62).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref30" name="Footnote30">30</a>      Vgl. Urteil vom 26. April 2017, Farkas (C‑564/15, EU:C:2017:302, Rn. 65 und 66).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref31" name="Footnote31">31</a>      Ähnlich – wenngleich in anderem Zusammenhang – Urteil vom 17. Juli 2014, Equoland (C‑272/13, EU:C:2014:2091, Rn. 47).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref32" name="Footnote32">32</a>      Urteil vom 15. September 2016, Senatex (C‑518/14, EU:C:2016:691, Rn. 42), vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. Juli 2015, Salomie und Oltean (C‑183/14, EU:C:2015:454, Rn. 63).</p>
|
175,037 | eugh-2019-01-17-c-10218 | {
"id": 2,
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<a id="judgment"/>URTEIL DES GERICHTSHOFS (Sechste Kammer)</p>
<p class="sum-title-1">17. Januar 2019 (<span class="note">
<a id="c-ECR_62018CJ0102_DE_01-E0001" href="#t-ECR_62018CJ0102_DE_01-E0001">*1</a>
</span>)</p>
<p class="index">„Vorlage zur Vorabentscheidung – Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – Verordnung (EU) Nr. 650/2012 – Art. 65 Abs. 2 – Europäisches Nachlasszeugnis – Antrag auf Ausstellung eines Zeugnisses – Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1329/2014 – Obligatorischer oder fakultativer Charakter des kraft Art. 1 Abs. 4 der Durchführungsverordnung Nr. 1329/2014 eingerichteten Formblatts“</p>
<p class="normal">In der Rechtssache C‑102/18</p>
<p class="normal">betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Oberlandesgericht Köln (Deutschland) mit Entscheidung vom 6. Februar 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 13. Februar 2018, in dem Verfahren auf Betreiben des</p>
<p class="normal">
<span class="bold">Klaus Manuel Maria Brisch</span>
</p>
<p class="normal">erlässt</p>
<p class="normal">DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)</p>
<p class="normal">unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin C. Toader (Berichterstatterin) sowie der Richter L. Bay Larsen und M. Safjan,</p>
<p class="normal">Generalanwalt: Y. Bot,</p>
<p class="normal">Kanzler: A. Calot Escobar,</p>
<p class="normal">aufgrund des schriftlichen Verfahrens,</p>
<p class="normal">unter Berücksichtigung der Erklärungen</p>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">–</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">der spanischen Regierung, vertreten durch S. Jiménez García als Bevollmächtigten,</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">–</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Z. Fehér, G. Koós und A. Pokoraczki als Bevollmächtigte,</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">–</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">der finnischen Regierung, vertreten durch S. Hartikainen als Bevollmächtigten,</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">–</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Wilderspin und M. Heller als Bevollmächtigte,</p>
</td>
</tr>
</table>
<p class="normal">aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,</p>
<p class="normal">folgendes</p>
<p class="sum-title-1">
<span class="bold">Urteil</span>
</p>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point1">1</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 65 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses (<a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=OJ:L:2012:201:TOC" hreflang="de" target="CourtTab">ABl. 2012, L 201, S. 107</a>) und von Art. 1 Abs. 4 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1329/2014 der Kommission vom 9. Dezember 2014 zur Festlegung der Formblätter nach Maßgabe der Verordnung Nr. 650/2012 (<a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=OJ:L:2014:359:TOC" hreflang="de" target="CourtTab">ABl. 2014, L 359, S. 30</a>).</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point2">2</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Es ergeht im Rahmen eines Verfahrens, das von Herrn Klaus Manuel Maria Brisch in seiner Eigenschaft als Testamentsvollstrecker der verstorbenen Frau Maria Therese Trenk beim Amtsgericht Köln (Deutschland) eingeleitet wurde und in dem es um die Ausstellung eines Europäischen Nachlasszeugnisses geht.</p>
</td>
</tr>
</table>
<p class="sum-title-1">
<span class="bold">Rechtlicher Rahmen</span>
</p>
<p class="title-grseq-2">
<span class="bold">
<span class="italic">Verordnung Nr. 650/2012</span>
</span>
</p>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point3">3</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Nach dem 59. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 650/2012 besteht deren allgemeine Zielsetzung in der gegenseitigen Anerkennung der in den Mitgliedstaaten ergangenen Entscheidungen in Erbsachen.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point4">4</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Art. 62 („Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses“) dieser Verordnung bestimmt in seinem Abs. 1:</p>
<p class="normal">„Mit dieser Verordnung wird ein Europäisches Nachlasszeugnis (im Folgenden[: Zeugnis]) eingeführt, das zur Verwendung in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellt wird und die in Artikel 69 aufgeführten Wirkungen entfaltet.“</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point5">5</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Art. 65 („Antrag auf Ausstellung eines Zeugnisses“) Abs. 1 und 2 der Verordnung lautet:</p>
<p class="normal">„(1)   Das Zeugnis wird auf Antrag jeder in Artikel 63 Absatz 1 genannten Person (im Folgenden[: Antragsteller]) ausgestellt.</p>
<p class="normal">(2)   Für die Vorlage eines Antrags kann der Antragsteller das nach dem Beratungsverfahren nach Artikel 81 Absatz 2 erstellte Formblatt verwenden.“</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point6">6</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Nach Art. 65 Abs. 3 der Verordnung Nr. 650/2012 muss der Antrag auf Ausstellung eines Zeugnisses die in dieser Bestimmung aufgeführten Angaben enthalten, soweit sie dem Antragsteller bekannt sind und von der Ausstellungsbehörde zur Beschreibung des Sachverhalts, dessen Bestätigung der Antragsteller begehrt, benötigt werden, wobei dem Antrag alle einschlägigen Schriftstücke beizufügen sind, und zwar entweder in Urschrift oder in Form einer Abschrift, die die erforderlichen Voraussetzungen für ihre Beweiskraft erfüllt.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point7">7</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Art. 66 Abs. 1 dieser Verordnung sieht vor:</p>
<p class="normal">„Nach Eingang des Antrags überprüft die Ausstellungsbehörde die vom Antragsteller übermittelten Angaben, Erklärungen, Schriftstücke und sonstigen Nachweise. Sie führt von Amts wegen die für diese Überprüfung erforderlichen Nachforschungen durch, soweit ihr eigenes Recht dies vorsieht oder zulässt, oder fordert den Antragsteller auf, weitere Nachweise vorzulegen, die sie für erforderlich erachtet.“</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point8">8</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Art. 67 („Ausstellung des Zeugnisses“) Abs. 1 dieser Verordnung lautet:</p>
<p class="normal">„Die Ausstellungsbehörde stellt das Zeugnis unverzüglich nach dem in diesem Kapitel festgelegten Verfahren aus, wenn der zu bescheinigende Sachverhalt nach dem auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendenden Recht oder jedem anderen auf einen spezifischen Sachverhalt anzuwendenden Recht feststeht. Sie verwendet das nach dem Beratungsverfahren nach Artikel 81 Absatz 2 erstellte Formblatt.“</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point9">9</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Art. 80 der Verordnung bestimmt:</p>
<p class="normal">„Die Kommission erlässt Durchführungsrechtsakte zur Erstellung und späteren Änderung der Bescheinigungen und der Formblätter nach den Artikeln 46, 59, 60, 61, 65 und 67. Diese Durchführungsrechtsakte werden nach dem in Artikel 81 Absatz 2 genannten Beratungsverfahren angenommen.“</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point10">10</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Art. 81 Abs. 1 der Verordnung Nr. 650/2012 sieht vor:</p>
<p class="normal">„Die Kommission wird von einem Ausschuss unterstützt. Dieser Ausschuss ist ein Ausschuss im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren (<a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=OJ:L:2011:055:TOC" hreflang="de" target="CourtTab">ABl. 2011, L 55, S. 13</a>)].“</p>
</td>
</tr>
</table>
<p class="title-grseq-2">
<span class="bold">
<span class="italic">Durchführungsverordnung Nr. 1329/2014</span>
</span>
</p>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point11">11</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Art. 1 Abs. 4 der Durchführungsverordnung Nr. 1329/2014 bestimmt:</p>
<p class="normal">„Für den Antrag auf Ausstellung eines [Zeugnisses] gemäß Artikel 65 Absatz 2 der [Verordnung Nr. 650/2012] ist das Formblatt IV in Anhang 4 zu verwenden.“</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point12">12</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">In dem Feld „Mitteilung an den Antragsteller“ des Formblatts IV in Anhang 4 der Durchführungsverordnung Nr. 1329/2014 heißt es:</p>
<p class="normal">„Dieses nicht verbindliche Formblatt soll Ihnen die Zusammenstellung der für die Ausstellung eines [Zeugnisses] erforderlichen Angaben erleichtern. … “</p>
</td>
</tr>
</table>
<p class="sum-title-1">
<span class="bold">Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage</span>
</p>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point13">13</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Frau Trenk, eine deutsche Staatsangehörige mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt in Köln (Deutschland), verstarb am 2. Juni 2017. Ihr Ehemann, ihre Eltern und ihr Bruder sind vorverstorben. Da sie keine Kinder hatte, sind ihre einzigen noch lebenden Erben die Abkömmlinge ihres verstorbenen Bruders. Frau Trenk hatte Vermögen in Deutschland, in Italien und in der Schweiz.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point14">14</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Durch am 1. August 2017 eröffnetes notarielles Testament vom 17. Dezember 2014 widerrief sie ihre zuvor errichteten notariellen Testamente, setzte die Congregazione Benedettina Sublacenze mit Sitz in Rom (Italien) als Alleinerbin ein und bestimmte Herrn Brisch zum Testamentsvollstrecker.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point15">15</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Am 16. Oktober 2017 beantragte Herr Brisch gemäß Art. 65 Abs. 1 der Verordnung Nr. 650/2012 beim Amtsgericht Köln auf der Grundlage einer notariellen Urkunde vom 11. Oktober 2017 die Ausstellung eines Zeugnisses in Bezug auf das in Italien befindliche Vermögen der Verstorbenen, ohne dabei das Formblatt IV in Anhang 4 der Durchführungsverordnung Nr. 1329/2014 (im Folgenden: Formblatt IV) zu verwenden.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point16">16</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Mit Schreiben vom 23. Oktober 2017 bat das Amtsgericht Köln Herrn Brisch, das Formblatt IV zu verwenden und es zur Akte des Antrags auf Ausstellung des Zeugnisses zu reichen. Mit Schreiben vom 7. November 2017 trat Herr Brisch dem entgegen und machte geltend, dass er dieses Formblatt verwenden könne, aber nicht müsse. Mit Beschluss vom 16. November 2017 wies das Amtsgericht Köln den Antrag auf Ausstellung eines Zeugnisses zurück und begründete dies damit, dass Herr Brisch das Formblatt IV nicht verwendet habe und der Antrag somit nicht formgerecht gestellt worden sei.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point17">17</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Am 2. Dezember 2017 legte Herr Brisch beim Amtsgericht Köln Beschwerde ein und machte geltend, sowohl aus Art. 65 Abs. 2 der Verordnung Nr. 650/2012 als auch aus dem Formblatt IV selbst ergebe sich, dass dessen Verwendung fakultativ sei. Er trug vor, dass für diese Auslegung auch Art. 67 Abs. 1 Satz 2 dieser Verordnung spreche, nach dem die Verwendung des Formblatts V in Anhang 5 der Durchführungsverordnung Nr. 1329/2014 obligatorisch sei. Seiner Ansicht nach hätte der Unionsgesetzgeber, wenn er im Rahmen des Art. 65 Abs. 2 der Verordnung Nr. 650/2012 die Verwendung des Formblatts IV zur Verpflichtung hätte erheben wollen, diese Bestimmung genau wie den besagten Art. 67 Abs. 1 Satz 2 formulieren können. Mit am 14. Dezember 2017 erlassenem Beschluss half das Amtsgericht Köln der Beschwerde nicht ab und legte die Sache dem vorlegenden Gericht zur Entscheidung vor.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point18">18</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Das vorlegende Gericht legt die Auffassung des Amtsgerichts Köln dar, nach der sich die obligatorische Verwendung des Formblatts IV aus dem Wortlaut des Art. 1 Abs. 4 der Durchführungsverordnung Nr. 1329/2014 ergebe, der eine <span class="italic">lex specialis</span> zu Art. 65 Abs. 2 der Verordnung Nr. 650/2012 sei. Die Kommission habe im Rahmen ihrer Ermächtigung gemäß den Art. 80 und 81 Abs. 2 der Verordnung Nr. 650/2012 zum Erlass von Durchführungsrechtsakten die Verwendung des Formblatts IV zur Verpflichtung erhoben.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point19">19</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Das vorlegende Gericht ist jedoch der Ansicht, dass im Wortlaut von Art. 65 Abs. 2 der Verordnung Nr. 650/2012 und in dem Feld „Mitteilung an den Antragsteller“ des Formblatts IV vielmehr der fakultative Charakter der Verwendung dieses Formblatts zum Ausdruck komme. Außerdem hat es Zweifel an der Stichhaltigkeit der Analyse des Amtsgerichts Köln hinsichtlich der Wirkungen der Ermächtigung der Kommission zum Erlass von Durchführungsrechtsakten. Es führt dazu aus, dass Art. 80 der Verordnung Nr. 650/2012 die Kommission zum Erlass von nur die Erstellung und spätere Änderung der Formblätter nach dieser Verordnung betreffenden Durchführungsrechtsakten ermächtige, nicht aber zur Änderung von Art. 65 Abs. 2 der Verordnung Nr. 650/2012 dahin, dass die Verwendung des Formblatts IV zur Verpflichtung erhoben würde.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point20">20</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Unter diesen Umständen hat das Oberlandesgericht Köln (Deutschland) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:</p>
<p class="normal">Ist zur Beantragung eines Europäischen Nachlasszeugnisses gemäß Art. 65 Abs. 2 der Verordnung Nr. 650/2012 die Benutzung des nach dem Beratungsverfahren nach Art. 81 Abs. 2 der Verordnung Nr. 650/2012 erstellten Formblatts IV (Anhang 4) gemäß Art. 1 Abs. 4 der Durchführungsverordnung Nr. 1329/2014 zwingend erforderlich oder nur fakultativ?</p>
</td>
</tr>
</table>
<p class="sum-title-1">
<span class="bold">Zur Vorlagefrage</span>
</p>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point21">21</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Mit seiner Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 65 Abs. 2 der Verordnung Nr. 650/2012 und Art. 1 Abs. 4 der Durchführungsverordnung Nr. 1329/2014 dahin auszulegen sind, dass für den Antrag auf Ausstellung eines Zeugnisses im Sinne der erstgenannten Bestimmung die Verwendung des Formblatts IV obligatorisch oder fakultativ ist.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point22">22</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs folgt aus den Erfordernissen sowohl der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts als auch des Gleichheitssatzes, dass eine unionsrechtliche Bestimmung, die für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Bedeutung nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten muss, die unter Berücksichtigung des Wortlauts und des Kontexts der Bestimmung sowie des mit der fraglichen Regelung verfolgten Ziels gefunden werden muss (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Juni 2018, Oberle,<a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2018%3A485&locale=de" target="CourtTab" type="application/xml;notice=branch" hreflang="de" class="CourtLink">C‑20/17</a>, <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2018%3A485&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab" target="CourtTab" type="application/pdf" hreflang="de" class="CourtLink">EU:C:2018:485</a>, Rn. <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2018%3A485&lang=DE&format=html&target=CourtTab&anchor=#point33" target="CourtTab" type="application/xhtml+xml" hreflang="de" class="CourtLink">33</a> und die dort angeführte Rechtsprechung).</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point23">23</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Nach dem Wortlaut von Art. 65 Abs. 2 der Verordnung Nr. 650/2012 „kann“ der Antragsteller für die Vorlage eines Antrags auf Ausstellung eines Zeugnisses das nach dem Beratungsverfahren nach Art. 81 Abs. 2 dieser Verordnung erstellte Formblatt verwenden.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point24">24</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Außerdem muss, wie sich aus Art. 65 Abs. 3 der Verordnung Nr. 650/2012 ergibt, der Antrag auf Ausstellung eines Zeugnisses die in dieser Bestimmung aufgeführten Angaben enthalten, soweit sie dem Antragsteller bekannt sind und von der Ausstellungsbehörde zur Beschreibung des Sachverhalts, dessen Bestätigung der Antragsteller begehrt, benötigt werden, wobei dem Antrag alle einschlägigen Schriftstücke beizufügen sind, und zwar entweder in Urschrift oder in Form einer Abschrift, die die erforderlichen Voraussetzungen für ihre Beweiskraft erfüllt. Daraus folgt, dass zwar der Antragsteller die Angaben machen muss, die der Ausstellungsbehörde die Bestätigung des fraglichen Sachverhalts ermöglichen, doch ergibt sich aus Art. 65 der Verordnung Nr. 650/2012 nicht, dass er dabei das Formblatt IV verwenden muss.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point25">25</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Der Wortlaut von Art. 65 Abs. 2 der Verordnung Nr. 650/2012 ist somit bar jeder Mehrdeutigkeit, was den fakultativen Charakter der Verwendung des Formblatts IV betrifft. Im Übrigen gehen die vom vorlegenden Gericht angeführten Zweifel auf den Wortlaut von Art. 1 Abs. 4 der Durchführungsverordnung Nr. 1329/2014 zurück, wonach „[f]ür den Antrag auf Ausstellung eines [Zeugnisses] gemäß Artikel 65 Absatz 2 der [Verordnung Nr. 650/2012] … das Formblatt IV in Anhang 4 zu verwenden [ist]“. Dieser Bestimmung könnte dem vorlegenden Gericht zufolge zu entnehmen sein, dass die Verwendung dieses Formblatts obligatorisch ist.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point26">26</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Art. 1 Abs. 4 der Durchführungsverordnung Nr. 1329/2014 ist jedoch in Verbindung mit deren Anhang 4 zu lesen, auf den er verweist und in dem das Formblatt IV enthalten ist. In dem Feld „Mitteilung an den Antragsteller“ am Anfang dieses Formblatts wird aber eindeutig klargestellt, dass das Formblatt IV fakultativ ist. Somit kommt der Wendung „Formblatt“, das „zu verwenden“ ist, in Art. 1 Abs. 4 der Durchführungsverordnung Nr. 1329/2014 keine Aussagekraft über den obligatorischen oder fakultativen Charakter der Verwendung des Formblatts IV zu, sondern nur Hinweisfunktion dahin, dass für den Fall, dass der Antragsteller seinen Antrag auf Ausstellung eines Zeugnisses mittels eines Formblatts stellen wollen sollte, das Formblatt IV das geeignete Formblatt wäre, das zu verwenden ist.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point27">27</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Außerdem ist festzustellen, dass nach dem Art. 65 der Verordnung Nr. 650/2012 entsprechenden Art. 38 des dieser Verordnung zugrunde liegenden Vorschlags der Kommission für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen und öffentlichen Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses (KOM[2009] 154 endgültig) vorgesehen war, dass der Antrag auf Ausstellung eines Zeugnisses mittels eines Formblatts nach dem Muster in Anhang I dieses Vorschlags gestellt werden musste. Die Änderung der Formulierung dieses Art. 38 in Art. 65 Abs. 2 der Verordnung Nr. 650/2012 lässt erkennen, dass trotz der in einem frühen Stadium der Legislativtätigkeit bestehenden Absicht der Kommission, die obligatorische Verwendung eines Formblatts ins Auge zu fassen, diese anfängliche Absicht vom Unionsgesetzgeber nicht weiterverfolgt wurde. Folglich bestätigt auch die Entstehungsgeschichte der Verordnung Nr. 650/2012, dass dem Wortlaut ihres Art. 65 Abs. 2 zu entnehmen ist, dass die Verwendung des Formblatts IV zur Beantragung eines Zeugnisses fakultativ ist.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point28">28</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Demnach ergibt sich aus der wörtlichen Auslegung von Art. 65 Abs. 2 der Verordnung Nr. 650/2012 in Verbindung mit Anhang 4 der Durchführungsverordnung Nr. 1329/2014, dass die Verwendung des Formblatts IV für einen Antrag auf Ausstellung eines Zeugnisses fakultativ ist.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point29">29</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Bestätigung findet diese Auslegung außerdem in einer Analyse des Zusammenhangs, in den sich diese Bestimmung einfügt.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point30">30</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Art. 67 Abs. 1 der Verordnung Nr. 650/2012 stellt nämlich für die Ausstellungsbehörde die Pflicht auf, für die Ausstellung des Zeugnisses das in Anhang 5 der Durchführungsverordnung Nr. 1329/2014 vorgesehene Formblatt V zu verwenden. In dem unterschiedlichen Wortlaut von Art. 65 Abs. 2 der Verordnung Nr. 650/2012, der den Antrag auf Ausstellung eines Zeugnisses betrifft, und Art. 67 Abs. 1 dieser Verordnung betreffend die Ausstellung des Zeugnisses kommt zum Ausdruck, dass der Unionsgesetzgeber für den Antrag auf Ausstellung eines Zeugnisses die Verwendung des Formblatts IV nicht vorschreiben wollte.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point31">31</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Darüber hinaus ist festzustellen, dass sich in den Anhängen 1 bis 3 und 5 der Durchführungsverordnung Nr. 1329/2014 kein Hinweis auf die fakultative Verwendung der in diesen Anhängen enthaltenen Formblätter findet. Allein das Formblatt IV weist in dem Feld „Mitteilung an den Antragsteller“ auf den fakultativen Charakter dieses Formblatts hin. Dieser Hinweis findet sich im Übrigen genauso auch in anderen Sprachfassungen des fraglichen Anhangs wie der spanischen, der englischen, der französischen, der italienischen und der rumänischen.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point32">32</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Die vorstehende Feststellung bestätigt den Willen des Unionsgesetzgebers, eine fakultative Verwendung des Formblatts IV vorzusehen.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point33">33</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Diese Auslegung läuft nicht der allgemeinen Zielsetzung der Verordnung Nr. 650/2012 zuwider, die, wie sich aus deren 59. Erwägungsgrund ergibt, in der gegenseitigen Anerkennung der in den Mitgliedstaaten ergangenen Entscheidungen in Erbsachen mit grenzüberschreitendem Bezug besteht.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point34">34</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Auch wenn nämlich in dem Feld „Mitteilung an den Antragsteller“ des Formblatts IV erläutert wird, dass die Verwendung dieses Formblatts durch den Antragsteller die Zusammenstellung der für die Ausstellung eines Zeugnisses erforderlichen Angaben erleichtern soll, kann mit dem nach Art. 65 der Verordnung Nr. 650/2012 gestellten Antrag auf Ausstellung eines Zeugnisses das Ziel dieser Verordnung von den Mitgliedstaaten gleichwohl im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip ausreichend verwirklicht werden, ohne dass es erforderlich wäre, die Verwendung des Formblatts IV zur Verpflichtung zu erheben.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point35">35</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Ausstellungsbehörde nach den Art. 66 und 67 Abs. 1 der Verordnung Nr. 650/2012 das Zeugnis ausstellt, nachdem sie die vom Antragsteller gemäß Art. 65 Abs. 3 dieser Verordnung übermittelten Angaben überprüft und gegebenenfalls Nachforschungen gemäß Art. 66 der Verordnung angestellt hat.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point36">36</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Nach alledem sind Art. 65 Abs. 2 der Verordnung Nr. 650/2012 und Art. 1 Abs. 4 der Durchführungsverordnung Nr. 1329/2014 dahin auszulegen, dass für den Antrag auf Ausstellung eines Zeugnisses im Sinne der erstgenannten Bestimmung die Verwendung des Formblatts IV fakultativ ist.</p>
</td>
</tr>
</table>
<p class="sum-title-1">
<span class="bold">Kosten</span>
</p>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point37">37</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top"> </td>
<td valign="top">
<p class="normal">Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Sechste Kammer) für Recht erkannt:</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tbody>
<tr>
<td> </td>
<td>
<p class="normal">
<span class="bold">Art. 65 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses und Art. 1 Abs. 4 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1329/2014 der Kommission vom 9. Dezember 2014 zur Festlegung der Formblätter nach Maßgabe der Verordnung Nr. 650/2012 sind dahin auszulegen, dass für den Antrag auf Ausstellung eines Europäischen Nachlasszeugnisses im Sinne der erstgenannten Bestimmung die Verwendung des Formblatts IV in Anhang 4 der Durchführungsverordnung Nr. 1329/2014 fakultativ ist.</span>
</p>
</td>
</tr>
</tbody>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tbody>
<tr>
<td> </td>
<td>
<div class="signaturecase">
<div class="signaturecaserow">
<div class="signatory3left">
<p class="normal">Toader</p>
</div>
<div class="signatorycenter">
<p class="normal">Bay Larsen</p>
</div>
<div class="signatory3right">
<p class="normal">Safjan</p>
</div>
</div>
<p class="normal">Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 17. Januar 2019.</p>
<div class="signaturecaserow">
<div class="signatory2left">
<p class="normal">Der Kanzler</p>
<p class="normal">A. Calot Escobar</p>
</div>
<div class="signatory2right">
<p class="normal">Die Präsidentin der Sechsten Kammer</p>
<p class="normal">C. Toader</p>
</div>
</div>
</div>
</td>
</tr>
</tbody>
</table>
<hr class="note"/>
<p class="note">(<span class="note">
<a id="t-ECR_62018CJ0102_DE_01-E0001" href="#c-ECR_62018CJ0102_DE_01-E0001">*1</a>
</span>) Verfahrenssprache: Deutsch.</p>
|
175,036 | eugh-2019-01-17-c-31016 | {
"id": 2,
"name": "Europäischer Gerichtshof",
"slug": "eugh",
"city": null,
"state": 19,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": null
} | C-310/16 | 2019-01-17T00:00:00 | 2019-01-31T19:20:54 | 2019-01-31T19:20:54 | Urteil | ECLI:EU:C:2019:30 | <p>Vorläufige Fassung</p>
<p class="C19Centre">URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)</p>
<p class="C19Centre">17. Januar 2019(<a href="#Footnote*" name="Footref*">*</a>)</p>
<p class="C71Indicateur">„Vorlage zur Vorabentscheidung – Mehrwertsteuer – Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union – Art. 325 Abs. 1 AEUV – Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften – Strafverfahren wegen Mehrwertsteuerstraftaten – Effektivitätsgrundsatz – Beweiswürdigung – Telefonüberwachung – Anordnung durch ein unzuständiges Gericht – Berücksichtigung der Telefonüberwachung als Beweismittel – Nationale Regelung – Verbot“</p>
<p class="C02AlineaAltA">In der Rechtssache C‑310/16</p>
<p class="C02AlineaAltA">betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Spetsializiran nakazatelen sad (Spezialisiertes Strafgericht, Bulgarien) mit Entscheidung vom 25. Mai 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 31. Mai 2016, in dem Strafverfahren gegen</p>
<p class="C02AlineaAltA">
<b>Petar Dzivev,</b>
</p>
<p class="C02AlineaAltA">
<b>Galina Angelova,</b>
</p>
<p class="C02AlineaAltA">
<b>Georgi Dimov,</b>
</p>
<p class="C02AlineaAltA">
<b>Milko Velkov</b>
</p>
<p class="C02AlineaAltA">erlässt</p>
<p class="C19Centre">DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)</p>
<p class="C02AlineaAltA">unter Mitwirkung des Präsidenten der Siebten Kammer T. von Danwitz (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Vierten Kammer, der Richterin K. Jürimäe sowie der Richter C. Lycourgos, E. Juhász und C. Vajda,</p>
<p class="C02AlineaAltA">Generalanwalt: M. Bobek,</p>
<p class="C02AlineaAltA">Kanzler: A. Calot Escobar,</p>
<p class="C02AlineaAltA">aufgrund des schriftlichen Verfahrens,</p>
<p class="C02AlineaAltA">unter Berücksichtigung der Erklärungen</p>
<p class="C03Tiretlong">–        der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,</p>
<p class="C03Tiretlong">–        der Europäischen Kommission, vertreten durch R. Troosters, J. Baquero Cruz und P. Mihaylova als Bevollmächtigte,</p>
<p class="C02AlineaAltA">nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 25. Juli 2018</p>
<p class="C02AlineaAltA">folgendes</p>
<p class="C75Debutdesmotifs">
<b>Urteil</b>
</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point1">1</a>        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 325 Abs. 1 AEUV, von Art. 1 Abs. 1 Buchst.  b und Art. 2 Abs. 1 des am 26. Juli 1995 in Luxemburg unterzeichneten Übereinkommens aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (ABl. 1995, C 316, S. 48, im Folgenden: SFI-Übereinkommen) sowie von Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point2">2</a>        Es ergeht im Rahmen eines Strafverfahrens gegen Herrn Petar Dzivev, Frau Galina Angelova, Herrn Georgi Dimov und Herrn Milko Velkov, die beschuldigt werden, Mehrwertsteuerstraftaten begangen zu haben.</p>
<p class="C04Titre1"> <b>Rechtlicher Rahmen</b>
</p>
<p class="C05Titre2"> <b>Unionsrecht</b>
</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point3">3</a>        In Art. 325 AEUV heißt es:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„(1)      Die Union und die Mitgliedstaaten bekämpfen Betrügereien und sonstige gegen die finanziellen Interessen der Union gerichtete rechtswidrige Handlungen mit Maßnahmen nach diesem Artikel, die abschreckend sind und in den Mitgliedstaaten sowie in den Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union einen effektiven Schutz bewirken.</p>
<p class="C02AlineaAltA">(2)      Zur Bekämpfung von Betrügereien, die sich gegen die finanziellen Interessen der Union richten, ergreifen die Mitgliedstaaten die gleichen Maßnahmen, die sie auch zur Bekämpfung von Betrügereien ergreifen, die sich gegen ihre eigenen finanziellen Interessen richten.</p>
<p class="C02AlineaAltA">…“</p>
<p class="C06Titre3"> <i>SFI-Übereinkommen</i>
</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point4">4</a>        In Art. 1 des SFI-Übereinkommens heißt es:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„(1)      Für die Zwecke dieses Übereinkommens umfasst der Tatbestand des Betrugs zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">…</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">b)      im Zusammenhang mit Einnahmen jede vorsätzliche Handlung oder Unterlassung betreffend</p>
<p class="C11Marge1avecretrait">–      die Verwendung oder Vorlage falscher, unrichtiger oder unvollständiger Erklärungen oder Unterlagen mit der Folge, dass Mittel aus dem Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften oder aus den Haushalten, die von den Europäischen Gemeinschaften oder in deren Auftrag verwaltet werden, rechtswidrig vermindert werden;</p>
<p class="C11Marge1avecretrait">–      dem Verschweigen einer Information unter Verletzung einer spezifischen Pflicht mit derselben Folge;</p>
<p class="C11Marge1avecretrait">–      die missbräuchliche Verwendung eines rechtmäßig erlangten Vorteils mit derselben Folge.</p>
<p class="C02AlineaAltA">(2)      Vorbehaltlich des Artikels 2 Absatz 2 trifft jeder Mitgliedstaat die erforderlichen und geeigneten Maßnahmen, um Absatz 1 so in sein innerstaatliches Recht umzusetzen, dass die von ihm erfassten Handlungen als Straftaten umschrieben werden.</p>
<p class="C02AlineaAltA">…“</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point5">5</a>        Art. 2 Abs. 1 des SFI-Übereinkommens bestimmt:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„Jeder Mitgliedstaat trifft die erforderlichen Maßnahmen um sicherzustellen, dass die in Artikel 1 genannten Handlungen sowie die Beteiligungen an den Handlungen im Sinne von Artikel 1 Absatz 1, die Anstiftung dazu oder der Versuch solcher Handlungen durch wirksame, angemessene und abschreckende Strafen geahndet werden können, die zumindest in schweren Betrugsfällen auch Freiheitsstrafen umfassen, die zu einer Auslieferung führen können; als schwerer Betrug gilt jeder Betrug, der einen in jedem Mitgliedstaat festzusetzenden Mindestbetrag zum Gegenstand hat. Dieser Mindestbetrag darf 50 000 [Euro] nicht überschreiten.“</p>
<p class="C06Titre3"> <i>Beschluss 2007/436/EG</i>
</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point6">6</a>        Art. 2 Abs. 1 des Beschlusses 2007/436/EG, Euratom des Rates vom 7. Juni 2007 über das System der Eigenmittel der Europäischen Gemeinschaften (ABl. 2007, L 163, S. 17) sieht vor:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„Folgende Einnahmen stellen in den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Union einzusetzende Eigenmittel dar:</p>
<p class="C02AlineaAltA">…</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">b)       … Einnahmen, die sich aus der Anwendung eines für alle Mitgliedstaaten einheitlichen Satzes auf die nach Gemeinschaftsvorschriften bestimmte einheitliche MwSt.‑Eigenmittelbemessungsgrundlage eines jeden Mitgliedstaats ergeben. …“</p>
<p class="C05Titre2"> <b>Bulgarisches Recht</b>
</p>
<p class="C06Titre3"> <i>Verfassung der Republik Bulgarien</i>
</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point7">7</a>        Art. 32 Abs. 2 der Verfassung der Republik Bulgarien enthält das Verbot, die Kommunikation einer Person außer in den gesetzlich vorgesehenen Fällen zu überwachen.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point8">8</a>        Nach Art. 121 Abs. 4 der Verfassung sind Rechtsprechungsakte zu begründen.</p>
<p class="C06Titre3"> <i>Strafprozessordnung</i>
</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point9">9</a>        Art. 348 des Nakazatelno-protsesualen kodeks (Strafprozessordnung, im Folgenden: NPK) bestimmt:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„(1)      Ein Urteil oder eine Entscheidung kann im Kassationsverfahren aufgehoben oder geändert werden,</p>
<p class="C02AlineaAltA">…</p>
<p class="C02AlineaAltA">2.      wenn ein Verstoß gegen wesentliche Verfahrensregeln vorliegt.</p>
<p class="C02AlineaAltA">…</p>
<p class="C02AlineaAltA">(3)      Der Verstoß gegen Verfahrensregeln ist wesentlich, wenn</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">1.      er zu einer Beschränkung der Verfahrensrechte des Angeklagten oder anderer Beteiligter geführt hat und ihm nicht abgeholfen wurde;</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">2.      keine Begründung oder kein Protokoll der mündlichen Verhandlung in der ersten Instanz oder in der Berufungsinstanz vorliegt;</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">3.      das Urteil oder die Entscheidung in rechtswidriger Besetzung verkündet wurde; </p>
<p class="C09Marge0avecretrait">4.      bei der Verkündung des Urteils oder der Entscheidung das Beratungsgeheimnis verletzt wurde.“</p>
<p class="C06Titre3"> <i>Gesetz zur Änderung und Ergänzung der Strafprozessordnung</i>
</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point10">10</a>      Am 1. Januar 2012 trat der Zakon za izmenenie i dopalnenie na Nakazatelno-protsesualnia kodeks (Gesetz zur Änderung und Ergänzung der Strafprozessordnung, im Folgenden: ZIDNPK) in Kraft, dessen Gegenstand die Errichtung und die Funktionsweise des Spetsializiran nakazatelen sad (Spezialisiertes Strafgericht, Bulgarien) sind. Der ZIDNPK sieht die Übertragung bestimmter Zuständigkeiten des Sofiyski gradski sad (Stadtgericht Sofia, Bulgarien) auf den Spetsializiran nakazatelen sad (Spezialisiertes Strafgericht) vor, der über die ausschließliche Zuständigkeit für Strafsachen im Zusammenhang mit einer kriminellen Vereinigung verfügt.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point11">11</a>      Mit § 5 ZIDNPK wurde die Zuständigkeit für die Anordnung der Telefonüberwachung von Personen, die der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung verdächtig sind, vom Sofiyski gradski sad (Stadtgericht Sofia) auf den Spetsializiran nakazatelen sad (Spezialisiertes Strafgericht) übertragen.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point12">12</a>      Bereits eingeleitete vorgerichtliche Verfahren sind gemäß § 9 Abs. 2 ZIDNPK von den bis dahin jeweils zuständigen Stellen abzuschließen. Am 6. März 2012 wurde die Bestimmung dahin gehend geändert, dass für die gerichtliche Überprüfung dieser Verfahren weiterhin das Gericht zuständig ist, das vor dem 1. Januar 2012 zuständig gewesen war.</p>
<p class="C06Titre3"> <i>Die Bestimmungen über besonderen Ermittlungsmethoden</i>
</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point13">13</a>      Das Verfahren zur Durchführung von Telefonüberwachungen ist in den Art. 1 bis 3, 6 und 12 bis 18 des Zakon za spetsialnite razuznavatelni sredstva (Gesetz über besondere Ermittlungsmethoden) und in den Art. 172 bis 177 des NPK geregelt. Nach Angaben des vorlegenden Gerichts kann die Telefonüberwachung im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens sowie nach Einleitung eines Strafverfahrens erfolgen. Diese Maßnahme ist auf Antrag des Direktors der Hauptdirektion zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität oder der Staatsanwaltschaft vorab durch ein zuständiges Gericht anzuordnen. Die gerichtliche Anordnung einer Telefonüberwachung ist zu begründen und gemäß Art. 15 des Gesetzes über besondere Ermittlungsmethoden und Art. 174 NPK vom Präsidenten oder hierzu ermächtigten Vizepräsidenten des zuständigen Gerichts zu erlassen.</p>
<p class="C04Titre1"> <b>Ausgangsverfahren und Vorlagefragen</b>
</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point14">14</a>      Herr Dzivev, Frau Angelova, Herr Dimov und Herr Velkov werden beschuldigt, zwischen dem 1. Juni 2011 und dem 31. März 2012 durch eine Handelsgesellschaft, die Karoli Kepital EOOD, Steuerstraftaten begangen zu haben. Herrn Dzivev wird insbesondere vorgeworfen, eine kriminelle Vereinigung angeführt zu haben, der die drei anderen Angeklagten angehört hätten und deren Zweck im vorliegenden Fall darin bestanden habe, sich durch Hinterziehung der Steuer zu bereichern, die nach dem Zakon za danak varhu dobavenata stoynost (Mehrwertsteuergesetz) (DV Nr.°63 vom 4. August 2006) in seiner im entscheidungserheblichen Zeitraum geltenden Fassung geschuldet gewesen sei.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point15">15</a>      Während des Ermittlungsverfahrens gab der Sofiyski gradski sad (Stadtgericht Sofia) zwischen November 2011 und Februar 2012 mehreren Anträgen des Direktors der Glavna direktsia za borba s organiziranata prestapnost (Hauptdirektion zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität, Bulgarien) auf Anordnung der Telefonüberwachung der vier Angeklagten statt. Nach Einleitung des Strafverfahrens stellte die Staatsanwaltschaft im März 2012 beim Spetsializiran nakazatelen sad (Spezialisiertes Strafgericht) mehrere Anträge auf Anordnung einer erneuten Telefonüberwachung der Angeklagten, denen stattgegeben wurde.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point16">16</a>      Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts ist keine der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Anordnungen begründet worden; in den zwischen November 2011 und Januar 2012 erlassenen Anordnungen sei u. a. nicht ordnungsgemäß angegeben worden, ob der Präsident oder der Vizepräsident des Sofiyski gradski sad (Stadtgericht Sofia) tätig geworden sei. Diese Mängel hätten nicht zur Rechtswidrigkeit der betreffenden Anordnungen geführt. Allerdings seien die im Januar und Februar 2012 ergangenen Anordnungen von einem unzuständigen Gericht erlassen worden. Nach diesem Zeitpunkt hätten nämlich alle Anträge an den Präsidenten des Spetsializiran nakazatelen sad (Spezialisiertes Strafgericht) und nicht mehr an den Präsidenten des Sofiyski gradski sad (Stadtgericht Sofia) gerichtet werden müssen. Da Letzterer keine Zuständigkeit mehr gehabt habe, diese Anträge zu prüfen und ihnen stattzugeben, hätte er sie an den Präsidenten des Spetsializiran nakazatelen sad (Spezialisiertes Strafgericht) verweisen müssen.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point17">17</a>      Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass später systematische Fehler bei der Genehmigung der Anwendung besonderer Ermittlungsmethoden, insbesondere bei der Anordnung von Telefonüberwachungen, amtlich festgestellt worden seien, was zur Änderung der einschlägigen Rechtsvorschriften geführt habe.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point18">18</a>      Außerdem legt das vorlegende Gericht dar, es sei nicht klar gewesen, ob sich die Übergangsbestimmung in § 9 ZIDNPK auch auf laufende Ermittlungsverfahren bezogen habe. Diese Bestimmung habe zu einer umfangreichen und widersprüchlichen Rechtsprechung geführt. Das Auslegungsurteil Nr. 5/14 des Varhoven kasatsionen sad (Oberstes Kassationsgericht, Bulgarien) vom 16. Januar 2014 habe bestätigt, dass vom Grundsatz der ausschließlichen Zuständigkeit der Gerichte in Strafsachen keine Ausnahmen zulässig seien. Hierzu führt das vorlegende Gericht aus, dieser Grundsatz habe im nationalen Recht, vor allem bei der Anwendung besonderer Ermittlungsmethoden, zu denen die Telekommunikationsüberwachung gehöre, große Bedeutung. Unter Verweis auf das Urteil des Gerichtshofs vom 17. Dezember 2015, WebMindLicenses (C‑419/14, EU:C:2015:832, Rn. 91), fragt sich das vorlegende Gericht jedoch, ob diesem Auslegungsurteil auch dann zu folgen ist, wenn die Beachtung des Unionsrechts in Frage steht.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point19">19</a>      Das vorlegende Gericht fügt hinzu, dass im Fall von Herrn Dzivev nur die Telefonüberwachungen, die aufgrund der vom unzuständigen Gericht erlassenen Anordnungen durchgeführt worden seien, die Begehung der ihm vorgeworfenen Straftaten eindeutig und ohne Zweifel beweisen könnten und seine Verurteilung erlaubten, während die anderen Angeklagten auf der Grundlage der rechtmäßig erlangten Beweise verurteilt werden könnten.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point20">20</a>      Unter diesen Umständen hat der Spetsializiran nakazatelen sad (Spezialisiertes Strafgericht) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">1.      Ist es vereinbar mit:</p>
<p class="C11Marge1avecretrait">–      Art. 325 Abs. 1 AEUV, der vorsieht, dass die Mitgliedstaaten Maßnahmen zum effektiven Schutz vor Betrügereien und sonstige gegen die finanziellen Interessen der Union gerichtete rechtswidrige Handlungen treffen; </p>
<p class="C11Marge1avecretrait">–      Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Buchst. b des SFI-Übereinkommens in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 Buchst. b des Beschlusses 2007/436, wonach jeder Mitgliedstaat die erforderlichen Maßnahmen trifft, um die wirksame Ahndung von Mehrwertsteuerhinterziehung sicherzustellen;</p>
<p class="C11Marge1avecretrait">–      Art. 47 Abs. 1 und 2 der Charta, der das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf bei einem zuvor durch Gesetz errichteten Gericht gewährleistet,</p>
<p class="C10Marge1">wenn nach dem nationalen Recht die Beweise, welche durch den Einsatz von „besonderen Ermittlungsmethoden“ erlangt wurden, nämlich durch Überwachung von Telefongesprächen von Personen, gegen die später Anklage wegen einer Mehrwertsteuerstraftat erhoben wurde, nicht verwertet werden dürfen, da sie von einem unzuständigen Gericht angeordnet wurde, und dabei folgende Voraussetzungen berücksichtigt werden:</p>
<p class="C11Marge1avecretrait">–      Zu einem früheren Zeitpunkt (zwischen einem und drei Monaten zuvor) wurde die Überwachung eines Teils dieser Telefonanschlüsse beantragt und vom selben Gericht angeordnet, wobei es zu diesem Zeitpunkt noch zuständig war;</p>
<p class="C11Marge1avecretrait">–      die Anordnung der fraglichen Telefonüberwachung (zur Verlängerung der früheren Überwachung und zur Überwachung von neuen Telefonanschlüssen) wurde beim selben Gericht beantragt, das nicht mehr zuständig war, da seine Zuständigkeit unmittelbar davor auf ein anderes Gericht übertragen wurde; das ursprüngliche Gericht hat trotz seiner fehlenden Zuständigkeit den Antrag in der Sache geprüft und die Anordnung erlassen;</p>
<p class="C11Marge1avecretrait">–      zu einem späteren Zeitpunkt (etwa einen Monat später) wurde die Anordnung der Überwachung derselben Telefonanschlüsse erneut beantragt und vom nunmehr dafür zuständigen Gericht erlassen;</p>
<p class="C11Marge1avecretrait">–      alle ergangenen Anordnungen enthalten faktisch keine Begründung;</p>
<p class="C11Marge1avecretrait">–      die die Zuständigkeitsübertragung anordnende gesetzliche Vorschrift war unklar, führte zu zahlreichen sich widersprechenden Gerichtsentscheidungen und veranlasste daher den Varhoven kasatsionen sad (Oberstes Kassationsgericht), etwa zwei Jahre nach der gesetzlich erfolgten Zuständigkeitsübertragung und den fraglichen Telefonüberwachungen ein bindendes Auslegungsurteil zu erlassen;</p>
<p class="C11Marge1avecretrait">–      das mit der vorliegenden Rechtssache befasste Gericht ist nicht befugt, über Anträge auf Anordnung des Einsatzes von besonderen Ermittlungsmethoden (Telefonüberwachung ) zu entscheiden; es ist jedoch zuständig, über die Rechtmäßigkeit einer durchgeführten Telefonüberwachung zu entscheiden, einschließlich der Feststellung, dass eine Anordnung nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht, und daher von einer Würdigung der auf diesem Wege erhobenen Beweise abzusehen; diese Befugnis ist nur gegeben, wenn eine gültige Anordnung der Telefonüberwachung erlassen wurde;</p>
<p class="C11Marge1avecretrait">–      die Verwertung dieser Beweise (Telefongespräche der Angeklagten, deren Überwachung von einem Gericht angeordnet wurde, das seine Zuständigkeit bereits verloren hatte) ist von grundlegender Bedeutung für die Entscheidung der Frage nach der Verantwortlichkeit als Rädelsführer einer kriminellen Vereinigung, die zum Zweck der Begehung von Steuerstraftaten nach dem Mehrwertsteuergesetz (in seiner im entscheidungserheblichen Zeitraum geltenden Fassung) gebildet wurde, bzw. als Anstifter zu den konkreten Steuerstraftaten, wobei er nur schuldig gesprochen und verurteilt werden kann, wenn diese Telefongespräche als Beweise verwertet werden dürfen; anderenfalls müsste er freigesprochen werden?</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">2.      Ist das im Vorabentscheidungsverfahren C‑614/14 zu erlassende Urteil auf den vorliegenden Fall anwendbar?</p>
<p class="C04Titre1"> <b>Verfahren vor dem Gerichtshof</b>
</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point21">21</a>      Mit Beschluss vom 25. Juli 2016, eingegangen beim Gerichtshof am 4. August 2016, hat das vorlegende Gericht entschieden, seine zweite Vorlagefrage zurückzunehmen. Hierzu führt das vorlegende Gericht aus, dass diese zweite Frage nach der Verkündung des Urteils vom 5. Juli 2016, Ognyanov (C‑614/14, EU:C:2016:514), gegenstandslos geworden sei.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point22">22</a>      Darüber hinaus wurde das Verfahren in der vorliegenden Rechtssache mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 12. Mai 2017 bis zur Verkündung des Urteils in der Rechtssache M. A. S. und M. B. (Urteil vom 5. Dezember 2017, C‑42/17, EU:C:2017:936), ausgesetzt. Das Verfahren vor dem Gerichtshof ist am 12. Dezember 2017 wieder aufgenommen worden.</p>
<p class="C04Titre1"> <b>Zur Vorlagefrage</b>
</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point23">23</a>      Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 325 Abs. 1 AEUV sowie Art. 1 Abs. 1 Buchst. b und Art. 2 Abs. 1 des SFI-Übereinkommens im Licht der Charta dahin auszulegen sind, dass sie dem nationalen Gericht im Hinblick auf den Grundsatz der Wirksamkeit der Strafverfolgung wegen Mehrwertsteuerstraftaten die Anwendung einer nationalen Regelung verwehren, wonach Beweismittel wie Telefonüberwachungen, die einer vorherigen richterlichen Anordnung bedürfen, in einem Strafverfahren nicht verwertet werden dürfen, wenn diese Anordnung von einem unzuständigen Gericht erlassen wurde, selbst wenn nur diese Beweismittel geeignet sind, die Begehung der betreffenden Straftaten zu beweisen.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point24">24</a>      Zur Beantwortung dieser Frage ist darauf hinzuweisen, dass das Unionsrecht beim gegenwärtigen Stand seiner Entwicklung keine unter den vorliegenden Umständen anwendbare Regeln zu den Modalitäten der Beweiserhebung und -verwendung im Rahmen von Strafverfahren im Bereich der Mehrwertsteuer vorsieht. Hierfür sind daher grundsätzlich die Mitgliedstaaten zuständig (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 17. Dezember 2015, WebMindLicenses, C‑419/14, EU:C:2015:832, Rn. 65, sowie vom 2. Mai 2018, Scialdone, C‑574/15, EU:C:2018:295, Rn. 25). </p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point25">25</a>      Allerdings sind die Mitgliedstaaten nach Art. 325 Abs. 1 AEUV verpflichtet, Betrügereien und sonstige gegen die finanziellen Interessen der Union gerichtete rechtswidrige Handlungen mit wirksamen und abschreckenden Maßnahmen zu bekämpfen (Urteil vom 5. Juni 2018, Kolev u. a., C‑612/15, EU:C:2018:392, Rn. 50 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point26">26</a>      Da die Eigenmittel der Union gemäß Art. 2 Buchst. b des Beschlusses 2007/436 u. a. die Einnahmen umfassen, die sich aus der Anwendung eines einheitlichen Satzes auf die nach den Unionsvorschriften bestimmte einheitliche Mehrwertsteuer‑Eigenmittelbemessungsgrundlage ergeben, besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Erhebung der Mehrwertsteuereinnahmen unter Beachtung des einschlägigen Unionsrechts und der Zurverfügungstellung entsprechender Mehrwertsteuermittel für den Haushalt der Union. Denn jedes Versäumnis bei der Erhebung Ersterer führt potenziell zu einer Verringerung Letzterer (Urteile vom 5. Dezember 2017, M. A. S. und M. B., C‑42/17, EU:C:2017:936, Rn. 31, sowie vom 5. Juni 2018, Kolev u. a., C‑612/15, EU:C:2018:392, Rn. 51).</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point27">27</a>      Die Mitgliedstaaten können, um die vollständige Erhebung der Einnahmen aus der Mehrwertsteuer und damit den Schutz der finanziellen Interessen der Union zu gewährleisten, die anwendbaren Sanktionen frei wählen. Dabei kann es sich um verwaltungsrechtliche oder strafrechtliche Sanktionen oder um eine Kombination aus beiden handeln. Strafrechtliche Sanktionen können allerdings unerlässlich sein, um bestimmte Fälle von schwerem Mehrwertsteuerbetrug wirksam und abschreckend zu bekämpfen, wie es Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 des SFI-Übereinkommens verlangt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 20. März 2018, Menci, C‑524/15, EU:C:2018:197, Rn. 20, vom 2. Mai 2018, Scialdone, C‑574/15, EU:C:2018:295, Rn. 36, sowie vom 5. Juni 2018, Kolev u. a., C‑612/15, EU:C:2018:392, Rn. 54).</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point28">28</a>      Dabei müssen die Mitgliedstaaten darauf achten, dass Verstöße gegen das Unionsrecht einschließlich der durch die Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1) harmonisierten Regelungen nach sachlichen und verfahrensrechtlichen Regeln geahndet werden, die denjenigen ähneln, die bei nach Art und Schwere gleichartigen Verstößen gegen das nationale Recht gelten, und jedenfalls der Sanktion einen wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden Charakter verleihen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. Mai 2018, Scialdone, C‑574/15, EU:C:2018:295, Rn. 28).</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point29">29</a>      Die Mitgliedstaaten müssen außerdem sicherstellen, dass die strafverfahrensrechtlichen Regelungen des nationalen Rechts eine wirksame Ahndung der durch solche Handlungen verwirklichten Straftaten ermöglichen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 17. Dezember 2015, WebMindLicenses, C‑419/14, EU:C:2015:832, Rn. 65, sowie vom 5. Juni 2018, Kolev u. a., C‑612/15, EU:C:2018:392, Rn. 55).</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point30">30</a>      Daraus folgt, dass die von den Mitgliedstaaten zur Bekämpfung von Verstößen gegen die harmonisierten Vorschriften im Bereich der Mehrwertsteuer eingeführten Sanktionen und die diese betreffenden verwaltungsrechtlichen oder strafrechtlichen Verfahren zwar unter ihre verfahrensrechtliche und institutionelle Autonomie fallen, diese jedoch nicht nur durch die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Äquivalenz, deren Anwendbarkeit im vorliegenden Fall nicht in Rede steht, sondern auch durch den Effektivitätsgrundsatz beschränkt ist, wonach diese Sanktionen wirksam und abschreckend sein müssen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. Mai 2018, Scialdone, C‑574/15, EU:C:2018:295, Rn. 29).</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point31">31</a>      In diesem Zusammenhang obliegt es in erster Linie dem nationalen Gesetzgeber, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Er hat gegebenenfalls die Rechtslage zu ändern und sicherzustellen, dass die Verfahrensvorschriften, die für die Verfolgung von Straftaten zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union gelten, nicht so gestaltet sind, dass aus ihnen selbst innewohnenden Gründen die systemische Gefahr besteht, dass solche Straftaten ungeahndet bleiben. Dabei hat der Gesetzgeber auch den Schutz der Grundrechte der Beschuldigten zu gewährleisten (Urteil vom 5. Juni 2018, Kolev u. a., C‑612/15, EU:C:2018:392, Rn. 65).</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point32">32</a>      Zu den nationalen Gerichten hat der Gerichtshof festgestellt, dass sie den Verpflichtungen, die sich aus Art. 325 Abs. 1 AEUV ergeben, volle Wirkung verleihen und innerstaatliche Rechtsvorschriften unangewendet lassen müssen, wenn diese im Rahmen eines Verfahrens über schwere Mehrwertsteuerstraftaten der Verhängung effektiver und abschreckender Strafen zur Bekämpfung von Betrügereien, die sich gegen die finanziellen Interessen der Union richten, entgegenstehen (Urteil vom 5. Dezember 2017, M. A. S. und M. B., C‑42/17, EU:C:2017:936, Rn. 39).</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point33">33</a>      Die Verpflichtung, eine wirksame Erhebung der Unionsmittel zu garantieren, entbindet die nationalen Gerichte jedoch nicht von der gebotenen Achtung der in der Charta garantierten Grundrechte und der allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts, da die wegen Mehrwertsteuerstraftaten eingeleiteten Strafverfahren eine Durchführung des Unionsrechts im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Charta darstellen. Im Bereich des Strafrechts sind diese Rechte und diese allgemeinen Grundsätze nicht nur im Strafverfahren, sondern auch im Ermittlungsverfahren zu beachten, sobald gegen den Betroffenen eine Beschuldigung erhoben wird (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. Dezember 2017, M. A. S. und M. B., C‑42/17, EU:C:2017:936‚ Rn. 52, vom 5. Juni 2018 Kolev u. a., C‑612/15, EU:C:2018:392‚ Rn. 68 und 71, sowie vom 20. März 2018, Di Puma und Zecca, C‑596/16 und C‑597/16, EU:C:2018:192‚ Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point34">34</a>      Die Verpflichtung, eine wirksame Erhebung der Unionsmittel zu garantieren, entbindet die nationalen Gerichte somit nicht von der gebotenen Achtung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit und der Rechtsstaatlichkeit, der, wie sich aus Art. 2 EUV ergibt, einer der grundlegenden Werte ist, auf denen die Union beruht.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point35">35</a>      Aus den Anforderungen des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit und der Rechtsstaatlichkeit folgt insbesondere, dass die Sanktionsgewalt grundsätzlich nicht außerhalb der gesetzlichen Grenzen ausgeübt werden kann, in denen eine Behörde nach dem Recht ihres Mitgliedstaats ermächtigt ist (vgl. entsprechend Urteil vom 1. Oktober 2015, Weltimmo, C‑230/14, EU:C:2015:639, Rn. 56).</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point36">36</a>      Außerdem stellen Telefonüberwachungen einen Eingriff in das in Art. 7 der Charta verankerte Recht auf Privatleben dar. Ein solcher Eingriff ist gemäß Art. 52 Abs. 1 der Charta nur zulässig, wenn er gesetzlich vorgesehen ist, unter Achtung des Wesensgehalts dieses Rechts und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erforderlich ist und den von der Union anerkannten, dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen tatsächlich entspricht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. Dezember 2015, WebMindLicenses, C‑419/14, EU:C:2015:832‚ Rn. 71 und 73).</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point37">37</a>      In diesem Zusammenhang steht fest, dass die im Ausgangsverfahren fraglichen Telefonüberwachungen von einem Gericht angeordnet wurden, das nicht über die dafür erforderliche Befugnis verfügte. Diese Telefonüberwachungen sind daher als im Sinne von Art. 52 Abs. 1 der Charta gesetzlich nicht vorgesehen zu betrachten.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point38">38</a>      Daher ist festzustellen, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung den Rn. 35 bis 37 des vorliegenden Urteils angeführten Anforderungen entspricht, da sie dem nationalen Gericht aufgibt, in einem Strafverfahren Beweismittel wie Telefonüberwachungen, die einer vorherigen richterlichen Anordnung bedürfen, nicht zu verwerten, wenn diese Anordnung von einem unzuständigen Gericht erlassen wurde.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point39">39</a>      Folglich kann das Unionsrecht ein nationales Gericht nicht verpflichten, von der Anwendung einer solchen Verfahrensvorschrift abzusehen, auch wenn die Verwertung rechtswidrig erlangter Beweismittel geeignet wäre, die Wirksamkeit der Strafverfolgung zu erhöhen, indem sie den nationalen Behörden in bestimmten Fällen erlauben würde, die Nichtbeachtung des Unionsrechts zu sanktionieren (vgl. entsprechend in Bezug auf innerstaatliche Verfahrensvorschriften, aufgrund deren eine gerichtliche Entscheidung Rechtskraft erlangt, Urteil vom 24. Oktober 2018, XC u. a., C‑234/17, EU:C:2018:853‚ Rn. 53 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point40">40</a>      In diesem Zusammenhang ist der vom vorlegenden Gericht angeführte Umstand unerheblich, dass es zu dem Rechtsverstoß gekommen sei, weil die im Ausgangsverfahren fragliche Übergangsbestimmung über die Zuständigkeit unpräzise gewesen sei. Die Anforderung, dass jede Einschränkung der Ausübung des in Art. 7 der Charta verankerten Rechts gesetzlich vorgesehen sein muss, bedeutet nämlich, dass die gesetzliche Grundlage für diese Einschränkung hinreichend klar und präzise sein muss (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. Dezember 2015, WebMindLicenses, C‑419/14, EU:C:2015:832, Rn. 81). Ferner ist auch nicht von Belang, dass im Fall eines der vier Angeklagten im Ausgangsverfahren nur die Telefonüberwachungen, die aufgrund von Anordnungen einer unzuständigen Behörde durchgeführt wurden, geeignet sind, seine Schuld zu beweisen und eine Verurteilung zu rechtfertigen.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point41">41</a>      Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 325 Abs. 1 AEUV sowie Art. 1 Abs. 1 Buchst. b und Art. 2 Abs. 1 des SFI‑Übereinkommens im Licht der Charta dahin auszulegen sind, dass sie nicht – im Hinblick auf den Grundsatz der Wirksamkeit der Strafverfolgung wegen Mehrwertsteuerstraftaten – der Anwendung einer nationalen Regelung durch das nationale Gericht entgegenstehen, wonach Beweismittel wie Telefonüberwachungen, die einer vorherigen richterlichen Anordnung bedürfen, in einem Strafverfahren nicht verwertet werden dürfen, wenn diese Anordnung von einem unzuständigen Gericht erlassen wurde, selbst wenn nur diese Beweismittel geeignet sind, die Begehung der betreffenden Straftaten zu beweisen.</p>
<p class="C04Titre1"> <b>Kosten</b>
</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point42">42</a>      Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.</p>
<p class="C41DispositifIntroduction">Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:</p>
<p class="C30Dispositifalinea">
<b>Art. 325 Abs. 1 AEUV sowie Art. 1 Abs. 1 Buchst. b und Art. 2 Abs. 1 des am 26. Juli 1995 in Luxemburg unterzeichneten Übereinkommens aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften sind im Licht der Charta der Grundrechte der Europäischen Union dahin auszulegen, dass sie nicht – im Hinblick auf den Grundsatz der Wirksamkeit der Strafverfolgung wegen Mehrwertsteuerstraftaten – der Anwendung einer nationalen Regelung durch das nationale Gericht entgegenstehen, wonach Beweismittel wie Telefonüberwachungen, die einer vorherigen richterlichen Anordnung bedürfen, in einem Strafverfahren nicht verwertet werden dürfen, wenn diese Anordnung von einem unzuständigen Gericht erlassen wurde, selbst wenn nur diese Beweismittel geeignet sind, die Begehung der betreffenden Straftaten zu beweisen.</b>
</p>
<p class="C77Signatures">Unterschriften</p>
<hr/>
<p class="C42FootnoteLangue">
<a href="#Footref*" name="Footnote*">*</a>      Verfahrenssprache: Bulgarisch.</p>
|
175,035 | eugh-2019-01-17-c-16817 | {
"id": 2,
"name": "Europäischer Gerichtshof",
"slug": "eugh",
"city": null,
"state": 19,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": null
} | C-168/17 | 2019-01-17T00:00:00 | 2019-01-31T19:20:54 | 2019-01-31T19:20:54 | Urteil | ECLI:EU:C:2019:36 | <p>Vorläufige Fassung</p>
<p class="C19Centre">URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)</p>
<p class="C19Centre">17. Januar 2019(<a href="#Footnote*" name="Footref*">*</a>)</p>
<p class="C71Indicateur">„Vorlage zur Vorabentscheidung – Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Libyen – Vertragskette mit dem Ziel, einer Organisation eine Bankgarantie zu gewähren, die in einer Liste betreffend das Einfrieren von Geldern aufgeführt ist – Zahlung von Gebühren gemäß Gegengarantieverträgen – Verordnung (EU) Nr. 204/2011 – Art. 5 – Begriff ‚Gelder, die einer in Anhang III der Verordnung Nr. 204/2011 aufgeführten Organisation zur Verfügung gestellt werden‘ – Art. 12 Abs. 1 Buchst. c – Begriff ‚Garantieanspruch‘ – Begriff ‚Person oder Organisation, die im Namen einer der in Art. 12 Abs. 1 Buchst. a oder b genannten Person handelt‘“</p>
<p class="C02AlineaAltA">In der Rechtssache C‑168/17</p>
<p class="C02AlineaAltA">betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Kúria (Oberster Gerichtshof, Ungarn) mit Entscheidung vom 23. März 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 3. April 2017, in dem Verfahren</p>
<p class="C02AlineaAltA">
<b>SH</b>
</p>
<p class="C02AlineaAltA">gegen</p>
<p class="C02AlineaAltA">
<b>TG,</b>
</p>
<p class="C02AlineaAltA">Beteiligte:</p>
<p class="C02AlineaAltA">
<b>UF</b>
</p>
<p class="C02AlineaAltA">erlässt</p>
<p class="C19Centre">DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)</p>
<p class="C02AlineaAltA">unter Mitwirkung des Präsidenten der Vierten Kammer M. Vilaras (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Dritten Kammer sowie der Richter J. Malenovský, L. Bay Larsen, M. Safjan und D. Šváby,</p>
<p class="C02AlineaAltA">Generalanwalt: P. Mengozzi,</p>
<p class="C02AlineaAltA">Kanzler: R. Schiano, Verwaltungsrat,</p>
<p class="C02AlineaAltA">aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 23. April 2018,</p>
<p class="C02AlineaAltA">unter Berücksichtigung der Erklärungen</p>
<p class="C03Tiretlong">–        von SH, vertreten durch J. Burai-Kovács und G. Stanka, ügyvédek, sowie Á. Mohay, jogi iroda vezetője,</p>
<p class="C03Tiretlong">–        von TG, vertreten durch B. Kutasi und Á. Szenczy, ügyvédek, sowie E. Rosenfeld, avocat,</p>
<p class="C03Tiretlong">–        von UF, vertreten durch Z. Völgyesiné Hontvári und A. Szerencsés, ügyvédek,</p>
<p class="C03Tiretlong">–        der ungarischen Regierung, vertreten durch G. Koós und M. Z. Fehér als Bevollmächtigte,</p>
<p class="C03Tiretlong">–        der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und D. Klebs als Bevollmächtigte,</p>
<p class="C03Tiretlong">–        der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von P. Gentili, avvocato dello Stato,</p>
<p class="C03Tiretlong">–        der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Havas und E. Paasivirta als Bevollmächtigte,</p>
<p class="C02AlineaAltA">nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 3. Oktober 2018</p>
<p class="C02AlineaAltA">folgendes</p>
<p class="C75Debutdesmotifs">
<b>Urteil</b>
</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point1">1</a>        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von erstens Art. 5, Art. 9 und Art. 12 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 204/2011 des Rates vom 2. März 2011 über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Libyen (ABl. 2011, L 58, S. 1), zweitens Art. 12 Abs. 1 dieser Verordnung in der durch die Verordnung (EU) Nr. 45/2014 des Rates vom 20. Januar 2014 (ABl. 2014, L 16, S. 1) geänderten Fassung und drittens Art. 17 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/44 des Rates vom 18. Januar 2016 über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Libyen und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 204/2011 (ABl. 2016, L 12, S. 1).</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point2">2</a>        Es ergeht im Rahmen eines bei der Kúria (Oberster Gerichtshof, Ungarn) anhängigen Rechtsstreits zwischen zwei ungarischen Banken, SH und TG, über die Zahlung von Garantiegebühren im Zusammenhang mit einer Bankgarantie, die eine libysche Bank, die Sahara Bank, einer libyschen Auftraggeberin, der Staatlichen Baubehörde Libyens (Libyan Housing and Infrastructure Board, im Folgenden: HIB), gewährt hatte, und von Gebühren für die von TG der Sahara Bank gewährten Gegengarantie.</p>
<p class="C04Titre1"> <b>Rechtlicher Rahmen</b>
</p>
<p class="C05Titre2"> <b>Internationales Recht</b>
</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point3">3</a>        Angesichts der groben und systematischen Verletzung der Menschenrechte in Libyen verabschiedete der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen am 26. Februar 2011 auf der Grundlage von Art. 41 in Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen die Resolution 1970 (2011), mit der restriktive Maßnahmen gegen diesen Staat eingeführt werden.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point4">4</a>        In den Ziff. 17 und 21 dieser Resolution heißt es, der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen</p>
<p class="C02AlineaAltA">„17.      <i>beschließt ferner</i>, dass alle Mitgliedstaaten alle sich in ihrem Hoheitsgebiet befindenden Gelder, anderen finanziellen Vermögenswerte und wirtschaftlichen Ressourcen, die im Eigentum oder unter der direkten oder indirekten Kontrolle der in Anlage II zu dieser Resolution genannten oder von dem Ausschuss nach Ziffer 24 benannten Personen oder Einrichtungen oder von Personen oder Einrichtungen, die in ihrem Namen oder auf ihre Anweisung handeln, oder von in ihrem Eigentum oder unter ihrer Kontrolle befindlichen Einrichtungen stehen, unverzüglich einfrieren werden, und beschließt ferner, dass alle Mitgliedstaaten sicherstellen werden, dass ihre Staatsangehörigen oder Personen oder Einrichtungen innerhalb ihres Hoheitsgebiets für die in Anlage II dieser Resolution genannten oder von dem Ausschuss benannten Personen oder Einrichtungen oder zu ihren Gunsten keine Gelder, finanziellen Vermögenswerte oder wirtschaftlichen Ressourcen zur Verfügung stellen;</p>
<p class="C02AlineaAltA">…</p>
<p class="C02AlineaAltA">21.      <i>beschließt ferner</i>, dass die in Ziffer 17 enthaltenen Maßnahmen eine benannte Person oder Einrichtung nicht daran hindern, Zahlungen zu leisten, die aufgrund eines vor der Aufnahme der Person oder Einrichtung in die Liste geschlossenen Vertrags geschuldet werden, wenn nach Feststellung der betreffenden Staaten die Zahlung weder direkt noch indirekt von einer nach Ziffer 17 benannten Person oder Einrichtung entgegengenommen wird und nachdem die betreffenden Staaten dem Ausschuss die Absicht mitgeteilt haben, solche Zahlungen zu leisten oder entgegenzunehmen oder gegebenenfalls die Aufhebung der Einfrierung von Geldern, anderen finanziellen Vermögenswerten oder wirtschaftlichen Ressourcen zu diesem Zweck zu genehmigen, wobei diese Mitteilung zehn Arbeitstage vor einer solchen Genehmigung zu erfolgen hat“.</p>
<p class="C05Titre2"> <b>Unionsrecht</b>
</p>
<p class="C06Titre3"> <i>Beschluss 2011/137/GASP</i>
</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point5">5</a>        Zur Durchführung der Resolution 1970 (2011) nahm der Rat der Europäischen Union den Beschluss 2011/137/GASP vom 28. Februar 2011 über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Libyen (ABl. 2011, L 58, S. 53) an.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point6">6</a>        Art. 6 Abs. 1 und 2 dieses Beschlusses bestimmt:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„(1)      Sämtliche Gelder, anderen finanziellen Vermögenswerte und wirtschaftlichen Ressourcen, die sich im Eigentum oder unter der unmittelbaren oder mittelbaren Kontrolle der nachstehenden Personen und Organisationen befinden, werden eingefroren:</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">a)      Personen und Organisationen, die in der Anlage II der Resolution 1970 (2011) … aufgeführt sind, sowie weitere vom Sicherheitsrat oder vom Ausschuss im Einklang mit Nummer 22 der Resolution 1970 (2011) benannte Personen und Organisationen, oder in ihrem Namen oder auf ihre Anweisung handelnde Personen oder Organisationen oder in ihrem Eigentum oder unter ihrer Kontrolle stehende Organisationen, gemäß der Auflistung in Anhang III; </p>
<p class="C09Marge0avecretrait">b)      nicht in Anhang III erfasste Personen und Organisationen, die an der Anordnung, Kontrolle oder anderweitigen Steuerung schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen gegen Personen in Libyen beteiligt sind oder sich mitschuldig machen, auch indem sie sich an der Planung, Befehligung, Anordnung oder Durchführung völkerrechtswidriger Angriffe auf die Zivilbevölkerung oder zivile Einrichtungen, einschließlich Bombardierungen aus der Luft, beteiligen oder sich mitschuldig machen, oder in ihrem Namen oder auf ihre Anweisung handelnde Personen oder Organisationen, oder in ihrem Eigentum oder unter ihrer Kontrolle stehende Organisationen gemäß der Auflistung in Anhang IV.</p>
<p class="C02AlineaAltA">(2)      Den in Absatz 1 genannten natürlichen oder juristischen Personen oder Organisationen dürfen weder unmittelbar noch mittelbar Gelder, andere finanzielle Vermögenswerte oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden oder zugutekommen.“</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point7">7</a>        Art. 7 dieses Beschlusses sieht vor:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„Im Zusammenhang mit Verträgen oder Transaktionen, deren Erfüllung unmittelbar oder mittelbar, insgesamt oder teilweise beeinträchtigt wurde durch Maßnahmen, die aufgrund der UNSCR 1970 (2011) beschlossen wurden – einschließlich der Maßnahmen der Union oder der Mitgliedstaaten, die im Einklang mit den relevanten Beschlüssen des Sicherheitsrats, zu deren Umsetzung oder in Verbindung damit getroffen wurden, oder der unter diesen Beschluss fallenden Maßnahmen –, werden keine Forderungen, einschließlich solche nach Schadenersatz, und keine andere derartige Forderung wie etwa ein Aufrechnungsanspruch oder ein Garantieanspruch zugelassen, sofern sie von den in den Anhängen I, II, III oder IV aufgeführten benannten Personen oder Organisationen oder einer anderen Person oder Organisation in Libyen, einschließlich der Regierung Libyens, oder aber einer Person oder Organisation, die über eine solche Person oder Organisation oder zu deren Gunsten tätig wird, geltend gemacht werden.“</p>
<p class="C06Titre3"> <i>Verordnung Nr. 204/2011</i>
</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point8">8</a>        Auf der Grundlage des Beschlusses 2011/137 erließ der Rat die Verordnung Nr. 204/2011, die am 3. März 2011 in Kraft trat.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point9">9</a>        In den Erwägungsgründen 1 und 2 dieser Verordnung heißt es:</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">„(1)      Gemäß der Resolution 1970 (2011) … sind in dem Beschluss [2011/137] ein Waffenembargo, ein Verbot der Ausfuhr von Ausrüstung, die zur internen Repression verwendet werden kann, sowie Einreisebeschränkungen und das Einfrieren der Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen von Personen und Organisationen, die an schweren Menschenrechtsverletzungen gegen Personen in Libyen unter anderem durch Beteiligung an völkerrechtswidrigen Angriffen auf die Zivilbevölkerung und zivile Einrichtungen beteiligt waren, vorgesehen. Diese natürlichen und juristischen Personen und Organisationen sind in den Anhängen des Beschlusses aufgeführt.</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">(2)      Einige dieser Maßnahmen fallen in den Geltungsbereich des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, und daher bedarf es zu ihrer Umsetzung Rechtsvorschriften auf Ebene der Union, insbesondere um ihre einheitliche Anwendung durch die Wirtschaftsbeteiligten in allen Mitgliedstaaten zu gewährleisten.“</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point10">10</a>      Art. 1 der Verordnung bestimmt:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">a)      ‚Gelder‘ finanzielle Vermögenswerte und Vorteile jeder Art, die Folgendes einschließen, aber nicht darauf beschränkt sind:</p>
<p class="C10Marge1">…</p>
<p class="C11Marge1avecretrait">v)      Kredite, Rechte auf Verrechnung, Bürgschaften, Vertragserfüllungsgarantien und andere finanzielle Ansprüche,</p>
<p class="C11Marge1avecretrait">vi)      Akkreditive, Konnossemente, Übereignungsurkunden,</p>
<p class="C02AlineaAltA">…</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">b)      ‚Einfrieren von Geldern‘ die Verhinderung jeglicher Form der Bewegung, des Transfers, der Veränderung und der Verwendung von Geldern sowie des Zugangs zu ihnen oder ihres Einsatzes, wodurch das Volumen, die Höhe, die Belegenheit, das Eigentum, der Besitz, die Eigenschaften oder die Zweckbestimmung der Gelder verändert oder sonstige Veränderungen bewirkt werden, die eine Nutzung der Gelder einschließlich der Vermögensverwaltung ermöglichen;</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">c)      ‚wirtschaftliche Ressourcen‘ Vermögenswerte jeder Art, unabhängig davon, ob sie materiell oder immateriell, beweglich oder unbeweglich sind, bei denen es sich nicht um Gelder handelt, die aber für den Erwerb von Geldern, Waren oder Dienstleistungen verwendet werden können;</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">d)      ‚Einfrieren von wirtschaftlichen Ressourcen‘ die Verhinderung ihrer Verwendung für den Erwerb von Geldern, Waren oder Dienstleistungen, die auch den Verkauf, das Vermieten oder das Verpfänden dieser Ressourcen einschließt, aber nicht darauf beschränkt ist;</p>
<p class="C02AlineaAltA">…“</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point11">11</a>      Art. 5 der Verordnung lautet:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„(1)      Sämtliche Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen, die Eigentum oder Besitz der in den Anhängen II und III aufgeführten natürlichen und juristischen Personen, Organisationen und Einrichtungen sind oder von diesen gehalten oder kontrolliert werden, werden eingefroren.</p>
<p class="C02AlineaAltA">(2)      Den in den Anhängen II und III aufgeführten natürlichen und juristischen Personen, Organisationen und Einrichtungen dürfen weder unmittelbar noch mittelbar Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden oder zugutekommen.</p>
<p class="C02AlineaAltA">(3)      Die wissentliche und vorsätzliche Beteiligung an Aktivitäten, mit denen unmittelbar oder mittelbar die Umgehung der in den Absätzen 1 und 2 genannten Maßnahmen bezweckt oder bewirkt wird, ist untersagt.“</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point12">12</a>      Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 204/2011 bestimmt:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„Artikel 5 Absatz 2 gilt nicht für die Gutschrift auf den eingefrorenen Konten von</p>
<p class="C02AlineaAltA">…</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">b)      Zahlungen aufgrund von Verträgen, Vereinbarungen oder Verpflichtungen, die vor dem Datum, an dem die natürliche oder juristische Person, Organisation oder Einrichtung nach Artikel 5 vom Sanktionsausschuss, vom Sicherheitsrat oder vom Rat benannt wurde, geschlossen bzw. übernommen wurden,</p>
<p class="C02AlineaAltA">sofern diese … Zahlungen nach Artikel 5 Absatz 1 eingefroren werden.“</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point13">13</a>      Art. 12 der Verordnung lautet:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„Im Zusammenhang mit Verträgen oder Transaktionen, deren Erfüllung unmittelbar oder mittelbar, insgesamt oder teilweise beeinträchtigt wurde durch Maßnahmen, die aufgrund der Resolution 1970 (2011) … beschlossen wurden – einschließlich der Maßnahmen der Union oder der Mitgliedstaaten, die im Einklang mit den relevanten Beschlüssen des Sicherheitsrats, zu deren Umsetzung oder in Verbindung damit getroffen wurden, oder der unter diese Verordnung fallenden Maßnahmen –, werden keine Forderungen, einschließlich solche nach Schadenersatz, und keine andere derartige Forderung wie etwa ein Aufrechnungsanspruch oder ein Garantieanspruch zugelassen, sofern sie von der Regierung Libyens oder einer Person oder Organisation für die Regierung Libyens oder für deren Rechnung geltend gemacht werden.“</p>
<p class="C06Titre3"> <i>Verordnung Nr. 45/2014</i>
</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point14">14</a>      Mit Art. 1 der Verordnung Nr. 45/2014 wurde Art. 12 der Verordnung Nr. 204/2011 wie folgt geändert:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„(1)      Ansprüche im Zusammenhang mit Verträgen und Transaktionen, deren Erfüllung bzw. Durchführung von den mit dieser Verordnung verhängten Maßnahmen unmittelbar oder mittelbar, ganz oder teilweise betroffen ist, einschließlich Schadensersatzansprüche und sonstige derartige Ansprüche, wie etwa Entschädigungsansprüche oder Garantieansprüche, vor allem Ansprüche auf Verlängerung oder Zahlung einer insbesondere finanziellen Garantie oder Gegengarantie in jeglicher Form, werden nicht erfüllt, sofern sie von einer der folgenden Personen, Organisationen oder Einrichtungen geltend gemacht werden:</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">a)       den in den Anhängen II oder III aufgeführten benannten Personen, Organisationen und Einrichtungen,</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">b)      allen sonstigen libyschen Personen, Organisationen und Einrichtungen, einschließlich der libyschen Regierung, </p>
<p class="C09Marge0avecretrait">c)      sonstigen Personen, Organisationen und Einrichtungen, die über eine der in Buchstaben a oder b genannten Personen, Organisationen oder Einrichtungen oder in deren Namen handeln.</p>
<p class="C02AlineaAltA">…“</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point15">15</a>      Die Änderung von Art. 12 der Verordnung Nr. 204/2011 ist am 22. Januar 2014 in Kraft getreten.</p>
<p class="C06Titre3"> <i>Verordnung 2016/44</i>
</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point16">16</a>      Art. 17 Abs. 1 der am 20. Januar 2016 in Kraft getretenen Verordnung 2016/44 bestimmt:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„Forderungen im Zusammenhang mit Verträgen und Transaktionen, deren Erfüllung bzw. Durchführung von den mit dieser Verordnung verhängten Maßnahmen unmittelbar oder mittelbar, ganz oder teilweise betroffen ist, einschließlich Schadensersatzansprüchen und sonstiger derartige Ansprüche, wie etwa Entschädigungsansprüche oder Garantieansprüche, vor allem Ansprüche auf Verlängerung oder Zahlung einer Obligation, einer Garantie oder eines Schadensersatzanspruchs, insbesondere einer finanziellen Garantie oder eines finanziellen Schadensersatzanspruchs in jeglicher Form, werden nicht erfüllt, sofern sie von einer der folgenden Personen, Organisationen oder Einrichtungen geltend gemacht werden:</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">a)      den in den Anhängen II oder III aufgeführten benannten Personen, Organisationen und Einrichtungen,</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">b)      allen sonstigen libyschen Personen, Organisationen und Einrichtungen, einschließlich der libyschen Regierung,</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">c)      sonstigen Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die über eine der in Buchstaben a oder b genannten Personen, Organisationen oder Einrichtungen oder in deren Namen handeln.“</p>
<p class="C04Titre1"> <b>Sachverhalt des Ausgangsverfahrens und Vorlagefragen</b>
</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point17">17</a>      Am 7. Juli 2009 schlossen die HIB und UF, ein ungarisches Bauunternehmen, einen Vertrag über die Entwicklung öffentlicher Infrastruktur in der Region Zawiya (Libyen) durch UF. Die HIB forderte, dass UF Bankgarantien, die von einer libyschen Bank zu stellen seien, hinterlegte, um zu gewährleisten, dass UF zum einen im Gegenzug zu der erhaltenen Vorauszahlung ihre Verpflichtungen erfüllt (Anzahlungsgarantie) und zum anderen die übernommenen Bauarbeiten erbringt (Erfüllungsgarantie).</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point18">18</a>      Die Sahara Bank war zwar bereit, die von der HIB geforderten Garantien zu stellen, verlangte von UF aber eine Gegengarantie, die von einer ungarischen Bank zu stellen sei.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point19">19</a>      Am 16. Oktober 2009 schlossen UF und eine ungarische Bank, SH, einen Anzahlungsgegengarantievertrag und einen Erfüllungsgegengarantievertrag, mit denen SH sich verpflichtete, Gegengarantien zugunsten einer anderen ungarischen Bank, TG, zu gewähren, die sie damit beauftragt hatte, die Gegengarantie und das Dokumentenakkreditiv zugunsten der Sahara Bank, die diese verlangt hatte, zu gewähren. In der Folge erteilte SH am 20. November und 16. Dezember 2009 zugunsten TG eine Anzahlungsgegengarantie in Höhe von 69 499 610 libyschen Dinar (LYD) (etwa 49 251 000 Euro) mit dem Ablaufdatum 14. September 2013 und eine Erfüllungsgegengarantie in Höhe von 9 266 615 LYD (etwa 6 567 000 Euro) mit dem Ablaufdatum 15. Juli 2014.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point20">20</a>      Am 24. November und 17. Dezember 2009 erteilte TG zugunsten der Sahara Bank eine Anzahlungsgegengarantie mit dem Ablaufdatum 30. August 2013 und ein unwiderrufliches Dokumentenakkreditiv mit dem Ablaufdatum 30. Juni 2014, so dass die Sahara Bank die von der HIB geforderten Bankgarantien erteilte.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point21">21</a>      Als Gegenleistung für die von TG für die Erteilung dieser Garantien erbrachte Leistung verpflichtete sich SH, ihr vierteljährlich im Voraus eine Vergütung von 1,30 % pro Jahr zu zahlen und ihr die der Sahara Bank entstandenen Gebühren und Steuern sowie ihre Finanzierungskosten und eventuell anfallende Verzugszinsen zu erstatten.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point22">22</a>      Mit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 233/2011 des Rates vom 10. März 2011 zur Durchführung des Artikels 16 Absatz 2 der Verordnung Nr. 204/2011 (ABl. 2011, L 64, S. 13) wurde die HIB ab dem 11. März 2011 in die Liste des Anhangs III der Verordnung Nr. 204/2011 aufgenommen.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point23">23</a>      Mit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 272/2011 des Rates vom 21. März 2011 zur Durchführung des Artikels 16 Absatz 2 der Verordnung Nr. 204/2011 (ABl. 2011, L 76, S. 32) wurde die Sahara Bank ab dem 22. März 2011 in die Liste des Anhangs III der Verordnung Nr. 204/2011 aufgenommen. Am 2. September 2011 wurde sie gemäß der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 872/2011 des Rates vom 1. September 2011 zur Durchführung des Artikels 16 Absatz 2 der Verordnung Nr. 204/2011 (ABl. 2011, L 227, S. 3) wieder von dieser Liste gestrichen.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point24">24</a>      Vom 2. September 2011 bis zum 16. Juli 2013 zahlte TG die Gebühren gemäß des mit der Sahara Bank geschlossenen Gegengarantievertrags an diese Bank.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point25">25</a>      Am 29. November 2012 versuchte die Sahara Bank auf Anforderung der HIB die von TG erteilte Anzahlungsgegengarantie abzurufen. Diese weigerte sich jedoch, tätig zu werden und berief sich dabei auf die Rechtswidrigkeit der Anforderung. Diesbezüglich untersagte der Fővárosi Ítélőtábla (Hauptstädtisches Tafelgericht, Ungarn) mit rechtskräftigem Beschluss vom 22. April 2013 eine solche Zahlung, solange die HIB in der Liste des Anhangs III der Verordnung Nr. 204/2011 aufgeführt sei.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point26">26</a>      Am 20. Dezember 2012 unterzeichneten SH und TG eine Absichtserklärung, in der sie feststellten, dass keine Anforderungen auf Zahlung der Anzahlungsgarantie erfüllt werden könnten, solange gegen die HIB restriktive Maßnahmen verhängt seien. SH teilte darin ihre Absicht mit, die Gebühren der Anzahlungsgegengarantie und der Erfüllungsgegengarantie, auf die TG und die für sie handelnde Sahara Bank Anspruch erheben könnten, nur unter der Voraussetzung zu zahlen, dass die HIB vor Ablauf dieser beiden Gegengarantien keinen solchen Maßnahmen mehr unterliege. SH verpflichtete sich, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht gezahlten und die weiteren Gebühren auf ein Hinterlegungskonto zu zahlen, wobei die Freigabe der gezahlten Beträge nach den in einem zwischen den Parteien und einer Depotbank geschlossenen Hinterlegungsvertrag (im Folgenden: Hinterlegungsvertrag) vorgesehenen Bedingungen erfolgen sollte.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point27">27</a>      Ebenfalls am 20. Dezember 2012 schlossen SH, TG und diese Depotbank den Hinterlegungsvertrag, nach dem die mit den von SH an TG gestellten Gegengarantien zusammenhängenden Beträge sowie die entsprechenden Zinsen hinterlegt und geschützt wurden.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point28">28</a>      Die Parteien des Hinterlegungsvertrags sahen vor, dass die hinterlegten Beträge in dem Fall, dass die HIB nicht vor Ablauf der von SH gewährten Gegengarantien von der Liste des Anhangs III der Verordnung Nr. 204/2011 gestrichen würde, an SH gezahlt werden würden. Sollte die HIB dagegen vorher von der Liste des Anhangs III der Verordnung Nr. 204/2011 gestrichen werden, würden die hinterlegten Beträge an TG zurückerstattet.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point29">29</a>      Nach dem 20. Dezember 2012 zahlte SH die Gebühren, die sie TG für die von dieser gewährten Gegengarantien schuldete, auf dieses Hinterlegungskonto. </p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point30">30</a>      Die von SH gewährte Anzahlungsgegengarantie lief am 14. September 2013 ab, ohne dass die HIB von der Liste des Anhangs III der Verordnung Nr. 204/2011 gestrichen worden wäre.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point31">31</a>      Infolge der Änderung durch die am 22. Januar 2014 in Kraft getretene Verordnung Nr. 45/2014 verbietet Art. 12 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 204/2011 die Erfüllung eines u. a. von sonstigen libyschen Personen, Organisationen oder Einrichtungen geltend gemachten Anspruchs im Zusammenhang mit einem Vertrag oder einer Transaktion, deren Erfüllung bzw. Durchführung von den mit dieser Verordnung verhängten Maßnahmen betroffen ist.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point32">32</a>      Mit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 74/2014 des Rates vom 28. Januar 2014 zur Durchführung des Artikels 16 Absatz 2 der Verordnung Nr. 204/2011 (ABl. 2014, L 26, S. 1) wurde die HIB mit Wirkung vom 29. Januar 2014 von der Liste des Anhangs III dieser Verordnung gestrichen.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point33">33</a>      Am 31. Januar 2014 forderte SH die Depotbank auf, den hinterlegten Betrag zu ihren Gunsten freizugeben, da die von ihr gewährte Anzahlungsgegengarantie abgelaufen sei, als die HIB noch in der Liste des Anhangs III der Verordnung Nr. 204/2011 aufgeführt gewesen sei. TG verweigerte die nach dem Hinterlegungsvertrag für die Herausgabe des Hinterlegungsbetrags erforderliche Willenserklärung, da die Bedingungen für die Freigabe nicht erfüllt seien.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point34">34</a>      Daraufhin wandte sich SH an das erstinstanzliche Gericht, um die Freigabe des Depots zu erwirken. TG erhob ihrerseits Widerklage auf Zahlung eines Betrags von 2 072 321,18 Euro für die Gebühren, die SH ihr im Rahmen der Erfüllung ihrer Verträge schulde, und für die Gebühren für die Gegengarantie, die sie an die Sahara Bank gezahlt habe.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point35">35</a>      Das erstinstanzliche Gericht gab der Klage von SH statt, verurteilte diese aber, an TG einen Betrag von 1 352 713,04 Euro zu zahlen. Es war nämlich der Ansicht, dass die gemäß den zwischen SH und TG geschlossenen Gegengarantieverträgen geschuldeten Gebühren nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 204/2011 fielen, da es sich um die Gegenleistung für eine Leistung einer ungarischen juristischen Person handele. Die von TG an die Sahara Bank gezahlten Garantiegebühren fielen hingegen in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 204/2011, so dass TG keine Erstattung von SH verlangen könne.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point36">36</a>      Das Berufungsgericht änderte das Urteil des erstinstanzlichen Gerichts ab und wies die Widerklage in vollem Umfang ab, da die Parteien des Rechtsstreits mit dem Hinterlegungsvertrag die Bestimmungen der Gegengarantieverträge in Bezug auf das Recht, die damit verbundenen Gebühren zu erheben, und die Fälligkeit dieses Anspruchs geändert hätten. Daraus ergebe sich, dass TG keinen Anspruch auf Zahlung der verschiedenen Gebühren habe, da die HIB nicht vor Ablauf der Gegengarantien von der Liste des Anhangs III der Verordnung Nr. 204/2011 gestrichen worden sei. Darüber hinaus hätte TG auch ohne die Änderung der Verträge keinen Anspruch auf diese Zahlung, da die in der Unionsregelung festgelegten restriktiven Maßnahmen zwingend gewesen seien, so dass TG einer von diesen Maßnahmen betroffenen Organisation keine Garantie habe gewähren dürfen und deshalb auch keinen Anspruch auf Deckung der mit einer solchen Garantie verbundenen Gebühren haben könne. Die von TG an die Sahara Bank gezahlten Garantiegebühren hätten mittelbar der Erfüllung einer in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 204/2011 fallenden Verpflichtung gegenüber der HIB gedient.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point37">37</a>      TG legte gegen die Abweisung ihrer Widerklage Revision bei der Kúria (Oberstes Gericht) ein. Sie rügt, das Berufungsgericht habe die Art. 5 und 12 der Verordnung Nr. 204/2011 falsch ausgelegt, da sich der Anwendungsbereich von Art. 5 lediglich auf Organisationen erstrecke, die in der Sanktionsliste aufgeführt seien, was bei der Sahara Bank aber nicht mehr der Fall sei, und Art. 12 im maßgeblichen Zeitraum nur die libyschen Behörden betroffen habe. Die ihr zustehenden Garantiegebühren seien ebenso wie die der Sahara Bank gezahlten Gebühren Bankgebühren, die keine Garantie darstellten, und ihre Zahlung diene nicht den Interessen der HIB. </p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point38">38</a>      Sowohl SH als auch UF, Streithelferin zur Unterstützung von SH im Ausgangsrechtsstreit, beantragen beim vorlegenden Gericht, das Berufungsurteil zu bestätigen, da es ihrer Ansicht nach nur darauf ankommt, dass einer der Wirtschaftsteilnehmer in der Kette der von zwischen den Parteien unterzeichneten Verträgen, im vorliegenden Fall die HIB, in der Liste des Anhangs III der Verordnung Nr. 204/2011 aufgeführt sei.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point39">39</a>      Das vorlegende Gericht unterscheidet zwischen der zur Sicherung der Erfüllung einer Verpflichtung gestellten Garantie und der als Gegenleistung für die Leistung der Garantieübernahme anfallenden Garantiegebühren. Seiner Ansicht nach wäre die Freigabe der Bankgarantie zugunsten der HIB, wäre sie erfolgt, eine durch die Verordnung Nr. 204/2011 untersagte Zahlung gewesen.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point40">40</a>      Die Widerklage von TG bestehe aus zwei Teilen, von denen der eine die Forderung auf Erstattung der Garantiegebühren, die sie an die Sahara Bank gezahlt habe, und der andere die Gebühren betreffe, die sie aufgrund der mit SH geschlossenen Gegengarantieverträge von dieser fordern könne.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point41">41</a>      Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, dass zur Entscheidung über diese Klage bestimmt werden müsse, ob die Zahlung der Garantiegebühren als mittelbare Zahlung von Geldern, die in irgendeiner Form mit der Bankgarantie in Zusammenhang stehe, angesehen werden könne. Außerdem sei zu bestimmen, ob TG im Hinblick auf dieses Zahlungsverlangen als eine Person betrachtet werden könne, die im Namen einer Person, Organisation oder Einrichtung handele, die den restriktiven Maßnahmen gemäß der Verordnung Nr. 204/2011 unterliege. Es sei außerdem fraglich, ob Art. 9 dieser Verordnung Anwendung finden könne, der Ausnahmen vom Einfrieren der Gelder und der wirtschaftlichen Ressourcen vorsehe.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point42">42</a>      Sollte die Forderung von TG auf Zahlung der verschiedenen Garantiegebühren nicht ganz oder teilweise unter die Verordnung Nr. 204/2011 fallen, sei auf der Grundlage des nationalen Rechts zu entscheiden. Wäre die Zahlung dieser Gebühren als mittelbare Zahlung im Sinne dieser Verordnung anzusehen, ohne dass die Ausnahmeregelung des Art. 9 Anwendung finden könne, müsse die Widerklage abgewiesen werden.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point43">43</a>      Das vorlegende Gericht führt aus, dass die unterschiedlichen in Rede stehenden Verträge eng miteinander verbunden seien, da sie mit dem einzigen Ziel, eine Bankgarantie zugunsten der HIB zu stellen, abgeschlossen worden seien, und dass sie nicht so behandelt werden könnten, als ob sie autonome, unabhängig voneinander bestehende Verpflichtungen begründeten.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point44">44</a>      Falle die Zahlung der Garantiegebühren in den Anwendungsbereich einer Verordnung zur Festlegung restriktiver Maßnahmen, sei zu bestimmen, welche Verordnung anwendbar sei, nämlich die Verordnung Nr. 204/2001, die zur Zeit des Ablaufs der Gegengarantien gegolten habe, oder die Verordnung 2016/44, die in Kraft getreten sei, als der Rechtsstreit bereits bei den ungarischen Gerichten anhängig und diese Gebühren noch nicht endgültig abgerechnet gewesen seien.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point45">45</a>      Unter diesen Umständen hat die Kúria (Oberster Gerichtshof) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">1.      Fallen Verpflichtungen zur Zahlung von Garantiegebühren aus Gegengarantieverträgen, die als Teil einer Vertragskette abgeschlossen wurden, um der HIB eine Bankgarantie zu gewähren, in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 204/2011 bzw. der Verordnung 2016/44,</p>
<p class="C11Marge1avecretrait">a)      wenn eine Bank mit Sitz in der Europäischen Union aufgrund eines Gegengarantievertrags verpflichtet ist, einer libyschen Bank, die in der Liste des Anhangs III der Verordnung Nr. 204/2011 aufgeführt ist, Gebühren zu zahlen;</p>
<p class="C11Marge1avecretrait">b)      wenn eine Bank mit Sitz in der Union aufgrund eines Gegengarantievertrags verpflichtet ist, einer libyschen Bank, die nicht in der Liste des Anhangs III der Verordnung Nr. 204/2011 aufgeführt ist, Gebühren zu zahlen, die Bankgarantie jedoch zugunsten der HIB abgegeben wurde, die in dieser Liste aufgeführt ist;</p>
<p class="C11Marge1avecretrait">c)      wenn die Verordnung Nr. 204/2011 nach ihrer Änderung durch die Verordnung Nr. 45/2014 unmittelbare oder mittelbare Zahlungen an alle libyschen Organisationen untersagt;</p>
<p class="C11Marge1avecretrait">d)      wenn die Verpflichtung zur Zahlung der Garantiegebühren aufgrund eines Gegengarantievertrags besteht, der zwischen zwei Banken mit Sitz in der Union als Teil einer Vertragskette abgeschlossen wurde, um der HIB eine Bankgarantie zu gewähren;</p>
<p class="C11Marge1avecretrait">e)      wenn die Abrechnung der Garantiegebühren nach dem Ende des Garantiezeitraums in einem gerichtlichen Verfahren nach dem Inkrafttreten der Verordnung 2016/44 erfolgt?</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">2.      Falls die in Frage 1 Buchst. a und b dargestellte Verpflichtung zur Zahlung der Garantiegebühren in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 204/2011 fällt: Können die Garantiegebühren, die einer libyschen Bank – die ebenfalls eine Zeitlang auf der Liste des Anhangs III der Verordnung Nr. 204/2011 aufgeführt war – für die Gewährung einer Anzahlungs- und einer Erfüllungsgarantie zugunsten der HIB gezahlt worden sind, als Gelder angesehen werden, die im Anhang III aufgeführten natürlichen und juristischen Personen, Organisationen und Einrichtungen mittelbar oder unmittelbar zugutekommen?</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">3.      Ist Art. 12 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 204/2011 in der Zeit nach ihrer Änderung durch die Verordnung Nr. 45/2014 (Frage 1c) dahin auszulegen, dass die von einer libyschen Bank geltend gemachten und aufgrund eines Gegengarantievertrags von einer Bank mit Sitz in der Union gezahlten Gebühren und Kosten als unmittelbare oder mittelbare Garantieansprüche angesehen werden können?</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">4.      Ist eine Bank mit Sitz in der Union, die aufgrund eines als Teil einer Vertragskette zum Zweck der Abgabe einer Bankgarantie zugunsten der HIB abgeschlossenen Gegengarantievertrags zur Zahlung von Garantiegebühren an eine libysche Organisation verpflichtet ist (Frage 1d), als Person oder Organisation im Sinne von Art. 12 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 204/2011 in ihrer durch die Verordnung Nr. 45/2014 geänderten Fassung anzusehen (d. h. als Person oder Organisation, die über eine der in Art. 12 Buchst. a oder b genannten natürlichen oder juristischen Personen, Einrichtungen oder Organisationen bzw. in deren Namen oder für diese handelt)? Können die von dieser Bank gegenüber einer anderen Bank mit Sitz in der Union geltend gemachten Garantiegebühren als unmittelbare oder mittelbare Garantieansprüche angesehen werden?</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">5.      Betrifft die Ausnahmevorschrift des Art. 9 der Verordnung Nr. 204/2011 alle Arten von Zahlungen?</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">6.      Ist die Verordnung 2016/44, wenn die Abrechnung der Garantiegebühren nach dem Inkrafttreten dieser Verordnung erfolgt (Frage 1e), die die Verordnung Nr. 204/2011 aufhebt, aber eine mit ihr im Wesentlichen identische Regelung enthält, für die Entscheidung des zwischen den Parteien anhängigen Rechtsstreits maßgebend und Art. 17 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung dahin auszulegen, dass die von einer libyschen Bank geltend gemachten und aufgrund eines Gegengarantievertrags von einer Bank mit Sitz in der Union gezahlten Gebühren und Kosten als unmittelbare oder mittelbare Garantieansprüche angesehen werden können? Ist eine Bank mit Sitz in der Union, die aufgrund eines als Teil einer Vertragskette zum Zweck der Abgabe einer Bankgarantie zugunsten der HIB abgeschlossenen Gegengarantievertrags zur Zahlung von Garantiegebühren an eine libysche Organisation verpflichtet ist, als Person oder Organisation im Sinne von Art. 17 Abs. 1 Buchst. c dieser Verordnung anzusehen (d. h. als Person oder Organisation, die über eine der in Art. 17 Abs. 1 Buchst. a oder b genannten natürlichen oder juristischen Personen, Einrichtungen oder Organisationen bzw. in deren Namen oder für diese handelt)? Können die von dieser Bank gegenüber einer anderen Bank mit Sitz in der Union geltend gemachten Garantiegebühren als unmittelbare oder mittelbare Garantieansprüche angesehen werden?</p>
<p class="C04Titre1"> <b>Zu den Vorlagefragen</b>
</p>
<p class="C05Titre2"> <b>Vorbemerkungen</b>
</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point46">46</a>      Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, dass die Entscheidung im Ausgangsverfahren u. a. davon abhänge, ob die Verordnung Nr. 204/2011 auf Gebühren anzuwenden ist, die aufgrund von Gegengarantieverträgen zu einem Bankgarantievertrag geschuldet sind, gegen dessen Begünstigten restriktive Maßnahmen verhängt wurden.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point47">47</a>      Da sich die einzelnen Vorlagefragen in verschiedener Hinsicht überschneiden, sind sie zusammenzufassen und neu zu formulieren, um dem vorlegenden Gericht möglichst genaue Antworten zu geben.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point48">48</a>      Daher ist davon auszugehen, dass sich das vorlegende Gericht im Wesentlichen fragt, ob in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens Anwendung finden: erstens Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 204/2011, der verbietet, dass Personen, deren Namen in der Liste des Anhangs III dieser Verordnung aufgeführt sind, unmittelbar oder mittelbar Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, zweitens Art. 12 dieser Verordnung, der die Erfüllung aller Ansprüche im Zusammenhang mit Verträgen und Transaktionen, die von den mit dieser Verordnung verhängten Maßnahmen betroffen sind, verbietet, drittens Art. 9 der Verordnung Nr. 204/2011, der Ausnahmen von Art. 5 Abs. 2 vorsieht, und viertens Art. 17 Abs. 1 der Verordnung 2016/44, der Art. 12 der Verordnung Nr. 204/2011 ersetzt hat.</p>
<p class="C05Titre2"> <b>Zu Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 204/2011</b>
</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point49">49</a>      Das vorlegende Gericht möchte im Wesentlichen wissen, ob Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 204/2011 dahin auszulegen ist, dass er in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens anzuwenden ist, in dem aufgrund von Gegengarantieverträgen geschuldete Gebühren zu zahlen sind, und zwar erstens von einer Bank in der Union an eine libysche Bank, deren Name in der Liste des Anhangs III dieser Verordnung aufgeführt ist, zweitens von einer Bank in der Union an eine libysche Bank, deren Name nicht mehr in dieser Liste aufgeführt ist, wenn die von der libyschen Bank gewährte Bankgarantie einer in dieser Liste aufgeführten Organisation zugutekommt, und drittens von einer Bank in der Union an eine andere Bank in der Union.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point50">50</a>      Nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 204/2011 dürfen den in den Anhängen II und III aufgeführten natürlichen und juristischen Personen, Organisationen und Einrichtungen weder unmittelbar noch mittelbar Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden oder zugutekommen.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point51">51</a>      Das in dieser Vorschrift vorgesehene Verbot, einer in einer Liste der von restriktiven Maßnahmen betroffenen Personen aufgeführten Person Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen, ist, wie es die Verwendung der Worte „weder unmittelbar noch mittelbar“ belegt, besonders weit gefasst, und erfasst somit jede Handlung, die nach dem anwendbaren nationalen Recht erforderlich ist, damit diese Person tatsächlich die vollständige Verfügungsbefugnis über die betreffenden Gelder oder wirtschaftlichen Ressourcen erlangen kann (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. Oktober 2007, Möllendorf und Möllendorf-Niehuus, C‑117/06, EU:C:2007:596, Rn. 50 und 51, vom 29. Juni 2010, E und F, C‑550/09, EU:C:2010:382, Rn. 66 und 74, sowie vom 21. Dezember 2011, Afrasiabi u. a., C‑72/11, EU:C:2011:874, Rn. 39 und 40).</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point52">52</a>      Dieser weite und eindeutige Wortlaut gilt daher für jede Zurverfügungstellung einer wirtschaftlichen Ressource und somit auch für eine Handlung, die der Erfüllung eines synallagmatischen Vertrags dient und im Gegenzug für die Zahlung einer wirtschaftlichen Gegenleistung zugesagt worden ist (Urteil vom 11. Oktober 2007, Möllendorf und Möllendorf-Niehuus, C‑117/06, EU:C:2007:596, Rn. 56).</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point53">53</a>      Darüber hinaus ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass der Begriff „Gelder und wirtschaftliche Ressourcen“ ebenfalls weit auszulegen ist und Vermögenswerte jeder Art umfasst, unabhängig davon, wie sie erworben wurden (vgl. entsprechend Urteil vom 29. Juni 2010, E und F, C‑550/09, EU:C:2010:382, Rn. 69).</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point54">54</a>      Erstens befasst sich das vorlegende Gericht mit der Fallkonstellation, dass eine Bank in der Union einer libyschen Bank, deren Name in der Liste des Anhangs III der Verordnung Nr. 204/2011 aufgeführt ist, Gebühren zahlen muss, die aufgrund eines Gegengarantievertrags geschuldet sind.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point55">55</a>      Im Ausgangsrechtsstreit geht es zwar um die Zahlung von Gebühren, die aufgrund eines zwischen zwei europäischen Banken geschlossenen Gegengarantievertrags geschuldet sind; die in der vorstehenden Randnummer angeführte Fallkonstellation könnte die Lösung dieses Rechtsstreits jedoch insoweit beeinflussen, als nicht ausgeschlossen ist, dass sich die von TG geforderte Zahlung der Gebühren für die Gegengarantie auch auf die Garantiegebühren bezieht, die die Sahara Bank in Bezug auf den Zeitraum getragen hat, in dem ihr Name in der Liste des Anhangs III dieser Verordnung aufgeführt war.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point56">56</a>      Im vorliegenden Fall war die im Ausgangsverfahren in Rede stehende libysche Bank, die Sahara Bank, vom 22. März bis zum 2. September 2011 in dieser Liste aufgeführt, so dass insoweit nur die Verordnung Nr. 204/2011 einschlägig ist.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point57">57</a>      Allein dass – aus welchem Grund auch immer – Geldbeträge an eine solche Bank zu zahlen sind, eröffnet für diese Transaktion den Anwendungsbereich des Art. 5 Abs. 2 dieser Verordnung, da eine solche Transaktion nach dieser Bestimmung darin besteht, einer Person, deren Name in der Liste des Anhangs III der Verordnung Nr. 204/2011 aufgeführt ist, unmittelbar Gelder zur Verfügung zu stellen.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point58">58</a>      Im Übrigen erlaubt, wie der Generalanwalt in Nr. 34 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, der Umstand, dass diese Zahlungen im Rahmen einer Transaktion, bei der zwischen Leistung und Gegenleistung ein wirtschaftliches Gleichgewicht besteht, erfolgen und Handlungen zur Erfüllung eines vor Inkrafttreten der Verordnung Nr. 204/2011 geschlossenen Vertrags darstellen, für sich genommen nicht, sie vom Anwendungsbereich dieser Verordnung und den in ihr vorgesehenen Verboten auszunehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Oktober 2007, Möllendorf und Möllendorf-Niehuus, C‑117/06, EU:C:2007:596, Rn. 49 und 62).</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point59">59</a>      Zweitens stellt sich dem vorlegenden Gericht die Frage, ob die Verordnung Nr. 204/2011 auf Zahlungen von aufgrund eines Gegengarantievertrags geschuldeten Gebühren anwendbar ist, die eine Bank in der Union an eine lybische Bank getätigt hat, nachdem deren Name von der Liste des Anhangs III dieser Verordnung gestrichen worden war.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point60">60</a>      Diese Zahlungen können keine unmittelbare Zurverfügungstellung von Geldern im Sinne von Art. 5 Abs. 2 dieser Verordnung darstellen, da der Name des Empfängers dieser Gelder nicht in der Liste des Anhangs III und auch nicht in der Liste des Anhangs II dieser Verordnung aufgeführt ist, die ebenfalls von dem in dieser Bestimmung aufgestellten Verbot erfasst wird.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point61">61</a>      Sie könnten jedoch eine mittelbare Zurverfügungstellung von Geldern zugunsten einer Person darstellen, deren Name in der Liste des Anhangs III der Verordnung Nr. 204/2011 aufgeführt ist, wie es im vorliegenden Fall bei der HIB der Fall ist, die Begünstigte der Bankgarantien ist, die die Grundlage der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Gegengarantieverträge bilden, und deren Name vom 11. März 2011 bis zum 29. Januar 2014 in dieser Liste aufgeführt war, d. h. insbesondere nach der Streichung des Namens der Sahara Bank von dieser Liste.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point62">62</a>      Gelder können jedoch nur dann als einer Person, deren Name in der Liste des Anhangs III dieser Verordnung aufgeführt ist, mittelbar zur Verfügung gestellt betrachtet werden, wenn sie insbesondere in Anbetracht rechtlicher oder finanzieller Bindungen, die zwischen dem Empfänger der Gelder und einer solchen Person bestehen, an diese Person weitergeleitet werden können oder diese Person die Verfügungsgewalt über diese Gelder hat.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point63">63</a>      Im vorliegenden Fall stellen die der Sahara Bank von TG geschuldeten Gebühren die Gegenleistung der zugunsten der HIB abgegebenen Bankgarantien dar, und zwar in einem Kontext, in dem diese Gebühren von einer ungarischen Bank, nämlich SH, hätten getragen werden sollen. Ihrer Art nach sind diese Gebühren also nicht dazu bestimmt, an die HIB weitergeleitet zu werden. Außerdem lässt sich den dem Gerichtshof vorgelegten Akten nichts dahin entnehmen, dass zwischen der HIB und der Sahara Bank Bindungen wie die in der vorstehenden Randnummer beschriebenen bestehen. Es ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob dies tatsächlich der Fall ist.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point64">64</a>      Schließlich können Zahlungen von aufgrund eines Gegengarantievertrags einer lybischen Bank geschuldeten Gebühren durch eine Bank in der Union nur als im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 204/2011 einer Person, deren Name in der Liste des Anhangs III dieser Verordnung aufgeführt ist, zugutekommend betrachtet werden, wenn diese Zahlungen es auf der Grundlage des Bankgarantievertrags und der Gegengarantieverträge dem in einer dieser Listen aufgeführten Begünstigten der Bankgarantie unmittelbar oder mittelbar erlauben würden, deren Erfüllung durchzusetzen. </p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point65">65</a>      Das wäre insbesondere dann der Fall, wenn das Recht des Begünstigten der Bankgarantie, deren Erfüllung zu verlangen, ganz oder teilweise von der Zahlung der aufgrund eines der Gegengarantieverträge geschuldeten Gebühren abhinge. Dann könnten die Gebührenzahlungen als einer Person, deren Name in der Liste des Anhangs III dieser Verordnung aufgeführt ist, zugutekommend betrachtet werden.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point66">66</a>      Es ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, die Überprüfungen vorzunehmen, die erforderlich sind, um auszuschließen, dass die Zahlungen von aufgrund eines Gegengarantievertrags geschuldeten Gebühren, die eine Bank in der Union, nämlich TG, an eine lybische Bank, im vorliegenden Fall die Sahara Bank, vornimmt, in Anbetracht der Antwort in den Rn. 64 und 65 des vorliegenden Urteils der HIB zugutekommen.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point67">67</a>      Drittens können die von einer Bank in der Union an eine andere Bank in der Union vorgenommenen Zahlungen von aufgrund eines Gegengarantievertrags geschuldeten Gebühren, die zum Teil in der Erstattung der von Letzterer im Rahmen eines anderen Gegengarantievertrags an eine libysche Bank gezahlten Gebühren bestehen, grundsätzlich nicht als Gelder, die einer Person, deren Name in der Liste des Anhangs III dieser Verordnung aufgeführt ist, unmittelbar zur Verfügung gestellt werden, in den Anwendungsbereich von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 204/2011 fallen.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point68">68</a>      Was die mittelbare Zurverfügungstellung von Geldern an eine solche Person oder die Verwendung der Gelder durch sie anbelangt, gelten die in den Rn. 61 bis 66 des vorliegenden Urteils dargelegten Erwägungen.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point69">69</a>      Nach alledem ist Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 204/2011 dahin auszulegen, dass er</p>
<p class="C03Tiretlong">–        anwendbar ist in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens, in der aufgrund eines Gegengarantievertrags geschuldete Gebühren von einer Bank in der Union an eine libysche Bank, deren Name in der Liste des Anhangs III dieser Verordnung aufgeführt ist, zu zahlen sind, und</p>
<p class="C03Tiretlong">–        anwendbar ist in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens, in der aufgrund eines Gegengarantievertrags geschuldete Gebühren von einer Bank in der Union an eine libysche Bank, deren Name in der Liste des Anhangs III dieser Verordnung aufgeführt ist, zu zahlen sind, und</p>
<p class="C03Tiretlong">–        grundsätzlich nicht anwendbar ist in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens, in der aufgrund eines Gegengarantievertrags geschuldete Gebühren von einer Bank in der Union an eine libysche Bank, deren Name nicht mehr in der Liste des Anhangs III dieser Verordnung aufgeführt ist, oder von einer Bank in der Union an eine andere Bank in der Union, wenn die von der libyschen Bank gewährte Bankgarantie einer in dieser Liste aufgeführten Organisation zugutekommt, zu zahlen sind, es sei denn, eine solche Zahlung führt aufgrund der zwischen der Bank, die die Zahlung erhält, und der Organisation, die in dieser Liste aufgeführt ist, bestehenden rechtlichen oder finanziellen Bindungen dazu, dass die fraglichen Gebühren dieser Organisation mittelbar zur Verfügung gestellt werden.</p>
<p class="C05Titre2"> <b>Zu Art. 12 der Verordnung Nr. 204/2011</b>
</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point70">70</a>      Das vorlegende Gericht möchte im Wesentlichen wissen, ob in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens Art. 12 der Verordnung Nr. 204/2011 dahin auszulegen ist, dass er – sowohl in der ursprünglichen als auch in der aus der Verordnung Nr. 45/2014 hervorgegangenen Fassung – Anwendung findet, wenn aufgrund von Gegengarantieverträgen geschuldete Gebühren zu zahlen sind, und zwar erstens von einer Bank in der Union an eine libysche Bank, die in der Liste des Anhangs III dieser Verordnung aufgeführt ist, zweitens von einer Bank in der Union an eine libysche Bank, die nicht in dieser Liste aufgeführt ist, wenn die von der libyschen Bank gewährte Bankgarantie einer Organisation, die in der Liste aufgeführt ist, zugutekommt, und drittens von einer Bank in der Union an eine andere Bank in der Union.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point71">71</a>      Im Wesentlichen verbietet Art. 12 der Verordnung Nr. 204/2011 sowohl in seiner ursprünglichen als auch in seiner aus der Verordnung Nr. 45/2014 hervorgegangenen Fassung die Erfüllung aller Ansprüche im Zusammenhang mit Verträgen und Transaktionen, die von den mit dieser Verordnung verhängten Maßnahmen betroffen sind.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point72">72</a>      Der in diesem Art. 12 vorgesehene Verbotsmechanismus basiert auf drei Elementen.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point73">73</a>      Erstens muss die Erfüllung eines Vertrags oder die Durchführung einer Transaktion von den mit der Verordnung Nr. 204/2011 eingeführten Maßnahmen unmittelbar oder mittelbar, ganz oder teilweise betroffen sein. Ein Vertrag oder eine Transaktion muss Gegenstand restriktiver Maßnahmen nach dieser Verordnung gewesen sein, damit Art. 12 der Verordnung zur Anwendung kommen kann. </p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point74">74</a>      Zweitens verbietet Art. 12 der Verordnung die Erfüllung aller Ansprüche im Zusammenhang mit solchen Verträgen oder Transaktionen, z. B. Schadensersatzansprüche, Entschädigungsansprüche oder Garantieansprüche. Wegen seines allgemeinen Charakters und der beispielhaften Natur der durch das Wort „einschließlich“ eingeleiteten Aufzählung der dort genannten Ansprüche, umfasst dieser Art. 12 alle Arten von Ansprüchen, die mit einem Vertrag oder einer Transaktion verbunden sind.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point75">75</a>      Drittens müssen die Ansprüche, die nicht erfüllt werden dürfen, nach der ursprünglichen Fassung des Art. 12 der Verordnung Nr. 204/2011 von der Regierung Libyens oder einer Person oder Organisation für die Regierung Libyens oder für deren Rechnung und nach der aus der Verordnung Nr. 45/2014 hervorgegangenen Fassung u. a. von einer nicht in den Anhängen II oder III der Verordnung Nr. 204/2011 aufgeführten libyschen Person, Organisation oder Einrichtung geltend gemacht werden.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point76">76</a>      In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass die Zahlung von aufgrund von Gegengarantieverträgen geschuldeten Gebühren von einem ersten Gegengarantiegeber an den Garantiegeber oder von einem zweiten Gegengarantiegeber an den ersten Gegengarantiegeber grundsätzlich nicht vom Anwendungsbereich des Art. 12 der Verordnung Nr. 204/2011 ausgeschlossen sein kann. </p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point77">77</a>      Zum einen kann nämlich die Erfüllung eines Gegengarantievertrags von den mit dieser Verordnung eingeführten Maßnahmen betroffen sein, wenn der Name des Begünstigten dieser Gegengarantie in der Liste des Anhangs III dieser Verordnung aufgeführt ist, wie es hier bei der Sahara Bank im Zeitraum vom 22. März bis zum 2. September 2011 der Fall war, oder wenn der Name des Begünstigten der Garantie, die wiederum durch eine Gegengarantie gesichert ist, in dieser Liste aufgeführt ist, wie es hier bei der HIB im Zeitraum vom 11. März 2011 bis zum 29. Januar 2014 der Fall war.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point78">78</a>      Zum anderen stellt ein Anspruch auf Zahlung von aufgrund eines Gegengarantievertrags geschuldeten Gebühren eine Forderung „im Zusammenhang mit Verträgen“ im Sinne der ursprünglichen Fassung von Art. 12 der Verordnung Nr. 204/2011 oder einen Anspruch „im Zusammenhang mit Verträgen“ im Sinne der aus der Verordnung Nr. 45/2014 hervorgegangenen Fassung dar.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point79">79</a>      Ein solcher Anspruch fällt jedoch nur dann unter das Verbot des Art. 12 der Verordnung Nr. 204/2011, wenn er von einer der in diesem Artikel genannten Personen geltend gemacht wird.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point80">80</a>      Soweit Gebühren aufgrund eines Vertrags betroffen sind, mit dem eine Bank in der Union einer libyschen Bank eine Gegengarantie gewährt, fällt eine Zahlungsforderung in den Anwendungsbereich von Art. 12 dieser Verordnung in seiner ursprünglichen Fassung, sofern die libysche Bank als eine für die Rechnung der Regierung Libyens handelnde Organisation betrachtet werden kann, was die einzige in diesem Artikel genannte Kategorie ist, zu denen eine solche Bank im vorliegenden Fall gehören kann.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point81">81</a>      Insoweit ist es Sache des vorlegenden Gerichts, die Überprüfungen vorzunehmen, die erforderlich sind, um festzustellen, ob es möglich ist, die Sahara Bank als für die Rechnung der Regierung Libyens handelnd zu betrachten.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point82">82</a>      Was Art. 12 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 204/2011 in der aus der Verordnung Nr. 45/2014 hervorgegangenen Fassung anbelangt, fände er in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens Anwendung, da die libysche Bank, die von der Bank in der Union eine Gegengarantie erhält, eine nicht in Anhang II oder III dieser Verordnung aufgeführte libysche Person, Organisation oder Einrichtung ist, die von dieser Bestimmung erfasst ist.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point83">83</a>      Aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten ergibt sich allerdings, dass die letzten Zahlungen von TG an die Sahara Bank auf den sie verbindenden Gegengarantievertrag am 16. Juli 2013 erfolgten, so dass die Frage, ob Art. 12 der Verordnung Nr. 204/2011 auf diese Zahlungen Anwendung findet, anhand der ursprünglichen Fassung dieses Artikels zu beurteilen ist.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point84">84</a>      Soweit sich der Zahlungsanspruch auf Gebühren bezieht, die aufgrund eines Vertrags geschuldet werden, mit dem eine Bank in der Union einer anderen Bank in der Union eine Gegengarantie gewährt, kann in Anbetracht des Wortlauts von Art. 12 dieser Verordnung in seiner ursprünglichen Fassung jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass die letztere Bank als für die Rechnung der Regierung Libyens handelnd zu betrachten ist. Sie erhält diese Gebühren nämlich aufgrund der Bestimmungen eines Vertrags, dessen Gegenstand lediglich die Gewährleistung einer Gegengarantie für eine einer libyschen Bank gewährten Bankgarantie ist. </p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point85">85</a>      Die Anwendung von Art. 12 dieser Verordnung in seiner aus der Verordnung Nr. 45/2014 hervorgegangenen Fassung ist nur möglich, wenn die Bank in der Union, die von einer anderen Bank in der Union die Zahlung von aufgrund eines Gegengarantievertrags geschuldeten Gebühren verlangt, eine Person im Sinne von Art. 12 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 204/2011 ist, der eine Person, Organisation oder Einrichtung betrifft, die im Namen einer der in Art. 12 Abs. 1 Buchst. a oder b genannten Personen, Organisationen oder Einrichtungen handelt. Diese Bank in der Union muss also entweder im Namen einer Person handeln, deren Name in der Liste des Anhangs III dieser Verordnung aufgeführt ist, wie der Name der HIB im Ausgangsverfahren, oder im Namen einer libyschen Person, Organisation oder Einrichtung oder im Namen der libyschen Regierung.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point86">86</a>      In einer Vertragskette aus einer Bankgarantie und zwei Gegengarantien kann jedoch grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden, dass eine Bank in der Union, wenn sie Gebühren erhält, die aufgrund eines Gegengarantievertrags geschuldet sind, den sie mit einer anderen Bank in der Union geschlossen hat, im Namen des Garantiegebers oder des Begünstigten der Bankgarantie handelt. Ein Gegengarantievertrag wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende ist nämlich ein Vertrag zwischen einem Auftraggeber und einem Gegengarantiegeber, durch den dieser sich einseitig und unwiderruflich verpflichtet, einen bestimmten Betrag an einen Begünstigten auf dessen erste Anforderung zu zahlen, ohne dass das Rechtsverhältnis, das diesem Vertrag zugrunde liegt, geprüft wird. Die Zahlung von aufgrund eines Gegengarantievertrags geschuldeten Gebühren durch den Auftraggeber an den Gegengarantiegeber hat somit allein den Zweck, diesem für die Leistung, die er dem Auftraggeber mit der Stellung der Gegengarantie erbracht hat, eine Vergütung zu gewähren. Der Gegengarantiegeber kann daher nicht als im Namen des Garantiegebers oder des Begünstigten der durch die Gegengarantie gesicherten Bankgarantie handelnd betrachtet werden, wenn er diese Zahlung erhält.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point87">87</a>      Art. 12 der Verordnung Nr. 204/2011 ist folglich dahin auszulegen, dass er</p>
<p class="C03Tiretlong">–        in seiner ursprünglichen Fassung anwendbar ist, wenn aufgrund von Gegengarantieverträgen geschuldete Gebühren von einer Bank in der Union an eine libysche Bank, die in der Liste des Anhangs III dieser Verordnung aufgeführt ist, sowie von einer Bank in der Union an eine libysche Bank, die nicht in dieser Liste aufgeführt ist, wenn die von der libyschen Bank gewährte Bankgarantie einer in der Liste aufgeführten Organisation zugutekommt, zu zahlen sind, sofern die libysche Bank als für die Rechnung der Regierung Libyens handelnd zu betrachten ist, was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist;</p>
<p class="C03Tiretlong">–        in seiner aus der Verordnung Nr. 45/2014 hervorgegangenen Fassung nicht anwendbar ist, wenn aufgrund von Gegengarantieverträgen geschuldete Gebühren von einer Bank in der Union an eine libysche Bank, die in der Liste des Anhangs III dieser Verordnung aufgeführt ist, sowie von einer Bank in der Union an eine libysche Bank, die nicht in dieser Liste aufgeführt ist, wenn die von der libyschen Bank gewährte Bankgarantie einer in dieser Liste aufgeführten Organisation zugutekommt, zu zahlen sind, sofern diese Gebühren vor Inkrafttreten dieser Verordnung gezahlt wurden, und</p>
<p class="C03Tiretlong">–        in seiner ursprünglichen Fassung wie in seiner aus der Verordnung Nr. 45/2014 hervorgegangenen Fassung nicht anwendbar ist, wenn aufgrund von Gegengarantieverträgen geschuldete Gebühren von einer Bank in der Union an eine andere Bank in der Union zu zahlen sind.</p>
<p class="C05Titre2"> <b>Zu Art. 9 der Verordnung Nr. 204/2011</b>
</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point88">88</a>      Das vorlegende Gericht möchte im Wesentlichen wissen, ob Art. 9 der Verordnung Nr. 204/2011 dahin auszulegen ist, dass er auf Zahlungen von Gebühren anwendbar ist, wie sie aufgrund der verschiedenen im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verträgen geschuldet sind.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point89">89</a>      Nach diesem Art. 9 gilt Art. 5 Abs. 2 der genannten Verordnung nicht für die Gutschrift auf den eingefrorenen Konten von Zahlungen aufgrund von Verträgen, Vereinbarungen oder Verpflichtungen, die vor dem Datum, an dem die natürliche oder juristische Person, Organisation oder Einrichtung nach diesem Art. 5 vom Sanktionsausschuss, vom Sicherheitsrat oder vom Rat benannt wurde, geschlossen bzw. übernommen wurden, sofern diese Zahlungen nach Art. 5 Abs. 1 eingefroren werden.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point90">90</a>      Somit sind von den Bestimmungen des Art. 9 der Verordnung Nr. 204/2011 nur Zahlungen an Personen erfasst, deren Name in der Liste des Anhangs II oder III dieser Verordnung aufgeführt ist.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point91">91</a>      Im vorliegenden Fall hat die Begünstigte der Bankgarantie, die HIB, seit der Aufnahme ihres Namens in die Liste des Anhangs III der Verordnung Nr. 204/2011 keine Zahlung auf den sie begünstigenden Bankgarantievertrag erhalten. Darüber hinaus hat die Garantiegeberin, die Sahara Bank, ihre Gebühren für die Bereitstellung dieser Garantie von der die Gegengarantie gewährenden Bank, TG, nur innerhalb des Zeitraums erhalten, in dem ihr Name nicht in der Liste dieses Anhangs aufgeführt war.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point92">92</a>      Unter diesen Umständen kann Art. 9 dieser Verordnung somit keine Anwendung finden.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point93">93</a>      Folglich ist Art. 9 der Verordnung Nr. 204/2011 dahin auszulegen, dass er auf Zahlungen von Gebühren, wie sie aufgrund der verschiedenen im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verträgen geschuldet sind, nicht anwendbar ist.</p>
<p class="C05Titre2"> <b>Zu Art. 17 Abs. 1 der Verordnung 2016/44</b>
</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point94">94</a>      Das vorlegende Gericht möchte im Wesentlichen wissen, ob Art. 17 Abs. 1 der Verordnung 2016/44 dahin auszulegen ist, dass er in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens anwendbar ist, in der die endgültige Abrechnung der von einer Bank in der Union einer anderen Bank in der Union geschuldeten Gegengarantiegebühren nach dem Inkrafttreten dieser Verordnung erfolgt.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point95">95</a>      Die Verordnung 2016/44 trat gemäß ihrem Art. 26 am Tag nach ihrer Veröffentlichung im <i>Amtsblatt der Europäischen Union</i>, d. h. am 20. Januar 2016, in Kraft.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point96">96</a>      Die Bestimmungen des Art. 17 Abs. 1 dieser Verordnung entsprechen im Wesentlichen denen des Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 204/2011 in ihrer aus der Verordnung Nr. 45/2014 hervorgegangenen Fassung.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point97">97</a>      Im vorliegenden Fall erfolgten die Zahlungen von TG an die Sahara Bank sämtlich während der Geltung der Verordnung Nr. 204/2011 und können nicht unter die Bestimmungen der Verordnung 2016/44 fallen.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point98">98</a>      Die Zahlungen, die Gebühren betreffen, die aufgrund des zwischen SH und TG geschlossenen Gegengarantievertrags geschuldet sind, werden hingegen von der Verordnung 2016/44 erfasst, da die endgültige Abrechnung und die nachfolgende Zahlung dieser Gebühren bei Inkrafttreten dieser Verordnung noch nicht erfolgt waren.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point99">99</a>      Folglich ist Art. 17 Abs. 1 der Verordnung 2016/44 dahin auszulegen, dass er auf von einer Bank in der Union einer anderen Bank in der Union geschuldete Gegengarantiegebühren in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens anwendbar ist, in der die endgültige Abrechnung nach dem Inkrafttreten dieser Verordnung erfolgt.</p>
<p class="C04Titre1"> <b>Kosten</b>
</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point100">100</a>    Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.</p>
<p class="C41DispositifIntroduction">Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:</p>
<p class="C08Dispositif">1.      <b>Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 204/2011 des Rates vom 2. März 2011 über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Libyen ist dahin auszulegen, dass er</b>
</p>
<p class="C34Dispositifmarge1avectiretlong">–        <b>anwendbar ist in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens, in der aufgrund eines Gegengarantievertrags geschuldete Gebühren von einer Bank in der Europäischen Union an eine libysche Bank, deren Name in der Liste des Anhangs III dieser Verordnung aufgeführt ist, zu zahlen sind, und </b>
</p>
<p class="C34Dispositifmarge1avectiretlong">–        <b>grundsätzlich nicht anwendbar ist in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens, in der aufgrund eines Gegengarantievertrags geschuldete Gebühren von einer Bank in der Union an eine libysche Bank, deren Name nicht mehr in der Liste des Anhangs III dieser Verordnung aufgeführt ist, oder von einer Bank in der Union an eine andere Bank in der Union, wenn die von der libyschen Bank gewährte Bankgarantie einer in dieser Liste aufgeführten Organisation zugutekommt, zu zahlen sind, es sei denn, eine solche Zahlung führt aufgrund der zwischen der Bank, die die Zahlung erhält, und der Organisation, die in dieser Liste aufgeführt ist, bestehenden rechtlichen oder finanziellen Bindungen dazu, dass die fraglichen Gebühren dieser Organisation mittelbar zur Verfügung gestellt werden.</b>
</p>
<p class="C08Dispositif">2.      <b>Art. 12 der Verordnung Nr. 204/2011 ist dahin auszulegen, dass er</b>
</p>
<p class="C34Dispositifmarge1avectiretlong">–        <b>in seiner ursprünglichen Fassung anwendbar ist, wenn aufgrund von Gegengarantieverträgen geschuldete Gebühren von einer Bank in der Europäischen Union an eine libysche Bank, die in der Liste des Anhangs III dieser Verordnung aufgeführt ist, sowie von einer Bank in der Union an eine libysche Bank, die nicht in dieser Liste aufgeführt ist, wenn die von der libyschen Bank gewährte Bankgarantie einer in der Liste aufgeführten Organisation zugutekommt, zu zahlen sind, sofern die libysche Bank als für die Rechnung der Regierung Libyens handelnd zu betrachten ist, was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist;</b>
</p>
<p class="C34Dispositifmarge1avectiretlong">–        <b>in seiner aus der Verordnung (EU) Nr. 45/2014 des Rates vom 20. Januar 2014 hervorgegangenen Fassung nicht anwendbar ist, wenn aufgrund von Gegengarantieverträgen geschuldete Gebühren von einer Bank in der Union an eine libysche Bank, die in der Liste des Anhangs III dieser Verordnung aufgeführt ist, sowie von einer Bank in der Union an eine libysche Bank, die nicht in dieser Liste aufgeführt ist, wenn die von der libyschen Bank gewährte Bankgarantie einer in dieser Liste aufgeführten Organisation zugutekommt, zu zahlen sind, sofern diese Gebühren vor Inkrafttreten dieser Verordnung gezahlt wurden, und</b>
</p>
<p class="C34Dispositifmarge1avectiretlong">–        <b>in seiner ursprünglichen Fassung wie in seiner aus der Verordnung Nr. 45/2014 hervorgegangenen Fassung nicht anwendbar ist, wenn aufgrund von Gegengarantieverträgen geschuldete Gebühren von einer Bank in der Union an eine andere Bank in der Union zu zahlen sind.</b>
</p>
<p class="C08Dispositif">3.      <b>Art. 9 der Verordnung Nr. 204/2011 ist dahin auszulegen, dass er auf Zahlungen von Gebühren, wie sie aufgrund der verschiedenen im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verträgen geschuldet sind, nicht anwendbar ist.</b>
</p>
<p class="C08Dispositif">4.      <b>Art. 17 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/44 des Rates vom 18. Januar 2016 über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Libyen und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 204/2011 ist dahin auszulegen, dass er auf von einer Bank in der Europäischen Union einer anderen Bank in der Union geschuldete Gegengarantiegebühren in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens anwendbar ist, in der die endgültige Abrechnung nach dem Inkrafttreten dieser Verordnung erfolgt.</b>
</p>
<p class="C77Signatures">Unterschriften</p>
<hr/>
<p class="C42FootnoteLangue">
<a href="#Footref*" name="Footnote*">*</a>      Verfahrenssprache: Ungarisch.</p>
|
171,342 | lg-stuttgart-2019-01-17-23-o-18018 | {
"id": 142,
"name": "Landgericht Stuttgart",
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} | 23 O 180/18 | 2019-01-17T00:00:00 | 2019-01-29T12:51:07 | 2019-02-12T13:44:43 | Urteil | <h2>Tenor</h2>
<p>1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 25.107,61 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 10.11.2018, Zug- um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des PKW Daimler Typ Mercedes C-Klasse FIN: ....</p>
<p>2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei von den Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung i.H.v. 1.358,86 EUR freizustellen.</p>
<p>3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.</p>
<p>4. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.</p>
<p>5. Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.</p>
<p><strong>Beschluss</strong></p>
<p>Der Streitwert wird auf 26.936,00 EUR festgesetzt.</p>
<h2>Tatbestand</h2>
<table><tr><td> </td><td> </td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>1 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="1"/>Der Kläger begehrt von der Beklagten Schadensersatz aus Delikt aus einem PKW-Kaufvertrag im Zuge des sog. „<em>Abgasskandals“</em></td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>2 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="2"/>Mit Kaufvertrag vom 30.01.2017 (Anl. K 1, Bl. 56 d.A) erwarb der Kläger bei der Firma ..., einer unabhängigen Händlerin, den streitgegenständlichen PKW Mercedes Benz Typ C 200d, FIN: ..., der von der Beklagten entwickelt und hergestellt und mit einem Motor OM 626, EURO 6, ausgestattet ist, als Gebrauchtwagen zum Kaufpreis i.H.v. 27.500,00 EUR. Das Fahrzeug wies zum Zeitpunkt der Übergabe eine Laufleistung von 27.875 km auf.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>3 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="3"/>Die Kontrolle der Stickoxidemissionen erfolgt im streitgegenständlichen Fahrzeug über die sog. Abgasrückführung. Bei der Abgasrückführung wird ein Teil des Abgases zurück in das Ansaugsystem des Motors geführt und nimmt erneut an der Verbrennung teil. Die Abgasrückführung wird bei kühleren Temperaturen zurückgefahren, wobei zwischen den Parteien streitig ist, bei welchen Außentemperaturen die Abgasrückführung Außentemperaturen reduziert wird (“<em>Thermofenster“)</em>.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>4 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="4"/>Das Fahrzeug ist von einem Rückruf durch das Kraftfahrzeugbundesamt (KBA) betroffen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>5 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="5"/>Mit Anwaltsschreiben vom 16.07.2018 (Anl. K 3, Bl. 73 f. d.A.) forderte der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung binnen 2 Wochen zur Zahlung i.H.v. 26.936,00 EUR Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des PKW auf.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>6 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="6"/>Der Kläger behauptet, die Abgasreinigung sei nur bei Außentemperaturen zwischen 20° und 30° Celsius aktiv und werde außerhalb dieses „<em>Thermofensters"</em> ganz abgeschaltet<em>, </em>mit der Folge, dass die Stickoxidemission erheblich ansteige.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>7 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="7"/>Das Fahrzeug enthalte neben dem Thermofenster auch eine Steuerungssoftware, die dazu führe, dass das Fahrzeug das Durchfahren des „Neuen Europäischen Fahrzyklusses“ (NEFZ) auf dem Prüfstand erkenne und abhängig davon, die Abgasaufbereitung dergestalt regele, dass der Ausstoß an Stickoxiden nur beim Durchfahren des NEFZ optimiert werde. Das Fahrzeug verfüge nicht über die Voraussetzungen für die EG-Typgenehmigung und habe einen erheblich höheren Schadstoffausstoß als von der Beklagten angegeben.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>8 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="8"/>Der Kläger behauptet ferner, der Vorstand der Beklagten hätte Kenntnis von dem Einsatz der unzulässigen Software gehabt.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>9 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="9"/>Der Kläger trägt schließlich vor, das Fahrzeug habe aktuell (11.12.2018) eine Laufleistung von 47.199 km.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>10 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="10"/>Der Kläger ist insbesondere der Ansicht, das Fahrzeug verfüge über eine unzulässige Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 5 Abs. 2 VO EG 715/2007.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>11 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="11"/>Der Kläger beantragt:</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>12 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="12"/>1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 26.936,00 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 % -Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit, Zug- um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des PKW Daimler Typ Mercedes C-Klasse FIN: ....</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>13 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="13"/>2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei von den Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung i.H.v. 1.564,26 EUR freizustellen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>14 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="14"/>Die Beklagte beantragt:</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>15 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="15"/>Die Klage wird abgewiesen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>16 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="16"/>Die Beklagte behauptet insbesondere, im streitgegenständlichen Fahrzeug werde die Roh-Emission von Stickoxiden über ein Mehrwege-Abgasrückführungssystem (Mehrwege-AGR) kontrolliert. Die Mehrwege-AGR bestehe aus einer Hochdruck-Abgasrückführung (HD-AGR) und einer Niedrigdruck-Abgasrückführung (ND-AGR). Im streitgegenständlichen Fahrzeug werde hin zu niedrigen Temperaturen ab 5° Celsius Umgebungstemperatur von der ND-AGR auf die HD-AGR umgeschaltet und die Abgasrückführungsrate in den relevanten Betriebsbereichen zwischen 20 % und 50 % angepasst. Dieses System sei zum Bauteilschutz notwendig. Das System der Abgasrückführung könne bei kalten Temperaturen Schäden durch Ablagerungen (sog. „<em>Versottung“) </em>erleiden. Eine hohe Abgasrückführungsrate bei höheren Außentemperaturen führe zu einer solchen Versottung und damit zu Motorschäden.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>17 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="17"/>Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11.12.2018 (Bl. 227 ff. d.A.) verwiesen.</td></tr></table>
</td></tr></table>
<h2>Entscheidungsgründe</h2>
<table><tr><td> </td><td> </td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>18 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="18"/>Die zulässige Klage ist aus dem im Tenor ersichtlichen Umfang begründet (I.).</td></tr></table>
<table><tr><td>I.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>19 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="19"/>Die Klage ist im Klageantrag Ziff. 1 aus dem im Tenor ersichtlichen Umfang begründet.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>20 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="20"/>Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 826 BGB (dazu 1.) und gemäß § 831 Abs. 1 S. 1 BGB (dazu 2.), wobei zwischen den Ansprüchen aus § 826 BGB und § 831 BGB die Möglichkeit der Wahlfeststellung besteht (dazu 3.), i.H.v. <span style="text-decoration:underline">25.107,61 EUR</span>.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>21 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="21"/>1. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung aus § 826 BGB (vgl. auch LG Stuttgart, 27.11.2018 - 7 O 265/18; LG Stuttgart, 17.01.2019 - 23 O 178/18, jeweils zum „<em>Thermofenster“</em> und zu kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüchen sowie LG Stuttgart, 14.08.2018 - 23 O 80/18; LG Stuttgart,16.11.2017 - 19 O 34/17, LG Stuttgart, 05.04.2018 - 7 O 28/17, jeweils zum „<em>VW-Abgasskandal</em>“).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>22 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="22"/>Das Fahrzeug verfügt über eine unzulässige Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 (dazu a). Der Kläger hat deshalb einen Schaden erlitten (b), welcher durch ein Verhalten der Beklagten entstanden (c) und welches als sittenwidrig zu qualifizieren ist (d). Die Beklagte hat dabei vorsätzlich gehandelt (e). Aufgrund dessen hat der Kläger einen Anspruch auf Schadensersatz i.H.v. 25.107,61 EUR (f).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>23 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="23"/>a) Die Beklagte hat das vom Kläger erworbene Fahrzeug gebaut und eine EG-Typengenehmigung beantragt, die formal erteilt wurde, obwohl das Fahrzeug über eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 verfügt, die der Zulassung entgegenstand.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>24 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="24"/>1) Nach Art. 4 Abs. 1 EG-VO 715/2007 weist der Hersteller nach, dass alle von ihm verkauften, zugelassenen oder in der Gemeinschaft im Betrieb genommenen Neufahrzeuge über eine Typengenehmigung gemäß dieser Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen verfügen. Nach Art. 5 Abs. 1 EG-VO 715/2007 rüstet der Hersteller das Fahrzeug so aus, dass die Bauteile, die das Emissionsverhalten voraussichtlich beeinflussen, so konstruiert, gefertigt und montiert sind, dass das Fahrzeug <span style="text-decoration:underline">unter normalen Betriebsbedingungen</span> dieser Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen entspricht. Nach Abs. 2 der Vorschrift ist die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die diese Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, grundsätzlich unzulässig.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>25 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="25"/>Art. 3 Nr. 10 EG-VO 715/2007 definiert eine Abschalteinrichtung als ein Konstruktionsteil, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl (UpM), den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlass, oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu <span style="text-decoration:underline">verändern</span>, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter <span style="text-decoration:underline">Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind</span>, verringert wird.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>26 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="26"/>Das streitgegenständliche Fahrzeug verfügt über eine solche Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 3 Nr. 10 EG-VO 715/2007.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>27 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="27"/>(1) Anzumerken ist zunächst, dass selbst die Untersuchungskommission des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) bezüglich des Vorhandenseins eines Thermofensters zu folgendem Ergebnis kommt:</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>28 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="28"/><em>„Alle Hersteller nutzen aber Abschalteinrichtungen gemäß der Definition in Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007“</em></td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>29 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="29"/>(Bericht der Untersuchungskommission „<em>Volkswagen</em>“, Stand April 2016, S. 119 unter C. II. 4.).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>30 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="30"/>(2) Unstreitig verfügt das streitgegenständliche Fahrzeug gemäß den Angaben der Beklagten im Rahmen der Klageerwiderung vom 23.11.2018 (dort. S. 9, Bl. 232 d.A.) – wie offenbar eine Vielzahl der Motoren diverser Hersteller, und zwar unabhängig davon, ob sie von einem Rückruf des KBA betroffen sind – über ein sog. Thermofenster.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>31 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="31"/>So ist im streitgegenständlichen Fahrzeug eine Technologie zur Reduktion des Stickoxidausstoßes (NOx) vorhanden. Dabei kommt die sog. Abgasrückführung zum Einsatz. Bei der Abgasrückführung wird ein Teil des Abgases zurück in das Ansaugsystem des Motors geführt und nimmt erneut an der Verbrennung teil. Die Abgasrückführung wird dabei bei kühleren Temperaturen – unstreitig - zurückgefahren. Bei welchen konkreten Außentemperaturen letztendlich eine Reduktion der Abgasrückführung erfolgt, kann letztendlich dahinstehen. Anzumerken ist lediglich, dass die Beklagte - trotz Hinweises in der richterlichen Verfügung vom 26.11.2018 (Bl. 241 d.A.) und des Sachvortrags des Klägers im Schriftsatz vom 06.12.2018 (Bl. 252 ff. d.A) - nicht näher dazu vorträgt, bei welchen Außentemperaturen bereits erstmals (offenbar 5° Celsius) eine Reduzierung der Abgasrückführung eintritt und in welchem konkreten Maß. Die hierzu getätigten Ausführungen der Beklagten im nachgelassenen Schriftsatz vom 10.01.2019 sind (wohl bewusst) vage gehalten (Anpassung der Abgasrückführungsrate zwischen „<em>20 % und 45 %</em>“). Die Ausführungen im nachgelassenen Schriftsatz vom 10.01.2019 (dort S. 5 zum „<em>Mehrwege-AGR</em>“) stehen zum Teil auch in Widerspruch zum Sachvortrag im Rahmen der Klageerwiderung vom 23.11.2018 (dort S. 9, Bl. 232 d.A. zum „<em>Thermofenster</em>“).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>32 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="32"/>(3) Sofern das Niederdruck-AGR (ND-AGR) - wie im nachgelassenen Schriftsatz der Beklagten vom 10.01.2019 vorgetragen und zugunsten der Beklagten sogar als wahr unterstellt - bei einer Außentemperatur von 5° C oder darunter auf die Hochdruck-AGR (HD-AGR) umschaltet und die Abgasrückführungsrate in den Betriebsbereichen zwischen <strong>20 %</strong> und <strong>50 % </strong>reduziert wird, stellt dies eine Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 3 Nr. 10 EG-VO 715/2007 dar, da gerade das Abgasrückführungssystem bzw. eine Software die Außentemperatur erkennt und die Funktion des Emissionskontrollsystems <span style="text-decoration:underline">verändert</span> - unabhängig davon in welchem Maß - oder sogar deaktiviert, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems infolge der Reduktion der Abgasrückführung unter normalen Bedingungen des Fahrzeugbetriebs verringert wird. Die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems wird eben durch das entsprechende System an die Fahr- und Umweltbedingungen, die bei normalen Fahrbetrieb herrschen, angepasst. Unerheblich ist dabei, in welchem Maß eine Verringerung der Abgasrückführung erfolgt, da Art. 3 Nr. 10 EG-VO 715/2007 eine solche Differenzierung nicht erlaubt und schlicht jede Veränderung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems als Abschalteinrichtung zu qualifizieren ist, zumal eine Reduzierung um bis zu 50 % ohnehin als erheblich einzustufen wäre. Anders als die Beklagte meint, liegt gerade eine Veränderung des AGR-Systems, also des Emissionskontrollsystems i.S.d. Art. 3 Nr. 10 EG (VO) 715/2007 vor. Es erfolgt nicht lediglich - wie die Beklagte meint - eine Umschaltung der ND-AGR auf die HD-AGR, weil zugleich eben auch die Abgasrückführungsrate um bis zu 50 % angepasst, also reduziert wird. Nichts anderes gilt für das im Rahmen der Klageerwiderung vom 23.11.2018 (dort S. 9, Bl. 232 d.A.) vorgetragene „<em>Thermofenster“, </em>wo ausgeführt wird, dass die Abgasrückführung im streitgegenständlichen Fahrzeug bei niedrigen Außentemperaturen reduziert wird. Aus diesem Grund bedarf es auch keiner Entscheidung darüber, welcher konkrete - unterschiedliche - Sachvortrag der Beklagten nun zutrifft, da sowohl das sog. „<em>Thermofenster“ </em>als auch das sog. „<em>Mehrwege-AGR“ </em>infolge der Reduzierung der Abgasrückführung bei Außentemperaturen von jedenfalls 5° Celsius eine Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 3 Nr. 10 EG (VO) 715/2007 darstellen (vgl. auch <em>Prof. Dr. Martin Führ</em>, Gutachterliche Stellungnahme für den Deutschen Bundestag – 5. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode; <em>derselbe</em> in NVwZ 2017, 265; ferner auch die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags „<em>Abschalteinrichtungen in Personenkraftwagen</em>“, Az: WD 7 – 3000 – 031/16, S. 18).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>33 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="33"/>2) Eine solche Abschalteinrichtung ist nur dann ausnahmsweise zulässig, wenn die Einrichtung notwendig ist, um den Motor vor Beschädigung zu schützen (Art. 5 Abs. 2 lit. a) EG-VO 715/2007). Dies ist vorliegend <span style="text-decoration:underline">nicht</span> der Fall.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>34 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="34"/>Zwar wird im Abschlussbericht der Untersuchungskommission „<em>Volkswagen“ </em>des BMVI ausgeführt, dass „<em>unter Berufung auf den Motorschutz die Verwendung von Abschalteinrichtungen letztlich stets dann gerechtfertigt werden könnte, wenn von Seiten des Fahrzeugherstellers nachvollziehbar dargestellt wird, dass ohne die Verwendung einer solchen Einrichtung dem Motor Schaden droht, sei dieser auch noch so klein</em>“.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>35 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="35"/>(Bericht der Untersuchungskommission „<em>Volkswagen</em>“, Stand April 2016, S. 123 unter D. I. 2.).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>36 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="36"/>Eine solche Auslegung der gesetzlichen Vorgaben hat jedoch keine rechtliche Grundlage (so überzeugend und mit erheblicher Kritik am Abschlussbericht der Untersuchungskommission des BMVI: <em>Klinger</em>, Rechtsgutachten zum Stand der Umsetzung der Verordnung (EG) Nr. 715/2007, der Durchführungsverordnung 692/2008, der Richtlinie 2007/46/EG und der Regelung Nr. 83 der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UN/ECE), erstellt zum Beweisbeschluss SV-4 des 5. Untersuchungsausschusses der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestags, 29. September 2016, dort S. 24).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>37 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="37"/>Im Einzelnen:</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>38 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="38"/>(1) Die EG (VO) 715/2007 wurde ausweislich von Erwägungsgrund 1 erlassen, um die technischen Vorschriften für die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich ihrer Emissionen zu harmonisieren. Ziel ist die Sicherstellung eines hohen Umweltschutzniveaus auf europäischer Ebene. Zur Verbesserung der Luftqualität und zur Einhaltung der Luftverschmutzungsgrenzwerte war nach Auffassung des EU-Gesetzgebers insbesondere eine erhebliche Minderung der Stickstoffoxidemissionen bei Dieselfahrzeugen erforderlich. Das Senken der Emissionen von Kraftfahrzeugen ist Teil einer Gesamtstrategie. Um die Ziele der EU für die Luftqualität zu erreichen, sind nach seiner Einschätzung fortwährende Bemühungen zur Senkung von Kraftfahrzeugemissionen erforderlich, weshalb die Industrie klare Informationen über die künftigen Emissionsgrenzwerte erhalten soll.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>39 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="39"/>(2) Wie alle Ausnahmeregelungen ist auch die Vorschrift des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 EG-VO 715/2007 <span style="text-decoration:underline">sehr eng</span> auszulegen. Wer als Fahrzeughersteller von dem Verbot abweichen will, muss dies besonders rechtfertigen. Eine Notwendigkeit i.S.d. Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 liegt insbesondere dann <span style="text-decoration:underline">nicht</span> vor, wenn sich die Abschalteinrichtung durch <span style="text-decoration:underline">Konzeption, Konstruktion oder Werkstoffwahl</span> vermeiden lässt.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>40 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="40"/>Der Verordnungsgeber ist bei dem Begriff der „<em>Notwendigkeit</em>“ i.S.d. Art. 5 Abs. 2 lit. a) EG-VO 715/2007 bewusst über die entsprechende Regelung in Ziffer 2.1.6 Satz 2 der zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Emissionsgrundverordnung geltenden Fassung der UN/ECE-Regelung Nr. 83 hinausgegangen, in der zum Verneinen einer verbotenen Abschalteinrichtung bereits als ausreichend angesehen wurde, wenn „<em>die Notwendigkeit der Nutzung der Einrichtung mit dem Schutz des Motors vor Beschädigungen oder Unfällen und der Betriebssicherheit des Fahrzeugs begründet wird</em>“. Im Vergleich zu diesem allein auf eine vorgenommene Begründung abstellenden Wortlaut der Regelung Nr. 83 hat der Verordnungsgeber bei der Emissionsgrundverordnung mit dem Begriff der „<em>Notwendigkeit</em>“ einen <span style="text-decoration:underline">strengeren, objektivierbaren Maßstab</span> gewählt (so auch die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags „<em>Abschalteinrichtungen in Personenkraftwagen</em>“, Az: WD 7 – 3000 – 031/16, S. 13).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>41 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="41"/>(3) Es ist demnach nicht schon ausreichend, dass überhaupt individuell technische Situationen auftreten, in denen die Abschalteinrichtung zum Motorschutz oder zum sicheren Betrieb erforderlich ist, sondern darüber hinaus wäre unter Einbeziehung der zu dieser technischen Situation führenden Gründe erforderlich, dass auch diese notwendigerweise vorliegen, also generell unvermeidbar sind (diese Auslegung befürwortend auch die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags „<em>Abschalteinrichtungen in Personenkraftwagen</em>“, Az: WD 7 – 3000 – 031/16, S. 14 f.).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>42 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="42"/>(4) Unzweifelhaft nicht notwendig im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 2 lit. a) EG-VO 715/2007 ist eine solche Abschalteinrichtung, die aus Motorschutzgesichtspunkten <span style="text-decoration:underline">ununterbrochen arbeitetet</span> und damit den Zielsetzungen der Verordnung hinsichtlich einer eindämmenden Kontrolle der Emissionswerte im Straßenbetrieb und einem grundsätzlichen Verbot von Abschalteinrichtungen komplett zuwiderläuft.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>43 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="43"/>Dem entsprechend sprechen die überwiegenden Gründe dafür, dass das Eingreifen einer Abschalteinrichtung grundsätzlich nicht auf die Privilegierung von Artikel 5 Absatz 2 Satz 2 lit. a) EG-VO 715/2007 gestützt werden kann, wenn sie unter Bedingungen eingreift, die zu den üblichen, alltäglichen Nutzungsbedingungen eines betreffenden Kraftfahrzeugs im Sinne eines Normalgebrauchs zu zählen sind. Eine Privilegierung einer Abschalteinrichtung aufgrund von Artikel 5 Absatz 2 Satz 2 lit. a) EG-VO 715/2007 kommt zudem dann grundsätzlich <span style="text-decoration:underline">nicht</span> in Betracht, wenn<span style="text-decoration:underline"> aufgrund andersartiger Konstruktion oder durch den Einsatz zusätzlicher Bauteile das Abschalten des Emissionskontrollsystems unter Motorschutzgesichtspunkten entbehrlich würde</span>. Für eine solche technische Entbehrlichkeit einer Abschalteinrichtung ließe sich in praxi etwa anführen, wenn nach dem Stand der Technik Konstruktionen bekannt und <span style="text-decoration:underline">möglich</span> sind, die das Abschalten des Emissionskontrollsystems entbehrlich machen, wofür namentlich sprechen kann, dass vergleichbare Motoren anderer Hersteller ohne entsprechend agierende Abschalteinrichtung auskommen, ohne dass der Motor Schaden nimmt. Auch die Möglichkeit des Einsatzes anderer oder weiterer technischer Varianten von Emissionskontrollsystemen spräche dafür, bei Verzicht auf dieselben seitens des Herstellers mangels Notwendigkeit keine Privilegierung aufgrund von Artikel 5 Absatz 2 Satz 2 lit. a) EG-VO 715/2007 greifen zu lassen (vgl. die überzeugende Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags „<em>Abschalteinrichtungen in Personenkraftwagen</em>“, Az: WD 7 – 3000 – 031/16, S. 15 f).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>44 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="44"/>(5) Die auf den Schutz des Motors abzielende Privilegierung nach Artikel 5 Absatz 2 Satz 2 lit. a) EG-VO 715/2007 bietet deshalb grundsätzlich keine taugliche Rechtsgrundlage dafür, eine Abschalteinrichtung regelmäßig auch bei solchen Betriebsbedingungen, die bei normalem, bestimmungsgemäßem Gebrauch eines Personenkraftwagens typischerweise eintreten, legal greifen zu lassen. Dies gilt insbesondere auch für den Betrieb bei niedrigen Umgebungstemperaturen. Neben Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 sind auch die im Typzulassungs-Regelwerk enthaltenen Spezialvorschriften zu beachten. Für Dieselfahrzeuge legt Art. 3 Nr. 9 Durchführungs-Verordnung EG (VO) 692/2008 fest, innerhalb welches Zeitraums bei einem Kaltstart des Motors die volle Funktionsfähigkeit gewährleistet sein muss. Danach haben die Hersteller der Genehmigungsbehörde zu belegen, dass die NOx-Nachbehandlungseinrichtung nach einem Kaltstart bei – 7 °C innerhalb von 400 Sekunden eine für das ordnungsgemäße Arbeiten ausreichend hohe Temperatur erreicht. Die Genehmigungsbehörde darf in diesem Zusammenhang deshalb keine Typgenehmigung erteilen, wenn die vorgelegten Angaben nicht hinreichend nachweisen, dass die Nachbehandlungseinrichtung tatsächlich innerhalb des genannten Zeitraums eine für das ordnungsgemäße Funktionieren ausreichend hohe Temperatur erreicht. <span style="text-decoration:underline">Mit dieser Nachweispflicht hat der Verordnungsgeber für Fahrzeuge klargestellt, dass es für ein daneben bestehendes Thermofenster bei niedrigen Temperaturen keine Rechtfertigung geben kann</span>. Hersteller, die gleichwohl die Funktionsweise der Abgasbehandlung herabsetzen, verstoßen gegen die Vorgaben der Durchführungs-Verordnung (so auch überzeugend die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags „<em>Abschalteinrichtungen in Personenkraftwagen</em>“, Az: WD 7 – 3000 – 031/16, S. 18 und<em> Prof. Dr. Martin Führ</em>, Gutachterliche Stellungnahme für den Deutschen Bundestag – 5. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode, S. 3 dort Ziff. 7).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>45 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="45"/>3) Gemessen daran, ist die streitgegenständliche Abschalteinrichtung in Form eines Thermofensters nach Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 unzulässig.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>46 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="46"/>Die Beklagte behauptet zwar, das streitgegenständliche Thermofenster sei zum Bauteilschutz notwendig. Begründet wird dies mit einer sog. Versottungsgefahr. Damit kann die Beklagte aus den oben genannten Gründen nicht gehört werden. Die Beklagte trägt im Rahmen der ihr obliegenden sekundären Darlegungslast schon nicht vor, dass die Versottungsgefahr durch andere technische Maßnahmen – unabhängig davon, ob diese wirtschaftlich deutlich teurer wären – verhindert werden könnte, weshalb auch die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht veranlasst war, da bereits der Vortrag der Beklagten den Ausnahmetatbestand des Art. 5 Abs. 2 lit. a) EG (VO) nicht eingreifen lässt.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>47 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="47"/>Ferner wird das System der Abgasrückführung - wie die Beklagte vorträgt - jedenfalls bei Außentemperaturen von 5° Celsius und darunter von der ND-AGR auf die HD-AGR umgeschaltet und die Abgasrückführungsrate um bis zu 50 % zurückgefahren, wobei der Vortrag der Beklagten - mangels fehlender Klarstellung trotz Hinweises in der richterlichen Verfügung vom 26.11.2018 (Bl. 241 d.A.) - nahelegt, dass die Abgasrückführung ggf. schon bei höheren Außentemperaturen als bei 5° C Celsius reduziert wird.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>48 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="48"/>Bei einer Jahresdurchschnittstemperatur z.B. in Stuttgart von 10 Grad Celsius oder beispielsweise in den in der EU liegenden Städten Helsinki von 4,8 Grad Celsius und in Tallin von 4,5 Grad Celsius handelt es sich bei der Maßnahme (Veränderung des Emmissionskontrollsystems durch Reduzierung der Abgasrückführung bei Außentemperaturen von jedenfalls 5° Celsius) nahezu um einen Dauerbetrieb. Dass eine solche Abschalteinrichtung für den EU-Gesetzgeber erkennbar nicht als legal gelten sollte, liegt auf der Hand. Die Beklagte hat gerade nicht dargelegt, dass es sich um eine bloße „<em>Ausnahme</em>“ handelt, die zwingend notwendig ist, den Motor vor (erheblichen) Beschädigungen zu schützen <span style="text-decoration:underline">und andere technische Lösungen, nach der jeweils besten verfügbaren Technik nicht vorhanden sind</span>. Vielmehr hat die Beklagte – wie wohl auch andere Automobilhersteller – das Regel-Ausnahmeverhältnis des Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2008 (bewusst) ins Gegenteil verkehrt.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>49 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="49"/>4) Das Gericht möchte dabei auch überhaupt nicht in Abrede stellen, dass ggf. eine solche Versottungsgefahr - wie von der Beklagten behauptet - bestehen mag. Allerdings rechtfertigt diese noch nicht den Ausnahmetatbestand des Art. 5 Abs. 2 lit. a) EG-VO 715/2007, da eben schon nicht dargelegt ist, dass diese Versottungsgefahr technisch nicht durch andere Maßnahmen, die ggf. teurer wäre, verhindert werden könnte, ohne dass hierzu eine Reduzierung der Abgasrückführung erforderlich wäre.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>50 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="50"/>Das Gericht sieht sich zu folgenden (wiederholenden) Klarstellungen veranlasst:</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>51 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="51"/>Selbst wenn die Abgasrückführung bei einer Außentemperatur von 5° Celsius und darunter um bis zu 50 % reduziert wird, weil andernfalls eine sog. Versottung eintrete, führt dies nicht zur Zulässigkeit der Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 5 Abs. 2 lit. a) EG-VO Nr. 715/2007. Wie oben dargelegt, bietet die Vorschrift des Art. 5 Abs. 2 lit. a) EG-VO 715/2007 unter Hinweis auf Art. 3 Nr. 9 Durchführungs-Verordnung gerade keine Rechtfertigung für ein darüber hinaus gehendes Thermofenster, das nahezu ununterbrochen arbeitet. Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 differenziert insoweit auch nicht nach dem Grad der Reduzierung der Abgasrückführung, sondern verbietet eine Abschalteinrichtung - mit Ausnahme der in Art. 5 Abs. 2 EG (VO) genannten Tatbestände - schlechthin. Selbst wenn also - wie die Beklagte selbst vorträgt - bei Außentemperaturen von unter 5° Celsius bereits die Abgasrückführung reduziert wird, stellt dies bei den in der EU vorherrschenden Jahresdurchschnittstemperaturen nahezu einen durchgängigen Regelbetrieb dar, den der EU-Gesetzgeber zweifellos - auch nicht zum Zwecke des Motorschutzes - als legal greifen lassen wollte.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>52 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="52"/>Ferner führt das Gericht erneut aus, dass der Ausnahmetatbestand des Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 sehr eng auszulegen ist. Die Automobilhersteller können sich daher - aus den geschilderten Gründen - allenfalls dann auf den Ausnahmetatbestand des Art. 5 Abs. 2 lit. a) EG (VO) (<em>Motorschutz) </em>berufen, wenn andere technische Lösungen, nach der jeweils besten verfügbaren Technik, und zwar unabhängig davon ob diese wirtschaftlich deutlich teurer wären, nicht vorhanden sind. Dies hat die Beklagte trotz ihrer sekundären Darlegungslast schon nicht behauptet.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>53 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="53"/>5) Unerheblich ist auch, ob das KBA und das BMVI die Zulässigkeit von Abschalteinrichtungen durch sogenannte Thermofenster (zum Teil) bejahen. Dies bindet die Parteien im hiesigen Rechtsstreit nicht. Ferner sind die dazu im Untersuchungsbericht Volkswagen zur Rechtfertigung dieser Praxis durch das Bundesministerium herangezogenen Argumente aus den oben genannten Gründen nicht nachvollziehbar. Es drängt sich daher der Verdacht auf, dass das Ergebnis der Untersuchungskommission allein politisch motiviert war (so mit (noch) deutlicheren Worten und schärferer Kritik:<em> Klinger</em>, Rechtsgutachten zum Stand der Umsetzung der Verordnung (EG) Nr. 715/2007, der Durchführungsverordnung 692/2008, der Richtlinie 2007/46/EG und der Regelung Nr. 83 der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UN/ECE), erstellt zum Beweisbeschluss SV-4 des 5. Untersuchungsausschusses der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestags, 29. September 2016, dort S. 29).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>54 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="54"/>b) Der Kläger hat durch den Erwerb des streitgegenständlichen Fahrzeugs einen Schaden erlitten (vgl. nur LG Stuttgart, 21.08.2018 - 23 O 92/18; LG Bochum, 29.12.2017 - I-6 O 96/17; LG Köln, 18.07.2017 – 22 O 59/17; LG Würzburg, 23.02.2018 – 71 O 862/16; LG Stuttgart 05.04.2018 - 7 O 28/17).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>55 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="55"/>1) Der eingetretene Schaden im Verhältnis des Klägers zur Beklagten liegt bereits in dem Abschluss des Vertrages, der jedenfalls zu den damaligen Bedingungen von dem Kläger nach Überzeugung des Gerichts so in der Form bei Kenntnis aller Umstände nicht abgeschlossen worden wäre (so im Ergebnis auch LG Stuttgart, 26.09.2018 – 23 O 95/18; LG Hildesheim, 17.01.2017 - 3 O 139/16; LG Paderborn, 07.04.2017 - 2 O 118/16; LG Kleve, 31.03.2017 - 3 O 252/16; LG Bochum, 13.07.2017 – 8 O 366/16 jeweils zum „<em>VW-Abgasskandal</em>“).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>56 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="56"/>2) Ein Schaden aufgrund einer sittenwidrigen Schädigung ist grundsätzlich im Rahmen der Differenzhypothese zu ermitteln, das heißt durch ein Gegenüberstellen der jetzigen Vermögenslage des Geschädigten und derjenige, die ohne eine Schädigung bestehen würde. Es kann jedoch ein Schaden auch dann vorliegen, wenn eigentlich eine objektive Werthaltigkeit der vertraglichen Gegenleistung vorliegt. Die Differenzhypothese muss nämlich stets einer normativen Kontrolle unterzogen werden, weil sie eine wertneutrale Rechenoperation darstellt. Der Schadensersatz dient aber dazu, den konkreten subjektiven Vermögensnachteil des Geschädigten auszugleichen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>57 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="57"/>Insoweit genügt jede Schadenszufügung im weitesten Sinne, also jede nachteilige Einwirkung auf die Vermögenslage in ihrer Gesamtheit und zwar in dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene eine Entscheidung zu Lasten seines Vermögens trifft. Dabei ist auch eine subjektbezogene Betrachtung heranzuziehen. Nach dem subjektbezogenen Schadensbegriff stellt auch der Abschluss eines Rechtsgeschäftes, welches nicht den Zielen des Geschädigten entspricht, einen Schaden im Rahmen des § 826 BGB dar, ohne dass es im Ergebnis darauf ankäme, ob die erhaltene Leistung wirtschaftlich betrachtet hinter der Gegenleistung zurückbleibt oder nicht bzw. ob nachfolgend ein Ausgleich erfolgt.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>58 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="58"/>Ein Schaden kann deshalb auch darin gesehen werden, dass jemand durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrages gebracht worden ist (BGH NJW-RR 2005, 611, 612). Es ist daher anerkannt, dass der Schaden auch darin liegen kann, dass ein – wäre eine Täuschung nicht erfolgt – ungewollter Vertrag abgeschlossen wird.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>59 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="59"/>3) Hier hat der Kläger ein Fahrzeug erworben, welches nicht seinen Vorstellungen entsprach und welches er, wenn er die tatsächlichen Hintergründe gekannt hätte, zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses so nicht erworben hätte. Der diesbezügliche Vermögensschaden des Klägers liegt darin, dass er in Unkenntnis des nicht gesetzeskonformen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung mit den sich daraus ergebenden Folgen – u.a. Sachmangel im Sinne des Gewährleistungsrechts - den streitgegenständlichen PKW erworben und damit einen ihm wirtschaftlich nachteiligen Vertrag geschlossen hat.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>60 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="60"/>Insoweit ist auch davon auszugehen, dass dann, wenn der Kläger die Hintergründe gekannt hätte, als verständiger Kunde kein Fahrzeug mit einer solchen unzulässigen Abschalteinrichtung und mit einem entsprechenden kaufrechtlichen Sachmangel erworben hätte. Wenn ihm vor dem Verkauf bekannt gewesen oder er von der Beklagten allgemein darauf hingewiesen worden wäre, dass allein mit der vorgenommenen Manipulation die diesbezügliche Typengenehmigung erlangt werden konnte und tatsächlich eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form eines sog. Thermofensters vorliegt, weshalb der Emissionsausstoß während nahezu des gesamten Jahreszeitraums (jedenfalls unstreitig ab 5° Celsius Außentemperatur) deutlich höher ist als angegeben und dies - wie gezeigt - rechtlich unzulässig ist, hätte der Kläger von einem Kaufvertrag Abstand genommen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>61 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="61"/>4) Der Kläger hat also aufgrund des hier abgeschlossenen Kaufvertrages nicht das bekommen, was ihm aufgrund des Kaufvertrages an sich zugestanden hätte, nämlich ein technisch einwandfreies, den gesetzlichen Bestimmungen vollständig entsprechendes Fahrzeug. Die Schädigung besteht zudem darin, dass durch den Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung das tatsächlich von dem Kläger erworbene und ihm übergebene Fahrzeug nach den kaufrechtlichen Regelungen ursprünglich mangelhaft war.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>62 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="62"/>Da jedoch ein Käufer stillschweigend davon ausgeht, dass ein erworbenes Fahrzeug mangelfrei ist und den gesetzlichen Vorschriften und Vorgaben entspricht, war die diesbezügliche Vorstellung bei dem Kläger falsch, da die Typengenehmigung durch den Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung nicht hätte erteilt werden dürfen und die gesetzlich vorgegebenen Werte nur bei ganz bestimmten Umweltbedingungen erreicht werden, die Grenzwerte im normalen Fahrbetrieb bei üblichen Umweltbedingungen (durchschnittliche Außentemperaturen) hingegen um ein Vielfaches überschritten werden, so dass im Ergebnis der Kläger mit dem Erwerb und der Übergabe eines solchen Fahrzeuges gegen Zahlung des Kaufpreises einen Schaden erlitten hat.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>63 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="63"/>c) Der Kläger hat diesen Schaden aufgrund eines Verhaltens der Beklagten erlitten. Erforderlich ist insoweit ein adäquat kausaler Zusammenhang unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Norm (BGH, 03.03.2008 – II ZR 310/06 –, Rn. 15, juris; MünchKommBGB/<em>Wagner</em>, 7. Aufl., § 826 Rn. 45 ff.). Ein adäquater Zusammenhang besteht, wenn eine Tatsache im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, ganz unwahrscheinlichen und nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen zur Herbeiführung eines Erfolges geeignet war. So liegt der Fall hier.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>64 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="64"/>1) Die Beklagte hat den Kläger konkludent darüber getäuscht, dass die Zulassung des Fahrzeuges zum Straßenverkehr und die Einstufung in die angegebene Schadstoffklasse gesetzmäßig erfolgten, während sie tatsächlich - infolge des unzulässigen Einbaus einer Abschalteinrichtung - erschlichen wurde. So hatte die Beklagte unter anderem auch das Fahrzeug des Klägers mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung in den Verkehr gebracht, ohne hierüber aufzuklären.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>65 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="65"/>2) Die Täuschung der Beklagten gegenüber allen (potenziellen) Käufern derartiger Fahrzeuge durch konkludentes Handeln liegt darin, dass ein Neuwagenkäufer grundsätzlich davon ausgehen kann, dass das erworbene Fahrzeug vollständig mangelfrei ist, den gesetzlichen Vorschriften genügt und ohne Einschränkung und ohne weitere zusätzliche spätere Maßnahmen am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen darf, wobei diese Vorstellungen in der Regel für den Kaufentschluss des jeweiligen Käufers wie auch des Klägers maßgeblich sind.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>66 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="66"/>Diese Vorstellungen eines Käufers wie dem Kläger war hier aufgrund der von der Beklagten vorgenommenen Manipulation in Form des Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung und der diesbezüglichen Täuschung falsch, da eine Typengenehmigung nach Art. 4 Abs. 1 EG-VO 715/2007 bei Offenlegung des Thermofensters durch die Beklagte gegenüber der Genehmigungsbehörde (KBA) nicht hätte erteilt werden dürfen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>67 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="67"/>Diese Täuschung und die vorgenommene Manipulation der Beklagten war auch kausal für die Kaufentscheidung des Klägers (s.o.).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>68 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="68"/>d) Das Verhalten der Beklagten war sittenwidrig. Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. Dabei kann es auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Sie kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (BGH, 28.06.2016 – VI ZR 536/15 –, Rn. 16, juris). Bezüglich des Anstandsgefühls aller billig und gerecht Denkenden kommt es wesentlich auf die berechtigten Verhaltenserwartungen im Verkehr an (Staudinger/Oechsler, BGB [2014], § 826, Rn. 31).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>69 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="69"/>1) Gemessen daran ist das Verhalten der Beklagten als sittenwidrig zu qualifizieren. Die Beweggründe der Beklagten zur Vornahme der Manipulationen am Motor bzw. der Systeme der Abgassteuerung und Reinigung und der entsprechenden Täuschungen darüber waren entweder die Erzielung eines höheren Gewinns durch die Ersparnis von weiteren Entwicklungskosten oder aber die Unfähigkeit der Entwickler der Motoren, zu marktgerechten Preisen einen Motor zu entwickeln, der über keine unzulässige Abschalteinrichtung in Form eines Thermofensters verfügt. Die Beklagte nutzte bei ihrer Täuschung aus, dass der Endverbraucher darauf vertraut, dass ein Fahrzeug, das von einem Hersteller für den Verkauf freigegeben wurde, die Zulassungsprüfungen ordnungsgemäß durchlaufen hat und dementsprechend die gesetzlich vorgegebenen Bestimmungen erfüllt.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>70 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="70"/>2) Insoweit ist in diesem Rahmen zu berücksichtigen, dass die Beklagte in großem Umfang und mit erheblichem technischen Aufwand zentrale Zulassungsvorschriften ausgehebelt und zugleich ihre Kunden konkludent getäuscht hat. Sie hat dabei nicht nur die Vorschriften des Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 außer Acht gelassen, sondern mit der vorgenommenen Manipulation durch den Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung für alle davon betroffenen Fahrzeuge zugleich ein System zur planmäßigen Verschleierung ihres Vorgehens gegenüber den Aufsichtsbehörden einerseits sowie nachfolgend nach dem Inverkehrbringen der Fahrzeuge gegenüber den Verbrauchern andererseits geschaffen. Es lag also eine bewusste Täuschung der Aufsichtsbehörden einerseits und der Verbraucher andererseits vor, um die entsprechende Typengenehmigungen für die Fahrzeuge zu erhalten und diese dann so in Verkehr bringen zu können, um dadurch entsprechende Vertragsschlüsse der Händler mit Kunden herbeiführen zu können.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>71 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="71"/>3) Dabei ist die Beklagte bewusst verschleiernd und durch einen offensichtlich nur begrenzt einbezogenen Personenkreis vorgegangen, um diese Manipulation geheim zu halten, zumal diese Manipulation auch nur äußerst schwer zu entdecken war und so im normalen Verkehr mangels erkennbarer Auswirkungen eigentlich nicht aufgefallen wäre. Die Manipulation ist auf dem Prüfstand bei gleichbleibender Umgebungstemperatur nicht zu erkennen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>72 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="72"/>4) Die Täuschung diente, andere Motive sind jedenfalls nicht ersichtlich, allein dem Zweck, zur Kostensenkung und möglicherweise auch zur Umgehung technischer Probleme bei der Entwicklung einer rechtlich und technisch einwandfreien, aber teurere Lösung der Abgasreinigung formal die Voraussetzungen für die Typgenehmigung zu erfüllen und mit Hilfe diese Manipulation umweltfreundliche Prüfvermerke veröffentlichen zu können, um dadurch entsprechende Wettbewerbsvorteile zu erlangen. Schon dieses Gewinnstreben um den Preis einer bewussten Täuschung und Benachteiligung von Behörden einerseits und Kunden andererseits gibt dem Handeln der Beklagten ein Gepräge der Sittenwidrigkeit. Ein solches zumindest auch die Verbraucher konkludent täuschendes Verhalten ist auch bei Anwendung eines durchschnittlichen Maßstabs als sittenwidrig anzusehen und verwerflich, da die Beklagte eben nicht nur die Aufsichts- und Prüfbehörden getäuscht, sondern durch ihr täuschendes Verhalten bei dem weiteren Inverkehrbringen der Fahrzeuge auch die Ahnungslosigkeit der unzähligen Verbraucher bewusst zu ihrem Vorteil ausgenutzt hat (vgl. LG Würzburg, 23.02.2018 – 71 O 862/16 zum "<em>VW-Abgasskandal"</em>).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>73 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="73"/>e) Auch die subjektiven Voraussetzungen für einen Anspruch aus § 826 BGB gegen die Beklagte sind zu bejahen. Die Beklagte hat den Kläger vorsätzlich geschädigt. Sie muss sich das Verhalten ihrer Repräsentanten, deren Wissen als zugestanden anzusehen ist, zurechnen lassen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>74 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="74"/>1) Der Kläger hat schlüssig vorgetragen, dass der Vorstand oder jedenfalls Teile des Vorstands der Beklagten Kenntnis von dem Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung, die zu gesetzwidrigen EG-Bescheinigungen geführt hat, gehabt haben.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>75 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="75"/>2) Dieser Vortrag ist auch naheliegend. Der Vorstand hat das Unternehmen den gesetzlichen Bestimmungen gemäß zu organisieren und zu führen (sog. Compliance). In diesem Zusammenhang muss davon ausgegangen werden, dass Berichtspflichten gegenüber dem Vorstand im Hinblick auf alle wesentlichen Entscheidungen eingerichtet sind und deren Einhaltung durch entsprechende Kontrollmaßnahmen gewährleistet ist. Insoweit ist es mehr als naheliegend, dass dem Vorstand oder Teilen des Vorstandes der Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung zur Erreichung der EG-Typengenehmigung sowie das Inverkehrbringen eines gesetzeswidrigen Fahrzeuges bekannt gewesen sind. Dies auch deshalb, weil die Abgasrückführung einer ganzen Motorenreihe für eine Vielzahl von Fahrzeugen hinsichtlich ihres Entwicklungsaufwandes in technischer und finanzieller Hinsicht eine wesentliche vom Vorstand zu treffende Entscheidung darstellt und die Verwendung einer solchen unzulässigen Abschalteinrichtung sämtliche in der EU zuzulassenden Fahrzeuge betrifft. Zu all diesen internen Vorgängen kann der Kläger als Käufer eines manipulierten Fahrzeugs naturgemäß nicht substantiiert vortragen, so dass die Beklagte eine sekundäre Darlegungslast dahingehend trifft, zu den internen Vorgängen im Zusammenhang mit der unzulässigen Abschalteinrichtung vorzutragen. Eine sekundäre Darlegungslast besteht dann, wenn der beweisbelasteten Partei näherer Vortrag nicht möglich oder zumutbar ist, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die beweisbelastete Partei außerhalb des von ihr vorzutragenden Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt, während der Gegner zumutbar nähere Angaben machen kann (vgl. BGH, 07.12.1998 - II ZR 266/97).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>76 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="76"/>3) Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Der Kläger kann nicht – wie oben ausgeführt – näher dazu vortragen, in welcher Organisationseinheit der Beklagten die unzulässige Abschalteinrichtung entwickelt, verwendet, verbaut worden ist, wer die Entscheidung dazu getroffen und wie die Entscheidung wann und an wen kommuniziert worden ist. Ein konkreterer Vortrag bezüglich einzelner Personen war nicht erforderlich. Insofern greifen die Grundsätze der sekundären Darlegungslast. Dagegen ist die Beklagte allein aus Compliance-Gesichtspunkten dazu verpflichtet, entsprechende Ermittlungsmaßnahmen zu ergreifen. Indem sie etwaige bisherige interne Ermittlungsergebnisse unter Verschluss hält, verstößt die Beklagte gegen ihre sekundäre Darlegungslast, so dass das Gericht davon ausgeht, dass der Vorstand der Beklagten Kenntnis von dem Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung hatte und das Inverkehrbringen entsprechend ausgerüsteter Motoren veranlasst hat, was auch mehr als naheliegend ist (ebenso: LG Köln, 18.07.2017 - 22 O 59/17; LG Hildesheim, 17.01.2017 - 3 O 139/16; LG Kleve, 31.03.2017 - 3 O 252/16; vgl. auch LG Stuttgart, 05.04.2018 - 7 O 28/17; LG Stuttgart, 30.10.2018 - 23 O 80/18 jeweils zum "<em>VW-Abgasskandal</em>").</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>77 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="77"/>4) Durch das bewusste Inverkehrbringen der gesetzwidrig ausgestatteten Fahrzeuge ist auch von einem entsprechenden Schädigungsvorsatz auszugehen. Der Vorstand der Beklagten hat eine Schädigung der Vermögensinteressen der Käufer zumindest billigend in Kauf genommen. Bei dem Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung kam es der Beklagten bzw. ihrem Vorstand darauf an, Umsatz und Gewinn zu steigern. Andere Gründe sind schlicht nicht ersichtlich. Dabei haben sie es in Kauf genommen, ihren Kunden über das Vertriebsnetz von Vertragshändlern nicht-gesetzeskonforme Fahrzeuge zu verkaufen und auf diese Weise ihren Kunden wirtschaftlichen Schaden zuzufügen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>78 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="78"/>f) Gemäß §§ 826, 249 BGB kann der Kläger von der Beklagten Schadensersatz i.H.v. <strong><span style="text-decoration:underline">25.107,61 EUR</span></strong> verlangen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>79 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="79"/>1) Der Kläger ist nach § 249 Abs. 1 BGB so zu stellen, als ob das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre. Aufgrund der genannten Umstände steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger das Fahrzeug nicht erworben hätte, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass die EG-Typgenehmigung unter Einsatz einer unzulässigen Abschalteinrichtung erteilt wurde und daher die Stilllegung im Falle eines Widerrufs der Zulassung drohte. Hierfür spricht die allgemeine Lebenserfahrung, dass niemand unnötig derartig erhebliche Risiken eingeht, wenn ihm auf dem Markt vergleichbare Produkte ohne entsprechende Risiken angeboten werden.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>80 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="80"/>2) Der Kläger kann daher den von ihr zum Erwerb des Fahrzeugs gezahlten Kaufpreis i.H.v. 27.500,00 EUR von der Beklagten verlangen. Im Wege des Vorteilsausgleichs hat er allerdings das erworbene Fahrzeug und die gezogenen Nutzungen herauszugeben (vgl. nur LG Stuttgart, 05.04.2018 - 7 O 28/17; LG Bochum, 29.12.2017 – I-6 O 96/17; LG Würzburg, 23.02.2018 - 71 O 862/16; LG Stuttgart, 30.10.2018 - 23 O 80/18 jeweils zum „<em>VW-Abgasskandal“</em>).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>81 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="81"/>Unstreitig hat der Kläger das Fahrzeug als Gebrauchtwagen mit einer Kilometerlaufleistung von 27.875 km erworben. Zur Überzeugung des Gerichts steht ferner fest, dass die Kilometerlaufleistung zum Schluss der mündlichen Verhandlung (11.12.2018) 47.199 km betrug (§ 286 Abs. 1 ZPO). Der Klägervertreter hat im Termin zur mündlichen Verhandlung am 11.12.2018 ein Lichtbild vom 10.12.2018 (Bl. 226 d.A.) vorgelegt, welches mit den Parteien in Augenschein genommen wurde und auf dem ein Kilometerstand von 47.199 km zu sehen war. Zwar hat die Beklagte mit Nichtwissen bestritten, dass es sich bei dem Lichtbild um eine Lichtbildaufnahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs handele. Zur Überzeugung des Gerichts steht jedoch fest, dass auf dem in Augenschein genommenen Lichtbild der Tachometer des streitgegenständlichen Fahrzeugs abgelichtet war (§ 286 Abs. 1 ZPO). So hat der Klägervertreter, der in Untervollmacht auftrat, bestätigt, dass ihm das Lichtbild von den Hauptbevollmächtigten übermittelt worden sei. Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei dem Lichtbild nicht um eine Aufnahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs handelt, bestehen für das Gericht vernünftigerweise nicht. Zwar wurde das Lichtbild bereits am 10.12.2018 aufgenommen und damit nicht am Tag der mündlichen Verhandlung. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass auch die Beklagte nicht behauptet, die Klägerin habe in der Zwischenzeit noch eine weitere Fahrtstrecke zurückgelegt. Ferner handelt es sich bei der Nutzungsentschädigung im Wesentlichen ohnehin um eine gemäß o.g. Berechnung durchgeführte Schätzung, sodass lediglich minimale Abweichungen des Kilometerstands auch zu vernachlässigen wären.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>82 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="82"/>Der Nutzungsvorteil errechnet sich aus dem Bruttokaufpreis von 27.500,00 EUR (Anl. K 1, Bl. 56 d.A.) multipliziert mit der seit Vertragsschluss gefahrenen Laufleistung des Fahrzeugs zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (11.12.2018) von 19.324 km (47.199 km - 27.875 km) geteilt durch die vom Gericht gemäß § 287 ZPO unter Zugrundelegung einschlägiger Vergleichswerte (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 13. Aufl., Rn. 3574) geschätzte Restlaufleistung. Das Gericht schätzt gemäß § 287 ZPO, dass ein Dieselfahrzeug des streitgegenständlichen Typs eine Gesamtfahrleistung von 250.000 km hat, sodass eine Restlaufleistung von 222.125 km besteht (250.000 km - 27.875 km). Dies bedeutet, dass der Kläger insgesamt einen Nutzungsvorteil i.H.v. 2.392,39 EUR gezogen hat, der in Abzug zu bringen ist, sodass ein Anspruch i.H.v. <strong>25.107,61 EUR</strong> (27.500,00 EUR - 2.392,39 EUR) besteht.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>83 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="83"/>Da der Kläger einen Anspruch i.H.v. 26.936,00 EUR geltend macht, war die Klage insoweit im Übrigen abzuweisen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>84 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="84"/>2. Dem Kläger steht überdies auch ein Anspruch aus §§ 831 Abs. 1 S. 1, 249 BGB zu.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>85 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="85"/>a) Selbst wenn man entgegen dem Vorstehenden davon ausgehen würde, dass weder ein Vorstand im aktienrechtlichen Sinne, noch ein sonstiger Repräsentant i.S.v. § 31 BGB bei der Beklagten von der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung im hier maßgeblichen Zeitpunkt Kenntnis hatte, dann würde die Beklagte dem Kläger gleichwohl in der vorgenannten Weise auf Schadensersatz haften. Denn die Entwicklung und Freigabe des Motors samt der unzulässigen Abschalteinrichtung für die Serienproduktion erfolgte bei der Beklagten letztlich auf der Arbeitsebene unterhalb der Repräsentanten. Es muss hier denknotwendig einen oder höchstwahrscheinlich sogar mehrere Mitarbeiter (Entwicklungsingenieure) bei der Beklagten gegeben haben, die von der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung ("<em>Thermofenster</em>") Kenntnis hatten. Diese Mitarbeiter sind Verrichtungsgehilfen der Beklagten i.S.v. § 831 Abs. 1 S. 1 BGB.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>86 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="86"/>b) Sie haben den Kläger gem. § 826 BGB vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt (vgl. oben II. 1.), denn ihnen musste klar sein, dass der von ihnen entwickelte Motor mit der unzulässigen Abschalteinrichtung nicht den gesetzlichen Vorschriften entsprach. Hierfür bedurfte es keiner komplizierten rechtlichen Prüfungen. Auch einem rechtlichen nicht weiter Vorgebildeten leuchtet unmittelbar ein, dass eine Abschalteinrichtung, die bei üblichen Umweltbedingungen (insbesondere bei regelmäßig auftretende Außentemperaturen, die nahezu das gesamte Jahr über in der EU herrschen) eingreift und zu einer deutlichen Reduktion der Abgasrückführung führt und weit über die gesetzlichen Grenzwerte hinausgehende Abgasemissionen bedingt, der gesetzlichen Regelung der EG-VO 715/2007 zuwiderläuft.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>87 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="87"/>c) Den Entwicklungsingenieuren war auch klar, dass der Motor samt der unzulässigen Abschalteinrichtung mit Beginn der Serienfertigung in Fahrzeugen mit EG-Typengenehmigung Verwendung finden würde. Damit nahmen sie auch eine Schädigung der jeweiligen Fahrzeugerwerber billigend in Kauf, da ihnen klar war, dass bei Aufdeckung der Manipulation mit behördlichen Maßnahmen zu rechnen war. Dies genügt für den erforderlichen Schädigungsvorsatz (vgl. nur Palandt/<em>Sprau</em>, BGB, 77. Auflage 2018, § 826, Rn. 11). Das Handeln der Entwicklungsingenieure als bewusstes Täuschungsverhalten (Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung) genügt schon an sich für das Vorliegen der Sittenwidrigkeit (vgl. Palandt/<em>Sprau</em>, BGB, 77. Auflage 2018, § 826, Rn. 20; Reinking-Eggert, Der Autokauf, 13. Aufl. 2017, Rn. 1898d). Vorliegend treten jedoch, wie oben bereits ausgeführt noch weitere Umstände hinzu, die bei einer Gesamtwürdigung in jedem Fall zur Sittenwidrigkeit führen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>88 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="88"/>d) Den nach § 831 Abs. 1 S. 2 BGB zulässigen Entlastungsbeweis hat die Beklagte nicht geführt.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>89 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="89"/>e) Nach § 831 Abs. 1 S. 1 BGB steht damit dem Kläger (ebenfalls) der zuerkannte Schadensersatzanspruch zu.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>90 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="90"/>3. Letztlich wäre hinsichtlich der Frage, wer wann Kenntnis von der Entwicklung und dem Vertrieb des Motors OM 626 mit der streitgegenständlichen Abschalteinrichtung hatte, sogar eine Wahlfeststellung möglich und auch im Zivilrecht zulässig (BGH, Urteil vom 23. Juni 1987 - VI ZR 188/86, juris, Rn. 12): Zumindest entweder Vorstände im aktienrechtlichen Sinne, sonstige Repräsentanten i.S.v. § 31 BGB oder einfache Mitarbeiter als Verrichtungsgehilfen i.S.v. § 831 Abs. 1 S. 1 BGB hatten die Kenntnis und damit letztlich den Schädigungsvorsatz gem. § 826 BGB. Die Beklagte würde daher in jedem Fall auf Schadensersatz haften, wobei offen bleiben könnte, bei wem genau die Kenntnis vorlag. Für den vorliegenden Fall kommt es darauf allerdings nicht an, da wie dargelegt die Kenntnis der Vorstände als zugestanden gilt und außerdem auch von einer Kenntnis von Verrichtungsgehilfen auszugehen ist.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>91 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="91"/>4. Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1, 291 BGB.</td></tr></table>
<table><tr><td>III.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>92 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="92"/>Der Klageantrag Ziff. 2 ist teilweise begründet und war im Übrigen abzuweisen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>93 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="93"/>Der Kläger hat gemäß § 826 bzw. § 831 Abs. 1 S. 1, 249 BGB gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten i.H.v. <strong>1.358,86 EUR.</strong></td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>94 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="94"/>Der Schadensersatzanspruch nach § 826 bzw. 831 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB erfasst auch die erforderlichen Kosten einer Rechtsverfolgung. Hierbei hat das Gericht einen Gegenstandswert in Höhe der zugesprochenen Klageforderung (25.107,61 EUR) zugrunde gelegt und eine 1,3-fache Geschäftsgebühr, die Auslagenpauschale und die Umsatzsteuer angesetzt.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>95 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="95"/>Da es sich vorliegend um ein Massenverfahren handelt, bei dem der wesentliche Aufwand beim Klägervertreter gleichzeitig für eine Vielzahl von Verfahren anfällt, und es sich bei den eingereichten Schriftsätzen ausschließlich um Textbausteine handelt, die überdies im Wesentlichen keinen entscheidungserheblichen Sachvortrag enthalten, ist ein höherer Ansatz als der Mittelsatz von 1,3 für die Geschäftsgebühr (Nr. 2300 Anlage 1 VV RVG) nicht gerechtfertigt. Die Sach- und Rechtslage ist weder umfangreich noch schwierig i.S.d. Nr. 2300 Anlage 1 VV RVG.</td></tr></table>
<table><tr><td>IV.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>96 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="96"/>Soweit der nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 10.01.2019 neues (nicht nachgelassenen) Tatsachenvorbringen enthält, gab dieses keinen Anlass zum Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung.</td></tr></table>
<table><tr><td>V.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>97 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="97"/>Der Beklagten war schließlich auch nicht - wie von der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 11.12.2018 beantragt - eine Stellungnahmefrist i.S.d. § 139 Abs. 5 ZPO zu gewähren. Das Gericht hat der Beklagten bereits mit Verfügung vom 26.11.2018 (Bl. 241 d.A.) die Möglichkeit gewährt, zum dort erteilten Hinweis, insbesondere betreffend das sog. „<em>Thermofenster“,</em> näher vorzutragen. Ferner hat der Kläger mit Schriftsatz vom 06.12.2018 (Bl. 252 ff. d.A.) neues Vorbringen zum „<em>Thermofenster“ </em>vorgetragen. Hierauf konnte die Beklagte gemäß § 283 ZPO - was auch erfolgt ist - mit nachgelassenem Schriftsatz vom 10.01.2019 ohnehin Stellung nehmen.</td></tr></table>
<table><tr><td>VI.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>98 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="98"/>Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>99 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="99"/>Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 ZPO.</td></tr></table>
</td></tr></table>
<h2>Gründe</h2>
<table><tr><td> </td><td> </td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>18 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="18"/>Die zulässige Klage ist aus dem im Tenor ersichtlichen Umfang begründet (I.).</td></tr></table>
<table><tr><td>I.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>19 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="19"/>Die Klage ist im Klageantrag Ziff. 1 aus dem im Tenor ersichtlichen Umfang begründet.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>20 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="20"/>Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 826 BGB (dazu 1.) und gemäß § 831 Abs. 1 S. 1 BGB (dazu 2.), wobei zwischen den Ansprüchen aus § 826 BGB und § 831 BGB die Möglichkeit der Wahlfeststellung besteht (dazu 3.), i.H.v. <span style="text-decoration:underline">25.107,61 EUR</span>.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>21 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="21"/>1. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung aus § 826 BGB (vgl. auch LG Stuttgart, 27.11.2018 - 7 O 265/18; LG Stuttgart, 17.01.2019 - 23 O 178/18, jeweils zum „<em>Thermofenster“</em> und zu kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüchen sowie LG Stuttgart, 14.08.2018 - 23 O 80/18; LG Stuttgart,16.11.2017 - 19 O 34/17, LG Stuttgart, 05.04.2018 - 7 O 28/17, jeweils zum „<em>VW-Abgasskandal</em>“).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>22 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="22"/>Das Fahrzeug verfügt über eine unzulässige Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 (dazu a). Der Kläger hat deshalb einen Schaden erlitten (b), welcher durch ein Verhalten der Beklagten entstanden (c) und welches als sittenwidrig zu qualifizieren ist (d). Die Beklagte hat dabei vorsätzlich gehandelt (e). Aufgrund dessen hat der Kläger einen Anspruch auf Schadensersatz i.H.v. 25.107,61 EUR (f).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>23 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="23"/>a) Die Beklagte hat das vom Kläger erworbene Fahrzeug gebaut und eine EG-Typengenehmigung beantragt, die formal erteilt wurde, obwohl das Fahrzeug über eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 verfügt, die der Zulassung entgegenstand.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>24 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="24"/>1) Nach Art. 4 Abs. 1 EG-VO 715/2007 weist der Hersteller nach, dass alle von ihm verkauften, zugelassenen oder in der Gemeinschaft im Betrieb genommenen Neufahrzeuge über eine Typengenehmigung gemäß dieser Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen verfügen. Nach Art. 5 Abs. 1 EG-VO 715/2007 rüstet der Hersteller das Fahrzeug so aus, dass die Bauteile, die das Emissionsverhalten voraussichtlich beeinflussen, so konstruiert, gefertigt und montiert sind, dass das Fahrzeug <span style="text-decoration:underline">unter normalen Betriebsbedingungen</span> dieser Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen entspricht. Nach Abs. 2 der Vorschrift ist die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die diese Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, grundsätzlich unzulässig.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>25 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="25"/>Art. 3 Nr. 10 EG-VO 715/2007 definiert eine Abschalteinrichtung als ein Konstruktionsteil, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl (UpM), den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlass, oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu <span style="text-decoration:underline">verändern</span>, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter <span style="text-decoration:underline">Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind</span>, verringert wird.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>26 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="26"/>Das streitgegenständliche Fahrzeug verfügt über eine solche Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 3 Nr. 10 EG-VO 715/2007.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>27 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="27"/>(1) Anzumerken ist zunächst, dass selbst die Untersuchungskommission des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) bezüglich des Vorhandenseins eines Thermofensters zu folgendem Ergebnis kommt:</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>28 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="28"/><em>„Alle Hersteller nutzen aber Abschalteinrichtungen gemäß der Definition in Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007“</em></td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>29 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="29"/>(Bericht der Untersuchungskommission „<em>Volkswagen</em>“, Stand April 2016, S. 119 unter C. II. 4.).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>30 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="30"/>(2) Unstreitig verfügt das streitgegenständliche Fahrzeug gemäß den Angaben der Beklagten im Rahmen der Klageerwiderung vom 23.11.2018 (dort. S. 9, Bl. 232 d.A.) – wie offenbar eine Vielzahl der Motoren diverser Hersteller, und zwar unabhängig davon, ob sie von einem Rückruf des KBA betroffen sind – über ein sog. Thermofenster.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>31 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="31"/>So ist im streitgegenständlichen Fahrzeug eine Technologie zur Reduktion des Stickoxidausstoßes (NOx) vorhanden. Dabei kommt die sog. Abgasrückführung zum Einsatz. Bei der Abgasrückführung wird ein Teil des Abgases zurück in das Ansaugsystem des Motors geführt und nimmt erneut an der Verbrennung teil. Die Abgasrückführung wird dabei bei kühleren Temperaturen – unstreitig - zurückgefahren. Bei welchen konkreten Außentemperaturen letztendlich eine Reduktion der Abgasrückführung erfolgt, kann letztendlich dahinstehen. Anzumerken ist lediglich, dass die Beklagte - trotz Hinweises in der richterlichen Verfügung vom 26.11.2018 (Bl. 241 d.A.) und des Sachvortrags des Klägers im Schriftsatz vom 06.12.2018 (Bl. 252 ff. d.A) - nicht näher dazu vorträgt, bei welchen Außentemperaturen bereits erstmals (offenbar 5° Celsius) eine Reduzierung der Abgasrückführung eintritt und in welchem konkreten Maß. Die hierzu getätigten Ausführungen der Beklagten im nachgelassenen Schriftsatz vom 10.01.2019 sind (wohl bewusst) vage gehalten (Anpassung der Abgasrückführungsrate zwischen „<em>20 % und 45 %</em>“). Die Ausführungen im nachgelassenen Schriftsatz vom 10.01.2019 (dort S. 5 zum „<em>Mehrwege-AGR</em>“) stehen zum Teil auch in Widerspruch zum Sachvortrag im Rahmen der Klageerwiderung vom 23.11.2018 (dort S. 9, Bl. 232 d.A. zum „<em>Thermofenster</em>“).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>32 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="32"/>(3) Sofern das Niederdruck-AGR (ND-AGR) - wie im nachgelassenen Schriftsatz der Beklagten vom 10.01.2019 vorgetragen und zugunsten der Beklagten sogar als wahr unterstellt - bei einer Außentemperatur von 5° C oder darunter auf die Hochdruck-AGR (HD-AGR) umschaltet und die Abgasrückführungsrate in den Betriebsbereichen zwischen <strong>20 %</strong> und <strong>50 % </strong>reduziert wird, stellt dies eine Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 3 Nr. 10 EG-VO 715/2007 dar, da gerade das Abgasrückführungssystem bzw. eine Software die Außentemperatur erkennt und die Funktion des Emissionskontrollsystems <span style="text-decoration:underline">verändert</span> - unabhängig davon in welchem Maß - oder sogar deaktiviert, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems infolge der Reduktion der Abgasrückführung unter normalen Bedingungen des Fahrzeugbetriebs verringert wird. Die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems wird eben durch das entsprechende System an die Fahr- und Umweltbedingungen, die bei normalen Fahrbetrieb herrschen, angepasst. Unerheblich ist dabei, in welchem Maß eine Verringerung der Abgasrückführung erfolgt, da Art. 3 Nr. 10 EG-VO 715/2007 eine solche Differenzierung nicht erlaubt und schlicht jede Veränderung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems als Abschalteinrichtung zu qualifizieren ist, zumal eine Reduzierung um bis zu 50 % ohnehin als erheblich einzustufen wäre. Anders als die Beklagte meint, liegt gerade eine Veränderung des AGR-Systems, also des Emissionskontrollsystems i.S.d. Art. 3 Nr. 10 EG (VO) 715/2007 vor. Es erfolgt nicht lediglich - wie die Beklagte meint - eine Umschaltung der ND-AGR auf die HD-AGR, weil zugleich eben auch die Abgasrückführungsrate um bis zu 50 % angepasst, also reduziert wird. Nichts anderes gilt für das im Rahmen der Klageerwiderung vom 23.11.2018 (dort S. 9, Bl. 232 d.A.) vorgetragene „<em>Thermofenster“, </em>wo ausgeführt wird, dass die Abgasrückführung im streitgegenständlichen Fahrzeug bei niedrigen Außentemperaturen reduziert wird. Aus diesem Grund bedarf es auch keiner Entscheidung darüber, welcher konkrete - unterschiedliche - Sachvortrag der Beklagten nun zutrifft, da sowohl das sog. „<em>Thermofenster“ </em>als auch das sog. „<em>Mehrwege-AGR“ </em>infolge der Reduzierung der Abgasrückführung bei Außentemperaturen von jedenfalls 5° Celsius eine Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 3 Nr. 10 EG (VO) 715/2007 darstellen (vgl. auch <em>Prof. Dr. Martin Führ</em>, Gutachterliche Stellungnahme für den Deutschen Bundestag – 5. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode; <em>derselbe</em> in NVwZ 2017, 265; ferner auch die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags „<em>Abschalteinrichtungen in Personenkraftwagen</em>“, Az: WD 7 – 3000 – 031/16, S. 18).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>33 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="33"/>2) Eine solche Abschalteinrichtung ist nur dann ausnahmsweise zulässig, wenn die Einrichtung notwendig ist, um den Motor vor Beschädigung zu schützen (Art. 5 Abs. 2 lit. a) EG-VO 715/2007). Dies ist vorliegend <span style="text-decoration:underline">nicht</span> der Fall.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>34 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="34"/>Zwar wird im Abschlussbericht der Untersuchungskommission „<em>Volkswagen“ </em>des BMVI ausgeführt, dass „<em>unter Berufung auf den Motorschutz die Verwendung von Abschalteinrichtungen letztlich stets dann gerechtfertigt werden könnte, wenn von Seiten des Fahrzeugherstellers nachvollziehbar dargestellt wird, dass ohne die Verwendung einer solchen Einrichtung dem Motor Schaden droht, sei dieser auch noch so klein</em>“.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>35 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="35"/>(Bericht der Untersuchungskommission „<em>Volkswagen</em>“, Stand April 2016, S. 123 unter D. I. 2.).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>36 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="36"/>Eine solche Auslegung der gesetzlichen Vorgaben hat jedoch keine rechtliche Grundlage (so überzeugend und mit erheblicher Kritik am Abschlussbericht der Untersuchungskommission des BMVI: <em>Klinger</em>, Rechtsgutachten zum Stand der Umsetzung der Verordnung (EG) Nr. 715/2007, der Durchführungsverordnung 692/2008, der Richtlinie 2007/46/EG und der Regelung Nr. 83 der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UN/ECE), erstellt zum Beweisbeschluss SV-4 des 5. Untersuchungsausschusses der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestags, 29. September 2016, dort S. 24).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>37 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="37"/>Im Einzelnen:</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>38 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="38"/>(1) Die EG (VO) 715/2007 wurde ausweislich von Erwägungsgrund 1 erlassen, um die technischen Vorschriften für die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich ihrer Emissionen zu harmonisieren. Ziel ist die Sicherstellung eines hohen Umweltschutzniveaus auf europäischer Ebene. Zur Verbesserung der Luftqualität und zur Einhaltung der Luftverschmutzungsgrenzwerte war nach Auffassung des EU-Gesetzgebers insbesondere eine erhebliche Minderung der Stickstoffoxidemissionen bei Dieselfahrzeugen erforderlich. Das Senken der Emissionen von Kraftfahrzeugen ist Teil einer Gesamtstrategie. Um die Ziele der EU für die Luftqualität zu erreichen, sind nach seiner Einschätzung fortwährende Bemühungen zur Senkung von Kraftfahrzeugemissionen erforderlich, weshalb die Industrie klare Informationen über die künftigen Emissionsgrenzwerte erhalten soll.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>39 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="39"/>(2) Wie alle Ausnahmeregelungen ist auch die Vorschrift des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 EG-VO 715/2007 <span style="text-decoration:underline">sehr eng</span> auszulegen. Wer als Fahrzeughersteller von dem Verbot abweichen will, muss dies besonders rechtfertigen. Eine Notwendigkeit i.S.d. Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 liegt insbesondere dann <span style="text-decoration:underline">nicht</span> vor, wenn sich die Abschalteinrichtung durch <span style="text-decoration:underline">Konzeption, Konstruktion oder Werkstoffwahl</span> vermeiden lässt.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>40 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="40"/>Der Verordnungsgeber ist bei dem Begriff der „<em>Notwendigkeit</em>“ i.S.d. Art. 5 Abs. 2 lit. a) EG-VO 715/2007 bewusst über die entsprechende Regelung in Ziffer 2.1.6 Satz 2 der zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Emissionsgrundverordnung geltenden Fassung der UN/ECE-Regelung Nr. 83 hinausgegangen, in der zum Verneinen einer verbotenen Abschalteinrichtung bereits als ausreichend angesehen wurde, wenn „<em>die Notwendigkeit der Nutzung der Einrichtung mit dem Schutz des Motors vor Beschädigungen oder Unfällen und der Betriebssicherheit des Fahrzeugs begründet wird</em>“. Im Vergleich zu diesem allein auf eine vorgenommene Begründung abstellenden Wortlaut der Regelung Nr. 83 hat der Verordnungsgeber bei der Emissionsgrundverordnung mit dem Begriff der „<em>Notwendigkeit</em>“ einen <span style="text-decoration:underline">strengeren, objektivierbaren Maßstab</span> gewählt (so auch die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags „<em>Abschalteinrichtungen in Personenkraftwagen</em>“, Az: WD 7 – 3000 – 031/16, S. 13).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>41 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="41"/>(3) Es ist demnach nicht schon ausreichend, dass überhaupt individuell technische Situationen auftreten, in denen die Abschalteinrichtung zum Motorschutz oder zum sicheren Betrieb erforderlich ist, sondern darüber hinaus wäre unter Einbeziehung der zu dieser technischen Situation führenden Gründe erforderlich, dass auch diese notwendigerweise vorliegen, also generell unvermeidbar sind (diese Auslegung befürwortend auch die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags „<em>Abschalteinrichtungen in Personenkraftwagen</em>“, Az: WD 7 – 3000 – 031/16, S. 14 f.).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>42 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="42"/>(4) Unzweifelhaft nicht notwendig im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 2 lit. a) EG-VO 715/2007 ist eine solche Abschalteinrichtung, die aus Motorschutzgesichtspunkten <span style="text-decoration:underline">ununterbrochen arbeitetet</span> und damit den Zielsetzungen der Verordnung hinsichtlich einer eindämmenden Kontrolle der Emissionswerte im Straßenbetrieb und einem grundsätzlichen Verbot von Abschalteinrichtungen komplett zuwiderläuft.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>43 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="43"/>Dem entsprechend sprechen die überwiegenden Gründe dafür, dass das Eingreifen einer Abschalteinrichtung grundsätzlich nicht auf die Privilegierung von Artikel 5 Absatz 2 Satz 2 lit. a) EG-VO 715/2007 gestützt werden kann, wenn sie unter Bedingungen eingreift, die zu den üblichen, alltäglichen Nutzungsbedingungen eines betreffenden Kraftfahrzeugs im Sinne eines Normalgebrauchs zu zählen sind. Eine Privilegierung einer Abschalteinrichtung aufgrund von Artikel 5 Absatz 2 Satz 2 lit. a) EG-VO 715/2007 kommt zudem dann grundsätzlich <span style="text-decoration:underline">nicht</span> in Betracht, wenn<span style="text-decoration:underline"> aufgrund andersartiger Konstruktion oder durch den Einsatz zusätzlicher Bauteile das Abschalten des Emissionskontrollsystems unter Motorschutzgesichtspunkten entbehrlich würde</span>. Für eine solche technische Entbehrlichkeit einer Abschalteinrichtung ließe sich in praxi etwa anführen, wenn nach dem Stand der Technik Konstruktionen bekannt und <span style="text-decoration:underline">möglich</span> sind, die das Abschalten des Emissionskontrollsystems entbehrlich machen, wofür namentlich sprechen kann, dass vergleichbare Motoren anderer Hersteller ohne entsprechend agierende Abschalteinrichtung auskommen, ohne dass der Motor Schaden nimmt. Auch die Möglichkeit des Einsatzes anderer oder weiterer technischer Varianten von Emissionskontrollsystemen spräche dafür, bei Verzicht auf dieselben seitens des Herstellers mangels Notwendigkeit keine Privilegierung aufgrund von Artikel 5 Absatz 2 Satz 2 lit. a) EG-VO 715/2007 greifen zu lassen (vgl. die überzeugende Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags „<em>Abschalteinrichtungen in Personenkraftwagen</em>“, Az: WD 7 – 3000 – 031/16, S. 15 f).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>44 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="44"/>(5) Die auf den Schutz des Motors abzielende Privilegierung nach Artikel 5 Absatz 2 Satz 2 lit. a) EG-VO 715/2007 bietet deshalb grundsätzlich keine taugliche Rechtsgrundlage dafür, eine Abschalteinrichtung regelmäßig auch bei solchen Betriebsbedingungen, die bei normalem, bestimmungsgemäßem Gebrauch eines Personenkraftwagens typischerweise eintreten, legal greifen zu lassen. Dies gilt insbesondere auch für den Betrieb bei niedrigen Umgebungstemperaturen. Neben Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 sind auch die im Typzulassungs-Regelwerk enthaltenen Spezialvorschriften zu beachten. Für Dieselfahrzeuge legt Art. 3 Nr. 9 Durchführungs-Verordnung EG (VO) 692/2008 fest, innerhalb welches Zeitraums bei einem Kaltstart des Motors die volle Funktionsfähigkeit gewährleistet sein muss. Danach haben die Hersteller der Genehmigungsbehörde zu belegen, dass die NOx-Nachbehandlungseinrichtung nach einem Kaltstart bei – 7 °C innerhalb von 400 Sekunden eine für das ordnungsgemäße Arbeiten ausreichend hohe Temperatur erreicht. Die Genehmigungsbehörde darf in diesem Zusammenhang deshalb keine Typgenehmigung erteilen, wenn die vorgelegten Angaben nicht hinreichend nachweisen, dass die Nachbehandlungseinrichtung tatsächlich innerhalb des genannten Zeitraums eine für das ordnungsgemäße Funktionieren ausreichend hohe Temperatur erreicht. <span style="text-decoration:underline">Mit dieser Nachweispflicht hat der Verordnungsgeber für Fahrzeuge klargestellt, dass es für ein daneben bestehendes Thermofenster bei niedrigen Temperaturen keine Rechtfertigung geben kann</span>. Hersteller, die gleichwohl die Funktionsweise der Abgasbehandlung herabsetzen, verstoßen gegen die Vorgaben der Durchführungs-Verordnung (so auch überzeugend die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags „<em>Abschalteinrichtungen in Personenkraftwagen</em>“, Az: WD 7 – 3000 – 031/16, S. 18 und<em> Prof. Dr. Martin Führ</em>, Gutachterliche Stellungnahme für den Deutschen Bundestag – 5. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode, S. 3 dort Ziff. 7).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>45 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="45"/>3) Gemessen daran, ist die streitgegenständliche Abschalteinrichtung in Form eines Thermofensters nach Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 unzulässig.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>46 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="46"/>Die Beklagte behauptet zwar, das streitgegenständliche Thermofenster sei zum Bauteilschutz notwendig. Begründet wird dies mit einer sog. Versottungsgefahr. Damit kann die Beklagte aus den oben genannten Gründen nicht gehört werden. Die Beklagte trägt im Rahmen der ihr obliegenden sekundären Darlegungslast schon nicht vor, dass die Versottungsgefahr durch andere technische Maßnahmen – unabhängig davon, ob diese wirtschaftlich deutlich teurer wären – verhindert werden könnte, weshalb auch die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht veranlasst war, da bereits der Vortrag der Beklagten den Ausnahmetatbestand des Art. 5 Abs. 2 lit. a) EG (VO) nicht eingreifen lässt.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>47 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="47"/>Ferner wird das System der Abgasrückführung - wie die Beklagte vorträgt - jedenfalls bei Außentemperaturen von 5° Celsius und darunter von der ND-AGR auf die HD-AGR umgeschaltet und die Abgasrückführungsrate um bis zu 50 % zurückgefahren, wobei der Vortrag der Beklagten - mangels fehlender Klarstellung trotz Hinweises in der richterlichen Verfügung vom 26.11.2018 (Bl. 241 d.A.) - nahelegt, dass die Abgasrückführung ggf. schon bei höheren Außentemperaturen als bei 5° C Celsius reduziert wird.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>48 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="48"/>Bei einer Jahresdurchschnittstemperatur z.B. in Stuttgart von 10 Grad Celsius oder beispielsweise in den in der EU liegenden Städten Helsinki von 4,8 Grad Celsius und in Tallin von 4,5 Grad Celsius handelt es sich bei der Maßnahme (Veränderung des Emmissionskontrollsystems durch Reduzierung der Abgasrückführung bei Außentemperaturen von jedenfalls 5° Celsius) nahezu um einen Dauerbetrieb. Dass eine solche Abschalteinrichtung für den EU-Gesetzgeber erkennbar nicht als legal gelten sollte, liegt auf der Hand. Die Beklagte hat gerade nicht dargelegt, dass es sich um eine bloße „<em>Ausnahme</em>“ handelt, die zwingend notwendig ist, den Motor vor (erheblichen) Beschädigungen zu schützen <span style="text-decoration:underline">und andere technische Lösungen, nach der jeweils besten verfügbaren Technik nicht vorhanden sind</span>. Vielmehr hat die Beklagte – wie wohl auch andere Automobilhersteller – das Regel-Ausnahmeverhältnis des Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2008 (bewusst) ins Gegenteil verkehrt.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>49 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="49"/>4) Das Gericht möchte dabei auch überhaupt nicht in Abrede stellen, dass ggf. eine solche Versottungsgefahr - wie von der Beklagten behauptet - bestehen mag. Allerdings rechtfertigt diese noch nicht den Ausnahmetatbestand des Art. 5 Abs. 2 lit. a) EG-VO 715/2007, da eben schon nicht dargelegt ist, dass diese Versottungsgefahr technisch nicht durch andere Maßnahmen, die ggf. teurer wäre, verhindert werden könnte, ohne dass hierzu eine Reduzierung der Abgasrückführung erforderlich wäre.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>50 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="50"/>Das Gericht sieht sich zu folgenden (wiederholenden) Klarstellungen veranlasst:</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>51 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="51"/>Selbst wenn die Abgasrückführung bei einer Außentemperatur von 5° Celsius und darunter um bis zu 50 % reduziert wird, weil andernfalls eine sog. Versottung eintrete, führt dies nicht zur Zulässigkeit der Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 5 Abs. 2 lit. a) EG-VO Nr. 715/2007. Wie oben dargelegt, bietet die Vorschrift des Art. 5 Abs. 2 lit. a) EG-VO 715/2007 unter Hinweis auf Art. 3 Nr. 9 Durchführungs-Verordnung gerade keine Rechtfertigung für ein darüber hinaus gehendes Thermofenster, das nahezu ununterbrochen arbeitet. Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 differenziert insoweit auch nicht nach dem Grad der Reduzierung der Abgasrückführung, sondern verbietet eine Abschalteinrichtung - mit Ausnahme der in Art. 5 Abs. 2 EG (VO) genannten Tatbestände - schlechthin. Selbst wenn also - wie die Beklagte selbst vorträgt - bei Außentemperaturen von unter 5° Celsius bereits die Abgasrückführung reduziert wird, stellt dies bei den in der EU vorherrschenden Jahresdurchschnittstemperaturen nahezu einen durchgängigen Regelbetrieb dar, den der EU-Gesetzgeber zweifellos - auch nicht zum Zwecke des Motorschutzes - als legal greifen lassen wollte.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>52 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="52"/>Ferner führt das Gericht erneut aus, dass der Ausnahmetatbestand des Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 sehr eng auszulegen ist. Die Automobilhersteller können sich daher - aus den geschilderten Gründen - allenfalls dann auf den Ausnahmetatbestand des Art. 5 Abs. 2 lit. a) EG (VO) (<em>Motorschutz) </em>berufen, wenn andere technische Lösungen, nach der jeweils besten verfügbaren Technik, und zwar unabhängig davon ob diese wirtschaftlich deutlich teurer wären, nicht vorhanden sind. Dies hat die Beklagte trotz ihrer sekundären Darlegungslast schon nicht behauptet.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>53 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="53"/>5) Unerheblich ist auch, ob das KBA und das BMVI die Zulässigkeit von Abschalteinrichtungen durch sogenannte Thermofenster (zum Teil) bejahen. Dies bindet die Parteien im hiesigen Rechtsstreit nicht. Ferner sind die dazu im Untersuchungsbericht Volkswagen zur Rechtfertigung dieser Praxis durch das Bundesministerium herangezogenen Argumente aus den oben genannten Gründen nicht nachvollziehbar. Es drängt sich daher der Verdacht auf, dass das Ergebnis der Untersuchungskommission allein politisch motiviert war (so mit (noch) deutlicheren Worten und schärferer Kritik:<em> Klinger</em>, Rechtsgutachten zum Stand der Umsetzung der Verordnung (EG) Nr. 715/2007, der Durchführungsverordnung 692/2008, der Richtlinie 2007/46/EG und der Regelung Nr. 83 der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UN/ECE), erstellt zum Beweisbeschluss SV-4 des 5. Untersuchungsausschusses der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestags, 29. September 2016, dort S. 29).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>54 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="54"/>b) Der Kläger hat durch den Erwerb des streitgegenständlichen Fahrzeugs einen Schaden erlitten (vgl. nur LG Stuttgart, 21.08.2018 - 23 O 92/18; LG Bochum, 29.12.2017 - I-6 O 96/17; LG Köln, 18.07.2017 – 22 O 59/17; LG Würzburg, 23.02.2018 – 71 O 862/16; LG Stuttgart 05.04.2018 - 7 O 28/17).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>55 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="55"/>1) Der eingetretene Schaden im Verhältnis des Klägers zur Beklagten liegt bereits in dem Abschluss des Vertrages, der jedenfalls zu den damaligen Bedingungen von dem Kläger nach Überzeugung des Gerichts so in der Form bei Kenntnis aller Umstände nicht abgeschlossen worden wäre (so im Ergebnis auch LG Stuttgart, 26.09.2018 – 23 O 95/18; LG Hildesheim, 17.01.2017 - 3 O 139/16; LG Paderborn, 07.04.2017 - 2 O 118/16; LG Kleve, 31.03.2017 - 3 O 252/16; LG Bochum, 13.07.2017 – 8 O 366/16 jeweils zum „<em>VW-Abgasskandal</em>“).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>56 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="56"/>2) Ein Schaden aufgrund einer sittenwidrigen Schädigung ist grundsätzlich im Rahmen der Differenzhypothese zu ermitteln, das heißt durch ein Gegenüberstellen der jetzigen Vermögenslage des Geschädigten und derjenige, die ohne eine Schädigung bestehen würde. Es kann jedoch ein Schaden auch dann vorliegen, wenn eigentlich eine objektive Werthaltigkeit der vertraglichen Gegenleistung vorliegt. Die Differenzhypothese muss nämlich stets einer normativen Kontrolle unterzogen werden, weil sie eine wertneutrale Rechenoperation darstellt. Der Schadensersatz dient aber dazu, den konkreten subjektiven Vermögensnachteil des Geschädigten auszugleichen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>57 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="57"/>Insoweit genügt jede Schadenszufügung im weitesten Sinne, also jede nachteilige Einwirkung auf die Vermögenslage in ihrer Gesamtheit und zwar in dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene eine Entscheidung zu Lasten seines Vermögens trifft. Dabei ist auch eine subjektbezogene Betrachtung heranzuziehen. Nach dem subjektbezogenen Schadensbegriff stellt auch der Abschluss eines Rechtsgeschäftes, welches nicht den Zielen des Geschädigten entspricht, einen Schaden im Rahmen des § 826 BGB dar, ohne dass es im Ergebnis darauf ankäme, ob die erhaltene Leistung wirtschaftlich betrachtet hinter der Gegenleistung zurückbleibt oder nicht bzw. ob nachfolgend ein Ausgleich erfolgt.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>58 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="58"/>Ein Schaden kann deshalb auch darin gesehen werden, dass jemand durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrages gebracht worden ist (BGH NJW-RR 2005, 611, 612). Es ist daher anerkannt, dass der Schaden auch darin liegen kann, dass ein – wäre eine Täuschung nicht erfolgt – ungewollter Vertrag abgeschlossen wird.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>59 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="59"/>3) Hier hat der Kläger ein Fahrzeug erworben, welches nicht seinen Vorstellungen entsprach und welches er, wenn er die tatsächlichen Hintergründe gekannt hätte, zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses so nicht erworben hätte. Der diesbezügliche Vermögensschaden des Klägers liegt darin, dass er in Unkenntnis des nicht gesetzeskonformen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung mit den sich daraus ergebenden Folgen – u.a. Sachmangel im Sinne des Gewährleistungsrechts - den streitgegenständlichen PKW erworben und damit einen ihm wirtschaftlich nachteiligen Vertrag geschlossen hat.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>60 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="60"/>Insoweit ist auch davon auszugehen, dass dann, wenn der Kläger die Hintergründe gekannt hätte, als verständiger Kunde kein Fahrzeug mit einer solchen unzulässigen Abschalteinrichtung und mit einem entsprechenden kaufrechtlichen Sachmangel erworben hätte. Wenn ihm vor dem Verkauf bekannt gewesen oder er von der Beklagten allgemein darauf hingewiesen worden wäre, dass allein mit der vorgenommenen Manipulation die diesbezügliche Typengenehmigung erlangt werden konnte und tatsächlich eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form eines sog. Thermofensters vorliegt, weshalb der Emissionsausstoß während nahezu des gesamten Jahreszeitraums (jedenfalls unstreitig ab 5° Celsius Außentemperatur) deutlich höher ist als angegeben und dies - wie gezeigt - rechtlich unzulässig ist, hätte der Kläger von einem Kaufvertrag Abstand genommen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>61 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="61"/>4) Der Kläger hat also aufgrund des hier abgeschlossenen Kaufvertrages nicht das bekommen, was ihm aufgrund des Kaufvertrages an sich zugestanden hätte, nämlich ein technisch einwandfreies, den gesetzlichen Bestimmungen vollständig entsprechendes Fahrzeug. Die Schädigung besteht zudem darin, dass durch den Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung das tatsächlich von dem Kläger erworbene und ihm übergebene Fahrzeug nach den kaufrechtlichen Regelungen ursprünglich mangelhaft war.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>62 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="62"/>Da jedoch ein Käufer stillschweigend davon ausgeht, dass ein erworbenes Fahrzeug mangelfrei ist und den gesetzlichen Vorschriften und Vorgaben entspricht, war die diesbezügliche Vorstellung bei dem Kläger falsch, da die Typengenehmigung durch den Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung nicht hätte erteilt werden dürfen und die gesetzlich vorgegebenen Werte nur bei ganz bestimmten Umweltbedingungen erreicht werden, die Grenzwerte im normalen Fahrbetrieb bei üblichen Umweltbedingungen (durchschnittliche Außentemperaturen) hingegen um ein Vielfaches überschritten werden, so dass im Ergebnis der Kläger mit dem Erwerb und der Übergabe eines solchen Fahrzeuges gegen Zahlung des Kaufpreises einen Schaden erlitten hat.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>63 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="63"/>c) Der Kläger hat diesen Schaden aufgrund eines Verhaltens der Beklagten erlitten. Erforderlich ist insoweit ein adäquat kausaler Zusammenhang unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Norm (BGH, 03.03.2008 – II ZR 310/06 –, Rn. 15, juris; MünchKommBGB/<em>Wagner</em>, 7. Aufl., § 826 Rn. 45 ff.). Ein adäquater Zusammenhang besteht, wenn eine Tatsache im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, ganz unwahrscheinlichen und nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen zur Herbeiführung eines Erfolges geeignet war. So liegt der Fall hier.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>64 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="64"/>1) Die Beklagte hat den Kläger konkludent darüber getäuscht, dass die Zulassung des Fahrzeuges zum Straßenverkehr und die Einstufung in die angegebene Schadstoffklasse gesetzmäßig erfolgten, während sie tatsächlich - infolge des unzulässigen Einbaus einer Abschalteinrichtung - erschlichen wurde. So hatte die Beklagte unter anderem auch das Fahrzeug des Klägers mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung in den Verkehr gebracht, ohne hierüber aufzuklären.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>65 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="65"/>2) Die Täuschung der Beklagten gegenüber allen (potenziellen) Käufern derartiger Fahrzeuge durch konkludentes Handeln liegt darin, dass ein Neuwagenkäufer grundsätzlich davon ausgehen kann, dass das erworbene Fahrzeug vollständig mangelfrei ist, den gesetzlichen Vorschriften genügt und ohne Einschränkung und ohne weitere zusätzliche spätere Maßnahmen am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen darf, wobei diese Vorstellungen in der Regel für den Kaufentschluss des jeweiligen Käufers wie auch des Klägers maßgeblich sind.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>66 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="66"/>Diese Vorstellungen eines Käufers wie dem Kläger war hier aufgrund der von der Beklagten vorgenommenen Manipulation in Form des Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung und der diesbezüglichen Täuschung falsch, da eine Typengenehmigung nach Art. 4 Abs. 1 EG-VO 715/2007 bei Offenlegung des Thermofensters durch die Beklagte gegenüber der Genehmigungsbehörde (KBA) nicht hätte erteilt werden dürfen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>67 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="67"/>Diese Täuschung und die vorgenommene Manipulation der Beklagten war auch kausal für die Kaufentscheidung des Klägers (s.o.).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>68 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="68"/>d) Das Verhalten der Beklagten war sittenwidrig. Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. Dabei kann es auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Sie kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (BGH, 28.06.2016 – VI ZR 536/15 –, Rn. 16, juris). Bezüglich des Anstandsgefühls aller billig und gerecht Denkenden kommt es wesentlich auf die berechtigten Verhaltenserwartungen im Verkehr an (Staudinger/Oechsler, BGB [2014], § 826, Rn. 31).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>69 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="69"/>1) Gemessen daran ist das Verhalten der Beklagten als sittenwidrig zu qualifizieren. Die Beweggründe der Beklagten zur Vornahme der Manipulationen am Motor bzw. der Systeme der Abgassteuerung und Reinigung und der entsprechenden Täuschungen darüber waren entweder die Erzielung eines höheren Gewinns durch die Ersparnis von weiteren Entwicklungskosten oder aber die Unfähigkeit der Entwickler der Motoren, zu marktgerechten Preisen einen Motor zu entwickeln, der über keine unzulässige Abschalteinrichtung in Form eines Thermofensters verfügt. Die Beklagte nutzte bei ihrer Täuschung aus, dass der Endverbraucher darauf vertraut, dass ein Fahrzeug, das von einem Hersteller für den Verkauf freigegeben wurde, die Zulassungsprüfungen ordnungsgemäß durchlaufen hat und dementsprechend die gesetzlich vorgegebenen Bestimmungen erfüllt.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>70 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="70"/>2) Insoweit ist in diesem Rahmen zu berücksichtigen, dass die Beklagte in großem Umfang und mit erheblichem technischen Aufwand zentrale Zulassungsvorschriften ausgehebelt und zugleich ihre Kunden konkludent getäuscht hat. Sie hat dabei nicht nur die Vorschriften des Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 außer Acht gelassen, sondern mit der vorgenommenen Manipulation durch den Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung für alle davon betroffenen Fahrzeuge zugleich ein System zur planmäßigen Verschleierung ihres Vorgehens gegenüber den Aufsichtsbehörden einerseits sowie nachfolgend nach dem Inverkehrbringen der Fahrzeuge gegenüber den Verbrauchern andererseits geschaffen. Es lag also eine bewusste Täuschung der Aufsichtsbehörden einerseits und der Verbraucher andererseits vor, um die entsprechende Typengenehmigungen für die Fahrzeuge zu erhalten und diese dann so in Verkehr bringen zu können, um dadurch entsprechende Vertragsschlüsse der Händler mit Kunden herbeiführen zu können.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>71 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="71"/>3) Dabei ist die Beklagte bewusst verschleiernd und durch einen offensichtlich nur begrenzt einbezogenen Personenkreis vorgegangen, um diese Manipulation geheim zu halten, zumal diese Manipulation auch nur äußerst schwer zu entdecken war und so im normalen Verkehr mangels erkennbarer Auswirkungen eigentlich nicht aufgefallen wäre. Die Manipulation ist auf dem Prüfstand bei gleichbleibender Umgebungstemperatur nicht zu erkennen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>72 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="72"/>4) Die Täuschung diente, andere Motive sind jedenfalls nicht ersichtlich, allein dem Zweck, zur Kostensenkung und möglicherweise auch zur Umgehung technischer Probleme bei der Entwicklung einer rechtlich und technisch einwandfreien, aber teurere Lösung der Abgasreinigung formal die Voraussetzungen für die Typgenehmigung zu erfüllen und mit Hilfe diese Manipulation umweltfreundliche Prüfvermerke veröffentlichen zu können, um dadurch entsprechende Wettbewerbsvorteile zu erlangen. Schon dieses Gewinnstreben um den Preis einer bewussten Täuschung und Benachteiligung von Behörden einerseits und Kunden andererseits gibt dem Handeln der Beklagten ein Gepräge der Sittenwidrigkeit. Ein solches zumindest auch die Verbraucher konkludent täuschendes Verhalten ist auch bei Anwendung eines durchschnittlichen Maßstabs als sittenwidrig anzusehen und verwerflich, da die Beklagte eben nicht nur die Aufsichts- und Prüfbehörden getäuscht, sondern durch ihr täuschendes Verhalten bei dem weiteren Inverkehrbringen der Fahrzeuge auch die Ahnungslosigkeit der unzähligen Verbraucher bewusst zu ihrem Vorteil ausgenutzt hat (vgl. LG Würzburg, 23.02.2018 – 71 O 862/16 zum "<em>VW-Abgasskandal"</em>).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>73 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="73"/>e) Auch die subjektiven Voraussetzungen für einen Anspruch aus § 826 BGB gegen die Beklagte sind zu bejahen. Die Beklagte hat den Kläger vorsätzlich geschädigt. Sie muss sich das Verhalten ihrer Repräsentanten, deren Wissen als zugestanden anzusehen ist, zurechnen lassen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>74 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="74"/>1) Der Kläger hat schlüssig vorgetragen, dass der Vorstand oder jedenfalls Teile des Vorstands der Beklagten Kenntnis von dem Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung, die zu gesetzwidrigen EG-Bescheinigungen geführt hat, gehabt haben.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>75 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="75"/>2) Dieser Vortrag ist auch naheliegend. Der Vorstand hat das Unternehmen den gesetzlichen Bestimmungen gemäß zu organisieren und zu führen (sog. Compliance). In diesem Zusammenhang muss davon ausgegangen werden, dass Berichtspflichten gegenüber dem Vorstand im Hinblick auf alle wesentlichen Entscheidungen eingerichtet sind und deren Einhaltung durch entsprechende Kontrollmaßnahmen gewährleistet ist. Insoweit ist es mehr als naheliegend, dass dem Vorstand oder Teilen des Vorstandes der Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung zur Erreichung der EG-Typengenehmigung sowie das Inverkehrbringen eines gesetzeswidrigen Fahrzeuges bekannt gewesen sind. Dies auch deshalb, weil die Abgasrückführung einer ganzen Motorenreihe für eine Vielzahl von Fahrzeugen hinsichtlich ihres Entwicklungsaufwandes in technischer und finanzieller Hinsicht eine wesentliche vom Vorstand zu treffende Entscheidung darstellt und die Verwendung einer solchen unzulässigen Abschalteinrichtung sämtliche in der EU zuzulassenden Fahrzeuge betrifft. Zu all diesen internen Vorgängen kann der Kläger als Käufer eines manipulierten Fahrzeugs naturgemäß nicht substantiiert vortragen, so dass die Beklagte eine sekundäre Darlegungslast dahingehend trifft, zu den internen Vorgängen im Zusammenhang mit der unzulässigen Abschalteinrichtung vorzutragen. Eine sekundäre Darlegungslast besteht dann, wenn der beweisbelasteten Partei näherer Vortrag nicht möglich oder zumutbar ist, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die beweisbelastete Partei außerhalb des von ihr vorzutragenden Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt, während der Gegner zumutbar nähere Angaben machen kann (vgl. BGH, 07.12.1998 - II ZR 266/97).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>76 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="76"/>3) Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Der Kläger kann nicht – wie oben ausgeführt – näher dazu vortragen, in welcher Organisationseinheit der Beklagten die unzulässige Abschalteinrichtung entwickelt, verwendet, verbaut worden ist, wer die Entscheidung dazu getroffen und wie die Entscheidung wann und an wen kommuniziert worden ist. Ein konkreterer Vortrag bezüglich einzelner Personen war nicht erforderlich. Insofern greifen die Grundsätze der sekundären Darlegungslast. Dagegen ist die Beklagte allein aus Compliance-Gesichtspunkten dazu verpflichtet, entsprechende Ermittlungsmaßnahmen zu ergreifen. Indem sie etwaige bisherige interne Ermittlungsergebnisse unter Verschluss hält, verstößt die Beklagte gegen ihre sekundäre Darlegungslast, so dass das Gericht davon ausgeht, dass der Vorstand der Beklagten Kenntnis von dem Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung hatte und das Inverkehrbringen entsprechend ausgerüsteter Motoren veranlasst hat, was auch mehr als naheliegend ist (ebenso: LG Köln, 18.07.2017 - 22 O 59/17; LG Hildesheim, 17.01.2017 - 3 O 139/16; LG Kleve, 31.03.2017 - 3 O 252/16; vgl. auch LG Stuttgart, 05.04.2018 - 7 O 28/17; LG Stuttgart, 30.10.2018 - 23 O 80/18 jeweils zum "<em>VW-Abgasskandal</em>").</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>77 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="77"/>4) Durch das bewusste Inverkehrbringen der gesetzwidrig ausgestatteten Fahrzeuge ist auch von einem entsprechenden Schädigungsvorsatz auszugehen. Der Vorstand der Beklagten hat eine Schädigung der Vermögensinteressen der Käufer zumindest billigend in Kauf genommen. Bei dem Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung kam es der Beklagten bzw. ihrem Vorstand darauf an, Umsatz und Gewinn zu steigern. Andere Gründe sind schlicht nicht ersichtlich. Dabei haben sie es in Kauf genommen, ihren Kunden über das Vertriebsnetz von Vertragshändlern nicht-gesetzeskonforme Fahrzeuge zu verkaufen und auf diese Weise ihren Kunden wirtschaftlichen Schaden zuzufügen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>78 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="78"/>f) Gemäß §§ 826, 249 BGB kann der Kläger von der Beklagten Schadensersatz i.H.v. <strong><span style="text-decoration:underline">25.107,61 EUR</span></strong> verlangen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>79 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="79"/>1) Der Kläger ist nach § 249 Abs. 1 BGB so zu stellen, als ob das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre. Aufgrund der genannten Umstände steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger das Fahrzeug nicht erworben hätte, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass die EG-Typgenehmigung unter Einsatz einer unzulässigen Abschalteinrichtung erteilt wurde und daher die Stilllegung im Falle eines Widerrufs der Zulassung drohte. Hierfür spricht die allgemeine Lebenserfahrung, dass niemand unnötig derartig erhebliche Risiken eingeht, wenn ihm auf dem Markt vergleichbare Produkte ohne entsprechende Risiken angeboten werden.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>80 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="80"/>2) Der Kläger kann daher den von ihr zum Erwerb des Fahrzeugs gezahlten Kaufpreis i.H.v. 27.500,00 EUR von der Beklagten verlangen. Im Wege des Vorteilsausgleichs hat er allerdings das erworbene Fahrzeug und die gezogenen Nutzungen herauszugeben (vgl. nur LG Stuttgart, 05.04.2018 - 7 O 28/17; LG Bochum, 29.12.2017 – I-6 O 96/17; LG Würzburg, 23.02.2018 - 71 O 862/16; LG Stuttgart, 30.10.2018 - 23 O 80/18 jeweils zum „<em>VW-Abgasskandal“</em>).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>81 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="81"/>Unstreitig hat der Kläger das Fahrzeug als Gebrauchtwagen mit einer Kilometerlaufleistung von 27.875 km erworben. Zur Überzeugung des Gerichts steht ferner fest, dass die Kilometerlaufleistung zum Schluss der mündlichen Verhandlung (11.12.2018) 47.199 km betrug (§ 286 Abs. 1 ZPO). Der Klägervertreter hat im Termin zur mündlichen Verhandlung am 11.12.2018 ein Lichtbild vom 10.12.2018 (Bl. 226 d.A.) vorgelegt, welches mit den Parteien in Augenschein genommen wurde und auf dem ein Kilometerstand von 47.199 km zu sehen war. Zwar hat die Beklagte mit Nichtwissen bestritten, dass es sich bei dem Lichtbild um eine Lichtbildaufnahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs handele. Zur Überzeugung des Gerichts steht jedoch fest, dass auf dem in Augenschein genommenen Lichtbild der Tachometer des streitgegenständlichen Fahrzeugs abgelichtet war (§ 286 Abs. 1 ZPO). So hat der Klägervertreter, der in Untervollmacht auftrat, bestätigt, dass ihm das Lichtbild von den Hauptbevollmächtigten übermittelt worden sei. Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei dem Lichtbild nicht um eine Aufnahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs handelt, bestehen für das Gericht vernünftigerweise nicht. Zwar wurde das Lichtbild bereits am 10.12.2018 aufgenommen und damit nicht am Tag der mündlichen Verhandlung. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass auch die Beklagte nicht behauptet, die Klägerin habe in der Zwischenzeit noch eine weitere Fahrtstrecke zurückgelegt. Ferner handelt es sich bei der Nutzungsentschädigung im Wesentlichen ohnehin um eine gemäß o.g. Berechnung durchgeführte Schätzung, sodass lediglich minimale Abweichungen des Kilometerstands auch zu vernachlässigen wären.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>82 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="82"/>Der Nutzungsvorteil errechnet sich aus dem Bruttokaufpreis von 27.500,00 EUR (Anl. K 1, Bl. 56 d.A.) multipliziert mit der seit Vertragsschluss gefahrenen Laufleistung des Fahrzeugs zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (11.12.2018) von 19.324 km (47.199 km - 27.875 km) geteilt durch die vom Gericht gemäß § 287 ZPO unter Zugrundelegung einschlägiger Vergleichswerte (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 13. Aufl., Rn. 3574) geschätzte Restlaufleistung. Das Gericht schätzt gemäß § 287 ZPO, dass ein Dieselfahrzeug des streitgegenständlichen Typs eine Gesamtfahrleistung von 250.000 km hat, sodass eine Restlaufleistung von 222.125 km besteht (250.000 km - 27.875 km). Dies bedeutet, dass der Kläger insgesamt einen Nutzungsvorteil i.H.v. 2.392,39 EUR gezogen hat, der in Abzug zu bringen ist, sodass ein Anspruch i.H.v. <strong>25.107,61 EUR</strong> (27.500,00 EUR - 2.392,39 EUR) besteht.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>83 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="83"/>Da der Kläger einen Anspruch i.H.v. 26.936,00 EUR geltend macht, war die Klage insoweit im Übrigen abzuweisen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>84 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="84"/>2. Dem Kläger steht überdies auch ein Anspruch aus §§ 831 Abs. 1 S. 1, 249 BGB zu.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>85 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="85"/>a) Selbst wenn man entgegen dem Vorstehenden davon ausgehen würde, dass weder ein Vorstand im aktienrechtlichen Sinne, noch ein sonstiger Repräsentant i.S.v. § 31 BGB bei der Beklagten von der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung im hier maßgeblichen Zeitpunkt Kenntnis hatte, dann würde die Beklagte dem Kläger gleichwohl in der vorgenannten Weise auf Schadensersatz haften. Denn die Entwicklung und Freigabe des Motors samt der unzulässigen Abschalteinrichtung für die Serienproduktion erfolgte bei der Beklagten letztlich auf der Arbeitsebene unterhalb der Repräsentanten. Es muss hier denknotwendig einen oder höchstwahrscheinlich sogar mehrere Mitarbeiter (Entwicklungsingenieure) bei der Beklagten gegeben haben, die von der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung ("<em>Thermofenster</em>") Kenntnis hatten. Diese Mitarbeiter sind Verrichtungsgehilfen der Beklagten i.S.v. § 831 Abs. 1 S. 1 BGB.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>86 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="86"/>b) Sie haben den Kläger gem. § 826 BGB vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt (vgl. oben II. 1.), denn ihnen musste klar sein, dass der von ihnen entwickelte Motor mit der unzulässigen Abschalteinrichtung nicht den gesetzlichen Vorschriften entsprach. Hierfür bedurfte es keiner komplizierten rechtlichen Prüfungen. Auch einem rechtlichen nicht weiter Vorgebildeten leuchtet unmittelbar ein, dass eine Abschalteinrichtung, die bei üblichen Umweltbedingungen (insbesondere bei regelmäßig auftretende Außentemperaturen, die nahezu das gesamte Jahr über in der EU herrschen) eingreift und zu einer deutlichen Reduktion der Abgasrückführung führt und weit über die gesetzlichen Grenzwerte hinausgehende Abgasemissionen bedingt, der gesetzlichen Regelung der EG-VO 715/2007 zuwiderläuft.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>87 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="87"/>c) Den Entwicklungsingenieuren war auch klar, dass der Motor samt der unzulässigen Abschalteinrichtung mit Beginn der Serienfertigung in Fahrzeugen mit EG-Typengenehmigung Verwendung finden würde. Damit nahmen sie auch eine Schädigung der jeweiligen Fahrzeugerwerber billigend in Kauf, da ihnen klar war, dass bei Aufdeckung der Manipulation mit behördlichen Maßnahmen zu rechnen war. Dies genügt für den erforderlichen Schädigungsvorsatz (vgl. nur Palandt/<em>Sprau</em>, BGB, 77. Auflage 2018, § 826, Rn. 11). Das Handeln der Entwicklungsingenieure als bewusstes Täuschungsverhalten (Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung) genügt schon an sich für das Vorliegen der Sittenwidrigkeit (vgl. Palandt/<em>Sprau</em>, BGB, 77. Auflage 2018, § 826, Rn. 20; Reinking-Eggert, Der Autokauf, 13. Aufl. 2017, Rn. 1898d). Vorliegend treten jedoch, wie oben bereits ausgeführt noch weitere Umstände hinzu, die bei einer Gesamtwürdigung in jedem Fall zur Sittenwidrigkeit führen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>88 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="88"/>d) Den nach § 831 Abs. 1 S. 2 BGB zulässigen Entlastungsbeweis hat die Beklagte nicht geführt.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>89 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="89"/>e) Nach § 831 Abs. 1 S. 1 BGB steht damit dem Kläger (ebenfalls) der zuerkannte Schadensersatzanspruch zu.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>90 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="90"/>3. Letztlich wäre hinsichtlich der Frage, wer wann Kenntnis von der Entwicklung und dem Vertrieb des Motors OM 626 mit der streitgegenständlichen Abschalteinrichtung hatte, sogar eine Wahlfeststellung möglich und auch im Zivilrecht zulässig (BGH, Urteil vom 23. Juni 1987 - VI ZR 188/86, juris, Rn. 12): Zumindest entweder Vorstände im aktienrechtlichen Sinne, sonstige Repräsentanten i.S.v. § 31 BGB oder einfache Mitarbeiter als Verrichtungsgehilfen i.S.v. § 831 Abs. 1 S. 1 BGB hatten die Kenntnis und damit letztlich den Schädigungsvorsatz gem. § 826 BGB. Die Beklagte würde daher in jedem Fall auf Schadensersatz haften, wobei offen bleiben könnte, bei wem genau die Kenntnis vorlag. Für den vorliegenden Fall kommt es darauf allerdings nicht an, da wie dargelegt die Kenntnis der Vorstände als zugestanden gilt und außerdem auch von einer Kenntnis von Verrichtungsgehilfen auszugehen ist.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>91 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="91"/>4. Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1, 291 BGB.</td></tr></table>
<table><tr><td>III.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>92 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="92"/>Der Klageantrag Ziff. 2 ist teilweise begründet und war im Übrigen abzuweisen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>93 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="93"/>Der Kläger hat gemäß § 826 bzw. § 831 Abs. 1 S. 1, 249 BGB gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten i.H.v. <strong>1.358,86 EUR.</strong></td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>94 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="94"/>Der Schadensersatzanspruch nach § 826 bzw. 831 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB erfasst auch die erforderlichen Kosten einer Rechtsverfolgung. Hierbei hat das Gericht einen Gegenstandswert in Höhe der zugesprochenen Klageforderung (25.107,61 EUR) zugrunde gelegt und eine 1,3-fache Geschäftsgebühr, die Auslagenpauschale und die Umsatzsteuer angesetzt.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>95 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="95"/>Da es sich vorliegend um ein Massenverfahren handelt, bei dem der wesentliche Aufwand beim Klägervertreter gleichzeitig für eine Vielzahl von Verfahren anfällt, und es sich bei den eingereichten Schriftsätzen ausschließlich um Textbausteine handelt, die überdies im Wesentlichen keinen entscheidungserheblichen Sachvortrag enthalten, ist ein höherer Ansatz als der Mittelsatz von 1,3 für die Geschäftsgebühr (Nr. 2300 Anlage 1 VV RVG) nicht gerechtfertigt. Die Sach- und Rechtslage ist weder umfangreich noch schwierig i.S.d. Nr. 2300 Anlage 1 VV RVG.</td></tr></table>
<table><tr><td>IV.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>96 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="96"/>Soweit der nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 10.01.2019 neues (nicht nachgelassenen) Tatsachenvorbringen enthält, gab dieses keinen Anlass zum Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung.</td></tr></table>
<table><tr><td>V.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>97 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="97"/>Der Beklagten war schließlich auch nicht - wie von der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 11.12.2018 beantragt - eine Stellungnahmefrist i.S.d. § 139 Abs. 5 ZPO zu gewähren. Das Gericht hat der Beklagten bereits mit Verfügung vom 26.11.2018 (Bl. 241 d.A.) die Möglichkeit gewährt, zum dort erteilten Hinweis, insbesondere betreffend das sog. „<em>Thermofenster“,</em> näher vorzutragen. Ferner hat der Kläger mit Schriftsatz vom 06.12.2018 (Bl. 252 ff. d.A.) neues Vorbringen zum „<em>Thermofenster“ </em>vorgetragen. Hierauf konnte die Beklagte gemäß § 283 ZPO - was auch erfolgt ist - mit nachgelassenem Schriftsatz vom 10.01.2019 ohnehin Stellung nehmen.</td></tr></table>
<table><tr><td>VI.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>98 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="98"/>Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>99 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="99"/>Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 ZPO.</td></tr></table>
</td></tr></table> |
|
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"id": 142,
"name": "Landgericht Stuttgart",
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} | 23 O 178/18 | 2019-01-17T00:00:00 | 2019-01-29T12:51:06 | 2019-02-12T13:44:43 | Urteil | <h2>Tenor</h2>
<p>1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 17.766,72 EUR nebst Darlehenszinsen i.H.v. 1.707,51 EUR sowie weiteren Zinsen i.H.v. 11.573,04 EUR und weiteren Zinsen aus einem Betrag von 54.800,79 EUR in Höhe von 4 % pro Jahr seit dem 01.09.2018 zu zahlen, Zug- um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs Mercedes Benz E 250 CDI Blue Efficiency mit der FIN: ....</p>
<p>2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des in Ziff. 1 genannten Fahrzeuges seit dem 27.07.2018 in Annahmeverzug befindet.</p>
<p>3. Die Beklagte wird verurteilt, an die ... Versicherung zur Schadennummer: ... vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.100,51 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 08.11.2018 zu erstatten.</p>
<p>4. Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit i.H.v. 1.423,26 EUR erledigt ist.</p>
<p>5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.</p>
<p>6. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte 71 % und der Kläger 29 %.</p>
<p>7. Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar. Das Urteil ist für die Beklagte im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags leistet.</p>
<p><strong>Beschluss</strong></p>
<p>Der Streitwert wird auf bis 30.000,00 EUR festgesetzt.</p>
<h2>Tatbestand</h2>
<table><tr><td> </td><td> </td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>1 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="1"/>Der Kläger begehrt von der Beklagten Schadensersatz aus Delikt aus einem PKW-Kaufvertrag im Zuge des sog. „<em>Abgasskandals“</em></td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>2 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="2"/>Mit Kaufvertrag vom 21.01.2011 (Anl. K 16, Bl. 138 ff. d.A.; vgl. auch Anl. K 17, Bl. 143 d.A.) erwarb der Kläger von der Beklagten den streitgegenständlichen PKW Mercedes Benz Typ E 250 CDI Blue Efficiency, FIN: ..., der von der Beklagten entwickelt und hergestellt und mit einem Motor OM 651, EURO 5, ausgestattet ist, als Neuwagen zum Kaufpreis i.H.v. 53.093,28 EUR.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>3 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="3"/>Zur Finanzierung des Kaufpreises leistete der Kläger eine Anzahlung i.H.v. 10.000,00 EUR und finanzierte den Restbetrag durch ein Darlehen bei der Mercedes-Benz Bank AG. Der Gesamtbetrag der Darlehenssumme belief sich auf 44.800,79 EUR, wobei der Nettodarlehensbetrag 43.093,28 EUR betrug und Zinsen i.H.v. 1.707,51 EUR anfielen (Anl. K 17, Bl. 143 d.A.).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>4 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="4"/>Das Fahrzeug war bis zur Begleichung des Gesamtdarlehensbetrages an die Mercedes-Benz Bank AG sicherungsübereignet. Der Kläger bezahlte am 01.06.2014 die fällige Schlussrate i.H.v. 32.373,95 EUR.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>5 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="5"/>Das Fahrzeug wies im Zeitpunkt der Klageerhebung eine Laufleistung von 158.300 km auf.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>6 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="6"/>Die Kontrolle der Stickoxidemissionen erfolgt im streitgegenständlichen Fahrzeug über die sog. Abgasrückführung. Bei der Abgasrückführung wird ein Teil des Abgases zurück in das Ansaugsystem des Motors geführt und nimmt erneut an der Verbrennung teil. Die Abgasrückführung wird bei kühleren Außentemperaturen zurückgefahren, wobei zwischen den Parteien streitig ist, bei welchen Außentemperaturen die Abgasrückführung reduziert wird (sog. <em>„Thermofenster“)</em>.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>7 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="7"/>Das Fahrzeug ist nicht von einem Rückruf durch das Kraftfahrzeugbundesamt (KBA) betroffen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>8 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="8"/>Mit Anwaltsschreiben vom 23.07.2018 (Anl. K 18, Bl. 147 ff. d.A.) erklärte der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 06.08.2018 zur Rückabwicklung des Kaufvertrags auf.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>9 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="9"/>Der Kläger behauptet, die Abgasrückführung werde bereits bei einstelligen Außentemperatur reduziert oder ganz abgeschaltet („<em>Thermofenster“), </em>mit der Folge, dass die Stickoxidemission erheblich ansteige.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>10 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="10"/>Das Fahrzeug enthalte neben dem Thermofenster auch eine Steuerungssoftware, die dazu führe, dass das Fahrzeug das Durchfahren des „<em>Neuen Europäischen Fahrzyklusses</em>“ (NEFZ) auf dem Prüfstand erkenne und abhängig davon die Abgasaufbereitung dergestalt regele, dass der Ausstoß an Stickoxiden nur beim Durchfahren des NEFZ optimiert werde. Das Fahrzeug verfüge nicht über die Voraussetzungen für die EG-Typgenehmigung und habe einen erheblich höheren Schadstoffausstoß als von der Beklagten angegeben.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>11 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="11"/>Der Kläger behauptet ferner, der Vorstand der Beklagten habe Kenntnis von dem Einsatz der unzulässigen Software gehabt.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>12 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="12"/>Der Kläger trägt schließlich vor, das Fahrzeug habe aktuell (11.12.2018) eine Laufleistung von 166.342 km.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>13 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="13"/>Der Kläger ist insbesondere der Ansicht, er sei Eigentümer des Fahrzeugs. Ferner verfüge das Fahrzeug über eine unzulässige Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 5 Abs. 2 VO EG 715/2007.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>14 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="14"/>Der Kläger beantragte im Klageantrag Ziff. 1 zunächst Zahlung i.H.v. 26.785,24 EUR. Nachdem der Kläger das Fahrzeug zwischen dem Zeitpunkt der Klageerhebung und dem Schluss der mündlichen Verhandlung weiternutzte, erklärte der Kläger den Rechtsstreit bezüglich der Nutzungsentschädigung i.H.v. 1.423,26 EUR für teilweise erledigt.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>15 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="15"/>Der Kläger beantragt zuletzt:</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>16 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="16"/>1. Die Beklagte Ziff. 1 wird verurteilt, an den Kläger 25.361,98 sowie Zinsen i.H.v. 11.573,04 EUR nebst weiteren Zinsen aus 54.800,79 EUR in Höhe von 4 % pro Jahr seit dem 01.09.2018 zu zahlen, Zug- um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs Mercedes Benz E 250 CDI Blue Efficiency mit der FIN: ....</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>17 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="17"/>2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des in Ziff. 1 genannten Fahrzeuges seit dem 27.07.2018 in Annahmeverzug befindet.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>18 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="18"/>3. Die Beklagte wird verurteilt, an die ... Versicherung zur Schadennummer: ... vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.872,35 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 08.11.2018 zu erstatten.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>19 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="19"/>4. Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit im Übrigen erledigt ist.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>20 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="20"/>Die Beklagte beantragt:</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>21 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="21"/>Die Klage wird abgewiesen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>22 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="22"/>Die Beklagte behauptet insbesondere, im streitgegenständlichen Fahrzeug sei die Rate der Abgasrückführung bei einer Umgebungslufttemperatur von 7° Celsius oder darunter betriebspunktabhängig um bis zu 45 % niedriger als bei höheren Temperaturen und bleibe auf diesem Niveau bis zum Unterschreiten einer Umgebungstemperatur von - 30° Celsius, bei der sie abgeschaltet werde (sog. „<em>Thermofenster“)</em>. Dieses sog. „<em>Thermofenster“</em> sei zum Bauteilschutz notwendig. Das System der Abgasrückführung könne bei kalten Temperaturen Schäden durch Ablagerungen (sog. „<em>Versottung“) </em>erleiden. Eine hohe Abgasrückführungsrate außerhalb des Thermofensters führe zu einer solchen Versottung und damit zu Motorschäden.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>23 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="23"/>Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11.12.2018 (Bl. 419 ff. d.A.) verwiesen.</td></tr></table>
</td></tr></table>
<h2>Entscheidungsgründe</h2>
<table><tr><td> </td><td> </td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>24 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="24"/>Die Klage ist zulässig (dazu I.) und aus dem im Tenor ersichtlichen Umfang begründet (II.).</td></tr></table>
<table><tr><td>I.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>25 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="25"/>1. Die im Termin vom 11.12.2018 (Bl. 419) einseitig gebliebene teilweise Erledigungserklärung des Klägers stellt einen Antrag auf Feststellung der teilweisen Erledigung der Hauptsache (Klageantrag Ziff. 4) dar, wobei es sich um eine nach § 264 Nr. 2 ZPO privilegierte Klageänderung handelt, nämlich um eine Antragsbeschränkung durch einen Übergang von einem Leistungsantrag zu einem Feststellungsantrag (OLG Stuttgart, 06.09.2017 - 4 U 105/17). Das nötige Feststellungsinteresse i.S.d. § 256 Abs. 1 ZPO bezüglich des Klageantrags Ziff. 4 folgt daraus, dass der Kläger andernfalls insoweit die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hätte.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>26 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="26"/>2. Für den Klageantrag Ziff. 2 bezüglich der Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten mit der Rücknahme des Fahrzeugs besteht das Feststellungsinteresse angesichts der mit der Feststellung verbundenen Vereinfachung und Beschleunigung des Zugriffs in der Zwangsvollstreckung (vgl. §§ 756 Abs. 1, 765 Nr. 1 ZPO).</td></tr></table>
<table><tr><td>II.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>27 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="27"/>Die Klage ist im Klageantrag Ziff. 1 aus dem im Tenor ersichtlichen Umfang begründet.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>28 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="28"/>Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 826 BGB (dazu 1.), gemäß § 831 Abs. 1 S. 1 BGB (dazu 2.), wobei zwischen den Ansprüchen aus § 826 BGB und § 831 BGB die Möglichkeit der Wahlfeststellung besteht (dazu 3.), und §§ 433, 434 Abs. 1, 437 Nr. 2 Alt. 1, 323 Abs. 1, 440, 346 Abs. 1, 348 BGB (dazu 4.) i.H.v. <span style="text-decoration:underline">17.766,72 EUR</span>. Ferner hat der Kläger Anspruch auf Zahlung von <span style="text-decoration:underline">Darlehenszinsen i.H.v. 1.707,51 EUR </span>(dazu 5.) sowie weiteren <span style="text-decoration:underline">Zinsen i.H.v. 11.573,04 EUR</span> und <span style="text-decoration:underline">weiteren Zinsen</span> aus einem Betrag von 54.800,79 EUR in Höhe von 4 % pro Jahr seit dem 01.09.2018 (dazu 6.).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>29 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="29"/>1. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung aus § 826 BGB (vgl. auch LG Stuttgart, 27.11.2018 - 7 O 265/18 ebenfalls zum „<em>Thermofenster“,</em> sowie LG Stuttgart, 14.08.2018 - 23 O 80/18, LG Stuttgart, 16.11.2017 - 19 O 34/17, LG Stuttgart, 05.04.2018 - 7 O 28/17, jeweils zum „<em>VW-Abgasskandal</em>“).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>30 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="30"/>Das Fahrzeug verfügt über eine unzulässige Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 (dazu a). Der Kläger hat deshalb einen Schaden erlitten (b), welcher durch ein Verhalten der Beklagten entstanden (c) und welches als sittenwidrig zu qualifizieren ist (d). Die Beklagte hat dabei vorsätzlich gehandelt (e). Aufgrund dessen hat der Kläger einen Anspruch auf Schadensersatz i.H.v. 17.766,72 EUR (f).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>31 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="31"/>a) Die Beklagte hat das vom Kläger erworbene Fahrzeug gebaut und eine EG-Typengenehmigung beantragt, die formal erteilt wurde, obwohl das Fahrzeug über eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 verfügt, die der Zulassung entgegenstand.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>32 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="32"/>1) Nach Art. 4 Abs. 1 EG-VO 715/2007 weist der Hersteller nach, dass alle von ihm verkauften, zugelassenen oder in der Gemeinschaft im Betrieb genommenen Neufahrzeuge über eine Typengenehmigung gemäß dieser Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen verfügen. Nach Art. 5 Abs. 1 EG-VO 715/2007 rüstet der Hersteller das Fahrzeug so aus, dass die Bauteile, die das Emissionsverhalten voraussichtlich beeinflussen, so konstruiert, gefertigt und montiert sind, dass das Fahrzeug <span style="text-decoration:underline">unter normalen Betriebsbedingungen</span> dieser Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen entspricht. Nach Abs. 2 der Vorschrift ist die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die diese Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, grundsätzlich unzulässig.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>33 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="33"/>Art. 3 Nr. 10 EG-VO 715/2007 definiert eine Abschalteinrichtung als ein Konstruktionsteil, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl (UpM), den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlass, oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu <span style="text-decoration:underline">verändern</span>, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter <span style="text-decoration:underline">Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind</span>, verringert wird.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>34 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="34"/>Das streitgegenständliche Fahrzeug verfügt über eine solche Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 3 Nr. 10 EG-VO 715/2007.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>35 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="35"/>(1) Anzumerken ist zunächst, dass selbst die Untersuchungskommission des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) bezüglich des Vorhandenseins eines Thermofensters zu folgendem Ergebnis kommt:</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>36 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="36"/><em>„Alle Hersteller nutzen aber Abschalteinrichtungen gemäß der Definition in Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007“</em></td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>37 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="37"/>(Bericht der Untersuchungskommission „<em>Volkswagen</em>“, Stand April 2016, S. 119 unter C. II. 4.).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>38 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="38"/>(2) Unstreitig verfügt das streitgegenständliche Fahrzeug – wie offenbar eine Vielzahl der Motoren diverser Hersteller, und zwar unabhängig davon, ob sie von einem Rückruf des KBA betroffen sind – über ein sog. Thermofenster.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>39 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="39"/>So ist im streitgegenständlichen Fahrzeug eine Technologie zur Reduktion des Stickoxidausstoßes (NOx) vorhanden. Dabei kommt die sog. Abgasrückführung zum Einsatz. Bei der Abgasrückführung wird ein Teil des Abgases zurück in das Ansaugsystem des Motors geführt und nimmt erneut an der Verbrennung teil. Die Abgasrückführung wird dabei bei kühleren Temperaturen – unstreitig - zurückgefahren. Bei welchen konkreten Außentemperaturen letztendlich eine Reduktion der Abgasrückführung erfolgt, kann letztendlich dahinstehen. Anzumerken ist lediglich, dass die Beklagte - trotz Hinweises in der richterlichen Verfügung vom 26.11.2018 (Bl. 354 d.A.) und des Sachvortrags des Klägers im Rahmen der Klageschrift vom 08.10.2018 (Bl. 1 ff. d.A.) und im Schriftsatz vom 05.12.2018 (Bl. 359 ff. d.A) - nicht näher dazu vorträgt, bei welchen Außentemperaturen bereits erstmals (offenbar 7° Celsius) eine Reduzierung der Abgasrückführung eintritt und in welchem konkreten Maß. Die hierzu getätigten Ausführungen der Beklagten im nachgelassenen Schriftsatz vom 10.01.2019 sind (wohl bewusst) vage gehalten (Reduzierung der Abgasrückführung um „<em>bis zu 45 %</em>“).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>40 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="40"/>(3) Sofern die Abgasrückführung - wie im nachgelassenen Schriftsatz der Beklagten vom 10.01.2019 vorgetragen und zugunsten der Beklagten sogar als wahr unterstellt - bei einer Außentemperatur von 7° C oder darunter betriebspunktabhängig um bis zu <strong>45 %</strong> reduziert wird, stellt dies eine Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 3 Nr. 10 EG-VO 715/2007 dar, da gerade das Abgasrückführungssystem bzw. eine Software die Außentemperatur erkennt und die Funktion des Emissionskontrollsystems <span style="text-decoration:underline">verändert</span> - unabhängig davon in welchem Maß - oder sogar deaktiviert, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems infolge der Reduktion der Abgasrückführung unter normalen Bedingungen des Fahrzeugbetriebs verringert wird. Die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems wird eben durch das entsprechende System an die Fahr- und Umweltbedingungen, die bei normalen Fahrbetrieb herrschen, angepasst. Unerheblich ist dabei, in welchem Maß eine Verringerung der Abgasrückführung erfolgt, da Art. 3 Nr. 10 EG-VO 715/2007 eine solche Differenzierung nicht erlaubt und schlicht jede Veränderung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems als Abschalteinrichtung zu qualifizieren ist, zumal eine Reduzierung um bis zu 45 % ohnehin als erheblich einzustufen wäre (vgl. auch <em>Prof. Dr. Martin Führ</em>, Gutachterliche Stellungnahme für den Deutschen Bundestag – 5. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode; <em>derselbe</em> in NVwZ 2017, 265; ferner auch die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags „<em>Abschalteinrichtungen in Personenkraftwagen</em>“, Az: WD 7 – 3000 – 031/16, S. 18).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>41 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="41"/>(4) Anders als die Beklagte meint, wird mit der „<em>Auslegung der Abgasrückführung die innermotorische Emissionskontrolle für die jeweiligen Betriebszustände“ </em>nicht erst „<em>definiert“, </em>weshalb es sich nach Ansicht der Beklagten um keine Abschalteinrichtung handele (S. 7 des Schriftsatzes der Beklagten vom 11.01.2019). Dieser Argumentationsversuch läuft darauf hinaus, den in der Verordnung nicht definierten Begriff des „<em>Emissionskontrollsystems</em>“ aus dem Kontext der Begriffsbestimmung der „<em>Abschalteinrichtung</em>“ herauszulösen und ihm einen eigenen, engeren Gehalt zuzuweisen. Für eine solche Sichtweise müsste es in der Verordnung besondere Anhaltspunkte geben. Daran fehlt es aber. Im Gegenteil: Die Unterscheidung „<em>innermotorisch</em>“ und „<em>Emissionskontrolle</em>“ widerspricht dem Wortlaut der Definition der „<em>Abschalteinrichtung</em>“, denn die in Art. 3 Nr. 10 EG (VO) 715/2007 aufgezählten Parameter umfassen alle technischen Vorgänge (darunter mit der „<em>Motordrehzahl</em>“ einen eindeutig innermotorischer Faktor), die auf Entstehen und Verminderung der Emissionen einwirken. Dafür spricht auch die Begriffsbestimmung in Art. 3 Nr. 11 EG (VO) 715/2007. Sie definiert „<em>emissionsmindernde Einrichtung</em>“ als „<em>die Teile eines Fahrzeugs, die die Auspuff- und Verdunstungsemissionen eines Fahrzeugs regeln und/oder begrenzen.</em>“ Steuerungsvorgänge, die innermotorisch wirken, tragen dazu bei, die Auspuffemissionen zu regeln, sie sind daher Teil des Emissionskontrollsystems. Die vorgetragene Differenzierung findet somit im Verordnungstext keine Stütze (so überzeugend<em> Prof. Führ</em> in: NVwZ 2017, 265 (266)).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>42 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="42"/>Die Funktion des Emissionskontrollsystems wird vorliegend also - abhängig von der Umgebungstemperatur - dadurch verändert, dass die Abgasrückführungsrate um bis zu 45 % reduziert wird. Dies stellt eine Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 3 Nr. 10 EG (VO) 715/2007 dar.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>43 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="43"/>2) Eine solche Abschalteinrichtung ist nur dann ausnahmsweise zulässig, wenn die Einrichtung notwendig ist, um den Motor vor Beschädigung zu schützen (Art. 5 Abs. 2 lit. a) EG-VO 715/2007). Dies ist vorliegend <span style="text-decoration:underline">nicht</span> der Fall.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>44 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="44"/>Zwar wird im Abschlussbericht der Untersuchungskommission „<em>Volkswagen“</em> des BMVI ausgeführt, dass „<em>unter Berufung auf den Motorschutz die Verwendung von Abschalteinrichtungen letztlich stets dann gerechtfertigt werden könnte, wenn von Seiten des Fahrzeugherstellers nachvollziehbar dargestellt wird, dass ohne die Verwendung einer solchen Einrichtung dem Motor Schaden droht, sei dieser auch noch so klein</em>“.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>45 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="45"/>(Bericht der Untersuchungskommission „<em>Volkswagen</em>“, Stand April 2016, S. 123 unter D. I. 2.).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>46 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="46"/>Eine solche Auslegung der gesetzlichen Vorgaben hat jedoch keine rechtliche Grundlage (so überzeugend und mit erheblicher Kritik am Abschlussbericht der Untersuchungskommission des BMVI: <em>Klinger</em>, Rechtsgutachten zum Stand der Umsetzung der Verordnung (EG) Nr. 715/2007, der Durchführungsverordnung 692/2008, der Richtlinie 2007/46/EG und der Regelung Nr. 83 der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UN/ECE), erstellt zum Beweisbeschluss SV-4 des 5. Untersuchungsausschusses der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestags, 29. September 2016, dort S. 24).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>47 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="47"/>Im Einzelnen:</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>48 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="48"/>(1) Die EG (VO) 715/2007 wurde ausweislich von Erwägungsgrund 1 erlassen, um die technischen Vorschriften für die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich ihrer Emissionen zu harmonisieren. Ziel ist die Sicherstellung eines hohen Umweltschutzniveaus auf europäischer Ebene. Zur Verbesserung der Luftqualität und zur Einhaltung der Luftverschmutzungsgrenzwerte war nach Auffassung des EU-Gesetzgebers insbesondere eine erhebliche Minderung der Stickstoffoxidemissionen bei Dieselfahrzeugen erforderlich. Das Senken der Emissionen von Kraftfahrzeugen ist Teil einer Gesamtstrategie. Um die Ziele der EU für die Luftqualität zu erreichen, sind nach seiner Einschätzung fortwährende Bemühungen zur Senkung von Kraftfahrzeugemissionen erforderlich, weshalb die Industrie klare Informationen über die künftigen Emissionsgrenzwerte erhalten soll.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>49 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="49"/>(2) Wie alle Ausnahmeregelungen ist auch die Vorschrift des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 EG-VO 715/2007 <span style="text-decoration:underline">sehr eng</span> auszulegen. Wer als Fahrzeughersteller von dem Verbot abweichen will, muss dies besonders rechtfertigen. Eine Notwendigkeit i.S.d. Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 liegt insbesondere dann <span style="text-decoration:underline">nicht</span> vor, wenn sich die Abschalteinrichtung durch <span style="text-decoration:underline">Konzeption, Konstruktion oder Werkstoffwahl</span> vermeiden lässt.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>50 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="50"/>Der Verordnungsgeber ist bei dem Begriff der „<em>Notwendigkeit</em>“ i.S.d. Art. 5 Abs. 2 lit. a) EG-VO 715/2007 bewusst über die entsprechende Regelung in Ziffer 2.1.6 Satz 2 der zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Emissionsgrundverordnung geltenden Fassung der UN/ECE-Regelung Nr. 83 hinausgegangen, in der zum Verneinen einer verbotenen Abschalteinrichtung bereits als ausreichend angesehen wurde, wenn „<em>die Notwendigkeit der Nutzung der Einrichtung mit dem Schutz des Motors vor Beschädigungen oder Unfällen und der Betriebssicherheit des Fahrzeugs begründet wird</em>“. Im Vergleich zu diesem allein auf eine vorgenommene Begründung abstellenden Wortlaut der Regelung Nr. 83 hat der Verordnungsgeber bei der Emissionsgrundverordnung mit dem Begriff der „<em>Notwendigkeit</em>“ einen <span style="text-decoration:underline">strengeren, objektivierbaren Maßstab</span> gewählt (so auch die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags „<em>Abschalteinrichtungen in Personenkraftwagen</em>“, Az: WD 7 – 3000 – 031/16, S. 13).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>51 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="51"/>(3) Es ist demnach nicht schon ausreichend, dass überhaupt individuell technische Situationen auftreten, in denen die Abschalteinrichtung zum Motorschutz oder zum sicheren Betrieb erforderlich ist, sondern darüber hinaus wäre unter Einbeziehung der zu dieser technischen Situation führenden Gründe erforderlich, dass auch diese notwendigerweise vorliegen, also generell unvermeidbar sind (diese Auslegung befürwortend auch die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags „<em>Abschalteinrichtungen in Personenkraftwagen</em>“, Az: WD 7 – 3000 – 031/16, S. 14 f.).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>52 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="52"/>(4) Unzweifelhaft nicht notwendig im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 2 lit. a) EG-VO 715/2007 ist eine solche Abschalteinrichtung, die aus Motorschutzgesichtspunkten <span style="text-decoration:underline">ununterbrochen arbeitetet</span> und damit den Zielsetzungen der Verordnung hinsichtlich einer eindämmenden Kontrolle der Emissionswerte im Straßenbetrieb und einem grundsätzlichen Verbot von Abschalteinrichtungen komplett zuwiderläuft.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>53 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="53"/>Dem entsprechend sprechen die überwiegenden Gründe dafür, dass das Eingreifen einer Abschalteinrichtung grundsätzlich nicht auf die Privilegierung von Artikel 5 Absatz 2 Satz 2 lit. a) EG-VO 715/2007 gestützt werden kann, wenn sie unter Bedingungen eingreift, die zu den üblichen, alltäglichen Nutzungsbedingungen eines betreffenden Kraftfahrzeugs im Sinne eines Normalgebrauchs zu zählen sind. Eine Privilegierung einer Abschalteinrichtung aufgrund von Artikel 5 Absatz 2 Satz 2 lit. a) EG-VO 715/2007 kommt zudem dann grundsätzlich <span style="text-decoration:underline">nicht</span> in Betracht, wenn <span style="text-decoration:underline">aufgrund andersartiger Konstruktion oder durch den Einsatz zusätzlicher Bauteile das Abschalten des Emissionskontrollsystems unter Motorschutzgesichtspunkten entbehrlich würde</span>. Für eine solche technische Entbehrlichkeit einer Abschalteinrichtung ließe sich in praxi etwa anführen, wenn nach dem Stand der Technik Konstruktionen bekannt und <span style="text-decoration:underline">möglich</span> sind, die das Abschalten des Emissionskontrollsystems entbehrlich machen, wofür namentlich sprechen kann, dass vergleichbare Motoren anderer Hersteller ohne entsprechend agierende Abschalteinrichtung auskommen, ohne dass der Motor Schaden nimmt. Auch die Möglichkeit des Einsatzes anderer oder weiterer technischer Varianten von Emissionskontrollsystemen spräche dafür, bei Verzicht auf dieselben seitens des Herstellers mangels Notwendigkeit keine Privilegierung aufgrund von Artikel 5 Absatz 2 Satz 2 lit. a) EG-VO 715/2007 greifen zu lassen (vgl. die überzeugende Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags „<em>Abschalteinrichtungen in Personenkraftwagen</em>“, Az: WD 7 – 3000 – 031/16, S. 15 f).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>54 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="54"/>(5) Die auf den Schutz des Motors abzielende Privilegierung nach Artikel 5 Absatz 2 Satz 2 lit. a) EG-VO 715/2007 bietet deshalb grundsätzlich keine taugliche Rechtsgrundlage dafür, eine Abschalteinrichtung regelmäßig auch bei solchen Betriebsbedingungen, die bei normalem, bestimmungsgemäßem Gebrauch eines Personenkraftwagens typischerweise eintreten, legal greifen zu lassen. Dies gilt insbesondere auch für den Betrieb bei niedrigen Umgebungstemperaturen. Neben Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 sind auch die im Typzulassungs-Regelwerk enthaltenen Spezialvorschriften zu beachten. Für Dieselfahrzeuge legt Art. 3 Nr. 9 DurchführungsVerordnung EG (VO) 692/2008 fest, innerhalb welches Zeitraums bei einem Kaltstart des Motors die volle Funktionsfähigkeit gewährleistet sein muss. Danach haben die Hersteller der Genehmigungsbehörde zu belegen, dass die NOx-Nachbehandlungseinrichtung nach einem Kaltstart bei – 7 °C innerhalb von 400 Sekunden eine für das ordnungsgemäße Arbeiten ausreichend hohe Temperatur erreicht. Die Genehmigungsbehörde darf in diesem Zusammenhang deshalb keine Typgenehmigung erteilen, wenn die vorgelegten Angaben nicht hinreichend nachweisen, dass die Nachbehandlungseinrichtung tatsächlich innerhalb des genannten Zeitraums eine für das ordnungsgemäße Funktionieren ausreichend hohe Temperatur erreicht. <span style="text-decoration:underline">Mit dieser Nachweispflicht hat der Verordnungsgeber für Fahrzeuge klargestellt, dass es für ein daneben bestehendes Thermofenster bei niedrigen Temperaturen keine Rechtfertigung geben kann</span>. Hersteller, die gleichwohl die Funktionsweise der Abgasbehandlung herabsetzen, verstoßen gegen die Vorgaben der Durchführungs-Verordnung (so auch überzeugend die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags „<em>Abschalteinrichtungen in Personenkraftwagen</em>“, Az: WD 7 – 3000 – 031/16, S. 18 und<em> Prof. Dr. Martin Führ</em>, Gutachterliche Stellungnahme für den Deutschen Bundestag – 5. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode, S. 3 dort Ziff. 7).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>55 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="55"/>3) Gemessen daran, ist die streitgegenständliche Abschalteinrichtung in Form eines Thermofensters nach Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 unzulässig.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>56 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="56"/>Die Beklagte behauptet zwar, das streitgegenständliche Thermofenster sei zum Bauteilschutz notwendig. Begründet wird dies mit einer sog. Versottungsgefahr. Damit kann die Beklagte aus den oben genannten Gründen nicht gehört werden. Die Beklagte trägt im Rahmen der ihr obliegenden sekundären Darlegungslast schon nicht vor, dass die Versottungsgefahr durch andere technische Maßnahmen – unabhängig davon, ob diese wirtschaftlich deutlich teurer wären – verhindert werden könnte, weshalb auch die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht veranlasst war, da bereits der Vortrag der Beklagten den Ausnahmetatbestand des Art. 5 Abs. 2 lit. a) EG (VO) nicht eingreifen lässt.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>57 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="57"/>Ferner wird das System der Abgasrückführung - wie die Beklagte vorträgt - bereits bei Außentemperaturen von 7° Celsius und darunter um bis zu 45 % zurückgefahren, wobei der Vortrag der Beklagten - mangels fehlender Klarstellung trotz Hinweises in der richterlichen Verfügung vom 26.11.2018 (Bl. 354 d.A.) - nahelegt, dass die Abgasrückführung ggf. schon bei höheren Außentemperaturen als bei 7° C Celsius reduziert wird.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>58 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="58"/>Bei einer Jahresdurchschnittstemperatur z.B. in Stuttgart von 10 Grad Celsius oder beispielsweise in den in der EU liegenden Städten Helsinki von 4,8 Grad Celsius und in Tallin von 4,5 Grad Celsius handelt es sich bei der Maßnahme (Veränderung des Emmissionskontrollsystems durch Reduzierung der Abgasrückführung bei Außentemperaturen von jedenfalls 7° Celsius) nahezu um einen Dauerbetrieb. Dass eine solche Abschalteinrichtung für den EU-Gesetzgeber erkennbar nicht als legal gelten sollte, liegt auf der Hand. Die Beklagte hat gerade nicht dargelegt, dass es sich um eine bloße „<em>Ausnahme</em>“ handelt, die zwingend notwendig ist, den Motor vor (erheblichen) Beschädigungen zu schützen <span style="text-decoration:underline">und andere technische Lösungen, nach der jeweils besten verfügbaren Technik nicht vorhanden sind</span>. Vielmehr hat die Beklagte – wie wohl auch andere Automobilhersteller – das Regel-Ausnahmeverhältnis des Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2008 (bewusst) ins Gegenteil verkehrt.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>59 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="59"/>4) Das Gericht möchte dabei auch überhaupt nicht in Abrede stellen, dass ggf. eine solche Versottungsgefahr - wie von der Beklagten behauptet - bestehen mag. Allerdings rechtfertigt diese noch nicht den Ausnahmetatbestand des Art. 5 Abs. 2 lit. a) EG-VO 715/2007, da eben schon nicht dargelegt ist, dass diese Versottungsgefahr technisch nicht durch andere Maßnahmen, die ggf. teurer wäre, verhindert werden könnte, ohne dass hierzu eine Reduzierung der Abgasrückführung erforderlich wäre.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>60 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="60"/>Das Gericht sieht sich zu folgenden (wiederholenden) Klarstellungen veranlasst:</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>61 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="61"/>Selbst wenn die Abgasrückführung bei einer Außentemperatur von 7° Celsius und darunter um bis zu 45 % reduziert wird, weil andernfalls eine sog. Versottung eintrete, führt dies nicht zur Zulässigkeit der Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 5 Abs. 2 lit. a) EG-VO Nr. 715/2007. Wie oben dargelegt, bietet die Vorschrift des Art. 5 Abs. 2 lit. a) EG-VO 715/2007 unter Hinweis auf Art. 3 Nr. 9 DurchführungsVerordnung gerade keine Rechtfertigung für ein darüber hinaus gehendes Thermofenster, das nahezu ununterbrochen arbeitet. Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 differenziert insoweit auch nicht nach dem Grad der Reduzierung der Abgasrückführung, sondern verbietet eine Abschalteinrichtung - mit Ausnahme der in Art. 5 Abs. 2 EG (VO) genannten Tatbestände - schlechthin. Selbst wenn also - wie die Beklagte selbst vorträgt - bei Außentemperaturen von unter 7° Celsius bereits die Abgasrückführung reduziert wird, stellt dies bei den in der EU vorherrschenden Jahresdurchschnittstemperaturen nahezu einen durchgängigen Regelbetrieb dar, den der EU-Gesetzgeber zweifellos - auch nicht zum Zwecke des Motorschutzes - als legal greifen lassen wollte.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>62 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="62"/>Ferner führt das Gericht erneut aus, dass der Ausnahmetatbestand des Art. 5 Abs. 2 EG (VO) 715/2007 sehr eng auszulegen ist. Die Automobilhersteller können sich daher - aus den geschilderten Gründen - allenfalls dann auf den Ausnahmetatbestand des Art. 5 Abs. 2 lit. a) EG (VO) (<em>Motorschutz) </em>berufen, wenn andere technische Lösungen, nach der jeweils besten verfügbaren Technik, und zwar unabhängig davon ob diese wirtschaftlich deutlich teurer wären, nicht vorhanden sind. Dies hat die Beklagte trotz ihrer sekundären Darlegungslast schon nicht behauptet.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>63 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="63"/>5) Unerheblich ist auch, ob das KBA und das BMVI die Zulässigkeit von Abschalteinrichtungen durch sogenannte Thermofenster (zum Teil) bejahen. Dies bindet die Parteien im hiesigen Rechtsstreit nicht. Ferner sind die dazu im Untersuchungsbericht Volkswagen zur Rechtfertigung dieser Praxis durch das Bundesministerium herangezogenen Argumente aus den oben genannten Gründen nicht nachvollziehbar. Es drängt sich daher der Verdacht auf, dass das Ergebnis der Untersuchungskommission allein politisch motiviert war (so mit (noch) deutlicheren Worten und schärferer Kritik:<em> Klinger</em>, Rechtsgutachten zum Stand der Umsetzung der Verordnung (EG) Nr. 715/2007, der Durchführungsverordnung 692/2008, der Richtlinie 2007/46/EG und der Regelung Nr. 83 der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UN/ECE), erstellt zum Beweisbeschluss SV-4 des 5. Untersuchungsausschusses der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestags, 29. September 2016, dort S. 29).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>64 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="64"/>6) Nicht gehört werden kann die Beklagte schließlich damit, dass für das streitgegenständliche Fahrzeug ein bestandskräftiger Verwaltungsakt hinsichtlich der EG-Typengenehmigung vorliege. Ein solcher Verwaltungsakt wirkt lediglich zwischen den Beteiligten des dortigen Verfahrens und bindet vorliegend nicht den Kläger. Ferner übersieht die Beklagte, dass streitgegenständlich nicht die Frage ist, ob für das hiesige Fahrzeug eine wirksame EG-Typengenehmigung besteht. Anknüpfungspunkt der Haftung nach §§ 826, 831 BGB ist, dass die Beklagte ein Fahrzeug entwickelt und hergestellt hat, welches über eine unzulässige Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 5 Abs. 1, 2 EG (VO) 715/2007 verfügt, die einer Zulassung entgegenstand, weshalb ein nachträglicher Entzug der Zulassung jedenfalls droht. Deshalb ist letztendlich auch nicht entscheidend, ob das Fahrzeug von einem Rückruf durch das KBA betroffen ist oder nicht.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>65 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="65"/>b) Der Kläger hat durch den Erwerb des streitgegenständlichen Fahrzeugs einen Schaden erlitten (vgl. nur LG Stuttgart, 21.08.2018 - 23 O 92/18; LG Bochum, 29.12.2017 - I-6 O 96/17, LG Köln, 18.07.2017 – 22 O 59/17, LG Würzburg, 23.02.2018 – 71 O 862/16, LG Stuttgart, 05.04.2018 - 7 O 28/17).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>66 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="66"/>1) Der eingetretene Schaden im Verhältnis des Klägers zur Beklagten liegt bereits in dem Abschluss des Vertrages, der jedenfalls zu den damaligen Bedingungen von dem Kläger nach Überzeugung des Gerichts so in der Form bei Kenntnis aller Umstände nicht abgeschlossen worden wäre (so im Ergebnis auch LG Stuttgart, 26.09.2018 – 23 O 95/18, LG Hildesheim, 17.01.2017 - 3 O 139/16; LG Paderborn, 07.04.2017 - 2 O 118/16; LG Kleve, 31.03.2017 - 3 O 252/16; LG Bochum, 13.07.2017 – 8 O 366/16, jeweils zum „<em>VW-Abgasskandal</em>“).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>67 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="67"/>2) Ein Schaden aufgrund einer sittenwidrigen Schädigung ist grundsätzlich im Rahmen der Differenzhypothese zu ermitteln, das heißt durch ein Gegenüberstellen der jetzigen Vermögenslage des Geschädigten und derjenige, die ohne eine Schädigung bestehen würde. Es kann jedoch ein Schaden auch dann vorliegen, wenn eigentlich eine objektive Werthaltigkeit der vertraglichen Gegenleistung vorliegt. Die Differenzhypothese muss nämlich stets einer normativen Kontrolle unterzogen werden, weil sie eine wertneutrale Rechenoperation darstellt. Der Schadensersatz dient aber dazu, den konkreten subjektiven Vermögensnachteil des Geschädigten auszugleichen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>68 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="68"/>Insoweit genügt jede Schadenszufügung im weitesten Sinne, also jede nachteilige Einwirkung auf die Vermögenslage in ihrer Gesamtheit und zwar in dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene eine Entscheidung zu Lasten seines Vermögens trifft. Dabei ist auch eine subjektbezogene Betrachtung heranzuziehen. Nach dem subjektbezogenen Schadensbegriff stellt auch der Abschluss eines Rechtsgeschäftes, welches nicht den Zielen des Geschädigten entspricht, einen Schaden im Rahmen des § 826 BGB dar, ohne dass es im Ergebnis darauf ankäme, ob die erhaltene Leistung wirtschaftlich betrachtet hinter der Gegenleistung zurückbleibt oder nicht bzw. ob nachfolgend ein Ausgleich erfolgt.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>69 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="69"/>Ein Schaden kann deshalb auch darin gesehen werden, dass jemand durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrages gebracht worden ist (BGH NJW-RR 2005, 611, 612). Es ist daher anerkannt, dass der Schaden auch darin liegen kann, dass ein – wäre eine Täuschung nicht erfolgt – ungewollter Vertrag abgeschlossen wird.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>70 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="70"/>3) Hier hat der Kläger ein Fahrzeug erworben, welches nicht seinen Vorstellungen entsprach und welches er, wenn er die tatsächlichen Hintergründe gekannt hätte, zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses so nicht erworben hätte. Der diesbezügliche Vermögensschaden des Klägers liegt darin, dass er in Unkenntnis des nicht gesetzeskonformen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung mit den sich daraus ergebenden Folgen – u.a. Sachmangel im Sinne des Gewährleistungsrechts - den streitgegenständlichen PKW erworben und damit einen ihm wirtschaftlich nachteiligen Vertrag geschlossen hat.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>71 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="71"/>Insoweit ist auch davon auszugehen, dass dann, wenn der Kläger die Hintergründe gekannt hätte, als verständiger Kunde kein Fahrzeug mit einer solchen unzulässigen Abschalteinrichtung und mit einem entsprechenden kaufrechtlichen Sachmangel erworben hätte. Wenn ihm vor dem Verkauf bekannt gewesen oder er von der Beklagten allgemein darauf hingewiesen worden wäre, dass allein mit der vorgenommenen Manipulation die diesbezügliche Typengenehmigung erlangt werden konnte und tatsächlich eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form eines sog. Thermofensters vorliegt, weshalb während nahezu des gesamten Jahreszeitraums (jedenfalls unstreitig ab 7° Celsius Außentemperatur) ein deutlich höherer Emissionsausstoß erfolgt und dies - wie gezeigt - rechtlich unzulässig ist, hätte der Kläger von einem Kaufvertrag Abstand genommen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>72 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="72"/>4) Der Kläger hat also aufgrund des hier abgeschlossenen Kaufvertrages nicht das bekommen, was ihm aufgrund des Kaufvertrages an sich zugestanden hätte, nämlich ein technisch einwandfreies, den gesetzlichen Bestimmungen vollständig entsprechendes Fahrzeug. Die Schädigung besteht zudem darin, dass durch den Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung das tatsächlich von dem Kläger erworbene und ihm übergebene Fahrzeug nach den kaufrechtlichen Regelungen ursprünglich mangelhaft war (dazu ausführlich unten unter 4.).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>73 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="73"/>Da jedoch ein Käufer stillschweigend davon ausgeht, dass ein erworbenes Fahrzeug mangelfrei ist und den gesetzlichen Vorschriften und Vorgaben entspricht, war die diesbezügliche Vorstellung bei dem Kläger falsch, da die Typengenehmigung durch den Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung nicht hätte erteilt werden dürfen und die gesetzlich vorgegebenen Werte nur bei ganz bestimmten Umweltbedingungen erreicht werden, die Grenzwerte im normalen Fahrbetrieb bei üblichen Umweltbedingungen (durchschnittliche Außentemperaturen) hingegen um ein Vielfaches überschritten werden, so dass im Ergebnis der Kläger mit dem Erwerb und der Übergabe eines solchen Fahrzeuges gegen Zahlung des Kaufpreises einen Schaden erlitten hat.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>74 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="74"/>c) Der Kläger hat diesen Schaden aufgrund eines Verhaltens der Beklagten erlitten. Erforderlich ist insoweit ein adäquat kausaler Zusammenhang unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Norm (BGH, 03.03.2008 – II ZR 310/06 –, Rn. 15, juris; MünchKommBGB/<em>Wagner</em>, 7. Aufl., § 826 Rn. 45 ff.). Ein adäquater Zusammenhang besteht, wenn eine Tatsache im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, ganz unwahrscheinlichen und nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen zur Herbeiführung eines Erfolges geeignet war. So liegt der Fall hier.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>75 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="75"/>1) Die Beklagte hat den Kläger konkludent darüber getäuscht, dass die Zulassung des Fahrzeuges zum Straßenverkehr und die Einstufung in die angegebene Schadstoffklasse gesetzmäßig erfolgten, während sie tatsächlich - infolge des unzulässigen Einbaus einer Abschalteinrichtung - erschlichen wurde. So hatte die Beklagte unter anderem auch das Fahrzeug des Klägers mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung in den Verkehr gebracht, ohne hierüber aufzuklären.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>76 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="76"/>2) Die Täuschung der Beklagten gegenüber allen (potenziellen) Käufern derartiger Fahrzeuge durch konkludentes Handeln liegt darin, dass ein Neuwagenkäufer grundsätzlich davon ausgehen kann, dass das erworbene Fahrzeug vollständig mangelfrei ist, den gesetzlichen Vorschriften genügt und ohne Einschränkung und ohne weitere zusätzliche spätere Maßnahmen am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen darf, wobei diese Vorstellungen in der Regel für den Kaufentschluss des jeweiligen Käufers wie auch des Klägers maßgeblich sind.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>77 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="77"/>Diese Vorstellungen eines Käufers wie dem Kläger war hier aufgrund der von der Beklagten vorgenommenen Manipulation in Form des Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung und der diesbezüglichen Täuschung falsch, da eine Typengenehmigung nach Art. 4 Abs. 1 EG-VO 715/2007 bei Offenlegung der unzulässigen Abschalteinrichtung in Form des sog. Thermofensters durch die Beklagte gegenüber der Genehmigungsbehörde (KBA) nicht hätte erteilt werden dürfen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>78 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="78"/>Diese Täuschung und die vorgenommene Manipulation der Beklagten war auch kausal für die Kaufentscheidung des Klägers (s.o.).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>79 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="79"/>d) Das Verhalten der Beklagten war sittenwidrig. Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. Dabei kann es auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Sie kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (BGH, 28.06.2016 – VI ZR 536/15 –, Rn. 16, juris). Bezüglich des Anstandsgefühls aller billig und gerecht Denkenden kommt es wesentlich auf die berechtigten Verhaltenserwartungen im Verkehr an (Staudinger/Oechsler, BGB [2014], § 826, Rn. 31).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>80 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="80"/>1) Gemessen daran ist das Verhalten der Beklagten als sittenwidrig zu qualifizieren. Die Beweggründe der Beklagten zur Vornahme der Manipulationen am Motor bzw. der Systeme der Abgassteuerung und Reinigung und der entsprechenden Täuschungen darüber waren entweder die Erzielung eines höheren Gewinns durch die Ersparnis von weiteren Entwicklungskosten oder aber die Unfähigkeit der Entwickler der Motoren, zu marktgerechten Preisen einen Motor zu entwickeln, der über keine unzulässige Abschalteinrichtung in Form eines Thermofensters verfügt. Die Beklagte nutzte bei ihrer Täuschung aus, dass der Endverbraucher darauf vertraut, dass ein Fahrzeug, das von einem Hersteller für den Verkauf freigegeben wurde, die Zulassungsprüfungen ordnungsgemäß durchlaufen hat und dementsprechend die gesetzlich vorgegebenen Bestimmungen erfüllt.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>81 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="81"/>2) Insoweit ist in diesem Rahmen zu berücksichtigen, dass die Beklagte in großem Umfang und mit erheblichem technischen Aufwand zentrale Zulassungsvorschriften ausgehebelt und zugleich ihre Kunden konkludent getäuscht hat. Sie hat dabei nicht nur die Vorschriften des Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 außer Acht gelassen, sondern mit der vorgenommenen Manipulation durch den Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung für alle davon betroffenen Fahrzeuge zugleich ein System zur planmäßigen Verschleierung ihres Vorgehens gegenüber den Aufsichtsbehörden einerseits sowie nachfolgend nach dem Inverkehrbringen der Fahrzeuge gegenüber den Verbrauchern andererseits geschaffen. Es lag also eine bewusste Täuschung der Aufsichtsbehörden einerseits und der Verbraucher andererseits vor, um die entsprechende Typengenehmigungen für die Fahrzeuge zu erhalten und diese dann so in Verkehr bringen zu können, um dadurch entsprechende Vertragsschlüsse der Händler mit Kunden herbeiführen zu können.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>82 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="82"/>3) Dabei ist die Beklagte bewusst verschleiernd und durch einen offensichtlich nur begrenzt einbezogenen Personenkreis vorgegangen, um diese Manipulation geheim zu halten, zumal diese Manipulation auch nur äußerst schwer zu entdecken war und so im normalen Verkehr mangels erkennbarer Auswirkungen eigentlich nicht aufgefallen wäre. Die Manipulation ist auf dem Prüfstand bei gleichbleibender Umgebungstemperatur nicht zu entdecken.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>83 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="83"/>4) Die Täuschung diente, andere Motive sind jedenfalls nicht ersichtlich, allein dem Zweck, zur Kostensenkung und möglicherweise auch zur Umgehung technischer Probleme bei der Entwicklung einer rechtlich und technisch einwandfreien, aber teureren Lösung der Abgasreinigung formal die Voraussetzungen für die Typgenehmigung zu erfüllen und mit Hilfe diese Manipulation umweltfreundliche Prüfvermerke veröffentlichen zu können, um dadurch entsprechende Wettbewerbsvorteile zu erlangen. Schon dieses Gewinnstreben um den Preis einer bewussten Täuschung und Benachteiligung von Behörden einerseits und Kunden andererseits gibt dem Handeln der Beklagten ein Gepräge der Sittenwidrigkeit. Ein solches zumindest auch die Verbraucher konkludent täuschendes Verhalten ist auch bei Anwendung eines durchschnittlichen Maßstabs als sittenwidrig anzusehen und verwerflich, da die Beklagte eben nicht nur die Aufsichts- und Prüfbehörden getäuscht, sondern durch ihr täuschendes Verhalten bei dem weiteren Inverkehrbringen der Fahrzeuge auch die Ahnungslosigkeit der unzähligen Verbraucher bewusst zu ihrem Vorteil ausgenutzt hat (vgl. LG Würzburg, 23.02.2018 – 71 O 862/16 zum "<em>VW-Abgasskandal"</em>).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>84 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="84"/>e) Auch die subjektiven Voraussetzungen für einen Anspruch aus § 826 BGB gegen die Beklagte sind zu bejahen. Die Beklagte hat den Kläger vorsätzlich geschädigt. Sie muss sich das Verhalten ihrer Repräsentanten, deren Wissen als zugestanden anzusehen ist, zurechnen lassen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>85 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="85"/>1) Der Kläger hat schlüssig vorgetragen, dass der Vorstand oder jedenfalls Teile des Vorstands der Beklagten Kenntnis von dem Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung, die zu gesetzwidrigen EG-Bescheinigungen geführt hat, gehabt haben.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>86 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="86"/>2) Dieser Vortrag ist auch naheliegend. Der Vorstand hat das Unternehmen den gesetzlichen Bestimmungen gemäß zu organisieren und zu führen (sog. Compliance). In diesem Zusammenhang muss davon ausgegangen werden, dass Berichtspflichten gegenüber dem Vorstand im Hinblick auf alle wesentlichen Entscheidungen eingerichtet sind und deren Einhaltung durch entsprechende Kontrollmaßnahmen gewährleistet ist. Insoweit ist es mehr als naheliegend, dass dem Vorstand oder Teilen des Vorstandes der Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung zur Erreichung der EG-Typengenehmigung sowie das Inverkehrbringen eines gesetzeswidrigen Fahrzeuges bekannt gewesen sind. Dies auch deshalb, weil die Abgasrückführung einer ganzen Motorenreihe für eine Vielzahl von Fahrzeugen hinsichtlich ihres Entwicklungsaufwandes in technischer und finanzieller Hinsicht eine wesentliche vom Vorstand zu treffende Entscheidung darstellt und die Verwendung einer solchen unzulässigen Abschalteinrichtung sämtliche in der EU zuzulassenden Fahrzeuge betrifft. Zu all diesen internen Vorgängen kann der Kläger als Käufer eines manipulierten Fahrzeugs naturgemäß nicht substantiiert vortragen, so dass die Beklagte eine sekundäre Darlegungslast dahingehend trifft, zu den internen Vorgängen im Zusammenhang mit der unzulässigen Abschalteinrichtung vorzutragen. Eine sekundäre Darlegungslast besteht dann, wenn der beweisbelasteten Partei näherer Vortrag nicht möglich oder zumutbar ist, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die beweisbelastete Partei außerhalb des von ihr vorzutragenden Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt, während der Gegner zumutbar nähere Angaben machen kann (vgl. BGH, 07.12.1998 - II ZR 266/97).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>87 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="87"/>3) Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Der Kläger kann nicht – wie oben ausgeführt – näher dazu vortragen, in welcher Organisationseinheit der Beklagten die unzulässige Abschalteinrichtung entwickelt, verwendet, verbaut worden ist, wer die Entscheidung dazu getroffen und wie die Entscheidung wann und an wen kommuniziert worden ist. Ein konkreterer Vortrag bezüglich einzelner Personen war nicht erforderlich. Insofern greifen die Grundsätze der sekundären Darlegungslast. Dagegen ist die Beklagte allein aus Compliance-Gesichtspunkten dazu verpflichtet, entsprechende Ermittlungsmaßnahmen zu ergreifen. Indem sie etwaige bisherige interne Ermittlungsergebnisse unter Verschluss hält, verstößt die Beklagte gegen ihre sekundäre Darlegungslast, so dass das Gericht davon ausgeht, dass der Vorstand der Beklagten Kenntnis von dem Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung hatte und das Inverkehrbringen entsprechend ausgerüsteter Motoren veranlasst hat, was auch mehr als naheliegend ist (ebenso: LG Köln, 18.07.2017 - 22 O 59/17; LG Hildesheim, 17.01.2017 - 3 O 139/16; LG Kleve, 31.03.2017 - 3 O 252/16, vgl. auch LG Stuttgart, 05.04.2018 - 7 O 28/17, LG Stuttgart, 30.10.2018 - 23 O 108/18 jeweils zum "<em>VW-Abgasskandal</em>").</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>88 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="88"/>4) Durch das bewusste Inverkehrbringen der gesetzwidrig ausgestatteten Fahrzeuge ist auch von einem entsprechenden Schädigungsvorsatz auszugehen. Der Vorstand der Beklagten hat eine Schädigung der Vermögensinteressen der Käufer zumindest billigend in Kauf genommen. Bei dem Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung kam es der Beklagten bzw. ihrem Vorstand darauf an, Umsatz und Gewinn zu steigern. Andere Gründe sind nicht ersichtlich. Dabei haben sie es in Kauf genommen, ihren Kunden über das Vertriebsnetz von Vertragshändlern nicht-gesetzeskonforme Fahrzeuge zu verkaufen und auf diese Weise ihren Kunden wirtschaftlichen Schaden zuzufügen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>89 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="89"/>f) Gemäß §§ 826, 249 BGB kann der Kläger von der Beklagten Schadensersatz i.H.v. <strong><span style="text-decoration:underline">17.766,72 EUR</span></strong> verlangen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>90 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="90"/>1) Der Kläger ist nach § 249 Abs. 1 BGB so zu stellen, als ob das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre. Aufgrund der genannten Umstände steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger das Fahrzeug nicht erworben hätte, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass die EG-Typgenehmigung unter Einsatz einer unzulässigen Abschalteinrichtung erteilt wurde und daher die Stilllegung im Falle eines Widerrufs der Zulassung drohte. Hierfür spricht die allgemeine Lebenserfahrung, dass niemand unnötig derartig erhebliche Risiken eingeht, wenn ihm auf dem Markt vergleichbare Produkte ohne entsprechende Risiken angeboten werden.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>91 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="91"/>2) Der Kläger kann daher den von ihr zum Erwerb des Fahrzeugs gezahlten Kaufpreis i.H.v. 53.093,28 EUR EUR von der Beklagten verlangen. Im Wege des Vorteilsausgleichs hat er allerdings das erworbene Fahrzeug und die gezogenen Nutzungen herauszugeben (vgl. nur LG Stuttgart, 05.04.2018 - 7 O 28/17; LG Bochum, 29.12.2017 – I-6 O 96/17, LG Würzburg, 23.02.2018 - 71 O 862/16, LG Stuttgart, 30.10.2018 - 23 O 108/18 jeweils zum „<em>VW-Abgasskandal“</em>).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>92 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="92"/>Unstreitig hat der Kläger das Fahrzeug als Neuwagen erworben. Zur Überzeugung des Gerichts steht ferner fest, dass die Kilometerlaufleistung zum Schluss der mündlichen Verhandlung (11.12.2018) 166.342 km betrug (§ 286 Abs. 1 ZPO). Der Klägervertreter hat im Termin zur mündlichen Verhandlung am 11.12.2018 ein tagesaktuelles Lichtbild (worauf sich eine tagesaktuelle Zeitung befand) vorgelegt, welches mit den Parteien in Augenschein genommen wurde, und auf dem ein Kilometerstand von 166.342 km zu sehen war. Zwar hat die Beklagte mit Nichtwissen bestritten, dass es sich bei dem Lichtbild um eine Lichtbildaufnahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs handele. Zur Überzeugung des Gerichts steht jedoch fest, dass auf dem in Augenschein genommenen Lichtbild der Tachometer des streitgegenständlichen Fahrzeugs abgelichtet war (§ 286 Abs. 1 ZPO). So hat der Klägervertreter bestätigt, dass der Kläger das Lichtbild seinem Sekretariat übermittelt und dieses das Lichtbild sodann an ihn weitergeleitet habe. Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei dem Lichtbild nicht um eine Aufnahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs handelte, bestehen für das Gericht vernünftigerweise nicht, zumal die Laufleistung des streitgegenständlichen PKW zum Zeitpunkt der Klageerhebung unstreitig 158.300 km betrug, weshalb eine Laufleistung i.H.v. 166.342 km zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung auch plausibel erscheint.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>93 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="93"/>Der Nutzungsvorteil errechnet sich aus dem Bruttokaufpreis von 53.093,28 EUR (Anl. K 17, Bl. 143 d.A.) multipliziert mit der seit Vertragsschluss gefahrenen Laufleistung des Fahrzeugs zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (11.12.2018) von 166.342 km geteilt durch die vom Gericht gemäß § 287 ZPO unter Zugrundelegung einschlägiger Vergleichswerte (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 13. Aufl., Rn. 3574) geschätzte Restlaufleistung. Das Gericht schätzt gemäß § 287 ZPO, dass ein Dieselfahrzeug des streitgegenständlichen Typs eine Gesamtfahrleistung von 250.000 km hat. Dies bedeutet, dass der Kläger insgesamt einen Nutzungsvorteil i.H.v. 35.326,56 EUR gezogen hat, der in Abzug zu bringen ist, sodass ein Anspruch i.H.v. <strong>17.766,72 EUR</strong> (53.093,28 EUR - 35.326,56 EUR) besteht.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>94 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="94"/>Da der Kläger zuletzt einen Anspruch i.H.v. 25.361,98 EUR geltend macht, war die Klage insoweit im Übrigen abzuweisen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>95 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="95"/>g) Der Kläger ist auch - entgegen der Rechtsansicht der Beklagten - Eigentümer des streitgegenständlichen Fahrzeugs und mithin aktivlegitimiert.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>96 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="96"/>Der Kläger hat die am 04.04.2014 fällige Schlussrate unstreitig bezahlt, weshalb ihm das Fahrzeug - unstreitig - von der Mercedes Benz Bank AG übereignet worden ist. Ferner stünde eine fehlende Eigentümerstellung des Klägers einem Anspruch aus § 826 BGB ohnehin nicht entgegen. Dies hätte allenfalls Auswirkungen auf die Vollstreckung, da es dem Kläger in diesem Fall (vorübergehend) nicht möglich wäre, seine Zug-um Zug Verpflichtung zu erfüllen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>97 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="97"/>2. Dem Kläger steht überdies auch ein Anspruch aus §§ 831 Abs. 1 S. 1, 249 BGB zu.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>98 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="98"/>a) Selbst wenn man entgegen dem Vorstehenden davon ausgehen würde, dass weder ein Vorstand im aktienrechtlichen Sinne, noch ein sonstiger Repräsentant i.S.v. § 31 BGB bei der Beklagten von der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung im hier maßgeblichen Zeitpunkt Kenntnis hatte, dann würde die Beklagte dem Kläger gleichwohl in der vorgenannten Weise auf Schadensersatz haften. Denn die Entwicklung und Freigabe des Motors samt der unzulässigen Abschalteinrichtung für die Serienproduktion erfolgte bei der Beklagten letztlich auf der Arbeitsebene unterhalb der Repräsentanten. Es muss hier denknotwendig einen oder höchstwahrscheinlich sogar mehrere Mitarbeiter (Entwicklungsingenieure) bei der Beklagten gegeben haben, die von der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung ("<em>Thermofenster</em>") Kenntnis hatten. Diese Mitarbeiter sind Verrichtungsgehilfen der Beklagten i.S.v. § 831 Abs. 1 S. 1 BGB.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>99 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="99"/>b) Sie haben den Kläger gem. § 826 BGB vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt (vgl. oben II. 1.), denn ihnen musste klar sein, dass der von ihnen entwickelte Motor mit der unzulässigen Abschalteinrichtung nicht den gesetzlichen Vorschriften entsprach. Hierfür bedurfte es keiner komplizierten rechtlichen Prüfungen. Auch einem rechtlichen nicht weiter Vorgebildeten leuchtet unmittelbar ein, dass eine Abschalteinrichtung, die bei üblichen Umweltbedingungen (insbesondere bei regelmäßig auftretende Außentemperaturen, die nahezu das gesamte Jahr über in der EU herrschen) eingreift und zu einer deutlichen Reduktion der Abgasrückführung führt und weit über die gesetzlichen Grenzwerte hinausgehende Abgasemissionen bedingt, der gesetzlichen Regelung der EG (VO) 715/2007 zuwiderläuft.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>100 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="100"/>c) Den Entwicklungsingenieuren war auch klar, dass der Motor samt der unzulässigen Abschalteinrichtung mit Beginn der Serienfertigung in Fahrzeugen mit EG-Typengenehmigung Verwendung finden würde. Damit nahmen sie auch eine Schädigung der jeweiligen Fahrzeugerwerber billigend in Kauf, da ihnen klar war, dass bei Aufdeckung der Manipulation mit behördlichen Maßnahmen zu rechnen war. Dies genügt für den erforderlichen Schädigungsvorsatz (vgl. nur Palandt/<em>Sprau</em>, BGB, 77. Auflage 2018, § 826, Rn. 11). Das Handeln der Entwicklungsingenieure als bewusstes Täuschungsverhalten (Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung) genügt schon an sich für das Vorliegen der Sittenwidrigkeit (vgl. Palandt/<em>Sprau</em>, BGB, 77. Auflage 2018, § 826, Rn. 20; Reinking-Eggert, Der Autokauf, 13. Aufl. 2017, Rn. 1898d). Vorliegend treten jedoch, wie oben bereits ausgeführt noch weitere Umstände hinzu, die bei einer Gesamtwürdigung in jedem Fall zur Sittenwidrigkeit führen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>101 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="101"/>d) Den nach § 831 Abs. 1 S. 2 BGB zulässigen Entlastungsbeweis hat die Beklagte nicht geführt.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>102 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="102"/>e) Nach § 831 Abs. 1 S. 1 BGB steht damit dem Kläger (ebenfalls) der zuerkannte Schadensersatzanspruch zu.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>103 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="103"/>3. Letztlich wäre hinsichtlich der Frage, wer wann Kenntnis von der Entwicklung und dem Vertrieb des streitgegenständlichen Motors mit der streitgegenständlichen Abschalteinrichtung hatte, sogar eine Wahlfeststellung möglich und auch im Zivilrecht zulässig (BGH, Urteil vom 23. Juni 1987 - VI ZR 188/86, juris, Rn. 12): Zumindest entweder Vorstände im aktienrechtlichen Sinne, sonstige Repräsentanten i.S.v. § 31 BGB oder einfache Mitarbeiter als Verrichtungsgehilfen i.S.v. § 831 Abs. 1 S. 1 BGB hatten die Kenntnis und damit letztlich den Schädigungsvorsatz gem. § 826 BGB. Die Beklagte würde daher in jedem Fall auf Schadensersatz haften, wobei offen bleiben könnte, bei wem genau die Kenntnis vorlag. Für den vorliegenden Fall kommt es darauf allerdings nicht an, da wie dargelegt die Kenntnis der Vorstände als zugestanden gilt und außerdem auch von einer Kenntnis von Verrichtungsgehilfen auszugehen ist.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>104 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="104"/>4. Der Kläger hat gegen die Beklagte ferner einen Anspruch auf Rückabwicklung des streitgegenständlichen Kaufvertrages über den PKW Mercedes Benz E250 und damit auf Rückzahlung i.H.v. 17.766,72 EUR Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs aus §§ 433, 434 Abs. 1, 437 Nr. 2 Alt. 1, 323 Abs. 1, 440, 346 Abs. 1, 348 BGB.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>105 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="105"/>Zwischen den Parteien wurde ein wirksamer Kaufvertrag über den streitgegenständlichen PKW geschlossen (Anl. K 16, Bl. 140 ff. d.A.).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>106 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="106"/>Der Kläger ist wirksam mit Schreiben vom 23.07.2018 (Anl. K 18, Bl. 147 ff d.A.) gemäß §§ 434 Abs. 1, 437 Nr. 2 Alt. 1, 323 Abs. 1, 440, 349 BGB vom Vertrag zurückgetreten. Ein Käufer kann vom Kaufvertrag zurücktreten, wenn die Kaufsache bei Gefahrübergang einen Sachmangel aufweist, der Käufer dem Verkäufer, wenn diese nicht ausnahmsweise entbehrlich ist, erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat und der Mangel nicht unerheblich ist. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>107 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="107"/>b) Der streitgegenständliche PKW weist einen Sachmangel im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB auf, weil er aufgrund der unzulässigen Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007, welche die Abgasrückführung bei (üblichen) Außentemperaturen reduziert, nicht die Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen gleicher Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten darf. Denn der Durchschnittskäufer eines Neufahrzeugs kann und wird berechtigterweise davon ausgehen, dass das Fahrzeug nicht über eine unzulässige Abschalteinrichtung verfügt und ggf. aus diesem Grund ein Entzug der Typenzulassung droht.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>108 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="108"/>1) Insoweit resultiert die Mangelhaftigkeit nicht etwa daraus, dass die unter Laborbedingungen (Prüfstandlauf) gemessenen Werte im alltäglichen Straßenverkehr nicht eingehalten werden, sondern basiert darauf, dass das System der Abgasrückführung bereits bei normalen Außentemperaturen signifikant reduziert wird, wodurch die gesetzlichen Abgasgrenzwerte um ein Vielfaches überschritten werden. Der Käufer eines Neuwagens kann erwarten, dass das Fahrzeug über keine unzulässige Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 verfügt. Ferner kann der Käufer erwarten, dass die auf dem Prüfstand ermittelten Werte nach dem dafür vorgesehenen Verfahren zustandekommen, ohne dass das Abgasrückführungssystem im realen Fahrbetrieb bei veränderten Umweltbedingungen (Außentemperaturen), eine Veränderung des Abgasverhaltens hervorruft. Denn es ist Sinn und Zweck des Prüfstandverfahrens, die Abgaswerte bei einer durchschnittlichen Fahrweise durch Imitation bestimmter standardisierter Straßensituation abzubilden. Daher ist eine Abschalteinrichtung, die eine solche Abbildung verhindert und dadurch für den Alltagsbetrieb ein Maß an Abgasreinigung vortäuscht, dass tatsächlich nicht erreicht wird, ein Sachmangel (vgl. LG Dortmund, Urteil vom 12. Mai 2016, 25 O 6/16 - juris; LG Stuttgart, Urteil vom 30. Juni 2017, 20 O 425/16, jeweils zum „<em>VW-Abgasskandal</em>“).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>109 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="109"/>2) Denn nur bei einem Fahrzeug, das auch beim normalen bestimmungsgemäßen Gebrauch die Abgasrückführung nicht reduziert, besteht die Gewähr dafür, dass die Vermeidung schädlicher Emissionen im Straßenverkehr mit derselben Effektivität wie auf dem Prüfstand erfolgt (vgl. auch LG Bochum, Urteil vom 16. März 2016, 2 O 425/15 - juris). Diese berechtigte Erwartung des Käufers wird durch die im streitgegenständlichen Fahrzeug installierte unzulässige Abschalteinrichtung enttäuscht.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>110 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="110"/>c) Die in der Lieferung des mangelhaften PKW liegende Pflichtverletzung ist auch nicht im Sinne von § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB unerheblich, so dass der Rücktritt nicht ausgeschlossen ist. Dies wäre nur dann der Fall, wenn der Mangel geringfügig ist. Dabei ist auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung des Käufers abzustellen. Zur Beurteilung der Frage, ob eine Pflichtverletzung unerheblich ist, bedarf es einer umfassenden Interessenabwägung auf der Grundlage des Einzelfalls (BGH NJW 2014, 3229). Der BGH stellt unter anderem auf die Kosten der Mangelbeseitigung ab. Danach ist im Rahmen der nach den Umständen des Einzelfalles vorzunehmenden Interessenabwägung von einer Unerheblichkeit der Pflichtverletzung in der Regel dann nicht mehr auszugehen, wenn der Mangelbeseitigungsaufwand mehr als 5 % des Kaufpreises beträgt (BGH, a.a.O.). Allerdings handelt es sich hierbei nicht um einen starren Grenzwert.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>111 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="111"/>1) Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass für das streitgegenständliche Fahrzeug schon keine „<em>Nachbesserung“ </em>in Form eines Software-Updates angeboten wird, weil es (derzeit) nicht von einem Rückruf des KBA betroffen ist.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>112 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="112"/>2) Selbst wenn die Beklagte ein Software-Update entwickeln oder sog. „<em>Hardware-Lösungen</em>“ anbieten sollte, ist die Pflichtverletzung erheblich. Es ist zu berücksichtigen, dass ein etwaiges Software-Update erst entwickelt werden müsste und dass für die technische Vorbereitung der Mangelbeseitigung vorliegend ein nicht unerheblicher zeitlicher Vorlauf notwendig wäre, wie sich auch aus dem Vergleich zum „<em>VW-Abgasskandal</em>“ zeigt. Demnach kann vorliegend der Mangel nach umfassender Interessenabwägung nicht als unerheblich angesehen werden.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>113 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="113"/>d) Eine Fristsetzung nach § 323 Abs. 1 BGB zur Nacherfüllung war gemäß § 440 Satz 1, 3. Alt. BGB entbehrlich, da dem Kläger entgegen der Auffassung der Beklagten die Nacherfüllung unzumutbar war. Für die Beurteilung, ob die Nacherfüllung für den Käufer unzumutbar ist, sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Zuverlässigkeit des Verkäufers, eine nachhaltige Störung des Vertrauensverhältnisses der Parteien, die Art der Sache und der Zweck, für den der Verbraucher sie benötigt, die Art des Mangels und die Begleitumstände der Nacherfüllung. Die Unzumutbarkeit ist allein aus der Perspektive des Käufers zu beurteilen, eine Interessenabwägung findet nicht statt (vgl. BGH, Urt. v. 15.04.2015, VIII ZR 80/14).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>114 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="114"/>1) Die Unzumutbarkeit eines Nacherfüllungsverlangens ergibt sich vorliegend daraus, dass die Durchführung der Nachbesserung für den Kläger im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung zeitlich nicht absehbar war. Zwar könnte man zugunsten der Beklagten berücksichtigen, dass etwaige Nachbesserungsmaßnahmen – die nach Angaben der Beklagten für das streitgegenständliche Fahrzeug jedoch schon mangels Rückrufs durch das KBA gar nicht in Aussicht gestellt werden - mit dem KBA abgestimmt werden müssten und eine Vielzahl an PKW beträfen. Das reine Abstellen auf diese Faktoren würde aber die Interessen des Klägers unangemessen zurückstellen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>115 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="115"/>Vorliegend war der Beklagten im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung am 23.07.2018 die Mangelbeseitigung nämlich noch nicht möglich, weil ein etwaiges Software-Update nicht zur Verfügung stand und ein solches (wohl) auch nicht geplant ist, da das streitgegenständliche Fahrzeug schon nicht vom Rückruf durch das KBA betroffen ist. Ein Umrüsttermin, um die unzulässige Abschalteinrichtung zu beseitigen, sei es durch ein Software-Update oder eine „<em>Hardware-Lösung</em>“ wird dem Kläger also nicht einmal in Aussicht gestellt. Für den Kläger bedeutete dies, dass die Nachbesserung im - maßgeblichen - Zeitpunkt der Rücktrittserklärung (und selbst noch im Termin der mündlichen Verhandlung) zeitlich völlig ungewiss war (LG Bückeburg Urt. v. 11.1.2017 – 2 O 39/16).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>116 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="116"/>2) Nicht tragend für die Entscheidung ist mangels Beklagten-Updates anzumerken, dass auch in den Fällen, in denen das KBA einen Rückruf von Fahrzeugen anordnet und der Hersteller - die Beklagte - ein Software-Update zur Verfügung stellt, eine Fristsetzung entbehrlich ist. Auch in diesem Fall ist die Nachbesserung dem Kläger schon deshalb unzumutbar, weil er die begründete Befürchtung hegen durfte, dass – selbst wenn es für das streitgegenständliche Fahrzeug ein Software-Update geben sollte - dieses entweder nicht erfolgreich sein oder zu Folgemängeln führen würde. Es war vorliegend zum Zeitpunkt des Rücktritts, auf den allein abzustellen ist, nicht auszuschließen, dass ein etwaiges Update negative Auswirkungen auf die übrigen Emissionswerte, den Kraftstoffverbrauch und die Motorleistung haben würde. Im Gegenteil, derartige Befürchtungen wurden gerichtsbekannt auch von Fachleuten im Hinblick auf den „<em>VW-Abgasskandal</em>“ mehrfach öffentlich geäußert und beruhten auf der naheliegenden Überlegung, warum der Hersteller nicht schon bei der Entwicklung der Motoren zur Erstellung einer entsprechenden Software in der Lage gewesen sei bzw. warum der Hersteller nicht schon viel früher, nämlich schon weit vor Bekanntwerden des Abgasskandals, die Entwicklung eines Software-Updates unternommen habe.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>117 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="117"/>3) Ein solcher berechtigter Mangelverdacht reicht aus, um dem Kläger die Nachbesserung unzumutbar zu machen (vgl. BGH, Urt. v. 09.03.2011, VIII ZR 266/09). Es genügt nämlich grundsätzlich nicht, einen Mangel abzustellen, wenn dafür ein anderer Mangel entsteht. Dass dies geschehen wird, muss der Kläger nicht beweisen oder auch nur als sicher eintretend behaupten. Seine Interessen sind vielmehr schon hinreichend beeinträchtigt, wenn er aus Sicht eines verständigen Kunden konkrete tatsächliche Anhaltspunkte für die Möglichkeit anderer Mängel hat. Das ist für sogenannte Montagsautos anerkannt und beruht dort auf der Überlegung, dass ein Auto, das schon einige Mängel zeigte, mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit (aber nicht mit Sicherheit), weitere Mängel aufweisen wird (vgl. BGH, Urt. v. 23.01.2013, VIII ZR 140/12).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>118 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="118"/>4) Es verbleibt ferner die Tatsache, dass die Beklagten an keiner Stelle die Gewähr für die Nachbesserung übernehmen bzw. eine solche nicht explizit angeboten haben. Dann kann die Klägerseite hierauf aber auch nicht verwiesen werden.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>119 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="119"/>5) Zusammenfassend bleibt festzuhalten:</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>120 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="120"/>Die Nacherfüllung ist für den Kläger in den Fällen, in denen ein Software-Update schon nicht angeboten wird bereits deshalb unzumutbar, da die Nachbesserung im maßgeblichen Zeitpunkt der Rücktrittserklärung zeitlich völlig ungewiss war.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>121 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="121"/>In den Fällen, in denen ein Fahrzeug vom Rückruf durch das KBA betroffen ist und eine Nachbesserung in Form eines Software-Updates erfolgen soll, ist eine Nachbesserung deshalb unzumutbar, weil die begründete Befürchtung besteht, dass dieses entweder nicht erfolgreich sein oder zu Folgemängeln führen werde.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>122 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="122"/>e) Gemäß § 346 Abs. 1 BGB sind im Falle des Rücktritts die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben. Danach hat die Beklagte den Kaufpreis von 53.093,28 EUR zu erstatten. Dem stehen die im Wege des Wertersatzes zu erstattenden Nutzungen von 35.326,56 EUR gegenüber, § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB, sodass dem Kläger ein Anspruch i.H.v. <strong><span style="text-decoration:underline">17.766,72 EUR</span></strong> zusteht (siehe zur Berechnung oben unter II. Ziff. 1 f).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>123 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="123"/>5. Schließlich kann der Kläger gemäß §§ 826, 831, 240 sowie nach §§ 437 Nr. 3,433, 434, 280 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB als Schadensersatz auch die von ihm geleisteten Darlehenszinsen i.H.v. <strong>1.707,51 EUR</strong> verlangen, die ihm zur Finanzierung des Kaufpreises entstanden sind (Anl. K 17, Bl. 143 d.A.).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>124 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="124"/>6. Dem Kläger stehen gegenüber der Beklagten schließlich auch <strong>Zinsen</strong> i.H.v. <strong>11.573,04 EUR</strong> für den Zeitraum vom 01.05.2011 bis zum 31.08.2018 und weitere Zinsen i.H.v. 4 % aus einem Betrag i.H.v. 54.800,79 EUR seit 01.09.2018 nach § 849 BGB zu.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>125 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="125"/>a. Nach § 849 BGB kann der Verletzte, sofern wegen der Entziehung einer Sache der Wert oder wegen der Beschädigung einer Sache die Wertminderung zu ersetzen ist, Zinsen des zu ersetzenden Betrags von dem Zeitpunkt an verlangen, welcher der Bestimmung des Wertes zugrunde gelegt wird.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>126 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="126"/>§ 849 BGB erfasst jeden Sachverlust durch ein Delikt. Auch wenn der Schädiger den Geschädigten durch eine unerlaubte Handlung dazu bestimmt, eine Sache wegzugeben oder darüber zu verfügen, entzieht er sie ihm. § 849 BGB ist nach seinem Wortlaut nicht auf die Wegnahme beschränkt und verlangt nicht, dass die Sache ohne oder gegen den Willen des Geschädigten entzogen wird. Der Geschädigte muss auch nicht im Besitz der Sache gewesen sein. Eine Beschränkung auf den Verlust einer Sache ohne oder gegen den Willen des Geschädigten widerspräche auch dem Normzweck von § 849 BGB. Der Zinsanspruch soll mit einem pauschalierten Mindestbetrag den Verlust der Nutzbarkeit einer Sache ausgleichen, der durch den späteren Gebrauch derselben oder einer anderen Sache nicht nachgeholt werden kann. Der Geschädigte verliert die Sachnutzung gleichermaßen, wenn ihm eine Sache ohne seinen Willen entwendet wird und wenn er durch eine unerlaubte Handlung dazu gebracht wird, sie wegzugeben oder darüber zu verfügen (BGH, 26.11.2007 - II ZR 167/06).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>127 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="127"/>b. Dem Kläger ist eine Sache entzogen worden. Sache im Sinne von § 849 BGB ist auch Geld. § 849 BGB ist nicht durch § 90 BGB, wonach nur körperliche Gegenstände Sachen im Sinne des Gesetzes sind, auf die Entziehung von Bargeld beschränkt. Der Zweck des § 849 BGB, den später nicht nachholbaren Verlust der Nutzbarkeit einer Sache auszugleichen, erfasst jegliche Form von Geld. Von den Nutzungen eines hingegebenen Geldbetrags ist der Geschädigte nicht nur ausgeschlossen, wenn er mit Bargeld bezahlt hat, sondern auch, wenn er eine Zahlung auf andere Art und Weise geleistet hat. Auch wirtschaftlich besteht kein Unterschied zwischen der Übergabe von Bargeld, der Übergabe eines Schecks, der Einzahlung von Bargeld und einer Überweisung auf ein Konto (BGH, 26.11.2007 - II ZR 167/06; vgl. auch BGH, 12.06.2018 - KZR 55/16).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>128 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="128"/>c. Wer demnach durch eine unerlaubte Handlung dazu bestimmt wird, Geld zu überweisen oder zu übergeben, kann vom Schädiger eine Verzinsung nach § 849 BGB beanspruchen (vgl. zu § 849 BGB betreffend den „<em>VW-Abgasskandal“ </em>auch LG Essen, 04.09.2017 - 16 O 245/16).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>129 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="129"/>d. Dies ist der Fall. Die Beklagte hat den Kläger durch eine unerlaubte Handlung nach § 826 BGB zur Bezahlung des Kaufpreises bestimmt, weshalb der Kläger eine Verzinsung des Kaufpreises nach § 849 BGB verlangen kann.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>130 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="130"/>Die Zinsen des Kaufpreises betragen im geltend gemachten Zeitraum vom 01.05.2011 bis 31.08.208 - unstreitig - 11.573,04 EUR. Ferner kann der Kläger weitere Zinsen i.H.v. 4 Prozent seit 01.09.2018 aus einem Betrag i.H.v. 54.800,79 EUR (Kaufpreis i.H.v. 53.093,28 EUR zuzüglich Darlehenszinsen i.H.v. 1.707,51 EUR) verlangen.</td></tr></table>
<table><tr><td>III.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>131 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="131"/>Der Feststellungsantrag in Klageantrag Ziff. 2 ist begründet.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>132 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="132"/>Die Beklagte Ziff. 1 befindet sich mit der Rücknahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs gemäß § 293 BGB im Annahmeverzug. Da Leistungsort im Falle der Rückabwicklung der Ort ist, an dem sich die Kaufsache befindet, genügt gemäß § 295 BGB das „wörtliche“ Angebot des Klägers im Rahmen des Anwaltsschreibens vom 23.07.2018 (Anl. K 18, Bl. 147 ff. d.A.), den Kaufpreis Zug um Zug gegen Rückübereignung des Fahrzeugs zurückzubezahlen.</td></tr></table>
<table><tr><td>IV.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>133 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="133"/>Der Klageantrag Ziff. 3 ist teilweise begründet und war im Übrigen abzuweisen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>134 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="134"/>Der Kläger hat gemäß § 826 bzw. § 831 Abs. 1 S. 1, 249 BGB gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten i.H.v. <strong>1.100,51 EUR.</strong></td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>135 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="135"/>Der Schadensersatzanspruch nach § 826 bzw. 831 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB erfasst auch die erforderlichen Kosten einer Rechtsverfolgung. Hierbei hat das Gericht einen Gegenstandswert in Höhe der zugesprochenen Klageforderung der Hauptsache (17.766,72 EUR) zugrunde gelegt und eine 1,3-fache Geschäftsgebühr, die Auslagenpauschale und die Umsatzsteuer angesetzt.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>136 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="136"/>Da es sich vorliegend um ein Massenverfahren handelt, bei dem der wesentliche Aufwand beim Klägervertreter gleichzeitig für eine Vielzahl von Verfahren anfällt, und es sich bei den eingereichten Schriftsätzen ausschließlich um Textbausteine handelt, die überdies im Wesentlichen keinen entscheidungserheblichen Sachvortrag enthalten, ist ein höherer Ansatz als der Mittelsatz von 1,3 für die Geschäftsgebühr (Nr. 2300 Anlage 1 VV RVG) nicht gerechtfertigt. Die Sach- und Rechtslage ist weder umfangreich noch schwierig i.S.d. Nr. 2300 Anlage 1 VV RVG.</td></tr></table>
<table><tr><td>V.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>137 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="137"/>Der Klageantrag Ziff. 4 ist i.H.v. 1.423,26 EUR begründet, weil in dieser Höhe zwischen dem ursprünglichen (26.785,24 EUR) und dem zuletzt mit Klageantrag Ziff. 1 geltend gemachten Zahlbetrag (25.361,98 EUR) die Erledigung der Hauptsache eingetreten ist.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>138 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="138"/>Eine - hier teilweise - Erledigung der Hauptsache liegt dann vor, wenn die eingereichte Klage zulässig und begründet war, aber durch ein nach Eintritt der Rechtshängigkeit eingetretenes Ereignis gegenstandslos geworden ist.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>139 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="139"/>Das ist hier der Fall. Der Antrag Ziff. 1 war zunächst in von voller Höhe zulässig und begründet, weil der Anspruch auf Rückzahlung des vollen Kaufpreises bestand. Denn es findet keine automatische Verrechnung des Anspruchs auf Rückzahlung des Kaufpreises mit dem Anspruch des Käufers auf Nutzungsersatz statt, vielmehr muss der Verkäufer letzteren geltend machen. Nichts anderes gilt auch für den Anspruch nach § 826 BGB. Teilweise unbegründet wurde die Klage insoweit mithin erst, als und nachdem die Beklagte im Rechtsstreit mit ihrem Vorbringen auf S. 21 der Klageerwiderung unter Ziff. 18 (Bl. 352 d.A.) geltend macht, der Kläger müsse sich eine Nutzungsentschädigung für die von ihm zwischenzeitlich gefahrenen Kilometer anrechnen lassen. Der Verkäufer/Schädiger ist nicht gezwungen aufzurechnen, sondern kann sich darauf beschränken, den ihm zustehenden Gegenanspruch auf Nutzungsersatz im Wege der Einrede geltend zu machen (OLG Stuttgart, 06.09.2017 - 4 U 105/17 m.w.N.).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>140 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="140"/>Zum Zeitpunkt der Klageerhebung betrug der Kilometerstand unstreitig 158.300 km. Im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung lag der Kilometerstand bei 166.342 km (s.o.).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>141 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="141"/>Die anzurechnende Nutzungsentschädigung betrug damit unter Anwendung der o.g. (II. Ziff. 1 f) Formel zum Zeitpunkt der Klageerhebung 33.618,66 EUR und zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung 35.326,56 EUR, sodass sich der Rechtsstreit i.H.v. 1.707,90 EUR teilweise erledigt hat. Der Kläger hat den Rechtsstreit jedoch lediglich - aufgrund einer von ihm infolge höherer Restlaufzeit niedriger berechneten Nutzungsentschädigung - i.H.v. 1.423,26 EUR für erledigt erklärt, woran das Gericht nach § 308 Abs. 1 ZPO gebunden war.</td></tr></table>
<table><tr><td>VI.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>142 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="142"/>Soweit der nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 10.01.2019 neues (nicht nachgelassenen) Tatsachenvorbringen enthält, gab dieses keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.</td></tr></table>
<table><tr><td>VII.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>143 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="143"/>Der Beklagten war schließlich auch nicht - wie von der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 11.12.2018 beantragt - eine Stellungnahmefrist i.S.d. § 139 Abs. 5 ZPO zu gewähren. Das Gericht hat der Beklagten bereits mit Verfügung vom 26.11.2018 (Bl. 354 d.A.) die Möglichkeit gewährt, zum dort erteilten Hinweis, insbesondere betreffend das sog. „<em>Thermofenster“,</em> näher vorzutragen. Ferner hat der Kläger mit Schriftsatz vom 05.12.2018 neues Vorbringen zum „<em>Thermofenster“ </em>vorgetragen. Hierauf konnte die Beklagte gemäß § 283 ZPO - was auch erfolgt ist - mit nachgelassenem Schriftsatz vom 10.01.2019 ohnehin Stellung nehmen.</td></tr></table>
<table><tr><td>VIII.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>144 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="144"/>Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>145 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="145"/>Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 709 S. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.</td></tr></table>
</td></tr></table>
<h2>Gründe</h2>
<table><tr><td> </td><td> </td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>24 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="24"/>Die Klage ist zulässig (dazu I.) und aus dem im Tenor ersichtlichen Umfang begründet (II.).</td></tr></table>
<table><tr><td>I.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>25 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="25"/>1. Die im Termin vom 11.12.2018 (Bl. 419) einseitig gebliebene teilweise Erledigungserklärung des Klägers stellt einen Antrag auf Feststellung der teilweisen Erledigung der Hauptsache (Klageantrag Ziff. 4) dar, wobei es sich um eine nach § 264 Nr. 2 ZPO privilegierte Klageänderung handelt, nämlich um eine Antragsbeschränkung durch einen Übergang von einem Leistungsantrag zu einem Feststellungsantrag (OLG Stuttgart, 06.09.2017 - 4 U 105/17). Das nötige Feststellungsinteresse i.S.d. § 256 Abs. 1 ZPO bezüglich des Klageantrags Ziff. 4 folgt daraus, dass der Kläger andernfalls insoweit die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hätte.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>26 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="26"/>2. Für den Klageantrag Ziff. 2 bezüglich der Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten mit der Rücknahme des Fahrzeugs besteht das Feststellungsinteresse angesichts der mit der Feststellung verbundenen Vereinfachung und Beschleunigung des Zugriffs in der Zwangsvollstreckung (vgl. §§ 756 Abs. 1, 765 Nr. 1 ZPO).</td></tr></table>
<table><tr><td>II.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>27 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="27"/>Die Klage ist im Klageantrag Ziff. 1 aus dem im Tenor ersichtlichen Umfang begründet.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>28 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="28"/>Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 826 BGB (dazu 1.), gemäß § 831 Abs. 1 S. 1 BGB (dazu 2.), wobei zwischen den Ansprüchen aus § 826 BGB und § 831 BGB die Möglichkeit der Wahlfeststellung besteht (dazu 3.), und §§ 433, 434 Abs. 1, 437 Nr. 2 Alt. 1, 323 Abs. 1, 440, 346 Abs. 1, 348 BGB (dazu 4.) i.H.v. <span style="text-decoration:underline">17.766,72 EUR</span>. Ferner hat der Kläger Anspruch auf Zahlung von <span style="text-decoration:underline">Darlehenszinsen i.H.v. 1.707,51 EUR </span>(dazu 5.) sowie weiteren <span style="text-decoration:underline">Zinsen i.H.v. 11.573,04 EUR</span> und <span style="text-decoration:underline">weiteren Zinsen</span> aus einem Betrag von 54.800,79 EUR in Höhe von 4 % pro Jahr seit dem 01.09.2018 (dazu 6.).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>29 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="29"/>1. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung aus § 826 BGB (vgl. auch LG Stuttgart, 27.11.2018 - 7 O 265/18 ebenfalls zum „<em>Thermofenster“,</em> sowie LG Stuttgart, 14.08.2018 - 23 O 80/18, LG Stuttgart, 16.11.2017 - 19 O 34/17, LG Stuttgart, 05.04.2018 - 7 O 28/17, jeweils zum „<em>VW-Abgasskandal</em>“).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>30 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="30"/>Das Fahrzeug verfügt über eine unzulässige Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 (dazu a). Der Kläger hat deshalb einen Schaden erlitten (b), welcher durch ein Verhalten der Beklagten entstanden (c) und welches als sittenwidrig zu qualifizieren ist (d). Die Beklagte hat dabei vorsätzlich gehandelt (e). Aufgrund dessen hat der Kläger einen Anspruch auf Schadensersatz i.H.v. 17.766,72 EUR (f).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>31 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="31"/>a) Die Beklagte hat das vom Kläger erworbene Fahrzeug gebaut und eine EG-Typengenehmigung beantragt, die formal erteilt wurde, obwohl das Fahrzeug über eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 verfügt, die der Zulassung entgegenstand.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>32 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="32"/>1) Nach Art. 4 Abs. 1 EG-VO 715/2007 weist der Hersteller nach, dass alle von ihm verkauften, zugelassenen oder in der Gemeinschaft im Betrieb genommenen Neufahrzeuge über eine Typengenehmigung gemäß dieser Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen verfügen. Nach Art. 5 Abs. 1 EG-VO 715/2007 rüstet der Hersteller das Fahrzeug so aus, dass die Bauteile, die das Emissionsverhalten voraussichtlich beeinflussen, so konstruiert, gefertigt und montiert sind, dass das Fahrzeug <span style="text-decoration:underline">unter normalen Betriebsbedingungen</span> dieser Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen entspricht. Nach Abs. 2 der Vorschrift ist die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die diese Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, grundsätzlich unzulässig.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>33 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="33"/>Art. 3 Nr. 10 EG-VO 715/2007 definiert eine Abschalteinrichtung als ein Konstruktionsteil, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl (UpM), den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlass, oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu <span style="text-decoration:underline">verändern</span>, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter <span style="text-decoration:underline">Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind</span>, verringert wird.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>34 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="34"/>Das streitgegenständliche Fahrzeug verfügt über eine solche Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 3 Nr. 10 EG-VO 715/2007.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>35 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="35"/>(1) Anzumerken ist zunächst, dass selbst die Untersuchungskommission des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) bezüglich des Vorhandenseins eines Thermofensters zu folgendem Ergebnis kommt:</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>36 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="36"/><em>„Alle Hersteller nutzen aber Abschalteinrichtungen gemäß der Definition in Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007“</em></td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>37 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="37"/>(Bericht der Untersuchungskommission „<em>Volkswagen</em>“, Stand April 2016, S. 119 unter C. II. 4.).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>38 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="38"/>(2) Unstreitig verfügt das streitgegenständliche Fahrzeug – wie offenbar eine Vielzahl der Motoren diverser Hersteller, und zwar unabhängig davon, ob sie von einem Rückruf des KBA betroffen sind – über ein sog. Thermofenster.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>39 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="39"/>So ist im streitgegenständlichen Fahrzeug eine Technologie zur Reduktion des Stickoxidausstoßes (NOx) vorhanden. Dabei kommt die sog. Abgasrückführung zum Einsatz. Bei der Abgasrückführung wird ein Teil des Abgases zurück in das Ansaugsystem des Motors geführt und nimmt erneut an der Verbrennung teil. Die Abgasrückführung wird dabei bei kühleren Temperaturen – unstreitig - zurückgefahren. Bei welchen konkreten Außentemperaturen letztendlich eine Reduktion der Abgasrückführung erfolgt, kann letztendlich dahinstehen. Anzumerken ist lediglich, dass die Beklagte - trotz Hinweises in der richterlichen Verfügung vom 26.11.2018 (Bl. 354 d.A.) und des Sachvortrags des Klägers im Rahmen der Klageschrift vom 08.10.2018 (Bl. 1 ff. d.A.) und im Schriftsatz vom 05.12.2018 (Bl. 359 ff. d.A) - nicht näher dazu vorträgt, bei welchen Außentemperaturen bereits erstmals (offenbar 7° Celsius) eine Reduzierung der Abgasrückführung eintritt und in welchem konkreten Maß. Die hierzu getätigten Ausführungen der Beklagten im nachgelassenen Schriftsatz vom 10.01.2019 sind (wohl bewusst) vage gehalten (Reduzierung der Abgasrückführung um „<em>bis zu 45 %</em>“).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>40 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="40"/>(3) Sofern die Abgasrückführung - wie im nachgelassenen Schriftsatz der Beklagten vom 10.01.2019 vorgetragen und zugunsten der Beklagten sogar als wahr unterstellt - bei einer Außentemperatur von 7° C oder darunter betriebspunktabhängig um bis zu <strong>45 %</strong> reduziert wird, stellt dies eine Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 3 Nr. 10 EG-VO 715/2007 dar, da gerade das Abgasrückführungssystem bzw. eine Software die Außentemperatur erkennt und die Funktion des Emissionskontrollsystems <span style="text-decoration:underline">verändert</span> - unabhängig davon in welchem Maß - oder sogar deaktiviert, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems infolge der Reduktion der Abgasrückführung unter normalen Bedingungen des Fahrzeugbetriebs verringert wird. Die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems wird eben durch das entsprechende System an die Fahr- und Umweltbedingungen, die bei normalen Fahrbetrieb herrschen, angepasst. Unerheblich ist dabei, in welchem Maß eine Verringerung der Abgasrückführung erfolgt, da Art. 3 Nr. 10 EG-VO 715/2007 eine solche Differenzierung nicht erlaubt und schlicht jede Veränderung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems als Abschalteinrichtung zu qualifizieren ist, zumal eine Reduzierung um bis zu 45 % ohnehin als erheblich einzustufen wäre (vgl. auch <em>Prof. Dr. Martin Führ</em>, Gutachterliche Stellungnahme für den Deutschen Bundestag – 5. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode; <em>derselbe</em> in NVwZ 2017, 265; ferner auch die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags „<em>Abschalteinrichtungen in Personenkraftwagen</em>“, Az: WD 7 – 3000 – 031/16, S. 18).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>41 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="41"/>(4) Anders als die Beklagte meint, wird mit der „<em>Auslegung der Abgasrückführung die innermotorische Emissionskontrolle für die jeweiligen Betriebszustände“ </em>nicht erst „<em>definiert“, </em>weshalb es sich nach Ansicht der Beklagten um keine Abschalteinrichtung handele (S. 7 des Schriftsatzes der Beklagten vom 11.01.2019). Dieser Argumentationsversuch läuft darauf hinaus, den in der Verordnung nicht definierten Begriff des „<em>Emissionskontrollsystems</em>“ aus dem Kontext der Begriffsbestimmung der „<em>Abschalteinrichtung</em>“ herauszulösen und ihm einen eigenen, engeren Gehalt zuzuweisen. Für eine solche Sichtweise müsste es in der Verordnung besondere Anhaltspunkte geben. Daran fehlt es aber. Im Gegenteil: Die Unterscheidung „<em>innermotorisch</em>“ und „<em>Emissionskontrolle</em>“ widerspricht dem Wortlaut der Definition der „<em>Abschalteinrichtung</em>“, denn die in Art. 3 Nr. 10 EG (VO) 715/2007 aufgezählten Parameter umfassen alle technischen Vorgänge (darunter mit der „<em>Motordrehzahl</em>“ einen eindeutig innermotorischer Faktor), die auf Entstehen und Verminderung der Emissionen einwirken. Dafür spricht auch die Begriffsbestimmung in Art. 3 Nr. 11 EG (VO) 715/2007. Sie definiert „<em>emissionsmindernde Einrichtung</em>“ als „<em>die Teile eines Fahrzeugs, die die Auspuff- und Verdunstungsemissionen eines Fahrzeugs regeln und/oder begrenzen.</em>“ Steuerungsvorgänge, die innermotorisch wirken, tragen dazu bei, die Auspuffemissionen zu regeln, sie sind daher Teil des Emissionskontrollsystems. Die vorgetragene Differenzierung findet somit im Verordnungstext keine Stütze (so überzeugend<em> Prof. Führ</em> in: NVwZ 2017, 265 (266)).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>42 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="42"/>Die Funktion des Emissionskontrollsystems wird vorliegend also - abhängig von der Umgebungstemperatur - dadurch verändert, dass die Abgasrückführungsrate um bis zu 45 % reduziert wird. Dies stellt eine Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 3 Nr. 10 EG (VO) 715/2007 dar.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>43 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="43"/>2) Eine solche Abschalteinrichtung ist nur dann ausnahmsweise zulässig, wenn die Einrichtung notwendig ist, um den Motor vor Beschädigung zu schützen (Art. 5 Abs. 2 lit. a) EG-VO 715/2007). Dies ist vorliegend <span style="text-decoration:underline">nicht</span> der Fall.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>44 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="44"/>Zwar wird im Abschlussbericht der Untersuchungskommission „<em>Volkswagen“</em> des BMVI ausgeführt, dass „<em>unter Berufung auf den Motorschutz die Verwendung von Abschalteinrichtungen letztlich stets dann gerechtfertigt werden könnte, wenn von Seiten des Fahrzeugherstellers nachvollziehbar dargestellt wird, dass ohne die Verwendung einer solchen Einrichtung dem Motor Schaden droht, sei dieser auch noch so klein</em>“.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>45 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="45"/>(Bericht der Untersuchungskommission „<em>Volkswagen</em>“, Stand April 2016, S. 123 unter D. I. 2.).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>46 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="46"/>Eine solche Auslegung der gesetzlichen Vorgaben hat jedoch keine rechtliche Grundlage (so überzeugend und mit erheblicher Kritik am Abschlussbericht der Untersuchungskommission des BMVI: <em>Klinger</em>, Rechtsgutachten zum Stand der Umsetzung der Verordnung (EG) Nr. 715/2007, der Durchführungsverordnung 692/2008, der Richtlinie 2007/46/EG und der Regelung Nr. 83 der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UN/ECE), erstellt zum Beweisbeschluss SV-4 des 5. Untersuchungsausschusses der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestags, 29. September 2016, dort S. 24).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>47 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="47"/>Im Einzelnen:</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>48 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="48"/>(1) Die EG (VO) 715/2007 wurde ausweislich von Erwägungsgrund 1 erlassen, um die technischen Vorschriften für die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich ihrer Emissionen zu harmonisieren. Ziel ist die Sicherstellung eines hohen Umweltschutzniveaus auf europäischer Ebene. Zur Verbesserung der Luftqualität und zur Einhaltung der Luftverschmutzungsgrenzwerte war nach Auffassung des EU-Gesetzgebers insbesondere eine erhebliche Minderung der Stickstoffoxidemissionen bei Dieselfahrzeugen erforderlich. Das Senken der Emissionen von Kraftfahrzeugen ist Teil einer Gesamtstrategie. Um die Ziele der EU für die Luftqualität zu erreichen, sind nach seiner Einschätzung fortwährende Bemühungen zur Senkung von Kraftfahrzeugemissionen erforderlich, weshalb die Industrie klare Informationen über die künftigen Emissionsgrenzwerte erhalten soll.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>49 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="49"/>(2) Wie alle Ausnahmeregelungen ist auch die Vorschrift des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 EG-VO 715/2007 <span style="text-decoration:underline">sehr eng</span> auszulegen. Wer als Fahrzeughersteller von dem Verbot abweichen will, muss dies besonders rechtfertigen. Eine Notwendigkeit i.S.d. Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 liegt insbesondere dann <span style="text-decoration:underline">nicht</span> vor, wenn sich die Abschalteinrichtung durch <span style="text-decoration:underline">Konzeption, Konstruktion oder Werkstoffwahl</span> vermeiden lässt.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>50 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="50"/>Der Verordnungsgeber ist bei dem Begriff der „<em>Notwendigkeit</em>“ i.S.d. Art. 5 Abs. 2 lit. a) EG-VO 715/2007 bewusst über die entsprechende Regelung in Ziffer 2.1.6 Satz 2 der zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Emissionsgrundverordnung geltenden Fassung der UN/ECE-Regelung Nr. 83 hinausgegangen, in der zum Verneinen einer verbotenen Abschalteinrichtung bereits als ausreichend angesehen wurde, wenn „<em>die Notwendigkeit der Nutzung der Einrichtung mit dem Schutz des Motors vor Beschädigungen oder Unfällen und der Betriebssicherheit des Fahrzeugs begründet wird</em>“. Im Vergleich zu diesem allein auf eine vorgenommene Begründung abstellenden Wortlaut der Regelung Nr. 83 hat der Verordnungsgeber bei der Emissionsgrundverordnung mit dem Begriff der „<em>Notwendigkeit</em>“ einen <span style="text-decoration:underline">strengeren, objektivierbaren Maßstab</span> gewählt (so auch die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags „<em>Abschalteinrichtungen in Personenkraftwagen</em>“, Az: WD 7 – 3000 – 031/16, S. 13).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>51 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="51"/>(3) Es ist demnach nicht schon ausreichend, dass überhaupt individuell technische Situationen auftreten, in denen die Abschalteinrichtung zum Motorschutz oder zum sicheren Betrieb erforderlich ist, sondern darüber hinaus wäre unter Einbeziehung der zu dieser technischen Situation führenden Gründe erforderlich, dass auch diese notwendigerweise vorliegen, also generell unvermeidbar sind (diese Auslegung befürwortend auch die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags „<em>Abschalteinrichtungen in Personenkraftwagen</em>“, Az: WD 7 – 3000 – 031/16, S. 14 f.).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>52 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="52"/>(4) Unzweifelhaft nicht notwendig im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 2 lit. a) EG-VO 715/2007 ist eine solche Abschalteinrichtung, die aus Motorschutzgesichtspunkten <span style="text-decoration:underline">ununterbrochen arbeitetet</span> und damit den Zielsetzungen der Verordnung hinsichtlich einer eindämmenden Kontrolle der Emissionswerte im Straßenbetrieb und einem grundsätzlichen Verbot von Abschalteinrichtungen komplett zuwiderläuft.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>53 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="53"/>Dem entsprechend sprechen die überwiegenden Gründe dafür, dass das Eingreifen einer Abschalteinrichtung grundsätzlich nicht auf die Privilegierung von Artikel 5 Absatz 2 Satz 2 lit. a) EG-VO 715/2007 gestützt werden kann, wenn sie unter Bedingungen eingreift, die zu den üblichen, alltäglichen Nutzungsbedingungen eines betreffenden Kraftfahrzeugs im Sinne eines Normalgebrauchs zu zählen sind. Eine Privilegierung einer Abschalteinrichtung aufgrund von Artikel 5 Absatz 2 Satz 2 lit. a) EG-VO 715/2007 kommt zudem dann grundsätzlich <span style="text-decoration:underline">nicht</span> in Betracht, wenn <span style="text-decoration:underline">aufgrund andersartiger Konstruktion oder durch den Einsatz zusätzlicher Bauteile das Abschalten des Emissionskontrollsystems unter Motorschutzgesichtspunkten entbehrlich würde</span>. Für eine solche technische Entbehrlichkeit einer Abschalteinrichtung ließe sich in praxi etwa anführen, wenn nach dem Stand der Technik Konstruktionen bekannt und <span style="text-decoration:underline">möglich</span> sind, die das Abschalten des Emissionskontrollsystems entbehrlich machen, wofür namentlich sprechen kann, dass vergleichbare Motoren anderer Hersteller ohne entsprechend agierende Abschalteinrichtung auskommen, ohne dass der Motor Schaden nimmt. Auch die Möglichkeit des Einsatzes anderer oder weiterer technischer Varianten von Emissionskontrollsystemen spräche dafür, bei Verzicht auf dieselben seitens des Herstellers mangels Notwendigkeit keine Privilegierung aufgrund von Artikel 5 Absatz 2 Satz 2 lit. a) EG-VO 715/2007 greifen zu lassen (vgl. die überzeugende Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags „<em>Abschalteinrichtungen in Personenkraftwagen</em>“, Az: WD 7 – 3000 – 031/16, S. 15 f).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>54 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="54"/>(5) Die auf den Schutz des Motors abzielende Privilegierung nach Artikel 5 Absatz 2 Satz 2 lit. a) EG-VO 715/2007 bietet deshalb grundsätzlich keine taugliche Rechtsgrundlage dafür, eine Abschalteinrichtung regelmäßig auch bei solchen Betriebsbedingungen, die bei normalem, bestimmungsgemäßem Gebrauch eines Personenkraftwagens typischerweise eintreten, legal greifen zu lassen. Dies gilt insbesondere auch für den Betrieb bei niedrigen Umgebungstemperaturen. Neben Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 sind auch die im Typzulassungs-Regelwerk enthaltenen Spezialvorschriften zu beachten. Für Dieselfahrzeuge legt Art. 3 Nr. 9 DurchführungsVerordnung EG (VO) 692/2008 fest, innerhalb welches Zeitraums bei einem Kaltstart des Motors die volle Funktionsfähigkeit gewährleistet sein muss. Danach haben die Hersteller der Genehmigungsbehörde zu belegen, dass die NOx-Nachbehandlungseinrichtung nach einem Kaltstart bei – 7 °C innerhalb von 400 Sekunden eine für das ordnungsgemäße Arbeiten ausreichend hohe Temperatur erreicht. Die Genehmigungsbehörde darf in diesem Zusammenhang deshalb keine Typgenehmigung erteilen, wenn die vorgelegten Angaben nicht hinreichend nachweisen, dass die Nachbehandlungseinrichtung tatsächlich innerhalb des genannten Zeitraums eine für das ordnungsgemäße Funktionieren ausreichend hohe Temperatur erreicht. <span style="text-decoration:underline">Mit dieser Nachweispflicht hat der Verordnungsgeber für Fahrzeuge klargestellt, dass es für ein daneben bestehendes Thermofenster bei niedrigen Temperaturen keine Rechtfertigung geben kann</span>. Hersteller, die gleichwohl die Funktionsweise der Abgasbehandlung herabsetzen, verstoßen gegen die Vorgaben der Durchführungs-Verordnung (so auch überzeugend die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags „<em>Abschalteinrichtungen in Personenkraftwagen</em>“, Az: WD 7 – 3000 – 031/16, S. 18 und<em> Prof. Dr. Martin Führ</em>, Gutachterliche Stellungnahme für den Deutschen Bundestag – 5. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode, S. 3 dort Ziff. 7).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>55 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="55"/>3) Gemessen daran, ist die streitgegenständliche Abschalteinrichtung in Form eines Thermofensters nach Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 unzulässig.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>56 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="56"/>Die Beklagte behauptet zwar, das streitgegenständliche Thermofenster sei zum Bauteilschutz notwendig. Begründet wird dies mit einer sog. Versottungsgefahr. Damit kann die Beklagte aus den oben genannten Gründen nicht gehört werden. Die Beklagte trägt im Rahmen der ihr obliegenden sekundären Darlegungslast schon nicht vor, dass die Versottungsgefahr durch andere technische Maßnahmen – unabhängig davon, ob diese wirtschaftlich deutlich teurer wären – verhindert werden könnte, weshalb auch die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht veranlasst war, da bereits der Vortrag der Beklagten den Ausnahmetatbestand des Art. 5 Abs. 2 lit. a) EG (VO) nicht eingreifen lässt.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>57 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="57"/>Ferner wird das System der Abgasrückführung - wie die Beklagte vorträgt - bereits bei Außentemperaturen von 7° Celsius und darunter um bis zu 45 % zurückgefahren, wobei der Vortrag der Beklagten - mangels fehlender Klarstellung trotz Hinweises in der richterlichen Verfügung vom 26.11.2018 (Bl. 354 d.A.) - nahelegt, dass die Abgasrückführung ggf. schon bei höheren Außentemperaturen als bei 7° C Celsius reduziert wird.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>58 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="58"/>Bei einer Jahresdurchschnittstemperatur z.B. in Stuttgart von 10 Grad Celsius oder beispielsweise in den in der EU liegenden Städten Helsinki von 4,8 Grad Celsius und in Tallin von 4,5 Grad Celsius handelt es sich bei der Maßnahme (Veränderung des Emmissionskontrollsystems durch Reduzierung der Abgasrückführung bei Außentemperaturen von jedenfalls 7° Celsius) nahezu um einen Dauerbetrieb. Dass eine solche Abschalteinrichtung für den EU-Gesetzgeber erkennbar nicht als legal gelten sollte, liegt auf der Hand. Die Beklagte hat gerade nicht dargelegt, dass es sich um eine bloße „<em>Ausnahme</em>“ handelt, die zwingend notwendig ist, den Motor vor (erheblichen) Beschädigungen zu schützen <span style="text-decoration:underline">und andere technische Lösungen, nach der jeweils besten verfügbaren Technik nicht vorhanden sind</span>. Vielmehr hat die Beklagte – wie wohl auch andere Automobilhersteller – das Regel-Ausnahmeverhältnis des Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2008 (bewusst) ins Gegenteil verkehrt.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>59 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="59"/>4) Das Gericht möchte dabei auch überhaupt nicht in Abrede stellen, dass ggf. eine solche Versottungsgefahr - wie von der Beklagten behauptet - bestehen mag. Allerdings rechtfertigt diese noch nicht den Ausnahmetatbestand des Art. 5 Abs. 2 lit. a) EG-VO 715/2007, da eben schon nicht dargelegt ist, dass diese Versottungsgefahr technisch nicht durch andere Maßnahmen, die ggf. teurer wäre, verhindert werden könnte, ohne dass hierzu eine Reduzierung der Abgasrückführung erforderlich wäre.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>60 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="60"/>Das Gericht sieht sich zu folgenden (wiederholenden) Klarstellungen veranlasst:</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>61 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="61"/>Selbst wenn die Abgasrückführung bei einer Außentemperatur von 7° Celsius und darunter um bis zu 45 % reduziert wird, weil andernfalls eine sog. Versottung eintrete, führt dies nicht zur Zulässigkeit der Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 5 Abs. 2 lit. a) EG-VO Nr. 715/2007. Wie oben dargelegt, bietet die Vorschrift des Art. 5 Abs. 2 lit. a) EG-VO 715/2007 unter Hinweis auf Art. 3 Nr. 9 DurchführungsVerordnung gerade keine Rechtfertigung für ein darüber hinaus gehendes Thermofenster, das nahezu ununterbrochen arbeitet. Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 differenziert insoweit auch nicht nach dem Grad der Reduzierung der Abgasrückführung, sondern verbietet eine Abschalteinrichtung - mit Ausnahme der in Art. 5 Abs. 2 EG (VO) genannten Tatbestände - schlechthin. Selbst wenn also - wie die Beklagte selbst vorträgt - bei Außentemperaturen von unter 7° Celsius bereits die Abgasrückführung reduziert wird, stellt dies bei den in der EU vorherrschenden Jahresdurchschnittstemperaturen nahezu einen durchgängigen Regelbetrieb dar, den der EU-Gesetzgeber zweifellos - auch nicht zum Zwecke des Motorschutzes - als legal greifen lassen wollte.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>62 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="62"/>Ferner führt das Gericht erneut aus, dass der Ausnahmetatbestand des Art. 5 Abs. 2 EG (VO) 715/2007 sehr eng auszulegen ist. Die Automobilhersteller können sich daher - aus den geschilderten Gründen - allenfalls dann auf den Ausnahmetatbestand des Art. 5 Abs. 2 lit. a) EG (VO) (<em>Motorschutz) </em>berufen, wenn andere technische Lösungen, nach der jeweils besten verfügbaren Technik, und zwar unabhängig davon ob diese wirtschaftlich deutlich teurer wären, nicht vorhanden sind. Dies hat die Beklagte trotz ihrer sekundären Darlegungslast schon nicht behauptet.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>63 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="63"/>5) Unerheblich ist auch, ob das KBA und das BMVI die Zulässigkeit von Abschalteinrichtungen durch sogenannte Thermofenster (zum Teil) bejahen. Dies bindet die Parteien im hiesigen Rechtsstreit nicht. Ferner sind die dazu im Untersuchungsbericht Volkswagen zur Rechtfertigung dieser Praxis durch das Bundesministerium herangezogenen Argumente aus den oben genannten Gründen nicht nachvollziehbar. Es drängt sich daher der Verdacht auf, dass das Ergebnis der Untersuchungskommission allein politisch motiviert war (so mit (noch) deutlicheren Worten und schärferer Kritik:<em> Klinger</em>, Rechtsgutachten zum Stand der Umsetzung der Verordnung (EG) Nr. 715/2007, der Durchführungsverordnung 692/2008, der Richtlinie 2007/46/EG und der Regelung Nr. 83 der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UN/ECE), erstellt zum Beweisbeschluss SV-4 des 5. Untersuchungsausschusses der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestags, 29. September 2016, dort S. 29).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>64 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="64"/>6) Nicht gehört werden kann die Beklagte schließlich damit, dass für das streitgegenständliche Fahrzeug ein bestandskräftiger Verwaltungsakt hinsichtlich der EG-Typengenehmigung vorliege. Ein solcher Verwaltungsakt wirkt lediglich zwischen den Beteiligten des dortigen Verfahrens und bindet vorliegend nicht den Kläger. Ferner übersieht die Beklagte, dass streitgegenständlich nicht die Frage ist, ob für das hiesige Fahrzeug eine wirksame EG-Typengenehmigung besteht. Anknüpfungspunkt der Haftung nach §§ 826, 831 BGB ist, dass die Beklagte ein Fahrzeug entwickelt und hergestellt hat, welches über eine unzulässige Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 5 Abs. 1, 2 EG (VO) 715/2007 verfügt, die einer Zulassung entgegenstand, weshalb ein nachträglicher Entzug der Zulassung jedenfalls droht. Deshalb ist letztendlich auch nicht entscheidend, ob das Fahrzeug von einem Rückruf durch das KBA betroffen ist oder nicht.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>65 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="65"/>b) Der Kläger hat durch den Erwerb des streitgegenständlichen Fahrzeugs einen Schaden erlitten (vgl. nur LG Stuttgart, 21.08.2018 - 23 O 92/18; LG Bochum, 29.12.2017 - I-6 O 96/17, LG Köln, 18.07.2017 – 22 O 59/17, LG Würzburg, 23.02.2018 – 71 O 862/16, LG Stuttgart, 05.04.2018 - 7 O 28/17).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>66 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="66"/>1) Der eingetretene Schaden im Verhältnis des Klägers zur Beklagten liegt bereits in dem Abschluss des Vertrages, der jedenfalls zu den damaligen Bedingungen von dem Kläger nach Überzeugung des Gerichts so in der Form bei Kenntnis aller Umstände nicht abgeschlossen worden wäre (so im Ergebnis auch LG Stuttgart, 26.09.2018 – 23 O 95/18, LG Hildesheim, 17.01.2017 - 3 O 139/16; LG Paderborn, 07.04.2017 - 2 O 118/16; LG Kleve, 31.03.2017 - 3 O 252/16; LG Bochum, 13.07.2017 – 8 O 366/16, jeweils zum „<em>VW-Abgasskandal</em>“).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>67 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="67"/>2) Ein Schaden aufgrund einer sittenwidrigen Schädigung ist grundsätzlich im Rahmen der Differenzhypothese zu ermitteln, das heißt durch ein Gegenüberstellen der jetzigen Vermögenslage des Geschädigten und derjenige, die ohne eine Schädigung bestehen würde. Es kann jedoch ein Schaden auch dann vorliegen, wenn eigentlich eine objektive Werthaltigkeit der vertraglichen Gegenleistung vorliegt. Die Differenzhypothese muss nämlich stets einer normativen Kontrolle unterzogen werden, weil sie eine wertneutrale Rechenoperation darstellt. Der Schadensersatz dient aber dazu, den konkreten subjektiven Vermögensnachteil des Geschädigten auszugleichen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>68 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="68"/>Insoweit genügt jede Schadenszufügung im weitesten Sinne, also jede nachteilige Einwirkung auf die Vermögenslage in ihrer Gesamtheit und zwar in dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene eine Entscheidung zu Lasten seines Vermögens trifft. Dabei ist auch eine subjektbezogene Betrachtung heranzuziehen. Nach dem subjektbezogenen Schadensbegriff stellt auch der Abschluss eines Rechtsgeschäftes, welches nicht den Zielen des Geschädigten entspricht, einen Schaden im Rahmen des § 826 BGB dar, ohne dass es im Ergebnis darauf ankäme, ob die erhaltene Leistung wirtschaftlich betrachtet hinter der Gegenleistung zurückbleibt oder nicht bzw. ob nachfolgend ein Ausgleich erfolgt.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>69 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="69"/>Ein Schaden kann deshalb auch darin gesehen werden, dass jemand durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrages gebracht worden ist (BGH NJW-RR 2005, 611, 612). Es ist daher anerkannt, dass der Schaden auch darin liegen kann, dass ein – wäre eine Täuschung nicht erfolgt – ungewollter Vertrag abgeschlossen wird.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>70 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="70"/>3) Hier hat der Kläger ein Fahrzeug erworben, welches nicht seinen Vorstellungen entsprach und welches er, wenn er die tatsächlichen Hintergründe gekannt hätte, zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses so nicht erworben hätte. Der diesbezügliche Vermögensschaden des Klägers liegt darin, dass er in Unkenntnis des nicht gesetzeskonformen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung mit den sich daraus ergebenden Folgen – u.a. Sachmangel im Sinne des Gewährleistungsrechts - den streitgegenständlichen PKW erworben und damit einen ihm wirtschaftlich nachteiligen Vertrag geschlossen hat.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>71 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="71"/>Insoweit ist auch davon auszugehen, dass dann, wenn der Kläger die Hintergründe gekannt hätte, als verständiger Kunde kein Fahrzeug mit einer solchen unzulässigen Abschalteinrichtung und mit einem entsprechenden kaufrechtlichen Sachmangel erworben hätte. Wenn ihm vor dem Verkauf bekannt gewesen oder er von der Beklagten allgemein darauf hingewiesen worden wäre, dass allein mit der vorgenommenen Manipulation die diesbezügliche Typengenehmigung erlangt werden konnte und tatsächlich eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form eines sog. Thermofensters vorliegt, weshalb während nahezu des gesamten Jahreszeitraums (jedenfalls unstreitig ab 7° Celsius Außentemperatur) ein deutlich höherer Emissionsausstoß erfolgt und dies - wie gezeigt - rechtlich unzulässig ist, hätte der Kläger von einem Kaufvertrag Abstand genommen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>72 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="72"/>4) Der Kläger hat also aufgrund des hier abgeschlossenen Kaufvertrages nicht das bekommen, was ihm aufgrund des Kaufvertrages an sich zugestanden hätte, nämlich ein technisch einwandfreies, den gesetzlichen Bestimmungen vollständig entsprechendes Fahrzeug. Die Schädigung besteht zudem darin, dass durch den Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung das tatsächlich von dem Kläger erworbene und ihm übergebene Fahrzeug nach den kaufrechtlichen Regelungen ursprünglich mangelhaft war (dazu ausführlich unten unter 4.).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>73 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="73"/>Da jedoch ein Käufer stillschweigend davon ausgeht, dass ein erworbenes Fahrzeug mangelfrei ist und den gesetzlichen Vorschriften und Vorgaben entspricht, war die diesbezügliche Vorstellung bei dem Kläger falsch, da die Typengenehmigung durch den Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung nicht hätte erteilt werden dürfen und die gesetzlich vorgegebenen Werte nur bei ganz bestimmten Umweltbedingungen erreicht werden, die Grenzwerte im normalen Fahrbetrieb bei üblichen Umweltbedingungen (durchschnittliche Außentemperaturen) hingegen um ein Vielfaches überschritten werden, so dass im Ergebnis der Kläger mit dem Erwerb und der Übergabe eines solchen Fahrzeuges gegen Zahlung des Kaufpreises einen Schaden erlitten hat.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>74 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="74"/>c) Der Kläger hat diesen Schaden aufgrund eines Verhaltens der Beklagten erlitten. Erforderlich ist insoweit ein adäquat kausaler Zusammenhang unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Norm (BGH, 03.03.2008 – II ZR 310/06 –, Rn. 15, juris; MünchKommBGB/<em>Wagner</em>, 7. Aufl., § 826 Rn. 45 ff.). Ein adäquater Zusammenhang besteht, wenn eine Tatsache im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, ganz unwahrscheinlichen und nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen zur Herbeiführung eines Erfolges geeignet war. So liegt der Fall hier.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>75 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="75"/>1) Die Beklagte hat den Kläger konkludent darüber getäuscht, dass die Zulassung des Fahrzeuges zum Straßenverkehr und die Einstufung in die angegebene Schadstoffklasse gesetzmäßig erfolgten, während sie tatsächlich - infolge des unzulässigen Einbaus einer Abschalteinrichtung - erschlichen wurde. So hatte die Beklagte unter anderem auch das Fahrzeug des Klägers mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung in den Verkehr gebracht, ohne hierüber aufzuklären.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>76 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="76"/>2) Die Täuschung der Beklagten gegenüber allen (potenziellen) Käufern derartiger Fahrzeuge durch konkludentes Handeln liegt darin, dass ein Neuwagenkäufer grundsätzlich davon ausgehen kann, dass das erworbene Fahrzeug vollständig mangelfrei ist, den gesetzlichen Vorschriften genügt und ohne Einschränkung und ohne weitere zusätzliche spätere Maßnahmen am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen darf, wobei diese Vorstellungen in der Regel für den Kaufentschluss des jeweiligen Käufers wie auch des Klägers maßgeblich sind.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>77 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="77"/>Diese Vorstellungen eines Käufers wie dem Kläger war hier aufgrund der von der Beklagten vorgenommenen Manipulation in Form des Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung und der diesbezüglichen Täuschung falsch, da eine Typengenehmigung nach Art. 4 Abs. 1 EG-VO 715/2007 bei Offenlegung der unzulässigen Abschalteinrichtung in Form des sog. Thermofensters durch die Beklagte gegenüber der Genehmigungsbehörde (KBA) nicht hätte erteilt werden dürfen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>78 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="78"/>Diese Täuschung und die vorgenommene Manipulation der Beklagten war auch kausal für die Kaufentscheidung des Klägers (s.o.).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>79 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="79"/>d) Das Verhalten der Beklagten war sittenwidrig. Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. Dabei kann es auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Sie kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (BGH, 28.06.2016 – VI ZR 536/15 –, Rn. 16, juris). Bezüglich des Anstandsgefühls aller billig und gerecht Denkenden kommt es wesentlich auf die berechtigten Verhaltenserwartungen im Verkehr an (Staudinger/Oechsler, BGB [2014], § 826, Rn. 31).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>80 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="80"/>1) Gemessen daran ist das Verhalten der Beklagten als sittenwidrig zu qualifizieren. Die Beweggründe der Beklagten zur Vornahme der Manipulationen am Motor bzw. der Systeme der Abgassteuerung und Reinigung und der entsprechenden Täuschungen darüber waren entweder die Erzielung eines höheren Gewinns durch die Ersparnis von weiteren Entwicklungskosten oder aber die Unfähigkeit der Entwickler der Motoren, zu marktgerechten Preisen einen Motor zu entwickeln, der über keine unzulässige Abschalteinrichtung in Form eines Thermofensters verfügt. Die Beklagte nutzte bei ihrer Täuschung aus, dass der Endverbraucher darauf vertraut, dass ein Fahrzeug, das von einem Hersteller für den Verkauf freigegeben wurde, die Zulassungsprüfungen ordnungsgemäß durchlaufen hat und dementsprechend die gesetzlich vorgegebenen Bestimmungen erfüllt.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>81 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="81"/>2) Insoweit ist in diesem Rahmen zu berücksichtigen, dass die Beklagte in großem Umfang und mit erheblichem technischen Aufwand zentrale Zulassungsvorschriften ausgehebelt und zugleich ihre Kunden konkludent getäuscht hat. Sie hat dabei nicht nur die Vorschriften des Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 außer Acht gelassen, sondern mit der vorgenommenen Manipulation durch den Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung für alle davon betroffenen Fahrzeuge zugleich ein System zur planmäßigen Verschleierung ihres Vorgehens gegenüber den Aufsichtsbehörden einerseits sowie nachfolgend nach dem Inverkehrbringen der Fahrzeuge gegenüber den Verbrauchern andererseits geschaffen. Es lag also eine bewusste Täuschung der Aufsichtsbehörden einerseits und der Verbraucher andererseits vor, um die entsprechende Typengenehmigungen für die Fahrzeuge zu erhalten und diese dann so in Verkehr bringen zu können, um dadurch entsprechende Vertragsschlüsse der Händler mit Kunden herbeiführen zu können.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>82 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="82"/>3) Dabei ist die Beklagte bewusst verschleiernd und durch einen offensichtlich nur begrenzt einbezogenen Personenkreis vorgegangen, um diese Manipulation geheim zu halten, zumal diese Manipulation auch nur äußerst schwer zu entdecken war und so im normalen Verkehr mangels erkennbarer Auswirkungen eigentlich nicht aufgefallen wäre. Die Manipulation ist auf dem Prüfstand bei gleichbleibender Umgebungstemperatur nicht zu entdecken.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>83 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="83"/>4) Die Täuschung diente, andere Motive sind jedenfalls nicht ersichtlich, allein dem Zweck, zur Kostensenkung und möglicherweise auch zur Umgehung technischer Probleme bei der Entwicklung einer rechtlich und technisch einwandfreien, aber teureren Lösung der Abgasreinigung formal die Voraussetzungen für die Typgenehmigung zu erfüllen und mit Hilfe diese Manipulation umweltfreundliche Prüfvermerke veröffentlichen zu können, um dadurch entsprechende Wettbewerbsvorteile zu erlangen. Schon dieses Gewinnstreben um den Preis einer bewussten Täuschung und Benachteiligung von Behörden einerseits und Kunden andererseits gibt dem Handeln der Beklagten ein Gepräge der Sittenwidrigkeit. Ein solches zumindest auch die Verbraucher konkludent täuschendes Verhalten ist auch bei Anwendung eines durchschnittlichen Maßstabs als sittenwidrig anzusehen und verwerflich, da die Beklagte eben nicht nur die Aufsichts- und Prüfbehörden getäuscht, sondern durch ihr täuschendes Verhalten bei dem weiteren Inverkehrbringen der Fahrzeuge auch die Ahnungslosigkeit der unzähligen Verbraucher bewusst zu ihrem Vorteil ausgenutzt hat (vgl. LG Würzburg, 23.02.2018 – 71 O 862/16 zum "<em>VW-Abgasskandal"</em>).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>84 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="84"/>e) Auch die subjektiven Voraussetzungen für einen Anspruch aus § 826 BGB gegen die Beklagte sind zu bejahen. Die Beklagte hat den Kläger vorsätzlich geschädigt. Sie muss sich das Verhalten ihrer Repräsentanten, deren Wissen als zugestanden anzusehen ist, zurechnen lassen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>85 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="85"/>1) Der Kläger hat schlüssig vorgetragen, dass der Vorstand oder jedenfalls Teile des Vorstands der Beklagten Kenntnis von dem Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung, die zu gesetzwidrigen EG-Bescheinigungen geführt hat, gehabt haben.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>86 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="86"/>2) Dieser Vortrag ist auch naheliegend. Der Vorstand hat das Unternehmen den gesetzlichen Bestimmungen gemäß zu organisieren und zu führen (sog. Compliance). In diesem Zusammenhang muss davon ausgegangen werden, dass Berichtspflichten gegenüber dem Vorstand im Hinblick auf alle wesentlichen Entscheidungen eingerichtet sind und deren Einhaltung durch entsprechende Kontrollmaßnahmen gewährleistet ist. Insoweit ist es mehr als naheliegend, dass dem Vorstand oder Teilen des Vorstandes der Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung zur Erreichung der EG-Typengenehmigung sowie das Inverkehrbringen eines gesetzeswidrigen Fahrzeuges bekannt gewesen sind. Dies auch deshalb, weil die Abgasrückführung einer ganzen Motorenreihe für eine Vielzahl von Fahrzeugen hinsichtlich ihres Entwicklungsaufwandes in technischer und finanzieller Hinsicht eine wesentliche vom Vorstand zu treffende Entscheidung darstellt und die Verwendung einer solchen unzulässigen Abschalteinrichtung sämtliche in der EU zuzulassenden Fahrzeuge betrifft. Zu all diesen internen Vorgängen kann der Kläger als Käufer eines manipulierten Fahrzeugs naturgemäß nicht substantiiert vortragen, so dass die Beklagte eine sekundäre Darlegungslast dahingehend trifft, zu den internen Vorgängen im Zusammenhang mit der unzulässigen Abschalteinrichtung vorzutragen. Eine sekundäre Darlegungslast besteht dann, wenn der beweisbelasteten Partei näherer Vortrag nicht möglich oder zumutbar ist, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die beweisbelastete Partei außerhalb des von ihr vorzutragenden Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt, während der Gegner zumutbar nähere Angaben machen kann (vgl. BGH, 07.12.1998 - II ZR 266/97).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>87 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="87"/>3) Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Der Kläger kann nicht – wie oben ausgeführt – näher dazu vortragen, in welcher Organisationseinheit der Beklagten die unzulässige Abschalteinrichtung entwickelt, verwendet, verbaut worden ist, wer die Entscheidung dazu getroffen und wie die Entscheidung wann und an wen kommuniziert worden ist. Ein konkreterer Vortrag bezüglich einzelner Personen war nicht erforderlich. Insofern greifen die Grundsätze der sekundären Darlegungslast. Dagegen ist die Beklagte allein aus Compliance-Gesichtspunkten dazu verpflichtet, entsprechende Ermittlungsmaßnahmen zu ergreifen. Indem sie etwaige bisherige interne Ermittlungsergebnisse unter Verschluss hält, verstößt die Beklagte gegen ihre sekundäre Darlegungslast, so dass das Gericht davon ausgeht, dass der Vorstand der Beklagten Kenntnis von dem Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung hatte und das Inverkehrbringen entsprechend ausgerüsteter Motoren veranlasst hat, was auch mehr als naheliegend ist (ebenso: LG Köln, 18.07.2017 - 22 O 59/17; LG Hildesheim, 17.01.2017 - 3 O 139/16; LG Kleve, 31.03.2017 - 3 O 252/16, vgl. auch LG Stuttgart, 05.04.2018 - 7 O 28/17, LG Stuttgart, 30.10.2018 - 23 O 108/18 jeweils zum "<em>VW-Abgasskandal</em>").</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>88 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="88"/>4) Durch das bewusste Inverkehrbringen der gesetzwidrig ausgestatteten Fahrzeuge ist auch von einem entsprechenden Schädigungsvorsatz auszugehen. Der Vorstand der Beklagten hat eine Schädigung der Vermögensinteressen der Käufer zumindest billigend in Kauf genommen. Bei dem Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung kam es der Beklagten bzw. ihrem Vorstand darauf an, Umsatz und Gewinn zu steigern. Andere Gründe sind nicht ersichtlich. Dabei haben sie es in Kauf genommen, ihren Kunden über das Vertriebsnetz von Vertragshändlern nicht-gesetzeskonforme Fahrzeuge zu verkaufen und auf diese Weise ihren Kunden wirtschaftlichen Schaden zuzufügen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>89 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="89"/>f) Gemäß §§ 826, 249 BGB kann der Kläger von der Beklagten Schadensersatz i.H.v. <strong><span style="text-decoration:underline">17.766,72 EUR</span></strong> verlangen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>90 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="90"/>1) Der Kläger ist nach § 249 Abs. 1 BGB so zu stellen, als ob das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre. Aufgrund der genannten Umstände steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger das Fahrzeug nicht erworben hätte, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass die EG-Typgenehmigung unter Einsatz einer unzulässigen Abschalteinrichtung erteilt wurde und daher die Stilllegung im Falle eines Widerrufs der Zulassung drohte. Hierfür spricht die allgemeine Lebenserfahrung, dass niemand unnötig derartig erhebliche Risiken eingeht, wenn ihm auf dem Markt vergleichbare Produkte ohne entsprechende Risiken angeboten werden.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>91 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="91"/>2) Der Kläger kann daher den von ihr zum Erwerb des Fahrzeugs gezahlten Kaufpreis i.H.v. 53.093,28 EUR EUR von der Beklagten verlangen. Im Wege des Vorteilsausgleichs hat er allerdings das erworbene Fahrzeug und die gezogenen Nutzungen herauszugeben (vgl. nur LG Stuttgart, 05.04.2018 - 7 O 28/17; LG Bochum, 29.12.2017 – I-6 O 96/17, LG Würzburg, 23.02.2018 - 71 O 862/16, LG Stuttgart, 30.10.2018 - 23 O 108/18 jeweils zum „<em>VW-Abgasskandal“</em>).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>92 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="92"/>Unstreitig hat der Kläger das Fahrzeug als Neuwagen erworben. Zur Überzeugung des Gerichts steht ferner fest, dass die Kilometerlaufleistung zum Schluss der mündlichen Verhandlung (11.12.2018) 166.342 km betrug (§ 286 Abs. 1 ZPO). Der Klägervertreter hat im Termin zur mündlichen Verhandlung am 11.12.2018 ein tagesaktuelles Lichtbild (worauf sich eine tagesaktuelle Zeitung befand) vorgelegt, welches mit den Parteien in Augenschein genommen wurde, und auf dem ein Kilometerstand von 166.342 km zu sehen war. Zwar hat die Beklagte mit Nichtwissen bestritten, dass es sich bei dem Lichtbild um eine Lichtbildaufnahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs handele. Zur Überzeugung des Gerichts steht jedoch fest, dass auf dem in Augenschein genommenen Lichtbild der Tachometer des streitgegenständlichen Fahrzeugs abgelichtet war (§ 286 Abs. 1 ZPO). So hat der Klägervertreter bestätigt, dass der Kläger das Lichtbild seinem Sekretariat übermittelt und dieses das Lichtbild sodann an ihn weitergeleitet habe. Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei dem Lichtbild nicht um eine Aufnahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs handelte, bestehen für das Gericht vernünftigerweise nicht, zumal die Laufleistung des streitgegenständlichen PKW zum Zeitpunkt der Klageerhebung unstreitig 158.300 km betrug, weshalb eine Laufleistung i.H.v. 166.342 km zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung auch plausibel erscheint.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>93 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="93"/>Der Nutzungsvorteil errechnet sich aus dem Bruttokaufpreis von 53.093,28 EUR (Anl. K 17, Bl. 143 d.A.) multipliziert mit der seit Vertragsschluss gefahrenen Laufleistung des Fahrzeugs zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (11.12.2018) von 166.342 km geteilt durch die vom Gericht gemäß § 287 ZPO unter Zugrundelegung einschlägiger Vergleichswerte (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 13. Aufl., Rn. 3574) geschätzte Restlaufleistung. Das Gericht schätzt gemäß § 287 ZPO, dass ein Dieselfahrzeug des streitgegenständlichen Typs eine Gesamtfahrleistung von 250.000 km hat. Dies bedeutet, dass der Kläger insgesamt einen Nutzungsvorteil i.H.v. 35.326,56 EUR gezogen hat, der in Abzug zu bringen ist, sodass ein Anspruch i.H.v. <strong>17.766,72 EUR</strong> (53.093,28 EUR - 35.326,56 EUR) besteht.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>94 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="94"/>Da der Kläger zuletzt einen Anspruch i.H.v. 25.361,98 EUR geltend macht, war die Klage insoweit im Übrigen abzuweisen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>95 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="95"/>g) Der Kläger ist auch - entgegen der Rechtsansicht der Beklagten - Eigentümer des streitgegenständlichen Fahrzeugs und mithin aktivlegitimiert.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>96 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="96"/>Der Kläger hat die am 04.04.2014 fällige Schlussrate unstreitig bezahlt, weshalb ihm das Fahrzeug - unstreitig - von der Mercedes Benz Bank AG übereignet worden ist. Ferner stünde eine fehlende Eigentümerstellung des Klägers einem Anspruch aus § 826 BGB ohnehin nicht entgegen. Dies hätte allenfalls Auswirkungen auf die Vollstreckung, da es dem Kläger in diesem Fall (vorübergehend) nicht möglich wäre, seine Zug-um Zug Verpflichtung zu erfüllen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>97 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="97"/>2. Dem Kläger steht überdies auch ein Anspruch aus §§ 831 Abs. 1 S. 1, 249 BGB zu.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>98 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="98"/>a) Selbst wenn man entgegen dem Vorstehenden davon ausgehen würde, dass weder ein Vorstand im aktienrechtlichen Sinne, noch ein sonstiger Repräsentant i.S.v. § 31 BGB bei der Beklagten von der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung im hier maßgeblichen Zeitpunkt Kenntnis hatte, dann würde die Beklagte dem Kläger gleichwohl in der vorgenannten Weise auf Schadensersatz haften. Denn die Entwicklung und Freigabe des Motors samt der unzulässigen Abschalteinrichtung für die Serienproduktion erfolgte bei der Beklagten letztlich auf der Arbeitsebene unterhalb der Repräsentanten. Es muss hier denknotwendig einen oder höchstwahrscheinlich sogar mehrere Mitarbeiter (Entwicklungsingenieure) bei der Beklagten gegeben haben, die von der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung ("<em>Thermofenster</em>") Kenntnis hatten. Diese Mitarbeiter sind Verrichtungsgehilfen der Beklagten i.S.v. § 831 Abs. 1 S. 1 BGB.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>99 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="99"/>b) Sie haben den Kläger gem. § 826 BGB vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt (vgl. oben II. 1.), denn ihnen musste klar sein, dass der von ihnen entwickelte Motor mit der unzulässigen Abschalteinrichtung nicht den gesetzlichen Vorschriften entsprach. Hierfür bedurfte es keiner komplizierten rechtlichen Prüfungen. Auch einem rechtlichen nicht weiter Vorgebildeten leuchtet unmittelbar ein, dass eine Abschalteinrichtung, die bei üblichen Umweltbedingungen (insbesondere bei regelmäßig auftretende Außentemperaturen, die nahezu das gesamte Jahr über in der EU herrschen) eingreift und zu einer deutlichen Reduktion der Abgasrückführung führt und weit über die gesetzlichen Grenzwerte hinausgehende Abgasemissionen bedingt, der gesetzlichen Regelung der EG (VO) 715/2007 zuwiderläuft.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>100 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="100"/>c) Den Entwicklungsingenieuren war auch klar, dass der Motor samt der unzulässigen Abschalteinrichtung mit Beginn der Serienfertigung in Fahrzeugen mit EG-Typengenehmigung Verwendung finden würde. Damit nahmen sie auch eine Schädigung der jeweiligen Fahrzeugerwerber billigend in Kauf, da ihnen klar war, dass bei Aufdeckung der Manipulation mit behördlichen Maßnahmen zu rechnen war. Dies genügt für den erforderlichen Schädigungsvorsatz (vgl. nur Palandt/<em>Sprau</em>, BGB, 77. Auflage 2018, § 826, Rn. 11). Das Handeln der Entwicklungsingenieure als bewusstes Täuschungsverhalten (Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung) genügt schon an sich für das Vorliegen der Sittenwidrigkeit (vgl. Palandt/<em>Sprau</em>, BGB, 77. Auflage 2018, § 826, Rn. 20; Reinking-Eggert, Der Autokauf, 13. Aufl. 2017, Rn. 1898d). Vorliegend treten jedoch, wie oben bereits ausgeführt noch weitere Umstände hinzu, die bei einer Gesamtwürdigung in jedem Fall zur Sittenwidrigkeit führen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>101 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="101"/>d) Den nach § 831 Abs. 1 S. 2 BGB zulässigen Entlastungsbeweis hat die Beklagte nicht geführt.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>102 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="102"/>e) Nach § 831 Abs. 1 S. 1 BGB steht damit dem Kläger (ebenfalls) der zuerkannte Schadensersatzanspruch zu.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>103 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="103"/>3. Letztlich wäre hinsichtlich der Frage, wer wann Kenntnis von der Entwicklung und dem Vertrieb des streitgegenständlichen Motors mit der streitgegenständlichen Abschalteinrichtung hatte, sogar eine Wahlfeststellung möglich und auch im Zivilrecht zulässig (BGH, Urteil vom 23. Juni 1987 - VI ZR 188/86, juris, Rn. 12): Zumindest entweder Vorstände im aktienrechtlichen Sinne, sonstige Repräsentanten i.S.v. § 31 BGB oder einfache Mitarbeiter als Verrichtungsgehilfen i.S.v. § 831 Abs. 1 S. 1 BGB hatten die Kenntnis und damit letztlich den Schädigungsvorsatz gem. § 826 BGB. Die Beklagte würde daher in jedem Fall auf Schadensersatz haften, wobei offen bleiben könnte, bei wem genau die Kenntnis vorlag. Für den vorliegenden Fall kommt es darauf allerdings nicht an, da wie dargelegt die Kenntnis der Vorstände als zugestanden gilt und außerdem auch von einer Kenntnis von Verrichtungsgehilfen auszugehen ist.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>104 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="104"/>4. Der Kläger hat gegen die Beklagte ferner einen Anspruch auf Rückabwicklung des streitgegenständlichen Kaufvertrages über den PKW Mercedes Benz E250 und damit auf Rückzahlung i.H.v. 17.766,72 EUR Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs aus §§ 433, 434 Abs. 1, 437 Nr. 2 Alt. 1, 323 Abs. 1, 440, 346 Abs. 1, 348 BGB.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>105 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="105"/>Zwischen den Parteien wurde ein wirksamer Kaufvertrag über den streitgegenständlichen PKW geschlossen (Anl. K 16, Bl. 140 ff. d.A.).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>106 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="106"/>Der Kläger ist wirksam mit Schreiben vom 23.07.2018 (Anl. K 18, Bl. 147 ff d.A.) gemäß §§ 434 Abs. 1, 437 Nr. 2 Alt. 1, 323 Abs. 1, 440, 349 BGB vom Vertrag zurückgetreten. Ein Käufer kann vom Kaufvertrag zurücktreten, wenn die Kaufsache bei Gefahrübergang einen Sachmangel aufweist, der Käufer dem Verkäufer, wenn diese nicht ausnahmsweise entbehrlich ist, erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat und der Mangel nicht unerheblich ist. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>107 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="107"/>b) Der streitgegenständliche PKW weist einen Sachmangel im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB auf, weil er aufgrund der unzulässigen Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007, welche die Abgasrückführung bei (üblichen) Außentemperaturen reduziert, nicht die Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen gleicher Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten darf. Denn der Durchschnittskäufer eines Neufahrzeugs kann und wird berechtigterweise davon ausgehen, dass das Fahrzeug nicht über eine unzulässige Abschalteinrichtung verfügt und ggf. aus diesem Grund ein Entzug der Typenzulassung droht.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>108 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="108"/>1) Insoweit resultiert die Mangelhaftigkeit nicht etwa daraus, dass die unter Laborbedingungen (Prüfstandlauf) gemessenen Werte im alltäglichen Straßenverkehr nicht eingehalten werden, sondern basiert darauf, dass das System der Abgasrückführung bereits bei normalen Außentemperaturen signifikant reduziert wird, wodurch die gesetzlichen Abgasgrenzwerte um ein Vielfaches überschritten werden. Der Käufer eines Neuwagens kann erwarten, dass das Fahrzeug über keine unzulässige Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 verfügt. Ferner kann der Käufer erwarten, dass die auf dem Prüfstand ermittelten Werte nach dem dafür vorgesehenen Verfahren zustandekommen, ohne dass das Abgasrückführungssystem im realen Fahrbetrieb bei veränderten Umweltbedingungen (Außentemperaturen), eine Veränderung des Abgasverhaltens hervorruft. Denn es ist Sinn und Zweck des Prüfstandverfahrens, die Abgaswerte bei einer durchschnittlichen Fahrweise durch Imitation bestimmter standardisierter Straßensituation abzubilden. Daher ist eine Abschalteinrichtung, die eine solche Abbildung verhindert und dadurch für den Alltagsbetrieb ein Maß an Abgasreinigung vortäuscht, dass tatsächlich nicht erreicht wird, ein Sachmangel (vgl. LG Dortmund, Urteil vom 12. Mai 2016, 25 O 6/16 - juris; LG Stuttgart, Urteil vom 30. Juni 2017, 20 O 425/16, jeweils zum „<em>VW-Abgasskandal</em>“).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>109 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="109"/>2) Denn nur bei einem Fahrzeug, das auch beim normalen bestimmungsgemäßen Gebrauch die Abgasrückführung nicht reduziert, besteht die Gewähr dafür, dass die Vermeidung schädlicher Emissionen im Straßenverkehr mit derselben Effektivität wie auf dem Prüfstand erfolgt (vgl. auch LG Bochum, Urteil vom 16. März 2016, 2 O 425/15 - juris). Diese berechtigte Erwartung des Käufers wird durch die im streitgegenständlichen Fahrzeug installierte unzulässige Abschalteinrichtung enttäuscht.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>110 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="110"/>c) Die in der Lieferung des mangelhaften PKW liegende Pflichtverletzung ist auch nicht im Sinne von § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB unerheblich, so dass der Rücktritt nicht ausgeschlossen ist. Dies wäre nur dann der Fall, wenn der Mangel geringfügig ist. Dabei ist auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung des Käufers abzustellen. Zur Beurteilung der Frage, ob eine Pflichtverletzung unerheblich ist, bedarf es einer umfassenden Interessenabwägung auf der Grundlage des Einzelfalls (BGH NJW 2014, 3229). Der BGH stellt unter anderem auf die Kosten der Mangelbeseitigung ab. Danach ist im Rahmen der nach den Umständen des Einzelfalles vorzunehmenden Interessenabwägung von einer Unerheblichkeit der Pflichtverletzung in der Regel dann nicht mehr auszugehen, wenn der Mangelbeseitigungsaufwand mehr als 5 % des Kaufpreises beträgt (BGH, a.a.O.). Allerdings handelt es sich hierbei nicht um einen starren Grenzwert.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>111 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="111"/>1) Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass für das streitgegenständliche Fahrzeug schon keine „<em>Nachbesserung“ </em>in Form eines Software-Updates angeboten wird, weil es (derzeit) nicht von einem Rückruf des KBA betroffen ist.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>112 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="112"/>2) Selbst wenn die Beklagte ein Software-Update entwickeln oder sog. „<em>Hardware-Lösungen</em>“ anbieten sollte, ist die Pflichtverletzung erheblich. Es ist zu berücksichtigen, dass ein etwaiges Software-Update erst entwickelt werden müsste und dass für die technische Vorbereitung der Mangelbeseitigung vorliegend ein nicht unerheblicher zeitlicher Vorlauf notwendig wäre, wie sich auch aus dem Vergleich zum „<em>VW-Abgasskandal</em>“ zeigt. Demnach kann vorliegend der Mangel nach umfassender Interessenabwägung nicht als unerheblich angesehen werden.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>113 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="113"/>d) Eine Fristsetzung nach § 323 Abs. 1 BGB zur Nacherfüllung war gemäß § 440 Satz 1, 3. Alt. BGB entbehrlich, da dem Kläger entgegen der Auffassung der Beklagten die Nacherfüllung unzumutbar war. Für die Beurteilung, ob die Nacherfüllung für den Käufer unzumutbar ist, sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Zuverlässigkeit des Verkäufers, eine nachhaltige Störung des Vertrauensverhältnisses der Parteien, die Art der Sache und der Zweck, für den der Verbraucher sie benötigt, die Art des Mangels und die Begleitumstände der Nacherfüllung. Die Unzumutbarkeit ist allein aus der Perspektive des Käufers zu beurteilen, eine Interessenabwägung findet nicht statt (vgl. BGH, Urt. v. 15.04.2015, VIII ZR 80/14).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>114 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="114"/>1) Die Unzumutbarkeit eines Nacherfüllungsverlangens ergibt sich vorliegend daraus, dass die Durchführung der Nachbesserung für den Kläger im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung zeitlich nicht absehbar war. Zwar könnte man zugunsten der Beklagten berücksichtigen, dass etwaige Nachbesserungsmaßnahmen – die nach Angaben der Beklagten für das streitgegenständliche Fahrzeug jedoch schon mangels Rückrufs durch das KBA gar nicht in Aussicht gestellt werden - mit dem KBA abgestimmt werden müssten und eine Vielzahl an PKW beträfen. Das reine Abstellen auf diese Faktoren würde aber die Interessen des Klägers unangemessen zurückstellen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>115 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="115"/>Vorliegend war der Beklagten im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung am 23.07.2018 die Mangelbeseitigung nämlich noch nicht möglich, weil ein etwaiges Software-Update nicht zur Verfügung stand und ein solches (wohl) auch nicht geplant ist, da das streitgegenständliche Fahrzeug schon nicht vom Rückruf durch das KBA betroffen ist. Ein Umrüsttermin, um die unzulässige Abschalteinrichtung zu beseitigen, sei es durch ein Software-Update oder eine „<em>Hardware-Lösung</em>“ wird dem Kläger also nicht einmal in Aussicht gestellt. Für den Kläger bedeutete dies, dass die Nachbesserung im - maßgeblichen - Zeitpunkt der Rücktrittserklärung (und selbst noch im Termin der mündlichen Verhandlung) zeitlich völlig ungewiss war (LG Bückeburg Urt. v. 11.1.2017 – 2 O 39/16).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>116 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="116"/>2) Nicht tragend für die Entscheidung ist mangels Beklagten-Updates anzumerken, dass auch in den Fällen, in denen das KBA einen Rückruf von Fahrzeugen anordnet und der Hersteller - die Beklagte - ein Software-Update zur Verfügung stellt, eine Fristsetzung entbehrlich ist. Auch in diesem Fall ist die Nachbesserung dem Kläger schon deshalb unzumutbar, weil er die begründete Befürchtung hegen durfte, dass – selbst wenn es für das streitgegenständliche Fahrzeug ein Software-Update geben sollte - dieses entweder nicht erfolgreich sein oder zu Folgemängeln führen würde. Es war vorliegend zum Zeitpunkt des Rücktritts, auf den allein abzustellen ist, nicht auszuschließen, dass ein etwaiges Update negative Auswirkungen auf die übrigen Emissionswerte, den Kraftstoffverbrauch und die Motorleistung haben würde. Im Gegenteil, derartige Befürchtungen wurden gerichtsbekannt auch von Fachleuten im Hinblick auf den „<em>VW-Abgasskandal</em>“ mehrfach öffentlich geäußert und beruhten auf der naheliegenden Überlegung, warum der Hersteller nicht schon bei der Entwicklung der Motoren zur Erstellung einer entsprechenden Software in der Lage gewesen sei bzw. warum der Hersteller nicht schon viel früher, nämlich schon weit vor Bekanntwerden des Abgasskandals, die Entwicklung eines Software-Updates unternommen habe.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>117 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="117"/>3) Ein solcher berechtigter Mangelverdacht reicht aus, um dem Kläger die Nachbesserung unzumutbar zu machen (vgl. BGH, Urt. v. 09.03.2011, VIII ZR 266/09). Es genügt nämlich grundsätzlich nicht, einen Mangel abzustellen, wenn dafür ein anderer Mangel entsteht. Dass dies geschehen wird, muss der Kläger nicht beweisen oder auch nur als sicher eintretend behaupten. Seine Interessen sind vielmehr schon hinreichend beeinträchtigt, wenn er aus Sicht eines verständigen Kunden konkrete tatsächliche Anhaltspunkte für die Möglichkeit anderer Mängel hat. Das ist für sogenannte Montagsautos anerkannt und beruht dort auf der Überlegung, dass ein Auto, das schon einige Mängel zeigte, mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit (aber nicht mit Sicherheit), weitere Mängel aufweisen wird (vgl. BGH, Urt. v. 23.01.2013, VIII ZR 140/12).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>118 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="118"/>4) Es verbleibt ferner die Tatsache, dass die Beklagten an keiner Stelle die Gewähr für die Nachbesserung übernehmen bzw. eine solche nicht explizit angeboten haben. Dann kann die Klägerseite hierauf aber auch nicht verwiesen werden.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>119 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="119"/>5) Zusammenfassend bleibt festzuhalten:</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>120 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="120"/>Die Nacherfüllung ist für den Kläger in den Fällen, in denen ein Software-Update schon nicht angeboten wird bereits deshalb unzumutbar, da die Nachbesserung im maßgeblichen Zeitpunkt der Rücktrittserklärung zeitlich völlig ungewiss war.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>121 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="121"/>In den Fällen, in denen ein Fahrzeug vom Rückruf durch das KBA betroffen ist und eine Nachbesserung in Form eines Software-Updates erfolgen soll, ist eine Nachbesserung deshalb unzumutbar, weil die begründete Befürchtung besteht, dass dieses entweder nicht erfolgreich sein oder zu Folgemängeln führen werde.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>122 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="122"/>e) Gemäß § 346 Abs. 1 BGB sind im Falle des Rücktritts die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben. Danach hat die Beklagte den Kaufpreis von 53.093,28 EUR zu erstatten. Dem stehen die im Wege des Wertersatzes zu erstattenden Nutzungen von 35.326,56 EUR gegenüber, § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB, sodass dem Kläger ein Anspruch i.H.v. <strong><span style="text-decoration:underline">17.766,72 EUR</span></strong> zusteht (siehe zur Berechnung oben unter II. Ziff. 1 f).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>123 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="123"/>5. Schließlich kann der Kläger gemäß §§ 826, 831, 240 sowie nach §§ 437 Nr. 3,433, 434, 280 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB als Schadensersatz auch die von ihm geleisteten Darlehenszinsen i.H.v. <strong>1.707,51 EUR</strong> verlangen, die ihm zur Finanzierung des Kaufpreises entstanden sind (Anl. K 17, Bl. 143 d.A.).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>124 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="124"/>6. Dem Kläger stehen gegenüber der Beklagten schließlich auch <strong>Zinsen</strong> i.H.v. <strong>11.573,04 EUR</strong> für den Zeitraum vom 01.05.2011 bis zum 31.08.2018 und weitere Zinsen i.H.v. 4 % aus einem Betrag i.H.v. 54.800,79 EUR seit 01.09.2018 nach § 849 BGB zu.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>125 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="125"/>a. Nach § 849 BGB kann der Verletzte, sofern wegen der Entziehung einer Sache der Wert oder wegen der Beschädigung einer Sache die Wertminderung zu ersetzen ist, Zinsen des zu ersetzenden Betrags von dem Zeitpunkt an verlangen, welcher der Bestimmung des Wertes zugrunde gelegt wird.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>126 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="126"/>§ 849 BGB erfasst jeden Sachverlust durch ein Delikt. Auch wenn der Schädiger den Geschädigten durch eine unerlaubte Handlung dazu bestimmt, eine Sache wegzugeben oder darüber zu verfügen, entzieht er sie ihm. § 849 BGB ist nach seinem Wortlaut nicht auf die Wegnahme beschränkt und verlangt nicht, dass die Sache ohne oder gegen den Willen des Geschädigten entzogen wird. Der Geschädigte muss auch nicht im Besitz der Sache gewesen sein. Eine Beschränkung auf den Verlust einer Sache ohne oder gegen den Willen des Geschädigten widerspräche auch dem Normzweck von § 849 BGB. Der Zinsanspruch soll mit einem pauschalierten Mindestbetrag den Verlust der Nutzbarkeit einer Sache ausgleichen, der durch den späteren Gebrauch derselben oder einer anderen Sache nicht nachgeholt werden kann. Der Geschädigte verliert die Sachnutzung gleichermaßen, wenn ihm eine Sache ohne seinen Willen entwendet wird und wenn er durch eine unerlaubte Handlung dazu gebracht wird, sie wegzugeben oder darüber zu verfügen (BGH, 26.11.2007 - II ZR 167/06).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>127 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="127"/>b. Dem Kläger ist eine Sache entzogen worden. Sache im Sinne von § 849 BGB ist auch Geld. § 849 BGB ist nicht durch § 90 BGB, wonach nur körperliche Gegenstände Sachen im Sinne des Gesetzes sind, auf die Entziehung von Bargeld beschränkt. Der Zweck des § 849 BGB, den später nicht nachholbaren Verlust der Nutzbarkeit einer Sache auszugleichen, erfasst jegliche Form von Geld. Von den Nutzungen eines hingegebenen Geldbetrags ist der Geschädigte nicht nur ausgeschlossen, wenn er mit Bargeld bezahlt hat, sondern auch, wenn er eine Zahlung auf andere Art und Weise geleistet hat. Auch wirtschaftlich besteht kein Unterschied zwischen der Übergabe von Bargeld, der Übergabe eines Schecks, der Einzahlung von Bargeld und einer Überweisung auf ein Konto (BGH, 26.11.2007 - II ZR 167/06; vgl. auch BGH, 12.06.2018 - KZR 55/16).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>128 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="128"/>c. Wer demnach durch eine unerlaubte Handlung dazu bestimmt wird, Geld zu überweisen oder zu übergeben, kann vom Schädiger eine Verzinsung nach § 849 BGB beanspruchen (vgl. zu § 849 BGB betreffend den „<em>VW-Abgasskandal“ </em>auch LG Essen, 04.09.2017 - 16 O 245/16).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>129 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="129"/>d. Dies ist der Fall. Die Beklagte hat den Kläger durch eine unerlaubte Handlung nach § 826 BGB zur Bezahlung des Kaufpreises bestimmt, weshalb der Kläger eine Verzinsung des Kaufpreises nach § 849 BGB verlangen kann.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>130 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="130"/>Die Zinsen des Kaufpreises betragen im geltend gemachten Zeitraum vom 01.05.2011 bis 31.08.208 - unstreitig - 11.573,04 EUR. Ferner kann der Kläger weitere Zinsen i.H.v. 4 Prozent seit 01.09.2018 aus einem Betrag i.H.v. 54.800,79 EUR (Kaufpreis i.H.v. 53.093,28 EUR zuzüglich Darlehenszinsen i.H.v. 1.707,51 EUR) verlangen.</td></tr></table>
<table><tr><td>III.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>131 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="131"/>Der Feststellungsantrag in Klageantrag Ziff. 2 ist begründet.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>132 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="132"/>Die Beklagte Ziff. 1 befindet sich mit der Rücknahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs gemäß § 293 BGB im Annahmeverzug. Da Leistungsort im Falle der Rückabwicklung der Ort ist, an dem sich die Kaufsache befindet, genügt gemäß § 295 BGB das „wörtliche“ Angebot des Klägers im Rahmen des Anwaltsschreibens vom 23.07.2018 (Anl. K 18, Bl. 147 ff. d.A.), den Kaufpreis Zug um Zug gegen Rückübereignung des Fahrzeugs zurückzubezahlen.</td></tr></table>
<table><tr><td>IV.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>133 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="133"/>Der Klageantrag Ziff. 3 ist teilweise begründet und war im Übrigen abzuweisen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>134 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="134"/>Der Kläger hat gemäß § 826 bzw. § 831 Abs. 1 S. 1, 249 BGB gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten i.H.v. <strong>1.100,51 EUR.</strong></td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>135 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="135"/>Der Schadensersatzanspruch nach § 826 bzw. 831 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB erfasst auch die erforderlichen Kosten einer Rechtsverfolgung. Hierbei hat das Gericht einen Gegenstandswert in Höhe der zugesprochenen Klageforderung der Hauptsache (17.766,72 EUR) zugrunde gelegt und eine 1,3-fache Geschäftsgebühr, die Auslagenpauschale und die Umsatzsteuer angesetzt.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>136 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="136"/>Da es sich vorliegend um ein Massenverfahren handelt, bei dem der wesentliche Aufwand beim Klägervertreter gleichzeitig für eine Vielzahl von Verfahren anfällt, und es sich bei den eingereichten Schriftsätzen ausschließlich um Textbausteine handelt, die überdies im Wesentlichen keinen entscheidungserheblichen Sachvortrag enthalten, ist ein höherer Ansatz als der Mittelsatz von 1,3 für die Geschäftsgebühr (Nr. 2300 Anlage 1 VV RVG) nicht gerechtfertigt. Die Sach- und Rechtslage ist weder umfangreich noch schwierig i.S.d. Nr. 2300 Anlage 1 VV RVG.</td></tr></table>
<table><tr><td>V.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>137 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="137"/>Der Klageantrag Ziff. 4 ist i.H.v. 1.423,26 EUR begründet, weil in dieser Höhe zwischen dem ursprünglichen (26.785,24 EUR) und dem zuletzt mit Klageantrag Ziff. 1 geltend gemachten Zahlbetrag (25.361,98 EUR) die Erledigung der Hauptsache eingetreten ist.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>138 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="138"/>Eine - hier teilweise - Erledigung der Hauptsache liegt dann vor, wenn die eingereichte Klage zulässig und begründet war, aber durch ein nach Eintritt der Rechtshängigkeit eingetretenes Ereignis gegenstandslos geworden ist.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>139 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="139"/>Das ist hier der Fall. Der Antrag Ziff. 1 war zunächst in von voller Höhe zulässig und begründet, weil der Anspruch auf Rückzahlung des vollen Kaufpreises bestand. Denn es findet keine automatische Verrechnung des Anspruchs auf Rückzahlung des Kaufpreises mit dem Anspruch des Käufers auf Nutzungsersatz statt, vielmehr muss der Verkäufer letzteren geltend machen. Nichts anderes gilt auch für den Anspruch nach § 826 BGB. Teilweise unbegründet wurde die Klage insoweit mithin erst, als und nachdem die Beklagte im Rechtsstreit mit ihrem Vorbringen auf S. 21 der Klageerwiderung unter Ziff. 18 (Bl. 352 d.A.) geltend macht, der Kläger müsse sich eine Nutzungsentschädigung für die von ihm zwischenzeitlich gefahrenen Kilometer anrechnen lassen. Der Verkäufer/Schädiger ist nicht gezwungen aufzurechnen, sondern kann sich darauf beschränken, den ihm zustehenden Gegenanspruch auf Nutzungsersatz im Wege der Einrede geltend zu machen (OLG Stuttgart, 06.09.2017 - 4 U 105/17 m.w.N.).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>140 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="140"/>Zum Zeitpunkt der Klageerhebung betrug der Kilometerstand unstreitig 158.300 km. Im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung lag der Kilometerstand bei 166.342 km (s.o.).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>141 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="141"/>Die anzurechnende Nutzungsentschädigung betrug damit unter Anwendung der o.g. (II. Ziff. 1 f) Formel zum Zeitpunkt der Klageerhebung 33.618,66 EUR und zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung 35.326,56 EUR, sodass sich der Rechtsstreit i.H.v. 1.707,90 EUR teilweise erledigt hat. Der Kläger hat den Rechtsstreit jedoch lediglich - aufgrund einer von ihm infolge höherer Restlaufzeit niedriger berechneten Nutzungsentschädigung - i.H.v. 1.423,26 EUR für erledigt erklärt, woran das Gericht nach § 308 Abs. 1 ZPO gebunden war.</td></tr></table>
<table><tr><td>VI.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>142 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="142"/>Soweit der nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 10.01.2019 neues (nicht nachgelassenen) Tatsachenvorbringen enthält, gab dieses keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.</td></tr></table>
<table><tr><td>VII.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>143 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="143"/>Der Beklagten war schließlich auch nicht - wie von der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 11.12.2018 beantragt - eine Stellungnahmefrist i.S.d. § 139 Abs. 5 ZPO zu gewähren. Das Gericht hat der Beklagten bereits mit Verfügung vom 26.11.2018 (Bl. 354 d.A.) die Möglichkeit gewährt, zum dort erteilten Hinweis, insbesondere betreffend das sog. „<em>Thermofenster“,</em> näher vorzutragen. Ferner hat der Kläger mit Schriftsatz vom 05.12.2018 neues Vorbringen zum „<em>Thermofenster“ </em>vorgetragen. Hierauf konnte die Beklagte gemäß § 283 ZPO - was auch erfolgt ist - mit nachgelassenem Schriftsatz vom 10.01.2019 ohnehin Stellung nehmen.</td></tr></table>
<table><tr><td>VIII.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>144 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="144"/>Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>145 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="145"/>Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 709 S. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.</td></tr></table>
</td></tr></table> |
|
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"id": 142,
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} | 23 O 172/18 | 2019-01-17T00:00:00 | 2019-01-29T12:51:06 | 2019-02-12T13:44:43 | Urteil | <h2>Tenor</h2>
<p>1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 39.400,00 EUR nebst Zinsen i.H.v. 4.216,67 EUR und weiteren Zinsen aus einem Betrag von 50.000,00 EUR in Höhe von 4 % pro Jahr seit dem 01.11.2018 zu zahlen, Zug- um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs Mercedes Benz C 250 D mit der FIN: ....</p>
<p>2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des in Ziff. 1 genannten Fahrzeuges seit dem 30.07.2018 in Annahmeverzug befindet.</p>
<p>3. Die Beklagte wird verurteilt, an die ...-Rechtsschutz ...-GmbH zur Schadennummer: ... vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.354,30 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1.11.2018 zu erstatten.</p>
<p>4. Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit i.H.v. 984,84 EUR erledigt ist.</p>
<p>5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.</p>
<p>6. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.</p>
<p>7. Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.</p>
<p><strong>Beschluss</strong></p>
<p>Der Streitwert wird auf 43.329,81 EUR festgesetzt.</p>
<h2>Tatbestand</h2>
<table><tr><td> </td><td> </td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>1 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="1"/>Der Kläger begehrt von der Beklagten Schadensersatz aus Delikt aus einem PKW-Kaufvertrag im Zuge des sog. „<em>Abgasskandals“</em></td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>2 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="2"/>Mit verbindlicher Bestellung vom 19.09.2016 (Anl. K 16) erwarb der Kläger von der Firma ..., einer unabhängigen Händlerin, den streitgegenständlichen PKW Mercedes Benz Typ C 250 D, FIN: ..., der von der Beklagten entwickelt und hergestellt und mit einem Motor OM 651, EURO 5, ausgestattet ist, als Gebrauchtwagen zum Kaufpreis i.H.v. 50.000,00 EUR. Das Fahrzeug wies zum Zeitpunkt der Übergabe eine Laufleistung von 16.500 km und im Zeitpunkt der Klageerhebung eine Laufleistung von 54.320 km auf.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>3 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="3"/>Die Kontrolle der Stickoxidemissionen erfolgt im streitgegenständlichen Fahrzeug über die sog. Abgasrückführung. Bei der Abgasrückführung wird ein Teil des Abgases zurück in das Ansaugsystem des Motors geführt und nimmt erneut an der Verbrennung teil. Die Abgasrückführung wird bei kühleren Außentemperaturen zurückgefahren, wobei zwischen den Parteien streitig ist, bei welchen Außentemperaturen die Abgasrückführung reduziert wird (sog. <em>„Thermofenster“)</em>.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>4 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="4"/>Das Fahrzeug ist nicht von einem Rückruf durch das Kraftfahrzeugbundesamt (KBA) betroffen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>5 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="5"/>Mit Anwaltsschreiben vom 23.07.2018 (Anl. K 17) forderte die Beklagte unter Fristsetzung binnen zwei Wochen zur Zahlung i.H.v. 46.874,25 EUR Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des PKW auf.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>6 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="6"/>Der Kläger behauptet, die Abgasrückführung werde bereits bei einstelligen Außentemperatur reduziert oder ganz abgeschaltet („<em>Thermofenster“), </em>mit der Folge, dass die Stickoxidemission erheblich ansteige.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>7 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="7"/>Das Fahrzeug enthalte neben dem Thermofenster auch eine Steuerungssoftware, die dazu führe, dass das Fahrzeug das Durchfahren des „<em>Neuen Europäischen Fahrzyklusses</em>“ (NEFZ) auf dem Prüfstand erkenne und abhängig davon die Abgasaufbereitung dergestalt regele, dass der Ausstoß an Stickoxiden nur beim Durchfahren des NEFZ optimiert werde. Das Fahrzeug verfüge nicht über die Voraussetzungen für die EG-Typgenehmigung und habe einen erheblich höheren Schadstoffausstoß als von der Beklagten angegeben.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>8 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="8"/>Der Kläger behauptet ferner, der Vorstand der Beklagten habe Kenntnis von dem Einsatz der unzulässigen Software gehabt.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>9 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="9"/>Der Kläger trägt schließlich vor, das Fahrzeug habe aktuell (11.12.2018) eine Laufleistung von 60.002 km.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>10 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="10"/>Der Kläger ist insbesondere der Ansicht, das Fahrzeug verfüge über eine unzulässige Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 5 Abs. 2 VO EG 715/2007.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>11 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="11"/>Der Kläger beantragte im Klageantrag Ziff. 1 zunächst Zahlung i.H.v. 43.329,81 EUR. Nachdem der Kläger das Fahrzeug zwischen dem Zeitpunkt der Klageerhebung und dem Schluss der mündlichen Verhandlung weiternutzte, erklärte der Kläger den Rechtsstreit bezüglich der Nutzungsentschädigung i.H.v. 984,84 EUR für teilweise erledigt.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>12 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="12"/>Der Kläger beantragt zuletzt:</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>13 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="13"/>1. Die Beklagte Ziff. 1 wird verurteilt, an den Kläger 42.344,97 EUR sowie Zinsen i.H.v. 4.216,67 EUR nebst weiteren Zinsen aus 50.000,00 EUR in Höhe von 4 % pro Jahr seit dem 01.11.2018 zu zahlen, Zug- um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs Mercedes Benz E 250 CDI Blue Efficiency mit der FIN: ....</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>14 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="14"/>2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des in Ziff. 1 genannten Fahrzeuges seit dem 30.07.2018 in Annahmeverzug befindet.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>15 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="15"/>3. Die Beklagte wird verurteilt, an die ... Rechtsschutz ...-GmbH zur Schadennummer: ... vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.354,30 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu erstatten.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>16 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="16"/>4. Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit im Übrigen erledigt ist.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>17 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="17"/>Die Beklagte beantragt:</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>18 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="18"/>Die Klage wird abgewiesen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>19 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="19"/>Die Beklagte behauptet insbesondere, im streitgegenständlichen Fahrzeug sei die Rate der Abgasrückführung bei einer Umgebungslufttemperatur von 7° Celsius oder darunter betriebspunktabhängig um bis zu 48 % niedriger als bei höheren Temperaturen und bleibe auf diesem Niveau bis zum Unterschreiten einer Umgebungstemperatur von - 30° Celsius, bei der sie abgeschaltet werde (sog. „<em>Thermofenster“)</em>. Dieses sog. „<em>Thermofenster“</em> sei zum Bauteilschutz notwendig. Das System der Abgasrückführung könne bei kalten Temperaturen Schäden durch Ablagerungen (sog. „<em>Versottung“) </em>erleiden. Eine hohe Abgasrückführungsrate außerhalb des Thermofensters führe zu einer solchen Versottung und damit zu Motorschäden.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>20 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="20"/>Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11.12.2018 (Bl. 125 ff. d.A.) verwiesen.</td></tr></table>
</td></tr></table>
<h2>Entscheidungsgründe</h2>
<table><tr><td> </td><td> </td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>21 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="21"/>Die Klage ist zulässig (dazu I.) und aus dem im Tenor ersichtlichen Umfang begründet (II.).</td></tr></table>
<table><tr><td>I.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>22 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="22"/>1. Die im Schriftsatz vom 03.12.2018 (Bl. 89 d.A.) einseitig gebliebene teilweise Erledigungserklärung des Klägers stellt einen Antrag auf Feststellung der teilweisen Erledigung der Hauptsache (Klageantrag Ziff. 4) dar, wobei es sich um eine nach § 264 Nr. 2 ZPO privilegierte Klageänderung handelt, nämlich um eine Antragsbeschränkung durch einen Übergang von einem Leistungsantrag zu einem Feststellungsantrag (OLG Stuttgart, 06.09.2017 - 4 U 105/17). Das nötige Feststellungsinteresse i.S.d. § 256 Abs. 1 ZPO bezüglich des Klageantrags Ziff. 4 folgt daraus, dass der Kläger andernfalls insoweit die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hätte.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>23 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="23"/>2. Für den Klageantrag Ziff. 2 bezüglich der Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten mit der Rücknahme des Fahrzeugs besteht das Feststellungsinteresse angesichts der mit der Feststellung verbundenen Vereinfachung und Beschleunigung des Zugriffs in der Zwangsvollstreckung (vgl. §§ 756 Abs. 1, 765 Nr. 1 ZPO).</td></tr></table>
<table><tr><td>II.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>24 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="24"/>Die Klage ist im Klageantrag Ziff. 1 aus dem im Tenor ersichtlichen Umfang begründet.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>25 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="25"/>Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 826 BGB (dazu 1.), gemäß § 831 Abs. 1 S. 1 BGB (dazu 2.), wobei zwischen den Ansprüchen aus § 826 BGB und § 831 BGB die Möglichkeit der Wahlfeststellung besteht (dazu 3.), i.H.v. <span style="text-decoration:underline">39.400,00 EUR</span>. Ferner hat der Kläger Anspruch auf Zahlung von <span style="text-decoration:underline">Zinsen i.H.v. 4.216,67 EUR</span> sowie <span style="text-decoration:underline">weiteren Zinsen</span> aus einem Betrag von 50.000,00 EUR in Höhe von 4 % pro Jahr seit dem 01.11.2018 (dazu 4.).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>26 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="26"/>1. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung aus § 826 BGB (vgl. auch LG Stuttgart, 27.11.2018 - 7 O 265/18 ebenfalls zum „<em>Thermofenster“;</em> LG Stuttgart, 14.08.2018 - 23 O 80/18, LG Stuttgart,16.11.2017 - 19 O 34/17, LG Stuttgart, 05.04.2018 - 7 O 28/17, jeweils zum „<em>VW-Abgasskandal</em>“).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>27 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="27"/>Das Fahrzeug verfügt über eine unzulässige Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 (dazu a). Der Kläger hat deshalb einen Schaden erlitten (b), welcher durch ein Verhalten der Beklagten entstanden (c) und welches als sittenwidrig zu qualifizieren ist (d). Die Beklagte hat dabei vorsätzlich gehandelt (e). Aufgrund dessen hat der Kläger einen Anspruch auf Schadensersatz i.H.v. 39.400,00 EUR (f).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>28 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="28"/>a) Die Beklagte hat das vom Kläger erworbene Fahrzeug gebaut und eine EG-Typengenehmigung beantragt, die formal erteilt wurde, obwohl das Fahrzeug über eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 verfügt, die der Zulassung entgegenstand.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>29 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="29"/>1) Nach Art. 4 Abs. 1 EG-VO 715/2007 weist der Hersteller nach, dass alle von ihm verkauften, zugelassenen oder in der Gemeinschaft im Betrieb genommenen Neufahrzeuge über eine Typengenehmigung gemäß dieser Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen verfügen. Nach Art. 5 Abs. 1 EG-VO 715/2007 rüstet der Hersteller das Fahrzeug so aus, dass die Bauteile, die das Emissionsverhalten voraussichtlich beeinflussen, so konstruiert, gefertigt und montiert sind, dass das Fahrzeug <span style="text-decoration:underline">unter normalen Betriebsbedingungen</span> dieser Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen entspricht. Nach Abs. 2 der Vorschrift ist die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die diese Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, grundsätzlich unzulässig.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>30 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="30"/>Art. 3 Nr. 10 EG-VO 715/2007 definiert eine Abschalteinrichtung als ein Konstruktionsteil, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl (UpM), den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlass, oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu <span style="text-decoration:underline">verändern</span>, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter <span style="text-decoration:underline">Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind</span>, verringert wird.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>31 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="31"/>Das streitgegenständliche Fahrzeug verfügt über eine solche Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 3 Nr. 10 EG-VO 715/2007.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>32 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="32"/>(1) Anzumerken ist zunächst, dass selbst die Untersuchungskommission des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) bezüglich des Vorhandenseins eines Thermofensters zu folgendem Ergebnis kommt:</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>33 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="33"/><em>„Alle Hersteller nutzen aber Abschalteinrichtungen gemäß der Definition in Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007“</em></td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>34 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="34"/>(Bericht der Untersuchungskommission „<em>Volkswagen</em>“, Stand April 2016, S. 119 unter C. II. 4.).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>35 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="35"/>(2) Unstreitig verfügt das streitgegenständliche Fahrzeug – wie offenbar eine Vielzahl der Motoren diverser Hersteller, und zwar unabhängig davon, ob sie von einem Rückruf des KBA betroffen sind – über ein sog. Thermofenster.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>36 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="36"/>So ist im streitgegenständlichen Fahrzeug eine Technologie zur Reduktion des Stickoxidausstoßes (NOx) vorhanden. Dabei kommt die sog. Abgasrückführung zum Einsatz. Bei der Abgasrückführung wird ein Teil des Abgases zurück in das Ansaugsystem des Motors geführt und nimmt erneut an der Verbrennung teil. Die Abgasrückführung wird dabei bei kühleren Temperaturen – unstreitig - zurückgefahren. Bei welchen konkreten Außentemperaturen letztendlich eine Reduktion der Abgasrückführung erfolgt, kann letztendlich dahinstehen. Anzumerken ist lediglich, dass die Beklagte - trotz Hinweises in der richterlichen Verfügung vom 30.11.2018 (Bl. 86 d.A.) und des Sachvortrags des Klägers im Rahmen der Klageschrift vom 04.10.2018 (Bl. 1 ff. d.A.) und im Schriftsatz vom 03.12.2018 (Bl. 88 ff. d.A) - nicht näher dazu vorträgt, bei welchen Außentemperaturen bereits erstmals (offenbar 7° Celsius) eine Reduzierung der Abgasrückführung eintritt und in welchem konkreten Maß. Die hierzu getätigten Ausführungen der Beklagten im nachgelassenen Schriftsatz vom 10.01.2019 sind (wohl bewusst) vage gehalten (Reduzierung der Abgasrückführung um „<em>bis zu 48 %</em>“).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>37 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="37"/>(3) Sofern die Abgasrückführung - wie im nachgelassenen Schriftsatz der Beklagten vom 10.01.2019 vorgetragen und zugunsten der Beklagten sogar als wahr unterstellt - bei einer Außentemperatur von 7° C oder darunter betriebspunktabhängig um bis zu <strong>48 %</strong> reduziert wird, stellt dies eine Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 3 Nr. 10 EG-VO 715/2007 dar, da gerade das Abgasrückführungssystem bzw. eine Software die Außentemperatur erkennt und die Funktion des Emissionskontrollsystems <span style="text-decoration:underline">verändert</span> - unabhängig davon in welchem Maß - oder sogar deaktiviert, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems infolge der Reduktion der Abgasrückführung unter normalen Bedingungen des Fahrzeugbetriebs verringert wird. Die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems wird eben durch das entsprechende System an die Fahr- und Umweltbedingungen, die bei normalen Fahrbetrieb herrschen, angepasst. Unerheblich ist dabei, in welchem Maß eine Verringerung der Abgasrückführung erfolgt, da Art. 3 Nr. 10 EG-VO 715/2007 eine solche Differenzierung nicht erlaubt und schlicht jede Veränderung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems als Abschalteinrichtung zu qualifizieren ist, zumal eine Reduzierung um bis zu 48 % ohnehin als erheblich einzustufen wäre (vgl. auch <em>Prof. Dr. Martin Führ</em>, Gutachterliche Stellungnahme für den Deutschen Bundestag – 5. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode; <em>derselbe</em> in NVwZ 2017, 265; ferner auch die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags „<em>Abschalteinrichtungen in Personenkraftwagen</em>“, Az: WD 7 – 3000 – 031/16, S. 18).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>38 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="38"/>(4) Anders als die Beklagte meint, wird mit der „<em>Auslegung der Abgasrückführung die innermotorische Emissionskontrolle für die jeweiligen Betriebszustände“ </em>nicht erst „<em>definiert“, </em>weshalb es sich nach Ansicht der Beklagten um keine Abschalteinrichtung handele (S. 7 des Schriftsatzes der Beklagten vom 11.01.2019). Dieser Argumentationsversuch läuft darauf hinaus, den in der Verordnung nicht definierten Begriff des „<em>Emissionskontrollsystems</em>“ aus dem Kontext der Begriffsbestimmung der „<em>Abschalteinrichtung</em>“ herauszulösen und ihm einen eigenen, engeren Gehalt zuzuweisen. Für eine solche Sichtweise müsste es in der Verordnung besondere Anhaltspunkte geben. Daran fehlt es aber. Im Gegenteil: Die Unterscheidung „<em>innermotorisch</em>“ und „<em>Emissionskontrolle</em>“ widerspricht dem Wortlaut der Definition der „<em>Abschalteinrichtung</em>“, denn die in Art. 3 Nr. 10 EG (VO) 715/2007 aufgezählten Parameter umfassen alle technischen Vorgänge (darunter mit der „<em>Motordrehzahl</em>“ einen eindeutig innermotorischer Faktor), die auf Entstehen und Verminderung der Emissionen einwirken. Dafür spricht auch die Begriffsbestimmung in Art. 3 Nr. 11 EG (VO) 715/2007. Sie definiert „<em>emissionsmindernde Einrichtung</em>“ als „<em>die Teile eines Fahrzeugs, die die Auspuff- und Verdunstungsemissionen eines Fahrzeugs regeln und/oder begrenzen.</em>“ Steuerungsvorgänge, die innermotorisch wirken, tragen dazu bei, die Auspuffemissionen zu regeln, sie sind daher Teil des Emissionskontrollsystems. Die vorgetragene Differenzierung findet somit im Verordnungstext keine Stütze (so überzeugend<em> Prof. Führ</em> in: NVwZ 2017, 265 (266)).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>39 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="39"/>Die Funktion des Emissionskontrollsystems wird vorliegend also - abhängig von der Umgebungstemperatur - dadurch verändert, dass die Abgasrückführungsrate um bis zu 48 % reduziert wird. Dies stellt eine Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 3 Nr. 10 EG (VO) 715/2007 dar.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>40 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="40"/>2) Eine solche Abschalteinrichtung ist nur dann ausnahmsweise zulässig, wenn die Einrichtung notwendig ist, um den Motor vor Beschädigung zu schützen (Art. 5 Abs. 2 lit. a) EG-VO 715/2007). Dies ist vorliegend <span style="text-decoration:underline">nicht</span> der Fall.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>41 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="41"/>Zwar wird im Abschlussbericht der Untersuchungskommission „<em>Volkswagen</em>“ des BMVI ausgeführt, dass „<em>unter Berufung auf den Motorschutz die Verwendung von Abschalteinrichtungen letztlich stets dann gerechtfertigt werden könnte, wenn von Seiten des Fahrzeugherstellers nachvollziehbar dargestellt wird, dass ohne die Verwendung einer solchen Einrichtung dem Motor Schaden droht, sei dieser auch noch so klein</em>“.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>42 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="42"/>(Bericht der Untersuchungskommission „<em>Volkswagen</em>“, Stand April 2016, S. 123 unter D. I. 2.).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>43 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="43"/>Eine solche Auslegung der gesetzlichen Vorgaben hat jedoch keine rechtliche Grundlage (so überzeugend und mit erheblicher Kritik am Abschlussbericht der Untersuchungskommission des BMVI: <em>Klinger</em>, Rechtsgutachten zum Stand der Umsetzung der Verordnung (EG) Nr. 715/2007, der Durchführungsverordnung 692/2008, der Richtlinie 2007/46/EG und der Regelung Nr. 83 der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UN/ECE), erstellt zum Beweisbeschluss SV-4 des 5. Untersuchungsausschusses der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestags, 29. September 2016, dort S. 24).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>44 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="44"/>Im Einzelnen:</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>45 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="45"/>(1) Die EG (VO) 715/2007 wurde ausweislich von Erwägungsgrund 1 erlassen, um die technischen Vorschriften für die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich ihrer Emissionen zu harmonisieren. Ziel ist die Sicherstellung eines hohen Umweltschutzniveaus auf europäischer Ebene. Zur Verbesserung der Luftqualität und zur Einhaltung der Luftverschmutzungsgrenzwerte war nach Auffassung des EU-Gesetzgebers insbesondere eine erhebliche Minderung der Stickstoffoxidemissionen bei Dieselfahrzeugen erforderlich. Das Senken der Emissionen von Kraftfahrzeugen ist Teil einer Gesamtstrategie. Um die Ziele der EU für die Luftqualität zu erreichen, sind nach seiner Einschätzung fortwährende Bemühungen zur Senkung von Kraftfahrzeugemissionen erforderlich, weshalb die Industrie klare Informationen über die künftigen Emissionsgrenzwerte erhalten soll.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>46 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="46"/>(2) Wie alle Ausnahmeregelungen ist auch die Vorschrift des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 EG-VO 715/2007 <span style="text-decoration:underline">sehr eng</span> auszulegen. Wer als Fahrzeughersteller von dem Verbot abweichen will, muss dies besonders rechtfertigen. Eine Notwendigkeit i.S.d. Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 liegt insbesondere dann <span style="text-decoration:underline">nicht</span> vor, wenn sich die Abschalteinrichtung durch <span style="text-decoration:underline">Konzeption, Konstruktion oder Werkstoffwahl</span> vermeiden lässt.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>47 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="47"/>Der Verordnungsgeber ist bei dem Begriff der „<em>Notwendigkeit</em>“ i.S.d. Art. 5 Abs. 2 lit. a) EG-VO 715/2007 bewusst über die entsprechende Regelung in Ziffer 2.1.6 Satz 2 der zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Emissionsgrundverordnung geltenden Fassung der UN/ECE-Regelung Nr. 83 hinausgegangen, in der zum Verneinen einer verbotenen Abschalteinrichtung bereits als ausreichend angesehen wurde, wenn „<em>die Notwendigkeit der Nutzung der Einrichtung mit dem Schutz des Motors vor Beschädigungen oder Unfällen und der Betriebssicherheit des Fahrzeugs begründet wird</em>“. Im Vergleich zu diesem allein auf eine vorgenommene Begründung abstellenden Wortlaut der Regelung Nr. 83 hat der Verordnungsgeber bei der Emissionsgrundverordnung mit dem Begriff der „<em>Notwendigkeit</em>“ einen <span style="text-decoration:underline">strengeren, objektivierbaren Maßstab</span> gewählt (so auch die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags „<em>Abschalteinrichtungen in Personenkraftwagen</em>“, Az: WD 7 – 3000 – 031/16, S. 13).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>48 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="48"/>(3) Es ist demnach nicht schon ausreichend, dass überhaupt individuell technische Situationen auftreten, in denen die Abschalteinrichtung zum Motorschutz oder zum sicheren Betrieb erforderlich ist, sondern darüber hinaus wäre unter Einbeziehung der zu dieser technischen Situation führenden Gründe erforderlich, dass auch diese notwendigerweise vorliegen, also generell unvermeidbar sind (diese Auslegung befürwortend auch die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags „<em>Abschalteinrichtungen in Personenkraftwagen</em>“, Az: WD 7 – 3000 – 031/16, S. 14 f.).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>49 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="49"/>(4) Unzweifelhaft nicht notwendig im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 2 lit. a) EG-VO 715/2007 ist eine solche Abschalteinrichtung, die aus Motorschutzgesichtspunkten <span style="text-decoration:underline">ununterbrochen arbeitetet</span> und damit den Zielsetzungen der Verordnung hinsichtlich einer eindämmenden Kontrolle der Emissionswerte im Straßenbetrieb und einem grundsätzlichen Verbot von Abschalteinrichtungen komplett zuwiderläuft.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>50 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="50"/>Dem entsprechend sprechen die überwiegenden Gründe dafür, dass das Eingreifen einer Abschalteinrichtung grundsätzlich nicht auf die Privilegierung von Artikel 5 Absatz 2 Satz 2 lit. a) EG-VO 715/2007 gestützt werden kann, wenn sie unter Bedingungen eingreift, die zu den üblichen, alltäglichen Nutzungsbedingungen eines betreffenden Kraftfahrzeugs im Sinne eines Normalgebrauchs zu zählen sind. Eine Privilegierung einer Abschalteinrichtung aufgrund von Artikel 5 Absatz 2 Satz 2 lit. a) EG-VO 715/2007 kommt zudem dann grundsätzlich <span style="text-decoration:underline">nicht</span> in Betracht, wenn<span style="text-decoration:underline"> aufgrund andersartiger Konstruktion oder durch den Einsatz zusätzlicher Bauteile das Abschalten des Emissionskontrollsystems unter Motorschutzgesichtspunkten entbehrlich würde</span>. Für eine solche technische Entbehrlichkeit einer Abschalteinrichtung ließe sich in praxi etwa anführen, wenn nach dem Stand der Technik Konstruktionen bekannt und <span style="text-decoration:underline">möglich</span> sind, die das Abschalten des Emissionskontrollsystems entbehrlich machen, wofür namentlich sprechen kann, dass vergleichbare Motoren anderer Hersteller ohne entsprechend agierende Abschalteinrichtung auskommen, ohne dass der Motor Schaden nimmt. Auch die Möglichkeit des Einsatzes anderer oder weiterer technischer Varianten von Emissionskontrollsystemen spräche dafür, bei Verzicht auf dieselben seitens des Herstellers mangels Notwendigkeit keine Privilegierung aufgrund von Artikel 5 Absatz 2 Satz 2 lit. a) EG-VO 715/2007 greifen zu lassen (vgl. die überzeugende Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags „<em>Abschalteinrichtungen in Personenkraftwagen</em>“, Az: WD 7 – 3000 – 031/16, S. 15 f).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>51 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="51"/>(5) Die auf den Schutz des Motors abzielende Privilegierung nach Artikel 5 Absatz 2 Satz 2 lit. a) EG-VO 715/2007 bietet deshalb grundsätzlich keine taugliche Rechtsgrundlage dafür, eine Abschalteinrichtung regelmäßig auch bei solchen Betriebsbedingungen, die bei normalem, bestimmungsgemäßem Gebrauch eines Personenkraftwagens typischerweise eintreten, legal greifen zu lassen. Dies gilt insbesondere auch für den Betrieb bei niedrigen Umgebungstemperaturen. Neben Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 sind auch die im Typzulassungs-Regelwerk enthaltenen Spezialvorschriften zu beachten. Für Dieselfahrzeuge legt Art. 3 Nr. 9 Durchführungs-Verordnung EG (VO) 692/2008 fest, innerhalb welches Zeitraums bei einem Kaltstart des Motors die volle Funktionsfähigkeit gewährleistet sein muss. Danach haben die Hersteller der Genehmigungsbehörde zu belegen, dass die NOx-Nachbehandlungseinrichtung nach einem Kaltstart bei – 7 °C innerhalb von 400 Sekunden eine für das ordnungsgemäße Arbeiten ausreichend hohe Temperatur erreicht. Die Genehmigungsbehörde darf in diesem Zusammenhang deshalb keine Typgenehmigung erteilen, wenn die vorgelegten Angaben nicht hinreichend nachweisen, dass die Nachbehandlungseinrichtung tatsächlich innerhalb des genannten Zeitraums eine für das ordnungsgemäße Funktionieren ausreichend hohe Temperatur erreicht. <span style="text-decoration:underline">Mit dieser Nachweispflicht hat der Verordnungsgeber für Fahrzeuge klargestellt, dass es für ein daneben bestehendes Thermofenster bei niedrigen Temperaturen keine Rechtfertigung geben kann</span>. Hersteller, die gleichwohl die Funktionsweise der Abgasbehandlung herabsetzen, verstoßen gegen die Vorgaben der Durchführungs-Verordnung (so auch überzeugend die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags „<em>Abschalteinrichtungen in Personenkraftwagen</em>“, Az: WD 7 – 3000 – 031/16, S. 18 und<em> Prof. Dr. Martin Führ</em>, Gutachterliche Stellungnahme für den Deutschen Bundestag – 5. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode, S. 3 dort Ziff. 7).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>52 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="52"/>3) Gemessen daran, ist die streitgegenständliche Abschalteinrichtung in Form eines Thermofensters nach Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 unzulässig.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>53 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="53"/>Die Beklagte behauptet zwar, das streitgegenständliche Thermofenster sei zum Bauteilschutz notwendig. Begründet wird dies mit einer sog. Versottungsgefahr. Damit kann die Beklagte aus den oben genannten Gründen nicht gehört werden. Die Beklagte trägt im Rahmen der ihr obliegenden sekundären Darlegungslast schon nicht vor, dass die Versottungsgefahr durch andere technische Maßnahmen – unabhängig davon, ob diese wirtschaftlich deutlich teurer wären – verhindert werden könnte, weshalb auch die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht veranlasst war, da bereits der Vortrag der Beklagten den Ausnahmetatbestand des Art. 5 Abs. 2 lit. a) EG (VO) nicht eingreifen lässt.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>54 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="54"/>Ferner wird das System der Abgasrückführung - wie die Beklagte vorträgt - bereits bei Außentemperaturen von 7° Celsius und darunter um bis zu 48 % zurückgefahren, wobei der Vortrag der Beklagten - mangels fehlender Klarstellung trotz Hinweises in der richterlichen Verfügung vom 30.11.2018 (Bl. 86 d.A.) - nahelegt, dass die Abgasrückführung ggf. schon bei höheren Außentemperaturen als bei 7° C Celsius reduziert wird.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>55 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="55"/>Bei einer Jahresdurchschnittstemperatur z.B. in Stuttgart von 10 Grad Celsius oder beispielsweise in den in der EU liegenden Städten Helsinki von 4,8 Grad Celsius und in Tallin von 4,5 Grad Celsius handelt es sich bei der Maßnahme (Veränderung des Emmissionskontrollsystems durch Reduzierung der Abgasrückführung bei Außentemperaturen von jedenfalls 7° Celsius) nahezu um einen Dauerbetrieb. Dass eine solche Abschalteinrichtung für den EU-Gesetzgeber erkennbar nicht als legal gelten sollte, liegt auf der Hand. Die Beklagte hat gerade nicht dargelegt, dass es sich um eine bloße „<em>Ausnahme</em>“ handelt, die zwingend notwendig ist, den Motor vor (erheblichen) Beschädigungen zu schützen <span style="text-decoration:underline">und andere technische Lösungen, nach der jeweils besten verfügbaren Technik nicht vorhanden sind</span>. Vielmehr hat die Beklagte – wie wohl auch andere Automobilhersteller – das Regel-Ausnahmeverhältnis des Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2008 (bewusst) ins Gegenteil verkehrt.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>56 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="56"/>4) Das Gericht möchte dabei auch überhaupt nicht in Abrede stellen, dass ggf. eine solche Versottungsgefahr - wie von der Beklagten behauptet - bestehen mag. Allerdings rechtfertigt diese noch nicht den Ausnahmetatbestand des Art. 5 Abs. 2 lit. a) EG-VO 715/2007, da eben schon nicht dargelegt ist, dass diese Versottungsgefahr technisch nicht durch andere Maßnahmen, die ggf. teurer wäre, verhindert werden könnte, ohne dass hierzu eine Reduzierung der Abgasrückführung erforderlich wäre.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>57 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="57"/>Das Gericht sieht sich zu folgenden (wiederholenden) Klarstellungen veranlasst:</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>58 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="58"/>Selbst wenn die Abgasrückführung bei einer Außentemperatur von 7° Celsius und darunter um bis zu 48 % reduziert wird, weil andernfalls eine sog. Versottung eintrete, führt dies nicht zur Zulässigkeit der Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 5 Abs. 2 lit. a) EG-VO Nr. 715/2007. Wie oben dargelegt, bietet die Vorschrift des Art. 5 Abs. 2 lit. a) EG-VO 715/2007 unter Hinweis auf Art. 3 Nr. 9 Durchführungs-Verordnung gerade keine Rechtfertigung für ein darüber hinaus gehendes Thermofenster, das nahezu ununterbrochen arbeitet. Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 differenziert insoweit auch nicht nach dem Grad der Reduzierung der Abgasrückführung, sondern verbietet eine Abschalteinrichtung - mit Ausnahme der in Art. 5 Abs. 2 EG (VO) genannten Tatbestände - schlechthin. Selbst wenn also - wie die Beklagte selbst vorträgt - bei Außentemperaturen von unter 7° Celsius bereits die Abgasrückführung reduziert wird, stellt dies bei den in der EU vorherrschenden Jahresdurchschnittstemperaturen nahezu einen durchgängigen Regelbetrieb dar, den der EU-Gesetzgeber zweifellos - auch nicht zum Zwecke des Motorschutzes - als legal greifen lassen wollte.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>59 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="59"/>Ferner führt das Gericht erneut aus, dass der Ausnahmetatbestand des Art. 5 Abs. 2 EG (VO) 715/2007 sehr eng auszulegen ist. Die Automobilhersteller können sich daher - aus den geschilderten Gründen - allenfalls dann auf den Ausnahmetatbestand des Art. 5 Abs. 2 lit. a) EG (VO) (<em>Motorschutz) </em>berufen, wenn andere technische Lösungen, nach der jeweils besten verfügbaren Technik, und zwar unabhängig davon ob diese wirtschaftlich deutlich teurer wären, nicht vorhanden sind. Dies hat die Beklagte trotz ihrer sekundären Darlegungslast schon nicht behauptet.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>60 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="60"/>5) Unerheblich ist auch, ob das KBA und das BMVI die Zulässigkeit von Abschalteinrichtungen durch sogenannte Thermofenster (zum Teil) bejahen. Dies bindet die Parteien im hiesigen Rechtsstreit nicht. Ferner sind die dazu im Untersuchungsbericht Volkswagen zur Rechtfertigung dieser Praxis durch das Bundesministerium herangezogenen Argumente aus den oben genannten Gründen nicht nachvollziehbar. Es drängt sich daher der Verdacht auf, dass das Ergebnis der Untersuchungskommission allein politisch motiviert war (so mit (noch) deutlicheren Worten und schärferer Kritik:<em> Klinger</em>, Rechtsgutachten zum Stand der Umsetzung der Verordnung (EG) Nr. 715/2007, der Durchführungsverordnung 692/2008, der Richtlinie 2007/46/EG und der Regelung Nr. 83 der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UN/ECE), erstellt zum Beweisbeschluss SV-4 des 5. Untersuchungsausschusses der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestags, 29. September 2016, dort S. 29).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>61 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="61"/>6) Nicht gehört werden kann die Beklagte schließlich damit, dass für das streitgegenständliche Fahrzeug ein bestandskräftiger Verwaltungsakt hinsichtlich der EG-Typengenehmigung vorliege. Ein solcher Verwaltungsakt wirkt lediglich zwischen den Beteiligten des dortigen Verfahrens und bindet vorliegend nicht den Kläger. Ferner übersieht die Beklagte, dass streitgegenständlich nicht die Frage ist, ob für das hiesige Fahrzeug eine wirksame EG-Typengenehmigung besteht. Anknüpfungspunkt der Haftung nach §§ 826, 831 BGB ist, dass die Beklagte ein Fahrzeug entwickelt und hergestellt hat, welches über eine unzulässige Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 5 Abs. 1, 2 EG (VO) 715/2007 verfügt, die einer Zulassung entgegenstand, weshalb ein nachträglicher Entzug der Zulassung jedenfalls droht. Deshalb ist letztendlich auch nicht entscheidend, ob das Fahrzeug von einem Rückruf durch das KBA betroffen ist oder nicht.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>62 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="62"/>b) Der Kläger hat durch den Erwerb des streitgegenständlichen Fahrzeugs einen Schaden erlitten (vgl. nur LG Stuttgart, 21.08.2018 - 23 O 92/18; LG Bochum, 29.12.2017 - I-6 O 96/17, LG Köln, 18.07.2017 – 22 O 59/17, LG Würzburg, 23.02.2018 – 71 O 862/16, LG Stuttgart, 05.04.2018 - 7 O 28/17).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>63 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="63"/>1) Der eingetretene Schaden im Verhältnis des Klägers zur Beklagten liegt bereits in dem Abschluss des Vertrages, der jedenfalls zu den damaligen Bedingungen von dem Kläger nach Überzeugung des Gerichts so in der Form bei Kenntnis aller Umstände nicht abgeschlossen worden wäre (so im Ergebnis auch LG Stuttgart, 26.09.2018 – 23 O 95/18, LG Hildesheim, 17.01.2017 - 3 O 139/16; LG Paderborn, 07.04.2017 - 2 O 118/16; LG Kleve, 31.03.2017 - 3 O 252/16; LG Bochum, 13.07.2017 – 8 O 366/16, jeweils zum „<em>VW-Abgasskandal</em>“).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>64 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="64"/>2) Ein Schaden aufgrund einer sittenwidrigen Schädigung ist grundsätzlich im Rahmen der Differenzhypothese zu ermitteln, das heißt durch ein Gegenüberstellen der jetzigen Vermögenslage des Geschädigten und derjenige, die ohne eine Schädigung bestehen würde. Es kann jedoch ein Schaden auch dann vorliegen, wenn eigentlich eine objektive Werthaltigkeit der vertraglichen Gegenleistung vorliegt. Die Differenzhypothese muss nämlich stets einer normativen Kontrolle unterzogen werden, weil sie eine wertneutrale Rechenoperation darstellt. Der Schadensersatz dient aber dazu, den konkreten subjektiven Vermögensnachteil des Geschädigten auszugleichen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>65 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="65"/>Insoweit genügt jede Schadenszufügung im weitesten Sinne, also jede nachteilige Einwirkung auf die Vermögenslage in ihrer Gesamtheit und zwar in dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene eine Entscheidung zu Lasten seines Vermögens trifft. Dabei ist auch eine subjektbezogene Betrachtung heranzuziehen. Nach dem subjektbezogenen Schadensbegriff stellt auch der Abschluss eines Rechtsgeschäftes, welches nicht den Zielen des Geschädigten entspricht, einen Schaden im Rahmen des § 826 BGB dar, ohne dass es im Ergebnis darauf ankäme, ob die erhaltene Leistung wirtschaftlich betrachtet hinter der Gegenleistung zurückbleibt oder nicht bzw. ob nachfolgend ein Ausgleich erfolgt.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>66 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="66"/>Ein Schaden kann deshalb auch darin gesehen werden, dass jemand durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrages gebracht worden ist (BGH NJW-RR 2005, 611, 612). Es ist daher anerkannt, dass der Schaden auch darin liegen kann, dass ein – wäre eine Täuschung nicht erfolgt – ungewollter Vertrag abgeschlossen wird.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>67 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="67"/>3) Hier hat der Kläger ein Fahrzeug erworben, welches nicht seinen Vorstellungen entsprach und welches er, wenn er die tatsächlichen Hintergründe gekannt hätte, zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses so nicht erworben hätte. Der diesbezügliche Vermögensschaden des Klägers liegt darin, dass er in Unkenntnis des nicht gesetzeskonformen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung mit den sich daraus ergebenden Folgen – u.a. Sachmangel im Sinne des Gewährleistungsrechts - den streitgegenständlichen PKW erworben und damit einen ihm wirtschaftlich nachteiligen Vertrag geschlossen hat.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>68 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="68"/>Insoweit ist auch davon auszugehen, dass dann, wenn der Kläger die Hintergründe gekannt hätte, als verständiger Kunde kein Fahrzeug mit einer solchen unzulässigen Abschalteinrichtung und mit einem entsprechenden kaufrechtlichen Sachmangel erworben hätte. Wenn ihm vor dem Verkauf bekannt gewesen oder er von der Beklagten allgemein darauf hingewiesen worden wäre, dass allein mit der vorgenommenen Manipulation die diesbezügliche Typengenehmigung erlangt werden konnte und tatsächlich eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form eines sog. Thermofensters vorliegt, weshalb der Emissionsausstoß während nahezu des gesamten Jahreszeitraums (jedenfalls unstreitig ab 5 Grad Celsius Außentemperatur) deutlich höher ist als angegeben und dies - wie gezeigt - rechtlich unzulässig ist, hätte der Kläger von einem Kaufvertrag Abstand genommen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>69 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="69"/>4) Der Kläger hat also aufgrund des hier abgeschlossenen Kaufvertrages nicht das bekommen, was ihm aufgrund des Kaufvertrages an sich zugestanden hätte, nämlich ein technisch einwandfreies, den gesetzlichen Bestimmungen vollständig entsprechendes Fahrzeug. Die Schädigung besteht zudem darin, dass durch den Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung das tatsächlich von dem Kläger erworbene und ihm übergebene Fahrzeug nach den kaufrechtlichen Regelungen ursprünglich mangelhaft war.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>70 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="70"/>Da jedoch ein Käufer stillschweigend davon ausgeht, dass ein erworbenes Fahrzeug mangelfrei ist und den gesetzlichen Vorschriften und Vorgaben entspricht, war die diesbezügliche Vorstellung bei dem Kläger falsch, da die Typengenehmigung durch den Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung nicht hätte erteilt werden dürfen und die gesetzlich vorgegebenen Werte nur bei ganz bestimmten Umweltbedingungen erreicht werden, die Grenzwerte im normalen Fahrbetrieb bei üblichen Umweltbedingungen (durchschnittliche Außentemperaturen) hingegen um ein Vielfaches überschritten werden, so dass im Ergebnis der Kläger mit dem Erwerb und der Übergabe eines solchen Fahrzeuges gegen Zahlung des Kaufpreises einen Schaden erlitten hat.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>71 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="71"/>c) Der Kläger hat diesen Schaden aufgrund eines Verhaltens der Beklagten erlitten. Erforderlich ist insoweit ein adäquat kausaler Zusammenhang unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Norm (BGH, 03.03.2008 – II ZR 310/06 –, Rn. 15, juris; MünchKommBGB/<em>Wagner</em>, 7. Aufl., § 826 Rn. 45 ff.). Ein adäquater Zusammenhang besteht, wenn eine Tatsache im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, ganz unwahrscheinlichen und nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen zur Herbeiführung eines Erfolges geeignet war. So liegt der Fall hier.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>72 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="72"/>1) Die Beklagte hat den Kläger konkludent darüber getäuscht, dass die Zulassung des Fahrzeuges zum Straßenverkehr und die Einstufung in die angegebene Schadstoffklasse gesetzmäßig erfolgten, während sie tatsächlich - infolge des unzulässigen Einbaus einer Abschalteinrichtung - erschlichen wurde. So hatte die Beklagte unter anderem auch das Fahrzeug des Klägers mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung in den Verkehr gebracht, ohne hierüber aufzuklären.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>73 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="73"/>2) Die Täuschung der Beklagten gegenüber allen (potenziellen) Käufern derartiger Fahrzeuge durch konkludentes Handeln liegt darin, dass ein Neuwagenkäufer grundsätzlich davon ausgehen kann, dass das erworbene Fahrzeug vollständig mangelfrei ist, den gesetzlichen Vorschriften genügt und ohne Einschränkung und ohne weitere zusätzliche spätere Maßnahmen am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen darf, wobei diese Vorstellungen in der Regel für den Kaufentschluss des jeweiligen Käufers wie auch des Klägers maßgeblich sind.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>74 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="74"/>Diese Vorstellungen eines Käufers wie dem Kläger war hier aufgrund der von der Beklagten vorgenommenen Manipulation in Form des Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung und der diesbezüglichen Täuschung falsch, da eine Typengenehmigung nach Art. 4 Abs. 1 EG (VO) 715/2007 bei Offenlegung des Thermofensters durch die Beklagte gegenüber der Genehmigungsbehörde (KBA) nicht hätte erteilt werden dürfen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>75 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="75"/>Diese Täuschung und die vorgenommene Manipulation der Beklagten war auch kausal für die Kaufentscheidung des Klägers (s.o.).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>76 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="76"/>d) Das Verhalten der Beklagten war sittenwidrig. Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. Dabei kann es auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Sie kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (BGH, 28.06.2016 – VI ZR 536/15 –, Rn. 16, juris). Bezüglich des Anstandsgefühls aller billig und gerecht Denkenden kommt es wesentlich auf die berechtigten Verhaltenserwartungen im Verkehr an (Staudinger/Oechsler, BGB [2014], § 826, Rn. 31).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>77 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="77"/>1) Gemessen daran ist das Verhalten der Beklagten als sittenwidrig zu qualifizieren. Die Beweggründe der Beklagten zur Vornahme der Manipulationen am Motor bzw. der Systeme der Abgassteuerung und Reinigung und der entsprechenden Täuschungen darüber waren entweder die Erzielung eines höheren Gewinns durch die Ersparnis von weiteren Entwicklungskosten oder aber die Unfähigkeit der Entwickler der Motoren, zu marktgerechten Preisen einen Motor zu entwickeln, der über keine unzulässige Abschalteinrichtung in Form eines Thermofensters verfügt. Die Beklagte nutzte bei ihrer Täuschung aus, dass der Endverbraucher darauf vertraut, dass ein Fahrzeug, das von einem Hersteller für den Verkauf freigegeben wurde, die Zulassungsprüfungen ordnungsgemäß durchlaufen hat und dementsprechend die gesetzlich vorgegebenen Bestimmungen erfüllt.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>78 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="78"/>2) Insoweit ist in diesem Rahmen zu berücksichtigen, dass die Beklagte in großem Umfang und mit erheblichem technischen Aufwand zentrale Zulassungsvorschriften ausgehebelt und zugleich ihre Kunden konkludent getäuscht hat. Sie hat dabei nicht nur die Vorschriften des Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 außer Acht gelassen, sondern mit der vorgenommenen Manipulation durch den Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung für alle davon betroffenen Fahrzeuge zugleich ein System zur planmäßigen Verschleierung ihres Vorgehens gegenüber den Aufsichtsbehörden einerseits sowie nachfolgend nach dem Inverkehrbringen der Fahrzeuge gegenüber den Verbrauchern andererseits geschaffen. Es lag also eine bewusste Täuschung der Aufsichtsbehörden einerseits und der Verbraucher andererseits vor, um die entsprechende Typengenehmigungen für die Fahrzeuge zu erhalten und diese dann so in Verkehr bringen zu können, um dadurch entsprechende Vertragsschlüsse der Händler mit Kunden herbeiführen zu können.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>79 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="79"/>3) Dabei ist die Beklagte bewusst verschleiernd und durch einen offensichtlich nur begrenzt einbezogenen Personenkreis vorgegangen, um diese Manipulation geheim zu halten, zumal diese Manipulation auch nur äußerst schwer zu entdecken war und so im normalen Verkehr mangels erkennbarer Auswirkungen eigentlich nicht aufgefallen wäre. Die Manipulation ist auf dem Prüfstand bei gleichbleibender Umgebungstemperatur nicht zu erkennen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>80 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="80"/>4) Die Täuschung diente, andere Motive sind jedenfalls nicht ersichtlich, allein dem Zweck, zur Kostensenkung und möglicherweise auch zur Umgehung technischer Probleme bei der Entwicklung einer rechtlich und technisch einwandfreien, aber teurere Lösung der Abgasreinigung formal die Voraussetzungen für die Typgenehmigung zu erfüllen und mit Hilfe diese Manipulation umweltfreundliche Prüfvermerke veröffentlichen zu können, um dadurch entsprechende Wettbewerbsvorteile zu erlangen. Schon dieses Gewinnstreben um den Preis einer bewussten Täuschung und Benachteiligung von Behörden einerseits und Kunden andererseits gibt dem Handeln der Beklagten ein Gepräge der Sittenwidrigkeit. Ein solches zumindest auch die Verbraucher konkludent täuschendes Verhalten ist auch bei Anwendung eines durchschnittlichen Maßstabs als sittenwidrig anzusehen und verwerflich, da die Beklagte eben nicht nur die Aufsichts- und Prüfbehörden getäuscht, sondern durch ihr täuschendes Verhalten bei dem weiteren Inverkehrbringen der Fahrzeuge auch die Ahnungslosigkeit der unzähligen Verbraucher bewusst zu ihrem Vorteil ausgenutzt hat (vgl. LG Würzburg, 23.02.2018 – 71 O 862/16 zum "<em>VW-Abgasskandal"</em>).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>81 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="81"/>e) Auch die subjektiven Voraussetzungen für einen Anspruch aus § 826 BGB gegen die Beklagte sind zu bejahen. Die Beklagte hat den Kläger vorsätzlich geschädigt. Sie muss sich das Verhalten ihrer Repräsentanten, deren Wissen als zugestanden anzusehen ist, zurechnen lassen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>82 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="82"/>1) Der Kläger hat schlüssig vorgetragen, dass der Vorstand oder jedenfalls Teile des Vorstands der Beklagten Kenntnis von dem Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung, die zu gesetzwidrigen EG-Bescheinigungen geführt hat, gehabt haben.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>83 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="83"/>2) Dieser Vortrag ist auch naheliegend. Der Vorstand hat das Unternehmen den gesetzlichen Bestimmungen gemäß zu organisieren und zu führen (sog. Compliance). In diesem Zusammenhang muss davon ausgegangen werden, dass Berichtspflichten gegenüber dem Vorstand im Hinblick auf alle wesentlichen Entscheidungen eingerichtet sind und deren Einhaltung durch entsprechende Kontrollmaßnahmen gewährleistet ist. Insoweit ist es mehr als naheliegend, dass dem Vorstand oder Teilen des Vorstandes der Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung zur Erreichung der EG-Typengenehmigung sowie das Inverkehrbringen eines gesetzeswidrigen Fahrzeuges bekannt gewesen sind. Dies auch deshalb, weil die Abgasrückführung einer ganzen Motorenreihe für eine Vielzahl von Fahrzeugen hinsichtlich ihres Entwicklungsaufwandes in technischer und finanzieller Hinsicht eine wesentliche vom Vorstand zu treffende Entscheidung darstellt und die Verwendung einer solchen unzulässigen Abschalteinrichtung sämtliche in der EU zuzulassenden Fahrzeuge betrifft. Zu all diesen internen Vorgängen kann der Kläger als Käufer eines manipulierten Fahrzeugs naturgemäß nicht substantiiert vortragen, so dass die Beklagte eine sekundäre Darlegungslast dahingehend trifft, zu den internen Vorgängen im Zusammenhang mit der unzulässigen Abschalteinrichtung vorzutragen. Eine sekundäre Darlegungslast besteht dann, wenn der beweisbelasteten Partei näherer Vortrag nicht möglich oder zumutbar ist, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die beweisbelastete Partei außerhalb des von ihr vorzutragenden Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt, während der Gegner zumutbar nähere Angaben machen kann (vgl. BGH, 07.12.1998 - II ZR 266/97).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>84 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="84"/>3) Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Der Kläger kann nicht – wie oben ausgeführt – näher dazu vortragen, in welcher Organisationseinheit der Beklagten die unzulässige Abschalteinrichtung entwickelt, verwendet, verbaut worden ist, wer die Entscheidung dazu getroffen und wie die Entscheidung wann und an wen kommuniziert worden ist. Ein konkreterer Vortrag bezüglich einzelner Personen war nicht erforderlich. Insofern greifen die Grundsätze der sekundären Darlegungslast. Dagegen ist die Beklagte allein aus Compliance-Gesichtspunkten dazu verpflichtet, entsprechende Ermittlungsmaßnahmen zu ergreifen. Indem sie etwaige bisherige interne Ermittlungsergebnisse unter Verschluss hält, verstößt die Beklagte gegen ihre sekundäre Darlegungslast, so dass das Gericht davon ausgeht, dass der Vorstand der Beklagten Kenntnis von dem Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung hatte und das Inverkehrbringen entsprechend ausgerüsteter Motoren veranlasst hat, was auch mehr als naheliegend ist (ebenso: LG Köln, 18.07.2017 - 22 O 59/17; LG Hildesheim, 17.01.2017 - 3 O 139/16; LG Kleve, 31.03.2017 - 3 O 252/16; vgl. auch LG Stuttgart, 05.04.2018 - 7 O 28/17; LG Stuttgart, 30.10.2018 - 23 O 108/18, jeweils zum "<em>VW-Abgasskandal</em>").</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>85 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="85"/>4) Durch das bewusste Inverkehrbringen der gesetzwidrig ausgestatteten Fahrzeuge ist auch von einem entsprechenden Schädigungsvorsatz auszugehen. Der Vorstand der Beklagten hat eine Schädigung der Vermögensinteressen der Käufer zumindest billigend in Kauf genommen. Bei dem Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung kam es der Beklagten bzw. ihrem Vorstand darauf an, Umsatz und Gewinn zu steigern. Andere Gründe sind nicht ersichtlich. Dabei haben sie es in Kauf genommen, ihren Kunden über das Vertriebsnetz von Vertragshändlern nicht-gesetzeskonforme Fahrzeuge zu verkaufen und auf diese Weise ihren Kunden wirtschaftlichen Schaden zuzufügen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>86 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="86"/>f) Gemäß §§ 826, 249 BGB kann der Kläger von der Beklagten Schadensersatz i.H.v. <strong><span style="text-decoration:underline">39.400,00 EUR</span></strong> verlangen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>87 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="87"/>1) Der Kläger ist nach § 249 Abs. 1 BGB so zu stellen, als ob das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre. Aufgrund der genannten Umstände steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger das Fahrzeug nicht erworben hätte, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass die EG-Typgenehmigung unter Einsatz einer unzulässigen Abschalteinrichtung erteilt wurde und daher die Stilllegung im Falle eines Widerrufs der Zulassung drohte. Hierfür spricht die allgemeine Lebenserfahrung, dass niemand unnötig derartig erhebliche Risiken eingeht, wenn ihm auf dem Markt vergleichbare Produkte ohne entsprechende Risiken angeboten werden.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>88 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="88"/>2) Der Kläger kann daher den von ihr zum Erwerb des Fahrzeugs gezahlten Kaufpreis i.H.v. 50.000,00 EUR von der Beklagten verlangen. Im Wege des Vorteilsausgleichs hat er allerdings das erworbene Fahrzeug und die gezogenen Nutzungen herauszugeben (vgl. nur LG Stuttgart, 05.04.2018 - 7 O 28/17, LG Bochum, 29.12.2017 – I-6 O 96/17, LG Würzburg, 23.02.2018 - 71 O 862/16, LG Stuttgart, 30.10.2018 - 23 O 80/18, jeweils zum „<em>VW-Abgasskandal“</em>).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>89 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="89"/>Unstreitig hat der Kläger das Fahrzeug als Gebrauchtwagen mit einer Kilometerlaufleistung von 16.500 km erworben. Zur Überzeugung des Gerichts steht ferner fest, dass die Kilometerlaufleistung zum Schluss der mündlichen Verhandlung (11.12.2018) 66.002 km betrug (§ 286 Abs. 1 ZPO). Der Klägervertreter hat im Termin zur mündlichen Verhandlung am 11.12.2018 ein Lichtbild vom 07.12.2018 (Bl. 130 d.A.) vorgelegt, welches mit den Parteien in Augenschein genommen wurde und auf dem ein Kilometerstand von 66.002 km zu sehen war. Zwar hat die Beklagte mit Nichtwissen bestritten, dass es sich bei dem Lichtbild um eine Lichtbildaufnahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs handele. Zur Überzeugung des Gerichts steht jedoch fest, dass auf dem in Augenschein genommenen Lichtbild der Tachometer des streitgegenständlichen Fahrzeugs abgelichtet war (§ 286 Abs. 1 ZPO). So hat der Klägervertreter bestätigt, dass der Kläger das Lichtbild seinem Sekretariat übermittelt und dieses das Lichtbild sodann an ihn weitergeleitet habe. Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei dem Lichtbild nicht um eine Aufnahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs handelt, bestehen für das Gericht vernünftigerweise nicht, zumal die Laufleistung des streitgegenständlichen PKWs zum Zeitpunkt der Klageerhebung unstreitig 54.320 km betrug, weshalb eine Laufleistung i.H.v. 66.002 km zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung auch plausibel erscheint. Ferner hat der Kläger eine eidesstattliche Versicherung vom 07.12.2018 vorgelegt (Bl. 129 d.A.), in der er bestätigt, dass es sich bei der Lichtbildaufnahme um das streitgegenständliche Fahrzeug handele. Zwar wurde das Lichtbild bereits am 07.12.2018 aufgenommen und damit nicht am Tag der mündlichen Verhandlung. Zu berücksichtigen ist jedoch auch, dass auch die Beklagte nicht behauptet, der Kläger habe in der Zwischenzeit noch eine weitere Fahrtstrecke zurückgelegt. Ferner handelt es sich bei der Nutzungsentschädigung im Wesentlichen ohnehin um eine gemäß o.g. Berechnung durchgeführte Schätzung, sodass lediglich minimale Abweichungen des Kilometerstands auch zu vernachlässigen wären.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>90 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="90"/>Der Nutzungsvorteil errechnet sich aus dem Bruttokaufpreis von 50.000,00 EUR (Anl. K 16) multipliziert mit der seit Vertragsschluss gefahrenen Laufleistung des Fahrzeugs zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (11.12.2018) von 49.502 km (66.002 km - 16.500 km) geteilt durch die vom Gericht gemäß § 287 ZPO unter Zugrundelegung einschlägiger Vergleichswerte (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 13. Aufl., Rn. 3574) geschätzte Restlaufleistung. Das Gericht schätzt gemäß § 287 ZPO, dass ein Dieselfahrzeug des streitgegenständlichen Typs eine Gesamtfahrleistung von 250.000 km hat, sodass eine Restlaufleistung von 233.500 km besteht (250.000 km - 16.500 km). Dies bedeutet, dass der Kläger insgesamt einen Nutzungsvorteil i.H.v. 10.600,00 EUR gezogen hat, der in Abzug zu bringen ist, sodass ein Anspruch i.H.v. <strong>39.400,00 EUR</strong> (50.000,00 EUR - 10.600,00 EUR) besteht.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>91 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="91"/>Da der Kläger zuletzt einen Anspruch i.H.v. 43.329,81 EUR geltend macht, war die Klage insoweit im Übrigen abzuweisen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>92 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="92"/>2. Dem Kläger steht überdies auch ein Anspruch aus §§ 831 Abs. 1 S. 1, 249 BGB zu.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>93 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="93"/>a) Selbst wenn man entgegen dem Vorstehenden davon ausgehen würde, dass weder ein Vorstand im aktienrechtlichen Sinne, noch ein sonstiger Repräsentant i.S.v. § 31 BGB bei der Beklagten von der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung im hier maßgeblichen Zeitpunkt Kenntnis hatte, dann würde die Beklagte dem Kläger gleichwohl in der vorgenannten Weise auf Schadensersatz haften. Denn die Entwicklung und Freigabe des Motors samt der unzulässigen Abschalteinrichtung für die Serienproduktion erfolgte bei der Beklagten letztlich auf der Arbeitsebene unterhalb der Repräsentanten. Es muss hier denknotwendig einen oder höchstwahrscheinlich sogar mehrere Mitarbeiter (Entwicklungsingenieure) bei der Beklagten gegeben haben, die von der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung ("<em>Thermofenster</em>") Kenntnis hatten. Diese Mitarbeiter sind Verrichtungsgehilfen der Beklagten i.S.v. § 831 Abs. 1 S. 1 BGB.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>94 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="94"/>b) Sie haben den Kläger gem. § 826 BGB vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt (vgl. oben II. 1.), denn ihnen musste klar sein, dass der von ihnen entwickelte Motor mit der unzulässigen Abschalteinrichtung nicht den gesetzlichen Vorschriften entsprach. Hierfür bedurfte es keiner komplizierten rechtlichen Prüfungen. Auch einem rechtlichen nicht weiter Vorgebildeten leuchtet unmittelbar ein, dass eine Abschalteinrichtung, die bei üblichen Umweltbedingungen (insbesondere bei regelmäßig auftretende Außentemperaturen, die nahezu das gesamte Jahr über in der EU herrschen) eingreift und zu einer deutlichen Reduktion der Abgasrückführung führt und weit über die gesetzlichen Grenzwerte hinausgehende Abgasemissionen bedingt, der gesetzlichen Regelung der EG-VO 715/2007 zuwiderläuft.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>95 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="95"/>c) Den Entwicklungsingenieuren war auch klar, dass der Motor samt der unzulässigen Abschalteinrichtung mit Beginn der Serienfertigung in Fahrzeugen mit EG-Typengenehmigung Verwendung finden würde. Damit nahmen sie auch eine Schädigung der jeweiligen Fahrzeugerwerber billigend in Kauf, da ihnen klar war, dass bei Aufdeckung der Manipulation mit behördlichen Maßnahmen zu rechnen war. Dies genügt für den erforderlichen Schädigungsvorsatz (vgl. nur Palandt/<em>Sprau</em>, BGB, 77. Auflage 2018, § 826, Rn. 11). Das Handeln der Entwicklungsingenieure als bewusstes Täuschungsverhalten (Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung) genügt schon an sich für das Vorliegen der Sittenwidrigkeit (vgl. Palandt/<em>Sprau</em>, BGB, 77. Auflage 2018, § 826, Rn. 20; Reinking-Eggert, Der Autokauf, 13. Aufl. 2017, Rn. 1898d). Vorliegend treten jedoch, wie oben bereits ausgeführt noch weitere Umstände hinzu, die bei einer Gesamtwürdigung in jedem Fall zur Sittenwidrigkeit führen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>96 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="96"/>d) Den nach § 831 Abs. 1 S. 2 BGB zulässigen Entlastungsbeweis hat die Beklagte nicht geführt.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>97 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="97"/>e) Nach § 831 Abs. 1 S. 1 BGB steht damit dem Kläger (ebenfalls) der zuerkannte Schadensersatzanspruch zu.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>98 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="98"/>3. Letztlich wäre hinsichtlich der Frage, wer wann Kenntnis von der Entwicklung und dem Vertrieb des streitgegenständlichen Motors mit der streitgegenständlichen Abschalteinrichtung hatte, sogar eine Wahlfeststellung möglich und auch im Zivilrecht zulässig (BGH, Urteil vom 23. Juni 1987 - VI ZR 188/86, juris, Rn. 12): Zumindest entweder Vorstände im aktienrechtlichen Sinne, sonstige Repräsentanten i.S.v. § 31 BGB oder einfache Mitarbeiter als Verrichtungsgehilfen i.S.v. § 831 Abs. 1 S. 1 BGB hatten die Kenntnis und damit letztlich den Schädigungsvorsatz gem. § 826 BGB. Die Beklagte würde daher in jedem Fall auf Schadensersatz haften, wobei offen bleiben könnte, bei wem genau die Kenntnis vorlag. Für den vorliegenden Fall kommt es darauf allerdings nicht an, da wie dargelegt die Kenntnis der Vorstände als zugestanden gilt und außerdem auch von einer Kenntnis von Verrichtungsgehilfen auszugehen ist.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>99 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="99"/>4. Dem Kläger stehen gegenüber der Beklagten schließlich auch <strong>Zinsen</strong> i.H.v. <strong>4.216,67 EUR</strong> für den Zeitraum vom 22.09.2016 bis zum 31.10.2018 und weitere Zinsen i.H.v. 4 % aus einem Betrag i.H.v. 50.000,00 EUR seit 01.11.2018 nach § 849 BGB zu.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>100 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="100"/>a. Nach § 849 BGB kann der Verletzte, sofern wegen der Entziehung einer Sache der Wert oder wegen der Beschädigung einer Sache die Wertminderung zu ersetzen ist, Zinsen des zu ersetzenden Betrags von dem Zeitpunkt an verlangen, welcher der Bestimmung des Wertes zugrunde gelegt wird.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>101 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="101"/>§ 849 BGB erfasst jeden Sachverlust durch ein Delikt. Auch wenn der Schädiger den Geschädigten durch eine unerlaubte Handlung dazu bestimmt, eine Sache wegzugeben oder darüber zu verfügen, entzieht er sie ihm. § 849 BGB ist nach seinem Wortlaut nicht auf die Wegnahme beschränkt und verlangt nicht, dass die Sache ohne oder gegen den Willen des Geschädigten entzogen wird. Der Geschädigte muss auch nicht im Besitz der Sache gewesen sein. Eine Beschränkung auf den Verlust einer Sache ohne oder gegen den Willen des Geschädigten widerspräche auch dem Normzweck von § 849 BGB. Der Zinsanspruch soll mit einem pauschalierten Mindestbetrag den Verlust der Nutzbarkeit einer Sache ausgleichen, der durch den späteren Gebrauch derselben oder einer anderen Sache nicht nachgeholt werden kann. Der Geschädigte verliert die Sachnutzung gleichermaßen, wenn ihm eine Sache ohne seinen Willen entwendet wird und wenn er durch eine unerlaubte Handlung dazu gebracht wird, sie wegzugeben oder darüber zu verfügen (BGH, 26.11.2007 - II ZR 167/06).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>102 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="102"/>b. Dem Kläger ist eine Sache entzogen worden. Sache im Sinne von § 849 BGB ist auch Geld. § 849 BGB ist nicht durch § 90 BGB, wonach nur körperliche Gegenstände Sachen im Sinne des Gesetzes sind, auf die Entziehung von Bargeld beschränkt. Der Zweck des § 849 BGB, den später nicht nachholbaren Verlust der Nutzbarkeit einer Sache auszugleichen, erfasst jegliche Form von Geld. Von den Nutzungen eines hingegebenen Geldbetrags ist der Geschädigte nicht nur ausgeschlossen, wenn er mit Bargeld bezahlt hat, sondern auch, wenn er eine Zahlung auf andere Art und Weise geleistet hat. Auch wirtschaftlich besteht kein Unterschied zwischen der Übergabe von Bargeld, der Übergabe eines Schecks, der Einzahlung von Bargeld und einer Überweisung auf ein Konto (BGH, 26.11.2007 - II ZR 167/06; vgl. aber auch BGH, 12.06.2018 - KZR 55/16).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>103 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="103"/>c. Wer demnach durch eine unerlaubte Handlung dazu bestimmt wird, Geld zu überweisen oder zu übergeben, kann vom Schädiger eine Verzinsung nach § 849 BGB beanspruchen (vgl. zu § 849 BGB betreffend den „<em>VW-Abgasskandal“ </em>auch LG Essen, 04.09.2017 - 16 O 245/16).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>104 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="104"/>d. Dies ist der Fall. Die Beklagte hat den Kläger durch eine unerlaubte Handlung nach § 826 BGB zur Bezahlung des Kaufpreises bestimmt, weshalb der Kläger eine Verzinsung des Kaufpreises nach § 849 BGB verlangen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>105 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="105"/>Die Zinsen des Kaufpreises (50.000,00 EUR) betragen im geltend gemachten Zeitraum vom 22.09.2016 bis 31.10.2018 - unstreitig - 4.216,67 EUR. Ferner kann der Kläger weitere Zinsen i.H.v. 4 Prozent seit 01.11.2018 aus einem Betrag i.H.v. 50.000,00 EUR verlangen.</td></tr></table>
<table><tr><td>III.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>106 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="106"/>Der Feststellungsantrag in Klageantrag Ziff. 2 ist begründet.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>107 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="107"/>Die Beklagte Ziff. 1 befindet sich mit der Rücknahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs gemäß § 293 BGB im Annahmeverzug. Da Leistungsort im Falle der Rückabwicklung der Ort ist, an dem sich die Kaufsache befindet, genügt gemäß § 295 BGB das „wörtliche“ Angebot des Klägers im Rahmen des Anwaltsschreibens vom 23.07.2018 (Anl. K 17), den Kaufpreis Zug um Zug gegen Rückübereignung des Fahrzeugs zurückzubezahlen.</td></tr></table>
<table><tr><td>IV.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>108 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="108"/>Der Klageantrag Ziff. 3 ist teilweise begründet und war im Übrigen abzuweisen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>109 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="109"/>Der Kläger hat gemäß § 826 bzw. § 831 Abs. 1 S. 1, 249 BGB gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. <strong>1.590,91 EUR.</strong></td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>110 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="110"/>Der Schadensersatzanspruch nach § 826 bzw. 831 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB erfasst auch die erforderlichen Kosten einer Rechtsverfolgung. Hierbei hat das Gericht einen Gegenstandswert in Höhe der zugesprochenen Klageforderung (39.400,00 EUR) zugrunde gelegt und eine 1,3-fache Geschäftsgebühr, die Auslagenpauschale und die Umsatzsteuer angesetzt.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>111 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="111"/>Da es sich vorliegend um ein Massenverfahren handelt, bei dem der wesentliche Aufwand beim Klägervertreter gleichzeitig für eine Vielzahl von Verfahren anfällt, und es sich bei den eingereichten Schriftsätzen ausschließlich um Textbausteine handelt, die überdies im Wesentlichen keinen entscheidungserheblichen Sachvortrag enthalten, ist ein höherer Ansatz als der Mittelsatz von 1,3 für die Geschäftsgebühr (Nr. 2300 Anlage 1 VV RVG) nicht gerechtfertigt. Die Sach- und Rechtslage ist weder umfangreich noch schwierig i.S.d. Nr. 2300 Anlage 1 VV RVG.</td></tr></table>
<table><tr><td>V.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>112 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="112"/>Der Klageantrag Ziff. 4 ist i.H.v. 1.216,70 EUR begründet, weil in dieser Höhe zwischen dem ursprünglichen (43.329,81 EUR) und dem zuletzt mit Klageantrag Ziff. 1 geltend gemachten Zahlbetrag (42.344,97 EUR) die Erledigung der Hauptsache eingetreten ist.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>113 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="113"/>Eine - hier teilweise - Erledigung der Hauptsache liegt dann vor, wenn die eingereichte Klage zulässig und begründet war, aber durch ein nach Eintritt der Rechtshängigkeit eingetretenes Ereignis gegenstandslos geworden ist.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>114 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="114"/>Das ist hier der Fall. Der Antrag Ziff. 1 war zunächst in Höhe von voller Höhe zulässig und begründet, weil der Anspruch auf Rückzahlung des vollen Kaufpreises bestand. Denn es findet keine automatische Verrechnung des Anspruchs auf Rückzahlung des Kaufpreises mit dem Anspruch des Käufers auf Nutzungsersatz statt, vielmehr muss der Verkäufer letzteren geltend machen. Nichts anderes gilt auch für den Anspruch nach § 826 BGB. Teilweise unbegründet wurde die Klage insoweit mithin erst, als und nachdem die Beklagte im Rechtsstreit mit ihrem Vorbringen auf S. 22 der Klageerwiderung unter Ziff. 17 (Bl. 84 d.A.) geltend macht, der Kläger müsse sich eine Nutzungsentschädigung für die von ihm zwischenzeitlich gefahrenen Kilometer anrechnen lassen. Der Verkäufer/Schädiger ist nicht gezwungen aufzurechnen, sondern kann sich darauf beschränken, den ihm zustehenden Gegenanspruch auf Nutzungsersatz im Wege der Einrede geltend zu machen (OLG Stuttgart, 06.09.2017 - 4 U 105/17 m.w.N.).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>115 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="115"/>Zum Zeitpunkt der Klageerhebung betrug der Kilometerstand unstreitig 54.320 km. Im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung lag der Kilometerstand bei 66.002 km (s.o.).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>116 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="116"/>Die anzurechnende Nutzungsentschädigung betrug damit unter Anwendung der o.g. Formel zum Zeitpunkt der Klageerhebung 8.098,50 EUR und zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung 10.600,00 EUR, sodass sich der Rechtsstreit i.H.v. 1.216,70 EUR teilweise erledigt hat. Der Kläger hat den Rechtsstreit jedoch lediglich - aufgrund einer von ihm infolge höherer Restlaufzeit niedriger berechneten Nutzungsentschädigung - i.H.v. 984,84 EUR für erledigt erklärt, woran das Gericht nach § 308 Abs. 1 ZPO gebunden war.</td></tr></table>
<table><tr><td>VI.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>117 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="117"/>Soweit der nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 10.01.2019 neues (nicht nachgelassenen) Tatsachenvorbringen enthält, gab dieses keinen Anlass zum Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung.</td></tr></table>
<table><tr><td>VII.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>118 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="118"/>Der Beklagten war schließlich auch nicht - wie von der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 11.12.2018 beantragt - eine Stellungnahmefrist i.S.d. § 139 Abs. 5 ZPO zu gewähren. Das Gericht hat der Beklagten bereits mit Verfügung vom 30.11.2018 (Bl. 86 d.A.) die Möglichkeit gewährt, zum dort erteilten Hinweis, insbesondere betreffend das sog. „<em>Thermofenster“,</em> näher vorzutragen. Ferner hat der Kläger mit Schriftsatz vom 03.12.2018 neues Vorbringen zum „<em>Thermofenster“ </em>vorgetragen. Hierauf konnte die Beklagte gemäß § 283 ZPO - was auch erfolgt ist - mit nachgelassenem Schriftsatz vom 10.01.2019 ohnehin Stellung nehmen.</td></tr></table>
<table><tr><td>VIII.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>119 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="119"/>Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>120 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="120"/>Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 ZPO.</td></tr></table>
</td></tr></table>
<h2>Gründe</h2>
<table><tr><td> </td><td> </td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>21 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="21"/>Die Klage ist zulässig (dazu I.) und aus dem im Tenor ersichtlichen Umfang begründet (II.).</td></tr></table>
<table><tr><td>I.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>22 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="22"/>1. Die im Schriftsatz vom 03.12.2018 (Bl. 89 d.A.) einseitig gebliebene teilweise Erledigungserklärung des Klägers stellt einen Antrag auf Feststellung der teilweisen Erledigung der Hauptsache (Klageantrag Ziff. 4) dar, wobei es sich um eine nach § 264 Nr. 2 ZPO privilegierte Klageänderung handelt, nämlich um eine Antragsbeschränkung durch einen Übergang von einem Leistungsantrag zu einem Feststellungsantrag (OLG Stuttgart, 06.09.2017 - 4 U 105/17). Das nötige Feststellungsinteresse i.S.d. § 256 Abs. 1 ZPO bezüglich des Klageantrags Ziff. 4 folgt daraus, dass der Kläger andernfalls insoweit die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hätte.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>23 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="23"/>2. Für den Klageantrag Ziff. 2 bezüglich der Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten mit der Rücknahme des Fahrzeugs besteht das Feststellungsinteresse angesichts der mit der Feststellung verbundenen Vereinfachung und Beschleunigung des Zugriffs in der Zwangsvollstreckung (vgl. §§ 756 Abs. 1, 765 Nr. 1 ZPO).</td></tr></table>
<table><tr><td>II.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>24 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="24"/>Die Klage ist im Klageantrag Ziff. 1 aus dem im Tenor ersichtlichen Umfang begründet.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>25 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="25"/>Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 826 BGB (dazu 1.), gemäß § 831 Abs. 1 S. 1 BGB (dazu 2.), wobei zwischen den Ansprüchen aus § 826 BGB und § 831 BGB die Möglichkeit der Wahlfeststellung besteht (dazu 3.), i.H.v. <span style="text-decoration:underline">39.400,00 EUR</span>. Ferner hat der Kläger Anspruch auf Zahlung von <span style="text-decoration:underline">Zinsen i.H.v. 4.216,67 EUR</span> sowie <span style="text-decoration:underline">weiteren Zinsen</span> aus einem Betrag von 50.000,00 EUR in Höhe von 4 % pro Jahr seit dem 01.11.2018 (dazu 4.).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>26 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="26"/>1. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung aus § 826 BGB (vgl. auch LG Stuttgart, 27.11.2018 - 7 O 265/18 ebenfalls zum „<em>Thermofenster“;</em> LG Stuttgart, 14.08.2018 - 23 O 80/18, LG Stuttgart,16.11.2017 - 19 O 34/17, LG Stuttgart, 05.04.2018 - 7 O 28/17, jeweils zum „<em>VW-Abgasskandal</em>“).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>27 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="27"/>Das Fahrzeug verfügt über eine unzulässige Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 (dazu a). Der Kläger hat deshalb einen Schaden erlitten (b), welcher durch ein Verhalten der Beklagten entstanden (c) und welches als sittenwidrig zu qualifizieren ist (d). Die Beklagte hat dabei vorsätzlich gehandelt (e). Aufgrund dessen hat der Kläger einen Anspruch auf Schadensersatz i.H.v. 39.400,00 EUR (f).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>28 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="28"/>a) Die Beklagte hat das vom Kläger erworbene Fahrzeug gebaut und eine EG-Typengenehmigung beantragt, die formal erteilt wurde, obwohl das Fahrzeug über eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 verfügt, die der Zulassung entgegenstand.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>29 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="29"/>1) Nach Art. 4 Abs. 1 EG-VO 715/2007 weist der Hersteller nach, dass alle von ihm verkauften, zugelassenen oder in der Gemeinschaft im Betrieb genommenen Neufahrzeuge über eine Typengenehmigung gemäß dieser Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen verfügen. Nach Art. 5 Abs. 1 EG-VO 715/2007 rüstet der Hersteller das Fahrzeug so aus, dass die Bauteile, die das Emissionsverhalten voraussichtlich beeinflussen, so konstruiert, gefertigt und montiert sind, dass das Fahrzeug <span style="text-decoration:underline">unter normalen Betriebsbedingungen</span> dieser Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen entspricht. Nach Abs. 2 der Vorschrift ist die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die diese Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, grundsätzlich unzulässig.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>30 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="30"/>Art. 3 Nr. 10 EG-VO 715/2007 definiert eine Abschalteinrichtung als ein Konstruktionsteil, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl (UpM), den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlass, oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu <span style="text-decoration:underline">verändern</span>, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter <span style="text-decoration:underline">Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind</span>, verringert wird.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>31 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="31"/>Das streitgegenständliche Fahrzeug verfügt über eine solche Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 3 Nr. 10 EG-VO 715/2007.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>32 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="32"/>(1) Anzumerken ist zunächst, dass selbst die Untersuchungskommission des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) bezüglich des Vorhandenseins eines Thermofensters zu folgendem Ergebnis kommt:</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>33 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="33"/><em>„Alle Hersteller nutzen aber Abschalteinrichtungen gemäß der Definition in Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007“</em></td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>34 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="34"/>(Bericht der Untersuchungskommission „<em>Volkswagen</em>“, Stand April 2016, S. 119 unter C. II. 4.).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>35 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="35"/>(2) Unstreitig verfügt das streitgegenständliche Fahrzeug – wie offenbar eine Vielzahl der Motoren diverser Hersteller, und zwar unabhängig davon, ob sie von einem Rückruf des KBA betroffen sind – über ein sog. Thermofenster.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>36 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="36"/>So ist im streitgegenständlichen Fahrzeug eine Technologie zur Reduktion des Stickoxidausstoßes (NOx) vorhanden. Dabei kommt die sog. Abgasrückführung zum Einsatz. Bei der Abgasrückführung wird ein Teil des Abgases zurück in das Ansaugsystem des Motors geführt und nimmt erneut an der Verbrennung teil. Die Abgasrückführung wird dabei bei kühleren Temperaturen – unstreitig - zurückgefahren. Bei welchen konkreten Außentemperaturen letztendlich eine Reduktion der Abgasrückführung erfolgt, kann letztendlich dahinstehen. Anzumerken ist lediglich, dass die Beklagte - trotz Hinweises in der richterlichen Verfügung vom 30.11.2018 (Bl. 86 d.A.) und des Sachvortrags des Klägers im Rahmen der Klageschrift vom 04.10.2018 (Bl. 1 ff. d.A.) und im Schriftsatz vom 03.12.2018 (Bl. 88 ff. d.A) - nicht näher dazu vorträgt, bei welchen Außentemperaturen bereits erstmals (offenbar 7° Celsius) eine Reduzierung der Abgasrückführung eintritt und in welchem konkreten Maß. Die hierzu getätigten Ausführungen der Beklagten im nachgelassenen Schriftsatz vom 10.01.2019 sind (wohl bewusst) vage gehalten (Reduzierung der Abgasrückführung um „<em>bis zu 48 %</em>“).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>37 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="37"/>(3) Sofern die Abgasrückführung - wie im nachgelassenen Schriftsatz der Beklagten vom 10.01.2019 vorgetragen und zugunsten der Beklagten sogar als wahr unterstellt - bei einer Außentemperatur von 7° C oder darunter betriebspunktabhängig um bis zu <strong>48 %</strong> reduziert wird, stellt dies eine Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 3 Nr. 10 EG-VO 715/2007 dar, da gerade das Abgasrückführungssystem bzw. eine Software die Außentemperatur erkennt und die Funktion des Emissionskontrollsystems <span style="text-decoration:underline">verändert</span> - unabhängig davon in welchem Maß - oder sogar deaktiviert, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems infolge der Reduktion der Abgasrückführung unter normalen Bedingungen des Fahrzeugbetriebs verringert wird. Die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems wird eben durch das entsprechende System an die Fahr- und Umweltbedingungen, die bei normalen Fahrbetrieb herrschen, angepasst. Unerheblich ist dabei, in welchem Maß eine Verringerung der Abgasrückführung erfolgt, da Art. 3 Nr. 10 EG-VO 715/2007 eine solche Differenzierung nicht erlaubt und schlicht jede Veränderung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems als Abschalteinrichtung zu qualifizieren ist, zumal eine Reduzierung um bis zu 48 % ohnehin als erheblich einzustufen wäre (vgl. auch <em>Prof. Dr. Martin Führ</em>, Gutachterliche Stellungnahme für den Deutschen Bundestag – 5. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode; <em>derselbe</em> in NVwZ 2017, 265; ferner auch die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags „<em>Abschalteinrichtungen in Personenkraftwagen</em>“, Az: WD 7 – 3000 – 031/16, S. 18).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>38 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="38"/>(4) Anders als die Beklagte meint, wird mit der „<em>Auslegung der Abgasrückführung die innermotorische Emissionskontrolle für die jeweiligen Betriebszustände“ </em>nicht erst „<em>definiert“, </em>weshalb es sich nach Ansicht der Beklagten um keine Abschalteinrichtung handele (S. 7 des Schriftsatzes der Beklagten vom 11.01.2019). Dieser Argumentationsversuch läuft darauf hinaus, den in der Verordnung nicht definierten Begriff des „<em>Emissionskontrollsystems</em>“ aus dem Kontext der Begriffsbestimmung der „<em>Abschalteinrichtung</em>“ herauszulösen und ihm einen eigenen, engeren Gehalt zuzuweisen. Für eine solche Sichtweise müsste es in der Verordnung besondere Anhaltspunkte geben. Daran fehlt es aber. Im Gegenteil: Die Unterscheidung „<em>innermotorisch</em>“ und „<em>Emissionskontrolle</em>“ widerspricht dem Wortlaut der Definition der „<em>Abschalteinrichtung</em>“, denn die in Art. 3 Nr. 10 EG (VO) 715/2007 aufgezählten Parameter umfassen alle technischen Vorgänge (darunter mit der „<em>Motordrehzahl</em>“ einen eindeutig innermotorischer Faktor), die auf Entstehen und Verminderung der Emissionen einwirken. Dafür spricht auch die Begriffsbestimmung in Art. 3 Nr. 11 EG (VO) 715/2007. Sie definiert „<em>emissionsmindernde Einrichtung</em>“ als „<em>die Teile eines Fahrzeugs, die die Auspuff- und Verdunstungsemissionen eines Fahrzeugs regeln und/oder begrenzen.</em>“ Steuerungsvorgänge, die innermotorisch wirken, tragen dazu bei, die Auspuffemissionen zu regeln, sie sind daher Teil des Emissionskontrollsystems. Die vorgetragene Differenzierung findet somit im Verordnungstext keine Stütze (so überzeugend<em> Prof. Führ</em> in: NVwZ 2017, 265 (266)).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>39 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="39"/>Die Funktion des Emissionskontrollsystems wird vorliegend also - abhängig von der Umgebungstemperatur - dadurch verändert, dass die Abgasrückführungsrate um bis zu 48 % reduziert wird. Dies stellt eine Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 3 Nr. 10 EG (VO) 715/2007 dar.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>40 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="40"/>2) Eine solche Abschalteinrichtung ist nur dann ausnahmsweise zulässig, wenn die Einrichtung notwendig ist, um den Motor vor Beschädigung zu schützen (Art. 5 Abs. 2 lit. a) EG-VO 715/2007). Dies ist vorliegend <span style="text-decoration:underline">nicht</span> der Fall.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>41 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="41"/>Zwar wird im Abschlussbericht der Untersuchungskommission „<em>Volkswagen</em>“ des BMVI ausgeführt, dass „<em>unter Berufung auf den Motorschutz die Verwendung von Abschalteinrichtungen letztlich stets dann gerechtfertigt werden könnte, wenn von Seiten des Fahrzeugherstellers nachvollziehbar dargestellt wird, dass ohne die Verwendung einer solchen Einrichtung dem Motor Schaden droht, sei dieser auch noch so klein</em>“.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>42 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="42"/>(Bericht der Untersuchungskommission „<em>Volkswagen</em>“, Stand April 2016, S. 123 unter D. I. 2.).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>43 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="43"/>Eine solche Auslegung der gesetzlichen Vorgaben hat jedoch keine rechtliche Grundlage (so überzeugend und mit erheblicher Kritik am Abschlussbericht der Untersuchungskommission des BMVI: <em>Klinger</em>, Rechtsgutachten zum Stand der Umsetzung der Verordnung (EG) Nr. 715/2007, der Durchführungsverordnung 692/2008, der Richtlinie 2007/46/EG und der Regelung Nr. 83 der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UN/ECE), erstellt zum Beweisbeschluss SV-4 des 5. Untersuchungsausschusses der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestags, 29. September 2016, dort S. 24).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>44 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="44"/>Im Einzelnen:</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>45 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="45"/>(1) Die EG (VO) 715/2007 wurde ausweislich von Erwägungsgrund 1 erlassen, um die technischen Vorschriften für die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich ihrer Emissionen zu harmonisieren. Ziel ist die Sicherstellung eines hohen Umweltschutzniveaus auf europäischer Ebene. Zur Verbesserung der Luftqualität und zur Einhaltung der Luftverschmutzungsgrenzwerte war nach Auffassung des EU-Gesetzgebers insbesondere eine erhebliche Minderung der Stickstoffoxidemissionen bei Dieselfahrzeugen erforderlich. Das Senken der Emissionen von Kraftfahrzeugen ist Teil einer Gesamtstrategie. Um die Ziele der EU für die Luftqualität zu erreichen, sind nach seiner Einschätzung fortwährende Bemühungen zur Senkung von Kraftfahrzeugemissionen erforderlich, weshalb die Industrie klare Informationen über die künftigen Emissionsgrenzwerte erhalten soll.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>46 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="46"/>(2) Wie alle Ausnahmeregelungen ist auch die Vorschrift des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 EG-VO 715/2007 <span style="text-decoration:underline">sehr eng</span> auszulegen. Wer als Fahrzeughersteller von dem Verbot abweichen will, muss dies besonders rechtfertigen. Eine Notwendigkeit i.S.d. Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 liegt insbesondere dann <span style="text-decoration:underline">nicht</span> vor, wenn sich die Abschalteinrichtung durch <span style="text-decoration:underline">Konzeption, Konstruktion oder Werkstoffwahl</span> vermeiden lässt.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>47 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="47"/>Der Verordnungsgeber ist bei dem Begriff der „<em>Notwendigkeit</em>“ i.S.d. Art. 5 Abs. 2 lit. a) EG-VO 715/2007 bewusst über die entsprechende Regelung in Ziffer 2.1.6 Satz 2 der zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Emissionsgrundverordnung geltenden Fassung der UN/ECE-Regelung Nr. 83 hinausgegangen, in der zum Verneinen einer verbotenen Abschalteinrichtung bereits als ausreichend angesehen wurde, wenn „<em>die Notwendigkeit der Nutzung der Einrichtung mit dem Schutz des Motors vor Beschädigungen oder Unfällen und der Betriebssicherheit des Fahrzeugs begründet wird</em>“. Im Vergleich zu diesem allein auf eine vorgenommene Begründung abstellenden Wortlaut der Regelung Nr. 83 hat der Verordnungsgeber bei der Emissionsgrundverordnung mit dem Begriff der „<em>Notwendigkeit</em>“ einen <span style="text-decoration:underline">strengeren, objektivierbaren Maßstab</span> gewählt (so auch die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags „<em>Abschalteinrichtungen in Personenkraftwagen</em>“, Az: WD 7 – 3000 – 031/16, S. 13).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>48 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="48"/>(3) Es ist demnach nicht schon ausreichend, dass überhaupt individuell technische Situationen auftreten, in denen die Abschalteinrichtung zum Motorschutz oder zum sicheren Betrieb erforderlich ist, sondern darüber hinaus wäre unter Einbeziehung der zu dieser technischen Situation führenden Gründe erforderlich, dass auch diese notwendigerweise vorliegen, also generell unvermeidbar sind (diese Auslegung befürwortend auch die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags „<em>Abschalteinrichtungen in Personenkraftwagen</em>“, Az: WD 7 – 3000 – 031/16, S. 14 f.).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>49 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="49"/>(4) Unzweifelhaft nicht notwendig im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 2 lit. a) EG-VO 715/2007 ist eine solche Abschalteinrichtung, die aus Motorschutzgesichtspunkten <span style="text-decoration:underline">ununterbrochen arbeitetet</span> und damit den Zielsetzungen der Verordnung hinsichtlich einer eindämmenden Kontrolle der Emissionswerte im Straßenbetrieb und einem grundsätzlichen Verbot von Abschalteinrichtungen komplett zuwiderläuft.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>50 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="50"/>Dem entsprechend sprechen die überwiegenden Gründe dafür, dass das Eingreifen einer Abschalteinrichtung grundsätzlich nicht auf die Privilegierung von Artikel 5 Absatz 2 Satz 2 lit. a) EG-VO 715/2007 gestützt werden kann, wenn sie unter Bedingungen eingreift, die zu den üblichen, alltäglichen Nutzungsbedingungen eines betreffenden Kraftfahrzeugs im Sinne eines Normalgebrauchs zu zählen sind. Eine Privilegierung einer Abschalteinrichtung aufgrund von Artikel 5 Absatz 2 Satz 2 lit. a) EG-VO 715/2007 kommt zudem dann grundsätzlich <span style="text-decoration:underline">nicht</span> in Betracht, wenn<span style="text-decoration:underline"> aufgrund andersartiger Konstruktion oder durch den Einsatz zusätzlicher Bauteile das Abschalten des Emissionskontrollsystems unter Motorschutzgesichtspunkten entbehrlich würde</span>. Für eine solche technische Entbehrlichkeit einer Abschalteinrichtung ließe sich in praxi etwa anführen, wenn nach dem Stand der Technik Konstruktionen bekannt und <span style="text-decoration:underline">möglich</span> sind, die das Abschalten des Emissionskontrollsystems entbehrlich machen, wofür namentlich sprechen kann, dass vergleichbare Motoren anderer Hersteller ohne entsprechend agierende Abschalteinrichtung auskommen, ohne dass der Motor Schaden nimmt. Auch die Möglichkeit des Einsatzes anderer oder weiterer technischer Varianten von Emissionskontrollsystemen spräche dafür, bei Verzicht auf dieselben seitens des Herstellers mangels Notwendigkeit keine Privilegierung aufgrund von Artikel 5 Absatz 2 Satz 2 lit. a) EG-VO 715/2007 greifen zu lassen (vgl. die überzeugende Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags „<em>Abschalteinrichtungen in Personenkraftwagen</em>“, Az: WD 7 – 3000 – 031/16, S. 15 f).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>51 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="51"/>(5) Die auf den Schutz des Motors abzielende Privilegierung nach Artikel 5 Absatz 2 Satz 2 lit. a) EG-VO 715/2007 bietet deshalb grundsätzlich keine taugliche Rechtsgrundlage dafür, eine Abschalteinrichtung regelmäßig auch bei solchen Betriebsbedingungen, die bei normalem, bestimmungsgemäßem Gebrauch eines Personenkraftwagens typischerweise eintreten, legal greifen zu lassen. Dies gilt insbesondere auch für den Betrieb bei niedrigen Umgebungstemperaturen. Neben Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 sind auch die im Typzulassungs-Regelwerk enthaltenen Spezialvorschriften zu beachten. Für Dieselfahrzeuge legt Art. 3 Nr. 9 Durchführungs-Verordnung EG (VO) 692/2008 fest, innerhalb welches Zeitraums bei einem Kaltstart des Motors die volle Funktionsfähigkeit gewährleistet sein muss. Danach haben die Hersteller der Genehmigungsbehörde zu belegen, dass die NOx-Nachbehandlungseinrichtung nach einem Kaltstart bei – 7 °C innerhalb von 400 Sekunden eine für das ordnungsgemäße Arbeiten ausreichend hohe Temperatur erreicht. Die Genehmigungsbehörde darf in diesem Zusammenhang deshalb keine Typgenehmigung erteilen, wenn die vorgelegten Angaben nicht hinreichend nachweisen, dass die Nachbehandlungseinrichtung tatsächlich innerhalb des genannten Zeitraums eine für das ordnungsgemäße Funktionieren ausreichend hohe Temperatur erreicht. <span style="text-decoration:underline">Mit dieser Nachweispflicht hat der Verordnungsgeber für Fahrzeuge klargestellt, dass es für ein daneben bestehendes Thermofenster bei niedrigen Temperaturen keine Rechtfertigung geben kann</span>. Hersteller, die gleichwohl die Funktionsweise der Abgasbehandlung herabsetzen, verstoßen gegen die Vorgaben der Durchführungs-Verordnung (so auch überzeugend die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags „<em>Abschalteinrichtungen in Personenkraftwagen</em>“, Az: WD 7 – 3000 – 031/16, S. 18 und<em> Prof. Dr. Martin Führ</em>, Gutachterliche Stellungnahme für den Deutschen Bundestag – 5. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode, S. 3 dort Ziff. 7).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>52 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="52"/>3) Gemessen daran, ist die streitgegenständliche Abschalteinrichtung in Form eines Thermofensters nach Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 unzulässig.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>53 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="53"/>Die Beklagte behauptet zwar, das streitgegenständliche Thermofenster sei zum Bauteilschutz notwendig. Begründet wird dies mit einer sog. Versottungsgefahr. Damit kann die Beklagte aus den oben genannten Gründen nicht gehört werden. Die Beklagte trägt im Rahmen der ihr obliegenden sekundären Darlegungslast schon nicht vor, dass die Versottungsgefahr durch andere technische Maßnahmen – unabhängig davon, ob diese wirtschaftlich deutlich teurer wären – verhindert werden könnte, weshalb auch die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht veranlasst war, da bereits der Vortrag der Beklagten den Ausnahmetatbestand des Art. 5 Abs. 2 lit. a) EG (VO) nicht eingreifen lässt.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>54 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="54"/>Ferner wird das System der Abgasrückführung - wie die Beklagte vorträgt - bereits bei Außentemperaturen von 7° Celsius und darunter um bis zu 48 % zurückgefahren, wobei der Vortrag der Beklagten - mangels fehlender Klarstellung trotz Hinweises in der richterlichen Verfügung vom 30.11.2018 (Bl. 86 d.A.) - nahelegt, dass die Abgasrückführung ggf. schon bei höheren Außentemperaturen als bei 7° C Celsius reduziert wird.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>55 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="55"/>Bei einer Jahresdurchschnittstemperatur z.B. in Stuttgart von 10 Grad Celsius oder beispielsweise in den in der EU liegenden Städten Helsinki von 4,8 Grad Celsius und in Tallin von 4,5 Grad Celsius handelt es sich bei der Maßnahme (Veränderung des Emmissionskontrollsystems durch Reduzierung der Abgasrückführung bei Außentemperaturen von jedenfalls 7° Celsius) nahezu um einen Dauerbetrieb. Dass eine solche Abschalteinrichtung für den EU-Gesetzgeber erkennbar nicht als legal gelten sollte, liegt auf der Hand. Die Beklagte hat gerade nicht dargelegt, dass es sich um eine bloße „<em>Ausnahme</em>“ handelt, die zwingend notwendig ist, den Motor vor (erheblichen) Beschädigungen zu schützen <span style="text-decoration:underline">und andere technische Lösungen, nach der jeweils besten verfügbaren Technik nicht vorhanden sind</span>. Vielmehr hat die Beklagte – wie wohl auch andere Automobilhersteller – das Regel-Ausnahmeverhältnis des Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2008 (bewusst) ins Gegenteil verkehrt.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>56 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="56"/>4) Das Gericht möchte dabei auch überhaupt nicht in Abrede stellen, dass ggf. eine solche Versottungsgefahr - wie von der Beklagten behauptet - bestehen mag. Allerdings rechtfertigt diese noch nicht den Ausnahmetatbestand des Art. 5 Abs. 2 lit. a) EG-VO 715/2007, da eben schon nicht dargelegt ist, dass diese Versottungsgefahr technisch nicht durch andere Maßnahmen, die ggf. teurer wäre, verhindert werden könnte, ohne dass hierzu eine Reduzierung der Abgasrückführung erforderlich wäre.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>57 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="57"/>Das Gericht sieht sich zu folgenden (wiederholenden) Klarstellungen veranlasst:</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>58 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="58"/>Selbst wenn die Abgasrückführung bei einer Außentemperatur von 7° Celsius und darunter um bis zu 48 % reduziert wird, weil andernfalls eine sog. Versottung eintrete, führt dies nicht zur Zulässigkeit der Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 5 Abs. 2 lit. a) EG-VO Nr. 715/2007. Wie oben dargelegt, bietet die Vorschrift des Art. 5 Abs. 2 lit. a) EG-VO 715/2007 unter Hinweis auf Art. 3 Nr. 9 Durchführungs-Verordnung gerade keine Rechtfertigung für ein darüber hinaus gehendes Thermofenster, das nahezu ununterbrochen arbeitet. Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 differenziert insoweit auch nicht nach dem Grad der Reduzierung der Abgasrückführung, sondern verbietet eine Abschalteinrichtung - mit Ausnahme der in Art. 5 Abs. 2 EG (VO) genannten Tatbestände - schlechthin. Selbst wenn also - wie die Beklagte selbst vorträgt - bei Außentemperaturen von unter 7° Celsius bereits die Abgasrückführung reduziert wird, stellt dies bei den in der EU vorherrschenden Jahresdurchschnittstemperaturen nahezu einen durchgängigen Regelbetrieb dar, den der EU-Gesetzgeber zweifellos - auch nicht zum Zwecke des Motorschutzes - als legal greifen lassen wollte.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>59 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="59"/>Ferner führt das Gericht erneut aus, dass der Ausnahmetatbestand des Art. 5 Abs. 2 EG (VO) 715/2007 sehr eng auszulegen ist. Die Automobilhersteller können sich daher - aus den geschilderten Gründen - allenfalls dann auf den Ausnahmetatbestand des Art. 5 Abs. 2 lit. a) EG (VO) (<em>Motorschutz) </em>berufen, wenn andere technische Lösungen, nach der jeweils besten verfügbaren Technik, und zwar unabhängig davon ob diese wirtschaftlich deutlich teurer wären, nicht vorhanden sind. Dies hat die Beklagte trotz ihrer sekundären Darlegungslast schon nicht behauptet.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>60 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="60"/>5) Unerheblich ist auch, ob das KBA und das BMVI die Zulässigkeit von Abschalteinrichtungen durch sogenannte Thermofenster (zum Teil) bejahen. Dies bindet die Parteien im hiesigen Rechtsstreit nicht. Ferner sind die dazu im Untersuchungsbericht Volkswagen zur Rechtfertigung dieser Praxis durch das Bundesministerium herangezogenen Argumente aus den oben genannten Gründen nicht nachvollziehbar. Es drängt sich daher der Verdacht auf, dass das Ergebnis der Untersuchungskommission allein politisch motiviert war (so mit (noch) deutlicheren Worten und schärferer Kritik:<em> Klinger</em>, Rechtsgutachten zum Stand der Umsetzung der Verordnung (EG) Nr. 715/2007, der Durchführungsverordnung 692/2008, der Richtlinie 2007/46/EG und der Regelung Nr. 83 der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UN/ECE), erstellt zum Beweisbeschluss SV-4 des 5. Untersuchungsausschusses der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestags, 29. September 2016, dort S. 29).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>61 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="61"/>6) Nicht gehört werden kann die Beklagte schließlich damit, dass für das streitgegenständliche Fahrzeug ein bestandskräftiger Verwaltungsakt hinsichtlich der EG-Typengenehmigung vorliege. Ein solcher Verwaltungsakt wirkt lediglich zwischen den Beteiligten des dortigen Verfahrens und bindet vorliegend nicht den Kläger. Ferner übersieht die Beklagte, dass streitgegenständlich nicht die Frage ist, ob für das hiesige Fahrzeug eine wirksame EG-Typengenehmigung besteht. Anknüpfungspunkt der Haftung nach §§ 826, 831 BGB ist, dass die Beklagte ein Fahrzeug entwickelt und hergestellt hat, welches über eine unzulässige Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 5 Abs. 1, 2 EG (VO) 715/2007 verfügt, die einer Zulassung entgegenstand, weshalb ein nachträglicher Entzug der Zulassung jedenfalls droht. Deshalb ist letztendlich auch nicht entscheidend, ob das Fahrzeug von einem Rückruf durch das KBA betroffen ist oder nicht.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>62 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="62"/>b) Der Kläger hat durch den Erwerb des streitgegenständlichen Fahrzeugs einen Schaden erlitten (vgl. nur LG Stuttgart, 21.08.2018 - 23 O 92/18; LG Bochum, 29.12.2017 - I-6 O 96/17, LG Köln, 18.07.2017 – 22 O 59/17, LG Würzburg, 23.02.2018 – 71 O 862/16, LG Stuttgart, 05.04.2018 - 7 O 28/17).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>63 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="63"/>1) Der eingetretene Schaden im Verhältnis des Klägers zur Beklagten liegt bereits in dem Abschluss des Vertrages, der jedenfalls zu den damaligen Bedingungen von dem Kläger nach Überzeugung des Gerichts so in der Form bei Kenntnis aller Umstände nicht abgeschlossen worden wäre (so im Ergebnis auch LG Stuttgart, 26.09.2018 – 23 O 95/18, LG Hildesheim, 17.01.2017 - 3 O 139/16; LG Paderborn, 07.04.2017 - 2 O 118/16; LG Kleve, 31.03.2017 - 3 O 252/16; LG Bochum, 13.07.2017 – 8 O 366/16, jeweils zum „<em>VW-Abgasskandal</em>“).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>64 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="64"/>2) Ein Schaden aufgrund einer sittenwidrigen Schädigung ist grundsätzlich im Rahmen der Differenzhypothese zu ermitteln, das heißt durch ein Gegenüberstellen der jetzigen Vermögenslage des Geschädigten und derjenige, die ohne eine Schädigung bestehen würde. Es kann jedoch ein Schaden auch dann vorliegen, wenn eigentlich eine objektive Werthaltigkeit der vertraglichen Gegenleistung vorliegt. Die Differenzhypothese muss nämlich stets einer normativen Kontrolle unterzogen werden, weil sie eine wertneutrale Rechenoperation darstellt. Der Schadensersatz dient aber dazu, den konkreten subjektiven Vermögensnachteil des Geschädigten auszugleichen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>65 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="65"/>Insoweit genügt jede Schadenszufügung im weitesten Sinne, also jede nachteilige Einwirkung auf die Vermögenslage in ihrer Gesamtheit und zwar in dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene eine Entscheidung zu Lasten seines Vermögens trifft. Dabei ist auch eine subjektbezogene Betrachtung heranzuziehen. Nach dem subjektbezogenen Schadensbegriff stellt auch der Abschluss eines Rechtsgeschäftes, welches nicht den Zielen des Geschädigten entspricht, einen Schaden im Rahmen des § 826 BGB dar, ohne dass es im Ergebnis darauf ankäme, ob die erhaltene Leistung wirtschaftlich betrachtet hinter der Gegenleistung zurückbleibt oder nicht bzw. ob nachfolgend ein Ausgleich erfolgt.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>66 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="66"/>Ein Schaden kann deshalb auch darin gesehen werden, dass jemand durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrages gebracht worden ist (BGH NJW-RR 2005, 611, 612). Es ist daher anerkannt, dass der Schaden auch darin liegen kann, dass ein – wäre eine Täuschung nicht erfolgt – ungewollter Vertrag abgeschlossen wird.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>67 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="67"/>3) Hier hat der Kläger ein Fahrzeug erworben, welches nicht seinen Vorstellungen entsprach und welches er, wenn er die tatsächlichen Hintergründe gekannt hätte, zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses so nicht erworben hätte. Der diesbezügliche Vermögensschaden des Klägers liegt darin, dass er in Unkenntnis des nicht gesetzeskonformen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung mit den sich daraus ergebenden Folgen – u.a. Sachmangel im Sinne des Gewährleistungsrechts - den streitgegenständlichen PKW erworben und damit einen ihm wirtschaftlich nachteiligen Vertrag geschlossen hat.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>68 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="68"/>Insoweit ist auch davon auszugehen, dass dann, wenn der Kläger die Hintergründe gekannt hätte, als verständiger Kunde kein Fahrzeug mit einer solchen unzulässigen Abschalteinrichtung und mit einem entsprechenden kaufrechtlichen Sachmangel erworben hätte. Wenn ihm vor dem Verkauf bekannt gewesen oder er von der Beklagten allgemein darauf hingewiesen worden wäre, dass allein mit der vorgenommenen Manipulation die diesbezügliche Typengenehmigung erlangt werden konnte und tatsächlich eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form eines sog. Thermofensters vorliegt, weshalb der Emissionsausstoß während nahezu des gesamten Jahreszeitraums (jedenfalls unstreitig ab 5 Grad Celsius Außentemperatur) deutlich höher ist als angegeben und dies - wie gezeigt - rechtlich unzulässig ist, hätte der Kläger von einem Kaufvertrag Abstand genommen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>69 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="69"/>4) Der Kläger hat also aufgrund des hier abgeschlossenen Kaufvertrages nicht das bekommen, was ihm aufgrund des Kaufvertrages an sich zugestanden hätte, nämlich ein technisch einwandfreies, den gesetzlichen Bestimmungen vollständig entsprechendes Fahrzeug. Die Schädigung besteht zudem darin, dass durch den Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung das tatsächlich von dem Kläger erworbene und ihm übergebene Fahrzeug nach den kaufrechtlichen Regelungen ursprünglich mangelhaft war.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>70 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="70"/>Da jedoch ein Käufer stillschweigend davon ausgeht, dass ein erworbenes Fahrzeug mangelfrei ist und den gesetzlichen Vorschriften und Vorgaben entspricht, war die diesbezügliche Vorstellung bei dem Kläger falsch, da die Typengenehmigung durch den Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung nicht hätte erteilt werden dürfen und die gesetzlich vorgegebenen Werte nur bei ganz bestimmten Umweltbedingungen erreicht werden, die Grenzwerte im normalen Fahrbetrieb bei üblichen Umweltbedingungen (durchschnittliche Außentemperaturen) hingegen um ein Vielfaches überschritten werden, so dass im Ergebnis der Kläger mit dem Erwerb und der Übergabe eines solchen Fahrzeuges gegen Zahlung des Kaufpreises einen Schaden erlitten hat.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>71 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="71"/>c) Der Kläger hat diesen Schaden aufgrund eines Verhaltens der Beklagten erlitten. Erforderlich ist insoweit ein adäquat kausaler Zusammenhang unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Norm (BGH, 03.03.2008 – II ZR 310/06 –, Rn. 15, juris; MünchKommBGB/<em>Wagner</em>, 7. Aufl., § 826 Rn. 45 ff.). Ein adäquater Zusammenhang besteht, wenn eine Tatsache im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, ganz unwahrscheinlichen und nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen zur Herbeiführung eines Erfolges geeignet war. So liegt der Fall hier.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>72 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="72"/>1) Die Beklagte hat den Kläger konkludent darüber getäuscht, dass die Zulassung des Fahrzeuges zum Straßenverkehr und die Einstufung in die angegebene Schadstoffklasse gesetzmäßig erfolgten, während sie tatsächlich - infolge des unzulässigen Einbaus einer Abschalteinrichtung - erschlichen wurde. So hatte die Beklagte unter anderem auch das Fahrzeug des Klägers mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung in den Verkehr gebracht, ohne hierüber aufzuklären.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>73 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="73"/>2) Die Täuschung der Beklagten gegenüber allen (potenziellen) Käufern derartiger Fahrzeuge durch konkludentes Handeln liegt darin, dass ein Neuwagenkäufer grundsätzlich davon ausgehen kann, dass das erworbene Fahrzeug vollständig mangelfrei ist, den gesetzlichen Vorschriften genügt und ohne Einschränkung und ohne weitere zusätzliche spätere Maßnahmen am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen darf, wobei diese Vorstellungen in der Regel für den Kaufentschluss des jeweiligen Käufers wie auch des Klägers maßgeblich sind.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>74 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="74"/>Diese Vorstellungen eines Käufers wie dem Kläger war hier aufgrund der von der Beklagten vorgenommenen Manipulation in Form des Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung und der diesbezüglichen Täuschung falsch, da eine Typengenehmigung nach Art. 4 Abs. 1 EG (VO) 715/2007 bei Offenlegung des Thermofensters durch die Beklagte gegenüber der Genehmigungsbehörde (KBA) nicht hätte erteilt werden dürfen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>75 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="75"/>Diese Täuschung und die vorgenommene Manipulation der Beklagten war auch kausal für die Kaufentscheidung des Klägers (s.o.).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>76 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="76"/>d) Das Verhalten der Beklagten war sittenwidrig. Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. Dabei kann es auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Sie kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (BGH, 28.06.2016 – VI ZR 536/15 –, Rn. 16, juris). Bezüglich des Anstandsgefühls aller billig und gerecht Denkenden kommt es wesentlich auf die berechtigten Verhaltenserwartungen im Verkehr an (Staudinger/Oechsler, BGB [2014], § 826, Rn. 31).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>77 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="77"/>1) Gemessen daran ist das Verhalten der Beklagten als sittenwidrig zu qualifizieren. Die Beweggründe der Beklagten zur Vornahme der Manipulationen am Motor bzw. der Systeme der Abgassteuerung und Reinigung und der entsprechenden Täuschungen darüber waren entweder die Erzielung eines höheren Gewinns durch die Ersparnis von weiteren Entwicklungskosten oder aber die Unfähigkeit der Entwickler der Motoren, zu marktgerechten Preisen einen Motor zu entwickeln, der über keine unzulässige Abschalteinrichtung in Form eines Thermofensters verfügt. Die Beklagte nutzte bei ihrer Täuschung aus, dass der Endverbraucher darauf vertraut, dass ein Fahrzeug, das von einem Hersteller für den Verkauf freigegeben wurde, die Zulassungsprüfungen ordnungsgemäß durchlaufen hat und dementsprechend die gesetzlich vorgegebenen Bestimmungen erfüllt.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>78 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="78"/>2) Insoweit ist in diesem Rahmen zu berücksichtigen, dass die Beklagte in großem Umfang und mit erheblichem technischen Aufwand zentrale Zulassungsvorschriften ausgehebelt und zugleich ihre Kunden konkludent getäuscht hat. Sie hat dabei nicht nur die Vorschriften des Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 außer Acht gelassen, sondern mit der vorgenommenen Manipulation durch den Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung für alle davon betroffenen Fahrzeuge zugleich ein System zur planmäßigen Verschleierung ihres Vorgehens gegenüber den Aufsichtsbehörden einerseits sowie nachfolgend nach dem Inverkehrbringen der Fahrzeuge gegenüber den Verbrauchern andererseits geschaffen. Es lag also eine bewusste Täuschung der Aufsichtsbehörden einerseits und der Verbraucher andererseits vor, um die entsprechende Typengenehmigungen für die Fahrzeuge zu erhalten und diese dann so in Verkehr bringen zu können, um dadurch entsprechende Vertragsschlüsse der Händler mit Kunden herbeiführen zu können.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>79 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="79"/>3) Dabei ist die Beklagte bewusst verschleiernd und durch einen offensichtlich nur begrenzt einbezogenen Personenkreis vorgegangen, um diese Manipulation geheim zu halten, zumal diese Manipulation auch nur äußerst schwer zu entdecken war und so im normalen Verkehr mangels erkennbarer Auswirkungen eigentlich nicht aufgefallen wäre. Die Manipulation ist auf dem Prüfstand bei gleichbleibender Umgebungstemperatur nicht zu erkennen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>80 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="80"/>4) Die Täuschung diente, andere Motive sind jedenfalls nicht ersichtlich, allein dem Zweck, zur Kostensenkung und möglicherweise auch zur Umgehung technischer Probleme bei der Entwicklung einer rechtlich und technisch einwandfreien, aber teurere Lösung der Abgasreinigung formal die Voraussetzungen für die Typgenehmigung zu erfüllen und mit Hilfe diese Manipulation umweltfreundliche Prüfvermerke veröffentlichen zu können, um dadurch entsprechende Wettbewerbsvorteile zu erlangen. Schon dieses Gewinnstreben um den Preis einer bewussten Täuschung und Benachteiligung von Behörden einerseits und Kunden andererseits gibt dem Handeln der Beklagten ein Gepräge der Sittenwidrigkeit. Ein solches zumindest auch die Verbraucher konkludent täuschendes Verhalten ist auch bei Anwendung eines durchschnittlichen Maßstabs als sittenwidrig anzusehen und verwerflich, da die Beklagte eben nicht nur die Aufsichts- und Prüfbehörden getäuscht, sondern durch ihr täuschendes Verhalten bei dem weiteren Inverkehrbringen der Fahrzeuge auch die Ahnungslosigkeit der unzähligen Verbraucher bewusst zu ihrem Vorteil ausgenutzt hat (vgl. LG Würzburg, 23.02.2018 – 71 O 862/16 zum "<em>VW-Abgasskandal"</em>).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>81 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="81"/>e) Auch die subjektiven Voraussetzungen für einen Anspruch aus § 826 BGB gegen die Beklagte sind zu bejahen. Die Beklagte hat den Kläger vorsätzlich geschädigt. Sie muss sich das Verhalten ihrer Repräsentanten, deren Wissen als zugestanden anzusehen ist, zurechnen lassen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>82 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="82"/>1) Der Kläger hat schlüssig vorgetragen, dass der Vorstand oder jedenfalls Teile des Vorstands der Beklagten Kenntnis von dem Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung, die zu gesetzwidrigen EG-Bescheinigungen geführt hat, gehabt haben.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>83 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="83"/>2) Dieser Vortrag ist auch naheliegend. Der Vorstand hat das Unternehmen den gesetzlichen Bestimmungen gemäß zu organisieren und zu führen (sog. Compliance). In diesem Zusammenhang muss davon ausgegangen werden, dass Berichtspflichten gegenüber dem Vorstand im Hinblick auf alle wesentlichen Entscheidungen eingerichtet sind und deren Einhaltung durch entsprechende Kontrollmaßnahmen gewährleistet ist. Insoweit ist es mehr als naheliegend, dass dem Vorstand oder Teilen des Vorstandes der Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung zur Erreichung der EG-Typengenehmigung sowie das Inverkehrbringen eines gesetzeswidrigen Fahrzeuges bekannt gewesen sind. Dies auch deshalb, weil die Abgasrückführung einer ganzen Motorenreihe für eine Vielzahl von Fahrzeugen hinsichtlich ihres Entwicklungsaufwandes in technischer und finanzieller Hinsicht eine wesentliche vom Vorstand zu treffende Entscheidung darstellt und die Verwendung einer solchen unzulässigen Abschalteinrichtung sämtliche in der EU zuzulassenden Fahrzeuge betrifft. Zu all diesen internen Vorgängen kann der Kläger als Käufer eines manipulierten Fahrzeugs naturgemäß nicht substantiiert vortragen, so dass die Beklagte eine sekundäre Darlegungslast dahingehend trifft, zu den internen Vorgängen im Zusammenhang mit der unzulässigen Abschalteinrichtung vorzutragen. Eine sekundäre Darlegungslast besteht dann, wenn der beweisbelasteten Partei näherer Vortrag nicht möglich oder zumutbar ist, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die beweisbelastete Partei außerhalb des von ihr vorzutragenden Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt, während der Gegner zumutbar nähere Angaben machen kann (vgl. BGH, 07.12.1998 - II ZR 266/97).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>84 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="84"/>3) Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Der Kläger kann nicht – wie oben ausgeführt – näher dazu vortragen, in welcher Organisationseinheit der Beklagten die unzulässige Abschalteinrichtung entwickelt, verwendet, verbaut worden ist, wer die Entscheidung dazu getroffen und wie die Entscheidung wann und an wen kommuniziert worden ist. Ein konkreterer Vortrag bezüglich einzelner Personen war nicht erforderlich. Insofern greifen die Grundsätze der sekundären Darlegungslast. Dagegen ist die Beklagte allein aus Compliance-Gesichtspunkten dazu verpflichtet, entsprechende Ermittlungsmaßnahmen zu ergreifen. Indem sie etwaige bisherige interne Ermittlungsergebnisse unter Verschluss hält, verstößt die Beklagte gegen ihre sekundäre Darlegungslast, so dass das Gericht davon ausgeht, dass der Vorstand der Beklagten Kenntnis von dem Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung hatte und das Inverkehrbringen entsprechend ausgerüsteter Motoren veranlasst hat, was auch mehr als naheliegend ist (ebenso: LG Köln, 18.07.2017 - 22 O 59/17; LG Hildesheim, 17.01.2017 - 3 O 139/16; LG Kleve, 31.03.2017 - 3 O 252/16; vgl. auch LG Stuttgart, 05.04.2018 - 7 O 28/17; LG Stuttgart, 30.10.2018 - 23 O 108/18, jeweils zum "<em>VW-Abgasskandal</em>").</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>85 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="85"/>4) Durch das bewusste Inverkehrbringen der gesetzwidrig ausgestatteten Fahrzeuge ist auch von einem entsprechenden Schädigungsvorsatz auszugehen. Der Vorstand der Beklagten hat eine Schädigung der Vermögensinteressen der Käufer zumindest billigend in Kauf genommen. Bei dem Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung kam es der Beklagten bzw. ihrem Vorstand darauf an, Umsatz und Gewinn zu steigern. Andere Gründe sind nicht ersichtlich. Dabei haben sie es in Kauf genommen, ihren Kunden über das Vertriebsnetz von Vertragshändlern nicht-gesetzeskonforme Fahrzeuge zu verkaufen und auf diese Weise ihren Kunden wirtschaftlichen Schaden zuzufügen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>86 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="86"/>f) Gemäß §§ 826, 249 BGB kann der Kläger von der Beklagten Schadensersatz i.H.v. <strong><span style="text-decoration:underline">39.400,00 EUR</span></strong> verlangen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>87 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="87"/>1) Der Kläger ist nach § 249 Abs. 1 BGB so zu stellen, als ob das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre. Aufgrund der genannten Umstände steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger das Fahrzeug nicht erworben hätte, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass die EG-Typgenehmigung unter Einsatz einer unzulässigen Abschalteinrichtung erteilt wurde und daher die Stilllegung im Falle eines Widerrufs der Zulassung drohte. Hierfür spricht die allgemeine Lebenserfahrung, dass niemand unnötig derartig erhebliche Risiken eingeht, wenn ihm auf dem Markt vergleichbare Produkte ohne entsprechende Risiken angeboten werden.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>88 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="88"/>2) Der Kläger kann daher den von ihr zum Erwerb des Fahrzeugs gezahlten Kaufpreis i.H.v. 50.000,00 EUR von der Beklagten verlangen. Im Wege des Vorteilsausgleichs hat er allerdings das erworbene Fahrzeug und die gezogenen Nutzungen herauszugeben (vgl. nur LG Stuttgart, 05.04.2018 - 7 O 28/17, LG Bochum, 29.12.2017 – I-6 O 96/17, LG Würzburg, 23.02.2018 - 71 O 862/16, LG Stuttgart, 30.10.2018 - 23 O 80/18, jeweils zum „<em>VW-Abgasskandal“</em>).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>89 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="89"/>Unstreitig hat der Kläger das Fahrzeug als Gebrauchtwagen mit einer Kilometerlaufleistung von 16.500 km erworben. Zur Überzeugung des Gerichts steht ferner fest, dass die Kilometerlaufleistung zum Schluss der mündlichen Verhandlung (11.12.2018) 66.002 km betrug (§ 286 Abs. 1 ZPO). Der Klägervertreter hat im Termin zur mündlichen Verhandlung am 11.12.2018 ein Lichtbild vom 07.12.2018 (Bl. 130 d.A.) vorgelegt, welches mit den Parteien in Augenschein genommen wurde und auf dem ein Kilometerstand von 66.002 km zu sehen war. Zwar hat die Beklagte mit Nichtwissen bestritten, dass es sich bei dem Lichtbild um eine Lichtbildaufnahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs handele. Zur Überzeugung des Gerichts steht jedoch fest, dass auf dem in Augenschein genommenen Lichtbild der Tachometer des streitgegenständlichen Fahrzeugs abgelichtet war (§ 286 Abs. 1 ZPO). So hat der Klägervertreter bestätigt, dass der Kläger das Lichtbild seinem Sekretariat übermittelt und dieses das Lichtbild sodann an ihn weitergeleitet habe. Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei dem Lichtbild nicht um eine Aufnahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs handelt, bestehen für das Gericht vernünftigerweise nicht, zumal die Laufleistung des streitgegenständlichen PKWs zum Zeitpunkt der Klageerhebung unstreitig 54.320 km betrug, weshalb eine Laufleistung i.H.v. 66.002 km zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung auch plausibel erscheint. Ferner hat der Kläger eine eidesstattliche Versicherung vom 07.12.2018 vorgelegt (Bl. 129 d.A.), in der er bestätigt, dass es sich bei der Lichtbildaufnahme um das streitgegenständliche Fahrzeug handele. Zwar wurde das Lichtbild bereits am 07.12.2018 aufgenommen und damit nicht am Tag der mündlichen Verhandlung. Zu berücksichtigen ist jedoch auch, dass auch die Beklagte nicht behauptet, der Kläger habe in der Zwischenzeit noch eine weitere Fahrtstrecke zurückgelegt. Ferner handelt es sich bei der Nutzungsentschädigung im Wesentlichen ohnehin um eine gemäß o.g. Berechnung durchgeführte Schätzung, sodass lediglich minimale Abweichungen des Kilometerstands auch zu vernachlässigen wären.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>90 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="90"/>Der Nutzungsvorteil errechnet sich aus dem Bruttokaufpreis von 50.000,00 EUR (Anl. K 16) multipliziert mit der seit Vertragsschluss gefahrenen Laufleistung des Fahrzeugs zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (11.12.2018) von 49.502 km (66.002 km - 16.500 km) geteilt durch die vom Gericht gemäß § 287 ZPO unter Zugrundelegung einschlägiger Vergleichswerte (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 13. Aufl., Rn. 3574) geschätzte Restlaufleistung. Das Gericht schätzt gemäß § 287 ZPO, dass ein Dieselfahrzeug des streitgegenständlichen Typs eine Gesamtfahrleistung von 250.000 km hat, sodass eine Restlaufleistung von 233.500 km besteht (250.000 km - 16.500 km). Dies bedeutet, dass der Kläger insgesamt einen Nutzungsvorteil i.H.v. 10.600,00 EUR gezogen hat, der in Abzug zu bringen ist, sodass ein Anspruch i.H.v. <strong>39.400,00 EUR</strong> (50.000,00 EUR - 10.600,00 EUR) besteht.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>91 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="91"/>Da der Kläger zuletzt einen Anspruch i.H.v. 43.329,81 EUR geltend macht, war die Klage insoweit im Übrigen abzuweisen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>92 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="92"/>2. Dem Kläger steht überdies auch ein Anspruch aus §§ 831 Abs. 1 S. 1, 249 BGB zu.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>93 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="93"/>a) Selbst wenn man entgegen dem Vorstehenden davon ausgehen würde, dass weder ein Vorstand im aktienrechtlichen Sinne, noch ein sonstiger Repräsentant i.S.v. § 31 BGB bei der Beklagten von der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung im hier maßgeblichen Zeitpunkt Kenntnis hatte, dann würde die Beklagte dem Kläger gleichwohl in der vorgenannten Weise auf Schadensersatz haften. Denn die Entwicklung und Freigabe des Motors samt der unzulässigen Abschalteinrichtung für die Serienproduktion erfolgte bei der Beklagten letztlich auf der Arbeitsebene unterhalb der Repräsentanten. Es muss hier denknotwendig einen oder höchstwahrscheinlich sogar mehrere Mitarbeiter (Entwicklungsingenieure) bei der Beklagten gegeben haben, die von der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung ("<em>Thermofenster</em>") Kenntnis hatten. Diese Mitarbeiter sind Verrichtungsgehilfen der Beklagten i.S.v. § 831 Abs. 1 S. 1 BGB.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>94 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="94"/>b) Sie haben den Kläger gem. § 826 BGB vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt (vgl. oben II. 1.), denn ihnen musste klar sein, dass der von ihnen entwickelte Motor mit der unzulässigen Abschalteinrichtung nicht den gesetzlichen Vorschriften entsprach. Hierfür bedurfte es keiner komplizierten rechtlichen Prüfungen. Auch einem rechtlichen nicht weiter Vorgebildeten leuchtet unmittelbar ein, dass eine Abschalteinrichtung, die bei üblichen Umweltbedingungen (insbesondere bei regelmäßig auftretende Außentemperaturen, die nahezu das gesamte Jahr über in der EU herrschen) eingreift und zu einer deutlichen Reduktion der Abgasrückführung führt und weit über die gesetzlichen Grenzwerte hinausgehende Abgasemissionen bedingt, der gesetzlichen Regelung der EG-VO 715/2007 zuwiderläuft.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>95 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="95"/>c) Den Entwicklungsingenieuren war auch klar, dass der Motor samt der unzulässigen Abschalteinrichtung mit Beginn der Serienfertigung in Fahrzeugen mit EG-Typengenehmigung Verwendung finden würde. Damit nahmen sie auch eine Schädigung der jeweiligen Fahrzeugerwerber billigend in Kauf, da ihnen klar war, dass bei Aufdeckung der Manipulation mit behördlichen Maßnahmen zu rechnen war. Dies genügt für den erforderlichen Schädigungsvorsatz (vgl. nur Palandt/<em>Sprau</em>, BGB, 77. Auflage 2018, § 826, Rn. 11). Das Handeln der Entwicklungsingenieure als bewusstes Täuschungsverhalten (Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung) genügt schon an sich für das Vorliegen der Sittenwidrigkeit (vgl. Palandt/<em>Sprau</em>, BGB, 77. Auflage 2018, § 826, Rn. 20; Reinking-Eggert, Der Autokauf, 13. Aufl. 2017, Rn. 1898d). Vorliegend treten jedoch, wie oben bereits ausgeführt noch weitere Umstände hinzu, die bei einer Gesamtwürdigung in jedem Fall zur Sittenwidrigkeit führen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>96 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="96"/>d) Den nach § 831 Abs. 1 S. 2 BGB zulässigen Entlastungsbeweis hat die Beklagte nicht geführt.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>97 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="97"/>e) Nach § 831 Abs. 1 S. 1 BGB steht damit dem Kläger (ebenfalls) der zuerkannte Schadensersatzanspruch zu.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>98 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="98"/>3. Letztlich wäre hinsichtlich der Frage, wer wann Kenntnis von der Entwicklung und dem Vertrieb des streitgegenständlichen Motors mit der streitgegenständlichen Abschalteinrichtung hatte, sogar eine Wahlfeststellung möglich und auch im Zivilrecht zulässig (BGH, Urteil vom 23. Juni 1987 - VI ZR 188/86, juris, Rn. 12): Zumindest entweder Vorstände im aktienrechtlichen Sinne, sonstige Repräsentanten i.S.v. § 31 BGB oder einfache Mitarbeiter als Verrichtungsgehilfen i.S.v. § 831 Abs. 1 S. 1 BGB hatten die Kenntnis und damit letztlich den Schädigungsvorsatz gem. § 826 BGB. Die Beklagte würde daher in jedem Fall auf Schadensersatz haften, wobei offen bleiben könnte, bei wem genau die Kenntnis vorlag. Für den vorliegenden Fall kommt es darauf allerdings nicht an, da wie dargelegt die Kenntnis der Vorstände als zugestanden gilt und außerdem auch von einer Kenntnis von Verrichtungsgehilfen auszugehen ist.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>99 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="99"/>4. Dem Kläger stehen gegenüber der Beklagten schließlich auch <strong>Zinsen</strong> i.H.v. <strong>4.216,67 EUR</strong> für den Zeitraum vom 22.09.2016 bis zum 31.10.2018 und weitere Zinsen i.H.v. 4 % aus einem Betrag i.H.v. 50.000,00 EUR seit 01.11.2018 nach § 849 BGB zu.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>100 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="100"/>a. Nach § 849 BGB kann der Verletzte, sofern wegen der Entziehung einer Sache der Wert oder wegen der Beschädigung einer Sache die Wertminderung zu ersetzen ist, Zinsen des zu ersetzenden Betrags von dem Zeitpunkt an verlangen, welcher der Bestimmung des Wertes zugrunde gelegt wird.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>101 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="101"/>§ 849 BGB erfasst jeden Sachverlust durch ein Delikt. Auch wenn der Schädiger den Geschädigten durch eine unerlaubte Handlung dazu bestimmt, eine Sache wegzugeben oder darüber zu verfügen, entzieht er sie ihm. § 849 BGB ist nach seinem Wortlaut nicht auf die Wegnahme beschränkt und verlangt nicht, dass die Sache ohne oder gegen den Willen des Geschädigten entzogen wird. Der Geschädigte muss auch nicht im Besitz der Sache gewesen sein. Eine Beschränkung auf den Verlust einer Sache ohne oder gegen den Willen des Geschädigten widerspräche auch dem Normzweck von § 849 BGB. Der Zinsanspruch soll mit einem pauschalierten Mindestbetrag den Verlust der Nutzbarkeit einer Sache ausgleichen, der durch den späteren Gebrauch derselben oder einer anderen Sache nicht nachgeholt werden kann. Der Geschädigte verliert die Sachnutzung gleichermaßen, wenn ihm eine Sache ohne seinen Willen entwendet wird und wenn er durch eine unerlaubte Handlung dazu gebracht wird, sie wegzugeben oder darüber zu verfügen (BGH, 26.11.2007 - II ZR 167/06).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>102 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="102"/>b. Dem Kläger ist eine Sache entzogen worden. Sache im Sinne von § 849 BGB ist auch Geld. § 849 BGB ist nicht durch § 90 BGB, wonach nur körperliche Gegenstände Sachen im Sinne des Gesetzes sind, auf die Entziehung von Bargeld beschränkt. Der Zweck des § 849 BGB, den später nicht nachholbaren Verlust der Nutzbarkeit einer Sache auszugleichen, erfasst jegliche Form von Geld. Von den Nutzungen eines hingegebenen Geldbetrags ist der Geschädigte nicht nur ausgeschlossen, wenn er mit Bargeld bezahlt hat, sondern auch, wenn er eine Zahlung auf andere Art und Weise geleistet hat. Auch wirtschaftlich besteht kein Unterschied zwischen der Übergabe von Bargeld, der Übergabe eines Schecks, der Einzahlung von Bargeld und einer Überweisung auf ein Konto (BGH, 26.11.2007 - II ZR 167/06; vgl. aber auch BGH, 12.06.2018 - KZR 55/16).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>103 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="103"/>c. Wer demnach durch eine unerlaubte Handlung dazu bestimmt wird, Geld zu überweisen oder zu übergeben, kann vom Schädiger eine Verzinsung nach § 849 BGB beanspruchen (vgl. zu § 849 BGB betreffend den „<em>VW-Abgasskandal“ </em>auch LG Essen, 04.09.2017 - 16 O 245/16).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>104 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="104"/>d. Dies ist der Fall. Die Beklagte hat den Kläger durch eine unerlaubte Handlung nach § 826 BGB zur Bezahlung des Kaufpreises bestimmt, weshalb der Kläger eine Verzinsung des Kaufpreises nach § 849 BGB verlangen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>105 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="105"/>Die Zinsen des Kaufpreises (50.000,00 EUR) betragen im geltend gemachten Zeitraum vom 22.09.2016 bis 31.10.2018 - unstreitig - 4.216,67 EUR. Ferner kann der Kläger weitere Zinsen i.H.v. 4 Prozent seit 01.11.2018 aus einem Betrag i.H.v. 50.000,00 EUR verlangen.</td></tr></table>
<table><tr><td>III.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>106 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="106"/>Der Feststellungsantrag in Klageantrag Ziff. 2 ist begründet.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>107 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="107"/>Die Beklagte Ziff. 1 befindet sich mit der Rücknahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs gemäß § 293 BGB im Annahmeverzug. Da Leistungsort im Falle der Rückabwicklung der Ort ist, an dem sich die Kaufsache befindet, genügt gemäß § 295 BGB das „wörtliche“ Angebot des Klägers im Rahmen des Anwaltsschreibens vom 23.07.2018 (Anl. K 17), den Kaufpreis Zug um Zug gegen Rückübereignung des Fahrzeugs zurückzubezahlen.</td></tr></table>
<table><tr><td>IV.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>108 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="108"/>Der Klageantrag Ziff. 3 ist teilweise begründet und war im Übrigen abzuweisen.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>109 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="109"/>Der Kläger hat gemäß § 826 bzw. § 831 Abs. 1 S. 1, 249 BGB gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. <strong>1.590,91 EUR.</strong></td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>110 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="110"/>Der Schadensersatzanspruch nach § 826 bzw. 831 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB erfasst auch die erforderlichen Kosten einer Rechtsverfolgung. Hierbei hat das Gericht einen Gegenstandswert in Höhe der zugesprochenen Klageforderung (39.400,00 EUR) zugrunde gelegt und eine 1,3-fache Geschäftsgebühr, die Auslagenpauschale und die Umsatzsteuer angesetzt.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>111 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="111"/>Da es sich vorliegend um ein Massenverfahren handelt, bei dem der wesentliche Aufwand beim Klägervertreter gleichzeitig für eine Vielzahl von Verfahren anfällt, und es sich bei den eingereichten Schriftsätzen ausschließlich um Textbausteine handelt, die überdies im Wesentlichen keinen entscheidungserheblichen Sachvortrag enthalten, ist ein höherer Ansatz als der Mittelsatz von 1,3 für die Geschäftsgebühr (Nr. 2300 Anlage 1 VV RVG) nicht gerechtfertigt. Die Sach- und Rechtslage ist weder umfangreich noch schwierig i.S.d. Nr. 2300 Anlage 1 VV RVG.</td></tr></table>
<table><tr><td>V.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>112 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="112"/>Der Klageantrag Ziff. 4 ist i.H.v. 1.216,70 EUR begründet, weil in dieser Höhe zwischen dem ursprünglichen (43.329,81 EUR) und dem zuletzt mit Klageantrag Ziff. 1 geltend gemachten Zahlbetrag (42.344,97 EUR) die Erledigung der Hauptsache eingetreten ist.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>113 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="113"/>Eine - hier teilweise - Erledigung der Hauptsache liegt dann vor, wenn die eingereichte Klage zulässig und begründet war, aber durch ein nach Eintritt der Rechtshängigkeit eingetretenes Ereignis gegenstandslos geworden ist.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>114 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="114"/>Das ist hier der Fall. Der Antrag Ziff. 1 war zunächst in Höhe von voller Höhe zulässig und begründet, weil der Anspruch auf Rückzahlung des vollen Kaufpreises bestand. Denn es findet keine automatische Verrechnung des Anspruchs auf Rückzahlung des Kaufpreises mit dem Anspruch des Käufers auf Nutzungsersatz statt, vielmehr muss der Verkäufer letzteren geltend machen. Nichts anderes gilt auch für den Anspruch nach § 826 BGB. Teilweise unbegründet wurde die Klage insoweit mithin erst, als und nachdem die Beklagte im Rechtsstreit mit ihrem Vorbringen auf S. 22 der Klageerwiderung unter Ziff. 17 (Bl. 84 d.A.) geltend macht, der Kläger müsse sich eine Nutzungsentschädigung für die von ihm zwischenzeitlich gefahrenen Kilometer anrechnen lassen. Der Verkäufer/Schädiger ist nicht gezwungen aufzurechnen, sondern kann sich darauf beschränken, den ihm zustehenden Gegenanspruch auf Nutzungsersatz im Wege der Einrede geltend zu machen (OLG Stuttgart, 06.09.2017 - 4 U 105/17 m.w.N.).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>115 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="115"/>Zum Zeitpunkt der Klageerhebung betrug der Kilometerstand unstreitig 54.320 km. Im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung lag der Kilometerstand bei 66.002 km (s.o.).</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>116 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="116"/>Die anzurechnende Nutzungsentschädigung betrug damit unter Anwendung der o.g. Formel zum Zeitpunkt der Klageerhebung 8.098,50 EUR und zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung 10.600,00 EUR, sodass sich der Rechtsstreit i.H.v. 1.216,70 EUR teilweise erledigt hat. Der Kläger hat den Rechtsstreit jedoch lediglich - aufgrund einer von ihm infolge höherer Restlaufzeit niedriger berechneten Nutzungsentschädigung - i.H.v. 984,84 EUR für erledigt erklärt, woran das Gericht nach § 308 Abs. 1 ZPO gebunden war.</td></tr></table>
<table><tr><td>VI.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>117 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="117"/>Soweit der nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 10.01.2019 neues (nicht nachgelassenen) Tatsachenvorbringen enthält, gab dieses keinen Anlass zum Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung.</td></tr></table>
<table><tr><td>VII.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>118 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="118"/>Der Beklagten war schließlich auch nicht - wie von der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 11.12.2018 beantragt - eine Stellungnahmefrist i.S.d. § 139 Abs. 5 ZPO zu gewähren. Das Gericht hat der Beklagten bereits mit Verfügung vom 30.11.2018 (Bl. 86 d.A.) die Möglichkeit gewährt, zum dort erteilten Hinweis, insbesondere betreffend das sog. „<em>Thermofenster“,</em> näher vorzutragen. Ferner hat der Kläger mit Schriftsatz vom 03.12.2018 neues Vorbringen zum „<em>Thermofenster“ </em>vorgetragen. Hierauf konnte die Beklagte gemäß § 283 ZPO - was auch erfolgt ist - mit nachgelassenem Schriftsatz vom 10.01.2019 ohnehin Stellung nehmen.</td></tr></table>
<table><tr><td>VIII.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>119 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="119"/>Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.</td></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>120 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="120"/>Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 ZPO.</td></tr></table>
</td></tr></table> |
|
171,339 | olgkarl-2019-01-17-12-u-18917 | {
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<p>1) Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 17.11.2017 - 6 O 4/17 - im Kostenpunkt aufgehoben sowie teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:</p>
<p/>
<blockquote>
<p>a) Es wird festgestellt, dass die Gewährträgerschaft der Beklagten vom 08.11.1974 bis zu ihrer Beendigung zum Ablauf des 31.12.2014 durch die Kündigungserklärung der Beklagten vom 18.05.2014 fortbestand.</p>
</blockquote>
<blockquote>
<p/>
<p>b) Die Widerklage Ziffer 1 wird als unzulässig abgewiesen.</p>
</blockquote>
<blockquote>
<p/>
<p>c) Auf die Hilfswiderklage Ziffer 2 wird festgestellt, dass die Gewährträgerschaft der Beklagten vom 08.11.1974 nicht für den Teil der Forderungen des Klägers gegenüber der R. <noindex>KLINIKEN</noindex> GmbH & Co. KG („R.-Kliniken“) gilt, welche auf Versorgungsleistungen des Klägers gegenüber Beschäftigten der R.-Kliniken auf Grund einer Tätigkeit für den Klinikbetrieb der R.-Kliniken in der „Waldklinik D.“, D., oder in der „Fachklinik F.“, Bad H. entfallen.</p>
</blockquote>
<p/>
<p>2) Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.</p>
<p/>
<p>3) Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.</p>
<p/>
<p>4) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede Partei kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil gegen sie vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.</p>
<p/>
<p>5) Die Revision wird nicht zugelassen.</p>
<h2>Gründe</h2>
<table><tr><td> </td><td> <table width="100%"><tr><td style="text-align:center"><strong>I.</strong></td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>1 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="1"/>Die Parteien streiten über das Fortbestehen einer von der Beklagten übernommenen Gewährträgerschaft.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>2 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="2"/>Der Kläger bietet eine Zusatz-Altersversorgung für den öffentlichen Dienst an. Seine Mitglieder sind überwiegend öffentlich-rechtliche Körperschaften, die ihren Angestellten beim Kläger Zusatzrenten verschaffen. Unter bestimmten Voraussetzungen können aber auch juristische Personen des Privatrechts Mitglieder des Klägers werden.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>3 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="3"/>Die Beklagte ist eine politische Gemeinde. Anfang der 1970er Jahre beteiligte sie sich (damals noch unter der Bezeichnung „Gemeinde R.“) als Mehrheitsgesellschafterin an der örtlichen Kurklinik (damals: „Kurklinik R. R. GmbH & Co. KG“ - nachfolgend als Kurklinik bezeichnet). Im Jahr 1974 sollte der Kurklinik trotz deren privatrechtlicher Organisationsform eine Mitgliedschaft beim Kläger ermöglicht und damit den Klinikangestellten der Zugang zu dessen Zusatzrenten eröffnet werden.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>4 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="4"/>Die Satzung des Klägers in der damals geltenden Fassung vom 20.09.1973 lautete in § 10 - Voraussetzungen der Mitgliedschaft - auszugsweise:</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>5 </td></tr></table></td><td><table style="margin-left:3pt"><tr><td><rd nr="5"/><em>(1) Mitglieder der Kasse können sein</em></td></tr></table>
<table style="margin-left:3pt"><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>6 </td></tr></table></td><td><table style="margin-left:3pt"><tr><td><rd nr="6"/><em>...</em><br/><em>e) andere juristische Personen des privaten Rechts, deren Aufgaben öffentlich-rechtlich bestimmt sind oder die öffentliche Aufgaben erfüllen oder auf die eine juristische Person des öffentlichen Rechts einen satzungsmäßig gesicherten maßgeblichen Einfluss ausübt.</em></td></tr></table>
<table style="margin-left:3pt"><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>7 </td></tr></table></td><td><table style="margin-left:3pt"><tr><td><rd nr="7"/><em>...</em><br/><em>(3) Erscheint bei einem Arbeitgeber, der unter Absatz 1 Buchstabe e fällt, der dauernde Bestand nicht gesichert, so können zur Regelung der sich aus einer Auflösung des Arbeitgebers ergebenden zusatzversicherungsrechtlichen Fragen von der Kasse weitere Bedingungen für den Erwerb der Mitgliedschaft gesetzt werden.</em></td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>8 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="8"/>In einem Schreiben vom 17.07.1974 an die Kurklinik teilte der Kläger mit, dass aufgrund einer vorgesehenen Erweiterung der Kapitaleinlagen durch weitere Kommanditisten der maßgebende Einfluss der Gemeinde R. nicht gesichert sei; im Hinblick darauf, dass die im Gesellschaftsvertrag festgelegten Aufgaben der Kurklinik jedoch öffentliche Aufgaben darstellten, seien dennoch die Voraussetzungen für die Aufnahme der Kurklinik als Mitglied grundsätzlich gegeben. Allerdings müsse die Gemeinde R. gewährleisten, dass die aus der Mitgliedschaft entstehenden Verpflichtungen gegenüber dem Kläger erfüllt werden.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>9 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="9"/>Die Beklagte übernahm mit Erklärung vom 08.11.1974 gegenüber dem Kläger eine Gewährträgerschaft für die Kurklinik. In der Erklärung heißt es u.a., die Beklagte übernehme</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>10 </td></tr></table></td><td><table style="margin-left:3pt"><tr><td><rd nr="10"/><em>„die Haftung für die sich aus der Mitgliedschaft gegenüber“ dem Kläger „ergebenden Verpflichtungen, insbesondere bei</em></td></tr></table>
<table style="margin-left:3pt"><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>11 </td></tr></table></td><td><table style="margin-left:3pt"><tr><td><rd nr="11"/><em>a) Zahlungsunfähigkeit des Mitglieds (Eintritt in dessen Zahlungsverpflichtungen),</em><br/><em>b) Auflösung des Mitglieds ...</em>“</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>12 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="12"/>Das zuständige Landratsamt hatte hierzu zuvor auf Antrag der Gemeinde vom 03.10.1974 die kommunalrechtlich erforderliche Genehmigung erteilt. Zum 01.01.1975 wurde die Kurklinik als Mitglied des Klägers aufgenommen.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>13 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="13"/>Zum Jahresende 1978 gab die Beklagte ihre Beteiligung an der Kurklinik auf. Diese wurde in „R. KLINIKEN ... GmbH & Co. KG“ umbenannt, im Übrigen aber ohne Rechtsformwechsel fortgeführt. Nachdem der Kläger von dem Beteiligungswechsel erfahren hatte, entwickelte sich zwischen den Parteien in den Jahren 1981 bis 1983 ein Schriftverkehr zur Frage der Gewährträgerschaft. Darin bat der Kläger mehrmals um Bestätigung, dass die Gewährträgerschaft fortbestehe. Insbesondere im Schreiben des Klägers an die Beklagte vom 01.07.1982 heißt es:</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>14 </td></tr></table></td><td><table style="margin-left:3pt"><tr><td><rd nr="14"/><em>„... bitten wir deshalb um ausdrückliche Bestätigung bis spätestens 30. 9. 1982, dass die am 8.11.1974 übernommene Gewährträgerschaft auch unter den grundlegend veränderten Kapitalverhältnissen gilt. Sofern uns die Bestätigung bis 30.9.1982 nicht vorliegt, sind wir leider gezwungen, die Mitgliedschaft der Kurklinik zu kündigen.“</em></td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>15 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="15"/>Am 20.07.1982 fand eine Besprechung der Parteien und des Geschäftsführers der Kurklinik <em>„wegen Übernahme einer Bürgschaft durch die Gemeinde W. zugunsten der Kurklinik W. bezüglich der Zusatzversorgungskasse“</em> statt (Protokoll Anl. B6); der genaue Inhalt des Gesprächs ist zwischen den Parteien streitig. Ein in diesem Zusammenhang gefertigter Entwurf einer Vereinbarung zwischen der Gemeinde und der Kurklinik kam letztendlich nicht zur Unterzeichnung. Mit Schreiben vom 5.11.1982 bat die Beklagte den Kläger, <em>„die Möglichkeit einer Mitgliedschaft der Kurklinik in der ZVK ohne die Übernahme einer Bürgschaft durch die Gemeinde W. nochmals zu prüfen“</em>. Mit Schreiben vom 7.3.1983 teilte der Kläger der Kurklinik - nachrichtlich an die Beklagte - mit, dass nach Aufgabe der Kapitalbeteiligung durch die Beklagte die Voraussetzungen für eine Kündigung der Mitgliedschaft der Kurklinik durch den Kläger zweifelsfrei gegeben wären. Eine solche Kündigung wurde indessen in der Folgezeit nicht ausgesprochen.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>16 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="16"/>Unter dem 12.10.1983 wurde zu Händen des Bürgermeisters ein Vermerk der Gemeindeprüfungsanstalt Baden-Württemberg gefertigt, wonach die vom Kläger <em>„verlangte erneute und erweiterte Bestätigung“ ... „m. E. durch die Genehmigung des LRA KA vom 4.11.1974 nicht gedeckt“</em> sei. Weiter heißt es dort: <em>„Das hiernach erforderliche wäre zu veranlassen“</em>.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>17 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="17"/>In den Jahren 1986/87 und 1997 erweiterte die Kurklinik ihren Geschäftsbetrieb, indem sie weitere Kliniken außerhalb des Gemeindegebiets der Beklagten - in D. und Bad H.- gründete.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>18 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="18"/>Ende 2011 änderten sich die Beteiligungsverhältnisse an der Kurklinik erneut; diese wurde durch die Gesellschafter der A.-Kliniken übernommen. Als der Kläger hiervon erfuhr, bat er die Beklagte um eine Bestätigung des Fortbestands der Gewährträgerschaft. Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 26.04.2013, dass „<em>der Gemeinderat ... beschlossen hat, die Gewährträgerschaft für die Mitgliedschaft ..., die ursprünglich für die Kurklinik R. galt, für die A. Kliniken nicht zu übernehmen.</em>“</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>19 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="19"/>Mit Schreiben vom 16.5.2014 lehnte die Beklagte eine Haftung aus früherer Gewährträgerschaft ab und kündigte die Gewährträgerschaft vorsorglich „mit sofortiger Wirkung“.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>20 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="20"/>Daraufhin kündigte der Kläger die Mitgliedschaft der Kurklinik „mit sofortiger Wirkung“, hilfsweise zum 31.12.2014 (Schreiben vom 23.06.2014).</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>21 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="21"/>Im Jahr 2016 wurde über das Vermögen der Kurklinik das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger meldete einen Ausgleichsbetrag in Höhe von knapp 34 Mio. EUR zur Insolvenztabelle an. Diesen Betrag macht der Kläger für das Ausscheiden der Kurklinik aus dem Umlagesystem geltend (§ 15 ZVKS); er ist Gegenstand eines Parallelverfahrens zwischen dem Kläger und dem Insolvenzverwalter der Kurklinik (LG Karlsruhe, 6 O 126/17).</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>22 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="22"/>Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er könne in zulässiger Weise auf Feststellung des Fortbestands der Gewährträgerschaft bis 2014 klagen. Insbesondere bestehe ein Feststellungsinteresse. Eine Leistungsklage sei im Verhältnis zur Beklagten nicht möglich, weil noch offen sei, ob und in welcher Höhe die vorrangig in Anspruch genommene Kurklinik ausfalle.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>23 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="23"/>In der Sache habe die Gewährträgerschaft bis zum Ausscheiden der Kurklinik aus der Mitgliedschaft Ende 2014 fortbestanden. Eine Kündigung der Gewährträgerschaft sei zwar - wie bei der Bürgschaft - aus wichtigem Grund grundsätzlich zulässig; dies sei jedoch erst im Jahr 2014 erfolgt und nur mit einer angemessenen Kündigungsfrist zum Jahresende 2014 möglich gewesen. Insbesondere sei die Gewährträgerschaft nicht durch die Aufgabe der gemeindlichen Beteiligung an der Kurklinik beendet worden, auch nicht wegen Wegfalls der erforderlichen aufsichtsbehördlichen Genehmigung. Hilfsweise stehe dem Kläger ein Schadensersatzanspruch, gerichtet auf das positive Interesse wegen fehlenden Hinweises der Beklagten auf den Wegfall zu. Auch aus Treu und Glauben ergebe sich kein anderes Ergebnis. Die Gewährträgerschaft sei auch in örtlicher Hinsicht nicht beschränkt worden - ohne dass es darauf im vorliegenden Rechtsstreit ankomme.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>24 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="24"/>Der Kläger hat bestritten, dass in der Besprechung vom 20.07.1982 Einigkeit bestanden habe, dass die Gewährträgerschaft damals beendet gewesen sei. Er behauptet, er habe der Beklagten - ausdrücklich „als Gewährträger“ - in den folgenden Jahrzehnten regelmäßig Informationen über für die Gewährträgerschaft wesentliche Umstände der Mitgliedschaft zukommen lassen, z.B. über eine seitens der Kurklinik zwischenzeitlich erwogene (letztlich aber nicht umgesetzte) Kündigung der Mitgliedschaft beim Kläger in den Jahren 2004 und 2007.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>25 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="25"/>Der Höhe nach hat der Kläger gegenüber der Kurklinik einen Ausgleichsanspruch von insgesamt 33.824.584,50 EUR behauptet.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>26 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="26"/>Der Kläger hat beantragt</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>27 </td></tr></table></td><td><table style="margin-left:3pt"><tr><td><rd nr="27"/>festzustellen, dass die Gewährträgerschaft der Beklagten vom 08.11.1974 bis zu ihrer Beendigung zum Ablauf des 31.12.2014 durch die Kündigungserklärung der Beklagten vom 18.05.2014 fortbestand.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>28 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="28"/>Die Beklagte hat beantragt</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>29 </td></tr></table></td><td><table style="margin-left:3pt"><tr><td><rd nr="29"/>Klagabweisung.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>30 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="30"/>Widerklagend hat sie beantragt,</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>31 </td></tr></table></td><td><table style="margin-left:3pt"><tr><td><rd nr="31"/>1. festzustellen, dass die Beklagte nicht für angebliche Ansprüche des Klägers gegen die R. KLINIKEN GmbH & Co. KG in Höhe von 33.824.584,50 EUR haftet,</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>32 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="32"/>und hilfsweise für den Fall, dass das Gericht den Klagantrag des Klägers für zulässig und begründet erachtet,</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>33 </td></tr></table></td><td><table style="margin-left:3pt"><tr><td><rd nr="33"/>2. festzustellen, dass die Gewährträgerschaft der Beklagten vom 08.11.1974 nicht für den Teil der Forderungen der Klägerin gegenüber der R. KLINIKEN GmbH & Co. KG („R.-Kliniken“) gilt, welche die Versorgungsleistungen des Klägers gegenüber den Beschäftigten der R.-Kliniken betreffen, die für den Klinikbetrieb der R.-Kliniken in der „Waldklinik D.“, D., oder in der „Fachklinik F.“, Bad H., tätig sind.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>34 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="34"/>Der Kläger hat beantragt,</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>35 </td></tr></table></td><td><table style="margin-left:3pt"><tr><td><rd nr="35"/>die Widerklage in Haupt- und Hilfsantrag abzuweisen.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>36 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="36"/>Die Beklagte hat ausgeführt, die Feststellungsklage des Klägers sei unzulässig. Die zwischen den Parteien bestehende Unsicherheit werde durch einen Feststellungsausspruch nicht beseitigt, da die Beklagte die Eintrittspflicht nach Grund und Höhe bestreite; auch der Inhalt der Gewährtragung bleibe nach ihrem räumlichen und zeitlichen Umfang streitig. Auch sei der Klagantrag zu unbestimmt.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>37 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="37"/>Zur Sache hat die Beklagte geltend gemacht, die Gewährträgerschaft sei bereits seit Ende der 1970er, spätestens Anfang der 1980er Jahre beendet. Die zugrundeliegende Mitgliedschaft der Kurklinik beim Kläger habe 1978 <em>ipso iure</em> geendet, weil sie durch den Anteilsverkauf der Beklagten nicht mehr öffentlich-rechtlich beherrscht gewesen und damit im Sinne der satzungsrechtlichen Erfordernisse des Klägers in eine andere juristische Person überführt worden sei; etwaige Forderungen aus der Zeit bis 1978 seien verjährt. Jedenfalls aber habe die Gewährträgerschaft der Beklagten mit ihrem Ausscheiden als Mehrheitsgesellschafterin 1978 geendet. Der Gewährvertrag sei dahin auszulegen, dass die Gewährträgerschaft nur solange habe andauern sollen, wie die Beklagte an der Kurklinik bestimmend beteiligt blieb. Aber auch bei anderer Auslegung sei die Verpflichtungserklärung, soweit sie über diesen Zeitpunkt hinausreiche, jedenfalls mangels erneuter kommunalrechtlicher Genehmigung der Aufsichtsbehörde nichtig. Spätestens habe die Gewährträgerschaft 1982 geendet. Der damalige Schriftverkehr zeige, dass die Beteiligten übereinstimmend eine neue Haftungsübernahme für erforderlich gehalten hätten. Die Beklagte behauptet, bei dem Gespräch vom 20.07.1982 seien die Parteien davon ausgegangen, dass die frühere Gewährträgerschaft beendet sei. Jedenfalls liege in dieser Besprechung ebenso wie in dem daran anschließenden Schreiben der Beklagten eine stillschweigende Kündigung der Gewährträgerschaft. Dasselbe Ergebnis folge aus Treu und Glauben, einer vertraglichen Nebenpflichtverletzung sowie aus widersprüchlichem Verhalten des Klägers, der die Beklagte in dem Glauben gelassen habe, dass der Gewährvertrag beendet sei. Die späteren Schreiben habe die Beklagte nicht erhalten.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>38 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="38"/>Hilfsweise hat die Beklagte ausgeführt, eine etwaige Gewährträgerschaft beschränke sich auf den Klinikbetrieb im Gemeindegebiet und erstrecke sich nicht auf die Ausgründungen in D. und Bad H. Im Übrigen sei der vom Kläger gegen die Kurklinik wegen Ausscheidens verfolgte Ausgleichsanspruch dem Grunde nach unbillig, weil bereits laufende Umlagen gezahlt worden seien. Die zugrundeliegenden Satzungsbestimmungen des Klägers seien nach der Gegenwert-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs AGB-rechtlich unwirksam. Die Beklagte bestreitet die Höhe des Ausgleichsanspruchs.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>39 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="39"/>Das Landgericht hat mit Urteil vom 17.11.2017 der Feststellungsklage stattgegeben und die Widerklage und Hilfswiderklage als unzulässig abgewiesen. Der Senat nimmt auf die Feststellungen Bezug, soweit sie mit hier getroffenen nicht in Widerspruch stehen. Das Landgericht hat ausgeführt, die Feststellungsklage sei zulässig. Der Kläger habe ein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses. Hier ergebe sich das Feststellungsinteresse bereits daraus, dass die Beklagte ihre Gewährträgerschaft in Abrede gestellt habe. Auch ein vergangenes Rechtsverhältnis könne Gegenstand einer Feststellungsklage sein. Im Übrigen drohe Verjährung einzutreten. Hier sei dem Kläger die Erhebung einer Leistungsklage gegen die Beklagte nicht möglich. Anders als gegenüber der Kurklinik könne er gegenüber der Beklagten noch keinen konkreten Zahlungsbetrag beziffern. Dies hänge insbesondere von den noch ungeklärten Fragen ab, ob und in welcher Höhe die Kurklinik ausfalle. Die im Jahr 1974 wirksam übernommene Gewährträgerschaft habe bis 31.12.2014 fortbestanden. Die Aufgabe der Beteiligung an der Kurklinik habe die Gewährträgerschaft nicht beendet. Die Auslegung der Verpflichtungserklärung ergebe, dass die Gewährträgerschaft nicht von der gemeindlichen Beteiligung an der Kurklinik abhängig gewesen sei. Selbst wenn eine ursprüngliche Beteiligung an der Kurklinik als Voraussetzung für die Mitgliedschaft später entfallen wäre, hätte das nicht automatisch zum Ende der Mitgliedschaft der Kurklinik beim Kläger geführt, sondern lediglich ein Kündigungsrecht des Klägers eröffnet. Es liege keine konkludente Beendigung der Gewährträgerschaft im Rahmen des Schriftverkehrs und der Verhandlungen in den Jahren 1982 und 1983 vor. Eine Kündigung habe die Beklagte vor dem Jahr 2014 nicht erklärt. Es liege auch kein Wegfall der Geschäftsgrundlage vor. Der Verkauf ihrer Klinikbeteiligung habe einseitig in der Hand der Beklagten gelegen und damit auch in ihrer Risikosphäre. Es sei auch kein Wegfall der kommunalaufsichtsrechtlichen Genehmigung gegeben, da diese keinerlei Befristung, Bedingung, Begrenzung, Auflage oder sonstige Einschränkungen und Vorbehalte enthalte und auch nie widerrufen oder sonst aufgehoben wurde. Die Genehmigung sei auch nicht gegenstandslos geworden. Es liege keine Beendigung der Gewährträgerschaft nach Treu und Glauben vor. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger die Beklagte bewusst in dem Glauben gelassen hätte, die Gewährträgerschaft sei beendet. Der Kläger habe keinen Vertrauenstatbestand geschaffen. Die fortbestehende Gewährträgerschaft sei erst durch anwaltliches Schreiben vom 16.05.2014 gekündigt worden. Eine solche sei erst mit Wirkung zum 31.12.2014 möglich gewesen. Der Umfang der Gewährhaftung und damit die Haftungshöhe müsse hier nicht bestimmt werden. Dies gelte auch für die Frage der räumlichen Beschränkung.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>40 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="40"/>Die Widerklage sei im Hauptantrag unzulässig. Soweit sie sich im negatorischen Gegenteil des deckungsgleichen positiven Feststellungsantrags erschöpfe, ergebe sich die Unzulässigkeit aus der entgegenstehenden Rechtshängigkeit. Darüber hinaus hänge die negative Feststellungsklage davon ab, dass sich der Kläger - wie nicht - einer konkreten Forderungshöhe berühme. Der Kläger gehe aber davon aus, dass sich die Höhe derzeit noch nicht bestimmen lasse. Die Hilfswiderklage sei unzulässig. Es fehle am Feststellungsinteresse. Die Hilfswiderklage sei hier in unzulässiger Weise auf die Klärung abstrakter Vorfragen gerichtet. Die Begrenzung auf den gemeindlichen Wirkungskreis i. S. v. § 2 GemO-BW sei kein gesondertes Berechnungselement nach §§ 15 ff. ZVKS, sondern betreffe eine Vorfrage im Rahmen der Berechnungsgrundlagen.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>41 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="41"/>Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>42 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="42"/>Die Beklagte hat mit Antrag vom 20.10.2017 bei der Rechtsaufsichtsbehörde eine Genehmigung über den Fortbestand der Gewährträgerschaft nach dem Ausscheiden aus der Gesellschafterstellung beantragt. Die Genehmigung wurde vom Landratsamt Karlsruhe mit Bescheid vom 14.12.2017 abgelehnt; in der Begründung dieses Bescheids wird ausgeführt, dass mit der „neuen rechtlichen Situation ab Dezember 1978 (...) durch den Wegfall der gemeindlichen Aufgabenerfüllung die zentrale Genehmigungsgrundlage“ fehle, „so dass ein vom Bundesverwaltungsgericht beschriebener Ausnahmefall vorliegt und die Genehmigung gegenstandslos wird“. Gegen diesen Bescheid hat der Kläger mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 27.03.2018 Widerspruch eingelegt, welcher mit Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 12.11.2018 als unzulässig zurückgewiesen wurde.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>43 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="43"/>Die Beklagte macht geltend, dass die Aufgabe der Beteiligung an der damaligen Kurklinik auch zu einer Beendigung der Gewährträgerschaft geführt habe. Das Landgericht habe die rechtlichen Regelungen gem. § 117 Abs. 2 GemO-BW verkannt. Nach dieser Vorschrift dürfe und könne die Gemeinde keine Sicherheiten zugunsten Dritter bestellen. Die damalige Genehmigung sei aufgrund Antrags der Gemeinde R. erfolgt, in dem ausdrücklich darauf hingewiesen worden sei, dass die Gemeinde R. mehrheitlich an der Kommanditgesellschaft der Kurklinik beteiligt sei. Das sei damals das alleinige Kriterium gewesen, auf dessen Grundlage die Genehmigung überhaupt nur erteilt worden sei. Mit Wegfall der Kapitalbeteiligung hätte die Genehmigung keinen Bestand mehr gehabt. Dies bedeute aber, dass die Genehmigung nur bis zum Ausscheiden der Beklagten aus der Gesellschafterstellung Bestand hätte haben können. Eine darüberhinausgehende Bestellung einer Sicherheit zugunsten eines Dritten sei somit gemäß § 117 Abs. 2 GemO-BW als nichtig anzusehen. Eine Genehmigung für den Fortbestand sei gerade nicht erteilt worden (Bescheid vom 14.12.2017). Im Übrigen folge das Ende der Gewährträgerschaft aus den bereits in erster Instanz hierzu im Einzelnen ausgeführten Gesichtspunkten. Insbesondere sei mit Schreiben vom 05.11.1982 konkludent gekündigt worden. Der Kläger müsse sich nach Treu und Glauben auch so behandeln lassen, als ob in 1982 die Kündigung erfolgt wäre.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>44 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="44"/>Die Widerklage sei zulässig. Insbesondere habe sich der Kläger gegenüber der Beklagten einer Forderung berühmt. Dies ergebe sich schon aus der Klageschrift. Auch gegen den Hilfsantrag der Widerklage bestünden keine rechtlichen Bedenken. Vorliegend gehe es um die Frage der Auslegung eines Vertrags.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>45 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="45"/>Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landgerichts Karlsruhe aufzuheben und wie folgt abzuändern:</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>46 </td></tr></table></td><td><table style="margin-left:3pt"><tr><td><rd nr="46"/>1) Die Klage wird abgewiesen.</td></tr></table>
<table style="margin-left:3pt"><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>47 </td></tr></table></td><td><table style="margin-left:3pt"><tr><td><rd nr="47"/>2) Es wird festgestellt, dass die Beklagte nicht für angebliche Ansprüche des Klägers gegen die R. Kliniken GmbH & Co. KG in Höhe von 33.824.584,50 EUR haftet,</td></tr></table>
<table style="margin-left:3pt"><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>48 </td></tr></table></td><td><table style="margin-left:3pt"><tr><td><rd nr="48"/>3) hilfsweise zu Ziffer 2.:</td></tr></table>
<table style="margin-left:3pt"><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>49 </td></tr></table></td><td><table style="margin-left:3pt"><tr><td><rd nr="49"/>Es wird festgestellt, dass die Verpflichtungserklärung der Beklagten vom 08.11.1974 nicht für den Teil der Forderungen der Klägerin gegenüber der R. Kliniken GmbH & Co. KG („R.-Kliniken“) gilt, welche die Versorgungsleistungen des Klägers gegenüber den Beschäftigten der R.-Kliniken betreffen, die für den Klinikbetrieb der R.-Kliniken in der „Waldklinik D.“, D., oder in der „Fachklinik F.“, Bad H., tätig sind.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>50 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="50"/>Der Kläger verteidigt das landgerichtliche Urteil und beantragt,</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>51 </td></tr></table></td><td><table style="margin-left:3pt"><tr><td><rd nr="51"/>die Berufung zurückzuweisen.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>52 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="52"/>Ergänzend zu seinen erstinstanzlichen Ausführungen macht der Kläger geltend, dass erstmals mit Schreiben vom 16.05.2014 die Beklagte die Auffassung vertreten habe, die übernommene Genehmigung habe bereits ipso jure im Jahr 1978 geendet. Vorsorglich sei (erstmals) - wie unstreitig - die Gewährträgerschaft „mit sofortiger Wirkung“ gekündigt worden (Schreiben vom 14.06.2014). Insbesondere sei die Gewährträgerschaft nicht 1978 beendet worden. Selbst wenn die Genehmigung der Gewährträgerschaft - wie nicht - mit der Aufgabe der Beteiligung geendet hätte, so bliebe davon die Verpflichtungserklärung der Beklagten unberührt. Eine nachträgliche Nichtigkeit aufgrund einer aufgegebenen Beteiligung des Gewährträgers an der juristischen Person des Privatrechts kenne das Öffentliche Recht nicht.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>53 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="53"/>Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
<table width="100%"><tr><td style="text-align:center"><strong>II.</strong></td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>54 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="54"/>Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Die Berufung der Beklagten hat in der Sache teilweise Erfolg. Der Kläger kann Feststellung beanspruchen, dass die Gewährträgerschaft bis zum Ablauf 31.12.2014 fortbestanden hat. Die Widerklage ist unzulässig. Die Hilfswiderklage ist - wie aus Tenor Ziffer 1 c) ersichtlich - begründet.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
<table><tr><td><strong>A.</strong></td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>55 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="55"/>Die Berufung der Beklagten ist, soweit sie sich gegen die vom Landgericht zuerkannte Feststellungsklage richtet, unbegründet.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>56 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="56"/>1. Die Feststellungsklage ist zulässig (§ 256 Abs. 1 ZPO).</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>57 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="57"/>Der Fortbestand der Gewährträgerschaft - hier bis 2014 - ist ein zwischen den Parteien feststellungsfähiges Rechtsverhältnis. Der Kläger hat auch ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens. Hierfür reicht zwar ein allgemeines Klärungsinteresse nicht aus. Ein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses ist nur gegeben, wenn dem Recht oder der Rechtslage des Klägers eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht und wenn das erstrebte Urteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (BGH, Urteil vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 351/08, juris Rn. 12). Diese Voraussetzungen sind hier jedoch erfüllt, da dem Recht des Klägers eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit dadurch droht, dass die Beklagte den Bestand ihrer Gewährträgerschaft ernstlich bestreitet (vgl. BGH, Urteil vom 07. Februar 1986 - V ZR 201/84, juris Rn. 12).</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>58 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="58"/>Es ist auch eine gegenwärtige Rechtsposition des Klägers betroffen. Hiergegen spricht nicht, dass nach dem Vortrag des Klägers die Gewährträgerschaft bis zum Jahresende 2014 geendet haben soll. Auch ein vergangenes Rechtsverhältnis kann Gegenstand einer Feststellungsklage sein. Denn eine Klage auf Feststellung von Rechtsverhältnissen, die der Vergangenheit angehören, ist jedenfalls dann zulässig, wenn, wie es hier der Fall ist, das frühere Bestehen der Rechtsverhältnisse die Grundlage für einen von der Klägerin jetzt verfolgten Anspruch bildet (BGH, Urteil vom 29. April 1958 - VIII ZR 198/57, juris Rn. 16). Das ist hier der Fall. Die Kündigung schließt nur solche Forderungen aus, die danach erst entstehen. Eine etwaige Haftung der Beklagten für bis dahin bereits entstandene Forderungen - wie sie der Kläger geltend macht- besteht hingegen fort.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>59 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="59"/>Der Zulässigkeit der Feststellungsklage steht nicht der grundsätzliche Vorrang einer Leistungsklage entgegen. „Zwar fehlt grundsätzlich das Feststellungsinteresse, wenn ein Kläger dasselbe Ziel mit einer Leistungsklage erreichen kann, jedoch besteht keine allgemeine Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber der Leistungsklage. Vielmehr bleibt die Feststellungsklage dann zulässig, wenn ihre Durchführung unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit eine sinnvolle und sachgemäße Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte erwarten lässt“ (BGH, Urteil vom 16. Februar 2005 - IV ZR 18/04, juris Rn. 23; ebenso BGH, Urteil vom 15. März 2006 - IV ZR 4/05, juris Rn. 19, jew. m.w.N.). Es kann im Einzelfall für die Zulässigkeit einer Feststellungsklage ausreichen, dass nach Klärung der streitgegenständlichen Frage mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer wesentlich erleichterten Lösung der Streitigkeit zu rechnen ist (BGH, Urteil vom 21. Februar 1996 - IV ZR 297/94, juris Rn. 12).</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>60 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="60"/>Es spricht zwar einiges dafür, dass der Kläger vorliegend seine Forderung bereits beziffern könnte, weil nach der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit der Kurklinik - spätestens durch Insolvenzeröffnung, § 80 InsO - die in der Gewährträgerschaft ausdrücklich formulierte Voraussetzung für einen vollständigen Eintritt der Beklagten in die Zahlungsverpflichtungen der Kurklinik vorliegt. Der Senat hält dennoch in Anwendung der dargestellten Rechtsprechung ein Feststellungsinteresse hier für gegeben, weil nach einer Klärung des Fortbestandes der Gewährträgerschaft ein wesentlicher Streitpunkt zwischen den Parteien ausgeräumt und die womöglich einvernehmliche Lösung der Streitigkeit erheblich erleichtert sein wird. In Anbetracht des Umfangs der Streitpunkte spricht der Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit dafür, die Feststellungsklage als sachgemäße Klärung eines wesentlichen Streitpunkts anzusehen. Es besteht zudem im vorliegenden Fall hinreichende Gewähr dafür, dass die Beklagte als Körperschaft des öffentlichen Rechts ihren rechtlichen Verpflichtungen bereits auf ein rechtskräftiges Feststellungsurteil hin nachkommen wird (BGH, Urteil vom 04. Oktober 2000 - VIII ZR 289/99, juris Rn. 38 für eine Anstalt des öffentlichen Rechts).</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>61 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="61"/>Eine Unzulässigkeit der Feststellungsklage folgt auch nicht daraus, dass die begehrte Feststellung nicht sämtliche zwischen den Parteien streitigen Fragen - insbesondere zum Umfang der Haftung - abschließend klären kann. Es genügt, dass die maßgebliche Unsicherheit - hier die Frage der Haftung dem Grunde nach - beseitigt wird (BGH, Urteil vom 28.09.1999 - VI ZR 195/98, juris Rn. 17, 18). Der vorliegende Fall gleicht - wie das Landgericht richtig ausgeführt hat - einer Klage auf Feststellung des Fortbestandes eines Mietverhältnisses (dazu BGH, Urteil vom 18.10.2000, XII ZR 179/98, juris Rn. 9).</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>62 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="62"/>2. Die Feststellungsklage ist auch begründet.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>63 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="63"/>Die Gewährträgerschaft wurde in 1974 wirksam von der Beklagten übernommen. Einwände gegen die Wirksamkeit der Übernahme durch die Erklärung vom 08.11.1974 oder gegen die Wirksamkeit der zuvor erteilten kommunalrechtlichen Genehmigung vom 04.11.1974 bestehen nicht. Durch die erteilte Genehmigung konnte die Sicherheit trotz des grundsätzlichen Verbotes in § 88 Abs. 2 Satz 1 GemO (in der Fassung der Bekanntmachung vom 16.09.1974, GesBl. S. 373 ff.) wirksam übernommen werden, §§ 88 Abs. 2 Satz 2, 117 GemO a.F. Die Gewährträgerschaft bestand bis 31.12.2014 fort. Sie endete weder mit dem Ausscheiden der Kurverwaltungsgesellschaft mbH als Kommanditistin der Kurklinik R. R.-Bau GmbH Co. KG noch im Rahmen der späteren Verhandlungen der Parteien, sondern erst durch die im Jahr 2014 erklärte Kündigung.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>64 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="64"/>a. Gesellschafterwechsel in 1978</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>65 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="65"/>Unstreitig hat die Beklagte Ende 1978 ihre Kapitalbeteiligung an der Kurklinik aufgegeben. Dieser Umstand hat jedoch entgegen der Auffassung der Beklagten die Gewährträgerschaft nicht beendet.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>66 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="66"/>(1) Die Verpflichtungserklärung der Beklagten vom 08.11.1974 enthält ihrem Wortlaut nach keinerlei Befristung, Bedingung, Begrenzung oder sonstige Einschränkung. Die von der Mitgliedschaft der Kurklinik beim Kläger zu unterscheidende Gewährträgerschaft hing damit nach ihrem Wortlaut nicht von der gemeindlichen Beteiligung an der Kurklinik ab. Die gemeindliche Beteiligung ist in der Verpflichtungserklärung nicht aufgeführt.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>67 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="67"/>(2) Auch im Wege der Auslegung kann der Verpflichtungserklärung nicht entnommen werden, dass die gemeindliche Kapitalbeteiligung an der Kurklinik eine Bedingung für die Übernahme und den Fortbestand der Gewährträgerschaft sein sollte.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>68 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="68"/>Insoweit führt das Landgericht zunächst zutreffend aus, dass die Mitgliedschaft der Kurklinik beim Kläger, zu deren Absicherung die Gewährträgerschaft dienen sollte, nicht von einer gemeindlichen Kapitalbeteiligung abhängig war. Eine Mitgliedschaft der Kurklinik war auch ohne eine Beteiligung der Gemeinde und damit der öffentlichen Hand denkbar, wenn die juristische Person des privaten Rechts dem Tarifvertrag über zusätzliche Altersversorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes unterfällt oder wenn sie öffentliche Aufgaben erfüllt (§ 10 Abs. 1 d und e Alt 1 ZVKS aF). Dies haben die Parteien für die Kurklinik bei der Begründung der Mitgliedschaft ausdrücklich bejaht.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>69 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="69"/>Eine Auslegung der Verpflichtungserklärung dahingehend, dass diese stillschweigend eine Begrenzung auf die Dauer der Kapitalbeteiligung der Beklagten enthalten hätte, verbietet sich. Verträge und empfangsbedürftige Willenserklärungen sind nach den Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB auszulegen. Maßgebend ist der erklärte Wille so, wie ihn der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben und nach der Verkehrsanschauung verstehen musste (BGH, Urteil vom 03. Februar 1967 - VI ZR 114/65, juris Rn. 14). In diesem Rahmen ist eine angemessene Berücksichtigung und Abwägung der beiderseitigen Parteiinteressen geboten (MüKoBGB/Busche, 8. Aufl., § 157 Rn. 7). Erkennbar war die von der Beklagten abgegebene Verpflichtungserklärung Grundlage für die Aufnahme der Kurklinik als Mitglied des Klägers. Da diese Mitgliedschaft und ihr Fortbestand durch einen Wegfall der Kapitalbeteiligung der Beklagten unmittelbar nicht berührt wurde, hätte eine entsprechende Begrenzung der Gewährträgerschaft die Haftungsübernahme durch die Beklagte nennenswert beeinträchtigt und entwertet. Auf eine solche Begrenzung hätte sich deshalb der Kläger nicht billigerweise einlassen müssen, zumal - wie das Landgericht ebenfalls zutreffend ausführt - die Aufgabe der Kapitalbeteiligung einseitig durch die Beklagte und ohne Kenntnisgabe an den Kläger erfolgen konnte und tatsächlich im Jahr 1978 auch erfolgt ist.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>70 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="70"/>Eine abweichende Auslegung folgt auch nicht aus dem Inhalt des Genehmigungsantrags der Beklagten vom 3.10.1974. Dies gilt selbst unter Hintanstellung von Bedenken dagegen, diesen verwaltungsinternen Vorgang, welcher nicht zwingend zur Kenntnis der Klägerin gelangt sein muss, zur Auslegung der Verpflichtungserklärung heranzuziehen. Es ist zwar richtig, dass im Genehmigungsantrag eine mehrheitliche Beteiligung der Beklagten an der Kurklinik ebenso wie die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch die Kurklinik erwähnt ist. Beides jedoch nur als Voraussetzung für die Mitgliedschaft der Kurklinik beim Kläger und nicht als Voraussetzung für die Übernahme der Gewährträgerschaft.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>71 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="71"/>(3) Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage - nur Kündigungsrecht (§ 314 BGB)</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>72 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="72"/>Nichts anderes ergibt sich aus den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage. Das Landgericht hat die Voraussetzungen eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage im Einzelnen aufgezeigt. Danach liegt hier schon kein Wegfall der Geschäftsgrundlage vor. Denn der Verkauf der Klinikbeteiligung erfolgte einseitig durch die Beklagte und lag damit alleine in ihrer Risikosphäre. Hinzu kommt, dass Rechtsfolge eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage ein Recht zur Anpassung oder ein Kündigungsrecht wären (heute §§ 313 Abs. 3 S. 2, 314 BGB). Insbesondere würde ein Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht ein ipso jure eintretendes Ende der Gewährträgerschaft bedeuten. Von einer Kündigung hat die Beklagte in 1978 keinen Gebrauch gemacht. Das hat das Landgericht bereits zutreffend ausgeführt. Hiergegen erinnert die Beklagte auch weiter nichts.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>73 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="73"/>(4) Kein Wegfall der kommunalaufsichtsrechtlichen Genehmigung nach §§ 88, 117 GemO-BW</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>74 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="74"/>Die Gewährträgerschaft ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht gemäß § 117 Abs. 1 und 2 GemO-BW nichtig. Der Senat folgt nicht der von der Berufung vorgetragenen Ansicht, die Aufgabe der Kapitalbeteiligung habe zum Wegfall der gemäß § 88 Abs. 2 GemO a.F. erforderlichen Genehmigung der Gewährträgerschaft und damit zur Nichtigkeit letzterer geführt.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>75 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="75"/>In diesem Zusammenhang ist zunächst festzuhalten, dass nach § 88 GemO a.F. die Übernahme der Gewährträgerschaft der Genehmigung bedurfte. Nach § 88 Abs. 2 GemO a.F. durfte die Beklagte eine Gewährträgerschaft zur Erfüllung ihrer Aufgaben mit Genehmigung der Rechtsaufsichtsbehörde übernehmen. Nach § 117 Abs. 2 GemO a.F. sind Rechtsgeschäfte nichtig, die gegen das Verbot des § 88 Abs. 1 GemO a.F. verstoßen. Im vorliegenden Fall wurde die für die Gewährträgerschaft erforderliche Genehmigung hierzu erteilt. Eine zivilrechtliche Nichtigkeit kommt nach § 117 Abs. 1 GemO a.F. jedoch nur bei Fehlen einer Genehmigung durch die Rechtsaufsichtsbehörde in Betracht.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>76 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="76"/>Die Voraussetzung für die Genehmigung war hier im Übrigen auch deshalb gegeben, weil die Förderung eines - auch privaten - Krankenhauses eine weisungsfreie kommunale Aufgabe sein kann (BVerfG, Beschluss vom 07.02.1991, BvL 24/84, BVerfGE 83, 363 ff.). Die Gemeinde R. strebte seit Anfang der 70 -er Jahre das Profil eines Kurortes an und beteiligte sich gerade auch zu diesem Zweck an der Kurklinik. Hierin ist die Erfüllung gemeindlicher Aufgaben zu sehen, die für die Umgebung Arbeitsplätze geschaffen und den Arbeitnehmern eine Zusatzversorgung ermöglicht hat, für die gemäß § 88 Abs. 2 GemO-BW auch so genannte Verpflichtungen aus Gewährverträgen übernommen werden können. Die Kapitalbeteiligung der Gemeinde war mithin insoweit Motiv, aber nicht alleiniger Grund für die Übernahme der Gewährträgerschaft.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>77 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="77"/>Es ist schon zweifelhaft, ob auch der Fortbestand der Gewährträgerschaft von einer fortbestehenden Genehmigung abhängig war. Letztendlich kann dies indessen dahinstehen. Die am 4.11.1974 erteilte Genehmigung ist durch den Wegfall der Kapitalbeteiligung der Beklagten an der Kurklinik nicht entfallen.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>78 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="78"/>Auch insoweit schließt sich der Senat den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts dahingehend an, dass die Genehmigung mangels einer hierin enthaltenen Befristung, Bedingung, Begrenzung, Auflage oder sonstigen Einschränkung nicht infolge des Wegfalls der Kapitalbeteiligung entfallen ist. Auch im Wege der Auslegung kann der Genehmigung eine derartige Nebenbestimmung nicht entnommen werden. Die gemeindliche Kapitalbeteiligung an der Kurklinik ist in der Genehmigung nicht erwähnt. Allein die Bezugnahme auf die Mehrheitsbeteiligung der Beklagten an der Kurklinik im Genehmigungsantrag vom 3.10.1974 genügt nicht, um dem Genehmigungsbescheid eine entsprechende Einschränkung zu entnehmen; die obigen Ausführungen zur Auslegung der Verpflichtungserklärung gelten hier entsprechend.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>79 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="79"/>Mit dem Wegfall der Kapitalbeteiligung haben sich zwar die für die Genehmigung maßgeblichen Grundlagen erheblich verändert. Indessen gilt schon nach dem seinerzeit maßgeblichen § 43 Abs. 2 LVwVfG (i.d.F vom 21.6.1977), dass der Wirksamkeitsverlust eines Verwaltungsakts grundsätzlich an ein formalisiertes Handeln der Behörde oder an einen eindeutig bestimmbaren Tatbestand geknüpft ist (BVerwG, Urteil vom 09. Mai 2012 - 6 C 3/11, juris Rn. 19). Insbesondere der nach § 49 LVwVfG a.F. grundsätzlich in Betracht kommende Widerruf der Genehmigung wurde indessen nicht ausgesprochen. Auch die Voraussetzungen der von der Berufung hier herangezogenen Fallgruppe der Gegenstandslosigkeit aufgrund geänderter Sach- oder Rechtslage (BVerwG a.a.O. juris Rn. 24, 25) sind nicht erfüllt. Grundsätzlich lässt eine nachträgliche Änderung der für den Erlass des Verwaltungsakts maßgeblichen Sach- oder Rechtslage die Wirksamkeit des Verwaltungsakts unberührt (BVerwG a.a.O.). Solche Änderungen machen den Verwaltungsakt nur ausnahmsweise gegenstandslos, wenn er nach seinem Inhalt und Zweck von vornherein keine Geltung für den Fall der veränderten Umstände beansprucht. Die in der Kommentarliteratur hierfür genannten Beispiele (etwa Stelkens/Bonk/Sachs/Sachs, VwVfG, 9. Aufl., § 43 Rn. 212 a m.w.Nachw.) betreffen Fälle, in denen der Verwaltungsakt infolge der geänderten Lage seine Rechts- und Regelungswirkung nicht mehr entfalten kann und insoweit tatsächlich im Wortsinne gegenstandslos wird. Dies war im vorliegenden Fall jedoch nicht gegeben. Gegenstand der Genehmigung war schon nach dem Wortlaut ausschließlich die Gewährträgerschaft. Das genehmigte Vertragsverhältnis selbst - nämlich die Gewährträgerschaft - wurde inhaltlich nicht verändert. Hinzu kommt, dass sich auch das durch die Gewährträgerschaft mittelbar gesicherte Vertragsverhältnis, hier die Mitgliedschaft der Kurklinik beim Kläger, nicht geändert hat. Auch das abgesicherte Risiko - der Ausfall der Kurklinik - blieb dasselbe. Lediglich das Beteiligungsverhältnis an der Kurklinik hat eine Änderung erfahren. Der vorliegend durchgeführte Gesellschafterwechsel hat die Identität der Kurklinik als juristische Person nicht berührt. Damit fehlt es hier an Umständen, die den Verwaltungsakt gegenstandslos gemacht haben.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>80 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="80"/>(5) Da somit die am 8.11.1974 erteilte Genehmigung weiterhin Bestand hat, kommt es auf die später im Lauf dieses Rechtsstreits beantragte und von der Rechtsaufsicht verweigerte Genehmigung für den Fortbestand der Gewährträgerschaft von vornherein nicht an. Eine Beendigung der Gewährträgerschaft oder Aufhebung der ursprünglich erteilten Genehmigung wurde nicht ausgesprochen.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>81 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="81"/>(6) Schadensersatz</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>82 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="82"/>Das Landgericht hat weiter darauf abgestellt, dass die Beklagte auch bei einem nachträglichen Wegfall der kommunalrechtlichen Genehmigung bei der vorliegenden Fallkonstellation dem Kläger zum Schadensersatz verpflichtet wäre. Dies trifft hier zu, weil die Beklagte den Kläger auf einen Wegfall der Genehmigung im Hinblick auf den Gesellschafterwechsel hätte ausdrücklich - wie nicht - hinweisen müssen (BGH, Urteil vom 10.06.1999 - IX ZR 409/97, juris Rn. 29; BGH, Urteil vom 06.06.2000, - XI ZR 235/99, juris Rn.12, 13). Ein solcher Anspruch würde sich mithin aus einer Nebenpflichtverletzung (heute §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB) ergeben. Dabei kann die Haftung auf Ersatz des Vertrauensschadens im Ergebnis das Erfüllungsinteresse erreichen (vgl. - für Haftung aus culpa in contrahendo - BGH, Urteil vom 10.06.1999, IX ZR 409/97, juris Rn. 40; BGH, Urteil vom 06.06.2000 - XI ZR 235/99, juris Rn. 17).</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>83 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="83"/>b. Keine ausdrückliche Beendigung der Gewährträgerschaft</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>84 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="84"/>Eine solche liegt - wie vom Landgericht zutreffend angeführt - nicht vor. Es fehlt an ausdrücklichen Erklärungen der Parteien. Hiergegen erinnert die Beklagte auch weiter nichts.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>85 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="85"/>c. Keine konkludente Beendigung der Gewährträgerschaft - Nachverhandlungen 1982</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>86 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="86"/>Die Parteien streiten in diesem Punkt darüber, ob die Gewährträgerschaft spätestens 1982 beendet worden ist. Die Beklagte steht auf dem Standpunkt, die Gewährträgerschaft sei spätestens im Jahre 1982 beendet worden, da der Kläger durch sein eigenes Verhalten bei der Beklagten den Eindruck erweckt habe, dass die Gewährträgerschaft beendet sei und für die Zukunft neu begründet werden müsse, was allerdings unterblieben sei. Der Kläger sei noch in seinem Schreiben vom 17.07.1974 zutreffend davon ausgegangen, dass für die Aufnahme der Kurklinik zwei Bedingungen nach den Satzungsbedingungen notwendig waren, nämlich die Erfüllung öffentlicher Aufgaben (hier Klinik mit satzungsmäßigen Aufgaben) und eine Gewährträgerschaft. Hieraus schließt die Beklagte, dass sowohl die Kurklinik als auch die Beklagte davon ausgehen mussten, dass solange beide Voraussetzungen gegeben waren, die Kurklinik Mitglied bleiben konnte und dem Kläger kein Kündigungsrecht in Bezug auf die Mitgliedschaft zustand. In diesem Licht seien der Schriftverkehr und das Ergebnis der Besprechung zu sehen.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>87 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="87"/>Dem ist nicht zu folgen. Es ist - wie auszuführen sein wird - nicht zu einer auch nach dem Vortrag der Beklagten erforderlichen Kündigung der Mitgliedschaft der Kurklinik noch der daran anknüpfenden Gewährträgerschaft gekommen.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>88 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="88"/>(1) Zu Recht wird in diesem Zusammenhang eine Beendigung der Gewährträgerschaft durch einvernehmliche Vertragsaufhebung oder Verzicht seitens des Klägers nicht geltend gemacht.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>89 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="89"/>Ausdrückliche Erklärungen in diesem Sinne wurden nicht abgegeben. Eine konkludente Vertragsaufhebung oder ein konkludenter Verzicht würde voraussetzen, dass die Erklärungen oder Handlungen des Klägers gemäß §§ 133, 157 BGB in diesem Sinne auszulegen waren. Im Jahr 1982 sah der Kläger, wie sich aus seinen Schreiben vom 14.07.1981, 05.01.1982 und insbesondere 01.07.1982 ergibt, eine Rechtsunsicherheit bezüglich des Fortbestandes der Gewährträgerschaft. Er forderte deshalb die Beklagte auf, den Fortbestand der Gewährträgerschaft zu bestätigen bzw. sich darüber zu erklären, ob eine Entlastung aus dem Gewährträgervertrag beantragt werden solle. Später kam es, wie insbesondere das Protokoll vom 20.07.1982 ausweist, zu Gesprächen und Verhandlungen über eine Übernahme einer Bürgschaft durch die Beklagte. Trotz der entstandenen Rechtsunsicherheit und trotz der Verhandlungen über eine erneute Übernahme einer Bürgschaft durch die Beklagte hatte der Kläger jedoch klar erkennbar weder eine Veranlassung noch ein Interesse daran, die durch die ursprüngliche Gewährträgerschaft vom 08.11.1974 begründete Rechtsposition, sei sie auch noch so rechtsunsicher, freiwillig und ohne eine ersatzweise neue Absicherung aufzugeben. Da dies für alle Beteiligten offenkundig sein musste, konnte und durfte die Beklagte die Erklärungen und Handlungen des Klägers keinesfalls als rechtsgeschäftlichen Verzicht auf die Gewährträgerschaft oder als Zustimmung zu deren Aufhebung verstehen.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>90 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="90"/>(2) Auch eine Kündigung der Gewährträgerschaft durch die Beklagte erfolgte weder ausdrücklich noch konkludent.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>91 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="91"/>Eine ausdrückliche Kündigungserklärung durch die Beklagte wurde nicht abgegeben. Vielmehr blieb die Beklagte die seitens des Klägers mehrfach eingeforderte ausdrückliche Erklärung, ob die Gewährträgerschaft fortbestehe oder eine „Entlastung“ hieraus „beantragt“ werde (Schreiben vom 01.07.1982), schuldig.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>92 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="92"/>Zwar kann eine Kündigung auch formlos und damit - wie jede Willenserklärung - auch konkludent erfolgen (vgl. MüKoBGB /Lieder, 7. Aufl., § 1193 Rn. 5; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 23. März 2011 - 3 U 72/10, juris Rn. 28; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 14. April 2016 - 7 U 85/15, juris Rn. 38; Thüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 29. Mai 2012 - 4 U 549/11, juris Rn. 25). An eine solche Kündigung wären jedoch im vorliegenden Fall hohe Anforderungen hinsichtlich der Eindeutigkeit zu stellen. Dies folgt einmal aus der erkennbar hohen wirtschaftlichen Bedeutung der Frage des Fortbestandes oder Endes der Gewährträgerschaft für alle Beteiligten. Schon angesichts dieser wirtschaftlichen Bedeutung konnten alle Beteiligten berechtigt erwarten, dass Erklärungen über die Beendigung ebenso wie über die Fortführung der Gewährträgerschaft klar und eindeutig erfolgen. Zudem ist entscheidend darauf abzustellen, dass der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 01.07.1982 mit aller Klarheit zu einer ausdrücklichen Stellungnahme aufgefordert hatte. Hinzu kommt, dass es sich bei den Vertragsparteien auf beiden Seiten um geschäftserfahrene Beteiligte gehandelt hat, die letztendlich gewusst haben mussten, worum es bei den Verhandlungen ging.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>93 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="93"/>Der Senat folgt nach Überprüfung den Ausführungen des Landgerichts. Danach liegen auch die Voraussetzungen für eine konkludente Kündigung der Gewährträgerhaftung seitens der Beklagten nicht vor.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>94 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="94"/>Im Einzelnen:</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>95 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="95"/>aa) Der Kläger erlangte erst Mitte 1981 davon Kenntnis, dass die Beklagte ihre Anteile an der Komplementär- GmbH der Klinik an die Familie R. verkauft und damit aufgegeben hatte.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>96 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="96"/>Der Schriftwechsel bis zur gemeinsamen Besprechung am 20.07.1982 enthält keine Erklärungen zum Ende bzw. der Aufgabe der Gewährträgerschaft. Im Schreiben vom 14.07.1981 brachte der Kläger vielmehr unmissverständlich zum Ausdruck, dass aus seiner Sicht die Gewährträgerschaft weiter fortbestand. Der Kläger wies in dem Schreiben die Beklagte darauf hin, dass - sofern die Gemeinde die Entlastung aus dem Gewährvertrag beantragen sollte - die Kündigung (der Mitgliedschaft der Kurklinik) gemäß § 12 Abs. 2 der Satzung ernsthaft in Erwägung gezogen werden müsste. Hierauf gab die Beklagte - wie unstreitig - keine Erklärung über eine Beendigung der Gewährträgerschaft ab. Vielmehr fasste der Kläger nochmals mit weiteren Schreiben vom 02.10.1981 und vom 24.11.1981 nach und erhielt keine Antwort hierzu. In der Folge ging der Kläger ausweislich des Schreibens vom 05.01.1982 davon aus, dass die Entlassung aus der Gewährträgerschaft nicht beantragt werde.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>97 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="97"/>bb) Mit Schreiben vom 01.07.1982 forderte der Kläger von der Beklagten die ausdrückliche Bestätigung, dass die Gewährträgerschaft auch unter den grundlegend veränderten Kapitalverhältnissen weiter gelte. Dem Schweigen der Beklagten hierauf kann entgegen der Auffassung der Beklagten nicht der Erklärungswert beigemessen werden, dass die Gewährträgerschaft nicht weiter gelten sollte, zumal die Beklagte seinerzeit lediglich mit Schreiben vom 30.07.1981 um Geduld bat (unstreitig). Damit brachte die Beklagte selbst zum Ausdruck, dass die Frage der Beendigung der Gewährträgerschaft noch nicht abschließend, insbesondere im Gemeinderat, beraten sei.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>98 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="98"/>Dem Schreiben vom 01.07.1982 kann auch nicht zumindest die - alleinige oder weitere - Bedeutung beigemessen werden, dass der Kläger darin auf einer Neubegründung der Gewährträgerschaft besteht, was beinhalten würde, dass er die Gewährträgerschaft von 1974 als gegenstandslos betrachtete. Vielmehr bat der Kläger in dem Schreiben wegen der weittragenden Bedeutung der Angelegenheit um klare Verhältnisse für die Zukunft und drohte hierbei eine Kündigung der Mitgliedschaft der Kurklinik an.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>99 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="99"/>Dass dies aus Sicht der Beklagten keinesfalls als freiwillige, einseitige und ohne Not erfolgende Aufgabe der - wenn auch rechtsunsicheren - Rechtsposition aus der Gewährträgerschaft vom 08.11.1974 verstanden werden konnte, wurde schon oben ausgeführt. Der Kläger brachte damit vielmehr zum Ausdruck, dass er ohne die geforderte Bestätigung zur Kündigung der Mitgliedschaft der Kurklinik berechtigt sei und dass bislang, ohne Kündigung jedenfalls die Mitgliedschaft fortbestehe. Der Kläger hat sich hier um Klarstellung bemüht.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>100 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="100"/>Auch daraus, dass der Kläger die angedrohte Kündigung der Mitgliedschaft der Kurklinik im weiteren Verlauf nicht aussprach, lässt sich nichts zu Gunsten der Beklagten herleiten. Vielmehr ist dies ein Indiz dafür, dass der Kläger am Ende den Fortbestand der ursprünglichen Gewährträgerschaft trotz der gegebenen Rechtsunsicherheit weiterhin als noch ausreichende Grundlage für den Fortbestand der Mitgliedschaft der Kurklinik ansah.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>101 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="101"/>cc) Besprechung vom 20.07.1982</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>102 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="102"/>Die Beklagte meint, dass das Schreiben des Klägers vom 01.07.1982 mit Fristsetzung zum 30.09.1982, verbunden mit der Aufforderung zur Abgabe einer Bestätigung zu der übernommenen Gewährträgerschaft nur so zu verstehen gewesen sei, dass es um die Vergabe einer <span style="text-decoration:underline">neuen</span> Sicherheit gegangen sei. Deshalb sei es zu der Besprechung am 20.07.1982 gekommen. Die Besprechung hätte gar nicht stattfinden müssen, wenn es darum gegangen wäre, eine Entscheidungsgrundlage für eine Kündigung einer bestehenden Gewährträgerschaft zu haben. Denn im Falle des Fortbestehens der Gewährträgerschaft vom 08.11.1974 hätte schon gar kein Kündigungsrecht des Klägers gegenüber der Kurklinik bestanden, von dem die Parteien aber in der Besprechung offenkundig ausgegangen seien.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>103 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="103"/>Entgegen der Auffassung der Beklagten belegt der Inhalt des Protokolls vom 20.07.1982 nicht, dass die Gewährträgerschaft beendet und eine erneute Übernahme einer Gewährträgerschaft erforderlich sein würde. Zwar weist das Protokoll über die Besprechung vom 20.07.1982 die Begriffe „Übernahme“ einer Gewährträgerschaft bzw. „Bürgschaft“ auf. Diese Begriffe könnten auf eine Neubegründung einer Haftung hinweisen. Allerdings findet sich darin nichts zu der bisherigen Gewährträgerschaft. Eine Beendigung derselben wird nicht angesprochen.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>104 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="104"/>In Anbetracht der Vertragsbeziehungen ist es zudem nicht ausgeschlossen, dass die Beteiligten - bewusst oder unbewusst - die vom Kläger (nur) angedrohte Kündigung der Mitgliedschaft bereits als gegeben angesehen haben, die wiederum folgerichtig eine Neubegründung der Mitgliedschaft und damit auch der Gewährträgerschaft bedingt hätte. Hierauf hat das Landgericht bereits hingewiesen. Auch mag sich im Verständnis der Beklagten die Forderung des Klägers nach einer Bestätigung über den Fortbestand der Gewährträgerschaft zur Vermeidung einer Kündigung der Mitgliedschaft zum Erfordernis einer neuen Gewährträgerschaft hin verschoben haben.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>105 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="105"/>Dass somit auch über die Frage einer möglichen Neubegründung verhandelt wurde, lässt sich zwanglos mit dem verständlichen Wunsch nach Rechtssicherheit erklären. Mangels erfolgreichen Abschlusses der Verhandlungen, denen sich - wie ausgeführt - kein klares Nein oder klares Ja in die eine oder andere Richtung - gemeint Fortbestand der Gewährträgerschaft oder Neubegründung einer solchen - entnehmen lässt, blieb es aber sodann bei der vormaligen Rechtslage. Es hätte der Beklagten oblegen, durch eine Kündigung oder sonstige Beendigung für Klarheit zu sorgen. Eine solche wurde - wie ausgeführt - weder ausdrücklich noch konkludent ausgesprochen.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>106 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="106"/>Insbesondere lässt sich eine Einigung zur Beendigung der bisherigen Gewährträgerschaft auch nicht den Aussagen der in erster Instanz hierzu vernommenen Zeugen G. und N. entnehmen (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27.10.2017).</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>107 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="107"/>dd) Keine konkludente Kündigung mit Schreiben vom 05.11.1982</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>108 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="108"/>Auch insoweit folgt der Senat nach Überprüfung den Ausführungen des Landgerichts. Eine Beendigung der alten Gewährträgerschaft und eine Ablehnung einer erneuten Übernahme geht aus dem Schreiben nicht hervor. Das Schreiben informiert lediglich darüber, dass sich der Gemeinderat mit der Problematik der Bürgschaftsübernahme eingehend befasst hat. Die Beklagte hat somit weder dem auch in vorausgegangenen Schreiben erwähnten Fortbestand der Gewährträgerschaft widersprochen noch ist dem Schreiben eine Ablehnung einer Fortsetzung der Gewährträgerschaft zu entnehmen. Die Beklagte teilte in der Folge weiter mit, dass sie sich mit der Kurklinik in Verbindung gesetzt habe, und der Direktor der Kurklinik sich mit dem Kläger in Verbindung setzten werde, um die Möglichkeit einer Mitgliedschaft der Kurklinik in der ZVK (Kläger) ohne eine Übernahme einer Bürgschaft durch die Beklagte zu prüfen. Nach Abschluss dieser Gespräche wollte die Beklagte - wie nicht - auf den Kläger zukommen.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>109 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="109"/>ee) Nichts Anderes folgt schließlich aus dem Schreiben vom 07.03.2013. Dort wird nochmals eine mögliche Kündigung der Mitgliedschaft angesprochen. Diese wurde jedoch - wie unstreitig - nicht ausgesprochen.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>110 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="110"/>d. § 242 BGB - Beendigung nach Treu und Glauben</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>111 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="111"/>Die Beklagte vertritt auch im Berufungsrechtszug weiter die Auffassung, dass sich der Kläger nach Treu und Glauben so behandeln lassen müsse, als ob im Jahre 1982 die Kündigung erfolgt wäre.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>112 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="112"/>Grundsätzlich kann eine stattgefundene Vereitelung von Rechten der Gegenpartei zu einem Rechtsverlust wegen unzulässiger Rechtsausübung führen. Wer durch zu missbilligendes früheres Verhalten Rechte oder Rechtsausübung der Gegenpartei vereitelt hat, kann so behandelt werden, als ob das vereitelte Recht erworben worden wäre oder die vereitelte Rechtsausübung stattgefunden hätte (vgl. MüKoBGB/Schubert, 7. Aufl., § 242 Rn. 302).</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>113 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="113"/>Es fehlt hier aber an einem dem Kläger einseitig anzulastenden treuwidrigen Verhalten. Der Kläger wies im Schriftwechsel der Jahre 1981 und 1982 zunächst ausdrücklich darauf hin, dass er vom Fortbestand der Gewährträgerschaft ausgeht. Zwar hat der Kläger insoweit - erfolglos - eine Bestätigung der Beklagten gefordert und später an Neuverhandlungen über eine Bürgschaftsübernahme mitgewirkt, soweit in der Besprechung vom 20.07.1982 hierauf eingegangen wurde. Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 05.11.1982 nur noch die Übernahme einer (neuen) Bürgschaft thematisierte, wiederholte der Kläger auch nicht mehr seinen Rechtsstandpunkt zum Fortbestand der Gewährträgerschaft. Möglicherweise wurde hierdurch bei der Beklagten der Eindruck mitverursacht, dass die alte Gewährträgerschaft obsolet sein könnte, so dass die Frage einer Kündigung derselben bei der Beklagten aus dem Blick geriet. Dies kann indessen nicht einseitig dem Kläger als Folge eines zu missbilligenden Verhaltens angelastet werden. Vielmehr war es die Beklagte, die trotz der zunächst klaren und eindeutigen Äußerungen des Klägers eine eindeutige Positionierung schuldig blieb.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>114 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="114"/>Der Kläger brachte in den oben angeführten Schreiben zunächst verständlich zum Ausdruck, dass die Gewährträgerschaft nach seiner Ansicht fortbesteht. Die Beklagte vermied es sodann - wie ebenfalls oben bereits ausgeführt -, klar und deutlich zu kündigen oder auszusprechen, dass sie die Gewährträgerschaft für beendet hält. Bei einer solchen Situation hat es nicht der Kläger zu verantworten, dass die Beklagte keine ausdrückliche Kündigung ausgesprochen hat. Der Kläger hat - wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat - keinen Vertrauenstatbestand geschaffen, der bei der Beklagten die Annahme hätte rechtfertigen können, ihre Verpflichtung sei beendet. Dass er im weiteren Verlauf nicht nochmals seine Rechtsansicht einer fortbestehenden Gewährträgerschaft bekräftigte, genügt nicht. Dass er, obwohl der Schriftverkehr und die Verhandlungen letztlich ergebnislos blieben, von der zunächst angedrohten Kündigung der Mitgliedschaft der Kurklinik absah, rechtfertigte gerade nicht den Schluss, dass die Gewährträgerschaft auch aus Sicht des Klägers obsolet geworden sei. Vielmehr legte dies sogar eher nahe, dass dem Kläger trotz der gegebenen Rechtsunsicherheit die alte Gewährträgerschaft als Sicherheit ausreichte.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>115 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="115"/>Hinzu kommt, dass die Beklagte in 2013 noch selbst von einem Fortbestand der Gewährträgerschaft ausging. Der Kläger bat nach einem erneuten Gesellschafterwechsel in 2011 mit Schreiben vom 06.02.2013 um Bestätigung des Fortbestandes der Gewährträgerschaft. Hierauf hat die Beklagte mit Schreiben vom 26.04.2013 sich dahingehend positioniert, dass die ursprünglich für die Kurklinik übernommene Gewährträgerschaft für die A. Kliniken nicht übernommen werde.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>116 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="116"/>f) Fortbestand bis 31.12.2014 - Beendigung 26.04.2013</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>117 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="117"/>Die Beklagte hat wirksam erst mit Schreiben vom 16.05.2014 die Kündigung ausgesprochen. Das Schreiben vom 26.04.2013 betrifft nur die Frage einer Gewährträgerschaft infolge eines erneuten Gesellschafterwechsels.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>118 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="118"/>Die Annahme des Landgerichts, dass eine Kündigung nur mit Wirkung zum Jahresende 31.12.2014 möglich war, ist rechtlich zutreffend. Hiergegen erinnert die Beklagte auch weiter nichts. Auf die Ausführungen des Landgerichts wird Bezug genommen.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>119 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="119"/>3. Aus dem Mitgliedschaftsverhältnis des Klägers zur Kurklinik ergeben sich ebenfalls keine Umstände, die zum Wegfall der Gewährträgerschaft führen. Die Mitgliedschaft der Kurklinik blieb vom Gesellschafterwechsel in 1978 unberührt.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>120 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="120"/>Darauf, ob die Satzungsregelung in § 15 ZVKS unwirksam sein könnte, kommt es nicht an. Die Feststellungsklage bezieht sich alleine auf den Grund und nicht die Höhe der Forderung.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
<table><tr><td><strong>B.</strong></td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>121 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="121"/>Die Berufung der Beklagten hat in Bezug auf die Widerklage nur hinsichtlich des Hilfsantrags Erfolg.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>122 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="122"/>1. Widerklage - negative Feststellungklage</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>123 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="123"/>Die Widerklage ist unzulässig. Der Senat tritt den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts im Ergebnis bei.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>124 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="124"/>Soweit die Beklagte mit der Widerklage geltend machen will, dem Kläger überhaupt nichts zu schulden, geht ihr Petitum letztlich auf das negatorische Gegenteil des positiven Feststellungsantrags des Klägers. Es handelt sich zwar - entgegen der Rechtsansicht des Landgerichts - nicht um denselben Streitgegenstand, da Gegenstand der Feststellungsklage nur der Bestand der Gewährträgerschaft und nicht auch ein hieraus resultierender Anspruch gegen die Beklagte ist. Es mangelt der Beklagten aber an einem eigenständigen Feststellungsinteresse, da im Fall des - schon im Rahmen der Klage zu klärenden - Fortbestandes der Gewährträgerschaft das Bestehen eines Anspruchs in irgendeiner Höhe zwingend ist. Selbst wenn - wie von Beklagtenseite geltend gemacht - die Satzungsbestimmungen des Klägers über die Ausgleichszahlung unwirksam sein sollten, was hier nicht zu prüfen ist, hätte nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung der Kläger die Möglichkeit einer Neuregelung im Satzungsänderungsverfahren mit Wirkung auch für die bereits beendete Beteiligung (BGH, Urteil vom 07. September 2016 - IV ZR 172/15, BGHZ 211, 350, Rn. 55 m.w.Nachw.).</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>125 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="125"/>Soweit die Beklagte mit der Widerklage geltend machen wollte, dass sie lediglich einen unterhalb von 33.824.584,50 EUR liegenden Betrag schulde, wäre der Antrag nicht hinreichend bestimmt; in diesem Fall müsste sie nämlich mitteilen, bis zu welcher konkreten Höhe sie ihrer Ansicht nach verpflichtet sei (OLG Düsseldorf, Urteil vom 28. April 2011 - I-2 U 12/10, juris Rn. 37). Einen solchen Betrag hat die Beklagte indessen nicht genannt. Vielmehr hat sie zum Ausdruck gebracht, dass nach ihrer Auffassung infolge Beendigung der Gewährträgerschaft gar nichts geschuldet sei. Für dieses Begehren mangelt es indessen, wie oben dargestellt, am eigenständigen Feststellungsinteresse.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>126 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="126"/>Darüber hinaus fehlte es im vorliegenden Fall für die Zulässigkeit der Feststellungsklage auch deshalb am Feststellungsinteresse, weil sich der Kläger nicht eines Anspruchs in der behaupteten Höhe gegenüber der Beklagten berühmt hat. Die Rechtsstellung der Beklagten ist schutzwürdig betroffen, wenn der Kläger geltend macht, aus dem bestehenden Rechtsverhältnis könne sich unter bestimmten Voraussetzungen ein Anspruch gegen die Beklagte ergeben. § 256 ZPO ermöglicht sogar die Feststellung eines betagten oder bedingten Rechtsverhältnisses (BGH, Urteil vom 16. Mai 2017 - XI ZR 586/15, juris Rn. 15). Der Senat folgt nach Überprüfung dem Landgericht, dass der Kläger, der hier die Feststellung des Fortbestandes der Gewährträgerschaft bis zu einem bestimmten Zeitpunkt beansprucht, sich noch nicht eines Anspruchs gegenüber der Beklagten in der erforderlichen Weise berühmt (hierzu vgl. Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl., § 256 Rn. 14a) hat. Der Kläger geht vielmehr davon aus, dass sich die Höhe seiner Forderung derzeit nicht beziffern lässt.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>127 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="127"/>2. Hilfswiderklage - räumliche Reichweite der Gewährträgerschaft</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>128 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="128"/>Somit war über die Hilfswiderklage der Beklagten zu entscheiden. Diese ist entgegen der Ansicht des Landgerichts zulässig. Die räumliche Reichweite der Gewährträgerschaft betrifft den Umfang des zwischen den Parteien streitigen Rechtsverhältnisses und ist deshalb feststellungsfähig. Das rechtliche Interesse an der Feststellung folgt, nicht anders als bei der Klage, daraus, dass durch die Feststellung ein weiterer wesentlicher Streitpunkt zwischen den Parteien ausgeräumt und die womöglich einvernehmliche Lösung der Streitigkeit erheblich erleichtert wird. Auf die obigen Ausführungen zur Zulässigkeit der Klage wird Bezug genommen.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>129 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="129"/>Die Hilfswiderklage ist auch begründet. Die Auslegung der Verpflichtungserklärung vom 08.11.1974 ergibt, dass die Gewährträgerschaft beschränkt war auf Zahlungsverpflichtungen, die auf der Altersversorgung für solche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kurklinik beruhen, welche ihre Arbeitsleistung zumindest überwiegend am Klinikstandort auf dem Gemeindegebiet der Beklagten erbringen.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>130 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="130"/>Willenserklärungen sind gemäß §§ 133, 157 BGB so auszulegen, wie sie der Empfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste (allg. Ans., etwa BGH, Urteil vom 16. Oktober 2012 - X ZR 37/12, BGHZ 195, 126, Rn. 18). Maßgeblich ist somit der so genannte objektive Empfängerhorizont (vergl. etwa BGH, Urteil vom 25. Februar 2016 - IX ZR 146/15, juris Rn. 13).</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>131 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="131"/>Dass die Beklagte durch Übernahme der Gewährträgerschaft nur den auf ihrem Gemeindegebiet stattfindenden Klinikbetrieb begünstigen und die dort tätigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Genuss einer zusätzlichen Altersversorgung bringen wollte, lag und liegt schon aufgrund der zweifelsfrei erkennbaren Interessenlage auf der Hand. Dies ergab sich schon aus der Begrenzung auf den gemeindlichen Wirkungskreis gemäß § 2 GemO a.F. Aber auch unabhängig von diesem Gesichtspunkt konnte schon seinerzeit kein Zweifel daran bestehen, dass die Beklagte durch die Haftungsübernahme gemeindeansässige Unternehmen und dessen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer fördern wollte. Offensichtlich bestand kein Anlass und wohl auch keine Befugnis, dies auf Unternehmungen außerhalb des Gemeindegebiets zu erstrecken.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>132 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="132"/>Allein zweifelhaft ist deshalb, ob dies bloßes Motiv der Verpflichtungserklärung blieb oder deren Inhalt wurde. Da seinerzeit überhaupt nur der Klinikstandort in R. vorhanden war, bestand kein Anlass und keine Notwendigkeit, eine entsprechende Beschränkung klar zu formulieren. Allerdings kam nach Ansicht des Senats die Beschränkung dadurch hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass die örtliche Belegenheit in R. nicht nur als Namensbestandteil und Sitz der Kurklinik im Text der Verpflichtungserklärung auftaucht, sondern zudem der Betreff lautet:</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>133 </td></tr></table></td><td><table style="margin-left:3pt"><tr><td><rd nr="133"/><em>„Übernahme der Gewährträgerschaft ... für die Kurklinik R., R.-Bau GmbH u. Co. KG </em><em><span style="text-decoration:underline">in R.</span></em><em>“.</em></td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>134 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="134"/>Damit wurde die örtliche Begrenzung mit hinreichender Deutlichkeit zum Inhalt der Verpflichtungserklärung.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>135 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="135"/>Da die örtliche Begrenzung als Vertragsinhalt für den Kläger erkennbar war, führt diese Auslegung nicht zu unzuträglicher Rechtsunsicherheit für die Träger der Altersversorgung des öffentlichen Dienstes. Vielmehr konnte der Kläger zu seiner eigenen Absicherung der Kurklinik schon bei Beginn der Mitgliedschaft auferlegen, etwaige Ausweitungen ihres Standorts mitzuteilen, oder die Situation selbst insoweit zu beobachten. Bei einer Ausweitung stand es ihm frei, hieraus gegebenenfalls Konsequenzen zu ziehen, insbesondere von der Kurklinik zusätzliche Sicherheiten zu fordern.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>136 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="136"/>Einer solchen Auslegung stehen auch die in der mündlichen Verhandlung erörterten Abgrenzungsschwierigkeiten, die sich bei einer konkreten Bestimmung der von der Gewährträgerschaft umfassten Teile der Forderungen der Beklagten gegen die Kurklinik ergeben werden, nicht entgegen. Insoweit gilt im Ausgangspunkt, dass etwaige spätere Abwicklungsschwierigkeiten kein durchgreifendes Argument gegen eine gebotene Vertragsauslegung sein können, vielmehr die Abwicklung ungeachtet etwaiger Schwierigkeiten entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen zu erfolgen hat. Zudem kann bei der Bestimmung des somit von der Gewährträgerschaft umfassten Forderungsteils § 287 Abs. 2 ZPO herangezogen werden; als mögliche Schätzungsgrundlage kann die jahresweise Mitarbeiterzahl an den unterschiedlichen Standorten oder notfalls auch der jahresweise Umsatz an den unterschiedlichen Standorten dienen. Sofern Mitarbeiter entweder ihre Tätigkeit für mehrere Standorte der Kurklinik erbracht haben oder wechselnd an den unterschiedlichen Standorten, ergibt die Vertragsauslegung nach Ansicht des Senats, dass es darauf ankommt, an welchem Standort die Arbeitsleistung überwiegend erbracht wurde, wobei es selbstverständlich nicht auf die derzeitige Situation, sondern auf die Verhältnisse der versicherten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Kurklinik im zeitlichen Verlauf ankommt.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>137 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="137"/>Letzteres konnte, da dem Begehren der Beklagten inhaltlich entsprechend, ohne Verstoß gegen § 308 ZPO durch geringfügige inhaltliche Modifikation des Feststellungsausspruchs gegenüber dem Antrag klargestellt werden.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
<table width="100%"><tr><td style="text-align:center"><strong>III.</strong></td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>138 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="138"/>Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. In welchem Umfang die Gewährträgerschaft durch die Herausnahme der für die Klinikstandorte D. und Bad H. tätigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihren vom Kläger reklamierten wirtschaftlichen Wert einbüßt, lässt sich ohne weitere Ermittlungen nicht eingrenzen. Für die Kostenentscheidung geht der Senat davon aus, dass durch die erfolgreiche Hilfswiderklage nur noch von einem etwa hälftigen Prozesserfolg des Klägers ausgegangen werden kann.</td></tr></table>
<table><tr><td/></tr></table>
</td></tr><tr><td valign="top"><table><tr><td>139 </td></tr></table></td><td><table><tr><td><rd nr="139"/>Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 ZPO). Der Senat folgt bei seiner Entscheidung anerkannter höchstrichterlicher Rechtsprechung und wendet diese auf den Einzelfall an.</td></tr></table>
</td></tr></table> |
|
171,240 | ovgnrw-2019-01-17-4-e-77918 | {
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<p>Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 17.7.2018 wird dem Kläger für das Klageverfahren in erster Instanz Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt L.      aus F.       beigeordnet.</p>
<p>Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei. Außergerichtliche Kosten der Beteiligten werden nicht erstattet.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Gründe:</span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde hat Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Kläger kann nach den dargelegten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der erstinstanzlichen Prozessführung nicht aufbringen (vgl. § 166 VwGO i. V. m. § 115 ZPO). Die Rechtsverfolgung erscheint auch nicht mutwillig und bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Hinreichende Aussicht auf Erfolg bedeutet bei einer an Art. 3 Abs. 1 GG und an Art. 19 Abs. 4 GG orientierten Auslegung des Begriffs einerseits, dass Prozesskostenhilfe nicht erst und nur dann bewilligt werden darf, wenn der Erfolg der beabsichtigten Rechtsverfolgung gewiss ist, andererseits aber auch, dass Prozesskostenhilfe versagt werden darf, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist. Die Prüfung der Erfolgsaussichten eines Rechtsschutzbegehrens darf dabei nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsache-verfahrens treten zu lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den grundrechtlich garantierten Rechtsschutz nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen. Schwierige, bislang nicht hinreichend geklärte Rechts- und Tatsachenfragen dürfen nicht im Prozesskostenhilfeverfahren geklärt werden.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 13.3.1990 – 2 BvR 94/88 –, BVerfGE 81, 347 = juris, Rn. 26 ff., und vom 2.5.2016 – 2 BvR 1267/15 –, ZOV 2016, 86 = juris, Rn. 10.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Ausgehend davon ist es noch hinreichend wahrscheinlich, dass dem Kläger ein Anspruch auf Aufhebung des Bescheides vom 16.4.2018 zusteht.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">1. Erfolgsaussichten hat die Klage hinsichtlich der in dem Bescheid vom 16.4.2018 getroffenen Feststellung der Unzuverlässigkeit des Klägers. Der Bescheid ist ausdrücklich mit „Feststellung der bewachungsrechtlichen Unzuverlässigkeit“ überschrieben. Unter Ziffer 1 des verfügenden Teils des Bescheides wird – hervorgehoben durch Fettdruck – „mitgeteilt“, dass der Kläger „nicht die erforderliche Zuverlässigkeit für das Bewachungsgewerbe besitzt“. Eine Ermächtigungsgrundlage für diese Feststellung ist nicht erkennbar. Insbesondere ergibt sie sich nicht aus § 34a Abs. 1 Satz 4 Nr. 4 Buchstabe b), Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 und Satz 7 GewO. Danach darf ein Gewerbetreibender mit der Durchführung von Bewachungsaufgaben nur Personen (Wachpersonen) beschäftigen, die die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen, wobei sich die entsprechende Unzuverlässigkeit aus den in § 34a Abs. 1 Satz 4 GewO aufgezählten Regelbeispielen ergeben kann. Dass der Behörde eine eigenständige (Verwaltungsakt-)Befugnis zur bestandskraftfähigen Feststellung der Unzuverlässigkeit eingeräumt sein soll, kann diesen Vorschriften nicht entnommen werden. Vielmehr ist die Zuverlässigkeit bzw. Unzuverlässigkeit die tatbestandliche Voraussetzung für die gegenüber dem Gewerbetreibenden nach § 34a Abs. 1 Satz 3 GewO mögliche Versagung der Erlaubnis und die nach der Befugnisnorm des § 34a Abs. 4 GewO mögliche Untersagung der Beschäftigung einer Wachperson.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">2. Soweit der Kläger sich gegen die Untersagung seiner Beschäftigung in dem Bewachungsgewerbe gegenüber seinem ehemaligen Arbeitgeber wendet, bestehen noch hinreichende Erfolgsaussichten.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Das Verwaltungsgericht hat angenommen, der Kläger habe sich als unzuverlässig im Sinne von § 34a Abs. 1a Satz 7 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 4 Nr. 4 Buchstabe b) GewO erwiesen, weil er mit seit dem 25.12.2014 rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts E.          (111 Ds – 100 Js 2031/12 – 112/13) wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten auf Bewährung verurteilt worden sei. Dabei habe ausweislich der Strafakte die konkrete Tatbegehung den Schluss zugelassen, dass der Kläger als gewaltbereit und -geneigt einzustufen sei. Auch das nachträgliche Verleugnen seiner Bekanntschaft mit dem Opfer und die Mitteilung gegenüber der Polizei, keine Angaben zu seinem Aufenthalt während der Tat machen zu können, ließen auf ein hohes Maß an krimineller Energie und Uneinsichtigkeit schließen. Seine aktuelle strafrechtliche Unauffälligkeit sei nicht zuletzt der Bewährungszeit geschuldet. § 34a Abs. 1 Satz 4 Nr. 4 Buchstabe b) GewO komme im Rahmen einer zulässigen unechten Rückwirkung der Vorschrift zur Anwendung.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Dabei ist das Verwaltungsgericht im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass sich Ziffer 1 des angefochtenen Bescheides mit ausreichender Klarheit (auch) die Untersagung der weiteren Beschäftigung des Klägers entnehmen lässt.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Ob eine von einer Behörde abgegebene Erklärung eine Regelung im Sinne des § 35 VwVfG NRW enthält und welchen Inhalt diese hat, bestimmt sich nach den gemäß §§ 133, 157 BGB für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Maßstäben. Danach ist anhand der im öffentlichen Recht entsprechend anwendbaren Auslegungsregel des § 133 BGB nicht maßgeblich, was die Behörde bei ihrer Erklärung gedacht hat (innerer Wille), sondern wie der Bürger die Erklärung unter Berücksichtigung der ihm bekannten oder erkennbaren Umstände bei objektiver Auslegung verstehen musste.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Beschluss vom 24.7.2018 ‒ 6 B 75.17 ‒, juris, Rn. 8, und Urteil vom 27.6.2012 ‒ 9 C 7.11 ‒, BVerwGE 143, 222 = juris, Rn. 11, 18.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Danach musste der Arbeitgeber des Klägers als Bescheidadressat, zumal unter Berücksichtigung des vorausgegangenen, mittlerweile aufgehobenen Bescheides vom 7.12.2017, mit dem ihm die Beschäftigung des Klägers aufgrund seiner gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit „versagt“ worden war, die Regelung unter Ziffer 1 des angefochtenen Bescheides so verstehen, dass damit nicht nur die Unzuverlässigkeit des Klägers festgestellt, sondern zugleich auch seine Beschäftigung untersagt werden sollte. Dies geht aus der an die „Mitteilung“ der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit des Klägers anschließenden Formulierung, dass der Kläger „somit nicht mit Bewachungsaufgaben beschäftigt werden darf“, mit der gebotenen Klarheit hervor. Auch die Beteiligten gehen übereinstimmend von einem solchen Regelungsgehalt des angefochtenen Bescheides aus.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Zwar bestehen keine Bedenken wegen rückwirkender Gesetzgebung (dazu unter a), jedoch bedarf es angesichts der vorgelegten Bestätigung der Stadtkasse der Landeshauptstadt E.          vom 28.4.2016 einer weitergehenden Prüfung, ob eine Ausnahme von der nach § 34a Abs. 1 Satz 4 Nr. 4 GewO bei Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen folgenden Unzuverlässigkeit vorliegen könnte (dazu unter b).</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">a) Der Einwand des Klägers, § 34a Abs. 1 Satz 4 Nr. 4 Buchstabe b) GewO dürfe vorliegend nicht zur Anwendung kommen, weil es sonst zu einer unzulässigen Rückwirkung dieser erst Ende 2016 in Kraft getretenen Vorschrift komme, greift nicht durch.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">§ 34a Abs. 1 Satz 4 Nr. 4 Buchstabe b) GewO ist hier gemäß § 34a Abs. 1a Satz 7 GewO entsprechend anwendbar. Die tatbestandlichen Voraussetzungen sind gegeben. Der Kläger wurde in den letzten fünf Jahren vor der Meldung seiner Beschäftigung (vgl. § 9 Abs. 2 Satz 1 BewachV) wegen Vollendung einer der im Gesetz aufgeführten Straftaten, hier: wegen vorsätzlicher Körperverletzung, zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, wobei seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung fünf Jahre noch nicht verstrichen sind. Er wurde durch das seit dem 25.12.2014 rechtskräftige Urteil des Amtsgerichts E.          (111 Ds -100 Js 2031/12 - 112/13) wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die genannte Frist von fünf Jahren ist noch nicht abgelaufen, sie endet erst am 25.12.2019.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Der Anwendbarkeit dieser Vorschrift im vorliegenden Fall steht nicht entgegen, dass sie insoweit unechte Rückwirkung entfaltet. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese sind offensichtlich nicht gerechtfertigt.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Eine Norm entfaltet unechte Rückwirkung, wenn ihre belastenden Rechtsfolgen erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerfG, Beschluss vom 2.5.2012 ‒ 2 BvL 5/10 ‒, BVerfGE 131, 20 = juris, Rn. 66.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">So liegt der Fall hier: § 34a Abs. 1 Satz 4 GewO bestimmt Regelbeispiele für die Unzuverlässigkeit im Bewachungsgewerbe, die nicht nur für Gewerbetreibende, sondern gemäß § 34a Abs. 1a Satz 1 Nr. 1, Satz 7 GewO auch für deren Personal gelten. Die Vorschrift ist durch das Gesetz zur Änderung bewachungsrechtlicher Vorschriften vom 4.11.2016 (BGBl. I S. 2456) ohne Übergangsregelung (vgl. §§ 156 ff. GewO) in die Gewerbeordnung eingefügt worden und am 1.12.2016 in Kraft getreten (vgl. Art. 3 Abs. 3 des Gesetzes vom 4.11.2016). Die Regelbeispiele gelten für mit der Durchführung von Bewachungsaufgaben beschäftige Personen (Wachpersonen, vgl. § 34a Abs. 1a Satz 1 GewO nunmehr in der Fassung des Gesetzes vom 29.11.2018, BGBl. I S. 2666) ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt des Beginns des Beschäftigungsverhältnisses und mithin auch für solche Wachpersonen, deren Beschäftigungsverhältnis – wie das des Klägers – bereits vor dem 1.12.2016 begonnen hat. Insoweit entfaltet § 34a Abs. 1 Satz 4 in Verbindung mit Abs. 1a Satz 1 Nr. 1, Satz 7 GewO unechte Rückwirkung.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Eine solche ist verfassungsrechtlich – namentlich mit Rücksicht auf die Grundsätze grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes – zulässig, wenn sie zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet sowie erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht sowie der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerfG, Beschluss vom 2.5.2012 ‒ 2 BvL 5/10 ‒, BVerfGE 131, 20 = juris, Rn. 73 f.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Schon das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass der Kläger nicht darauf vertrauen konnte, trotz seiner Vorstrafe im Bewachungsgewerbe beschäftigt sein zu dürfen. Bereits nach der vor dem 1.12.2016 geltenden Rechtslage mussten mit der Durchführung von Bewachungsaufgaben beschäftigte Personen gemäß § 34a Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewO a. F. zuverlässig sein. Die Zuverlässigkeit war insbesondere in Frage gestellt, wenn der Betreffende wegen eines Verbrechens oder eines Vergehens verurteilt oder wegen einer Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld belegt worden war. Mit Blick auf Sinn und Zweck des § 34a GewO a. F. waren dabei insbesondere vermögensbezogene Straftaten sowie Straftaten gegen das Leben und die körperliche Unversehrtheit einschlägig, die befürchten ließen, dass der die Bewachungsaufgaben Wahrnehmende an den zu bewachenden Gegenständen Eigentumsdelikte begehen könnte oder in sonstiger Weise die Rechte des Auftraggebers, seines Bewachungsunternehmens oder Dritter verletzt.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28.2.2011 ‒ 4 E 872/10 ‒, juris, Rn. 2 ff., m. w. N.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Durch den am 1.12.2016 in Kraft getretenen § 34a Abs. 1 Satz 4 GewO sind Regelbeispiele für die Unzuverlässigkeit eingeführt worden, die den zuständigen Behörden die Entscheidung im Einzelfall erleichtern sollen.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung bewachungsrechtlicher Vorschriften, BT-Drs. 18/8558, S. 15.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Das hier in Rede stehende Regelbeispiel fehlender Zuverlässigkeit bei einer Vorstrafe wegen vorsätzlicher Körperverletzung gemäß § 34a Abs. 1 Satz 4 Nr. 4 Buchstabe b) GewO entspricht im Kern den vorstehend wiedergegebenen Grundsätzen unter der Geltung des § 34a GewO a. F. Für den Kläger und vergleichbar Betroffene hat sich insoweit durch die Gesetzesänderung materiell-rechtlich in der Sache im Wesentlichen nichts geändert.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Im Übrigen überwiegt bei einer Gesamtabwägung der gesetzliche Zweck des § 34a Abs. 1 Satz 4 Nr. 4 Buchstabe b) GewO gegenüber dem Interesse einschlägig vorbestrafter Wachpersonen an einer (Weiter-)Beschäftigung. Der Ausschluss von Personen mit bestimmten Vorstrafen vom Bewachungsgewerbe dient der Abwehr von Gefahren für die Allgemeinheit und hochrangige individuelle Rechtsgüter. Gegenstand des Gewerbes ist die Bewachung von Leben oder Eigentum fremder Personen. Bei Ausübung des Gewerbes bzw. bei der Beschäftigung mit Bewachungsaufgaben eröffnen sich in besonderer Weise Zugriffsmöglichkeiten auf Rechtsgüter Dritter, insbesondere auf fremdes Eigentum, sowie das Risiko gewaltsamer Konflikte. Personen, die Bewachungsaufgaben wahrnehmen, müssen deshalb die Gewähr dafür bieten, dass sie diese Zugriffsmöglichkeiten nicht in rechtswidriger Weise missbrauchen und dass sie zu einer möglichst gewaltfreien Konfliktbewältigung fähig sind. Um dies sicherzustellen, durfte der Gesetzgeber typisierend davon ausgehen, dass einschlägig vorbestrafte Personen diese Gewähr regelmäßig nicht bieten, wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung fünf Jahre noch nicht verstrichen sind. Das gilt jedenfalls für eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe wegen vorsätzlicher Körperverletzung, worauf es vorliegend allein ankommt. Die mit der Regelung verfolgten Ziele des Gemeinwohls wiegen schwerer als das Interesse des unzuverlässigen Bewachungspersonals an einer weiteren Beschäftigung. Dabei fällt auf Seiten des öffentlichen Interesses an der gesetzlichen Regelung zusätzlich ins Gewicht, dass eine Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs der (Un-)Zuverlässigkeit durch Regelbeispiele zugleich der Vereinheitlichung und Vereinfachung des Gesetzesvollzugs dienlich ist. Auf der anderen Seite hält die gesetzliche Regelbeispieltechnik im Interesse der Betroffenen die Möglichkeit offen, dass trotz Vorliegens der Voraussetzungen des Regelbeispiels aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls ausnahmsweise gleichwohl eine positive Zuverlässigkeitsprognose gerechtfertigt sein kann.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Aus den genannten Gründen ist auch die Fünfjahresfrist in § 34a Abs. 1 Satz 4 Nr. 4 GewO nicht zu beanstanden. Sie orientiert sich an der schon zuvor geltenden kürzesten Tilgungsfrist des § 46 Abs. 1 BZRG. Solange Straftaten aus dem Register nicht getilgt oder zu tilgen sind, dürfen sowohl die Tat als auch die Verurteilung der betroffenen Person im Rechtsverkehr noch vorgehalten und zu ihrem Nachteil verwertet werden (§ 51 Abs. 1 BZRG). Dementsprechend ist auch die Rechtsprechung zu § 34a GewO a. F. davon ausgegangen, dass die einer Verurteilung zugrundeliegenden Sachverhaltsfeststellungen solange verwertet werden dürfen, wie die Tilgungsfristen noch nicht abgelaufen sind.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28.2.2011 ‒ 4 E 872/10 ‒, juris, Rn. 11 f.; BVerwG, Beschluss vom 26.2.1997 ‒ 1 B 34.97 ‒, GewArch 1997, 242 = juris, Rn. 11, letzterer zu den Tilgungsfristen der GewO.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Mithin hat sich die Rechtslage für betroffenes Bewachungspersonal auch insoweit nur unwesentlich verändert. Dessen ungeachtet überwiegen auch hier die genannten Gründe des Gemeinwohls regelmäßig einen Beschäftigungsschutz der Wachpersonen.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Das Beschwerdevorbringen des Klägers zu einer anderweitigen Fristberechnung greift deshalb nicht durch. Soweit er auf die alte Rechtslage verweist, hat im Übrigen bereits das Verwaltungsgericht die den Kläger begünstigende Wirkung der neuen Fünfjahresfrist hervorgehoben. Unter Berücksichtigung der Tilgungsfristen des Bundeszentralregistergesetzes hätte ihm die Straftat grundsätzlich zehn Jahre lang vorgehalten werden können. Die Tilgungsfrist für eine Freiheitsstrafe von acht Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist, beträgt nach § 46 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b) BZRG zehn Jahre.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Entgegen seiner Einschätzung konnte der Kläger auch aus dem Verhalten der Beklagten kein schutzwürdiges Vertrauen auf eine Zulässigkeit seiner Beschäftigung ableiten. Sein Verweis auf eine ihm im Jahr 2014 für eine selbständige Tätigkeit im Sicherungsgewerbe erteilte Erlaubnis greift bereits deshalb nicht durch, weil die Beklagte das Führungszeugnis mit der dort ausgewiesenen rechtskräftigen Verurteilung erst später, nämlich am 30.11.2015, und mithin jedenfalls nicht vor diesem Zeitpunkt Kenntnis von den die Unzuverlässigkeit begründenden Umständen erhalten hat. Aber auch die noch unter dem 22.2.2016 seinem Arbeitgeber erteilte Bestätigung zur Beschäftigung im Bewachungsgewerbe vermochte kein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers begründen.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">b) Hinreichende Erfolgsaussichten sind jedoch deshalb nicht mit der notwendigen Sicherheit auszuschließen, weil im Bescheid der Beklagten vom 16.4.2018 eine mögliche Ausnahme von der im Regelfall gegebenen Unzuverlässigkeit nach § 34a Abs. 1 Satz 4 GewO nicht geprüft worden ist, obwohl hierzu im Einzelfall besonderer Anlass bestand.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Nach § 34 Abs. 1 Satz 4 in Verbindung mit Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 und Satz 7 GewO liegt die erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel nicht vor, wenn die Wachperson eines der Regelbeispiele der Nummern 1 bis 4 erfüllt. Damit lässt die Vorschrift die Möglichkeit offen, die Wachperson wegen besonderer Umstände noch als zuverlässig anzusehen, obwohl sie wegen der genannten Straftaten rechtskräftig verurteilt worden ist. Wann eine derartige Ausnahme vorliegt, hängt von den Umständen des einzelnen Falles ab.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Vgl. Marcks: in Landmann-Rohmer, Gewerbeordnung, Band I, Stand: Juni 2018, § 34a Rn. 24; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 1.11.2018 ‒ 1 M 102/18 ‒, juris, Rn. 10, 18.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Entsprechender Anlass für eine Einzelfallprüfung hätte vorliegend bestanden. Der Kläger hat bereits im Verwaltungsverfahren eine Bestätigung der Stadtkasse der Landeshauptstadt E.          vom 28.4.2016 vorgelegt. Danach habe er sich seit Beginn seiner Tätigkeit im Oktober 2014 als zuverlässige und vertrauensvolle Sicherheitskraft erwiesen. Er verrichte seinen Dienst mit Zurückhaltung und sorge bei den teilweise traumatisierten Flüchtlingen für eine ruhige und angstfreie Stimmung. In schwierigen Situationen habe er eine klare Ansprache und sorge innerhalb kurzer Zeit für Ruhe und Ordnung. Ob und gegebenenfalls inwieweit diese Einschätzung des Leiters der Stadtkasse die seitens der Beklagten aus der konkreten Tatbegehung geschlossene Gewaltbereitschaft und -neigung zu relativieren vermag, ist in dem angefochtenen Bescheid nicht erwogen. Insoweit wäre insbesondere eine Anfrage bei den ehemaligen Arbeitgebern des Klägers angezeigt, um das Verhalten des Klägers nach der Tat hinreichend daraufhin beurteilen zu können, ob er trotz der einschlägigen Verurteilung dennoch als zuverlässig angesehen werden kann. Dies gilt hier umso mehr, weil mittlerweile schon über vier Jahre seit der Rechtskraft verstrichen sind und der Kläger in dieser Zeit zumindest zeitweise als Wachperson tatsächlich tätig war. Vor einer entsprechenden Sachverhaltsaufklärung lässt sich auch nicht ausreichend verlässlich beurteilen, ob das positive Verhalten des Klägers nach seiner Straftat vor allem der Bewährungszeit geschuldet war und deshalb seine Zuverlässigkeit nicht zu belegen vermag. Die Frage, inwieweit die Begehung einer die Unzuverlässigkeit begründenden Straftat die Einschätzung trägt, der Gewerbetreibende werde sich auch in Zukunft nicht ordnungsgemäß verhalten, lässt sich nicht allgemein, sondern nur unter Gesamtwürdigung der Umstände im jeweiligen Einzelfall beantworten. Dabei ist allerdings auch in Rechnung zu stellen, dass ein nachträgliches ordnungsgemäßes Verhalten des Betroffenen während eines laufenden Strafverfahrens oder Verwaltungs- bzw. Verwaltungsstreitverfahrens im allgemeinen wenig bedeutsam ist, weil das Wohlverhalten durch den Druck dieses Verfahrens bedingt sein kann.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">OVG NRW, Beschluss vom 25.7.2016 ‒ 4 B 519/16 ‒, juris, Rn. 14 f., m. w. N.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Gleiches gilt für die Zeit einer Bewährungsauflage, die auch nach dem Vorbringen des Klägers zur Überprüfung und Überwachung, ob ein Straftäter sich in einer Prognosezeit zuverlässig verhält und nicht mehr rückfällig wird, dient. Insoweit ist die erforderliche Aufklärung und Einzelfallprüfung allerdings dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Ihr Ergebnis darf im Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht vorweggenommen werden.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei (vgl. Nr. 5502 und Vorbemerkung 9 Abs. 1 des Kostenverzeichnisses zum GKG). Die Kostenentscheidung im Übrigen folgt aus § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).</p>
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171,239 | ovgnrw-2019-01-17-6-b-167418 | {
"id": 823,
"name": "Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen",
"slug": "ovgnrw",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 6 B 1674/18 | 2019-01-17T00:00:00 | 2019-01-29T12:50:26 | 2019-02-12T13:44:26 | Beschluss | ECLI:DE:OVGNRW:2019:0117.6B1674.18.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Beschwerde wird zurückgewiesen.</p>
<p>Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.</p>
<p>Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,00 Euro festgesetzt.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">G r ü n d e :</span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde hat keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Aus den in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründen, die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen hat, ergibt sich nicht, dass das Verwaltungsgericht dem erstinstanzlich gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hätte stattgegeben müssen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Das Verwaltungsgericht hat es mangels Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO) abgelehnt festzustellen, dass der Antragsteller vorläufig nicht verpflichtet ist, der Weisung der Bürgermeisterin vom 8. Mai 2018 Folge zu leisten, zukünftig nach Abschluss von Gesprächen Kommentierungen durch Mails und anderen Schriftverkehr zu unterlassen. Es lägen keine schweren und unzumutbaren Nachteile für den Antragsteller vor. Dieser sei allein in seiner Funktion als Amtsträger und nicht in seiner persönlichen Rechtsstellung betroffen. Ferner könne er auf Kritik oder Anregungen seines Dienstherrn seine Ansichten im persönlichen Gespräch oder einem Telefonat darlegen. Wie eine Beeinträchtigung der Rechtsstellung durch eine persönliche Kommunikation vorliegen solle, sei nicht ersichtlich. Insbesondere seien seit der Weisung mehrere Monate vergangen, ohne dass dem Antragsteller konkrete Nachteile erwachsen seien. Es liege auch - anders als etwa bei amtsärztlichen Untersuchungen - kein tiefgreifender Eingriff in persönliche Rechte vor. Disziplinarische Konsequenzen seien weder eingeleitet worden, noch drohten solche; im Übrigen seien Disziplinarmaßnahme nicht stets unzumutbar.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die mit der Beschwerde erhobenen Einwendungen greifen nicht durch. Der Antragsteller hat auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens nicht glaubhaft gemacht, dass ihm ohne die beantragte einstweilige Anordnung bei einem Abwarten der Hauptsacheentscheidung schwere und unzumutbare Nachteile drohen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Einwand der Antragstellers, seine persönliche Rechtsstellung sei durch die Beschränkung seines Remonstrationsrechts betroffen, trägt in mehrfacher Hinsicht nicht. Die Möglichkeit, bei (begründeten) Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit von dienstlichen Weisungen oder Anordnungen diese auch schriftlich geltend zu machen, wird von der Weisung vom 8. Mai 2018 - wie auch die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2018 ausdrücklich bestätigt - bereits nicht erfasst, die lediglich das Unterlassen von „Kommentierungen“ nach Abschluss von Gesprächen durch Mails und anderen Schriftverkehr betrifft. Unabhängig davon bliebe - unterstellt, die Weisung erfasste auch Remonstrationen - die mündliche Geltendmachung von Rechtmäßigkeitsbedenken in Bezug auf dienstliche Anordnungen weiterhin uneingeschränkt möglich. Anhaltspunkte für bei einem Abwarten der Hauptsacheentscheidung drohende schwere und unzumutbare Nachteile sind danach nicht ansatzweise ersichtlich, zumal sich der Beschwerde nichts Substantiiertes dafür entnehmen lässt, dass rechtswidrige Anordnungen im Raum stehen, die einer schriftlichen Remonstration bedürften.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Der Hinweis der Beschwerde auf ein im Falle der Nichtbefolgung der streitgegenständlichen Weisung möglicherweise drohendes Disziplinarverfahren trägt schon deswegen nicht, weil dem Antragsteller die Befolgung der Weisung bis zu einer Hauptsacheentscheidung ohne Weiteres möglich und zumutbar ist. Er trägt selbst vor, dass er diese selbstverständlich befolge, solange sie nicht aufgehoben sei oder ein Gericht etwas anderes entscheide.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der ferner geltend gemachte Umstand, dass weitere Personalgespräche (am 31. August 2018, 30. Oktober 2018, 19. November 2018 und 22. November 2018) geführt worden seien, zu denen der Antragsteller „gerne schriftlich Stellung genommen hätte“, führt ebenfalls nicht weiter. Es ist bereits nicht erkennbar, weshalb das (zeitweise) Zurückstellen dieses Wunsches einen schweren und unzumutbaren Nachteil begründen soll. Dies gilt insbesondere auch, weil der Antragsteller mögliche Einwände oder die Darstellung seiner Sichtweise ebenso gut in den Gesprächen selbst hätte vorbringen können und ihm mündliche Stellungnahmen nach wie vor möglich sind.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Nichts anderes folgt aus dem Einwand der Beschwerde, gegen den Antragsteller sei ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden mit dem Vorwurf, er habe in persönlichen Gesprächen erteilte Weisungen nicht befolgt; zu diesen Gesprächen existierten interne Vermerke der Bürgermeisterin. Es bleibt dem Antragsteller unbenommen, selbst ebenfalls zum Beleg seiner Sichtweise Gesprächsverläufe schriftlich zu dokumentieren und diese ggf. auch in eventuellen Disziplinarverfahren vorzulegen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Welche schweren und unzumutbaren Nachteile gerade darin liegen sollen, dass der Antragsteller solche Aufzeichnungen nicht zusätzlich per Mail oder in sonstiger schriftlicher Form an andere Mitarbeiter oder Vorgesetzte übermittelt, lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).</p>
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171,238 | ovgnrw-2019-01-17-10-a-307617 | {
"id": 823,
"name": "Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen",
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"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
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} | 10 A 3076/17 | 2019-01-17T00:00:00 | 2019-01-29T12:50:26 | 2019-02-12T13:44:26 | Beschluss | ECLI:DE:OVGNRW:2019:0117.10A3076.17.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Der Antrag wird abgelehnt.</p>
<p>Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.</p>
<p>Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt.</p><br style="clear:both">
<h1><span style="text-decoration:underline">Gründe:</span></h1>
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Der Antrag ist jedenfalls unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Aus den innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegten Gründen ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) oder ein der Beurteilung des Senats unterliegender Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts beruhen kann (Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Stützt der Rechtsmittelführer seinen Zulassungsantrag auf den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzen. Dabei muss er den tragenden Rechtssatz oder die Feststellungen tatsächlicher Art, die er mit seinem Antrag angreifen will, bezeichnen und mit schlüssigen Gegenargumenten infrage stellen. Daran fehlt es hier.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Das Verwaltungsgericht hat die Klage des Klägers mit dem Antrag, den Beklagten zu verpflichten, die in Blatt 02015/2014 des Baulastverzeichnisses zulasten des Flurstücks Gemarkung B., Flur 4, Flurstück 1328 und zugunsten des Flurstücks 1327 eingetragene Zuwegungsbaulast zu löschen, abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf vollständige Löschung der Baulast. Ein Verzicht auf die Baulast sei zu erklären, wenn ein öffentliches Interesse an der Baulast nicht mehr bestehe. Dies sei hier nicht der Fall. Die Baulast diene dazu, der Feuerwehr einen notwendigen Zugang zu verschaffen. Nach § 17 Abs. 3 Satz 1 BauO NRW a. F. (siehe jetzt § 33 Abs. 2 Satz 1 BauO NRW) müssten für jede Nutzungseinheit in jedem Geschoss mit einem Aufenthaltsraum zwei Rettungswege vorhanden sein. Nach § 17 Abs. 3 Satz 2 BauO NRW a. F. (siehe jetzt § 33 Abs. 2 Satz 2 BauO NRW) könne der zweite Rettungsweg eine mit Rettungsgeräten der Feuerwehr erreichbare Stelle sein. Weise das Gebäude aufgrund seiner großen Tiefe zum Garten oder zum Hof hin ausgerichtete gefangene oder schwer erreichbare Nutzungseinheiten auf, würden Zugänge oder Zufahrten zu der Stelle erforderlich, an der die Rettungsgeräte eingesetzt werden müssten. Nach § 5 Abs. 1 BauO NRW sei von öffentlichen Verkehrsflächen ein gradliniger Zu- oder Durchgang für die Feuerwehr zur Vorderseite rückwärtiger Gebäude sowie zur Rückseite von Gebäuden zu schaffen, wenn eine Rettung von Menschen von der Gebäuderückseite aus erforderlich sei. Der Beklagte habe nachvollziehbar dargelegt, dass die Sicherung eines Zugangs für die Feuerwehr zum Hinterhaus C.-Straße 202 über das Flurstück 1328 jedenfalls in einer Breite von 1,25 m erforderlich sei, weil dieses über keine zur C.-Straße ausgerichtete Fenster verfüge. Es gebe keinen ungehinderten Zugang von der C.-Straße zum rückwärtigen Bereich des Hauses 202. Wegen des Grundstückszuschnitts könnten sowohl die Dachterrasse im ersten Obergeschoss als auch die Fenster im obersten Geschoss des Hauses von der Feuerwehr nur von dem Flurstück 1328 aus erreicht werden.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Dem hält der Kläger ohne Erfolg entgegen, dass bei einem Verzicht auf die Baulast keine baurechtswidrigen Zustände geschaffen würden. Bis zu den von ihm durchgeführten Umbaumaßnahmen sei das Hinterhaus auf dem Grundstück C.-Straße 202 zu keinem Zeitpunkt von irgendeiner Straße aus unmittelbar erreichbar gewesen. Die Zugangsmöglichkeiten zum Hinterhaus hätten sich also durch die Umbaumaßnahmen verbessert, sodass im Zusammenhang mit der Grundstücksteilung die Eintragung einer Zuwegungsbaulast nicht hätte verlangt werden dürfen, zumal § 5 Abs. 1 BauO NRW nicht für bereits bestehende Gebäude gelte. Eine Rettung von Personen aus dem Hinterhaus sei im Übrigen auch vom Nachbargebäude her über dessen Dachterrasse im ersten Obergeschoss möglich.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Kläger stellt mit seinem Vortrag die Erforderlichkeit eines zweiten Rettungsweges nicht in Frage. Ungeachtet dessen, wie sich die bauliche Situation im Hinblick auf einen zweiten Rettungsweg vor den Umbaumaßnahmen dargestellt hat und inwieweit diese frühere bauliche Situation genehmigt war, kann die Einhaltung der geltenden brandschutzrechtlichen Vorschriften vom Kläger aktuell verlangt werden.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Vgl. in diesem Zusammenhang OVG NRW, Urteile vom 25. August 2010 – 7 A 749/09 –, juris, Rn. 35 ff., vom 22. Februar 2010 – 7 A 1235/08 –, juris, Rn. 27 ff., und vom 28. August 2001 – 10 A 3051/99 –, juris, Rn. 12 ff.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Auch die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Dachterrasse im Obergeschoss beziehungsweise die Fenster im obersten Geschoss des Hinterhauses als mit Rettungsgeräten der Feuerwehr erreichbare Stellen hier den zweiten Rettungsweg darstellten und ein gradliniger Zugang zu der Dachterrasse und den Fenstern des Hinterhauses nur über das Flurstück 1328 führe, zieht der Kläger nicht in Zweifel. Insbesondere stellt der vom Kläger benannte mögliche Rettungsweg über die Dachterrasse des Nachbarhauses keinen gradlinigen Zugang für die Feuerwehr dar. Der Erforderlichkeit der Zuwegungsbaulast lässt sich schließlich auch nicht entgegenhalten, dass nach Auskunft der Feuerwehr diese im Brandfall das Flurstück 1328 auch ohne die Zustimmung des Grundstückseigentümers und ohne die Eintragung einer entsprechenden Zuwegungsbaulast benutzen würde. Die Eintragung der Zuwegungsbaulast dient nämlich nicht dazu, der Feuerwehr ein Betretungsrecht zu verschaffen, sondern allein der Freihaltung der Zuwegung von baulichen Anlagen zur Sicherung des zweiten Rettungsweges durch Rettungsgeräte der Feuerwehr.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Ein der Beurteilung des Senats unterliegender Verfahrensmangel, auf dem das angegriffene Urteil beruhen kann, liegt nicht vor. Der Kläger rügt insoweit, das Verwaltungsgericht habe hinsichtlich der baulichen Situation vor den von ihm durchgeführten Umbaumaßnahmen einen falschen Sachverhalt zugrunde gelegt beziehungsweise den Sachverhalt insoweit nicht vollständig aufgeklärt. Aus dem Vorstehenden ergibt sich jedoch, dass es auf die bauliche Situation des Hinterhauses vor den Umbaumaßnahmen, auch soweit sie das früher vorhandene Tor zwischen den Gebäuden C.‑Straße 202 und 204 betraf, nicht entscheidend ankommt und sich dem Verwaltungsgericht eine weitergehende Sachverhaltsaufklärung insoweit auch nicht etwa hätte aufdrängen müssen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 40, 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2 GKG.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Sätze 1 und 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags ist das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).</p>
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171,237 | vg-koln-2019-01-17-18-l-278218 | {
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"name": "Verwaltungsgericht Köln",
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} | 18 L 2782/18 | 2019-01-17T00:00:00 | 2019-01-29T12:50:25 | 2019-02-12T13:44:26 | Beschluss | ECLI:DE:VGK:2019:0117.18L2782.18.00 | <h2>Tenor</h2>
<ul class="ol"><li><p>1. Die aufschiebende Wirkung der Klage (Az. 18 K 8082/18) gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 26.11.2018 wird hinsichtlich der damit erfolgten Rücknahme der Zulassung wiederhergestellt und hinsichtlich der Androhung der Ersatzvornahme angeordnet.Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.</p>
</li>
<li><p>2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 1.250,- Euro festgesetzt.</p>
</li>
</ul><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong>Gründe</strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der sinngemäße Antrag,</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">die aufschiebende Wirkung der Klage (Az. 18 K 8082/18) gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 26.11.2018 wiederherzustellen bzw. anzuordnen,</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">hat Erfolg. Er ist zulässig und begründet.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">I. Gemäß § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 2 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung einer Klage gegen einen Verwaltungsakt in den Fällen wiederherstellen, in denen – wie hier – die Behörde die sofortige Vollziehung des Verwaltungsakts nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO angeordnet und damit den der Klage normalerweise zukommenden Suspensiveffekt beseitigt hat. Die gerichtliche Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO hängt von einer Abwägung der widerstreitenden Interessen an der Suspendierung der angefochtenen Maßnahme einerseits und der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits ab. Bei der Abwägung sind die Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Ergibt die im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotene summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass der mit sofortiger Vollziehungsanordnung versehene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist, überwiegt das private Interesse des Antragstellers. Dagegen überwiegt in der Regel das öffentliche Vollzugsinteresse, wenn sich der Verwaltungsakt als rechtmäßig erweist und zusätzlich ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes besteht.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe überwiegt vorliegend das Aussetzungsinteresse des Antragstellers, denn der streitgegenständliche Bescheid ist offensichtlich rechtswidrig. Der Antragsgegner konnte seine Verfügung nicht rechtmäßigerweise auf § 48 VwVfG NRW stützen, da für den vorliegenden Fall § 5 FZV die speziellere Vorschrift darstellt. Diese Vorschrift verdrängt die Ermächtigungsnormen des allgemeinen Polizeirechts sowie die Bestimmungen der §§ 48, 49 VwVfG NRW für Maßnahmen der Gefahrenabwehr in Fällen, in denen sich ein Fahrzeug als nicht vorschriftsmäßig erweist,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">vgl. VG Aachen, Beschluss vom 02.10.2012 – 2 L 426/12 –, juris Rn. 7 sowie zur Vorgängervorschrift des § 17 StVZO BVerwG, Beschluss vom 21.12.1993 – 11 B 44/93 –, juris Rn. 3; OVG NRW, Beschluss vom 12.08.1998 – 25 B 3118/97 –, juris Rnrn. 3 ff; Hessischer VGH, Beschluss vom 25.10.2001 – 2 TZ 1848/01 –, juris Rn. 4; Rebler, SVR 2010, 453 (460).</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Nach § 5 FZV kann die nach Landesrecht zuständige Behörde (Zulassungsbehörde) dem Eigentümer oder Halter nämlich eine angemessene Frist zur Beseitigung der Mängel setzen oder den Betrieb des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen beschränken oder untersagen, wenn sich ein Fahrzeug als nicht vorschriftsmäßig nach der FZV oder der StVZO erweist. Ist der Betrieb eines Fahrzeugs, für das ein Kennzeichen zugeteilt ist, untersagt, hat der Eigentümer oder Halter das Fahrzeug unverzüglich nach Maßgabe des § 14 FZV außer Betrieb setzen zu lassen oder der Zulassungsbehörde nachzuweisen, dass die Gründe für die Beschränkung oder Untersagung des Betriebs nicht oder nicht mehr vorliegen, § 5 Abs. 2 FZV. Die Außerbetriebsetzung führt zum Wegfall der Zulassung. Auch wenn die Betriebsuntersagung die Zulassung nicht unmittelbar beseitigt, hat sie über die Außerbetriebsetzung die Beseitigung der Zulassung zur Folge,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">vgl. zum Vorstehenden VG Aachen, Beschluss vom 02.10.2012 – 2 L 426/12 –, juris Rn. 7.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Damit handelt es sich bei einer Rücknahme der Zulassung nach § 48 VwVfG NRW insoweit auch nicht um einen stärkeren Eingriff. § 5 FZV unterscheidet zudem auf Tatbestandsseite nicht danach, zu welchem Zeitpunkt die fehlende Vorschriftsmäßigkeit eingetreten ist und ist damit auch auf die Fälle anwendbar, in denen die mangelnde Vorschriftsmäßigkeit bereits bei der Zulassung der Fahrzeugs vorlag.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">vgl. Führ/Below, ZUR 2018, 259 (265).</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Spezialität des § 5 FZV ergibt sich zudem daraus, dass die Anforderungen für ein behördliches Einschreiten zum Zwecke einer effektiven Abwehr der sich aus der mangelnden Vorschriftsmäßigkeit eines Fahrzeuges ergebenden Gefahren herabgesetzt sind. Vertrauensschutzgesichtspunkte spielen hier, anders als bei § 48 VwVfG NRW, nur eine untergeordnete Rolle.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Vgl. dazu auch Hessischer VGH, Beschluss vom 25.10.2001 – 2 TZ 1848/01 –, juris Rn. 4.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Soweit § 48 VwVfG NRW auch eine Rücknahme des Verwaltungsaktes ganz oder teilweise mit Wirkung für die Vergangenheit gestattet und damit über den Anwendungsbereich des § 5 FZV hinausgehen mag, ist dies für den vorliegenden Fall irrelevant, da die Rücknahme frühestens mit fruchtlosem Fristablauf am 07.12.2018 – und damit in der Zukunft – eintreten sollte.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Verfügung des Antragsgegners begegnet im Weiteren auch deshalb Bedenken, weil eine Beseitigung der Zulassung durch bloßere Rücknahme mit der Regelungssystematik der FZV, die in diesem Zusammenhang formgebunden die (Ent-)Stempelung der Kennzeichenschilder sowie eine Eintragung in der Zulassungsbescheinigung Teil I vorsieht, nicht vereinbar ist.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Vgl. dazu auch Dauer, DAR 2012, 660 (662); VGH BW, Beschluss vom 09.01.2012 – 10 S 864/10 –, juris Rn. 13.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Eine Korrektur der streitgegenständlichen Verfügung im Wege der Umdeutung nach § 47 VwVfG NRW in eine Betriebsuntersagung nach § 5 Abs. 1 FZV kam ebenfalls nicht in Betracht. Die beiden Verwaltungsakte wären bereits nicht auf das gleiche Ziel gerichtet, denn der konkrete zeitliche Ablauf des Eintritts sowohl der Wirkungen der Betriebsuntersagung als auch des Entfallens der Zulassung wäre ein anderer. Des Weiteren wäre eine Umdeutung in eine Verfügung nach § 5 Abs. 1 FZV für den Antragsteller auch ungünstiger i.S.d § 47 Abs. 2 VwVfG NRW, da ein etwaig bestehender Ausgleichsanspruch nach § 48 Abs. 3 VwVfG NRW entfiele.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">II. Da die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Rücknahme der Zulassung wiederherzustellen war, war auch jene gegen die Androhung der Ersatzvornahme anzuordnen, weil die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 VwVG NRW nicht gegeben sind.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung der Ziffer 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks"><strong>Rechtsmittelbelehrung</strong></p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Statt in Schriftform kann die Einlegung der Beschwerde auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der  Frist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO  und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Die Beteiligten müssen sich bei der Einlegung und der Begründung der Beschwerde durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist schriftlich, zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO  und der ERVV bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.</p>
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} | 2 B 4/19 HGW | 2019-01-17T00:00:00 | 2019-01-29T12:49:48 | 2019-02-12T13:44:18 | Beschluss | <div id="dokument" class="documentscroll">
<a name="focuspoint"><!--BeginnDoc--></a><div id="bsentscheidung"><div>
<h4 class="doc">Tenor</h4>
<div><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p style="margin-left:36pt">1. Der Antrag wird abgelehnt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p style="margin-left:36pt">Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p style="margin-left:36pt">2. Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p style="margin-left:36pt">3. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.</p></dd>
</dl>
</div></div>
<h4 class="doc">Gründe</h4>
<div><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p style="margin-left:90pt">I.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_1">1</a></dt>
<dd><p>Der Antragsteller reiste am 02.12.2013 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 06.12.2013 einen Asylantrag. Mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 05.05.2017 wurde der Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Ebenso wurde festgestellt, dass Abschiebeverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorlägen. Der Antragsteller wurde zudem aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche zu verlassen. Für den Fall, dass er die Ausreisepflicht nicht einhalten würde, wurde ihm die Abschiebung in die Republik Senegal angedroht. Am 17.05.2017 erhob er vor dem Verwaltungsgericht Schwerin Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes (VG Schwerin - 15 A 2291/17 As SN). Die Entscheidung des Gerichts steht noch aus. Derzeit wird der Antragsteller wegen fehlender Reisedokumente geduldet.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_2">2</a></dt>
<dd><p>Mit Bescheid des Antragsgegners vom 07.07.2017 wurde der Antragsteller dazu aufgefordert, bis zum 08.08.2017 einen gültigen Pass oder Passersatz vorzulegen oder die Beantragung eines solchen Dokuments bei der senegalesischen Botschaft nachzuweisen. Nachdem der Antragsteller der Aufforderung nicht nachgekommen war, setzte der Antragsgegner mit Bescheid vom 27.11.2018 die räumliche Beschränkung der Duldung auf den Bezirk des Landkreises Vorpommern-Rügen fest und ordnete die sofortige Vollziehung dieser Verfügung an. Zur Begründung führte er aus, die räumliche Beschränkung des Aufenthalts eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers richte sich nach den Regelungen des § 61 Abs. 1 bis 1c AufenthG. Gemäß § 61 Abs. 1c S. 2 AufenthG solle die räumliche Beschränkung auf den Bezirk der Ausländerbehörde angeordnet werden, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführe oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfülle. Seit Ablauf der Ausreisefrist des Bescheides des Bundesamtes vom 05.05.2017 sei der Antragsteller vollziehbar ausreisepflichtig. Er könne jedoch nicht abgeschoben werden, da er keine gültigen Reisedokumente vorgelegt habe. Auch auf mehrfache Aufforderung hin habe er keine Identitätsdokumente vorgelegt oder Bemühungen zur Beschaffung solcher Dokumente vorgenommen. Gründe, aus denen ihm die Passbeschaffung unzumutbar seien könnte, seien nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen. Somit scheitere die Abschiebung daran, dass der Antragsteller zumutbare Anforderungen bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfülle. Daher solle die räumliche Beschränkung im Regelfall angeordnet werden. Atypische Umstände, warum die Anordnung unterbleiben müsste, seien nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen. Somit sei die räumliche Beschränkung auf den Landkreis Vorpommern-Rügen anzuordnen gewesen. Die in diesem Zusammenhang vorzunehmende Interessenabwägung der für den sofortigen Vollzug sprechenden Belange und der Interessen des Antragstellers falle zu Lasten des Antragstellers aus. Der Sofortvollzug sei geboten, um der Gefahr zu begegnen, dass er trotz der Vollziehbarkeit der Ausreiseverpflichtung den Nachweis des Besitzes eines Passes oder des Bemühens um einen solchen weiterhin nicht erbringen werde. Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Aufenthalt im Bundesgebiet ohne Pass straf- bzw. bußgeldbewehrt sei, ergebe sich ein überwiegend öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung. Auch seien keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass der Umstand des fehlenden Passes nicht in den Verantwortungsbereich des Antragstellers falle.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_3">3</a></dt>
<dd><p>Unter dem 20.12.2018 legte der Antragsteller hiergegen Widerspruch ein. Zur Begründung verwies der Antragsteller darauf, dass das Gerichtsverfahren vor dem Verwaltungsgericht nicht abgeschlossen sei und der Antragsgegner das Ergebnis des Rechtsstreites mit dem Bescheid vorweg nehme. Über den Widerspruch ist bislang nicht entscheiden worden.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_4">4</a></dt>
<dd><p>Der Antragsteller hat am 02.01.2019 den Eilantrag gestellt. Er trägt vor, die räumliche Beschränkung der Duldung auf den Bezirk des Landkreises Vorpommern-Rügen sei rechtswidrig und verletze ihn in seinen Rechten. Der Antragsgegner berücksichtige nicht, dass das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht noch nicht abgeschlossen sei. Mit dem Bescheid werde das Ergebnis des dortigen Rechtsstreits vorweg genommen. Er habe im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens darauf hingewiesen, dass er nicht Senegalese sondern Mauretanier sei. Insoweit sei nicht nachvollziehbar, weswegen von ihm verlangt werde, bei der senegalesischen Botschaft einen Pass zu beantragen. Da er nicht Senegalese sei, werde er dort einen Pass auch nicht erhalten. Einerseits solle der Aufenthalt auf den Landkreis Vorpommern-Rügen eingeschränkt werden, andererseits solle er bei der senegalesischen Botschaft vorsprechen. Sofern sein Aufenthalt beschränkt sei, könne er dort jedoch noch nicht einmal mehr vorsprechen. Dies ergebe sich aus der Natur der Sache, da die Republik Senegal im Landkreis Vorpommern-Rügen keine Botschaft unterhalte. Im Übrigen liege auch ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz sowie gegen die Menschenwürde vor, indem er auf den Bezirk des Landkreises Vorpommern-Rügen allein verwiesen werde. Eine Rechtsgrundlage hierfür sei nicht ersichtlich. Soweit der Antragsgegner sich auf §§ 61 Abs. 1 - 1c AufenthG berufe, so bleibe auszuführen, dass er auch diesbezüglich das Ergebnis des gesondert anhängigen Rechtsstreites in seinem Sinne vorwegnehmen würde. So unterstelle er vorsätzlich falsche Angaben durch Täuschung über die Identität oder der Staatsangehörigkeit.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_5">5</a></dt>
<dd><p>Der Antragsteller beantragt,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_6">6</a></dt>
<dd><p style="margin-left:36pt">die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 20.12.2018 gegen den Bescheid vom 27.11.2018 wiederherzustellen</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_7">7</a></dt>
<dd><p style="margin-left:36pt">und ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt B. aus A-Stadt zu gewähren.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_8">8</a></dt>
<dd><p>Der Antragsgegner beantragt,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_9">9</a></dt>
<dd><p style="margin-left:36pt">den Antrag abzulehnen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_10">10</a></dt>
<dd><p>Er trägt vor, die Anordnung sei offensichtlich rechtmäßig ergangen. Nach § 61 c Abs. 1c Satz 2 AufenthG solle die räumliche Beschränkung bei einem vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer angeordnet werden, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzliche falsche Angaben selbst herbeiführt oder durch eigene Täuschung herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt habe. Die gesetzlichen Maßgaben seien hier erfüllt. Der Antragsteller sei vollziehbar ausreisepflichtig. Seine Klage gegen den ablehnenden Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, mit dem der Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, habe gemäß § 75 Abs. 1 AsylG keine aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung der Klage trete ein, wenn diese sich gegen Entscheidungen gernäß § 38 AsylG, und § 73, § 73 und § 73 c AsylG richte. Diese Fälle lägen hier nicht vor. Einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gegen die Abschiebungsandrohung habe der Antragsteller nicht erhoben. Nach Mitteilung des Bundesamtes sei die Abschiebungsandrohung seit dem 13. August 2018 vollziehbar. Damit sei die Aufenthaltsgestattung gemäß § 67 Abs. 1 Nr. 4 AsylG erloschen. Der Antragsteller werde geduldet, da die erforderlichen Reisedokumente fehlten. Eine zumutbare Mitwirkung an der Beseitigung des Ausreisehindernisses sei nicht gegeben. Der mit Bescheid ergangenen Aufforderung zur Vorsprache bei der Botschaft der Republik Senegal sei er nicht nachgekommen. Die Passbeschaffung werde im Weiteren dadurch erschwert, dass nach den Feststellungen des Bundesamtes seine Angaben zur Identität und Staatsangehörigkeit nicht glaubhaft seien. Der Antragsteller unternehme auch weiterhin keine zumutbaren Anstrengungen zur Passbeschaffung. Ohne Passpapiere sei die Rückführung in den Senegal jedoch nicht möglich. Das Ausreisehindernis habe der Antragsteller zu vertreten, so dass die Voraussetzungen für eine Beschränkung des Aufenthalts gemäß § 61Abs. 1c Satz 2 AufenthG vorlägen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p style="margin-left:90pt">II.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_11">11</a></dt>
<dd><p>Der zulässige Antrag ist nicht begründet.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_12">12</a></dt>
<dd><p>Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung [VwGO] kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise wiederherstellen, wenn die aufschiebende Wirkung entfällt, weil die Behörde die sofortige Vollziehung angeordnet hat. Ist die Anordnung - wie im vorliegenden Fall - formal ordnungsgemäß erfolgt, hat dieser Antrag nur Erfolg, wenn im Einzelfall eine Interessenabwägung ergibt, dass das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsaktes überwiegt. Bei dieser Abwägung kommt der summarischen Überprüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids wesentliche Bedeutung zu. Ist die angegriffene Verfügung rechtmäßig, fehlt dem Antragsteller grundsätzlich ein schutzwürdiges Interesse, vom Vollzug dieser Verfügung einstweilen verschont zu werden. Andererseits besteht kein öffentliches Interesse am sofortigen Vollzug, wenn die (summarische) Prüfung ergibt, dass der angefochtene Bescheid rechtswidrig ist. Der hier angefochtene Bescheid vom 27.11.2018 ist nach der im Eilverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung offensichtlich rechtmäßig. Er findet seine Rechtsgrundlage in § 61 Abs. 1c Satz 2 AufenthG. Danach soll eine räumliche Beschränkung auf den Bezirk der Ausländerbehörde angeordnet werden, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt. Diese Norm stellt die Ausnahme von der Grundregel des § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG dar, wonach der Aufenthalt eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers räumlich auf das Gebiet des Landes beschränkt ist.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_13">13</a></dt>
<dd><p>Der Antragsteller ist seit Ablauf der Ausreisefrist des Bescheides des Bundesamtes vom 05.05.2017 vollziehbar ausreisepflichtig. Seine Klage gegen den die Ausreisepflicht begründenden Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 05.05.2017 hat gemäß § 75 Abs. 1 AsylG keine aufschiebende Wirkung. Er kann nicht abgeschoben werden, da er nicht im Besitz von gültigen Reisedokumenten ist. Er selbst hat zumindest zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt. Er hat auch auf mehrfache Aufforderung hin keine Identitätsdokumente vorgelegt oder Bemühungen zur Beschaffung solche Dokumente vorgenommen. Gründe wegen denen ihm die Passbeschaffung unzumutbar sind, sind weder ersichtlich noch vorgetragen. Es spricht alles dafür, dass er auch dafür verantwortlich ist, dass er nicht mehr im Besitz von Ausweispapieren ist. Unerheblich ist insoweit, ob der Antragsteller senegalesischer oder mauretanischer Staatsangehöriger ist. Ihm selbst ist seine Staatsangehörigkeit bekannt. Dementsprechend war er ursprünglich auch in der Lage das Abschiebehindernis der fehlenden Ausweisdokumente zu beseitigen und sich die Ausweispapiere bei dem zuständigen Land bzw. der zuständigen Botschaft zu besorgen. Dass er nunmehr verpflichtet ist, sich zur senegalesischen Botschaft zu begeben, ist nicht zu bestanden. Diese Verpflichtung ergibt sich aus dem bestandskräftigen Bescheid des Antragsgegners vom 17.07.2017. Aufgrund der Bestandskraft des Bescheides kommt es auf die Rechtmäßigkeit der Verpflichtung nicht an. Es war dem Antragsteller unbenommen, diesen Bescheid wegen der von ihm behaupteten mauretanischen Staatsbürgerschaft anzufechten. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass es für den Antragsteller unzumutbar ist, bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen mitzuwirken. Dass das Asylverfahren vor dem Verwaltungsgericht noch nicht abgeschlossen ist, ist ohne Relevanz für die Beschränkung der Duldung. Mit dem Bescheid wird keineswegs das Ergebnis des dortigen Rechtsstreits vorweg genommen, sondern lediglich die für den Fall der vom Ausländer zu vertretenen Abschiebungshindernisse die dafür vorgesehene gesetzliche Regelung anzuwenden. Vom Antragsteller wird durch den Antragsgegner auch nichts Unmögliches verlangt. Soweit er sich zur Beschaffung des Ausweises außerhalb des Landkreises begeben muss, steht die räumliche Beschränkung dem nicht entgegen, da insoweit eine Verlassens-erlaubnis erteilt werden kann.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_14">14</a></dt>
<dd><p>Inwiefern ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz sowie gegen die Menschenwürde vorliegt, indem der Antragsteller auf den Bezirk des Landkreises Vorpommern-Rügen allein verwiesen werde, ist für das Gericht nicht ersichtlich. Dies ist Folge der gesetzlichen Regelung. Anhaltspunkte für eine Verfassungswidrigkeit der Norm hat das Gericht nicht.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_15">15</a></dt>
<dd><p>Die Entscheidung ist auch ermessensfehlerfrei. Zutreffend ist der Antragsgegner davon ausgegangen, dass die räumliche Beschränkung im Regelfall angeordnet werden soll und lediglich bei Vorliegen atypischer Umstände die Anordnung unterbleiben muss. Das Nichtvorliegen solcher Umstände hat der Antragsgegner fehlerfrei geprüft.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_16">16</a></dt>
<dd><p>Wenn die summarische Überprüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids nicht zu einer Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage führt, weil der Verwaltungsakt erkennbar rechtmäßig ist, ist der Antrag abzulehnen, wenn auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung ordnungsgemäß erfolgt ist. Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen des § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO - wenn also die Behörde die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten angeordnet hat - das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Es bedarf einer konkreten und substantiierten Darstellung der wesentlichen Erwägungen, aus denen sich aus der Sicht der Behörde ergibt, dass im vorliegenden Fall ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung besteht und dass das Interesse des Betroffenen, von der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts vorerst verschont zu bleiben, hinter diesem öffentlichen Interesse zurückzutreten hat. Das Erfordernis einer schlüssigen, konkreten und substantiierten Darlegung der wesentlichen Erwägungen, warum aus Sicht der Behörde gerade im vorliegenden Einzelfall ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung gegeben ist und das Interesse des Betroffenen am Bestehen der aufschiebenden Wirkung ausnahmsweise zurückzutreten hat, hat der Antragsgegner eingehalten. Danach sind abstrakte Erwägungen deshalb regelmäßig unzureichend; erforderlich ist grundsätzlich die Benennung konkreter Umstände des Einzelfalles, auf die sich die Erwägungen beziehen können. Für die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsakts ist regelmäßig ein öffentliches Interesse darzulegen, das über jenes Interesse hinausgeht, das den Verwaltungsakt selbst rechtfertigt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.07.1973 - 1 BvR 23, 155/73 - BVerfGE 35, S. 382 [402] und Beschl. vom 21.03.1985 - 2 BvR 1642/83 - BVerfGE 69, S. 220 [228, 229]). Die Begründung kann aber auf die Begründung des zu vollziehenden Verwaltungsaktes Bezug nehmen, wenn aus dieser bereits die besondere Dringlichkeit hervorgeht und die von der Behörde getroffene Interessenabwägung klar (insbesondere auch hinsichtlich der Frage, was allgemeine Begründung des Verwaltungsaktes ist und was Grund für die Vollzugsanordnung war) erkennbar ist (Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., 2007, § 80, Rz. 84 ff.). So verhält es sich hier. Der Antragsgegner führt ausdrücklich aus, weshalb er die sofortige Vollziehung des Bescheides vom 27.11.2017 angeordnet hat. Er hat dabei die Interessen des Antragstellers gegen die öffentlichen Interessen abgewogen. Diesen Anforderungen genügt die Anordnung der sofortigen Vollziehung im vorliegenden Fall, weil darin erläutert wird, dass und warum das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung Vorrang hat. Danach hält der Antragsgegner den Sofortvollzug für geboten, um der Gefahr zu begegnen, dass der Antragsteller trotz der Vollziehbarkeit der Ausreiseverpflichtung den Nachweis des Besitzes eines Passes oder des Bemühens um einen solchen weiterhin nicht erbringen werde. Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Aufenthalt im Bundesgebiet ohne Pass straf- bzw. bußgeldbewehrt ist, ergebe sich ein überwiegend öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_17">17</a></dt>
<dd><p>Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_18">18</a></dt>
<dd><p>Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1 Gerichtskostengesetz [GKG]. Der Streitwert ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_19">19</a></dt>
<dd><p>Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass dem Antragsteller mangels Erfolgsaussicht keine Prozesskostenhilfe zu gewähren ist. Nach § 166 i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung [ZPO] erhält ein Beteiligter auf Antrag nur dann Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.</p></dd>
</dl>
</div></div>
</div></div>
<a name="DocInhaltEnde"><!--emptyTag--></a>
</div>
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171,055 | ag-ebersberg-2019-01-17-3-f-84018 | {
"id": 177,
"name": "Amtsgericht Ebersberg",
"slug": "ag-ebersberg",
"city": 127,
"state": 4,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Amtsgericht"
} | 3 F 840/18 | 2019-01-17T00:00:00 | 2019-01-29T12:40:03 | 2019-02-12T13:44:10 | Beschluss | <h2>Tenor</h2>
<div>
<p>1. Als Prüfungsmaßstab für die Aussetzung der Vollstreckung einer einstweiligen Anordnung gem. § 55 Abs. 1 FamFG kann eine Folgenabwägung herangezogen werden. Bei dieser sind die Nachteile, die eintreten würden, wenn die Vollstreckung nicht ausgesetzt würde, der Rechtsbehelf aber Erfolg hätte, gegen die Nachteile ins Verhältnis zu setzen, die entstehen würden, wenn die Vollstreckung ausgesetzt würde, der Rechtsbehelf aber keinen Erfolg hätte.</p>
<p>2. Im Rahmen dieser Folgenabwägung kann die Aussicht auf Erfolg des Rechtsbehelfs als wertender Faktor für die Eintrittswahrscheinlichkeit dieser Nachteile eingestellt werden.</p>
<p>3. Abgesehen von Sonderfällen offensichtlicher Begründetheit oder Unbegründetheit des Rechtsbehelfs, führt die Abwägung in Gewaltschutzsachen regelmäßig dazu, dass die Vollstreckung nicht auszusetzen ist.</p>
</div>
<h2>Gründe</h2>
<div>
<p><rd nr="1"/>Das Familiengericht erließ einen Beschluss im einstweiligen Anordnungsverfahren ohne mündliche Anhörung, mit dem der Antragstellerin die gemeinsam genutzte Wohnung gem. § 2 GewSchG zur alleinigen Benutzung zugewiesen wurde. Darüber hinaus wurden Anordnungen nach § 1 GewSchG gegen den Antraggegner getroffen. Hiergegen stellte der Antragsgegner Antrag auf erneute Entscheidung nach mündlicher Verhandlung gem. § 54 Abs. 2 FamFG und beantragte zugleich, die Vollstreckung aus dem angegriffenen Beschluss auszusetzen, § 55 Abs. 1 FamFG. Der Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung blieb ohne Erfolg.</p>
<p>Aus den Gründen: </p>
<p>…</p>
<p><rd nr="2"/>Die Entscheidung ergeht nach pflichtgemäßem Ermessen, wobei das Gesetz keine Angaben enthält, welcher Maßstab bei der Ermessensausübung angelegt werden soll. Nach einer Ansicht soll vor allem auf die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs abgestellt werden (vgl. Borth/Grandel in Musielak/Borth, FamFG, 6. Aufl., § 55, Rn. 3; Giers in Keidel, FamFG, 19. Aufl., § 55, Rn. 4), nach einer anderen Ansicht ist auf eine Abwägung der Folgen bei entsprechender Entscheidung und der beiderseitigen Schutzbedürfnisse abzustellen ist (vgl. van Els, FamRZ 2011, 1708; Feskorn in Zöller, ZPO, 32. Aufl., <verweis.norm>§ 55 <v.abk ersatz="FamFG">FamFG</v.abk></verweis.norm>, Rn. 4 stellt auf eine Abwägung der Interessen ab).</p>
<p><rd nr="3"/>Abgesehen von Extremfällen, wenn die voraussichtlich auf Grund des Rechtsbehelfs zu treffende Entscheidung bereits mit gewisser Sicherheit absehbar ist, erscheint ein alleiniges Abstellen auf die Erfolgsaussichten - zumal bei offenen Erfolgsaussichten - unbefriedigend. Angesichts der eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten im Rahmen einer (weiteren) Büro-„Eilentscheidung im Eilverfahren“ (vgl. van Els, aaO) besteht die Gefahr, dass in einem eilig anzuberaumenden Anhörungstermin erneut gegenteilig entschieden würde und bis dahin etwaige unbeabsichtigte und ggf. schwer behebbare Folgen, denen gerade durch den einstweiligen Rechtsschutz begegnet werden soll, eintreten.</p>
<p><rd nr="4"/>Das Gericht hält daher, gerade im Gewaltschutzverfahren, eine Folgenabwägung unter Berücksichtigung der Erfolgsaussicht des Rechtsbehelfs für angezeigt. Hierfür bietet sich an, eine Folgeabwägung dahingehend zu treffen, welche Folgen schwerer wiegen bei einer - an der endgültigen Entscheidung gemessen - inhaltlich falschen Erstentscheidung im Bürowege. Es ist daher einerseits zu überlegen, welche Folgen zu besorgen wären, wenn die Vollstreckbarkeit einer einstweiligen Anordnung ausgesetzt würde, obwohl diese zu Recht erging. Andererseits ist zu überlegen, welche Folgen zu besorgen wären, wenn die Vollstreckbarkeit einer einstweiligen Anordnung nicht ausgesetzt würde, obwohl diese zu Unrecht erging. Anschließend ist in eine Abwägung dieser beiden Folgen einzutreten, bei der insbesondere die Erfolgsaussicht des Rechtsbehelfs als Maßstab für die Eintrittswahrscheinlichkeit dieser Folgen herangezogen werden kann.</p>
<p><rd nr="5"/>Generell führt diese Folgenabwägung im Gewaltschutzverfahren dazu, dass schwerwiegendere Rechtsverletzungen zu besorgen wären, wenn die Vollstreckbarkeit der einstweiligen Anordnung zu Unrecht ausgesetzt würde. Bei zu Unrecht erfolgender Aussetzung der Vollstreckbarkeit ist zu befürchten, dass der Antragsteller im Gewaltschutzverfahren erneuten Gewalthandlungen des Antragsgegners ausgesetzt ist. Andererseits ist bei zu Unrecht erfolgender Abweisung des Aussetzungsantrages zu befürchten, dass der Antragsgegner weiter seine Wohnung nicht nutzen kann und in seiner Handlungsfreiheit gegenüber dem Antragsteller eingeschränkt ist.</p>
<p><rd nr="6"/>Vor dem Hintergrund des Antrages auf erneute Entscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung, <verweis.norm>§ 54 <v.abk ersatz="FamFG">FamFG</v.abk></verweis.norm>, und der sehr zeitnahen Terminierung (14 Tage nach Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung durch den Antragsgegner) lässt sich vorliegend die Frage konkretisieren, ob es schwerer wiegt, dass bei falscher Entscheidung die Antragstellerin für 14 Tage Gewalthandlungen ausgesetzt ist oder bei - andersherum - falscher Entscheidung der Antragsgegner für weitere 14 Tage seine Wohnung nicht nutzen kann. Bei dieser Abwägung überwiegt unzweifelhaft das ggf. betroffene Recht auf körperliche Unversehrtheit der Antragstellerin. Ihre Betroffenheit lässt sich - anders als jene des Antragsgegners - sollte sich die zunächst getroffene Entscheidung als materiell unzutreffend erweisen, durch Schadenersatz nicht gänzlich aufwiegen.</p>
<p><rd nr="7"/>Der Umstand, dass die Beteiligten ein minderjähriges Kind haben, vermag auf diese Folgenabwägung keinen Einfluss zu haben, da bei Einstellung in die oben dargestellte Prüfung entweder zu besorgen ist, dass das Kind dem ggf. vorliegenden Gewaltverhalten des Antragsgegners ausgesetzt wird, wobei auch von Kindern miterlebte Gewalt als Gewalt gegen Kinder zu würdigen ist, während andererseits ein - ebenfalls gemessen am Kindeswohl nicht zu unterschätzender - unberechtigter Kontaktabbruch mit etwaigen Schäden für die Bindung des Kindes zum Antragsgegner zu befürchten ist. Erneut ist aber die Terminierung im gegenwärtigen Verfahren zu berücksichtigen. Bei sicherer Bindung sind kurzfristige Kontaktabbrüche über zwei Wochen auch für das Kind ohne bleibenden Einfluss auf die Bindung zum Antragsgegner bewältigbar. Darüber hinaus hat das Gericht bereits im angegriffenen Beschluss Ausnahmen von den Anordnungen gem. <verweis.norm>§ 1 <v.abk ersatz="GewSchG">GewSchG</v.abk></verweis.norm> vorgenommen, soweit hiervon ein Zusammentreffen beim Kreisjugendamt oder bei Beratungsstellen betroffen sind.</p>
<p><rd nr="8"/>Der Antragsgegner kann auch mit seinen weiteren Ausführungen zu einer besonderen Härte nicht durchdringen.</p>
<p><rd nr="9"/>Soweit er angibt, „praktisch obdachlos“ zu sein, ist dies bereits angesichts des Umstandes, dass ihm an der Wohnadresse seiner Familie der angegriffene Beschluss zugestellt werden konnte, nicht glaubhaft gemacht.</p>
<p><rd nr="10"/>Soweit er auf berufliche Unterlagen, die sich noch in der Wohnung befinden, angewiesen ist, hindert der Gewaltschutzbeschluss ihn nicht, einen Dritten - z.B. seinen Verfahrensbevollmächtigten - zu beauftragen, mit der Antragstellerin eine Übergabe zu vereinbaren.</p>
<p><rd nr="11"/>Eine andere Würdigung kann sich auch nicht im Hinblick auf die Erfolgsaussicht des Rechtsbehelfs ergeben.</p>
<p><rd nr="12"/>Die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs des Antragsgegners sind, auch nach Vorlage seiner Versicherung an Eides statt, eher gering. Letztlich behauptet der Antragsgegner eine Inszenierung der im Raum stehenden Körperverletzung durch die Antragstellerin. Hierzu gibt er an, dass diese sich eine Verletzung selbst zugefügt haben soll, während die Beteiligten ca. 15 Minuten voneinander getrennt auf die Polizei warteten. Mit diesen Ausführungen könnte der Antragsgegner zwar erklären, warum sowohl die Polizei bei ihrem Eintreffen als auch der Dr. G. zwei Tage nach dem Vorfall Verletzungsspuren bei der Antragstellerin feststellen konnten. Was er aber nicht zu erklären vermag ist die Angabe in dem Polizeibericht, dass der fünfjährige Sohn der Beteiligten Frau PHMin W. gegenüber geäußert habe, dass dieser Schläge durch den Vater gegen die Mutter gesehen habe. Bei der gebotenen vorläufigen Betrachtung erscheint eine entsprechende Manipulation des Kindes fernliegend, nachdem diese Angaben unmittelbar bei der Aufnahme durch die Polizei in der Tatnacht erfolgt sind. Außerdem hat die Antragstellerin gegenüber der Polizei angegeben, dass der Sohn gerade nichts von dem Übergriff mitbekommen habe. Mithin müsste das Gericht, um den Angaben des Antragsgegners zu folgen, davon ausgehen dass überwiegend wahrscheinlich ist, dass die Antragstellerin binnen 15 Minuten bis zum Eintreffen der Polizei sich selbst die Verletzungen zufügte, ihr Kind zugleich noch zum Lügen gegenüber dieser anstiftete und noch eine Choreografie dahingehend mit dem Kind abstimmte, dass sie gegenüber der Polizei dessen Zeugenschaft abstreiten werde. Dies erscheint derart unwahrscheinlich, dass derzeit von einer im Rahmen des <verweis.norm>§ 55 Abs. 1 <v.abk ersatz="FamFG">FamFG</v.abk></verweis.norm> berücksichtigungsfähigen Erfolgsaussicht des Rechtsbehelfs nicht ausgegangen werden kann.</p>
<p><rd nr="13"/>Tragfähige Anknüpfungspunkte für eine Beschränkung der Vollstreckung aus der einstweiligen Anordnung ergeben sich ebenfalls nicht.</p>
<p><rd nr="14"/>Nach alledem hat es bei der weiteren Vollstreckbarkeit bis zum Erlass einer erneuten Entscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung zu bleiben.</p>
</div>
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171,053 | olgmuen-2019-01-17-23-u-99818 | {
"id": 277,
"name": "Oberlandesgericht München",
"slug": "olgmuen",
"city": null,
"state": 4,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 23 U 998/18 | 2019-01-17T00:00:00 | 2019-01-29T12:40:03 | 2019-02-12T13:44:10 | Endurteil | <h2>Tenor</h2>
<div>
<p>1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 23.02.2018, Az. 1 HK O 2404/16 aufgehoben.</p>
<p>2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag von € 180.920,97 zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.11.2015 zu bezahlen.</p>
<p>3. Dem Beklagten bleibt vorbehalten, nach Erstattung des Verurteilungsbetrags an die Masse seine Gegenansprüche, die sich nach Rang und Höhe mit den Beträgen decken, die die durch die verbotswidrigen Zahlungen begünstigten Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätten, gegen den Kläger als Insolvenzverwalter zu verfolgen.</p>
<p>4. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.</p>
<p>5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.</p>
<p>6. Die Revision wird nicht zugelassen.</p>
</div>
<h2>Tatbestand</h2>
<div>
<p>I.</p>
<p><rd nr="1"/>Der Kläger macht als Insolvenzverwalter gegen den Beklagten als ehemaligen Geschäftsführer der Komplementärin der Insolvenzschuldnerin Ansprüche nach <verweis.norm>§ 130a <v.abk ersatz="HGB">HGB</v.abk></verweis.norm> geltend.</p>
<p><rd nr="2"/>Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß <verweis.norm>§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 <v.abk ersatz="ZPO">ZPO</v.abk></verweis.norm> Bezug genommen wird, hat die Klage mangels Insolvenzreife der Schuldnerin abgewiesen.</p>
<p><rd nr="3"/>Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, der insbesondere rügt, das Landgericht habe die insolvenzrechtlichen Begriffe der Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung verkannt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei der Eintritt der Insolvenzreife der Gesellschaft objektiv festzustellen. Das Landgericht habe ferner die schriftliche Zeugenaussage des Zeugen Dr. S. nicht zutreffend erfasst.</p>
<p><rd nr="4"/>Der Kläger beantragt,</p>
<p>I. Das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 23.02.2018, Az. 1 HK O 2404/16, wird aufgehoben und dahingehend abgeändert, dass der Beklagte verurteilt wird, an den Kläger einen Betrag von € 180.920,97 zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.11.2015 zu bezahlen.</p>
</div>
<h2>Gründe</h2>
<div>
<p>II. </p>
<p><rd nr="5"/>Dem Beklagten bleibt vorbehalten, nach Erstattung des Verurteilungsbetrags an die Masse seine Gegenansprüche, die sich nach Rang und Höhe mit den Beträgen decken, die die durch die verbotswidrigen Zahlungen begünstigten Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätten, gegen den Kläger als Insolvenzverwalter zu verfolgen.</p>
<p><rd nr="6"/>Der Beklagte beantragt,</p>
<p>die Berufung zu verwerfen, hilfsweise zurückzuweisen.</p>
<p>„ Er hält die Berufung für rechtsmissbräuchlich und verteidigt das angegriffene Urteil. Die Berufung und die ursprüngliche Klage seien der Versuch der Sporthotel R. GmbH, originär eigene wirtschaftliche Risiken auf den Beklagten abzuwälzen. Es fehle schon am Bedarf der Geltendmachung von Ansprüchen nach <verweis.norm>§ 130a <v.abk ersatz="HGB">HGB</v.abk></verweis.norm>, deren Voraussetzungen auch nicht vorlägen. Zu keinem Zeitpunkt der willkürlich ausgewählten Zahlungsvorgänge, sei die Schuldnerin zahlungsunfähig oder überschuldet gewesen. Die Zahlungen hätten der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns entsprochen. Den Beklagten treffe kein Verschulden.</p>
<p><rd nr="7"/>Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und das Protokoll vom 22. November 2018 (Bl. 357/359 d.A.) Bezug genommen.</p>
<p>II.</p>
<p><rd nr="8"/>Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.</p>
<p><rd nr="9"/>1. Die Berufung ist zulässig. Ohne Erfolg beruft sich der Beklagte darauf, die sie sei rechtsmissbräuchlich (Seite 5 der Berufungserwiderung, Bl. 311 d.A.). Insoweit wird auf die Ausführungen unter Ziffer 2.1. Bezug genommen.</p>
<p><rd nr="10"/>2. Die Berufung ist begründet.</p>
<p><rd nr="11"/>2.1. Die Klage ist zulässig. Entgegen der von dem Beklagten vertretenen Ansicht ist sie insbesondere nicht deshalb rechtsmissbräuchlich, weil die Sporthotel R. GmbH den Kläger „vorschiebt“ (Seite 6 der Berufungsbegründung, Bl. 312 d.A.). Die erhobene Klage dient der Auffüllung der Insolvenzmasse. Dass der Kläger gegen die Sporthotel R. GmbH keine Anfechtungsansprüche verfolgt, steht der Zulässigkeit der streitgegenständlichen Klage nicht entgegen.</p>
<p><rd nr="12"/>2.2. Die Klage ist begründet. Der Kläger hat nach <verweis.norm>§ 130a Abs. 2 <v.abk ersatz="Satz 1 2">Satz 1 2</v.abk></verweis.norm>. Alt. i.V.m. § 177a Satz 1 HGB Anspruch auf Erstattung der streitgegenständlichen Zahlungen. Wie bei <verweis.norm>§ 64 Satz 1 <v.abk ersatz="GmbHG">GmbHG</v.abk></verweis.norm> ist der Anspruch nach <verweis.norm>§ 130a Abs. 2 <v.abk ersatz="Satz 1 2">Satz 1 2</v.abk></verweis.norm>. Alt. HGB auf Erstattung solcher Zahlungen gerichtet (BGH, Urteil vom 26. März 2007 - II ZR 310/05 -, juris Rn. 9), die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft entgegen § 130a Abs. 1 HGB geleistet werden, es sei denn, die Zahlungen sind mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar.</p>
<p><rd nr="13"/>2.2.1. Bei der Schuldnerin ist kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person. Dass der Beklagte alleiniger Kommanditist der Insolvenzschuldnerin war (Seite 3 des Protokolls vom 22. November 2018, Bl. 359 d.A.), steht der Anwendbarkeit des <verweis.norm>§ 130a <v.abk ersatz="HGB">HGB</v.abk></verweis.norm> nach <verweis.norm>§ 177a <v.abk ersatz="HGB">HGB</v.abk></verweis.norm> nicht entgegen. Der Beklagte war im Zeitraum der streitgegenständlichen Zahlungen vom 2. Oktober 2012 bis 28. November 2014 unstreitig Geschäftsführer der Komplementärin der Schuldnerin.</p>
<p><rd nr="14"/>2.2.2. Die Schuldnerin war spätestens seit dem 2. Oktober 2012 im Sinne des <verweis.norm>§ 19 Abs. 2 Satz 1 <v.abk ersatz="InsO">InsO</v.abk></verweis.norm> überschuldet; ob sie seit diesem Zeitpunkt auch zahlungsunfähig war, kann dahinstehen.</p>
<p><rd nr="15"/>Dass die Insolvenzreife danach wieder nachhaltig beseitigt worden wäre, hat der Beklagte nicht behauptet; es ist daher von einer fortdauernden Insolvenzreife auszugehen (Haas in Baumbach/Hueck GmbHG, 21. Aufl., § 64 Rn. 118).</p>
<p><rd nr="16"/>2.2.2.1. Der Kläger hat bereits in erster Instanz eine bilanzielle Überschuldung substantiiert behauptet und damit seiner Darlegungslast zunächst genügt, indem er ausgeführt hat, der Jahresabschluss zum 31. Dezember 2011 habe einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag in Höhe von € 75.635,65 aufgewiesen und es existierten keine stille Reserven (Seite 2 f. des Schriftsatzes vom 25. Juli 2017, Bl. 130 f. d.A.). Der vom Beklagten mit Schriftsatz vom 16. August 2017 (Seite 9, Bl. 143 d.A.) vorgelegte Jahresabschluss zum 30. August 2012 weist einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag in Höhe von € 17.928,66 aus.</p>
<p><rd nr="17"/>Einer Handelsbilanz kommt für die Frage, ob die Gesellschaft überschuldet ist, lediglich indizielle Bedeutung zu. Hat der Anspruchsteller jedoch - wie hier - erläutert, ob und ggf. in welchem Umfang stille Reserven oder sonstige aus ihr nicht ersichtliche Vermögenswerte vorhanden sind, ist es Sache des beklagten Geschäftsführers, im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast im Einzelnen vorzutragen, welche stillen Reserven oder sonstigen für eine Überschuldungsbilanz maßgeblichen Werte in der Handelsbilanz nicht abgebildet sind (BGH, Urteil vom 27. April 2009 - II ZR 253/07 -, Rn. 9, juris; BGH, Beschluss vom 31. Mai 2011 - II ZR 106/10 -, Rn. 4, juris).</p>
<p><rd nr="18"/>Weder der Umstand, dass die bilanzielle Überschuldung zum 31. August 2012 geringer war als zum 31. Dezember 2011, bzw. eine „positive Tendenz“ bestand, noch der Umstand, dass außer der streitigen Pachtzinsforderung alle Verbindlichkeiten beglichen wurden, lassen entgegen der Ansicht des Beklagten (Seite 17 und 20 der Berufungserwiderung, Bl. 323 und 326 d.A.; Seite 9 des Schriftsatzes vom 6. Dezember 2018, Bl. 386 d.A.) die indizielle Bedeutung der Handelsbilanz entfallen. Soweit der Kläger dies im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 11. Januar 2019 (Seite 4, Bl. 386 d. A.) mit Nichtwissen bestreitet, wurde dies vom Senat nicht berücksichtigt. Es war nicht geboten, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen. Nicht nachvollzogen werden kann die Argumentation, die bilanzielle Überschuldung wäre ohne die streitige Pachtzinsforderung der Sporthotel R. GmbH mehr als ausglichen gewesen, da die Schuldnerin profitabel gewirtschaftet habe (Seite 9 des Schriftsatzes vom 6. Dezember 2018, Bl. 368 d.A.). Die streitige Forderung wurde bei der Handelsbilanz nicht berücksichtigt. Hinsichtlich der Frage, ob auch eine positive Fortführungsprognose bestand, wird auf die Ausführungen unter Ziffer 2.2.2.3. verwiesen.</p>
<p><rd nr="19"/>2.2.2.2. Welche stillen Reserven oder sonstigen für eine Überschuldungsbilanz maßgeblichen Werte in der Handelsbilanz seiner Meinung nach nicht abgebildet sind, hat der Beklagte nicht konkret vorgetragen, so dass es einer Einvernahme der Zeugin H. (Seite 19 der Berufungserwiderung, Bl. 325 d.A.) nicht bedurfte.</p>
<p>2.2.2.2.1. Der Beklagte ist der Behauptung, es existierten keine stillen Reserven in erster Instanz nicht entgegen getreten. In der Berufungserwiderung (Seite 19, Bl. 325 d.A.) bestreitet er dies zwar, bezieht sich aber weder konkret auf sein Vorbringen in erster Instanz, noch führt er aus, worin die stillen Reserven bestehen sollen.</p>
<p>2.2.2.2.2. In welcher Höhe seiner Ansicht nach der Buchungsbestand zu aktivieren gewesen wäre, lässt sich dem Vortrag des Beklagten nicht konkret entnehmen. Er behauptete lediglich, der Buchungsbestand habe zum 31. August 2012 im sechsstelligen Bereich gelegen (Seite 19 der Berufungserwiderung, Bl. 325 d.A.). Damit ist er seiner sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen.</p>
<p><rd nr="20"/>Wenn sich der Beklagte im Schriftsatz vom 6. Dezember 2018 (Seite 18, Bl. 377 d.A.) darauf beruft, im Überschuldungsstatus seien abweichend von der Handelsbilanz (<verweis.norm>§ 252 Abs. 1 Nr. 4 <v.abk ersatz="Halbsatz 2 HGB">Halbsatz 2 HGB</v.abk></verweis.norm>) bereits Forderungen aus schwebenden Geschäften auszuweisen, soweit mit ihrer Erfüllung zu rechnen ist (K. Schmidt in Scholz, GmbHG, 11. Aufl., vor § 64, Rn. 54; Müller in Jaeger, InsO, § 19 Überschuldung, Rn. 63), blendet er aus, dass abweichend von der Jahresbilanz auch Verbindlichkeiten aus schwebenden Geschäften und Dauerschuldverhältnissen zu passivieren sind (Haas in Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl., vor § 64 Rn. 49; Müller a.a.O., Rn. 71), worauf der Kläger zu Recht hingewiesen hat (Seite 9 des Schriftsatzes vom 13. November 2018, Bl. 352 d.A.).</p>
<p>2.2.2.2.3. Nicht nachvollzogen werden kann der Einwand, die rechnerische Überschuldung im Jahresabschluss zum 31. August 2012 sei beseitigt, wenn man die Verbindlichkeiten gegenüber dem Beklagten bzw. dessen Gesellschaften eliminiere (Seite 18 der Berufungserwiderung, Bl. 324 d.A.). Nachrangige Gesellschafterdarlehen im Sinne <verweis.norm>§ 19 Abs. 2 Satz 2 <v.abk ersatz="InsO">InsO</v.abk></verweis.norm> behauptet der Beklagte nicht.</p>
<p>2.2.2.2.4. Ob für die streitigen Pachtzinsforderungen oder Instandhaltungsmaßnahmen Rückstellungen hätten gebildet werden müssen, bedarf keiner Entscheidung.</p>
<p><rd nr="21"/>Entgegen der Ansicht des Beklagten „entzündet sich die Frage nach der Insolvenzreife nicht an einer einzigen (angeblichen) Forderung“ (Seite 13 des Schriftsatzes vom 6. Dezember 2018, Bl. 372 d.A.), denn die Handelsbilanz zum 31. August 2012 wies auch ohne Rückstellungen für weitere Pachtzinszahlungen einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag aus. Im Übrigen ist es in der Literatur umstritten, ob man im Überschuldungsstatus von einer Passivierung der streitigen, den Insolvenzgrund ausmachenden Verbindlichkeit abgesehen werden kann (in diese Richtung Mock in Uhlenbruck, InsO § 19, Rn. 155; a.A. K. Schmidt InsO/ InsO, 19. Aufl. § 19 Rn. 40).</p>
<p>2.2.2.2.5. Soweit der Beklagte im Schriftsatz vom 6. Dezember 2018 (Seite 9, Bl. 368 d.A.) ausführt, es müsse vor dem Urteil des Landgerichts Passau einen Zeitpunkt gegeben haben, zu dem die Insolvenzreife entfallen sei, denn sonst gäbe es jetzt weitere Gläubiger, wird der Vortrag dahingehend verstanden, dass auf den 28. November 2014 abgestellt wird (vgl. Seite 21 der Klageerwiderung, Bl. 53 d.A.).</p>
<p><rd nr="22"/>Die streitgegenständlichen Zahlungen erfolgten vorher.</p>
<p><rd nr="23"/>Die Argumentation des Beklagten zielt jedoch nicht darauf, dass zum Zeitpunkt der Zahlungen keine Insolvenzreife mehr bestand, sondern darauf, dass der Verstoß durch „wirtschaftliche Gesundung“ für den zurückliegenden Zeitraum erloschen ist (vgl. Haas in Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. § 64, Rn. 84; Schmidt-Leithoff / Schneider in Rowedder / Schmidt-Leithoff/M., GmbHG, 6. Aufl. § 64 Rn. 19).</p>
<p><rd nr="24"/>Dass die Überschuldung nachhaltig beseitigt und damit die Antragspflicht - wieder - entfallen ist (BGH, Versäumnisurteil vom 12. März 2007 - II ZR 315/05 -, Rn. 15, juris), hat der Beklagte mit seiner pauschalen Behauptung indes nicht dargetan. Er blendet insoweit auch völlig aus, dass die Schuldnerin die streitigen Pachtzinszahlungen nicht beglichen hat.</p>
<p><rd nr="25"/>Zutreffend geht das Landgericht vom Bestehen weiterer Pachtzinsforderungen aus. Die Einwendungen des Beklagten dagegen (Seite 10 ff. der Berufungserwiderung, Bl. 316 ff.) greifen nicht durch.</p>
<p><rd nr="26"/>Ab dem 1. April 2012 bestimmten sich sowohl die Höhe der Pacht als auch der monatlichen Vorauszahlungen wieder nach § 4 der 1. Nachtragsvereinbarung (Anlage K 4), da eine Herabsetzung nach § 2 des 3. Nachtrages (Anlage K 5) nur bis zum 31. März 2012 erfolgte und für den Zeitraum danach in § 3 nur Verhandlungen über eine Reduzierung der Vorauszahlungen vorgesehen waren. Eine Anpassung der Vorauszahlungen oder der Pacht wurde von der Schuldnerin gegenüber der Verpächterin nicht gerichtlich geltend gemacht. Eine Anpassung nach <verweis.norm>§ 313 <v.abk ersatz="BGB">BGB</v.abk></verweis.norm> erfolgt nicht kraft Gesetzes (Grüneberg in Palandt, BGB, 78. Aufl., § 131, Rn. 41).</p>
<p><rd nr="27"/>Soweit der Beklagte erstmals in der Berufungsinstanz einwendet, die 1. Nachtragsvereinbarung sei mangels Genehmigung der Gesellschafterversammlung der Sporthotel R. GmbH unwirksam, übersieht er, dass diese nicht Vertragspartnerin des 1. Nachtrags war, sondern erst mit dem 2. Nachtrag in das Pachtverhältnis eingetreten ist (Vorbemerkung der 3. Nachtragsvereinbarung).</p>
<p><rd nr="28"/>Die Schuldnerin war somit ab 1. April 2012 zu monatlichen Vorauszahlungen in Höhe € 12.000,00 verpflichtet. Tatsächlich gezahlt hat sie monatlich nur € 6.000,00. Insgesamt war nach <verweis.norm>§ 4 <v.abk ersatz="Ziffer 2">Ziffer 2</v.abk></verweis.norm> lit. a des 1. Nachtrags eine „ergebnisabhängige Pacht von 8,7,% des erzielten Nettoumsatzes“ geschuldet. Für eine Auslegung dahingehend, dass zwar zunächst anhand des Nettoumsatzes gerechnet wird, dann aber eine Begrenzung auf das Ergebnis stattfinde (Seite 11 der Berufungserwiderung, Bl. 319 d.A.), enthält der Wortlaut keine Anhaltspunkte. Nach welchen Kriterien diese Begrenzung erfolgen soll, lässt sich dem Vorbringen des Beklagten nicht entnehmen. Schließlich hat er auch die Voraussetzungen einer sittenwidrigen Pachtzinsvereinbarung nicht dargelegt (vgl. BGH, Urteil vom 28. April 1999 - XII ZR 150/97 -, BGHZ 141, 257/263, juris Rn. 35).</p>
<p><rd nr="29"/>Auch dass die Schuldnerin bezüglich der weiteren Pachtzinsforderungen tatsächlich nur zahlungsunwillig gewesen wäre, hat der Beklagte nicht dargetan. Auf dem als Anlage B 8 vorgelegten Schreiben vom 13. Februar 2012 ergibt sich das Gegenteil. Die Behauptung des Beklagten, die Schuldnerin wäre jederzeit in der Lage gewesen, die zur Begleichung der vermeintlichen Forderung liquiden Mittel aufzubringen, weil sie Stundungs- oder Verzichtsabreden hätte abschießen können oder den Beklagten um ein Darlehen oder eine Einlage hätte bitten können (Seite 15 der Berufungserwiderung, Bl. 321 d.A.), genügt insoweit nicht.</p>
<p><rd nr="30"/>2.2.2.3. Dass für die Gesellschaft im streitgegenständlichen Zeitraum eine die Überschuldung im Sinne des <verweis.norm>§ 19 Abs. 2 <v.abk ersatz="InsO">InsO</v.abk></verweis.norm> ausschließende positive Fortführungsprognose bestand, hat der Beklagte trotz des Hinweises vom 22. August 2018 (Bl. 292 d.A.) nicht dargetan. Entgegen der Ansicht des Beklagten (Seite 17 der Berufungserwiderung, Bl. 323), genügt ein entsprechender Hinweis im Jahresabschluss insoweit nicht.</p>
<p><rd nr="31"/>Eine günstige Fortbestehensprognose setzt neben dem Fortführungswillen des Schuldners bzw. seiner Organe auch die objektive - grundsätzlich aus einem aussagekräftigen Unternehmenskonzept (sog. Ertrags- und Finanzplan) herzuleitende - Überlebensfähigkeit des Unternehmens voraus (Gehrlein, WM 2018, 1, 10). Die Maßnahmen müssen auf eine durchgreifende Sanierung der Gesellschaft gerichtet sein, denn die Unternehmensfortführung darf nicht die Risiken für die Gläubiger erhöhen (Gehrlein a.a.O. S. 7).</p>
<p><rd nr="32"/>Dass ein umsetzbarer Finanzplan und ein schlüssiges und realisierbares Unternehmenskonzept für die Zukunft vorlagen, hat der Beklagte nicht dargelegt. Er behauptet vielmehr, der Pachtgegenstand sei von Anfang an ein Sanierungsbetrieb gewesen. Sein allgemeiner Vortrag, er und sein Sanierungsteam seien jederzeit fähig gewesen, ein striktes Kostenmanagement zu betreiben, und die Schuldnerin sei durch ihren Gesellschafter-Geschäftsführer für jeden denkbaren Liquiditätsbedarf gerüstet gewesen, vermag eine positive Fortführungsprognose nicht zu begründen.</p>
<p>2.2.2.4. Der Beklagte hat als alleiniger Geschäftsführer im Zeitraum vom 2. Oktober 2012 bis 28. November 2014 entgegen <verweis.norm>§ 130a Abs. 1 Satz 1 <v.abk ersatz="HGB">HGB</v.abk></verweis.norm> die streitgegenständlichen Zahlungen in Höhe von € 180.920,97 (Bl. 12 der Klage) vorgenommen.</p>
<p><rd nr="33"/>Die Veranlassung dieser Zahlungen durch den Beklagten ist unstreitig. Soweit der Beklagte einwendet, die Empfänger der Leistungen seien teilweise unzutreffend bzw. verkürzt dargestellt (Seite 1 ff. des Schriftsatzes vom 6. Dezember 2017, Bl. 213 ff. d.A.), ist dies ohne Relevanz.</p>
<p><rd nr="34"/>Ebenso unerheblich ist der Einwand, der Kläger habe die Zahlungsvorgänge willkürlich „herausgepickt“ (Seite 8 der Berufungserwiderung, Bl. 314 d.A., Seite 7 des Schriftsatzes vom 6. Dezember 2018, Bl. 366). Der Streitgegenstand wird vom Kläger bestimmt.</p>
<p><rd nr="35"/>2.2.2.5. Einen Ausgleich der durch die Zahlungen verursachten Masseschmälerung hat der Beklagte nicht substantiiert behauptet.</p>
<p><rd nr="36"/>Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung entfällt die Ersatzpflicht des Organs für Zahlungen nach Insolvenzreife nach <verweis.norm>§ 130a Abs. 1 <v.abk ersatz="HGB">HGB</v.abk></verweis.norm> i.V.m. § 177a Satz 1 HGB, soweit die durch die Zahlung verursachte Schmälerung der Masse in einem unmittelbaren Zusammenhang mit ihr ausgeglichen wird. § 130a Abs. 1 HGB soll im Interesse einer Gleichbehandlung der Gläubiger eine Schmälerung der Masse nach Eintritt der Insolvenzreife ausgleichen (st. Rspr., BGH, Urteil vom 18. November 2014 - II ZR 231/13 -, BGHZ 203, 218-224, Rn. 9 m.w.N.), wobei die Regeln des Bargeschäfts nach <verweis.norm>§ 142 <v.abk ersatz="InsO aF">InsO aF</v.abk></verweis.norm> entgegen der von dem Beklagten vertretenen Ansicht (Seite 21 f. der Klageerwiderung, Bl. 53 f. d.A.) insoweit nicht entsprechend anwendbar sind (BGH, Urteil vom 04. Juli 2017 - II ZR 319/15 -, Rn. 12, juris).</p>
<p><rd nr="37"/>Eine erfolgreiche Anfechtung einzelner Leistungen (vgl. BGH, Urteil vom 03. Juni 2014 - II ZR 100/13 -, Rn. 14, juris), hat der Beklagte nicht behauptet. Er ist vielmehr der Ansicht, der Kläger könnte Anfechtungsansprüche erheben (Seite 22 der Klageerwiderung, Bl. 54 d.A.).</p>
<p><rd nr="38"/>2.2.2.6. Dass einzelne Zahlungen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns vereinbar waren, hat der nach <verweis.norm>§ 130a Abs. 2 Satz 2 <v.abk ersatz="HGB">HGB</v.abk></verweis.norm> insoweit darlegungs- und beweispflichtigte Beklagte (zu <verweis.norm>§ 64 <v.abk ersatz="GmbHG">GmbHG</v.abk></verweis.norm>: BGH, Urteil vom 08. Januar 2001 - II ZR 88/99 -, BGHZ 146, 264/274, juris Rn. 22), nicht dargetan.</p>
<p><rd nr="39"/>Der hierfür anzulegende Maßstab bestimmt sich nicht allein nach den allgemeinen Verhaltenspflichten eines Geschäftsführers, der bei seiner Amtsführung Recht und Gesetz zu wahren hat; er ist vielmehr an dem besonderen Zweck des <verweis.norm>§ 130a <v.abk ersatz="HGB">HGB</v.abk></verweis.norm> auszurichten. Dies verkennt der Beklagte, wenn er meint, kein Insolvenzverwalter hätte ein besseres Ergebnis für alle Gläubiger erzielt als es dem Beklagten durch sein umsichtiges und besonnenes Verhalten gelungen sei (Seite 14 des Schriftsatzes vom 6. Dezember 2018, Bl. 373 d.A.). Insoweit blendet er auch aus, dass er die Pachtzinsforderungen der Sporthotel R. GmbH nur zum Teil beglichen hat.</p>
<p><rd nr="40"/>Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann das Verschulden ausnahmsweise insbesondere dann zu verneinen sein, soweit durch Leistungen des Geschäftsführers in der Insolvenzsituation im Einzelfall größere Nachteile für die Masse abgewendet werden (BGH a.a.O. zu <verweis.norm>§ 64 <v.abk ersatz="GmbHG">GmbHG</v.abk></verweis.norm>). Dies kommt insbesondere bei Zahlungen in Betracht, ohne die der Betrieb im Zweifel sofort hätte eingestellt werden müssen, was jede Chance auf Sanierung oder Fortführung im Insolvenzverfahren zunichte gemacht hätte (BGH, Beschluss vom 5. November 2007 - II ZR 262/06 -, Rn. 6, juris).</p>
<p><rd nr="41"/>Zahlungen zur Erhaltung der Sanierungschancen sind jedoch nur für einen kurzfristigen Zeitraum privilegiert (Haas in Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl., § 64, Rn. 91). In der Regel wird von einer Dauer von drei Wochen auszugehen sein, innerhalb derer die Sanierungsbemühungen abgeschlossen sein müssen (Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 25. Juni 2010 - 11 U 133/06 -, Rn. 54, juris). Dies setzt jedoch ein tragfähiges Sanierungskonzept voraus.</p>
<p><rd nr="42"/>Dass ein solches Sanierungskonzept vorgelegen hätte, hat der Beklagte trotz des entsprechendes Hinweises in der Ladung (Bl. 293 d.A.) nicht dargetan, sondern lediglich auf die Klageerwiderung Bezug genommen (Seite 12 ff, Bl. 44 d.A.), wonach die Aufrechterhaltung eines geordneten Betriebs wichtig gewesen sei, um die zur Bedienung der Mitarbeiter und Lieferanten notwendigen Mittel zu erwirtschaften und den verbleibenden Überschuss als Pacht zahlen zu können.</p>
<p>2.2.2.7. Der Beklagte konnte die gegen ihn streitende Vermutung, er habe schuldhaft gehandelt, nicht dadurch widerlegen, dass er sich darauf beruft, er sei während des gesamten Zeitraum von den Zeugen Klaus und Dr. Schropp beraten worden.</p>
<p>2.2.2.7.1. Der Geschäftsführer handelt fahrlässig, wenn er sich nicht rechtzeitig die erforderlichen Informationen und Kenntnisse verschafft, die er für die Prüfung benötigt, ob er pflichtgemäß Insolvenzantrag stellen muss. Dabei muss er sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, sofern er nicht über ausreichende persönliche Kenntnisse verfügt, gegebenenfalls fachkundig beraten lassen. Der selbst nicht hinreichend sachkundige Geschäftsführer ist nur dann entschuldigt, wenn er sich unter umfassender Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen von einer unabhängigen, für die zu klärenden Fragestellungen fachlich qualifizierten Person hat beraten lassen und danach keine Insolvenzreife festzustellen war. Die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters gebietet es zudem, das Prüfergebnis einer Plausibilitätskontrolle zu unterziehen (BGH, Urteil vom 26. Januar 2016 - II ZR 394/13 -, Rn. 34, juris; BGH, Urteil vom 27. März 2012 - II ZR 171/10- Rn. 15 ff., juris).</p>
<p>2.2.2.7.2. Ohne Erfolg beruft sich der Beklagte pauschal darauf, zu den Aufgaben des Rechtsanwalts Dr. S. habe insbesondere die insolvenzrechtliche Beratung gehört (Seite 26 des Schriftsatzes vom 12. Oktober 2018, Bl. 332 d.A.).</p>
<p><rd nr="43"/>Der Zeuge Dr. S. hat eine insolvenzrechtliche Beratung zur Frage der Überschuldung nicht bestätigt. Er hat vielmehr bekundet, er habe den Beklagten jahrelang anwaltlich beraten, dabei sei es insbesondere um Vertragsgestaltung gegangen. Bei einer Besprechung mit dem Beklagten und dem Zeugen K. sei auch die Frage erörtert worden, ob die eingeklagten Pachtzinsteile in eine Überschuldungsbilanz eingestellt werden müssten. Er habe dazu erklärt, er könne dies nicht beurteilen, dafür sei entweder der Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer oder ein im Insolvenzrecht kundiger Berater zuständig. Ob und welche Empfehlung der Steuerberater dazu abgegeben habe, wisse er nicht. Er erinnere sich nur, dass der Beklagte ihm bis zuletzt erklärt habe, eine Überschuldung liege nur vor, wenn der strittige Pachtzins bilanziert werde. Er sei Anfang März 2013 von dem Beklagten und Frau H. gebeten worden, für die Schuldnerin einen Insolvenzantrag zu formulieren. Völlig überraschend habe er von der Rücknahme des Antrags erfahren. Er wisse nicht, was dem Beklagten bewogen habe, im März 2013 Insolvenzantrag zu stellen und ihn wieder zurückzunehmen (schriftliche Zeugenaussage vom 30. August 2017, Bl. 153 ff. d.A.). Eine fachkundige Beratung zu der Frage, ob die Schuldnerin ab dem Oktober 2012 insolvenzrechtlich überschuldet war oder ob eine die Überschuldung ausschließende positive Fortführungsprognose bestand, lässt sich dieser Aussage nicht entnehmen.</p>
<p><rd nr="44"/>Der Zeuge K. hat vor dem Landgericht zwar ausgesagt, er habe in seinen Akten folgenden Vermerk über eine Besprechung am 28. Juni 2012: „Herr RA S. überprüft mit Herrn St. laufend die Liquiditätslage der KG, sowie den Überschuldungsstatus mit Vorausschau. Besprechungen werden mit RA Schropp und der KG geführt. Wir haben keinen Auftrag zur Erstellung eines Überschuldungsstatus.“ (S. 4 des Protokolls vom 7. Juni 2017, Bl. 115 d.A.).</p>
<p><rd nr="45"/>Einer erneuten Einvernahme des Zeugen Dr. S. durch den Senat bedurfte es jedoch nicht, da der Beklagte trotz des Hinweises in der Ladung (Bl. 293 d.A.) weder eine Beratung durch den Zeugen Dr. S. zur Frage der Überschuldung noch eine dahingehende Plausibilitätskontrolle behauptet hat. Sein Vortrag beschränkt sich auf eine Beratung und Plausibilitätskontrolle zur Frage, ob die damals streitigen Pachtzinsforderungen zu passivieren gewesen wären (Seite 28 f. des Schriftsatzes vom 12. Oktober 2018, Bl. 334 f. d.A.). Dass der Beklagte „völlig selbstverständlich“ davon ausging, der beratende Rechtsanwalt werde ihn auf den Eintritt der Insolvenzlage hinweisen, genügt für den Entlastungsbeweis nicht.</p>
<p><rd nr="46"/>Ohne Erfolg beruft sich der Beklagte schließlich darauf, er habe angesichts der Aussage des Zeugen K. darauf vertrauen dürfen, der Zeuge Dr. S. werde sich um die Frage „Überschuldungsstatus mit Vorausschau“ kümmern (Seite 16 des Schriftsatzes vom 6. Dezember 2018, Bl. 375 d.A.). Der Beklagte verkennt dabei, dass er nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung verpflichtet gewesen wäre, sich nach dem Prüfergebnis zu erkundigen und es einer Plausibilitätskontrolle zu unterziehen.</p>
<p>2.2.2.7.3. Auch hinsichtlich einer Beratung durch den Steuerberater K. hat der Beklagte eine Plausibilitätskontrolle nicht behauptet.</p>
<p><rd nr="47"/>Er beruft ich lediglich darauf, der Zeuge K. sei „ohne weiteres“ dazu verpflichtet gewesen, insolvenzrechtliche Sachverhalte zu identifizieren und ihn zu beraten (Seite 27 f der Berufungserwiderung, Bl. 333 f. d.A.), habe allerdings vor dem Landgericht irrigerweise erklärt, insolvenzrechtliche Fragen seien nicht sein Thema gewesen (Seite 13 des Schriftsatzes vom 16. August 2017, Bl. 147 d.A.). Die Frage, ob der Steuerberater wegen Verletzung einer Hinweispflicht zum Schadensersatz verpflichtet ist (vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 2017 - IX ZR 285/14 -, BGHZ 213, 374-394, Rn. 44 ff.), ist im Übrigen für die Frage, ob der Beklagte zur Erstattung von Zahlungen verpflichtet ist, unerheblich.</p>
<p>2.2.2.7.4. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist das Verschulden auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die allein entscheidende Forderung der Sporthotel R. GmbH nach höheren Pachtzinszahlungen unbegründet gewesen war (Seite 16 des Schriftsatzes vom 6. Dezember 2018, Bl. 375 d.A.). Die Überschuldung bestand auch ohne Berücksichtigung der bestehenden weiteren Pachtzinsforderungen (s.o. Ziffer 2.2.2.2.5.).</p>
<p>2.2.2.7.5. Der Einwand, die Sporthotel R. GmbH treffe ein Mitverschulden, weil sie es unterlassen habe, Insolvenzantrag zu stellen (Seite 16 des Schriftsatzes vom 6. Dezember 2018, Bl. 375 d.A.), greift nicht durch. Der Insolvenzverwalter macht keinen Schadensersatzanspruch geltend. Eine Obliegenheit der Sporthotel R. GmbH, einen Antrag nach <verweis.norm>§ 14 <v.abk ersatz="InsO">InsO</v.abk></verweis.norm> zu stellen, ist im Übrigen nicht ersichtlich.</p>
<p><rd nr="48"/>2.2.2.8. Der Kläger hat bei seiner Antragstellung in der Berufungsinstanz berücksichtigt, dass dem Beklagten zur Vermeidung einer Bereicherung der Masse im Urteil vorzubehalten ist, seinen Gegenanspruch, der sich nach Rang und Höhe mit dem Betrag deckt, den der begünstigte Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätte, nach Erstattung an die Masse gegen den Insolvenzverwalter zu verfolgen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juli 2005 - II ZR 235/03 -, juris Tz. 14).</p>
<p><rd nr="49"/>Der Zug um Zug Einwand des Beklagten greift dagegen nicht durch.</p>
<p><rd nr="50"/>Der Geschäftsführer kann zwar vom Insolvenzverwalter in entsprechender Anwendung von <verweis.norm>§ 255 <v.abk ersatz="BGB">BGB</v.abk></verweis.norm> ggfs. Abtretung der gegen die Leistungsempfänger gerichteten Erstattungsansprüche Zug um Zug gegen Erfüllung des geltend gemachten Ersatzanspruchs verlangen (BGH, Urteil vom 08. Januar 2001 - II ZR 88/99 -, BGHZ 146, 264-280, juris Rn. 32; Gehrlein ZInsO 2015, 477, 480). Gegen wen der Schuldnerin aus welchem Grund Ansprüche zustehen sollen, legt der Beklagte indes nicht dar.</p>
<p><rd nr="51"/>Seinem Vortrag lässt sich nur entnehmen, dass die Abtretung zumindest alle Ansprüche gegen die Sporthotel R. GmbH umfassen müsste, insbesondere unter dem Aspekt der Vorsatzanfechtung (Seite 30 der Berufungserwiderung, Bl. 336 d.A.; Seite 22 der Klageerwiderung, Bl. 54 d.A.), wobei er sich vermutlich auf die in der Anlage B 11 genannten Zahlungen bezieht (vgl. Seite 17 der Klageerwiderung, Bl. 49 d.A.; Seite 7 der Berufungserwiderung, Bl. 313 d.A.).</p>
<p><rd nr="52"/>Dass unerlaubte Zahlungen im Wege der Insolvenzanfechtung vom Empfänger hätten zurückverlangt werden können, kann der haftende Geschäftsführer nicht einwenden (BGH, Urteil vom 18. Dezember 1995 - II ZR 277/94 -, BGHZ 131, 325/328, juris Rn. 7; K. Schmidt in Scholz GmbHG, § 64 Rn. 66). Ob ihm ein aufschiebendes Leistungsverweigerungsrecht zuzubilligen, solange die Insolvenzmasse neben dem gegen ihn gerichteten Ersatzanspruch noch realisierbare und erfolgversprechende Anfechtungsmöglichkeiten gegenüber den Leistungsempfängern besitzt (BGH a.a.O. Rn. 6), bedarf keiner Entscheidung, da der Beklagte dies nicht dargelegt hat.</p>
<p><rd nr="53"/>Schadensersatzansprüche des Beklagten gegen den Kläger, weil dieser es versäumt habe, aussichtsreiche Anfechtungsansprüche geltend zu machen, kommen im Übrigen nicht in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 14. April 2016 - IX ZR 161/15 -, Rn. 15, juris).</p>
<p><rd nr="54"/>2.2.2.9. Soweit der Beklagte meint, es sei sinnwidrig, der Gesellschaft einen Anspruch einzuräumen, wenn es gar keine Gläubiger gebe, die Anspruch auf die eingezahlten Gelder haben könnten, übersieht er, dass der Sporthotel R. GmbH aus den unter Ziffer 2.2.2.2.5 dargelegten Gründen weitere Pachtzinszahlungen zustehen, was zwischen der Schuldnerin und der Sporthotel R. GmbH auch rechtskräftig feststeht (vgl. Anlage K 11).</p>
<p><rd nr="55"/>2.2.2.10. Der Zinsanspruch ergibt sich aus <verweis.norm>§§ 280, 286, 288 Abs. 1 <v.abk ersatz="BGB">BGB</v.abk></verweis.norm>.</p>
<p><rd nr="56"/>Der Beklagte wurde mit Schreiben vom 15. Oktober 2015 (Anlage K 15) in Verzug gesetzt.</p>
<p><rd nr="57"/>3. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf § 92 Abs. 2, § 708 Nr. 10, § 711 und § 543 Abs. 2 ZPO.</p>
<p>Verkündet am 17.01.2019</p>
</div>
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<p>Die Beschwerde gegen den Beschluss der Bundesnetzagentur vom 28.09.2017, Az.: 608-2017-13f-2, wird zurückgewiesen.</p>
<p>Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen außergerichtlichen Aufwendungen der Bundesnetzagentur sowie der weiteren Beteiligten.</p>
<p>Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">                                                        <strong><span style="text-decoration:underline">G r ü n d e:</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">                                                                                    <strong><span style="text-decoration:underline">A.</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerdeführerin ist ein Tochterunternehmen der A. Sie betreibt am Standort … in innerstädtischer Lage in … ein Heizkraftwerk mit Kraft-Wärme-Kopplung. Zu dem Heizkraftwerk gehören zwei Gas- und Dampfanlagen mit einer Leistung von jeweils 75 MW, die an das 110-kV Netz der B angeschlossen sind.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Beteiligte ist der verantwortliche Übertragungsnetzbetreiber in der Regelzone, in der das streitgegenständliche Heizkraftwerk der Beschwerdeführerin liegt. Sie hatte dieses bereits in den Jahren 2013 und 2015 als systemrelevant ausgewiesen. Die Bundesnetzagentur hatte die Ausweisungen jeweils für die Dauer von 24 Monaten genehmigt.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 03.07.2017 beantragte die Beteiligte unter Bezugnahme auf die Systemanalyse der Übertragungsnetzbetreiber vom 24.04.2017 bei der Bundesnetzagentur die Verlängerung der Ausweisung systemrelevanter Gaskraftwerke in ihrer Regelzone, u.a. auch des streitgegenständlichen Kraftwerks.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die von der Bundesnetzagentur am 24.04.2017 auf ihrer Internetseite veröffentlichte Systemanalyse gelangt zu dem Ergebnis, dass im Starkwind – Starklast - Szenario für den Winter 2017/2018 sowie den Winter 2018/2019 ein Bedarf an Netzreserve bestehe, um ausreichend Redispatch-Potential gewährleisten zu können und das Netz auch in dieser Situation n-1 sicher sowie unter Beachtung von Mehrfachfehlern betreiben zu können. Eine Starkwind – Starklast – Situation ist von einer hohen Stromproduktion im Norden bei geringer Einspeisung durch Photovoltaikanlagen und hoher Nachfrage im Süden geprägt. In einer solchen Lage kommt es zu einem hohen Lastfluss von Norden nach Süden, wofür die Transportkapazitäten des deutschen Übertragungsnetzes nicht ausreichen. Infolgedessen müssen Kraftwerke im Süden ihre Einspeisung erhöhen, während die Übertragungsnetzbetreiber im Norden Erzeugungsanlagen im Wege des Redispatch abregeln. Als Gegenmaßnahme muss die Stromerzeugung in Süddeutschland zur Begrenzung der Lastflüsse von Norden nach Süden sichergestellt sein.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">In der Systemanalyse kommen die Übertragungsnetzbetreiber zu dem Ergebnis, dass ein Wegfall von am Markt aktiven, redispatchfähigen Kraftwerken diesen Bedarf noch vergrößere. Für den Winter 2018/2019 sei sogar eine ausländische Reservekraftwerkskapazität i.H.v. 2,1 GB erforderlich. Die Bundesnetzagentur bestätigte die Systemanalyse der Übertragungsnetzbetreiber am 28.04.2017 (Feststellung des Bedarfs an Netzreserve für den Winter 2017/2018 sowie das Jahr 2018/2019 und zugleich Bericht über die Ergebnisse der Prüfung der Systemanalyse).</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">In dem Antrag auf Ausweisung unter anderem auch des streitgegenständlichen Kraftwerks als systemrelevant machte die Beteiligte unter Bezugnahme auf die Ergebnisse der Systemanalyse geltend, dass es eine wesentliche Gefährdung des deutschen Energieversorgungssystems darstelle, wenn die im Antrag bezeichneten Kraftwerke nicht zur Verfügung stünden. Zugleich führte sie aus, dass Kraftwerke, die nicht im Wege des Redispatch einsetzbar seien, die kritische Situation noch verschärfen könnten, wenn ihre „Nicht-Versorgung“ zum Wegfall ihrer verbrauchsnahen Erzeugung führe.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Bundesnetzagentur informierte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 17.07.2017 über diesen Antrag sowie ihre Absicht, die Genehmigung zu erteilen und gab Gelegenheit zur Stellungnahme. Mit Schreiben vom 29.08.2017 schilderte die Beschwerdeführerin die für die Fahrweise der streitgegenständlichen Anlagen maßgeblichen Besonderheiten und führte aus, es sei unmöglich, diese entsprechend den Anforderungen der Beteiligten nachzurüsten oder umzubauen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Mit dem angegriffenen Beschluss vom 28.09.2017 genehmigte die Bundesnetzagentur die Ausweisungsentscheidungen der Beteiligten, darunter die Ausweisung des streitgegenständlichen Heizkraftwerks als systemrelevant für die Dauer von 24 Monaten. Sie begründete diese Entscheidung unter Bezugnahme auf die Ergebnisse der von ihr bestätigten Systemanalyse. Die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems seien gefährdet, falls infolge einer teilweisen oder vollständigen Nichtverfügbarkeit der streitgegenständlichen Anlagen den Übertragungsnetzbetreibern zu wenig Redispatch-Leistung zur Verfügung stehe. Unter Verweis auf den Gasversorgungsengpass aus dem Jahr 2012 beurteilte sie den Gefahreneintritt als hinreichend wahrscheinlich. Wegen des Ausmaßes der drohenden Schäden sei es gerechtfertigt, den Grad an Eintrittswahrscheinlichkeit niedrig anzusetzen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Mit der dagegen gerichteten Beschwerde macht die Beschwerdeführerin geltend, dass die Ausweisung als systemrelevant einen schwerwiegenden Eingriff in ihre unternehmerische Tätigkeit darstelle, der nur auf Basis einer ausreichenden Rechtsgrundlage und einer vollständigen Sachverhaltsermittlung hätte erfolgen dürfen, diese Voraussetzungen jedoch nicht vorlägen. Die Bundesnetzagentur habe  nicht auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage entschieden. Der diesbezügliche Ermittlungsbedarf sei normbezogen zu bestimmen. Aus dem eindeutigen Wortlaut des § 13f Abs.1 S. 1 EnWG folge, dass die Systemrelevanz einzelner, spezifischer Anlagen individuell festzustellen sei. Die Ausweisungsentscheidung betreffe indes 22 Kraftwerke mehrerer Betreiber und sei einheitlich in einem insgesamt nur 14-seitigen Genehmigungsbeschluss ergangen, von denen nur fünf Seiten auf die eigentliche Begründung entfielen. Die Bundesnetzagentur habe die Ausweisung demnach unspezifisch und nicht aufgrund einer individuellen Sachverhaltsermittlung vorgenommen. Statt die Systemrelevanz der streitgegenständlichen Kraftwerksblöcke im Einzelfall darzulegen, beschränke sie sich auf pauschale Behauptungen über die Systemsicherheit, die theoretisch durch jede Schwankung auf der Erzeugerseite gefährdet werden könnte. Es fehle an einer Darlegung und Begründung, warum ausgerechnet die streitgegenständlichen Kraftwerksblöcke systemrelevant sein sollten. Insoweit hätte die Bundesnetzagentur einen Vergleich zwischen den verschiedenen in Betracht kommenden Gaskraftwerken durchführen und darlegen müssen, aus welchen Gründen sie einzelne Kraftwerke für systemrelevant halte.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Auch im Hinblick auf die Wahrscheinlichkeit einer Gefährdung oder Störung des Elektrizitätsversorgungssystems fehle es an einer zutreffenden Tatsachenermittlung. Die Bundesnetzagentur beschränke sich auf den Hinweis, dass die Systemanalyse der Übertragungsnetzbetreiber bereits eine umfassende Ermittlung der für die Ausweisung von Kraftwerken als systemrelevant erheblichen Tatsachen enthalte. Weder aus der Systemanalyse noch aus dem Bericht über die Feststellung des Bedarfs an Netzreserve für den Winter 2017/2018 ergebe sich jedoch, aus welchen Gründen gerade die streitgegenständlichen Kraftwerksblöcke systemrelevant sein sollten. Im Gegenteil würden diese Einheiten dort nicht einmal erwähnt. Somit fehle die zentrale Transferleistung zwischen der Systemanalyse und der Einstufung einzelner Kraftwerke als systemrelevant.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Mangels belastbarer Feststellungen seien auch die Prognosen, die die Bundesnetzagentur im Hinblick auf eine Störung der Gasversorgung und eine Gefährdung der Sicherheit des Elektrizitätsversorgungssystems angestellt habe, fehlerhaft. Die Argumentation der Bundesnetzagentur, wonach angesichts des überragenden öffentlichen Interesses an einer funktionierenden Stromversorgung an die Wahrscheinlichkeit eines Störungseintritts nur geringe Anforderungen zu stellen seien, gehe fehl. Da jeder örtliche Leistungsabfall in einer Regelzone eine kurzfristige Lastdeckung im vorgelagerten Übertragungsnetz erforderlich mache, könne dies nicht für eine Systemrelevanz ausreichen. Anderenfalls hätte der Gesetzgeber nicht die Ausweisung einzelner Kraftwerke vorgesehen, sondern alle Gaskraftwerke ab einer bestimmten Nennleistung für systemrelevant erklärt.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Für eine zutreffende Prognose fehle es bereits an einer Bestandsaufnahme des nationalen Gaskraftwerksparks. Es müsste durch die Darstellung und Auswertung der Kraftwerke ermittelt werden, inwieweit ein einzelner Ausfall zu einer Beeinträchtigung des Elektrizitätsversorgungssystems führen würde und dies durch eine gesicherte Gasversorgung des betreffenden Kraftwerks abgewendet werden könne. Diesbezüglich treffe der streitgegenständliche Beschluss keine Feststellungen. Aus den Gründen gehe nicht hervor, anhand welcher Bewertungsmethoden und aufgrund welcher Tatsachen die Einstufung der streitgegenständlichen Anlagen als systemrelevante Gaskraftwerke erforderlich gewesen sei. Dies wäre jedoch auch aus Gleichbehandlungsgesichtspunkten erforderlich gewesen. Die Beschlussgründe gingen auf Einwendungen anderer Betreiber ein, während ihre Argumentation keinen Niederschlag in der Begründung des streitgegenständlichen Beschlusses gefunden habe. Die angegriffene Entscheidung erscheine somit willkürlich.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Zudem müsse im Rahmen von § 13f Abs. 1 EnWG auch eine zutreffende Prognose betreffend die Wahrscheinlichkeit einer Unterbrechung der Gasversorgung angestellt werden. Es fehle jedoch an jeder nachvollziehbaren Begründung, warum ein Ausfall der Gasversorgung der streitgegenständlichen Kraftwerke drohen sollte. Insoweit könne sich die Bundesnetzagentur nicht auf einen Verweis auf die verfassungsgerichtlich festgestellte Bedeutung der Stromversorgung beschränken. Auch die Beteiligte sei in ihrem Ausweisungsantrag auf die Wahrscheinlichkeit einer Einschränkung der Gasversorgung der Anlagen der Beschwerdeführerin nicht eingegangen. Dies zeige, dass es der Bundesnetzagentur nicht auf eine ernsthafte Ermittlung angekommen sei. Vielmehr instrumentalisiere sie die gesetzliche Regelung als eine Art „Vorratshaltung“ neben den gesetzlichen Instrumenten der Netz- und Kapazitätsreserve.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Neben den Einwendungen gegen die formelle Rechtmäßigkeit hat die Beschwerdeführerin die Beschwerde auch darauf gestützt, dass die streitgegenständlichen Anlagen die Voraussetzungen für eine Ausweisung als systemrelevant auch in materieller Hinsicht nicht erfüllten. Bei Zugrundelegung der Argumentation der Beteiligten und der Bundesnetzagentur müsste die Gasversorgung der streitgegenständlichen Anlagen sichergestellt werden, damit diese im Fall einer Starkwind-Starklast-Situation Strom erzeugen könnten. Es stehe indes zu keinem Zeitpunkt im Jahr sicher fest, dass die Anlagen tatsächlich Strom erzeugten, der in das Elektrizitätsversorgungsnetz eingespeist werde. Das Heizkraftwerk werde wärmegeführt betrieben. Mangels leistungsfähiger Kühleinrichtungen könne Strom nur in dem Maße erzeugt werden, wie zugleich Wärme ins Fernwärmenetz oder in den Wärmespeicher abgeleitet werden könne. Eine Stromerzeugung komme nicht in Betracht, wenn die Ableitung nicht gesichert sei. Da sie über zusätzliche dezentrale, ölgefeuerte Spitzenheizkessel verfüge, mit denen die Wärmeversorgung ohne das Heizkraftwerk sichergestellt werden könne, könne flexibel abgeregelt, nicht dagegen spontan hochgefahren werden. Damit sei das Heizkraftwerk nicht ständig verfügbar, so dass es nicht systemrelevant sein könne.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Anlagen seien zudem nicht für eine Ausweisung als systemrelevant geeignet, weil sie für einen Brennstoffwechsel im Sinne des § 13f Abs. 2 S. 1 EnWG nicht in Betracht kämen. Mangels Möglichkeit zum Brennstoffwechsel könne das Kraftwerk im Bedarfsfalle nicht anders befeuert werden, so dass der Fortbetrieb des Kraftwerks im Falle einer Unterbrechung der Gasversorgung nicht sichergestellt werden könne.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Ferner verstoße die Dauer der Ausweisung gegen § 13f Abs. 1 S. 2 EnWG. Die Bundesnetzagentur habe den erforderlichen Umfang der Ausweisung nicht begründet. Der Ausweisungszeitraum sei willkürlich festgelegt worden. Der beantragte Zeitraum sei als erforderlich genehmigt worden, obwohl bei gleicher Datengrundlage im Rahmen von Stilllegungsanträgen für die dortige Systemrelevanz abweichende, kürzere Zeiträume als erforderlich genehmigt worden seien. Damit habe die Bundesnetzagentur sachfremde Erwägungen angestellt, da für die unterschiedlichen Zeiträume keine sachlichen Begründungen ersichtlich seien. Die streitgegenständliche Genehmigung lasse jede Prüfung und Auseinandersetzung mit der Verlängerung über weitere 24 Monate vermissen. Es sei offensichtlich, dass der Gesetzgeber wegen der mit der Ausweisung verbundenen schwerwiegenden Eingriffe keine endlose Perpetuierung der Ausweisung beabsichtigt habe.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Ausweisung als systemrelevant führe dazu, dass sie in ihren Planungen und Entscheidungen zur Fahrweise der Anlagen beschränkt und zur Aufrechterhaltung einer fossilen Stromerzeugung bei gleichzeitiger Umsetzung der Klimaziele der Energiewende gezwungen werde. Damit greife die Ausweisung in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen ein. Die Grundrechtsverletzung könne nicht nachträglich durch einen Mehrkostenausgleich kompensiert werden. Sie strebe einen Rückzug aus einer fossil befeuerten Wärmeerzeugung an, der ihr durch den streitgegenständlichen Bescheid ohne zutreffende Begründung unmöglich gemacht werde. Die Bundesnetzagentur erzwinge einen dauerhaften Betrieb der streitgegenständlichen Kraftwerksblöcke, der absehbar durch anderweitige sowie dezentrale Erzeugungsanlagen abgelöst werden solle. Dieser Zustand sei für sie auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten unzumutbar.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">In der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin geltend gemacht, infolge der erheblichen Begründungsdefizite des angegriffenen Beschlusses sei nicht davon auszugehen gewesen, dass die streitgegenständlichen Anlagen tatsächlich systemrelevant seien, so dass Anlass bestanden habe, gegen die Ausweisungsentscheidung Beschwerde einzulegen. Soweit die Bundesnetzagentur zu den materiellen Voraussetzungen für die Ausweisung im Laufe des Beschwerdeverfahrens näher vorgetragen habe, seien die Begründungsmängel jedenfalls erst im Laufe des Beschwerdeverfahrens behoben worden. Im Nachgang zur mündlichen Verhandlung regt die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 04.12.2018 an, die Versäumnisse der Bundesnetzagentur  im Verwaltungsverfahren im Rahmen der Kostenentscheidung gemäß § 155 Abs. 4 VwGO zu berücksichtigen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerdeführerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">den Genehmigungsbescheid der Bundesnetzagen-tur gemäß § 13 Buchst. f Abs. 1 S. 7 EnWG über systemrelevante Gaskraftwerke vom 29.09.2017 hinsichtlich seines Tenors zu 10. und zu 11. aufzuheben.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die Bundesnetzagentur beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">                                                                      die Beschwerde zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Die Genehmigung der Ausweisung der Anlagen der Beschwerdeführerin als systemrelevant sei formell und materiell rechtmäßig. Eine Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes liege nicht vor. Die in der angegriffenen Entscheidung in Bezug genommene Systemanalyse der Übertragungsnetzbetreiber enthalte eine umfassende Ermittlung der für die Ausweisung als systemrelevant erheblichen Tatsachen. Die Systemanalyse sei im Zeitpunkt des Erlasses der angegriffenen Entscheidung öffentlich einsehbar gewesen, so dass eine Bezugnahme hierauf ausgereicht habe. Einer Wiederholung der darin ermittelten und festgestellten Tatsachen habe es nicht bedurft. Auch ein Begründungsmangel liege nicht vor. In dem angegriffenen Bescheid sei ausgeführt worden, dass der Maßstab für die Bestimmung der durch eine Unterbrechung der Gasversorgung drohenden Gefährdung der Versorgungssicherheit über den (n-1)-Standard hinaus die Beherrschung von Mehrfachfehlern sei und es daher einer ausreichenden Redispatch-Leistung bedürfe. Darüber hinaus sei ausgeführt worden, dass auch Kraftwerke mit produktionsbedingter Fahrweise systemrelevant seien, da ihr Ausfall eine mittels Redispatch nicht mehr beherrschbare Erhöhung der vertikalen Netzlast zur Folge haben könne. Diese Begründung beziehe sich auch auf das streitgegenständliche Kraftwerk.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die Tatbestandsvoraussetzungen gemäß § 13f Abs. 1 S. 1, 2 und 7 EnWG für die Genehmigung der Ausweisung eines Kraftwerks als systemrelevant lägen im Hinblick auf das streitgegenständliche Kraftwerk vor. Ausweislich der Ergebnisse der Netzreservebedarfsfeststellung sowie der ihr zu Grunde liegenden Systemanalyse seien die streitgegenständlichen Anlagen zur Sicherstellung des (n-1)-Standards erforderlich. Nach der im Rahmen der Netzreservebedarfsfeststellung durchgeführten Marktsimulation speisten die streitgegenständlichen Anlagen in der bedarfs-dimensionierenden Stunde 113 jeweils 55 MW in das örtliche Verteilernetz ein. Entfiele diese Einspeisung aufgrund einer Unterbrechung der Gasversorgung, könne der (n-1)-Standard nicht eingehalten werden. Die vertikale Netzlast würde sich um 110 MB erhöhen, da der örtliche Verteilernetzbetreiber die weggefallene Leistung aus dem vorgelagerten Übertragungsnetz zur Lastdeckung beziehen müsste. In der simulierten Netzsituation, in der die Übertragungsnetzbetreiber bereits die maximal vorgehaltene Redispatch-Leistung einsetzten, um das Übertragungsnetz (n-1)-sicher zu betreiben, würde die Erhöhung der vertikalen Netzlast einen neuen Netzengpass verursachen, der wiederum durch den Einsatz von Redispatch verhindert werden müsste. Da in der betrachteten Netzsituation die gesamte verfügbare Redispatch-Leistung jedoch bereits im Einsatz und keine Leistung mehr verfügbar sei, um den zusätzlichen Bedarf abzudecken, läge im Fall der Nichtverfügbarkeit der streitgegenständlichen Anlagen eine Verletzung des (n-1)-Standards und damit eine nicht unerhebliche Gefährdung der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems vor.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Dieser Bewertung stehe das Vorbringen der Beschwerdeführerin zu den Besonderheiten der Fahrweise des streitgegenständlichen Kraftwerks nicht entgegen. Unabhängig davon, ob die Angaben zuträfen, sei davon auszugehen, dass die streitgegenständlichen Anlagen jedenfalls in der für die Systemrelevanzausweisung entscheidenden bedarfsdimensionierenden Stunde Strom erzeugten, denn dieser Zeitpunkt falle in den Winter, wenn der Wärmebedarf typischerweise am höchsten sei.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Unerheblich für die Einstufung als systemrelevant sei, ob die Vorkehrungen für einen Brennstoffwechsel tatsächlich drei Jahre bräuchten und damit den Zeitraum der Ausweisung überschritten. Da die Anlagen bereits ab 2015 als systemrelevant ausgewiesen worden seien, hätte die Beschwerdeführerin mit den Planungen für eine weitere Brennstoffoption längst beginnen können. Im Übrigen sei die Möglichkeit zum Brennstoffwechsel kein Tatbestandsmerkmal des § 13f Abs. 1 EnWG, sondern Rechtsfolge der Ausweisung als systemrelevant.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Die Möglichkeit einer Gefährdung oder Störung des Elektrizitätsversorgungssystems infolge eines Ausfalls des streitgegenständlichen Kraftwerks sei hinreichend wahrscheinlich im Sinne des § 13f Abs. 1 S. 1 EnWG. Gegeneinander abzuwägen seien das Gewicht der drohenden Rechtsgutbeeinträchtigung und des möglichen Grundrechtseingriffs. Die mit dem Eingriff in den Betrieb des Kraftwerks verbundene Beeinträchtigung sei nicht gravierend, denn die Umstellung der Brennstoffversorgung stehe unter der Bedingung der Zumutbarkeit und werde finanziell vollständig kompensiert. Demgegenüber stehe als gefährdetes Rechtsgut die Sicherheit der Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität. Im Falle einer Störung reiche das mögliche Spektrum der eintretenden Schäden von einer noch kontrollierbaren lokalen Lastabschaltung bis hin zu kaskadierenden, nicht mehr kontrollierbaren Stromausfällen über mehrere Regelzonen oder Staaten, so dass die Abwägung zu Gunsten der Versorgungssicherheit ausfallen müsse.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">§ 3 Abs. 2 S. 1 der Netzreserveverordnung (NetzResV) gebe das Prüfprogramm für die Erstellung der Prognose der Gefährdung der Versorgungssicherheit vor. Danach sei die Systemanalyse der Übertragungsnetzbetreiber zu prüfen, die ihrerseits die gesicherten Erzeugungskapazitäten, deren wahrscheinliche Entwicklung und den eventuellen Bedarf an Netzreservekapazität zu berücksichtigen hätten. Die bestätigte und in dem angegriffenen Beschluss in Bezug genommene Systemanalyse beruhe auf aufwändigen Marktsimulationen, die ein geeignetes Instrument zur Erstellung der Gefährdungsprognose seien. Der Umstand, dass eine kritische Versorgungssituation bisher lediglich im Winter 2012 eingetreten sei, stehe der Richtigkeit der Prognose nicht entgegen. Angesichts der herausragenden Bedeutung der Versorgungssicherheit reiche für die Ausweisung als systemrelevantes Kraftwerk bereits eine niedrige Wahrscheinlichkeit aus.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Umfang und Zeitraum der Ausweisung seien gleichfalls rechtmäßig. Auch wenn die Netto-Nennleistung der streitgegenständlichen Blöcke jeweils 75 MW betrage und ausweislich der Systemanalyse beide Blöcke in der bedarfsdimensionierenden Stunde jeweils nur mit einer Teilleistung von 55 MW betrieben würden, sei es erforderlich, die Ausweisung auf die vollständige Netto-Nennleistung zu erstrecken. Die Ausweisung einer Teilleistung komme nicht in Betracht, da eine Abgrenzung zwischen einem systemrelevanten und einem nicht systemrelevanten Teil desselben Kraftwerkblocks technisch nicht möglich sei.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Der zeitliche Rahmen der Ausweisung sei gleichfalls rechtsfehlerfrei bestimmt worden. Die Ausweisung für die Dauer von 24 Monate sei nach den Ergebnissen der Netzreservebedarfsfeststellung erforderlich. Zusätzlich zum Winterhalbjahr 2017/2018 sei darin der Netzreserve- bzw. Redispatch-Bedarf auch für den Zeitraum vom 01.04.2018 bis zum 31.03.2019 nach Prüfung der entsprechenden Systemanalysen der Übertragungsnetztreiber festgestellt worden. Aus der Marktsimulation gehe hervor, dass die beiden Kraftwerksblöcke in der bedarfsdimensionierenden Stunde ebenfalls mit einer Leistung von 55 MW in Betrieb seien. Damit sei die Ausweisung als systemrelevant über den 31.03.2019 hinaus bis zum Ablauf des beantragten Ausweisungszeitraums am 21.11.2019 erforderlich. Insoweit reiche es aus, dass mittels der Netzreservebedarfsfeststellung bzw. der zu Grunde liegenden Systemanalyse der Nachweis geführt worden sei, dass die Anlage innerhalb des beantragten Ausweisungszeitraums in einer Stunde zum Einsatz kommen könne. Dieser Nachweis könne nicht gesondert für jeden Tag innerhalb des beantragten Zeitraums geführt werden, denn dies hätte einen unsachgemäßen und unverhältnismäßigen Begründungs- und Prüfungsaufwand zur Folge.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Es komme entgegen der Rechtsauffassung der Beschwerdeführerin auch nicht darauf an, inwieweit eine gesicherte Gasversorgung der streitgegenständlichen Anlagen eine Beeinträchtigung des Elektrizitätsversorgungssystems abwenden könnte, sondern ob eine Einschränkung der Gasversorgung eine Gefährdung oder Störung zur Folge hätte. Rechtsfehlerhaft gehe die Beschwerdeführerin zudem davon aus, dass für die Bestätigung der Ausweisung einer Anlage als systemrelevant die Wahrscheinlichkeit einer Unterbrechung der Gasversorgung korrekt prognostiziert werden müsse. Ob eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für einen Wegfall der Gasversorgung bestehe, sei nach dem klaren Wortlaut der Vorschrift nicht Gegenstand der Prüfung. Die Einschränkung der Gasversorgung werde vielmehr bei der Prüfung der Systemrelevanz vorausgesetzt.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Auch die Beteiligte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">                                                        die Beschwerde zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Die formellen und materiellen Einwendungen der Beschwerdeführerin seien unbegründet. Die streitgegenständliche Genehmigung der Ausweisung sei formell und materiell rechtmäßig. Die Bundesnetzagentur habe den Sachverhalt ordnungsgemäß ermittelt und die Genehmigung hinreichend begründet. Sie habe auf die Systemanalyse der Übertragungsnetzbetreiber verweisen dürfen, die vor Erlass des Bescheids öffentlich verfügbar gewesen sei.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Das streitgegenständliche Heizkraftwerk sei systemrelevant im Sinne des § 13f EnWG. Das Übertragungsnetz sei insbesondere im Winterhalbjahr erheblich belastet, da die Übertragungskapazität nicht ausreiche, um den im Norden Deutschlands erzeugten Strom aus regenerativen Energiequellen zu den Verbrauchszentren im Süden zu transportieren. Die zusätzlichen Belastungen des Übertragungsnetzes erhöhten den Bedarf an netzstabilisierenden Maßnahmen, insbesondere an Redispatch. Bei einem Ausfall des Kraftwerks infolge einer eingeschränkten Gasversorgung stünden ihr weniger Anlagen als Redispatch-Potential zur Verfügung, um Netzengpässe zu beheben. Die streitgegenständlichen Anlagen würden für die Planung des Redispatch-Bedarfs berücksichtigt. Überdies folge die Systemrelevanz auch daraus, dass sich bei einem Ausfall des streitgegenständlichen Kraftwerks die vertikale Netzlast erhöhen würde. Fiele die durch das Kraftwerk erzeugte Elektrizität weg, müssten andere Erzeugungsanlagen diesen Verlust kompensieren und würden das Übertragungsnetz zusätzlich belasten.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Die Betriebsweise des Heizkraftwerks stehe seiner Ausweisung als systemrelevant nicht entgegen. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, es stehe zu keiner Zeit sicher fest, dass die Anlage Strom erzeugen könne, sei zurückzuweisen. Unter Berücksichtigung der öffentlich zugänglichen Informationen sei bereits fraglich, ob die Stromerzeugung für das Kraftwerk tatsächlich von untergeordneter Bedeutung sei. Dies sei jedenfalls für die Frage der Systemrelevanz nicht maßgeblich. Entscheidend sei, dass die Anlage das Redispatchpotential grundsätzlich erhöhe und für entsprechende Planungen berücksichtigt werde. Da der Wegfall des Heizkraftwerks nachteilige netztechnische Wirkungen hervorrufen könne, sei die Anlage unabhängig von ihrem jeweiligen Betriebsmodus systemrelevant.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Unerheblich sei auch, ob ein Brennstoffwechsel in Betracht komme, denn die Pflicht zur Vornahme eines Brennstoffwechsels sei keine Voraussetzung, sondern die Rechtsfolge einer Ausweisung als systemrelevant.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Es müsse zudem berücksichtigt werden, dass die Beschwerdeführerin die früheren Ausweisungen als systemrelevant offenbar für rechtmäßig gehalten und sie jedenfalls nicht angegriffen habe. Die technische und regulatorische Situation habe sich nicht grundlegend geändert. Die Beschwerdeführerin müsse sich somit an ihrem früheren Verhalten festhalten lassen, die Anfechtung der streitgegenständlichen Genehmigung sei widersprüchlich.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Der Umfang der Ausweisung sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Im Zeitpunkt der Ausweisung habe ein Bedarf an Netzreserveanlagen zur Behebung kritischer Netzsituationen bestanden. Der in Deutschland verfügbare Kraftwerkspark habe nicht ausgereicht, um kritische Situationen zu beheben. Bei einer nur teilweisen Ausweisung des streitgegenständlichen Heizkraftwerks als systemrelevant hätte sich der Bedarf an Netzreserveanlagen im In- und Ausland nochmals erhöht und wäre die vertikale Netzlast nachteilig betroffen gewesen.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Die Dauer der Ausweisung sei gleichfalls rechtsfehlerfrei bestimmt worden. Die unterschiedlichen Zeiträume der Ausweisung nach § 13b und 13f EnWG seien gesetzeskonform. Die Ausweisungen verliefen nicht zeitlich parallel, sondern die unterschiedlichen Endpunkte seien im Gesetz angelegt, abhängig von dem geplanten Stilllegungstermin bzw. dem Antrag auf Ausweisung als systemrelevant. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin sei die 24-Monatsfrist des § 13f EnWG nicht dadurch überschritten worden, dass sich die Ausweisung im Jahr 2017 nahtlos an die Ausweisungen der Jahre 2013 und 2015 angeschlossen habe. Zurückzuweisen sei insbesondere das Argument, dass bereits im Jahr 2015 eine Analyse hätte vorgelegt werden müssen, aus der sich hätte ergeben müssen, aus welchen Gründen das Kraftwerk länger als 24 Monate systemrelevant sein solle. Ebenso wie § 13c EnWG a.F. solle § 13f EnWG sicherstellen, dass nach jedem 24-Monatszeitraum die Systemrelevanz eines Gaskraftwerks neu geprüft werde. Diese Prüfung sei im Jahr 2017 bezogen auf die kommenden 24 Monate für das streitgegenständliche Heizkraftwerk erfolgt.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Etwaige Verfahrensfehler wären darüber hinaus nach § 46 VwVfG unbeachtlich. Selbst wenn die von der Beschwerdeführerin gerügten Verfahrensfehler vorlägen, könnten sie nicht zur Nichtigkeit der Genehmigung führen, da sie weder besonders schwerwiegend noch offensichtlich im Sinne des § 44 Abs. 1 VwVfG wären. Zudem hätten sie sich ersichtlich nicht auf das Ergebnis der Genehmigung ausgewirkt.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze mit Anlagen, den beigezogenen Verwaltungsvorgang und das Protokoll der Senatssitzung Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">                                                                                    <strong><span style="text-decoration:underline">B.</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Beschwerde ist aus den mit den Verfahrensbeteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 07.11.2018 erörterten Gesichtspunkten unbegründet. Die angegriffene Genehmigung der Ausweisung des streitgegenständlichen Heizkraftwerks als systemrelevant ist formell und materiell rechtmäßig.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">I.</span></strong> Die Bundesnetzagentur hat den Sachverhalt unter Wahrung des Amtsermittlungsgrundsatzes und Beachtung der Sachaufklärungspflicht ordnungsgemäß ermittelt und ihre Entscheidung ausreichend begründet. Die von der Beschwerdeführerin dagegen erhobenen Einwendungen greifen nicht durch.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">1.</span></strong> Die Bundesnetzagentur ist verpflichtet, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln. Trotz des Wortlauts des § 68 EnWG, der der Behörde ein Ermittlungsermessen einzuräumen scheint, besteht aufgrund des subsidiär anzuwendenden § 24 VwVfG eine Sachaufklärungspflicht (Wende, in: Säcker, Berliner Kommentar zum Energierecht, 4. Aufl., § 78 EnWG, Rn. 3). Dabei ist der Ermittlungsbedarf normbezogen zu bestimmen, worauf die Beschwerdeführerin zu Recht hinweist. Für die Feststellung der Systemrelevanz eines Gaskraftwerks ist somit maßgeblich, ob eine Einschränkung der Gasversorgung dieser Anlage mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einer nicht unerheblichen Gefährdung oder Störung der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems führt.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Diesem Ermittlungs- und Prüfungsauftrag ist die Bundesnetzagentur hinreichend nachgekommen. Sie hat sich in dem angegriffenen Bescheid auf ihre Reservebedarfsfeststellung sowie die dieser zugrunde liegende Systemanalyse der Übertragungsnetzbetreiber bezogen. Darin sind die für die Beurteilung der Systemrelevanz maßgeblichen Tatsachen ermittelt und bewertet worden. Insbesondere werden darin Feststellungen zu dem Bedarf an Erzeugungs- bzw. Reservekapazität getroffen, die verfügbar sein muss, um kritische Netzsituationen zu beheben. Für die streitgegenständliche Genehmigung durfte die Bundesnetzagentur auf diese Erkenntnisse zurückgreifen und war nicht gehalten, erneut dieselben Ermittlungen anzustellen. Vielmehr reichte eine Bezugnahme auf die öffentlich zugänglichen Unterlagen aus.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Die von den Übertragungsnetzbetreibern durchgeführte Systemanalyse enthält entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin eine umfassende Ermittlung der für die Ausweisung von Kraftwerken als systemrelevant erheblichen Tatsachen, insbesondere eine umfangreiche Darstellung der im Winter 2017/2018 und im Winter 2018/2019 erwarteten Elektrizitätserzeugungskapazitäten sowie der zu diesen Zeitpunkten bestehenden bzw. erwarteten Situation im Übertragungsnetz. Daraus ermittelt sich der Bedarf an Erzeugungskapazität, die zur Behebung kritischer Netzsituationen und damit für die Netzstabilisierung erforderlich ist. Die Bundesnetzagentur hat die Systemanalyse nachvollzogen, die Ergebnisse plausibilisiert und sodann bestätigt. Eine erneute Feststellung der zur Beurteilung der Systemrelevanz erheblichen Tatsachen war nicht geboten.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Insbesondere war die Bundesnetzagentur nicht gehalten, weitere Ermittlungen betreffend den gesamten deutschen Kraftwerkspark vorzunehmen und entsprechende Feststellungen zu treffen. Im Hinblick auf das streitgegenständliche Heizkraftwerk hatte die Bundesnetzagentur zu entscheiden, ob die beantragte Ausweisung als systemrelevant zu genehmigen war. Insofern hatte sie die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 13f EnWG zu prüfen und zu untersuchen, ob und wie sich die Nichtverfügbarkeit der GuD-Anlagen dieses Kraftwerks auf die Elektrizitätsversorgung auswirken würde. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin war die Bundesnetzagentur nicht verpflichtet, zum Zwecke dieser Ermittlung den gesamten deutschen Kraftwerkspark in den Blick zu nehmen. Gegenstand der Ermittlungen war allein, ob bei einer Versorgungsunterbrechung derjenigen Kraftwerke, deren Ausweisung als systemrelevant die Beteiligte beantragt hatte, eine Gefährdung der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems eintritt. Im Hinblick auf das streitgegenständliche Heizkraftwerk war somit zu untersuchen, wie sich dessen Versorgungsunterbrechung auf die Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungsystems auswirken würde. Dies hat die Bundesnetzagentur durch Bezugnahme auf die Reservebedarfsfeststellung und die Systemanalyse getan.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Soweit die Bundesnetzagentur in dem streitgegenständlichen Bescheid eine Internetadresse eingefügt hat, die nicht zur Systemanalyse der Übertragungsnetzbetreiber führte, begründet dies keinen Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz. Die Verwendung einer falschen Internetadresse stellt eine redaktionelle Unrichtigkeit dar, die jederzeit berichtigt werden kann. Der Fehler hinderte zudem nicht daran, die Systemanalyse aufzufinden. Dieses war durch geringe Rechercheleistungen ohne weiteres möglich. Es musste keine individuelle Bekanntgabe an die Beschwerdeführerin erfolgen, denn sowohl die Systemanalyse als auch ihre Bestätigung durch die Bundesnetzagentur waren im Zeitpunkt des Erlasses der hier angegriffenen Entscheidung öffentlich einsehbar.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">2.</span></strong> Zurückzuweisen ist auch der Einwand der Beschwerdeführerin, der Beschluss  leide an formellen Begründungsmängeln. Für den Umfang der Begründung ist § 39 VwVfG heranzuziehen (Theobald/Werk, in: Danner/Theobald, EnergieR, 98. EL 2018, § 73 Rn. 13). Danach hat die Behörde die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die ihrer Entscheidung zugrunde liegen. Dies umfasst neben den die Entscheidung tragenden Erwägungen auch die erheblichen entgegenstehenden Argumente von Betroffenen und Beteiligten (Bruhn, in Säcker: Berliner Kommentar zum Energierecht, 4. Aufl., § 73 EnWG, Rn. 6).</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Diesen Anforderungen genügt die angegriffene Entscheidung. Die Ausführungen geben die maßgeblichen rechtlichen Erwägungen zu sämtlichen tatbestandlichen Voraussetzungen des § 13f Abs. 1 EnWG wieder. Insbesondere wird deutlich, welchen Maßstab die Bundesnetzagentur für die Bestimmung der Gefährdung der Versorgungssicherheit anlegt und welchen Grad an Eintrittswahrscheinlichkeit sie für erforderlich hält. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin erfolge auch eine ausreichende Subsumtion unter die Genehmigungsvoraussetzungen. Unter Ziffer 2. A) legt die Bundesnetzagentur dar, dass sie hinsichtlich aller Anlagen, deren Ausweisung als systemrelevantes Kraftwerk sie genehmigt, die Systemrelevanz entweder bereits im Hinblick auf das Verfügbarkeitserfordernis für den Redispatch-Bedarf oder jedenfalls wegen der negativen Auswirkungen eines Ausfalls auf die vertikale Netzlast bejaht.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin stellt es keinen Begründungsmangel dar, dass es insoweit an einer „anlagenscharfen“ Darstellung fehlt. Vielmehr ist die einheitliche, nicht zwischen den einzelnen Anlagen differenzierende Darstellung sachlich durch den materiellen Begründungsansatz  veranlasst. Aus den Gründen ergibt sich eindeutig, dass die Systemrelevanz unterschiedslos für alle Anlagen entweder bereits aus dem erstgenannten Gesichtspunkt folgt – Anlage dient als Redispatch-Potential – oder jedenfalls wegen der netztechnischen Auswirkungen einer Versorgungsunterbrechung zu bejahen ist.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Zurückzuweisen ist auch das Vorbringen der Beschwerdeführerin, ihre im Verwaltungsverfahren vorgebrachten Argumente seien nicht beachtet und gewürdigt worden. Die Bundesnetzagentur ist bereits nicht verpflichtet, jeden einzelnen im Verwaltungsverfahren vorgetragenen Gesichtspunkt im Rahmen einer Beschlussbegründung zu erörtern, sondern das Begründungserfordernis erstreckt sich nur auf die erheblichen Gegenargumente. Dass die Bundesnetzagentur Einwendungen, die sich auf die Fahrweise eines Kraftwerks oder die fehlende Möglichkeit zum Brennstoffwechsel beziehen, nicht für erheblich gehalten hat, ergibt sich aus dem gewählten Begründungsansatz. Sowohl für die Eignung eines Kraftwerks, zum Redispatch herangezogen zu werden, als auch hinsichtlich der Auswirkungen eines Versorgungsausfalls auf die vertikale Netzlast spielen beide Umstände keine Rolle. Dass die Bundesnetzagentur darauf nicht explizit eingegangen ist, stellt keinen Begründungsmangel dar.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Auch wenn eine ausführlichere Auseinandersetzung insbesondere mit den Feststellungen und Ergebnissen der Systemanalyse und deren Bedeutung für die Ausweisung als systemrelevant das Verständnis der Beschlussgründe erleichtert und gegebenenfalls die Akzeptanz der Entscheidung erhöht hätte, wird die Begründung im Ergebnis auch dem Anspruch gerecht, dass sie dem Betroffenen und dem Beschwerdegericht eine Überprüfung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht ermöglichen soll (vgl. Hanebeck, in: Britz/Hellermann/Hermes, EnWG, 3. Aufl., § 73, Rn. 8).Indem die Beschlussgründe sich zu den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 13f EnWG verhielten und eine Bezugnahme auf die Systemanalyse erfolgte, war die Beschwerdeführerin – ebenso wie der Senat - in der Lage, die rechtlichen Erwägungen sowie die Feststellungen der Bundesnetzagentur zur Systemrelevanz der streitgegenständlichen Anlagen anhand der Ergebnisse der Systemanalyse nachzuvollziehen und zu bewerten.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Schließlich weist die Beteiligte zu Recht darauf hin, dass auch bei Ausführungen, die den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Begründung nicht mehr genügen, die Beschwerdeführerin gemäß § 46 VwVfG nicht allein deswegen die Aufhebung der Entscheidung nur wegen dieses Verfahrensfehlers begehren kann. Die Bundesnetzagentur hat die Entscheidung, die streitgegenständlichen Anlagen als systemrelevant auszuweisen, unabhängig von dem für erforderlich gehaltenen  Begründungsaufwand getroffen.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">II.</span></strong> Der angegriffene Bescheid ist auch materiell rechtmäßig. Die Bundesnetzagentur hat die Ausweisung des streitgegenständlichen Kraftwerks als systemrelevant durch die Beteiligte zu Recht genehmigt, denn die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 13 f Abs. 1 S. 1 und 2 EnWG sind erfüllt. Der Senat geht auch unter Berücksichtigung der Ausführungen der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung, in der die formelle Rechtmäßigkeit des Beschlusses im Vordergrund stand, davon aus, dass die Beschwerdeführerin ihre in der Beschwerdebegründung dagegen erhobenen Einwendungen aufrecht erhält und eine Überprüfung durch den Senat begehrt.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">1.</span></strong> Die von § 13f Abs. 1 EnWG für eine Ausweisung als systemrelevant vorausgesetzte Gefährdung der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems liegt gemäß § 13 Abs. 4 EnWG vor, wenn örtliche Ausfälle des Übertragungsnetzes oder kurzfristige Netzengpässe zu besorgen sind oder zu besorgen ist, dass die Haltung von Frequenz, Spannung oder Stabilität durch die Betreiber von Übertragungsnetzen nicht im erforderlichen Maße gewährleistet werden kann. Eine Gefährdung setzt nicht voraus, dass die in § 13 Abs. 4 EnWG beschriebenen Situationen tatsächlich aufgetreten sind. Vielmehr genügt es, dass eine Gefährdung einträte, wenn keine Gegenmaßnahmen ergriffen würden. Der Annahme einer Gefährdungssituation steht zudem nicht entgegen, dass der zuständige Netzbetreiber die Situation mit dem ihm zur Verfügung stehenden Instrumentarium beherrschen kann. Die Schwelle für die Annahme einer Gefährdung ist niedrig anzusetzen. Es genügt eine hypothetische Gefährdungssituation, die nur dann tatsächlich gefährlich wäre, wenn das Instrumentarium gemäß § 13 Abs. 1 und Abs. 2 EnWG nicht zur Verfügung stünde (vgl. König, in: Säcker, Berliner Kommentar zum Energierecht, § 13 EnWG, 4. Aufl., Rn. 122).</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Die Begriffe „Sicherheit und Zuverlässigkeit“ beschreiben den Systemzustand des Elektrizitätsversorgungsnetzes, in dem das Netz unter Einhaltung des so genannten (n-1)-Standards betrieben werden kann. Eine entsprechende Verpflichtung der Übertragungsnetzbetreiber, einen (-1)-sicheren Netzbetrieb zu gewährleisten, ergibt sich aus Art. 32 Abs. 1 und 2 i.V.m. Art. 35 Abs. 3 der Verordnung (EU) 2017/1485 vom 02.08.2017. Dieses Sicherheitskriterium ist nur erfüllt, wenn bei Ausfall eines Betriebsmittels der Netzbetreiber mit den verbleibenden Mitteln sein Netz weiterhin innerhalb der technischen Sicherheitsgrenzwerte betreiben kann. Dies setzt voraus, dass der infolge des Ausfalls geänderte Leistungsfluss nicht zu Überlastungen und damit zum Ausfall weiterer Netzbetriebsteile führt. Gemäß § 2 Abs. 2 S. 3 NetzResV sind die Übertragungsnetzbetreiber zudem verpflichtet, über die Einhaltung des (n-1)- Standards hinaus auch Mehrfachfehler angemessen zu berücksichtigen. Der Netzbetrieb muss damit auch im Fall eines Mehrfachfehlers innerhalb der technischen Sicherheitsgrenzwerte weiterbetrieben werden können.</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Systemrelevant ist eine Anlage demnach dann, wenn sie zur Gewährleistung eines diesem Standard entsprechenden, zulässigen Betriebszustands in charakteristischen Krisensituationen, d.h. zur Spannungshaltung oder Frequenzsicherung erforderlich ist und ihre zeitweise Nichtverfügbarkeit dazu führt, dass dieser Standard nicht mehr aufrechterhalten werden kann.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">2.</span></strong> Diese Voraussetzung ist im Hinblick auf das streitgegenständliche Kraftwerk zu bejahen. Die Systemrelevanz ergibt sich zum einen daraus, dass das Kraftwerk im Rahmen des Redispatch-Potentials berücksichtigt wird, zum anderen aus der Erhöhung der vertikalen Netzlast und damit zugleich des Redispatch-Bedarfs im Falle einer Unterbrechung der Gasversorgung.</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">2.1.</span></strong> Welche konventionellen Kraftwerke eingesetzt werden müssen, damit die Übertragungsnetzbetreiber das Übertragungsnetz nach Maßgabe der genannten Anforderungen betreiben können, ergibt sich aus dem Bericht der Bundesnetzagentur über die Feststellung des Netzreservebedarfs, dem die geprüfte und bestätigte Systemanalyse der Übertragungsnetzbetreiber zugrunde liegt.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Gemäß § 3 Abs. 1 S. 4 NetzResV prüft und bestätigt die Bundesnetzagentur den Bedarf an Erzeugungskapazität für die Netzreserve. Grundlage der Prüfung ist eine von den Betreibern der Übertragungsnetze jährlich gemeinsam erstellte Analyse der verfügbaren gesicherten Erzeugungskapazitäten, ihrer wahrscheinlichen Entwicklung im Hinblick auf das jeweils folgende Winterhalbjahr sowie mindestens eines der weiteren darauf folgenden vier Betrachtungsjahre und des eventuellen Bedarfs an Netzreserve (Systemanalyse).</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Im Rahmen der Netzreservefeststellung prüft und entscheidet die Bundesnetzagentur, ob die von den Übertragungsnetzbetreibern berechnete Leistung des vorzuhaltenden Redispatch-Bedarfs aus deutschen und ggfs. ausländischen Marktkraftwerken und nicht mehr am Markt geführten Netzreservekraftwerken zur (n-1)-sicheren Beherrschung einer kritischen Netzbelastungssituation zutreffend ermittelt wurde (vgl. Feststellung des Bedarfs an Netzreserve für den Winter 2017/2018 sowie das Jahr 2018/2019 und zugleich Bericht über die Ergebnisse der Prüfung der Systemanalyse vom 28.07.2017, Anlage BG 9, S. 9, 37,38, 52-56). Die nach den durch die Netzreservebedarfsfeststellung bestätigten Erkenntnissen und Ergebnissen der Systemanalyse mögliche Gefahrenbeurteilung ist im Rahmen der Prüfung der Systemrelevanz im Sinne des § 13f Abs. 1 S. 3 EnWG heranzuziehen (vgl. auch Begründung zum Strommarktgesetz, BT-Drs. 18/7317, S. 101).</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">Die dem Verfahren der Systemanalyse zugrunde liegenden Annahmen, Parameter und Methoden stimmen die Übertragungsnetzbetreiber mit der Bundesnetzagentur ab. Hierzu gehören insbesondere auf Erfahrungswerten der Übertragungsnetzbetreiber beruhende Annahmen betreffend die Stromnachfrage in Deutschland und dem benachbarten Ausland, die installierte Leistung aus konventionellen und Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien sowie die planmäßige und ungeplante Nichtverfügbarkeit von Kraftwerken. Auf der Basis dieser Eingangsgrößen wird eine Marktsimulation über einen Zeitraum von 168 Stunden durchgeführt und dadurch ermittelt, welche Kraftwerke während des beobachteten Zeitraums marktgetrieben zur Deckung des nicht durch die Einspeisung von Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien abgedeckten Teils der Gesamtnachfrage einspeisen. In der sich anschließenden Netzanalyse wird untersucht, wie stark das Übertragungsnetz während jeder Stunde des beobachteten Zeitraums bei der unterstellten Einspeisung belastet wird und in welchem Umfang Redispatchmaßnahmen erforderlich wären, um das Netz in der kritischsten Netzsituation, der sog. bedarfsdimensionierenden Stunde, (n-1)-sicher zu betreiben.</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Zu kritischen Situationen kommt es insbesondere, wenn hohe Leistungsflüsse von Nord- nach Süddeutschland vorherrschen. Derartige Leistungsflüsse treten vor allem im Winter und insbesondere dann auf, wenn Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energie im Norden Deutschlands hohe Energiemengen einspeisen, während im Süden Deutschlands hohe Elektrizitätsmengen nachgefragt werden (Starkwind-Starklast-Szenario). Es besteht dann die Gefahr, dass Betriebsmittel im Übertragungsnetz thermisch überlastet werden. In diesen Situationen müssen die Übertragungsnetzbetreiber Ausgleichsmaßnahmen vornehmen, ohne die weiträumige Engpässe im Übertragungsnetz, insbesondere in Nord-Süd-Richtung, aufträten.</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">2.2.</span></strong> Eine nicht unerhebliche Gefährdung der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems bei Einschränkungen der Gasversorgung des streitgegenständlichen Kraftwerks folgt zunächst daraus, dass ohne die Anlagen zu wenig Redispatch-Kapazität im süddeutschen Raum zur Verfügung stünde, um einen (n-1)-sicheren Netzbetrieb zu gewährleisten.</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">2.2.1.</span></strong> Die Systemanalyse der Übertragungsnetzbetreiber weist im Starkwind-Starklast-Szenario für den Winter 2017/2018 sowie den Winter 2018/2019 einen Bedarf an Netzreserveanlagen aus, die erforderlich sind, um ausreichend Redispatch-Potential für die Behebung kritischer Situationen gewährleisten zu können, damit das Netz auch dann (n-1)-sicher sowie unter Beachtung von Mehrfachfehlern betrieben werden kann. Für den Winter 2018/2019 weist die Systemanalyse darüber hinaus sogar eine erforderliche ausländische Reservekraftwerkskapazität i.H.v. 2,1 GW aus. Zum Zeitpunkt der Erstellung der Analyse war noch nicht absehbar, ob es gelingen würde, im Sommer 2018 ein Engpass-Management an der deutsch-österreichischen Grenze einzuführen, durch das der Bedarf an Netzreserve mit deutschen Kraftwerken gedeckt werden kann. Im Winter 2017/2018 mussten die Übertragungsnetzbetreiber ausländische Reservekraftwerke zur Netzstabilisierung heranziehen. Die Nichtverfügbarkeit von redispatchfähigen Kraftwerken, zu denen auch die streitgegenständliche Anlage gehört, würde den Bedarf an Netzreserve zusätzlich vergrößern.</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Die Übertragungsnetzbetreiber haben in der Systemanalyse 2017 für das Winterhalbjahr 2017/2018 einen Redispatch-Bedarf von 13,9 GW in der bedarfsdimensionierenden Stunde 113 der Marktsimulation ausgewiesen, den die Bundesnetzagentur nach Prüfung bestätigt hat (Netzreservebedarfsfeststellung 2017/2018, S. 53). Die Kraftwerksblöcke des streitgegenständlichen Kraftwerks tragen ausweislich der von den Übertragungsnetzbetreibern ermittelten Einspeisedaten in der bedarfsdimensionierenden Stunde 113 jeweils mit einer Einspeisung von 55 MW in das örtliche Verteilernetz zur Lastdeckung bei (Abschlussbericht Systemanalyse, S. 7, 83 ff., 107 ff. (Anlage B 8) in Verbindung mit  Einspeisedaten Zeile 121 der Anlage BG 1).</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">Diese Ergebnisse der Marktsimulation, die die Beschwerdeführerin nicht in Abrede stellt, belegen die Systemrelevanz des streitgegenständlichen Kraftwerks. Danach werden die redispatchfähigen Erzeugungskapazitäten in Süddeutschland <strong>einschließlich des streitgegenständlichen Kraftwerks</strong> benötigt, um kritische Netzsituationen zu beheben. Die Nichtverfügbarkeit der Anlage würde das Potential für Redispatch- Maßnahmen reduzieren, so dass die Beteiligte kritische Netzsituation nur mit zusätzlichen Maßnahmen beheben könnte.</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">2.2.2.</span></strong> Die Systemrelevanz ergibt sich des Weiteren daraus, dass sich bei einer unterbrechungsbedingten Nichtverfügbarkeit des an das Verteilernetz der B. angeschlossenen Kraftwerks die vertikale Netzlast als Summe aller Übergaben aus dem Übertragungsnetz zu Verteilernetz und Endverbrauchern erhöhen würde. Bei einem Ausfall des Kraftwerks mangels ausreichender Brennstoffversorgung müsste die in der Anlage erzeugte Elektrizität anderweitig beschafft und hierfür das Übertragungsnetz in Anspruch genommen werden. Fiele die Einspeisung der streitgegenständlichen Kraftwerksblöcke in das Verteilernetz in Höhe von jeweils 55 MW infolge einer Versorgungsunterbrechung weg, würde sich die vertikale Netzlast entsprechend um 110 MW erhöhen, denn der örtliche Verteilernetzbetreiber müsste die Leistung aus dem Übertragungsnetz beziehen. In einer kritischen Situation, in der die Übertragungsnetzbetreiber bereits die maximal vorgehaltene Redispatch-Leistung einsetzen müssen, um das Übertragungsnetz (n-1)-sicher betreiben zu können, hätte die Erhöhung der vertikalen Netzlast einen weiteren Netzengpass zur Folge, der wiederum den Bedarf an Redispatch vergrößern würde. Bei einer vollständigen Ausreizung der zur Verfügung stehenden Redispatch-Leistung wäre keine weitere Leistung mehr verfügbar, um diesen zusätzlichen Bedarf abzudecken, so dass eine Verletzung des (n-1)-Standards und damit eine Gefährdung der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems eintreten würde. Diese wäre auch nicht unerheblich, denn es kann – worauf die Bundesnetzagentur unwidersprochen hinweist - nicht nur zu lokal begrenzten und damit beherrschbaren, sondern auch zu kaskadierenden und unkontrollierten Stromausfällen kommen.</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">Zurückzuweisen ist die Argumentation der Beschwerdeführerin, wonach jeder örtliche Leistungsabfall eine kurzfristige Lastdeckung im vorgelagerten Übertragungsnetz erforderlich mache, so dass dies für die Annahme der Systemrelevanz eines Kraftwerks nicht ausreichen könne. Insoweit verkennt sie, dass es nicht allein darauf ankommt, ob eine kurzfristige Lastdeckung im vorgelagerten Übertragungsnetz Folge eines örtlichen Leistungsabfalls ist, sondern ob die Lastdeckung im vorgelagerten Übertragungsnetz zu einer nicht unerheblichen Gefährdung oder Störung der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems führen kann. Dies ist nicht bei jedem Gaskraftwerk der Fall, sondern betrifft in bestimmten netzkritischen Situationen die in dem streitgegenständlichen Beschluss ausgewiesenen süddeutschen Kraftwerke, zu denen die Anlagen der Beschwerdeführerin gehören.</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">2.3.</span></strong> Der Systemrelevanz steht weder die von der Beschwerdeführerin vorgetragene Betriebsweise des streitgegenständlichen Kraftwerks noch die fehlende Möglichkeit eines Brennstoffwechsels entgegen.</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">2.3.1.</span></strong> Auch auf der Grundlage des Vorbringens der Beschwerdeführerin, wonach die Stromerzeugung davon abhängt, dass die zugleich erzeugte Wärme in das Fernwärmenetz abgeleitet werden kann, ist davon auszugehen, dass das streitgegenständliche Kraftwerk in der für die Systemrelevanzausweisung maßgeblichen bedarfsdimensionierenden Stunde Strom erzeugen würde. Das netzkritischste Szenario fällt in den Winter, da wegen des dann bestehenden Wärmebedarfs eine Starklast- und eine Starkwind-Situation zusammenfallen können. Infolge des Wärmebedarfs ist dann jedoch zugleich eine Wärmeableitung und damit eine Stromerzeugung möglich.</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">2.3.3.</span></strong> Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin kommt es für die Ausweisung als systemrelevant nicht darauf an, ob die Möglichkeit eines Brennstoffwechsels besteht. Dies ist keine tatbestandliche Voraussetzung, sondern eine Rechtsfolge der Ausweisung. Es handelt sich gemäß § 13f Abs. 2 S. 1 EnWG um eine Option, die der Anlagenbetreiber nur dann vorzunehmen hat, wenn sie technisch und rechtlich möglich sowie wirtschaftlich zumutbar ist. Ist das nicht der Fall, hat ein Brennstoffwechsel bei systemrelevanten Kraftwerken zu unterbleiben.</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">Unabhängig von der Möglichkeit eines Brennstoffwechsels hat die Ausweisung als systemrelevant zur Folge, dass der Übertragungsnetzbetreiber gemäß § 16 Abs. 2a EnWG anweisen kann, dass der Gasbezug der Anlage nicht durch den Fernleitungsnetzbetreiber eingeschränkt werden darf. Schon diese Maßnahme verringert die Ausfallwahrscheinlichkeit der Anlage beträchtlich. Nach der gesetzlichen Konzeption sind demnach auch Anlagen, die nicht für einen Brennstoffwechsel im Betracht kommen, geeignet, als systemrelevante Kraftwerke ausgewiesen zu werden, da der mit der Ausweisung hauptsächlich verbundene Zweck, die Gasversorgung solcher Anlagen sicherzustellen, unabhängig von der Möglichkeit eines Brennstoffwechsels erreicht werden kann. Dementsprechend sieht § 13f Abs. 2 S. 3 EnWG zwar ein Prüfprogramm für die Darlegung der technischen oder rechtlichen Unmöglichkeit bzw. der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit eines Brennstoffwechsels vor, nicht dagegen einen Ausschluss von der Ausweisung als systemrelevant, wenn ein solcher nicht möglich oder unzumutbar ist.</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">2.4.</span></strong> Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, die Bundesnetzagentur habe die der Ausweisungsgenehmigung zu Grunde liegende Tatsachengrundlage nicht nur unzureichend, weil nicht anlagenspezifisch, sondern auch fehlerhaft ermittelt, ist zurückzuweisen. Die Entscheidung über die Systemrelevanz des streitgegen-ständlichen Kraftwerks basiert auf den Erkenntnissen und Ergebnissen der Netzreservebedarfsfeststellung sowie der ihr zu Grunde liegenden Systemanalyse der Übertragungsnetzbetreiber, die die Beschwerdeführerin nicht angegriffen hat. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Systemanalyse und die Bedarfsfeststellung methodisch mangelhaft erstellt wurden. Somit ist es nicht zu beanstanden, dass die Bundesnetzagentur die Genehmigung der Ausweisung des streitgegenständlichen Kraftwerks als systemrelevant auf der Basis dieser Tatsachengrundlage, die sie zu Recht für vollständig und zutreffend gehalten hat, erteilt hat.</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">Insoweit ist es unbeachtlich, ob die Beschwerdeführerin die Systemanalyse kannte. Die Bundesnetzagentur durfte sie ihrer Entscheidung zugrunde legen, ohne sie zuvor der Beschwerdeführerin gesondert bekannt zu geben, denn die Netzreservebedarfs-feststellung sowie die zugrunde liegende Systemanalyse sind am 28.04.2017 und damit vor der Anhörung der Beschwerdeführerin zu der von der Beteiligten beantragten Ausweisung auf der Internetzpräsenz der Bundesnetzagentur eingestellt worden. Die Bundesnetzagentur ist damit zugleich ihrer aus § 3 Abs. 1 S. 4 NetzResV folgenden Veröffentlichungspflicht nachgekommen. Auf den Bericht sowie dessen Veröffentlichung hat die Bundesnetzagentur zudem mit einer Pressemitteilung vom 30.04.2018  hingewiesen. Es ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführerin als Kraftwerksbetreiberin, deren Anlagen schon zweifach als systemrelevant ausgewiesen worden waren, das Vorgehen der Netzreservebedarfsfeststellung bekannt war.</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">3.</span></strong> Die Bundesnetzagentur hat in dem angegriffenen Beschluss auch die in § 13f EnWG für die Ausweisung als systemrelevant vorausgesetzte hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Gefahreneintritts zu Recht bejaht.</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">3.1.</span></strong> Es ist hinreichend wahrscheinlich im Sinne dieser Regelung, dass eine Einschränkung der Gasversorgung des streitgegenständlichen Kraftwerks zu einer nicht unerheblichen Gefährdung oder Störung der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems führen wird. Bezugspunkt der gemäß § 13f EnWG vorzunehmenden Gefahrenprognose ist die Frage, wie wahrscheinlich es ist, dass infolge einer Unterbrechung der Gasversorgung die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems gefährdet oder gestört werden. Die vorzunehmende Wahrscheinlichkeitsprognose bezieht sich schon ausweislich des Wortlauts der Vorschrift hingegen nicht auf die Einschränkung der Gasversorgung. Danach ist ein Kraftwerk systemrelevant, „soweit eine Einschränkung der Gasversorgung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit“ zu einer relevanten Gefährdung oder Störung führt. Die Einschränkung der Gasversorgung wird von der Vorschrift vorausgesetzt. Sie ist Ausgangspunkt und nicht Gegenstand der Wahrscheinlichkeitsprognose.</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">Für die Annahme, dass der Bezugspunkt der Prognose nicht die Wahrscheinlichkeit der Unterbrechung der Gasversorgung ist, spricht auch die Gesetzesbegründung. Dort heißt es (BT-Drucks. 17/11705, S. 52):</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">„Kriterium für die Bestimmung der Systemrelevanz eine Anlage ist, ob eine Einschränkung der Gasversorgung dieser Anlage zu einer nicht unerheblichen Gefahr für die Sicherheit des Stromversorgungssystems führen wird.“</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">Dort wird gleichfalls auf die Folge einer Versorgungsunterbrechung für den Zustand des Stromversorgungssystems abgestellt, ohne dass an die Unterbrechungswahrscheinlichkeit spezifische Anforderungen gestellt werden.</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">Es entspricht schließlich auch dem Normzweck, dass eine Wahrscheinlichkeits-prognose bezüglich des Eintritts einer Versorgungsunterbrechung grundsätzlich unterbleiben kann. Vor dem Hintergrund, dass seit dem Atom-Moratorium in Süddeutschland nicht genügend Stromerzeugungskapazitäten vorhanden sind, um die Versorgungssicherheit in den Wintermonaten ohne Eingriffe in den Markt gewährleisten zu können, dient § 13f EnWG wie die Vorgängervorschrift des § 13c EnWG der Gewährleistung der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitäts-versorgungssystems. In den Wintermonaten sind Stromlieferungen aus dem Norden Deutschlands infolge der Netzengpässe auf den in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Trassen der deutschen Übertragungsnetze nicht immer in dem erforderlichen Umfang möglich. Unstreitig konnte die Versorgungssicherheit in den Wintern 2011/2012 und 2012/2013 nur mithilfe einer Netzreserve gewährleistet werden. Zudem kam es im Februar 2012 in Süddeutschland zu einer Krise der Gasversorgung, die den Gasbezug wichtiger Gaskraftwerke tangierte. Vor diesem Hintergrund wurde die Möglichkeit geschaffen, Gaskraftwerke als systemrelevant auszuweisen und bei der Gasversorgung zu privilegieren. In Gasversorgungskrisen soll die zeitweise knappe Erzeugungsleistung in Süddeutschland nicht durch den Ausfall von Gaskraftwerken weiter verringert werden (vgl. König, in: Säcker, Berliner Kommentar zum Energierecht, 4. Aufl., § 13c EnWG, Rn. 1). Die Vorschrift dient der Identifizierung und Absicherung derjenigen Kraftwerke, deren Nichtversorgung sich im Fall einer Gasversorgungskrise nachteilig auf die Sicherheit und Stabilität des Elektrizitätsversorgungssystems auswirken würde, nicht der Bestimmung des Grades der Wahrscheinlichkeit einer Gasversorgungskrise. Soweit die Bundesnetzagentur in dem angegriffenen Beschluss auf den unstreitig im Winter 2012 eingetretenen Engpass in der Gasversorgung in Süddeutschland abgestellt hat, ist damit erkennbar keine Einschätzung der Wahrscheinlichkeit einer Versorgungsunterbrechung in der Zukunft verbunden, sondern dieser Hinweis  illustriert, dass es in der Vergangenheit infolge einer Unterbrechung der Gasversorgung bereits zur Abschaltung mehrerer Kraftwerke gekommen war und sollte demnach die Wahrscheinlichkeit einer - erneuten - Gefährdung der Sicherheit und Stabilität des Versorgungssystems im Falle einer Versorgungsunterbrechung dokumentieren. Ob die Ausweisung eines Kraftwerks als systemrelevant unterbleiben muss, wenn feststeht, dass nur eine abstrakte oder theoretische Möglichkeit der Unterbrechung der Gasversorgung in Rede steht und eine solche tatsächlich nahezu ausgeschlossen ist, kann dahinstehen. Eine Gasversorgungskrise, wie sie bereits im Winter 2012 eingetreten ist, kann weder belastbar und seriös prognostiziert noch kann sie ausgeschlossen werden.</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">3.2.</span></strong> In § 13f EnWG wird der Begriff der hinreichenden Wahrscheinlichkeit nicht definiert. Da die Vorschrift der Abwehr einer Gefährdung des Elektrizitäts-versorgungssystems dient, ist zur Ausfüllung dieses Rechtsbegriffs auf die für andere Bereiche der Gefahrenabwehr von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze und Maßstäbe zurückzugreifen. Die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts und die zugrunde zu legende Tatsachenbasis hängen danach einerseits von der Bedeutung des beeinträchtigten Rechtsguts und andererseits von der Schwere und den Erfolgsaussichten des in der Ausweisung als systemrelevant liegenden Grundrechtseingriffs ab. Je bedeutender das bedrohte Rechtsgut und je weniger gewichtig der Grundrechtseingriff ist, desto geringer darf die Wahrscheinlichkeit einer Gefährdung und desto weniger fundiert die zugrunde liegende Tatsachenfeststellung sein (vgl. <a href="https://www.juris.testa-de.net/r3/?docId=KVRE362490601&${__hash__}38;docFormat=xsl&${__hash__}38;oi=NwCHPA4yxP&${__hash__}38;docPart=K">BVerfG, Beschluss vom 04.04. 2006,1 BvR 518/02</a>; BVerwG, Beschluss vom 14.09.2017, 3 C 4.16).</p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks">In der Wahrscheinlichkeitsprognose müssen die Schwere der zu erwartenden Schäden infolge eines teilweisen Ausfalls des Übertragungsnetzes in ein angemessenes Verhältnis zu dem Eingriff in die Rechte der Anlagenbetreiber gestellt werden. Angesichts der hohen Bedeutung des gefährdeten Rechtsgut der Versorgungssicherheit (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 20.03.1984, 1 BvL 28/83, und vom 10.09.2008, 1 BvR 1914/02) und der Schwere der durch einen Netzausfall eintretenden Schäden mit Gefahren auch für Leib und Leben von Menschen genügt nach den obigen Maßgaben eine verhältnismäßig niedrige Eintrittswahrscheinlichkeit. Dass die Bundesnetzagentur in dem angefochtenen Bescheid einen niedrigen Wahrscheinlichkeitsgrad für ihre Gefahrenprognose genügen ließ, ist demnach nicht zu beanstanden.</p>
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks">Zurückzuweisen ist der pauschale Einwand der Beschwerdeführerin, die der Genehmigung der Ausweisung zugrunde liegende Wahrscheinlichkeitsprognose der Bundesnetzagentur beruhe nicht auf einer objektiven Methode und führe zu fehlerhaften Ergebnissen. Die Bundesnetzagentur hat das in § 3 Abs. 2 S 1 NetzResV vorgesehene Prüfprogramm, wonach die Systemanalyse der Übertragungsnetzbetreiber zu überprüfen ist, durchgeführt. Wie bereits aufgezeigt beruht die Systemanalyse auf aufwändigen Marktsimulationen, die ihrerseits an Szenarien anknüpfen, die auf betrieblichen Erfahrungen der Übertragungsnetzbetreiber beruhen. Der Rückgriff auf betriebliche Erfahrungswerte ist ausreichend und darauf aufbauende Marktsimulationen stellen ein geeignetes Prognoseinstrument dar (vgl. König, in: Säcker, Berliner Kommentar zum Energierecht, 4. Aufl., § 13c EnWG, Rn. 4). Die Argumentation der Beschwerdeführerin vermag keine Zweifel an der Sachgerechtigkeit der der Erstellung der Systemanalyse zugrunde liegenden Methodik, der Überprüfung ihrer Ergebnisse im Rahmen der Bedarfsanalyse und damit der Ermittlung der systemrelevanten Kraftwerke zu begründen.  Die Beschwerdeführerin setzt sich mit der Methodik der Systemanalyse und deren Prüfung und Bestätigung durch die Bundesnetzagentur nicht konkret und im Einzelnen auseinander. Insbesondere zeigt sie nicht auf, welche andere Vorgehensweise zu valideren Ergebnissen geführt hätte.</p>
<span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">4.</span></strong> Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist der Umfang der Ausweisung weder in formeller noch in materieller Hinsicht zu beanstanden.</p>
<span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks">Der Umfang der Ausweisung ist eindeutig und es fehlt nicht an einer hinreichenden Begründung der Ausweisung der gesamten Nennleistung. Vielmehr bezieht sich die Ausweisung ausweislich der Gründe des angegriffenen Bescheids auf die gesamte Nennleistung der einzelnen Kraftwerksanlagen. Dies geht unmissverständlich aus den Ausführungen unter Ziffer. 2, Bl. 11, 12 des Beschlusses hervor. Zur Begründung hat die Bundesnetzagentur darauf abgestellt, dass die Ausweisung der gesamten Nennleistung gemäß § 13f Abs. 1 S. 2 EnWG erforderlich ist, um die Gefährdung oder Störung abzuwenden. Damit ist der entscheidende, die Begründung tragende Gesichtspunkt deutlich bezeichnet.</p>
<span class="absatzRechts">92</span><p class="absatzLinks">Die Ausweisung der gesamten Nennleistung entspricht dem Ergebnis der von der Bundesnetzagentur im Rahmen der Reservebedarfsfeststellung geprüften und bestätigten Systemanalyse, so dass die Entscheidung auch in materieller Hinsicht rechtsfehlerfrei ergangen ist. Danach bestand ein Bedarf an Netzreserveanlagen zur Behebung kritischer Netzsituationen, zu dessen Deckung die Verfügbarkeit des  streitgegenständlichen Kraftwerks sichergestellt sein muss. Dem steht nicht entgegen, dass die Netto-Nennleistung der streitgegenständlichen Kraftwerksblöcke jeweils 75 MW beträgt und ausweislich der Systemanalyse beide Blöcke in der bedarfsdimensionierenden Stunde  nur mit einer Teilleistung von 55 MW betrieben werden. Die Ausweisung einer entsprechenden Teilleistung von 55 MW kommt nicht in Betracht, da eine Abgrenzung zwischen einem systemrelevanten und einem nicht systemrelevanten Teil desselben Kraftwerksblocks technisch nicht möglich ist. Dieser bildet nach dem unbestrittenen Vorbringen der Bundesnetzagentur eine Einheit, die technisch nicht teilbar ist, so dass die in § 13f Abs.1 S. 1 EnWG vorgesehene Möglichkeit, die Teilleistung einer Anlage als systemrelevant auszuweisen, im Streitfall keine Anwendung findet. Dies kommt nur bei Sachverhalten in Betracht, bei denen die Anlagen in tatsächlicher und technischer Hinsicht teilbar sind.</p>
<span class="absatzRechts">93</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">5.</span></strong> Rechtsfehlerfrei hat die Bundesnetzagentur die beantragte Ausweisung über einen Zeitraum von 24 Monaten, beginnend ab dem 21.11.2017, genehmigt. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist der Ausweisungszeitraum nicht willkürlich festgelegt worden. Weder fehlt es an einer sachlichen Begründung noch beruht die Entscheidung auf sachfremden Erwägungen.</p>
<span class="absatzRechts">94</span><p class="absatzLinks">Gemäß § 13f Abs. 1 S. 3 EnWG soll die Ausweisung einen Zeitraum von 24 Monaten nicht überschreiten, es sei denn, die Systemrelevanz wird durch eine Systemanalyse für einen längeren Zeitraum nachgewiesen. Daraus folgt, dass der Gesetzgeber die Ausweisung für einen Zeitraum von 24 Monaten als Regelfall ansieht. Nach Ablauf dieses Zeitraums muss die Systemrelevanz erneut geprüft werden und auf Grundlage dieser neuen Prüfung können auf Antrag der Übertragungsnetzbetreiber Gaskraftwerke erneut für 24 Monate als systemrelevant ausgewiesen werden.</p>
<span class="absatzRechts">95</span><p class="absatzLinks">Der Einwand der Beschwerdeführerin, die 24-Monatsfrist des § 13f EnWG sei durch die Ausweisung im Jahr 2017 überschritten worden, weil sich diese an die Ausweisungen der Jahre 2013 und 2015 anschließe, ist zurückzuweisen. Die für die beantragte Ausweisung maßgebliche Regelung des § 13f EnWG sieht eine regelmäßige Höchstdauer von 24 Monaten vor. Für die beantragte Ausweisung hat die Bundesnetzagentur auf den entsprechenden Antrag der Beteiligten die Systemrelevanz des streitgegenständlichen Heizkraftwerks bezogen auf den Zeitraum der folgenden, sich an die Antragstellung anschließenden 24 Monate geprüft. Für die Frage, ob Systemrelevanz für diesen Zeitraum anzunehmen ist, bleiben frühere Ausweisungen außer Betracht.</p>
<span class="absatzRechts">96</span><p class="absatzLinks">Nach den Ergebnissen der Netzreservebedarfsfeststellung bzw. der dieser zugrundeliegenden Systemanalyse war die Ausweisung für diesen Zeitraum erforderlich. Danach kann die Nichtverfügbarkeit der streitgegenständlichen Kraftwerksblöcke während des Genehmigungszeitraums zu einer Gefährdung oder Störung der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems führen. Im Entscheidungszeitpunkt bestand nach den geprüften und bestätigten Erkenntnissen der Systemanalyse ein Bedarf an Netzreserve bis zum Jahr 2019, der sich bei der Nichtverfügbarkeit des streitgegenständlichen Heizkraftwerks erhöht hätte: Die Bundesnetzagentur hat für das Winterhalbjahr 2017/2018 und darüber hinaus für den Zeitraum bis zum 31.03.2019 den Netzreservebedarf durch Prüfung und Bestätigung der Systemanalyse der Übertragungsnetzbetreiber festgestellt. Ausweislich der im Rahmen der Systemanalyse durchgeführten Marktsimulation sind die streitgegenständlichen Kraftwerksblöcke jeweils in der bedarfsdimensionierenden Stunde unstreitig mit einer Leistung von 55 MW in Betrieb. Die Notwendigkeit der Ausweisung als systemrelevant ist auch über den 31.03.2019 hinaus bis zum Ablauf des beantragten Zeitraums am 21.11.2019 zu bejahen. Die Systemanalyse bzw. die Netzreservebedarfsfeststellung belegen, dass die Anlage innerhalb des beantragten Ausweisungszeitraums in der bedarfsdimensionierenden einen Stunde zum Einsatz kommen kann. Anhaltspunkte dafür, dass in dem Zeitraum vom 31.03.2019 bis zum 21.11.2019 Umstände eintreten, die zu einer anderweitigen Bewertung der potentiellen Netzengpass-Situation und der Notwendigkeit der Verfügbarkeit des streitgegenständlichen Kraftwerks führen, sind nicht ersichtlich und werden von der Beschwerdeführerin auch nicht aufgezeigt.</p>
<span class="absatzRechts">97</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist die Ausweisung des streitgegenständlichen Kraftwerks als systemrelevant für 24 Monate auch nicht deswegen willkürlich, weil im Hinblick auf andere Kraftwerke kürzere Ausweisungszeiträume genehmigt worden seien. Soweit die Beschwerdeführerin hierdurch auf die unterschiedlichen Ausweisungszeiträume nach § 13b EnWG und § 13f EnWG für das Kraftwerk Irsching IV Bezug nimmt und geltend macht, es sei sachfremd, bei gleicher Datengrundlage im Rahmen von Stilllegungsanträgen nach § 13b EnWG kürzere Zeiträume als erforderlich zu genehmigen, ist ihre Argumentation zurückzuweisen. Nach der Gesetzeskonzeption müssen die Ausweisungen nach § 13b und § 13f EnWG nicht zwingend zeitlich parallel verlaufen. Gemäß § 13b Abs. 4 S. 2 EnWG können Übertragungsnetzbetreiber Kraftwerke, die der Betreiber vorläufig stilllegen will, für 24 Monate als systemrelevant ausweisen und die vorläufige Stilllegung damit verhindern. Der Beginn dieser Frist hängt notwendig von dem Termin ab, zu dem der Betreiber die Anlage stilllegen möchte bzw. an dem er die geplante Stilllegung anzeigt. Der Lauf der Frist für die Ausweisung als systemrelevant nach § 13f Abs. 1 S. 2 und 3 EnWG beginnt dagegen mit der Antragstellung. Infolgedessen können die einzelnen Ausweisungen, auch wenn sie ein- und dasselbe Kraftwerk betreffen, an unterschiedlichen Terminen enden, so dass die unterschiedliche Dauer der Genehmigungen nicht auf sachfremden Erwägungen beruht.</p>
<span class="absatzRechts">98</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">6.</span></strong> Die Ausweisung als systemrelevant ist auch nicht unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten unzumutbar. Der mit der Ausweisung verbundene Eingriff in die Grundrechte der Berufsausübung und Eigentumsfreiheit ist verhältnismäßig und damit rechtmäßig. Er ist zur Erhaltung der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne. Insbesondere bestehen angesichts der damit verbundenen Rechtsfolgen keine Zweifel daran, dass mildere Mittel nicht zur Verfügung stehen. So werden Betreiber systemrelevanter Anlagen zunächst bei der Gasversorgung privilegiert. Im Falle eines Brennstoffwechsels erfolgt eine finanzielle Kompensation. Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, es fiele durch die Ausweisung als systemrelevant zusätzlicher Personal- und Arbeitsaufwand an, fehlt es bereits – worauf die Bundesnetzagentur zu Recht hinweist - an überprüfbarem Vortrag. Ihr Vorbringen, die Ausweisung mache den geplanten Rückzug aus der fossilen Versorgung unmöglich, rechtfertigt eine andere Bewertung nicht. Es ist bereits nicht ersichtlich, wie die Ausweisung einer Dekarbonisierung entgegenstehen sollte. Die Beschwerdeführerin ist allenfalls an der Stilllegung ihrer Anlagen gehindert.</p>
<span class="absatzRechts">99</span><p class="absatzLinks">                                                                                    <strong><span style="text-decoration:underline">C.</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">100</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 S. 1 EnWG. Angesichts der Erfolglosigkeit der Beschwerde, der aktiven Beteiligung der Beteiligten am Beschwerdeverfahren, sowie ihres erheblichen Interesses am Verfahrensausgang entspricht es der Billigkeit, der unterliegenden Beschwerdeführerin die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Aufwendungen der Bundesnetzagentur und der Beteiligten aufzuerlegen. Für die von der Beschwerdeführerin angeregte Anwendung des § 155 Abs. 4 VwGO ist kein Raum. Ihre Auffassung, die Bundesnetzagentur habe durch eine schuldhaft rechtsfehlerhafte Verfahrensführung, insbesondere durch eine unzureichende Begründung des Beschlusses, den Anlass für eine gerichtliche Überprüfung gesetzt, geht fehl.</p>
<h1><strong><span style="text-decoration:underline">D</span></strong><span style="text-decoration:underline">.</span></h1>
<span class="absatzRechts">101</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof gegen diese Entscheidung zugelassen, weil die streitgegenständlichen Fragen grundsätzliche Bedeutung haben (§ 86 Abs. 2 Nr. 1 EnWG).</p>
<span class="absatzRechts">102</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Rechtsmittelbelehrung:</span></p>
<span class="absatzRechts">103</span><p class="absatzLinks">Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht (§§ 546, 547 ZPO). Sie ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich bei dem Oberlandesgericht Düsseldorf, Cecilienallee 3, 40474 Düsseldorf, einzulegen. Die Rechtsbeschwerde kann auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts erhoben werden. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein. Es muss mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a Abs. 4 ZPO, § 55a Abs. 4 VwGO eingereicht werden. Die für die Übermittlung und Bearbeitung geeigneten technischen Rahmenbedingungen bestimmen sich nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung) vom 24.11.2017 (BGBl. I, S. 3803). Über das Justizportal des Bundes und der Länder (www.justiz.de) können weitere Informationen über die Rechtsgrundlagen, Bearbeitungsvoraussetzungen und das Verfahren des elektronischen Rechtsverkehrs abgerufen werden. Die Frist beginnt mit der Zustellung dieser Beschwerdeentscheidung. Die Rechtsbeschwerde ist durch einen bei dem Beschwerdegericht oder Rechtsbeschwerdegericht (Bundesgerichtshof) einzureichenden Schriftsatz binnen eines Monats zu begründen. Die Frist beginnt mit der Einlegung der Beschwerde und kann auf Antrag von dem oder der Vorsitzenden des Rechtsbeschwerdegerichts verlängert werden. Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Entscheidung angefochten und ihre Abänderung oder Aufhebung beantragt wird. Rechtsbeschwerdeschrift und -begründung müssen durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Für die Regulierungsbehörde besteht kein Anwaltszwang; sie kann sich im Rechtsbeschwerdeverfahren durch ein Mitglied der Behörde vertreten lassen (§§ 88 Abs. 4 Satz 2, 80 Satz 2 EnWG).</p>
<span class="absatzRechts">104</span><table class="absatzLinks" cellpadding="0" cellspacing="0"><tbody><tr><td></td>
<td></td>
<td></td>
</tr>
<tr><td></td>
<td></td>
<td></td>
</tr>
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</table>
|
180,250 | lg-arnsberg-2019-01-16-3-s-11018 | {
"id": 801,
"name": "Landgericht Arnsberg",
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"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 3 S 110/18 | 2019-01-16T00:00:00 | 2019-02-07T14:18:41 | 2019-02-12T13:33:28 | Urteil | ECLI:DE:LGAR:2019:0116.3S110.18.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Arnsberg vom 01.08.2018 (12 C 75/18) wird nach einem Gegenstandswert von 214,50 € auf ihre Kosten zurückgewiesen.</p>
<p>Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120%  des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.</p>
<p>Die Revision wird zugelassen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Gründe:</span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch um die Frage, ob der Klägerin gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung erhöhter Parkentgelte aus 3 behaupteten Parkverstößen in Höhe von insgesamt 75,00 € sowie ein Anspruch auf Ersatz der behaupteten Rechtsverfolgungskosten zustehen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin betreibt ein Unternehmen welches die Bewirtschaftung von Parkraum zum Gegenstand hat. Die Klägerin betreibt in Vollmacht der jeweiligen Grundstückseigentümer Parkplätze unter anderem im Bereich des L in O.-I. sowie am K in O.. Die der Klägerin erteilten Vollmachten umfassen neben der Kontrolle des ruhenden Verkehrs auch die Ahndung von Verstößen gegen die Parkordnung, die Weiterbearbeitung der erfassten Falschparkvorgänge, die Inkassodienstleistung zu diesen Vorgängen sowie die Nachbearbeitung von säumigen Falschparkern. Die Parkplätze am L und am K sind jeweils durch ein Hinweisschild als Privatparkplätze ausgewiesen. Die Klägerin stellt die Parkmöglichkeiten grundsätzlich kostenfrei zur Verfügung. Es gelten jedoch Höchstparkdauern mit Parkscheibe von 1 Stunde am K sowie anderthalb Stunden auf dem Parkplatz des L. Des Weiteren gibt es gesondert beschilderte Parkplätze, die Krankenhausmitarbeitern mit einem entsprechenden Parkausweis vorbehalten sind. Für widerrechtlich abgestellte Fahrzeuge weist die Klägerin darauf hin, dass sie ein erhöhtes Parkentgelt von mindestens 30,00 € erhebt.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte ist Halterin und Eigentümerin des Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen XXX- XX xxx. Das Fahrzeug der Beklagten befand sich unstreitig am 20.10.2015 um 16:40 Uhr auf dem Parkplatz des L, wobei die zulässige Höchstparkdauer mit Parkscheibe überschritten war. Am 13.05.2017 um 15:43 Uhr und am 05.12.2017 stand das Fahrzeug der Beklagten ohne einen gültigen Parkausweis auf einem Mitarbeiterparkplatz des K. Mitarbeiterinnen der Klägerin hinterließen am 20. Oktober 2015 eine Zahlungsaufforderung von 15,00 € und am 13.05.2017 sowie 15.12.2017 Zahlungsaufforderungen in Höhe von jeweils 30,00 € am Fahrzeug der Beklagten. Da die Beklagte keine Zahlung leistete, stellte die Klägerin jeweils Halteranfragen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Da auch nach mehrmaliger Zahlungsaufforderung keine Zahlungen seitens der Beklagten erfolgten, beauftragte die Klägerin schließlich ein Inkassounternehmen, wodurch weitere Kosten entstanden.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat durch ihren Prozessbevollmächtigten bestritten, das Fahrzeug an den streitgegenständlichen Tagen geführt zu haben.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Im Übrigen wird auf die Feststellungen der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Soweit die Beklagte einen im Rahmen der Klageerweiterung geltend gemachten Unterlassungsanspruch anerkannt hat, ist ein Teilanerkenntnisurteil ergangen. Im Übrigen hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin wendet sich mit der Berufung gegen das am 01.08.2018 verkündete Urteil des Amtsgerichts, soweit die Klage abgewiesen worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass es der Klägerin nicht gelungen sei, das Zustandekommen eines Vertrages zwischen den Parteien zu beweisen. Die Klägerin habe insbesondere nicht zu beweisen vermocht, dass die Beklagte, den auf den von der Klägerin betriebenen Parkplätzen abgestellten PKW, dessen Halterin und Eigentümerin sie ist, abgestellt habe, mithin Fahrzeugführerin an den streitgegenständlichen Tagen gewesen sei. Es greife weder eine Beweislastumkehr noch ein Anscheinsbeweis zulasten der Beklagten ein. Eine allgemeine zivilrechtliche Halterhaftung sei dem deutschen Recht fremd.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin rügt mit der Berufung, dass das Amtsgericht zu Unrecht keine sekundäre Darlegungslast angenommen und das einfache Bestreiten der Fahrereigenschaft durch die Beklagte habe ausreichen lassen. Darüber hinaus bestehe ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte. Diese sei als Zustandsstörerin anzusehen. Hieraus ergebe sich nach § 242 BGB ein Auskunftsanspruch der Klägerin.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts Arnsberg vom 01.08.2018 (Az. 12 C 75/18) teilweise zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag i.H.v. 214,50 € zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 15 € seit dem 15.01.2016, aus 30 € seit dem 20.07.2017, aus 30 Euro seit dem 15.01.2018 sowie Übrigen ab Rechtshängigkeit zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">              die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das Amtsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Klägerin steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Zahlung der erhöhten Parkentgelte zu. Ebenso wenig steht ihr ein Anspruch auf Ersatz der entstandenen Rechtsverfolgungkosten sowie Kosten der Halterermittlung  zu.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin das Zustandekommen eines Miet- oder Verwahrvertrages zwischen den Parteien nicht bewiesen hat.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Grundsätzlich kann mit dem Abstellen eines Pkw auf einem Parkplatz, der -wie hier- ein Schild enthält, wonach es sich um einen Privatparkplatz handelt und auf welchem das Parken für 1 Stunde bzw. anderthalb Stunden mit Parkscheibe gestattet ist, ein Vertrag konkludent geschlossen werden (vergleiche Caspary, JR 2014,179, (180)).</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Grundsätzlich ist es nach allgemeiner Auffassung auch zulässig und möglich, für den Fall des Unterlassens des Auslegens einer Parkscheibe oder des Überschreitens der Höchstparkdauer ein erhöhtes Parkentgelt (Vertragsstrafe) zu verlangen. Voraussetzung ist insoweit, dass die Parkbedingungen zumutbar zur Kenntnis genommen werden können.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Vertragspartner des Parkplatzbetreibers kann jedoch nur der tatsächliche Fahrer des auf dem Parkplatz abgestellten Pkw sein, nicht isoliert dessen Halter, wenn dieser das Fahrzeug nicht genutzt hat.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte ist nach den unstreitigen Feststellungen des Amtsgerichts Halterin und Eigentümerin des auf den von der Klägerin betriebenen Parkplätzen abgestellten PKW. Die Beklagte hat jedoch bestritten, das Fahrzeug selbst dort abgestellt zu haben.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Als derjenige, der sich eines Zahlungsanspruches berühmt, hat die Klägerin nach den allgemeinen Regeln zu beweisen, dass ein Vertrag mit der Beklagten zustande gekommen ist. Sie muss folglich beweisen, dass die Beklagte zu den fraglichen Zeitpunkten Führerin des oben genannten PKW gewesen ist oder zumindest Beifahrerin. Die Begründung einer vertraglichen Verpflichtung der Beklagten als Fahrzeughalterin durch ein entsprechendes schlüssiges oder sozialtypisches Verhalten ist also streitig und nicht nachweisbar.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht hat zutreffend sowohl das Vorliegen eines Anscheinsbeweises als auch das Bestehen einer sekundären Darlegungslast verneint.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Ein Anscheinsbeweis greift vorliegend nicht ein. Bei der Anwendung des Anscheinsbeweises ist grundsätzlich Zurückhaltung geboten, weil er erlaubt, bei typischen Geschehensabläufen aufgrund allgemeiner Erfahrungssätze auf einen ursächlichen Zusammenhang oder ein schuldhaftes Verhalten zu schließen, ohne dass im konkreten Fall die Ursache bzw. das Verschulden festgestellt ist (BGH, Urt. v. 15.12.2015 - VI ZR 6/15; BGH, Urt. v. 13.12.2011 - VI ZR 177/10). Der Beweis des ersten Anscheins greift bei typischen Geschehensabläufen ein, also in Fällen, in denen ein bestimmter Tatbestand nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache für den Eintritt eines bestimmten Erfolges hinweist (BGH, Urt. v. 06.10.2016 - I ZR 154/15).</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Ein typischer Geschehensablauf dahingehend, dass der Halter eines PKW regelmäßig auch dessen Fahrer ist, kann nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht angenommen werden. Es ist vielmehr häufig der Fall, dass ein PKW (z.B. innerhalb einer Ehe oder Familie) von verschiedenen Personen gefahren oder der PKW überhaupt nicht regelmäßig vom Halter genutzt wird (z.B. erfolgte aus versicherungstechnischen Gründen lediglich die Zulassung auf diesen) (Jahnke, jurisPR-VerkR 24/2018 Anm. 4). Danach liegt im vorliegenden Fall schon kein typischer Geschehensablauf vor.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Darüber hinaus besteht entgegen der Auffassung der Klägerin auch keine sekundäre Darlegungslast der Beklagten. Insoweit fehlt es bereits an den Voraussetzungen, die zum Eingreifen einer sekundären Darlegungslast führen könnten. Die sekundäre Darlegungslast kommt zum Tragen, wenn die primär darlegungsbelastete Partei außerhalb des von ihr vorzutragenden Geschehensablaufs steht und ihr eine nähere Substantiierung nicht möglich oder nicht zumutbar ist, während der Prozessgegner alle wesentlichen Tatsachen kennt oder unschwer in Erfahrung bringen kann und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen (BGH, Beschluss vom 16. August 2016 – VI ZR 634/15 –, Rn. 14, juris).</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Die mit der Parkraumüberwachung betraute Klägerin hat grundsätzlich ausreichende Erkenntnismöglichkeiten, um festzustellen, wer ein Fahrzeug auf dem Parkplatz abgestellt hat. Sie muss ohnehin durch Personal und/oder technische Maßnahmen (z.B. Videoüberwachung) feststellen, welche Fahrzeuge mit welchem Kennzeichen für welchen Zeitraum auf dem Parkplatz abgestellt werden. Auf die gleiche Art und Weise ist es ihr dann grundsätzlich auch möglich festzustellen, wer der Fahrer eines abgestellten Fahrzeuges ist, spätestens bei der Rückkehr zum Fahrzeug, auch wenn, worauf das Amtsgericht zutreffend hinweist, dies mit einem Mehraufwand verbunden sein mag (Jahnke, jurisPR-VerkR 24/2018 Anm. 4)</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin hier vertragliche Ansprüche aufgrund einer aus ihrer Sicht mit der Beklagten zustande gekommenen Vereinbarung geltend macht. Wer sich eines Anspruches aus einer vertraglichen Vereinbarung berühmt, muss jedoch grundsätzlich erst einmal selbst dafür Sorge tragen, dass er weiß, mit wem denn diese vertragliche Vereinbarung zustande gekommen sein soll (LG Schweinfurt, Urteil vom 02. Februar 2018 – 33 S 46/17 –, Rn. 13, juris).</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Der Verweis der Klägerin auf ein angebliches Massengeschäft verfängt insoweit nicht. Es ist ausschließlich dem Geschäftsmodell der Klägerin zuzuschreiben, dass sie sich die für eine erfolgreiche Klage notwendigen Informationen nicht selbst verschaffen kann. Wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist es der Klägerin zumutbar, die Identität von nicht den Parkschein auslegenden Fahrzeugführern zu ermitteln. Dass hierdurch unverhältnismäßige Kosten entstehen würden, vermag die Kammer nicht zu erkennen.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Besteht nach alledem eine sekundäre Darlegungslast nicht, ist die Beklagte mit dem Bestreiten, den streitgegenständlichen PKW auf den Parkplätzen der Klägerin abgestellt zu haben, den Anforderungen an ein substantiiertes Bestreiten nachgekommen (vgl. hierzu auch LG Rostock, Urteil vom 11.04.2008, 1 S 54/07- juris).</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Eine vertragliche Inanspruchnahme der Beklagten scheidet danach aus.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">a.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB scheidet ebenfalls aus, da ein persönliches Fehlverhalten der Beklagten nicht bewiesen ist.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">b.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB iVm § 25a StVG kommt ebenfalls nicht in Betracht. Auch eine analoge Anwendung des § 25a StVG kommt nicht in Betracht. § 25a StVG sieht den Ersatz von Verwaltungskosten vor, wenn der Fahrer unbekannt bleibt. Die Kammer schließt sich der allgemeinen Auffassung an, dass diese aus dem Ordnungswidrigkeitenrecht stammende Vorschrift für zivilrechtliche Ansprüche nicht anwendbar ist (vgl. nur LG Rostock, Urteil vom 11. April 2008 – 1 S 54/07 –, Rn. 18, juris). Hierbei ist nämlich zu berücksichtigen, dass eine Kostentragungspflicht des Kfz-Halters bei Parkverstößen nur unter engen Voraussetzungen im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Regelung in § 25 a StVG vorgesehen ist. Gerade diese Haftung wird jedoch hoheitlich begründet und unterliegt insbesondere den öffentlich-rechtlichen Verfahrensgrundsätzen, die den Gerichten wesentlich größere Überprüfungsmöglichkeiten einräumen und ihnen die Ermittlung von Amts wegen auferlegen (Caspary, JR 2014, 179, 184). Insoweit kann auch dahinstehen, ob das Geschäftsmodell der privaten Parkplatzbetreiber bereits bei der Schaffung des § 25a StVG bekannt war.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">c.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Schließlich scheidet auch die Annahme eines Schadensersatzanspruchs aufgrund einer nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes bestehenden Zustandsstörereigenschaft der Beklagten aus. Die Kammer schließt sich insoweit der Auffassung der Klägerin, die auf ein Urteil des Amtsgerichts Dortmund verweist, nicht an. Die Kammer vermag auch keine widersprüchliche Rechtsauffassung des Amtsgerichts zu erkennen. Der Bundesgerichtshof hat in der Entscheidung entschieden, dass ein Fahrzeughalter, der sein Fahrzeug einer anderen Person überlassen hat, als Zustandsstörer unter dem Gesichtspunkt der Erstbegehungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden kann, wenn er auf die Aufforderung des Parkplatzbetreibers, den für eine Besitzstörung verantwortlichen Fahrer zu benennen, schweigt (BGH, Urteil vom 18. Dezember 2015 – V ZR 160/14 –, juris). Infolgedessen, hat die Beklagte auch den im Rahmen der Klageerweiterung geltend gemachten Unterlassungsanspruch anerkannt. Weitere Verpflichtungen ergeben sich jedoch nicht. Aus diesem Grund scheidet auch ein Anspruch aus § 242 BGB aus.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">d.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Der Bundesgerichtshof hat in der gleichen Entscheidung weiter geurteilt, dass dem Parkplatzbetreiber gegen den als Zustandsstörer auf Unterlassung in Anspruch genommenen Fahrzeughalter kein Anspruch auf Erstattung der Kosten der Halteranfrage zusteht (BGH, a.a.O.). Aus diesem Grund kann die Klägerin auch die geltend gemachten Halterkosten nicht verlangen.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">3.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Mangels Hauptanspruch kommt auch ein Anspruch auf Ersatz der Rechtsverfolgungskosten (Inkassokosten) nicht in Betracht. Ob diese aufgrund der offensichtlichen Verweigerungshaltung der Beklagten im vorliegenden Fall überhaupt erstattungsfähig gewesen wären, braucht daher nicht entschieden zu werden.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Ein Zinsanspruch besteht ebenfalls nicht.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">III.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97, 708 Nr. 10, 711 S. 1, 2 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">IV.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Auf Antrag der Klägerin war die Revision gegen das Urteil zuzulassen. Soweit ersichtlich existiert zu der vorliegenden Fallgestaltung bislang keine obergerichtliche bzw. höchstrichterliche Entscheidung. Gleichwohl kommt der Entscheidung grundsätzliche Bedeutung zu. Wie die Klägerin zu Recht mitteilt, besteht eine Vielzahl unterschiedlicher amtsgerichtlicher Entscheidungen, die zu divergierenden Rechtsauffassungen führen. Da in der Regel die Berufungssumme nicht erreicht wird, kann dies auch zu unterschiedlichen Auffassungen innerhalb eines Bezirkes führen. Zudem nimmt das Geschäft der privaten Parkplatzbetreiber weiter zu.</p>
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180,249 | lsgnrw-2019-01-16-l-7-as-108518-b | {
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} | L 7 AS 1085/18 B | 2019-01-16T00:00:00 | 2019-02-07T14:18:41 | 2019-02-12T13:33:28 | Beschluss | ECLI:DE:LSGNRW:2019:0116.L7AS1085.18B.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Beschwerde der Kläger wird der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 05.06.2018 geändert. Den Klägern wird für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt Dr. M, F, beigeordnet.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Gründe:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Kläger wenden sich mit ihrer Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe für eine Klage, mit der sie Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 01.12.2016 bis zum 31.10.2017 begehren.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die am 00.00.1991 in X geborene Klägerin zu 1) ist rumänische Staatsangehörige. Sie ist die Mutter der ebenfalls in Deutschland geborenen Kläger zu 2) bis 6). Die Klägerin zu 2) ist am 00.00.2008 geboren, der Kläger zu 3) am 00.00.2010, die Klägerin zu 4) am 00.00.2016, der Kläger zu 5) am 00.00.2013 und der Kläger zu 6) am 00.00.2017. Nach den in der Verwaltungsakte enthaltenen Urkunden ist Vater der Kläger zu 2) bis 5) O (* 00.00.1989), der teilweise als rumänischer, durch die Ausländerbehörde aber als bulgarischer Staatsangehöriger bezeichnet wird. Hinsichtlich der Vaterschaft des Klägers zu 6) sind keine Feststellungen aktenkundig. In den aktenkundigen Leistungsanträgen werden die Kläger zu 2) bis 6) teilweise als deutsche, teilweise als rumänische Staatsangehörige bezeichnet. Die Kläger leben zusammen in einem Haushalt. Seit dem 15.02.2015 waren sie unter der E-straße 00, F, gemeldet.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Nachdem die Ausländerbehörde der Stadt E zunächst am 25.01.2011 das Freizügigkeitsrecht der Klägerin zu 1) bestätigt hatte, stellte sie mit Bescheid vom 31.05.2011 den Verlust der Freizügigkeit der Kläger zu 1) bis 3) fest. Sie zog die Bescheinigung über das Freizügigkeitsrecht ein und forderte die Kläger zu 1) bis 3) auf, bis zum 15.07.2011 das Bundesgebiet zu verlassen. Für den Fall, dass die Klägerin zu 1) das Bundesgebiet nicht fristgerecht verlässt, wurde die Abschiebung nach Rumänien angedroht. Die Klägerin zu 1) halte sich seit über drei Monaten im Bundesgebiet auf und gehe keiner geregelten Tätigkeit nach. Es sei nicht erkennbar, dass sie ernsthafte Absichten verfolge, eine Beschäftigung aufzunehmen. Daher könne sich die Klägerin zu 1) nicht auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit berufen. Schutzwürdige Bindungen, die eine abweichende Entscheidung rechtfertigen könnten, seien nicht erkennbar.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Maßnahmen zur Beendigung des Aufenthalts wurden von der Ausländerbehörde nicht ergriffen. Nach einer im Verfahren S 49 AS 5194/17 ER vorgelegten Meldebestätigung sind die Kläger zu 1) bis 3) zuletzt im Mai 2012 aus Rumänien nach Deutschland gezogen und seither ununterbrochen im Bundesgebiet gemeldet.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Dem Vater der Kinder wurde am 11.01.2011 eine Freizügigkeitsbescheinigung erteilt. Mit Bescheid vom 18.04.2011 stellte die Ausländerbehörde auch gegenüber dem Vater den Verlust des Freizügigkeitsrechts fest. Der Vater wurde aufgefordert, bis zum 31.05.2011 das Bundesgebiet zu verlassen, andernfalls drohe eine Abschiebung. Ein Verstoß gegen den Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG liege nicht vor, da die Vaterschaft über die Kläger zu 2) und 3) bislang nicht anerkannt worden sei und unklar sei, ob die Klägerin zu 1) über ein Freizügigkeitsrecht verfüge. Auch der Vater hält sich noch im Bundesgebiet auf.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Vom 14.09.2015 bis zum 31.10.2015 war die Klägerin zu 1) bei der X GmbH (X-GmbH) geringfügig beschäftigt. Auf einen ersten Leistungsantrag bewilligte die Beklagte im Widerspruchsverfahren mit Abhilfebescheid vom 26.11.2016 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für Oktober 2015 und November 2015. Für diese Monate könne das Arbeitsverhältnis der Klägerin zu 1) anerkannt werden, für die Zeit danach scheide eine Fortwirkung des Arbeitsnehmerstatus aus, da nicht klar sei, dass die Klägerin zu 1) die Beschäftigung unfreiwillig verloren hat. Vom 09.12.2015 bis zum 03.11.2016 befand sich die Klägerin zu 1) in Strafhaft, während der sie einer Arbeitstätigkeit nachging. Nach ihren Angaben kümmerte sich in dieser Zeit der Vater um die Kläger zu 2) bis 5).</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Am 09.12.2016 beantragten die Kläger zu 1) bis 5) erneut Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Mit Bescheid vom 10.01.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.10.2017 lehnte die Beklagte den Antrag gestützt auf § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ab, da die Klägerin zu 1) nur über ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche verfüge. Im November 2017 beantragten die Kläger erneut Leistungen bei der Beklagten.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Am 15.11.2017 haben die Kläger gegen den Bescheid vom 10.01.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.10.2017 Klage erhoben. Hilfsweise machen sie einen Anspruch auf Sozialhilfe bzw. nach dem AsylbLG geltend. Der Erhalt der Verlustfeststellung sei der Klägerin zu 1) nicht erinnerlich. Die Kläger haben die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren beantragt.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Nach einem erfolglosen ersten Eilantrag (Antragsrücknahme nach einem gerichtlichen Hinweis) hat das Sozialgericht Duisburg einen erneuten Antrag auf Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom 08.12.2017 mit Beschluss vom 22.12.2017 abgelehnt (S 49 AS 5194/17 ER). Einem Anordnungsanspruch stehe der Ausschlussgrund des § 7 Abs. 1 Satz 2 a) und b) SGB II entgegen. Die Verlustfeststellung aus 2011 führe dazu, dass der Aufenthalt der Kläger im Bundesgebiet nicht rechtmäßig sei. Eine hiergegen erhobene Beschwerde hat das LSG Nordrhein-Westfalen mit Beschluss vom 19.03.2018 zurückgewiesen (L 19 AS 133/18 B ER). Die Kläger hätten einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht, da sie angesichts der Verlustfeststellung aus 2011 nicht über einen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet iSd § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II verfügten.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Mit Beschluss vom 05.06.2018 hat das Sozialgericht den Antrag auf Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren abgelehnt. Es sei davon auszugehen, dass die Klägerin zu 1) die Verlustfeststellung erhalten habe. Diese stehe einem Anordnungsanspruch entgegen. Offen bleiben könne, ob der Begründung aus dem Beschluss des Sozialgerichts vom 08.12.2017 oder der des LSG aus dem Beschluss vom 19.03.2018 zu folgen sei. Einem Anspruch gegen den Sozialhilfeträger stehe § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII entgegen. Einem Anspruch nach dem AsylbLG stehe § 6b AsylbLG (Kenntnisnahmegrundsatz) entgegen, die Kenntnis des Jobcenters sei dem Leistungsträger nach dem AsylbLG nicht zuzurechnen. Die Rechtsgrundlage (§ 16 SGB I) sei auf den AsylbLG-Träger nicht anwendbar, da dieses Gesetz nicht Bestandteil des formellen Sozialrechts sei. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen einen Leistungsausschluss bestünden nicht.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Gegen diese Entscheidung richtet sich die am 19.06.2018 erhobene Beschwerde der Kläger. Jedenfalls ein Anspruch gegen den Träger der Sozialhilfe oder des AsylbLG sei zu bejahen, weshalb die Rechtsverfolgung Aussicht auf Erfolg biete.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Beschwerde ist begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Die Kläger haben für das Klageverfahren Anspruch auf Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. M. Die Kläger erfüllen nach ihren glaubhaft gemachten Angaben die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen und die Rechtsverfolgung hatte hinreichende Aussicht auf Erfolg iSd §§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG, 114 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Ein Rechtsschutzbegehren hat hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung einer schwierigen Rechtsfrage abhängt. Die Prüfung der Erfolgsaussichten für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Schwierige, bislang ungeklärte Rechtsfragen dürfen nicht im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden werden, sondern müssen auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung zugeführt werden können. Prozesskostenhilfe ist auch zu bewilligen, wenn in der Hauptsache eine Beweisaufnahme erforderlich ist und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Antragstellers ausgehen wird (BVerfG Beschlüsse vom 04.05.2015 - 1 BvR 2096/13, vom 09.10.2014 - 1 BvR 83/12 und vom 19.02.2008 - 1 BvR 1807/07; ständige Rechtsprechung des Senats, vergl. nur Beschlüsse vom 20.04.2016 - L 7 AS 1645/15 B und vom 15.02.2016 - L 7 AS 1681/15 B). Beide Voraussetzungen liegen vor:</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Bei der Frage, ob die Kläger allein aufgrund der Verlustfeststellung vom 31.05.2011 vom Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen sind - sei es aufgrund der Verneinung eines gewöhnlichen Aufenthalts im Bundesgebiet gem. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II, sei es wegen eines Ausschlusstatbestand gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II bzw. der Nichtanwendung der Fünfjahresfrist gem. § 7 Abs. 1 Satz 4 SGB II - handelt es sich um eine schwierige Rechtsfrage, die nicht im Verfahren über die Prozesskostenhilfe, sondern im Hauptsacheverfahren abschließend zu beantworten ist.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Verlustfeststellung in dem Bescheid vom 31.05.2011 beruht auf § 5 Abs. 5 FreizügG/EU in der bis zum 28.01.2013 gF. Die Vorschrift lautete: "Sind die Voraussetzungen des Rechts nach § 2 Abs. 1 innerhalb von fünf Jahren nach Begründung des ständigen Aufenthalts im Bundesgebiet entfallen, kann der Verlust des Rechts nach § 2 Abs. 1 festgestellt und die Bescheinigung über das gemeinschaftsrechtliche Aufenthaltsrecht eingezogen und die Aufenthaltskarte widerrufen werden". Eine entsprechende Regelung findet sich jetzt in § 5 Abs. 4 FreizügG/EU. Die Vorschrift räumt der zuständigen Behörde Ermessen ein.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Zwar ist den Sozialleistungsträgern und den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eine eigenständige Prüfung der Sach- und Rechtslage nach einer Feststellung des Verlusts der Freizügigkeitsberechtigung verwehrt (LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 14.11.2018 - L 19 AS 1934/18 ER; allgemein zur fehlenden Befugnis der Überprüfung aufenthaltsrechtlicher Statusentscheidungen BSG Urteil vom 02.12.2014 - B 14 AS 8/13 R). Auch eine Änderung der Sach- und Rechtslage führt nicht ohne weiteres zu deren Gegenstandslosigkeit. Vielmehr ist die Verlustfeststellung durch die Ausländerbehörde mit ex-nunc-Wirkung aufzuheben. Eine Aufhebung ist erforderlich, weil damit die Freizügigkeitsvermutung wiederauflebt und der rechtmäßige Aufenthalt für Dritte erkennbar wird (Dienelt in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 7 FreizügG, Rd.25).</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Im vorliegenden Verfahren ist zunächst zu klären, ob die Verlustfeststellung der Klägerin zu 1) überhaupt bekanntgegeben worden ist. Es ist nicht zulässig, diese entscheidungserhebliche Frage im Wege der Beweisantizipation im Verfahren über die Prozesskostenhilfe vorzunehmen. Vielmehr gebietet die Verpflichtung zur Sachaufklärung (§ 103 SGG) insoweit eine Beweisaufnahme, beispielsweise durch Einvernahme des Vaters der gemeinsamen Kinder als Zeuge oder der Klägerin selbst im Rahmen einer mündlichen Einvernahme.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Gleiches gilt für die Frage, ob und ggfs. für welche Zeit die Klägerin zu 1) (und ggfs. ihre Kinder) vor Mai 2012 das Bundesgebiet verlassen hatten. Diese Fragestellung ist in rechtlicher Hinsicht bedeutsam, weil - wie das Sozialgericht zutreffend darlegt - eine Erledigung (§ 43 Abs. 2 VwVfG NW) der auf § 5 Abs. 4 FreizügG/EU aF gestützten Verlustfeststellung eingetreten sein könnte, wenn die Klägerin zu 1) (und ggfs. ihre Kinder) ausgereist sind und bei Wiedereinreise die Voraussetzungen der Inanspruchnahme des Freizügigkeitsrechts erneut vorlagen. Das Sozialgericht hat nicht dargelegt, weshalb es für nicht glaubhaft gemacht hält, dass bei der vorgetragenen Wiedereinreise im Mai 2012 ein neues Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 2 FreizügG/EU vorgelegen hat. Feststellungen zu Aufenthaltsrechten nach § 2 Abs. 2 FreizügG/EU ab Mai 2012 fehlen und sind im Hauptsacheverfahren nachzuholen. Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche iSd § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU zwar möglicherweise zu einem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II aF geführt hätte, aber dennoch ein wirksames Freizügigkeitsrecht begründet hätte, dass der fortdauernden Wirksamkeit der Verlustfeststellung nach Aus- und Wiedereinreise entgegen steht.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Schwierig und klärungsbedürftig ist weiter die Rechtsfrage, ob es der Ausländerbehörde im streitgegenständlichen Zeitraum sowohl aufgrund des Zeitablaufs als auch aufgrund ihres Verhaltens gegenüber den Klägern unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung oder des Vertrauensschutzes verboten gewesen sein könnte, die Verlustfeststellung im streitgegenständlichen Zeitraum noch iSv § 7 FreizügG/EU zu vollziehen, und wie sich dieser Umstand aufenthalts- und leistungsrechtlich auswirkt. Die Ausländerbehörde hat nach eigenem Bekunden (e-mail an die Beklagte vom 23.11.2017) sehenden Auges die Verlustfeststellung nicht vollzogen, sondern u.a. aufgrund der "Geburt der Kinder Manase, Estera und Ronaldo" von der nach § 7 Abs. 1 Satz 2 FreizügG/EU bei einer Verlustfeststellung eigentlich gebotenen Aufenthaltsbeendigung abgesehen. Die Verlustfeststellung wurde also nach Aktenlage nicht etwa deshalb nicht vollzogen, weil die Klägerin zu 1) "untergetaucht" war oder sich sonst der Abschiebung entzogen hatte, sondern weil die Ausländerbehörde Umstände gesehen hat, die einer Abschiebung entgegen stehen. Gegen die fortbestehende Zulässigkeit einer auf die Verlustfeststellung gestützten Aufenthaltsbeendigung spricht weiter, dass sich die Sachlage seit dem Erlass der Verlustfeststellung wesentlich geändert hat und damit Ermessengesichtspunkte eine Rolle spielen, die zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses noch nicht vorhanden waren. So hat die Klägerin zu 1) bei der X GmbH mindestens eine auch von der Beklagten anerkannte Beschäftigung ausgeübt. Tragender Grund der Verlustfeststellung vom 31.05.2011 war hingegen, es sei nicht erkennbar, dass die Klägerin zu 1) ernsthafte Absichten verfolgt, eine Beschäftigung aufzunehmen. Zudem hat die Klägerin zu 1) seit der Verlustfeststellung drei weitere Kinder geboren, von denen mindestens zwei von Herrn O stammen. Zwar ist auch diesem gegenüber der Verlust des Freizügigkeitsrechts festgestellt worden, dies aber mit der tragenden Begründung, ein Verstoß gegen Art. 6 GG sei nicht erkennbar, weil Herr O die Vaterschaft nicht anerkannt habe. Dies ist indes nun geschehen.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Klärungsbedürftig ist auch, ob und ggfs. wann der Klägerin zu 1) in irgendeiner Weise mitgeteilt wurde, dass ein Vollzug der Verlustfeststellung unterbleibt und es sich hierbei um einen aufhebenden Verwaltungsakt für die Zukunft handelt.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Erfolgsaussichten lassen sich auch bei Annahme einer weiter wirksamen Verlustfeststellung nicht allein mit dem Argument verneinen, den Klägern fehle ein gewöhnlicher Aufenthalt im Bundesgebiet iSd § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II (so aber der Beschluss des 19. Senats des LSG Nordrhein-Westfalen vom 19.03.2018). Nach der Rechtsprechung des BSG läuft es jedenfalls für den Bereich des SGB II der Vereinheitlichung des Begriffs des gewöhnlichen Aufenthalts (§ 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I: "Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt") zuwider, wenn dem Gesetzeswortlaut nicht zu entnehmende Tatbestandsmerkmale im Sinne von rechtlichen Erfordernissen zum Aufenthaltsstatus aufgestellt werden und damit einzelnen Personengruppen der Zugang zu existenzsichernden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts versperrt wird (BSG Urteil vom 30.01.2013 - B 4 AS 54/12 R; offen gelassen noch bei BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 23/10 R). Zwar hat das BSG in der Entscheidung vom 30.01.2013 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass bei EU-Bürgern das Aufenthaltsrecht besteht, solange der Aufnahmemitgliedstaat nicht durch einen nationalen Rechtsakt festgestellt hat, dass der Unionsbürger bestimmte vorbehaltene Bedingungen iS des Art. 21 AEUV nicht erfüllt. Ob hieraus indes abzuleiten ist, dass bei Vorliegen einer Verlustfeststellung stets und ohne jegliche Rücksicht auf tatsächliche Besonderheiten ein gewöhnlicher Aufenthalt zu verneinen ist und damit bei Vorliegen einer Verlustfeststellung doch rechtliche Implikationen - entsprechend der vom BSG ausdrücklich abgelehnten "Einfärbungslehre" - für die Frage des gewöhnlichen Aufenthalts relevant sind, lässt sich der Rechtsprechung des BSG nicht entnehmen. In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist angenommen worden, dass auch bei Vorliegen einer Verlustfeststellung ein gewöhnlicher Aufenthalt angenommen werden kann und es allein an der Aufenthaltsverfestigung iSd § 7 Abs. 1 Satz 4 SGB II fehlt (LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 26.05.2017 - L 17 AS 62/17 B ER). Für eine Bejahung des gewöhnlichen Aufenthalts bei Vorliegen der entsprechenden tatsächlichen Voraussetzungen trotz einer Verlustfeststellung spricht im Übrigen die Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 4 2. Halbsatz SGB II, nach der ein Leistungsanspruch nach fünf Jahren eines gewöhnlichen Aufenthalts im Bundesgebiet dann nicht begründet wird, wenn der Verlust des Freizügigkeitsrechts festgestellt wurde. Dieser Regelung bedürfte es nicht, wenn bei einer Verlustfeststellung bereits der gewöhnliche Aufenthalt entfiele. Im vorliegenden Fall bestehen zudem tatsächliche Besonderheiten, die die Verneinung des gewöhnlichen Aufenthalts im Bundesgebiet allein aufgrund der Verlustfeststellung als äußerst zweifelhaft erscheinen lassen: Alle Kläger sind in Deutschland geboren, jedenfalls die Kläger zu 4), 5) und 6) dürften sich noch nie in einem anderen Land - insbesondere nicht in Rumänien - gewöhnlich aufgehalten haben.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Eine schwierige Rechtsfrage ist schließlich, wie sich ein evtl. Schulbesuch insbesondere der Klägerin zu 2), die während der Beschäftigung der Klägerin zu 1) im September 2015 und Oktober 2015 schulpflichtig gewesen sein dürfte, auf einen Leistungsanspruch auswirkt. Zwar sind gem. § 7 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 c) SGB II Ausländerinnen und Ausländer, die ihr Aufenthaltsrecht allein oder neben einem Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche aus Art. 10 VO (EU) 492/11 ableiten und ihre Familienangehörigen von Leistungen nach dem SGB II ausgenommen. Die Europarechtskonformität dieser Vorschrift ist jedoch umstritten (hierzu LSG Nordrhein-Westfalen Beschlüsse vom 14.09.2017 - L 21 AS 782/17 B ER, vom 21.08.2017 - L 19 AS 1577/17 B ER, vom 16.08.2017 - L 19 AS 1429/17 B ER und vom 12.07.2017 - L 12 AS 596/17 B ER; Beschlüsse des Senats vom 21.12.2017 - L 7 AS 2044/17 B ER und vom 30.08.2018 - L 7 AS 1268/18 B ER). Sollte von einer Verlustfeststellung auszugehen sein ist zudem ungeklärt, wie sich dieser Umstand auf das Aufenthaltsrecht nach Art. 10 VO (EU) Nr. 492/2011 auswirkt. Denn die Verlustfeststellung war auf das Aufenthaltsrecht nach dem FreizügG/EU gestützt, das wiederum seine Grundlage in der Unionsbürgerrichtlinie 2004/38 EG findet. Das Aufenthaltsrecht nach Art. 10 VO (EU) Nr. 492/2011 ("Die Kinder eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt ist oder beschäftigt gewesen ist, können, wenn sie im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats wohnen, unter den gleichen Bedingungen wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats am allgemeinen Unterricht sowie an der Lehrlings- und Berufsausbildung teilnehmen") ist hiervon zu unterscheiden, so dass außerhalb des Prozesskostenhilfeverfahrens klärungsbedürftig ist, ob ein entsprechendes Aufenthaltsrecht trotz Verlustfeststellung nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU bestehen kann. Denn die einmal erworbenen und fortbestehenden Ausbildungs- und Aufenthaltsrechte eines Kindes bzw. der Elternteile aus Art. 10 VO 492/11/EU bestehen nach der Rechtsprechung des EuGH unabhängig von den in der Unionsbürgerrichtlinie 2004/38/EG festgelegten Voraussetzungen ausreichender Existenzmittel sowie eines umfassenden Krankenversicherungsschutzes fort und sind autonom gegenüber den unionsrechtlichen Bestimmungen anzuwenden, die die Voraussetzungen für die Ausübung des Rechts auf Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat regeln (EuGH Urteil vom 23.2.2010 Ibrahim - C 310/08). Damit endet ein aus Art. 10 VO (EU) 492/11/EU abgeleitetes Aufenthaltsrecht eines sorgeberechtigten Elternteils erst, wenn das aus Art. 10 VO (EU) 492/11/EU aufenthaltsberechtigte Kind seine Ausbildung beendet, volljährig wird, soweit es nicht weiterhin der Anwesenheit und der Fürsorge dieses Elternteils bedarf, oder der Verlust dieses (speziellen) Aufenthaltsrechts festgestellt wird (LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 27.01.2016 - L 19 AS 29/16 B ER). In tatsächlicher Hinsicht ist insoweit der Schulbesuch der Klägerin zu 2) zu klären.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung sind zudem auch zu bejahen, weil ein Anspruch der Kläger auf Leistungen nach dem SGB XII nach Beiladung des entsprechenden Trägers, der dann ggfs. verurteilt werden kann (§ 75 Abs. 5 SGG), nicht ausgeschlossen ist.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Dies gilt zunächst für Leistungen bis zum 28.12.2016. Das vom Sozialgericht zur Begründung des Anspruchsausschlusses insoweit benannte Gesetz zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen nach dem SGB II und in der Sozialhilfe vom 22.12.2016 (BGBl. I, 3155) ist erst am 29.12.2016 in Kraft getreten. Vorher galt die Rechtsprechung, mit der das BSG durch zwei Senate (und in Übereinstimmung mit dem Urteil des Sozialhilfesenats vom 18.11.2014 - B 8 SO 9/15 R) entschieden hatte, dass der Leistungsausschluss im SGB II zwar wirksam ist (und auch erst Recht auf Personen anzuwenden ist, die kein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche haben), jedoch aus verfassungsrechtlichen Gründen - ungeachtet der Regelung des § 21 SGB XII - ein Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII besteht. Rechtsgrundlage hierfür sollte § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII sein, das nach dieser Vorschrift bestehende Ermessen sollte, weil es um das verfassungsrechtlich geschützte Existenzminimum geht, regelmäßig auf Null reduziert sein (BSG Urteile vom 03.12.2005 - B 4 AS 59/13 R, B 4 AS 44/15 R, vom 16.12.2015 - B 14 AS 15/14 R, B 14 AS 18/14 R, B 14 AS 33/14 R, vom 20.01.2016 - B 14 AS 15/15 R und B 14 AS 35/15 R, vom 17.02.2016 - B 4 AS 24/14 R sowie vom 17.03.2016 - B 4 AS 32/15 R; zuletzt unter Berücksichtigung der Gegenargumente BSG Urteile vom 30.08.2017 - B 14 AS 31/16 R und vom 10.08.2018 - B 14 AS 32/17 R). Nicht im Verfahren über die Prozesskostenhilfe zu entscheiden ist, ob diese Rechtsprechung auch bei Vorliegen einer wirksamen Verlustfeststellung - wenn eine solche angenommen werden sollte - gilt.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Auch nach Inkrafttreten der Neuregelung von § 23 SGB XII ab 29.12.2016 ist ein Leistungsanspruch (auch bei Annahme eines Leistungsausschlusses nach § 23 Abs. 3 SGB XII) gegen den Sozialhilfeträger nicht ausgeschlossen. Seither bestimmt § 23 Abs. 3 Satz 6 SGB XII: "Soweit dies im Einzelfall besondere Umstände erfordern, werden Leistungsberechtigten nach Satz 3 zur Überwindung einer besonderen Härte andere Leistungen im Sinne von Absatz 1 gewährt; ebenso sind Leistungen über einen Zeitraum von einem Monat hinaus zu erbringen, soweit dies im Einzelfall auf Grund besonderer Umstände zur Überwindung einer besonderen Härte und zur Deckung einer zeitlich befristeten Bedarfslage geboten ist." Der Anspruch auf Leistungen nach § 23 Abs. 3 Satz 6 SGB XII setzt nicht voraus, dass ein Ausreisewille feststellbar ist. Zwar knüpft die Vorschrift an die Regelung über die Überbrückungsleistungen (§ 23 Abs. 3 Satz 3 SGB XII) an und soll ausdrücklich eine Anspruchsgrundlage darstellen, "die lediglich bei Vorliegen besonderer Umstände eingreift, um im Einzelfall für einen begrenzten Zeitraum unzumutbare Härten zu vermeiden, nicht um eine Regelung, mit der ein dauerhafter Leistungsbezug ermöglicht wird" (BT-Drs. 18/10211, S. 16). Es lässt sich aber nicht feststellen, dass der Gesetzgeber Unionsbürger gerade dann leistungslos lassen wollte, wenn die Verweisung (nur) auf Überbrückungsleistungen sich auch für einen längeren Zeitraum als unzumutbare Härte darstellt, mithin die den Leistungsausschluss begründende Rückkehroption sich gerade nicht ohne Weiteres verwirklichen lässt. Das Erfordernis "zeitlich befristete Bedarfslage" ist nicht mit "kurzfristig" gleichzusetzen. Vielmehr ist eine zeitliche befristete Bedarfslage bereits dann anzunehmen, wenn Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass der bedarfsbegründende Zustand kein Dauerzustand, sondern voraussichtlich vorübergehend ist (Beschluss des Senats vom 28.03.2018 - L 7 AS 115/18 B ER; in diesem Sinne auch LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 20.06.2017 - L 15 SO 104/17 B). Härtegesichtspunkte sind vorliegend naheliegend, da eine dauerhafte Ausreise der Kläger nach Rumänien unzumutbar sein könnte, nachdem alle Kläger in Deutschland geboren sind, insbesondere die Kläger zu 2) bis 5) möglicherweise keinerlei Beziehungen zu diesem Land haben und die Kläger zu 2) und 3) evtl. eine Schulausbildung unterbrechen müssten. Auch hierzu sind entsprechende Feststellungen dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Bei Annahme einer fortbestehenden wirksamen Verlustfeststellung kommt zudem materiell-rechtlich ein Anspruch nach dem AsylbLG in Betracht, da die Kläger dann vollziehbar ausreisepflichtig wären (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG). Die Kläger haben einen entsprechenden Antrag im Beschwerdeverfahren gestellt (Schriftsatz vom 19.06.2018). In einem solchen Fall wären ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II (§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II) und ein Anspruch auf Sozialhilfe (§ 23 Abs. 2 SGB XII) ausgeschlossen. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts dürfte der Kenntnisnahmegrundsatz des § 6b AsylbLG iVm § 18 SGB XII einem entsprechenden Anspruch nicht entgegenstehen, da sowohl für die beantragten Leistungen nach dem SGB II als auch für die Leistungen nach dem AsylbLG die Beklagte (Stadt F) zuständiger Leistungsträger ist (§§ 10 AsylbLG, 1 Abs. 1 Satz 1 AG AsylbLG NW). Auf die Frage, ob die Kenntnis des Jobcenters vom Bedarfsfall dem AsylbLG-Träger zuzurechnen ist, kommt es daher vorliegend nicht an. Ungeachtet dessen dürfte die vom Sozialgericht verneinte Geltung von § 16 SGB I für Träger nach dem AsylbLG naheliegend sein. Zwar hat das Sozialgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass das AsylbLG kein Teil des Sozialgesetzbuchs ist (§ 68 SGB I). Nach herkömmlicher Auffassung fehlt es den Leistungen nach dem AsylbLG an der Sozialleistungsqualität im Sinne des SGB. Der Begriff der Sozialleistung ist in § 11 SGB I definiert. Gegenstand der sozialen Rechte sind danach die in diesem Gesetzbuch vorgesehenen Dienst-, Sach- und Geldleistungen. Hierzu gehören Leistungen nach dem AsylbLG nicht (LSG Rheinland-Pfalz Urteil vom 26.05.2011 - L 1 AY 16/10 zu einer umstrittenen analogen Anwendung von § 64 SGB X - Kostenfreiheit der Verwaltungsverfahren). Fraglich ist aber, ob diese formale Betrachtung nach der Entscheidung des BVerfG vom 18.07.2012 (1 BvL 10/10) noch aufrechterhalten werden kann. Für eine materielle Betrachtungsweise spricht auch die Zuständigkeit der Sozialgerichte nach § 51 Abs. 1 Nr. 6a SGG. Dies legt nahe, Grundsätze, die zum Verhältnis zwischen Jobcenter und Sozialhilfeträger entwickelt worden sind, auch auf das Verhältnis von Jobcenter zu AsylbLG-Träger anzuwenden. Gleiches gilt für die Frage, ob § 75 Abs. 2, 5 SGG auch auf Träger nach dem AsylbLG anzuwenden ist (zweifelnd Fock in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl., § 75 Rn. 6).</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Sollte das Sozialgericht auch nach Klärung dieser offenen Rechtsfragen zu dem Ergebnis kommen, dass für die Kläger kein existenzsichernder Leistungsanspruch gegeben ist, stellt sich die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit eines solchen Ergebnisses. Noch mit Urteil vom 10.08.2018 - B 14 AS 32/17 R hat das BSG entsprechend seiner ständigen Rechtsprechung ausgeführt: "Auch Verfassungsrecht steht dem SGB II-Leistungsausschluss nicht entgegen. Dieser ist mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG vereinbar, weil der Kläger grundsätzlich Zugang zu existenzsichernden Leistungen nach dem SGB XII hat". Ist ein Leistungsanspruch nach dem SGB XII und dem AsylbLG hingegen nicht gegeben, stellt sich die Frage der Vereinbarkeit mit dem Grundrecht auf Wahrung des menschenwürdigen Existenzminimums (zu den in diesem Zusammenhang noch offenen verfassungsrechtlichen Fragen vgl. BVerfG Beschluss vom 04.10.2016 - 1 BvR 2778/13).</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Die Frage, ob die Kläger im streitigen Zeitraum hilfebedürftig waren, ist ebenfalls im Hauptsacheverfahren abschließend zu klären.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Kosten im Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe sind nicht erstattungsfähig (§§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG, 127 Abs. 4 ZPO).</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).</p>
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<p>Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 26. Mai 2017 - auch im Kostenpunkt - aufgehoben und das Urteil des Amtsgerichts Wiesbaden vom 7. Dezember 2016 in der Fassung des Tatbestandsberichtigungsbeschlusses vom 19. Januar 2017 abgeändert, soweit die Beklagten verurteilt worden sind, als Gesamtschuldner an die Klägerin 86,83 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25. März 2015 zu zahlen.</p>
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<p>Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, zurückverwiesen.</p>
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<p>Die weitergehende Revision der Beklagten gegen das vorbezeichnete Urteil des Landgerichts Wiesbaden wird als unzulässig verworfen.</p>
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<p>Von Rechts wegen</p>
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<h2>Tatbestand</h2>
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<p>Die Beklagten sind Mieter einer Wohnung der Klägerin in Wiesbaden. Der am 1. November 1979 geschlossene Mietvertrag sieht unter anderem vor: "Die Wohnfläche beträgt 120,05 qm. […] Die Wohnung ist preisgebunden."</p>
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<p>Zu der im dritten Obergeschoss gelegenen Wohnung der Beklagten gehört eine Mansarde im fünften Obergeschoss, die eine Deckenhöhe von 1,90 m aufweist. In der "Wohnungsbeschreibung und Übergabeverhandlung", auf welche die Mietvertragsurkunde verweist, ist die Grundfläche der Mansarde mit 16,95 qm angegeben.</p>
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<p>Die Parteien streiten im Rahmen einer Betriebskostennachforderung der Klägerin darum, ob und in welchem Umfang die Grundfläche der Mansarde auf die Wohnfläche anrechenbar ist. Die Klägerin hat ihrer Betriebskostenabrechnung vom 4. November 2014 für den Abrechnungszeitraum 2013 eine Wohnfläche von insgesamt 120,05 qm (einschließlich der Grundfläche der Mansarde) zugrunde gelegt und nach dieser Maßgabe zuletzt eine Betriebskostennachforderung in Höhe von 86,83 € geltend gemacht.</p>
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<p>Die Beklagten meinen, die Grundfläche der Mansarde sei nicht anrechenbar; die Wohnfläche sei daher nur mit 103,10 qm zu bemessen. Widerklagend begehren sie die Rückzahlung ihrer Auffassung nach überzahlter Miete in Höhe von 1.214,68 € für das Jahr 2012 und machen geltend, dass die tatsächliche Wohnfläche mehr als 10 % hinter der im Mietvertrag vereinbarten Wohnfläche von 120,05 qm zurückbleibe.</p>
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<p>Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht im Hinblick auf "die Frage der Relevanz von Flächenabweichungen bei Nebenkostenabrechnungen" zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihr Klageabweisungs- sowie ihr Widerklagebegehren weiter.</p>
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<h2>Entscheidungsgründe</h2>
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<p>Die Revision der Beklagten hat Erfolg, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Zahlung rückständiger Betriebskosten richtet. Soweit die Beklagten sich auch gegen die Abweisung ihrer auf Rückzahlung zu viel gezahlter Miete gerichteten Widerklage wenden, ist die Revision vom Berufungsgericht nicht zugelassen und deshalb als unzulässig zu verwerfen.</p>
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<p>Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:</p>
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<p>Die Mietvertragsparteien hätten eine Wohnfläche von 120,05 qm vereinbart. Die Mansarde sei Teil der Wohnfläche. Es handele sich nicht um einen - bei der Wohnflächenberechnung außer Betracht bleibenden - Zubehörraum; die nach richterlicher Inaugenscheinnahme durch das Amtsgericht gewonnene Überzeugung sei nicht zu beanstanden. Die Grundfläche der Mansarde von 16,95 qm sei mit 50 % zu berücksichtigen, weil ihre lichte Deckenhöhe weniger als zwei Meter betrage. Daraus ergebe sich zwar eine tatsächliche Wohnfläche von lediglich 111,57 qm. Gleichwohl sei bei der Abrechnung von Nebenkosten - ebenso wie bei der von den Beklagten widerklagend geltend gemachten Mietminderung wegen Flächenabweichung - die vereinbarte Wohnfläche von 120,05 qm maßgebend, weil die tatsächliche Wohnfläche um weniger als 10 % davon abweiche.</p>
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<p>1. Die unbeschränkt eingelegte Revision ist mangels Zulassung durch das Berufungsgericht als unzulässig zu verwerfen, soweit sie sich gegen die Abweisung der Widerklage der Beklagten richtet.</p>
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<p>a) Das Berufungsgericht hat die Revision zur Klärung der Frage zugelassen, ob die vom Senat in seinem Urteil vom 18. November 2015 (VIII ZR 266/14, BGHZ 208, 18 Rn. 10 ff.) entwickelten Grundsätze zur Bedeutung von Wohnflächenangaben im Mietvertrag bei der Anpassung der Miete an die ortsübliche Vergleichsmiete (§§ 558 BGB ff.) auf Betriebskostenabrechnungen übertragbar seien.</p>
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<p>Der Tenor des Berufungsurteils enthält zwar keine Beschränkung der Revisionszulassung. Allerdings kann sich eine Beschränkung der Revisionszulassung, die nicht schon in der Entscheidungsformel des Berufungsurteils enthalten ist, auch aus den Urteilsgründen ergeben. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Entscheidungsformel im Licht der Urteilsgründe auszulegen und deshalb von einer beschränkten Revisionszulassung auszugehen, wenn sich dies aus den Gründen des Urteils klar ergibt. Das ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn sich die vom Berufungsgericht als zulassungsrelevant angesehene Frage nur für einen abgrenzbaren selbständigen Teil des Streitstoffs stellt, der Gegenstand eines Teilurteils oder eines eingeschränkt eingelegten Rechtsmittels sein kann (st. Rspr.; siehe nur Senatsurteile vom 5. Dezember 2018 - VIII ZR 67/18, unter II 1 a, zur Veröffentlichung bestimmt; vom 24. Oktober 2018 - VIII ZR 66/17, ZIP 2018, 2272 Rn. 22, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt; jeweils mwN).</p>
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<p>So verhält es sich auch hier, wie die Revisionserwiderung zu Recht geltend macht. Das Berufungsgericht hat die Revision zur Klärung der Bedeutung von Wohnflächenangaben im Mietvertrag für die Betriebskostenabrechnung zugelassen und zur Begründung näher ausgeführt, der Senat habe sich zu dieser Frage in seinem Urteil vom 18. November 2015 (VIII ZR 266/14, aaO) nicht abschließend geäußert. Die vom Berufungsgericht als klärungsbedürftig angesehene Frage ist damit allein Gegenstand der Klage, nicht aber der Widerklage, die einen davon abgrenzbaren Teil des Streitstoffs betrifft, nämlich die Rückzahlung vermeintlich zu viel entrichteter Miete wegen eines von den Beklagten geltend gemachten Sachmangels der Wohnung in Gestalt der Flächenabweichung. Insoweit hat der Senat, wie das Berufungsgericht nicht verkannt hat, in dem vorgenannten Urteil an seiner ständigen Rechtsprechung festgehalten, wonach ein zur Minderung der Miete führender Mangel der Wohnung im Sinne des § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB infolge Überschreitung der Erheblichkeitsschwelle (§ 536 Abs. 1 Satz 3 BGB) gegeben ist, wenn die tatsächliche Wohnfläche um mehr als 10 % unter der im Mietvertrag angegebenen Wohnfläche liegt (Senatsurteil vom 18. November 2015 - VIII ZR 266/14, aaO Rn. 9 mwN).</p>
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<p>b) Die Beschränkung der Zulassung der Revision ist auch wirksam. Denn die auf Nachforderung von Betriebskosten gerichtete Klage betrifft einen selbständigen Teil des Streitstoffs in dem Sinne, dass dieser in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von der Widerklage beurteilt werden und auch im Fall einer Zurückverweisung kein Widerspruch zu dem nicht anfechtbaren Teil des Streitstoffs auftreten kann (vgl. Senatsurteil vom 5. Dezember 2018 - VIII ZR 67/18, aaO unter II 1 b mwN).</p>
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<p>2. Soweit die Revision eröffnet ist, hält die Beurteilung des Berufungsgerichts rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung des Betriebskostensaldos für den streitgegenständlichen Abrechnungszeitraum 2013 nicht bejaht werden.</p>
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<p>Zwar steht die vertragliche Umlage der Betriebskosten auf die Beklagten nicht im Streit. Auch ist das Berufungsgericht im Ansatz zu Recht davon ausgegangen, dass die Grundfläche der Mansarde zur Ermittlung der Wohnfläche der gemieteten Räume nur zur Hälfte anzurechnen ist. Das Berufungsgericht hat jedoch rechtsfehlerhaft nicht berücksichtigt, dass die Betriebskosten nach dem anteiligen Verhältnis der tatsächlichen Wohnfläche (hier 111,57 qm) an der Gesamtwohnfläche umzulegen sind und dies nicht deshalb außer Betracht bleiben darf, weil die Flächenabweichung zu der vertraglich vereinbarten Wohnfläche der gemieteten Wohnung (hier 120,05 qm) geringer als 10 % ist.</p>
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<p>a) Im Ausgangspunkt rechtsfehlerfrei und unangegriffen ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die hier abgerechneten Betriebskosten - mit Ausnahme von zwei Positionen - nach dem Anteil der Wohnfläche umzulegen sind. Das Berufungsgericht hat seinem Urteil auch zutreffend zugrunde gelegt, dass die Wohnfläche der ausweislich des Mietvertrags vom 1. November 1979 preisgebundenen Wohnung unmittelbar anhand der für preisgebundenen Wohnraum bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Bestimmungen der Zweiten Berechnungsverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Oktober 1990 (BGBl. I S. 2178; nachfolgend: II. BV) zu ermitteln ist. Davon geht auch die Revision aus.</p>
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<p>Die II. BV ist zwar zum 1. Januar 2004 außer Kraft getreten und durch die Wohnflächenverordnung (WoFlV) ersetzt worden, gilt aber gemäß § 5 WoFlV und § 42 II. BV, der zum 1. Januar 2004 durch Art. 3 Ziffer 6 der Verordnung zur Berechnung der Wohnfläche, über die Aufstellung von Betriebskosten und zur Änderung anderer Verordnungen vom 25. November 2003 (BGBl. I S. 2346) neu gefasst und als Übergangsvorschrift ausgestaltet worden ist, für Wohnraum, der bis zum 31. Dezember 2003 errichtet wurde, weiter, es sei denn, dass ab dem 1. Januar 2004 bauliche Veränderungen vorgenommen wurden (vgl. Schmidt-Futterer/Langenberg, Mietrecht, 13. Aufl., Nach § 556a BGB Rn. 1). Dahingehende Feststellungen hat das Berufungsgericht jedoch nicht getroffen.</p>
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<p>aa) Ebenfalls noch rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht angenommen, dass auch die Mansarde, die nach dem Mietvertrag zu Wohnzwecken, also als Wohnraum, vermietet wurde, Teil der Wohnfläche ist. Wie das Berufungsgericht nicht verkannt hat, ist die Grundfläche der Mansarde (unstreitig 16,95 qm) gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 2 II. BV (ebenso § 4 Nr. 2 WoFlV) nur zur Hälfte anzurechnen, weil ihre lichte Höhe weniger als 2 Meter, nämlich 1,90 Meter, beträgt.</p>
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<p>bb) Entgegen der Annahme der Revision hat die Fläche der zu Wohnzwecken vermieteten Mansarde bei der Ermittlung der Wohnfläche nicht deshalb gänzlich außer Betracht zu bleiben, weil die Grundfläche solcher Räume nicht zur Wohnfläche gehört, die den nach ihrer Nutzung zu stellenden Anforderungen des Bauordnungsrechts nicht genügen (§ 42 Abs. 4 Nr. 3 II. BV; ebenso § 2 Abs. 3 Nr. 2 WoFlV).</p>
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<p>Zwar weist die von den Beklagten angemietete Mansarde zu weniger als der Hälfte ihrer Grundfläche eine lichte Höhe von mehr als 2,20 m auf und gilt deshalb nach den Bestimmungen der Hessischen Landesbauordnung nicht als Aufenthaltsraum. Öffentlich-rechtliche Nutzungsbeschränkungen vermieteter Wohnräume sind jedoch nicht zu berücksichtigen, wenn die Nutzbarkeit der vermieteten Räume mangels Einschreitens der zuständigen Behörden tatsächlich nicht eingeschränkt ist. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Mietminderung (BGH, Urteile vom 16. September 2009 - VIII ZR 275/08, NJW 2009, 3421 Rn. 6; vom 16. Dezember 2009 - VIII ZR 39/09, NJW 2010, 1064 Rn. 20; vom 3. Juni 2010 - VIII ZR 256/09, NJW 2010, 2648 Rn. 20; Beschluss vom 29. September 2009 - VIII ZR 242/08, WuM 2009, 662 Rn. 4; siehe auch BGH, Urteile vom 24. Oktober 2007 - XII ZR 24/06, GE 2008, 120 Rn. 11; vom 20. November 2013 - XII ZR 77/12 - NZM 2014, 165 Rn. 20; vom 2. November 2016 - XII ZR 153/15, NJW 2017, 1104 Rn. 15).</p>
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<p>Für die Abrechnung von Betriebskosten gilt nichts anderes, weil die Anforderungen des Bauordnungsrechts von der mietrechtlichen Frage zu unterscheiden sind, ob die Vertragsparteien die betreffenden Räume so in den Mietvertrag einbezogen haben, dass sie diese als Wohnraum ansehen und die Räume entsprechend nutzbar sind (vgl. Betriebskosten-Kommentar/Eisenschmid, 3. Aufl., § 2 WoFlV Rn. 4306a; Schmid/Harsch in: Handbuch des Fachanwalts Miet- und Wohnungseigentumsrecht, 6. Aufl., Kap. 5 Rn. 428; siehe auch Betriebs- und Heizkosten-Kommentar/Wall, 4. Aufl., Rn. 2326 f.; Schmidt-Futterer/Langenberg, aaO Rn. 26 f.).</p>
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<p>cc) Nach dieser Maßgabe ergibt sich eine tatsächliche Wohnfläche von 111,57 qm, deren Anteil an der (tatsächlichen) Gesamtwohnfläche die Klägerin der Betriebskostenabrechnung zugrunde zu legen hat. Denn Feststellungen zu einem etwaigen Einschreiten der Baubehörde hat das Berufungsgericht nicht getroffen; übergangenen Sachvortrag zeigt die Revision nicht auf.</p>
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<p>b) Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht für die Betriebskostenabrechnung jedoch nicht auf die tatsächlichen Flächenverhältnisse abgestellt, sondern auf die im Mietvertrag vom 1. November 1979 vereinbarte Wohnfläche von 120,05 qm, weil die Abweichung zur tatsächlichen Wohnfläche nicht mehr als 10 % betrage.</p>
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<p>aa) Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 der bei Vertragsschluss für die preisgebundene Wohnung geltenden - und gemäß § 50 Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) weiter anzuwendenden - Verordnung über die Ermittlung der zulässigen Miete für preisgebundene Wohnungen (Neubaumietenverordnung 1970 - NMV 1970) sind, sofern in den §§ 21 bis 25 NMV 1970 nichts anderes bestimmt ist, die Betriebskosten nach dem "Verhältnis der Wohnfläche" umzulegen. Unbeschadet dessen, dass bereits die Förderung in der Regel an eine bestimmte tatsächliche Wohnfläche gebunden ist (Heix, WuM 2016, 263, 264), kommt es sowohl nach dem Wortlaut als auch nach dem Sinn und Zweck der Bestimmung auf die tatsächlichen Flächenverhältnisse und nicht auf etwaige Flächenangaben oder Beschaffenheitsvereinbarungen im Mietvertrag an. Denn zum einen handelt es sich bei dem "Verhältnis der Wohnfläche" um eine objektive, rechnerische Größe. Zum anderen bezweckt die Bestimmung eine unverfälschte Verteilung von durchlaufenden Kosten des Vermieters unter mehreren Mietern auf das gesamte Gebäude (vgl. Kraemer, NZM 1999, 156, 162; Schmid/Harsch, Handbuch der Mietnebenkosten, 16. Aufl., Rn. 4077, 4081). Dem wird allein der Maßstab der tatsächlichen Wohnfläche gerecht.</p>
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<a name="rd_25">25</a>
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<p>bb) Sofern im Abrechnungszeitraum - wozu das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen hat - eine Preisbindung nicht mehr bestanden haben sollte, ergibt sich aus § 556a BGB nichts anderes. Denn die vorgenannte Beurteilung gilt, wie der Senat - unter Fortentwicklung seiner Rechtsprechung zur Maßgeblichkeit der tatsächlichen Größe der vermieteten Wohnung bei Mieterhöhungen bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete (Senatsurteil vom 18. November 2015 - VIII ZR 266/14, aaO) - nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, auch für die Abrechnung von Betriebskosten am Maßstab der § 556a Abs. 1 BGB, § 28 Abs. 4 Nr. 1, § 46 Abs. 1 WoFG; § 7 Abs. 1, § 8 Abs. 1 HeizkostenV (Senatsurteil vom 30. Mai 2018 - VIII ZR 220/17, NJW 2018, 2317 Rn. 19, 22 f. unter Aufgabe früherer Senatsrechtsprechung).</p>
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<a name="rd_26">26</a>
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<p>Zwar ist, wie ausgeführt, ein zur Minderung der Miete führender Mangel der Wohnung im Sinne des § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB infolge Überschreitung der Erheblichkeitsschwelle (§ 536 Abs. 1 Satz 3 BGB) nur gegeben, wenn die tatsächliche Wohnfläche um mehr als 10 % unter der im Mietvertrag angegebenen Wohnfläche liegt (Senatsurteile vom 18. November 2015 - VIII ZR 266/14, aaO Rn. 9; vom 30. Mai 2018 - VIII ZR 220/17, aaO Rn. 16; jeweils mwN); davon ist auch das Berufungsgericht zutreffend und unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Senats ausgegangen. Denn anders als Flächenberechnungen, die der Bildung der ortsüblichen Vergleichsmiete oder der Abrechnung von Betriebskosten zugrunde liegen, bezweckt das Gewährleistungsrecht unerhebliche und nicht unerhebliche Tauglichkeitsbeeinträchtigungen voneinander abzugrenzen und erstere als Mietminderungsgrund auszuschließen (vgl. Beyer, NZM 2010, 417, 420, 422 f.). Sofern und soweit hingegen Betriebskosten nach gesetzlichen Vorgaben ganz oder teilweise nach Wohnflächenanteilen umgelegt werden, ist für die Betriebskostenabrechnung die tatsächliche Wohnfläche der betroffenen Wohnung sowie ihr Verhältnis zur tatsächlichen Gesamtwohnfläche der Wirtschaftseinheit maßgebend (Senatsurteil vom 30. Mai 2018 - VIII ZR 220/17, aaO Rn. 19, 22 f.).</p>
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<a name="rd_27">27</a>
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<p>cc) Das Berufungsgericht wird daher in der neuen Berufungsverhandlung - gegebenenfalls unter Berücksichtigung ergänzenden Parteivortrags - Feststellungen nachzuholen haben, wie sich die tatsächliche Wohnfläche von 111,57 qm auf den Anteil der Beklagten an der für die jeweiligen Kostenpositionen maßgebliche Gesamtwohnfläche auswirkt. Insoweit liegt es nicht fern, dass das betreffende Anwesen sowie das zur Abrechnungseinheit gehörende Nachbarobjekt der Klägerin weitere (als Wohnraum vermietete) Mansarden aufweisen, deren anzurechnende Grundfläche Einfluss auf die Gesamtwohnfläche hat.</p>
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<a name="rd_28">28</a>
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<p>Nach alledem kann das Berufungsurteil hinsichtlich der mit der Klage geltend gemachten Betriebskostennachforderung keinen Bestand haben; es ist daher insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann nicht abschließend in der Sache entscheiden, weil es, wie ausgeführt, weiterer tatrichterlicher Feststellungen zum Anteil der tatsächlichen Wohnfläche der von den Beklagten gemieteten Wohnung an der anrechenbaren Gesamtwohnfläche bedarf. Daher ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).</p>
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<table class="Rsp">
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">Dr. Milger     </p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">      </p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">Dr. Schneider     </p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">      </p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">Dr. Fetzer</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">      </p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">Kosziol     </p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">      </p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">Dr. Schmidt     </p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">      </p>
</td>
</tr>
</table>
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180,191 | bgh-2019-01-16-iv-zb-2018-iv-zb-2 | {
"id": 4,
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} | IV ZB 20/18, IV ZB 21/18 | 2019-01-16T00:00:00 | 2019-02-07T14:17:43 | 2019-02-07T14:17:43 | Beschluss | ECLI:DE:BGH:2019:160119BIVZB20.18.0 | <h2>Tenor</h2>
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<p>1. Die Rechtsbeschwerden des Beteiligten zu 1 gegen die Beschlüsse des 3. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 1. August 2018 werden zurückgewiesen.</p>
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<p>2. Der Beteiligte zu 1 trägt die Kosten der Beschwerdeverfahren.</p>
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<p style="text-align:left">Beschwerdewert:</p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">1.173.000 € für das Verfahren IV ZB 20/18</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">        </td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">sowie </p>
</td>
</tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">        </td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">234.600 € für das Verfahren IV ZB 21/18</p>
</td>
</tr>
</table>
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<h2>Gründe</h2>
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<a name="rd_1">1</a>
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<p>I. Die Beteiligten streiten um die Erbfolge nach der am 3. Dezember 2016 verstorbenen Heidrun H.     (im Folgenden: Erblasserin) sowie über Anordnung und Umfang einer Testamentsvollstreckung. Die Erblasserin war mit dem am 24. Juli 2004 vorverstorbenen Paul Heinrich H.     verheiratet. Aus der Ehe sind zwei Söhne, die Beteiligten zu 1 und 2, hervorgegangen. Der Beteiligte zu 2 ist Vater der Beteiligten zu 4 (geboren am 9. Oktober 1997) und 5 (geboren am 12. Oktober 1999). Am 21. November 2006 errichtete die Erblasserin ein handschriftliches Testament, das auszugsweise wie folgt lautet:</p>
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<p style="margin-left:36pt">"Ich, Heidrun H.     … setze meine beiden Söhne … je zur Hälfte als meine Vorerben ein. Der Nacherbfall tritt jeweils beim Tod eines Vorerben ein. Zu Nacherben meines Sohnes Holger bestimme ich zu gleichen Teilen meine Enkelkinder … [Beteiligte zu 4 und 5]. Zu Nacherben meines Sohnes Ingo bestimme ich ebenfalls zu gleichen Teilen meine Enkelkinder …, jedoch nur, wenn Ingo bei seinem Ableben unverheiratet oder kinderlos ist. Dann sollen seine gesetzlichen Erben seine Nacherben sein. Die Nacherben sind zugleich die Ersatzerben. …</p>
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<p style="margin-left:36pt">Ich ordne Testamentsvollstreckung an. Zum Testamentsvollstrecker ernenne ich meinen Steuerberater, Herrn … [Beteiligter zu 3]. Sollte der Nacherbfall eintreten, hat der Testamentsvollstrecker die Erbteile meiner Enkel … zu verwalten. Die Verwaltung dieser Erbteile hat so lange zu erfolgen, bis meine Enkel das 25. Lebensjahr vollendet haben. Er hat die jährlichen Überschüsse des Nachlasses nach Ablauf der ersten drei Monate des folgenden Jahres jeweils unverzüglich an die Erben im Verhältnis ihrer Erbteile auszuzahlen. Er kann nach eigenem Ermessen bereits vorab monatliche Vorschüsse an die Erben zu gleichen Teilen auszahlen. Er ist von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Im Streitfall entscheidet der Testamentsvollstrecker nach billigem pflichtgemäßem Ermessen allein. …"</p>
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<a name="rd_2">2</a>
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<p>Das Testament wurde am 28. Dezember 2016 durch das Nachlassgericht eröffnet. Am selben Tag wurde die Übersendung einer Testamentsabschrift an die Beteiligten zu 1 und 2 verfügt. Am 19. Januar 2017 wurden auch den Nacherben Abschriften des Testaments übersandt. Am 23. Januar 2017 beantragte der Beteiligte zu 3 als Testamentsvollstrecker die Erteilung eines Erbscheins, der die Beteiligten zu 1 und 2 als Vorerben zu je 1/2 ausweist.</p>
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<a name="rd_3">3</a>
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<p>Mit notarieller Urkunde vom 7. Februar 2017 schlugen die Beteiligten zu 1 und 2 die Erbschaft nach der Erblasserin als durch Testament eingesetzte Vorerben aus. Die Ausschlagung erfolgte unter Berufung auf § 2306 Abs. 1 BGB. Die Beteiligten zu 1 und 2 wiesen ferner darauf hin, dass sich ihre Ausschlagung nur auf den Berufungsgrund als testamentarisch eingesetzte Vorerben beziehe und sie für den Fall, dass sie jetzt oder später als gesetzliche Erben berufen würden, die Erbschaft annähmen. Mit notarieller Urkunde vom 23. Februar 2017 schlug der Beteiligte zu 4 die Erbschaft nach der Erblasserin als durch Testament eingesetzter Nacherbe und zugleich auch als Ersatzerbe und somit Vollerbe aus allen in Betracht kommenden Berufungsgründen ohne jede Bedingung aus. Mit Schreiben vom 16. März 2017 an den Beteiligten zu 2 sowie seine Ehefrau wies das Nachlassgericht diese darauf hin, dass nach der Ausschlagung der Erbschaft durch die Vorerben diese dem Beteiligten zu 5 angefallen sein dürfte. Mit Urkunde vom 6. September 2017 schlugen der Beteiligte zu 2 und seine Ehefrau als gesetzliche Vertreter des Beteiligten zu 5 die Erbschaft nach der Erblasserin als durch Testament eingesetzter Nacherbe und zugleich auch als Ersatzerbe und somit Vollerbe aus allen in Betracht kommenden Berufungsgründen ohne jede Bedingung aus. Nach Eintritt seiner Volljährigkeit genehmigte der Beteiligte zu 5 am 17. Oktober 2017 diese Erbausschlagung.</p>
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<a name="rd_4">4</a>
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<p>Am 26. Oktober 2017 beantragten die Beteiligten zu 1 und 2 die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins auf der Grundlage gesetzlicher Erbfolge, da die testamentarischen Erben sämtlich die Ausschlagung erklärt hätten. Der Beteiligte zu 3 änderte mit Schreiben vom 26. Februar 2018 seinen Antrag dahingehend, dass der Beteiligte zu 5 zu 1/2 Erbe geworden sei sowie die Beteiligten zu 1 und 2 gesetzliche Erben zu je 1/4. Am 8. März 2018 ergänzte der Beteiligte zu 3 seinen Erbscheinantrag dahin, dass die Anordnung der Testamentsvollstreckung in den Erbschein aufzunehmen sei.</p>
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<a name="rd_5">5</a>
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<p>Die Beteiligten zu 1 und 2 sind der Auffassung, der Beteiligte zu 5 habe die Erbschaft fristgerecht ausgeschlagen. Sie hätten sich am 18. März 2017 zusammen mit dem Beteiligten zu 5 zu einem Tagesausflug in Dänemark befunden, als die Mitteilung des Nachlassgerichts über die Ausschlagung der Vorerben zu Hause per Post angekommen und von der Mutter des Beteiligten zu 5 entgegengenommen worden sei, die den Beteiligten zu 2 daraufhin in Dänemark telefonisch unterrichtet habe. Noch am selben Tag seien die Beteiligten zu 1, 2 und 5 wie geplant nach Deutschland zurückgekehrt. Die Beteiligten zu 1 und 2 vertreten die Auffassung, für die Ausschlagung des Beteiligten zu 5 gelte die Sechsmonatsfrist des § 1944 Abs. 3 BGB, so dass gesetzliche Erbfolge eingetreten sei. Insoweit entfalle auch das Bedürfnis für die von der Erblasserin angeordnete Testamentsvollstreckung.</p>
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<a name="rd_6">6</a>
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<p>Das Nachlassgericht hat mit undatierten Beschlüssen im Verfahren 11 VI 66/17 die zur Begründung des Antrags vom 26. Oktober 2017 auf Erteilung eines Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet sowie im Verfahren 11 VI 53/17 den Antrag des Beteiligten zu 3 auf Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses zurückgewiesen. Auf die Beschwerden des Beteiligten zu 3 hat das Oberlandesgericht, welches über die Beschwerden in einem einheitlichen Verfahren ohne förmliche Verbindung entschieden hat, den Antrag der Beteiligten zu 1 und 2 auf Erteilung eines Erbscheins unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde zurückgewiesen und auf den Antrag des Beteiligten zu 3 das Nachlassgericht angewiesen, diesem ein Testamentsvollstreckerzeugnis zu erteilen. Mit den durch das Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerden verfolgt der Beteiligte zu 1 seine zuletzt gestellten Anträge weiter.</p>
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<p>II. Die zulässigen Rechtsbeschwerden haben in der Sache keinen Erfolg.</p>
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<a name="rd_8">8</a>
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<p>1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, das Testament der Erblasserin vom 21. November 2006 sei wirksam. Gesetzliche Erbfolge sei nicht eingetreten. Der Beteiligte zu 5 habe gemäß § 1944 BGB nicht wirksam ausgeschlagen. Maßgebliche Personen, auf deren Kenntnis es ankomme, seien der Beteiligte zu 2 und dessen Ehefrau als gesetzliche Vertreter. Von der Ausschlagung der Erbschaft durch die Beteiligten zu 1 und 2 hätten die beiden gesetzlichen Vertreter spätestens am 18. März 2017 Kenntnis erlangt. Der Beteiligte zu 2 habe diese Kenntnis bereits an dem Tag gehabt, an dem er die Erbschaft ausgeschlagen habe. Seine Ehefrau habe spätestens am 18. März 2017 Kenntnis erlangt. Im Zeitpunkt der Kenntniserlangung hätten sich beide gesetzliche Vertreter jeweils in Deutschland aufgehalten. Auch vom Berufungsgrund hätten beide spätestens am 18. März 2017 Kenntnis erlangt. Dem Beteiligten zu 2 seien, wie sich aus seiner Ausschlagungserklärung ergebe, Testamentsinhalt, Ausschlagung und die Folge, dass seine Söhne damit nach-rückten, bereits vorher bekannt gewesen. Hierbei sei es unerheblich, ob er diese Kenntnis gerade in der formalen Position als gesetzlicher Vertreter des Beteiligten zu 5 erlangt habe. Ungeachtet dessen sei der Auslandsaufenthalt des Beteiligten zu 2 am 18. März 2017 auch nicht geeignet gewesen, die Sechsmonatsfrist des § 1944 Abs. 3 BGB in Gang zu setzen. Jedenfalls in den Fällen eines Auslandsaufenthaltes von wenigen Stunden ohne Übernachtung sei nicht von einem Aufenthalt im Sinne des § 1944 Abs. 3 BGB auszugehen. Besondere Erschwernisse durch den Auslandsaufenthalt, die die Verlängerung der Frist gemäß § 1944 Abs. 3 BGB rechtfertigten, lägen nicht vor. Anderenfalls bestünde die Gefahr, dass einem Missbrauch Tür und Tor geöffnet wäre. Auch der vom Beteiligten zu 3 beantragte Erbschein sei nicht zu erteilen, da die Beteiligten zu 1 und 2 nicht neben dem Beteiligten zu 5 gesetzliche Erben zu je 1/4 geworden seien. Vielmehr stehe dem die umfassende Ersatzerbeneinsetzung der Enkelkinder in dem Testament entgegen. Schließlich sei die angeordnete Testamentsvollstreckung als Dauervollstreckung zu verstehen, die mit dem Vorerbfall beginnen solle. Die Erblasserin habe ganz allgemein Testamentsvollstreckung angeordnet. Ihr sei es erkennbar wichtig gewesen, dass das Vermögen in der Familie bleiben solle. Die Anordnung, dass der Testamentsvollstrecker im Nacherbfall die Erbteile der Enkel bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres verwalten solle, sei allein als zeitliche Begrenzung zu verstehen.</p>
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<p>2. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung stand.</p>
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<a name="rd_10">10</a>
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<p>a) Verfahren IV ZB 20/18 (Erbscheinerteilung)</p>
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<p>Das Beschwerdegericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Erbscheinantrag der Beteiligten zu 1 und 2 unbegründet ist, weil gesetzliche Erbfolge infolge der unwirksamen Erbausschlagung durch den Beteiligten zu 5 als Nacherben/Ersatzerben nicht eingetreten ist.</p>
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<a name="rd_12">12</a>
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<p>aa) Gemäß § 1944 Abs. 1 BGB kann die Ausschlagung nur binnen sechs Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem der Erbe von dem Anfall und dem Grund der Berufung Kenntnis erlangt (§ 1944 Abs. 2 Satz 1 BGB). Ist der Erbe durch Verfügung von Todes wegen berufen, beginnt die Frist nicht vor Bekanntgabe der Verfügung von Todes wegen durch das Nachlassgericht (§ 1944 Abs. 2 Satz 2 BGB). Die Frist beträgt sechs Monate, wenn der Erblasser seinen letzten Wohnsitz nur im Ausland gehabt hat oder wenn sich der Erbe bei dem Beginn der Frist im Ausland aufhält (§ 1944 Abs. 3 BGB). Kenntnis setzt ein zuverlässiges Erfahren der maßgeblichen Umstände voraus, aufgrund dessen ein Handeln erwartet werden kann. Ein Irrtum im Bereich der Tatsachen kann Kenntnis in diesem Sinne ebenso verhindern wie eine irrige rechtliche Beurteilung, wenn deren Gründe nicht von vornherein von der Hand zu weisen sind (Senatsurteil vom 5. Juli 2000 - IV ZR 180/99, ZEV 2000, 401 unter 2a [juris Rn. 9]).</p>
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<a name="rd_13">13</a>
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<p>(1) Bei einem minderjährigen Erben - wie hier dem Beteiligten zu 5 im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Schreibens des Nachlassgerichts vom 16. März 2017 - kommt es nicht auf dessen Kenntnis, sondern auf die des gesetzlichen Vertreters an. Die Frist zur Ausschlagung der Erbschaft beginnt in diesen Fällen erst mit dem Zeitpunkt, zu dem der letzte der gesetzlichen Vertreter erstmals Kenntnis von dem Anfall und dem Grund der Berufung erlangt hat (OLG Frankfurt ZEV 2013, 196, 197 f. [juris Rn. 27 ff.]; MünchKomm-BGB/Leipold, 7. Aufl. § 1944 Rn. 15; Staudinger/Otte, (2017) BGB § 1944 Rn. 14b; a.A. Soergel/Stein, BGB 13. Aufl. § 1944 Rn. 12). Da auch die Ausschlagung der Erbschaft nur durch beide gesetzliche Vertreter gemeinsam erfolgen kann (vgl. MünchKomm-BGB/Leipold, 7. Aufl. § 1945 Rn. 35), ist es sachgerecht, den Zeitpunkt für den Beginn der Ausschlagungsfrist einheitlich festzusetzen. Nur so kann vermieden werden, dass etwaige Kommunikationsschwierigkeiten zwischen den Eltern zu Lasten des Minderjährigen gehen. Diese Grundsätze hat das Beschwerdegericht seiner Entscheidung rechtsfehlerfrei zugrunde gelegt.</p>
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<a name="rd_14">14</a>
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<p>Soweit das Beschwerdegericht in diesem Zusammenhang angenommen hat, beim Beteiligten zu 2 sei die erforderliche Kenntnis vom Berufungsgrund bereits vor dem 18. März 2017 vorhanden gewesen, kann offenbleiben, ob dem in dieser Allgemeinheit gefolgt werden kann. Nicht entschieden werden muss insbesondere, ob für die Frage der Kenntniserlangung vom Berufungsgrund auf eine formalisierte Betrachtungsweise abzustellen ist (vgl. hierzu etwa OLG München ZEV 2011, 318, 319 [juris Rn. 14 f.]) oder ob - wovon das Beschwerdegericht im vorliegenden Fall ausgeht - maßgebend ist, wann der gesetzliche Vertreter tatsächlich Kenntnis erhalten hat. Auf diese Ausführungen kommt es schon deshalb nicht entscheidungserheblich an, weil das Beschwerdegericht selbst davon ausgeht, dass der Beteiligte zu 2 und seine Ehefrau als gesetzliche Vertreter jedenfalls spätestens am 18. März 2017 Kenntnis vom Anfall der Erbschaft und vom Berufungsgrund hatten und die Sechsmonatsfrist des § 1944 Abs. 3 BGB keine Anwendung finde.</p>
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<a name="rd_15">15</a>
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<p>(2) Das Beschwerdegericht hat rechtsfehlerfrei zugrunde gelegt, dass der Aufenthalt des Beteiligten zu 2 für einige Stunden am 18. März 2017 in Dänemark nicht die Anwendung des § 1944 Abs. 3 BGB zur Folge hat. Die Verlängerung der Ausschlagungsfrist von sechs Wochen auf sechs Monate bei letztem Wohnsitz des Erblassers im Ausland oder Aufenthalt des Erben im Ausland soll den besonderen Schwierigkeiten Rechnung tragen, die in derartigen Fällen bei Klärung der Frage entstehen können, ob die Erbschaft angenommen oder ausgeschlagen werden soll (vgl. OLG Frankfurt ZEV 2013, 196, 198 [juris Rn. 37]; Soergel/Stein, BGB 13. Aufl. § 1944 Rn. 4). Bei minderjährigen Erben kommt es entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht auf deren Auslandsaufenthalt, sondern auf den des gesetzlichen Vertreters an (Soergel/Stein aaO; Staudinger/Otte, (2017) BGB § 1944 Rn. 5; MünchKomm-BGB/Leipold, 7. Aufl. § 1944 Rn. 29). Hält sich - wie hier - im maßgeblichen Zeitpunkt nur einer der beiden gesetzlichen Vertreter im Ausland auf, so genügt bereits dies für die Anwendung des § 1944 Abs. 3 BGB (Staudinger/Otte aaO; Soergel/Stein aaO; MünchKomm-BGB/Leipold aaO; BeckOGK/Heinemann, BGB § 1944 Rn. 18). Das ergibt sich unter Berücksichtigung der bereits beim Auslandsaufenthalt eines gesetzlichen Vertreters erschwerten Kommunikation sowie eines längeren Willensbildungsprozesses bei der Prüfung der Frage, ob die Erbschaft angenommen oder ausgeschlagen werden soll.</p>
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<p>Was unter den Begriff des Aufenthalts im Sinne von § 1944 Abs. 3 BGB zu fassen ist, wird nicht einheitlich beurteilt (vgl. FAKomm-Erbrecht/Schlünder, 4. Aufl. BGB § 1944 Rn. 1; Soergel/Stein, BGB 13. Aufl. § 1944 Rn. 4; MünchKomm-BGB/Leipold, 7. Aufl. § 1944 Rn. 29; Staudinger/Otte, (2017) BGB § 1944 Rn. 5; Hönninger in jurisPK-BGB, 8. Aufl. § 1944 Rn. 13; NK-BGB/Ivo, 5. Aufl. § 1944 Rn. 22).</p>
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<p>Maßgebend für den Begriff des Aufenthalts im Sinne von § 1944 Abs. 3 BGB sind einerseits das Verhältnis zu anderen vergleichbaren Begrifflichkeiten sowie andererseits Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung. Das Gesetz stellt in § 1944 Abs. 3 BGB beim Erblasser auf dessen letzten Wohnsitz im Ausland ab, beim Erben dagegen nur auf den Aufenthalt. Wohnsitz ist gemäß § 7 Abs. 1 BGB der Ort, an dem eine Person sich ständig niederlässt. Der Wohnsitz wird aufgehoben, wenn die Niederlassung mit dem Willen aufgehoben wird, sie aufzugeben (§ 7 Abs. 3 BGB). Der Begriff des Aufenthalts unterscheidet sich vom Wohnsitz dadurch, dass der Wille, den Aufenthaltsort zum Mittelpunkt oder Schwerpunkt der Lebensverhältnisse zu machen, nicht erforderlich ist (Soergel/Fahse, BGB 13. Aufl. Vor § 7 Rn. 16; Staudinger/Kannowski, (2018) BGB Vorbem. zu §§ 7-11 Rn. 2). Auf dieser Grundlage ist weitgehend anerkannt, dass für den schlichten Aufenthalt ein tatsächliches Verweilen an einem bestimmten Ort mit einer gewissen Verweildauer genügt (vgl. Staudinger/Kannowski aaO, Soergel/Fahse aaO; Staudinger/Bausback, (2013) EGBGB Art. 5 Rn. 47; Palandt/Ellenberger, BGB 78. Aufl. § 7 Rn. 2; MünchKomm-BGB/v. Hein, 7. Aufl. Art. 5 EGBGB Rn. 122 ff.). Ausgehend hiervon ist der Begriff des Aufenthalts im Sinne von § 1944 Abs. 3 BGB sodann nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift zu bestimmen. Diese will - wie oben dargelegt - den Kommunikationsproblemen Rechnung tragen, die sich für den Erben ergeben, wenn er sich im Zeitpunkt des Fristbeginns im Ausland aufhält, er also die maßgeblichen Informationen über den Erbfall und dessen tatsächliche sowie rechtliche Auswirkungen nur unter besonderen Schwierigkeiten erlangen kann.</p>
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<p>Das Beschwerdegericht hat auf der Grundlage dieses zutreffend erkannten Begriffs des Aufenthalts sowie seines Sinnes und Zwecks rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Tagesausflug des Beteiligten zu 2 am 18. März 2017 nach Dänemark nicht genügt, um die längere Frist des § 1944 Abs. 3 BGB in Gang zu setzen. Jedenfalls in einem Fall wie dem vorliegenden, bei dem der gesetzliche Vertreter des Erben lediglich einen geplanten Ausflug für einige Stunden in das unmittelbar benachbarte Ausland - hier von Nordfriesland nach Dänemark - unternommen hat, um sodann noch am selben Tag - wie ebenfalls geplant - wieder nach Deutschland zurückzukehren, besteht für die verlängerte Ausschlagungsfrist des § 1944 Abs. 3 BGB keine Rechtfertigung. Es ist nicht ersichtlich und wird auch nicht nachvollziehbar dargelegt, welche besonderen Kommunikationsschwierigkeiten es hier zwischen dem Beteiligten zu 2 und seiner Ehefrau als weiterer gesetzlicher Vertreterin des Beteiligten zu 5 bei der Entscheidung gegeben hat, ob sie die Erbschaft auch für den Beteiligten zu 5 ausschlagen oder nicht. Hierfür bestand nach der Rückkehr des Beteiligten zu 2 hinreichend Zeit und Gelegenheit.</p>
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<a name="rd_19">19</a>
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<p>Entgegen der Auffassung der Beschwerde kann für die Bestimmung des Begriffs des Aufenthalts auch nicht auf die Rechtsprechung zu anderen gesetzlichen Vorschriften zurückgegriffen werden. Soweit es etwa der Bundesgerichtshof für den Begriff des Aufenthaltsortes im Sinne des § 899 Abs. 1 ZPO a.F. hat genügen lassen, dass eine vorübergehende kurzfristige Anwesenheit des Schuldners einschließlich einer Durchreise genügen kann (BGH, Beschluss vom 17. Juli 2008 - I ZB 80/07, NJW 2008, 3288 Rn. 15), ergibt sich dies aus den Besonderheiten des Vollstreckungsrechts. Die Vorschrift wollte es dem Gerichtsvollzieher ermöglichen, die eidesstattliche Versicherung dort abzunehmen, wo der Schuldner im Zeitpunkt der Auftragserteilung seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines solchen seinen Aufenthaltsort hat. Um eine effektive Zwangsvollstreckung zu gewährleisten, müssen hierfür auch bereits kurzfristige Aufenthalte genügen. Das ist mit dem Regelungszweck des § 1944 Abs. 3 BGB nicht zu vergleichen. Ebenfalls nicht vergleichbar ist die zu § 343 Abs. 1 FamFG a.F. ergangene Rechtsprechung. Hiernach bestimmte sich die örtliche Zuständigkeit nach dem Wohnsitz, den der Erblasser zur Zeit des Erbfalles hatte. Fehlte ein inländischer Wohnsitz, war das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Erblasser zur Zeit des Erbfalls seinen Aufenthalt hatte. Der Begriff des Aufenthalts im Sinne dieser Norm war weit zu verstehen, so dass auch nur eine kurze Verweildauer des Erblassers an einem bestimmten Ort vor seinem Tod genügte, um eine Zuständigkeit der inländischen Gerichte zu begründen (vgl. etwa OLG Karlsruhe ZEV 2013, 564, 565 [juris Rn. 11]: ein oder zwei Tage in einem Hospiz; OLG Stuttgart ZEV 2012, 208 [juris Rn. 8]: Krankenhausaufenthalt; BayOblG Rpfleger 1978, 126; Tod des Erblassers mit ausländischem Wohnsitz während einer Reise in einem inländischen Krankenhaus; ferner BayObLG ZEV 2003, 168 [juris Rn. 6]; KG NJW 1973, 434: Tod des Erblassers während einer Durchreise). Diese geringen Anforderungen an den Aufenthaltsbegriff des § 343 Abs. 1 FamFG a.F. rechtfertigten sich aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift, eine Zuständigkeit inländischer Nachlassgerichte auch für Erblasser mit ausländischem Wohnsitz zu begründen. Hierfür besteht etwa bei der Eröffnung letztwilliger Verfügungen, bei Sicherungsmaßnahmen oder der Ermittlung des Erben ein praktisches Bedürfnis. Auch dieser Sinn und Zweck der Vorschrift ist mit dem Regelungsgehalt des § 1944 Abs. 3 BGB nicht vergleichbar.</p>
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<p>bb) Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde im Ergebnis ferner geltend, die verspätete Ausschlagung durch den Beteiligten zu 5 sei jedenfalls als Anfechtung im Sinne des § 1956 BGB auszulegen. Gemäß § 1956 BGB kann die Versäumung der Ausschlagungsfrist in gleicher Weise wie die Annahme angefochten werden. Auch ist es nicht von vornherein ausgeschlossen, in einer unwirksamen, etwa verspätet erfolgten, Ausschlagungserklärung eine Anfechtung der Erbschaftsannahme wegen Versäumung der Ausschlagungsfrist zu sehen (BeckOGK/Heinemann, BGB § 1956 Rn. 11; Palandt/Weidlich, BGB 78. Aufl. § 1956 Rn. 1). Ein zur Anfechtung berechtigender Irrtum im Sinne von § 119 Abs. 1 BGB kann ferner darin liegen, dass ein Beteiligter trotz fehlenden Annahmewillens die Ausschlagungsfrist verstreichen lässt, weil er über ihr Bestehen, ihren Lauf oder die Rechtsfolgen ihres Ablaufs irrt (Senatsbeschluss vom 10. Juni 2015 - IV ZB 39/14, ZEV 2015, 468 Rn. 9; OLG Schleswig ZEV 2016, 82 Rn. 16 f.; OLG Hamm Rpfleger 1985, 364, 365 [juris Rn. 16]).</p>
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<p>Ob der Beteiligte zu 2 und seine Ehefrau bis zur Entscheidung des Beschwerdegerichts am 1. August 2018 keine Kenntnis von dem tatsächlichen Ablauf der Ausschlagungsfrist hatten, weil sie rechtsirrig von der Anwendbarkeit der Sechsmonatsfrist in § 1944 Abs. 3 BGB ausgingen, kann offenbleiben. Es steht jedenfalls nicht fest, dass ein etwaiger Irrtum des Beteiligten zu 2 und seiner Ehefrau kausal für die Versäumung der Ausschlagungsfrist geworden ist. Die Anfechtung wegen Fristversäumung gemäß §§ 1956, 119 Abs. 1 BGB setzt die Kausalität des Irrtums für die Abgabe der Willenserklärung voraus. Hierbei ist eine objektive Wertung vorzunehmen, die auf den Zeitpunkt des Ablaufs der Ausschlagungsfrist abstellt (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Juni 2015 - IV ZB 39/14, ZEV 2015, 468 Rn. 10). Hierzu hat der Rechtsbeschwerdeführer vorgetragen, hätten die Beteiligen Kenntnis von der kurzen Ausschlagungsfrist gehabt, so hätten sie die Erbschaft rechtzeitig ausgeschlagen. Dieser Ausschlagung hätte eine erforderliche Zustimmung des Familiengerichts nicht entgegengestanden. Zum einen wäre eine unterstellte Versagung der Genehmigung aufgrund der gerichtsbekannten Dauer eines hiergegen gerichteten Rechtsbehelfs nicht vor Eintritt der Volljährigkeit des Beteiligten zu 5 rechtskräftig geworden. Zum anderen hätte das Familiengericht die Ausschlagung genehmigen müssen. Es hätte nicht isoliert auf den finanziellen Vorteil eines Erbschaftsanfalls abheben dürfen, sondern in den Blick nehmen müssen, dass bei einem solchen Anfall das Einvernehmen innerhalb der Familie nachhaltig gestört worden wäre. Der Beteiligte zu 5 hätte sich Pflichtteilsansprüchen der Beteiligten zu 1 und 2 ausgesetzt gesehen.</p>
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<p>Diese Ausführungen des Beteiligten zu 1, die erstmals im Rechtsbeschwerdeverfahren erfolgen, beruhen indessen auf reinen Spekulationen und sind deshalb unerheblich. Hätten der Beteiligte zu 2 sowie seine Ehefrau innerhalb der laufenden Sechswochenfrist des § 1944 Abs. 1 BGB die Ausschlagung für den Beteiligten zu 5 erklärt, so hätte dies wegen seiner seinerzeitigen Minderjährigkeit eine Genehmigung des Familiengerichts erfordert (§ 1643 Abs. 2 Satz 1 BGB). Es ist nicht ersichtlich, warum das Familiengericht die Ausschlagung der infolge der Ausschlagung seitens der Beteiligten zu 1 und 2 nunmehr eingetretenen Vollerbenstellung des Beteiligten zu 5 hätte genehmigen müssen. Der Nachlass der Erblasserin ist werthaltig. Die bloße Belastung mit Pflichtteilsansprüchen oder das behauptete gestörte familiäre Verhältnis mussten das Familiengericht jedenfalls nicht zwingend zu einer Genehmigung der Ausschlagung veranlassen. Die Ausführungen der Rechtsbeschwerde zu einer möglichen Dauer eines Rechtsbehelfsverfahrens gegen eine Versagung der Ausschlagung beruhen ebenfalls auf bloßen Mutmaßungen. Eine Anfechtung der Versäumung der Ausschlagungsfrist kommt mithin bereits wegen nicht feststehender Kausalität des Irrtums für die versäumte Ausschlagungsfrist nicht in Betracht.</p>
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<p>Der gesamte hier vorgetragene Sachverhalt einschließlich des Auslandsaufenthalts des Beteiligten zu 2 am 18. März 2017 sowie der erst kurz vor Volljährigkeit des Beteiligten zu 5 erklärten Erbausschlagung für diesen durch den Beteiligten zu 2 und seine Ehefrau mit der nachträglichen Genehmigung nach Volljährigkeit des Beteiligten zu 5 beruht darauf, einer möglichen Versagung der Genehmigung der Ausschlagung durch das Familiengericht zu entgehen. Die Beteiligten haben unumwunden eingeräumt, dass es Ziel ihrer gesamten Ausschlagungen gewesen sei, das Testament der Erblasserin mit der Vorerbeneinsetzung der Beteiligten zu 1 und 2 sowie der Nacherbeneinsetzung der Beteiligten zu 4 und 5 zu umgehen, um im Ergebnis zu der gewünschten Alleinerbenstellung der Beteiligten zu 1 und 2 zu gelangen, vgl. Schriftsatz vom 27. Juni 2018, GA 92 f. der Akte 11 VI 66/17. Das Beschwerdegericht spricht hier ausdrücklich von einem kollusiven Zusammenwirken und hat, ohne dass dies aus Rechtsgründen zu beanstanden wäre, einen Umgehungsversuch festgestellt.</p>
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<a name="rd_24">24</a>
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<p>b) Verfahren IV ZB 21/18 (Testamentsvollstreckerzeugnis)</p>
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<p>Ohne Erfolg bleibt auch die weitere Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1, soweit er sich gegen die Stattgabe des Antrags des Beteiligten zu 3 auf Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses richtet. Die Beschwerde vertritt hierzu die Auffassung, die Anordnung der Testamentsvollstreckung greife nicht ein, weil sich die Erbfolge nach dem Gesetz richte. Dies ist indessen mangels wirksamer Erbausschlagung des Beteiligten zu 5 - wie oben im Einzelnen dargelegt - nicht der Fall. Die weiteren Ausführungen des Beschwerdegerichts zur Anordnung der Testamentsvollstreckung sowie zur Auslegung ihres Umfangs werden von der Rechtsbeschwerde zu Recht nicht angegriffen.</p>
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<p>III. Die Kostenentscheidung für das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf § 84 FamFG.</p>
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<p style="text-align:left">Mayen     </p>
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<p style="text-align:left">      </p>
</td>
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<p style="text-align:left">Felsch     </p>
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<p style="text-align:left">      </p>
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<p style="text-align:left">Prof. Dr. Karczewski</p>
</td>
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<p style="text-align:left">      </p>
</td>
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<p style="text-align:left">Dr. Brockmöller     </p>
</td>
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<p style="text-align:left">      </p>
</td>
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<p style="text-align:left">Dr. Götz     </p>
</td>
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<p style="text-align:left">      </p>
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180,189 | bgh-2019-01-16-viii-zr-11317 | {
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<p>Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 17. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 2. Mai 2017 aufgehoben.</p>
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<p>Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.</p>
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<p>Von Rechts wegen</p>
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<h2>Tatbestand</h2>
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<p>Der Kläger ist Mieter einer Wohnung der Beklagten in O.             Die Beklagte rechnet die Heizkosten jeweils zu 50 % nach der Wohnfläche und nach dem erfassten Wärmeverbrauch ab.</p>
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<p>Mit der im September 2016 erhobenen Klage hat der Kläger im Hinblick auf § 7 Abs. 1 Satz 2 Heizkostenverordnung (HeizkostenV) von der Beklagten verlangt, die Heizkosten zu 30 % nach der Wohnfläche und zu 70 % nach dem erfassten Verbrauch abzurechnen, beginnend mit der Heizperiode ab dem 1. Oktober 2016.</p>
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<p>Die Klage hat in erster Instanz Erfolg gehabt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.</p>
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<h2>Entscheidungsgründe</h2>
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<p>Die Revision hat Erfolg.</p>
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<p>Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:</p>
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<p>Zwar wäre die Beklagte unter den tatsächlichen Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 2 HeizkostenV zwingend verpflichtet, die Heizkosten zu 70 % nach erfasstem Wärmeverbrauch abzurechnen. Allerdings könne im gegebenen Fall dahinstehen, ob - was zwischen den Parteien streitig sei - die freiliegenden Leitungen der Wärmeverteilung in dem Gebäude der Beklagten überwiegend gedämmt seien. Selbst wenn die tatsächlichen Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 2 HeizkostenV erfüllt wären, bestünde kein Anspruch des Mieters auf künftige Abrechnung der Heizkosten nach Maßgabe des dort vorgesehenen Verteilungsmaßstabs. Der Mieter sei hinreichend durch das Kürzungsrecht des § 12 Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV geschützt, wonach er den auf ihn entfallenden Anteil der Heizkosten um 15 % kürzen dürfe, wenn die Kosten der Wärmeversorgung entgegen den Vorschriften der Heizkostenverordnung nicht verbrauchsabhängig abgerechnet würden. Zwar bestehe das Kürzungsrecht des Mieters nach dem Wortlaut der vorgenannten Bestimmung nur dann, wenn keine verbrauchsabhängige Abrechnung stattfinde, während hier lediglich eine falsche verbrauchsabhängige Abrechnung "vorliege". Bei falschen verbrauchsabhängigen Abrechnungen sei § 12 Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV aber entsprechend anzuwenden.</p>
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<p>Diese Beurteilung hält rechtlicher Prüfung nicht stand.</p>
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<p>Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Anspruch des Klägers gemäß § 556 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 7 Abs. 1 Satz 2 HeizkostenV auf zukünftige Abrechnung des Wärmeverbrauchs nach Maßgabe des von § 7 Abs. 1 Satz 2 HeizkostenV vorgegebenen Verteilungsmaßstabs nicht verneint werden.</p>
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<p>1. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV sind von den Kosten des Betriebs der zentralen Heizungsanlage mindestens 50 % und höchstens 70 % nach dem erfassten Wärmeverbrauch der Nutzer zu verteilen. Die danach bestehende Wahlmöglichkeit des Gebäudeeigentümers (vgl. § 6 Abs. 4 HeizkostenV), einen Verteilungsmaßstab zwischen mindestens 50 % und höchstens 70 % der Kosten nach Verbrauch bestimmen zu können, wird gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 HeizkostenV für bestimmte Gebäude eingeschränkt. Nach dieser Bestimmung sind in Gebäuden, die das Anforderungsniveau der Wärmeschutzverordnung vom 16. August 1994 (BGBl. I S. 2121) nicht erfüllen, die mit einer Öl- oder Gasheizung versorgt werden und in denen die freiliegenden Leitungen der Wärmeverteilung überwiegend gedämmt sind, von den Kosten des Betriebs der zentralen Heizungsanlage 70 % nach dem erfassten Wärmeverbrauch der Nutzer zu verteilen.</p>
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<p>a) Vom Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 2 HeizkostenV ist in der Revisionsinstanz auszugehen. Unstreitig erfüllt das Gebäude der Beklagten das Anforderungsniveau der Wärmeschutzverordnung vom 16. August 1994 nicht und wird mit einer Öl- oder Gasheizung versorgt. Nach dem - vom Berufungsgericht als streitig behandelten, in der Revisionsinstanz aber zugrunde zu legenden - Sachvortrag des Klägers ist zu seinen Gunsten anzunehmen, dass die freiliegenden Leitungen der Wärmeverteilung in dem Gebäude überwiegend gedämmt sind.</p>
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<p>b) Als Rechtsfolge hat die Beklagte 70 % der Kosten des Betriebs der zentralen Heizungsanlage nach dem erfassten Wärmeverbrauch der Nutzer zu verteilen. Sofern der Vermieter, wie die Beklagte, gleichwohl an einem davon abweichenden Verteilungsmaßstab festhält, gewährt § 556 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 7 Abs. 1 Satz 2 HeizkostenV dem Mieter einen Anspruch auf eine dahingehende Änderung des Verteilungsschlüssels (vgl. Schmidt-Futterer/Lammel, Mietrecht, 13. Aufl., § 7 HeizkostenV Rn. 9).</p>
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<p>2. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger sei stattdessen ausschließlich auf das Kürzungsrecht des § 12 Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV zu verweisen, geht fehl.</p>
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<p>a) Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV hat der Nutzer, soweit die Kosten der Versorgung mit Wärme oder Warmwasser entgegen den Vorschriften der Heizkostenverordnung nicht verbrauchsabhängig abgerechnet werden, das Recht, bei der nicht verbrauchsabhängigen Abrechnung der Kosten den auf ihn entfallenden Anteil um 15 % zu kürzen. Diese Vorschrift ist im Streitfall weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar.</p>
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<p>aa) Das Berufungsgericht verkennt, dass hier nicht in Rede steht, ob der Mieter zur Kürzung der ihm berechneten Heizkosten berechtigt ist, wenn der Vermieter in einer bereits erteilten Abrechnung die Vorgaben des § 7 Abs. 1 Satz 2 HeizkostenV, nach dem dort vorgesehenen Verteilungsschlüssel abzurechnen, missachtet hat (vgl. dazu Betriebs- und Heizkosten-Kommentar/Wall, 4. Aufl., Rn. 5858). Das Begehren des Klägers richtet sich vielmehr darauf, zukünftig Abrechnungen zu unterbinden, die hinsichtlich des Verbrauchs- und Grundkostenanteils fehlerhaft sind.</p>
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<p>§ 12 Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV bietet keine Grundlage für die Auffassung des Berufungsgerichts, wonach der Mieter verpflichtet sei, die Erteilung weiterer fehlerhafter Heizkostenabrechnungen abzuwarten und diese gegebenenfalls zu kürzen. Dem Senatsurteil vom 20. Januar 2016 (VIII ZR 329/14, NZM 2016, 381 Rn. 19) lässt sich entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts schon deshalb nichts anderes entnehmen, weil es eine dem Mieter bereits erteilte Betriebskostenabrechnung zum Gegenstand hatte.</p>
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<p>bb) Die Sichtweise des Berufungsgerichts ist insbesondere mit dem Zweck der Heizkostenverordnung, das Verbrauchsverhalten der Nutzer nachhaltig zu beeinflussen und damit Energieeinspareffekte zu erzielen (Senatsurteile vom 19. Juli 2006 - VIII ZR 212/05, NZM 2006, 652 Rn. 14; vom 10. Dezember 2014 - VIII ZR 9/14, NZM 2015, 205 Rn. 21; vom 6. Mai 2015 - VIII ZR 193/14, NZM 2015, 589 Rn. 29; vom 20. Januar 2016 - VIII ZR 329/14, aaO Rn. 16 f.), nicht zu vereinbaren. Namentlich durch die verpflichtende Festlegung des verbrauchsabhängigen Anteils auf 70 % in den von § 7 Abs. 1 Satz 2 HeizkostenV erfassten Gebäuden sollte der Einfluss des Nutzers gestärkt werden und dieser hierdurch zu sparsamerem Verbrauchsverhalten angehalten werden (Begründung der Bundesregierung zur Änderung der Heizkostenverordnung vom 8. August 2008, BR-Drucks. 570/08, S. 7, 12).</p>
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<a name="rd_17">17</a>
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<p>b) Anders als das Landgericht gemeint hat, steht der vom Kläger begehrten Verurteilung nicht entgegen, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 2 HeizkostenV nachträglich entfallen könnten. In einem solchen Fall könnte der Vermieter das ihm durch § 7 Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV gewährte Wahlrecht wieder ausüben (Langenberg in Langenberg/Zehelein, Betriebskosten- und Heizkostenrecht, 8. Aufl., K III Rn. 161). Dabei kann im gegebenen Fall dahinstehen, ob der Vermieter zu einer solchen Abänderung nur unter den zusätzlichen materiell-rechtlichen Voraussetzungen des § 6 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 HeizkostenV berechtigt ist (so wohl BeckOGK-HeizkostenV/Drager, Stand: 1. Oktober 2018, § 7 Rn. 11). Prozessual kann der Vermieter eine dahingehende Änderung des Abrechnungsmaßstabs gegebenenfalls mit einer Abänderungsklage (§ 323 ZPO) erwirken (zu Forderungen aus Betriebskostenabrechnungen als wiederkehrende Leistungen vgl. Senatsurteil vom 20. Juli 2016 - VIII ZR 263/14, NJW 2016, 3231 Rn. 11, 16 ff. [zu § 216 Abs. 3 BGB]).</p>
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<a name="rd_18">18</a>
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<p>c) Es erschließt sich auch nicht, aus welchem Grund die Rechtslage im Wohnungseigentumsrecht, das hier nicht einschlägig und deshalb auch nicht zu beurteilen ist, einem Anspruch des Wohnraummieters auf Änderung des Verteilungsschlüssels für Heizkosten entgegenstehen könnte. Unbeschadet dessen entspricht ein Abrechnungsmaßstab, der gegen die - gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 3, § 2 HeizkostenV auch innerhalb der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu beachtende - Heizkostenverordnung verstößt, nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung (BGH, Urteil vom 16. Juli 2010 - V ZR 221/09, NJW 2010, 3298 Rn. 15).</p>
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<p>III.</p>
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<a name="rd_19">19</a>
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<p>Nach alledem hat das Berufungsurteil keinen Bestand; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif, weil das Berufungsgericht - aus seiner Sicht folgerichtig - keine Feststellungen getroffen hat, ob die freiliegenden Leitungen der Wärmeverteilung in dem Gebäude der Beklagten überwiegend gedämmt sind. Die Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).</p>
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<a name="rd_20">20</a>
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<p>Das Berufungsgericht wird zunächst zu beachten haben, dass die in den Gründen seines Urteils - durch Bezugnahme (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) auf die tatsächlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils - getroffene Feststellung, in dem Anwesen befänden sich keine nicht isolierten Heizungsrohre, im Widerspruch zu den weiteren Ausführungen im Berufungsurteil steht. Dies gestattet keine hinreichend sichere rechtliche Beurteilung des Parteivorbringens (§ 545 Abs. 1, § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO; vgl. BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2013 - XI ZR 301/11, NJW-RR 2014, 381 Rn. 8, 11).</p>
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<a name="rd_21">21</a>
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<p>Das Berufungsgericht wird ferner zu berücksichtigen haben, dass die Auffassung der Beklagten, der Mieter müsse zum Tatbestandsmerkmal der überwiegenden Dämmung Sachvortrag zu den "Werte[n] nach § 14 Abs. 5, Anlage 5 EnEV 2014" halten, keine Grundlage in § 7 Abs. 1 Satz 2 HeizkostenV findet. Das Berufungsgericht wird daher - wie die Revision zu Recht geltend macht - der vom Kläger hinreichend konkretisiert dargelegten und durch richterlichen Augenschein unter Beweis gestellten Behauptung nachzugehen haben, dass Leitungen der Wärmeverteilung nur auf wenigen Metern im Keller des Gebäudes freilägen und diese mit "einer sehr dicken Isoliermanschette ummantelt" seien.</p>
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<a name="rd_22">22</a>
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<p>Des Weiteren ist der Kläger entgegen der Auffassung der Beklagten nicht darauf beschränkt, eine Änderung des Verteilungsschlüssels erst mit Beginn des nächsten vertraglich geregelten Abrechnungszeitraums zu verlangen, denn die Vorschriften der Heizkostenverordnung gehen rechtsgeschäftlichen Bestimmungen vor (§ 2 HeizkostenV; siehe dazu BGH, Urteile vom 19. Juli 2006 - VIII ZR 212/05, aaO Rn. 13; vom 17. Dezember 2008 - VIII ZR 92/08, NJW 2009, 667 Rn. 11; vom 16. Juli 2010 - V ZR 221/09, aaO Rn. 17; jeweils mwN). Gemäß § 6 Abs. 4 Satz 3 HeizkostenV ist eine Änderung des Abrechnungsmaßstabs zwar nur mit Wirkung zum Beginn eines Abrechnungszeitraums zulässig. Diese Vorschrift erfasst nach § 6 Abs. 4 Satz 1 HeizkostenV jedoch nur die Wahl des Abrechnungsmaßstabs gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV, nicht dagegen den zwingend vorgegebenen Verteilungsschlüssel des § 7 Abs. 1 Satz 2 HeizkostenV. Der Hinweis auf Praktikabilitätsgründe (so Kreuzberg/Wien/Pfeifer, Handbuch der Heizkostenabrechnung, 9. Aufl., Kapitel 1, S. 78) vermag an der verbindlichen Vorgabe nichts zu ändern.</p>
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<table class="Rsp">
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">Dr. Milger     </p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">      </p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">Dr. Schneider     </p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">      </p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">Dr. Fetzer</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">      </p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">Kosziol     </p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">      </p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">Dr. Schmidt     </p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">      </p>
</td>
</tr>
</table>
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|
175,048 | eugh-2019-01-16-c-26517 | {
"id": 2,
"name": "Europäischer Gerichtshof",
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<p class="C19Centre">URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)</p>
<p class="C19Centre">16. Januar 2019(<a href="#Footnote*" name="Footref*">*</a>)</p>
<p class="C71Indicateur">„Rechtsmittel – Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen – Übernahme von TNT Express durch UPS – Beschluss der Kommission zur Feststellung der Unvereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt und dem EWR-Abkommen – Von der Kommission erarbeitetes ökonometrisches Modell – Unterlassene Übermittlung der am ökonometrischen Modell vorgenommenen Änderungen – Verletzung der Verteidigungsrechte“</p>
<p class="C02AlineaAltA">In der Rechtssache C‑265/17 P</p>
<p class="C02AlineaAltA">betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 16. Mai 2017,</p>
<p class="C02AlineaAltA">
<b>Europäische Kommission,</b> vertreten durch T. Christoforou, N. Khan, H. Leupold und A. Biolan als Bevollmächtigte,</p>
<p class="C72Alineadroite">Rechtsmittelführerin,</p>
<p class="C02AlineaAltA">andere Parteien des Verfahrens:</p>
<p class="C02AlineaAltA">
<b>United Parcel Service, Inc.,</b> mit Sitz in Atlanta, Georgia (Vereinigte Staaten), Prozessbevollmächtigte: A. Ryan, Solicitor, F. Hoseinian, advokat, W. Knibbeler, S. A. Pliego und P. van den Berg, advocaten, sowie F. Roscam Abbing, advocate, </p>
<p class="C72Alineadroite">Klägerin im ersten Rechtszug,</p>
<p class="C02AlineaAltA">
<b>FedEx Corp.</b> mit Sitz in Memphis, Tennessee (Vereinigte Staaten), Prozessbevollmächtigte: F. Carlin, Barrister, G. Bushell, Solicitor, und Rechtsanwältin N. Niejahr,</p>
<p class="C72Alineadroite">Streithelferin im ersten Rechtszug,</p>
<p class="C02AlineaAltA">erlässt</p>
<p class="C19Centre">DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)</p>
<p class="C02AlineaAltA">unter Mitwirkung der Vizepräsidentin des Gerichtshofs R. Silva de Lapuerta in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Ersten Kammer sowie der Richter A. Arabadjiev, E. Regan, C. G. Fernlund (Berichterstatter) und S. Rodin, </p>
<p class="C02AlineaAltA">Generalanwältin: J. Kokott,</p>
<p class="C02AlineaAltA">Kanzler: A. Calot Escobar,</p>
<p class="C02AlineaAltA">aufgrund des schriftlichen Verfahrens,</p>
<p class="C02AlineaAltA">nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 25. Juli 2018</p>
<p class="C02AlineaAltA">folgendes</p>
<p class="C75Debutdesmotifs">Urteil</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point1">1</a>        Mit ihrem Rechtsmittel begehrt die Europäische Kommission die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 7. März 2017, United Parcel Service/Kommission (T‑194/13, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2017:144), mit dem dieses den Beschluss C(2013) 431 der Kommission vom 30. Januar 2013 zur Feststellung der Unvereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt und dem EWR-Abkommen (Sache COMP/M.6570 – UPS/TNT Express) (im Folgenden: streitiger Beschluss) für nichtig erklärt hat.</p>
<p class="C04Titre1"> Vorgeschichte des Rechtsstreits</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point2">2</a>        Dem angefochtenen Urteil lässt sich entnehmen, dass die United Parcel Service, Inc. (im Folgenden: UPS) und die TNT Express NV (im Folgenden: TNT) zwei auf den Märkten für internationale Expressbeförderung von Kleinpaketen tätige Gesellschaften sind.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point3">3</a>        Am 15. Juni 2012 meldete UPS bei der Kommission gemäß Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. 2004, L 24, S. 1) die geplante Übernahme von TNT an. </p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point4">4</a>        Am 30. Januar 2013 erließ die Kommission den streitigen Beschluss. Sie erklärte den angemeldeten Zusammenschluss für mit dem Binnenmarkt und dem Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3) unvereinbar, nachdem sie festgestellt hatte, dass er eine erhebliche Behinderung eines wirksamen Wettbewerbs auf den betreffenden Dienstleistungsmärkten in 15 Mitgliedstaaten darstelle, nämlich in Bulgarien, der Tschechischen Republik, Dänemark, Estland, Lettland, Litauen, Ungarn, Malta, den Niederlanden, Polen, Rumänien, Slowenien, der Slowakei, Finnland sowie Schweden.</p>
<p class="C04Titre1"> <b>Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil</b>
</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point5">5</a>        Mit am 5. April 2013 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangener Klageschrift erhob UPS Klage auf Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses. Zur Stützung dieser Klage machte sie insbesondere eine Verletzung der Verteidigungsrechte als Klagegrund geltend, mit dem sie der Kommission vorwarf, die streitige Entscheidung auf der Grundlage eines ökonometrischen Modells erlassen zu haben, das sich von dem unterscheide, das während des Verwaltungsverfahrens kontradiktorisch erörtert worden sei.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point6">6</a>        Mit dem angefochtenen Urteil hat das Gericht diesem Klagegrund stattgegeben und den streitigen Beschluss für nichtig erklärt.</p>
<p class="C04Titre1"> Anträge der Parteien</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point7">7</a>        Die Kommission beantragt,</p>
<p class="C03Tiretlong">–        das angefochtene Urteil aufzuheben,</p>
<p class="C03Tiretlong">–        die Sache an das Gericht zurückzuverweisen und</p>
<p class="C03Tiretlong">–        die Entscheidung über die Kosten dieses Rechtszugs vorzubehalten.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point8">8</a>        UPS beantragt,</p>
<p class="C03Tiretlong">–        das Rechtsmittel für unzulässig und/oder wirkungslos zu erklären oder</p>
<p class="C03Tiretlong">–        es zur Gänze zurückzuweisen oder</p>
<p class="C03Tiretlong">–        hilfsweise, ein endgültiges Sachurteil unter Beibehaltung des Tenors des angefochtenen Urteils und Ersetzung der Urteilsgründe zu erlassen, sowie</p>
<p class="C03Tiretlong">–        der Kommission die Kosten des Rechtsmittelverfahrens und des Verfahrens vor dem Gericht aufzuerlegen.</p>
<p class="C04Titre1"> Zum Rechtsmittel</p>
<p class="C05Titre2"> Zulässigkeit</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point9">9</a>        Zunächst macht UPS geltend, dass das Rechtsmittel aufgrund bestimmter Verfahrensfehler als unzulässig bzw. jedenfalls wirkungslos zurückzuweisen sei.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point10">10</a>      Sie bringt als Erstes vor, dass die Kommission bestimmte Sachverhaltsfeststellungen des Gerichts aus dem angefochtenen Urteil bemängle, ohne jedoch eine Tatsachenverfälschung zu behaupten.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point11">11</a>      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass das Rechtsmittel nach Art. 256 AEUV und Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union auf Rechtsfragen beschränkt ist. Daher ist allein das Gericht für die Feststellung und Beurteilung der relevanten Tatsachen sowie die Beweiswürdigung zuständig. Die Würdigung der Tatsachen und Beweise ist somit vorbehaltlich ihrer Verfälschung keine Rechtsfrage, die als solche der Kontrolle durch den Gerichtshof im Rechtsmittelverfahren unterliegt (Urteil vom 26. Januar 2017, Masco u. a./Kommission, C‑614/13 P, EU:C:2017:63, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point12">12</a>      Im vorliegenden Fall ist festzuhalten, dass die von der Kommission zur Stützung ihres Rechtsmittels geltend gemachten Rechtsfehler die Einhaltung der Verfahrensregeln durch das Gericht wie etwa die Pflicht zur Begründung seiner Entscheidungen sowie zur Entscheidung über die ihm unterbreiteten Klagegründe und Argumente betreffen. Des Weiteren beanstandet die Kommission die Gründe, aus denen das Gericht geschlossen hat, dass sie die während des Verwaltungsverfahrens am ökonometrischen Modell vorgenommenen Änderungen hätte übermitteln müssen, und bestreitet die Rechtsfolgen einer solchen unterlassenen Übermittlung auf die Gültigkeit der streitigen Entscheidung. Entgegen dem Vorbringen von UPS zielen die damit von der Kommission gegen das angefochtene Urteil geltend gemachten Rügen nicht auf die Sachverhaltsfeststellungen, sondern auf verschiedene angebliche Rechtsfehler des Gerichts ab.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point13">13</a>      Als Zweites sei das Rechtsmittel unzulässig, da die Kommission sich insbesondere in den ersten beiden Teilen ihres ersten Rechtsmittelgrundes darauf beschränke, die vom Gericht insbesondere in den Rn. 176, 181, 185, 186, 198 und 203 bis 209 des angefochtenen Urteils verworfenen Argumente zu wiederholen.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point14">14</a>      Zutreffend ist, dass ein Rechtsmittel unzulässig ist, wenn es sich darauf beschränkt, die bereits vor dem Gericht dargelegten Klagegründe und Argumente einschließlich derjenigen, die auf ein ausdrücklich vom Gericht zurückgewiesenes Tatsachenvorbringen gestützt waren, zu wiederholen. Ein solches Rechtsmittel zielt nämlich in Wirklichkeit nur auf eine erneute Prüfung der beim Gericht eingereichten Klage ab, was nicht in die Zuständigkeit des Gerichtshofs im Rahmen eines Rechtsmittels fällt (Urteil vom 10. November 2016, DTS Distribuidora de Televisión Digital/Kommission, C‑449/14 P, EU:C:2016:848, Rn. 28).</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point15">15</a>      Dagegen können im ersten Rechtszug geprüfte Rechtsfragen im Rechtsmittelverfahren erneut aufgeworfen werden, wenn ein Rechtsmittelführer die Auslegung oder Anwendung des Unionsrechts durch das Gericht beanstandet. Könnte ein Rechtsmittelführer sein Rechtsmittel nicht in dieser Weise auf bereits vor dem Gericht geltend gemachte Klagegründe und Argumente stützen, so würde dies dem Rechtsmittelverfahren nämlich einen Teil seiner Bedeutung nehmen (Urteil vom 10. November 2016, DTS Distribuidora de Televisión Digital/Kommission, C‑449/14 P, EU:C:2016:848, Rn. 29).</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point16">16</a>      Im vorliegenden Fall beschränkt sich die Kommission in ihrem Rechtsmittel entgegen dem Vorbringen von UPS nicht auf die bloße Wiedergabe ihrer bereits im ersten Rechtszug geltend gemachten Argumente. Sie rügt nämlich die vom Gericht im angefochtenen Urteil ausgeführten rechtlichen Entscheidungsgründe, insbesondere in den ersten beiden Teilen ihres ersten Rechtsmittelgrundes, mit denen sie dem Gericht vorwirft, sich nicht mit bestimmten in ihrer Klagebeantwortung angeführten Argumenten auseinandergesetzt zu haben.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point17">17</a>      Als Drittes sei das Rechtsmittel jedenfalls als wirkungslos zurückzuweisen, da es nicht zu einer Zurückverweisung der Sache an das Gericht gemäß dem Antrag der Kommission führen könne. Für den Fall, dass dem Rechtsmittel stattgegeben werden sollte, beantrage UPS nämlich, die Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses aufrechtzuerhalten, und zwar unter Ersetzung der Urteilsgründe in Richtung einer Nichtigerklärung wegen Begründungsmangels und Verletzung der Verteidigungsrechte durch die Kommission. </p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point18">18</a>      Hierzu genügt es, festzuhalten, dass die Frage, ob ein Rechtsmittel zur Gänze oder teilweise wirkungslos ist, nicht zur Prüfung seiner Zulässigkeit, sondern zu der seiner Begründetheit gehört. </p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point19">19</a>      Angesichts dieser Umstände ist das Vorbringen, mit dem UPS die Zulässigkeit des Rechtsmittels sowie bestimmter Rechtsmittelgründe bestreitet, zur Gänze zu verwerfen.</p>
<p class="C05Titre2"> Begründetheit</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point20">20</a>      Zur Stützung ihres Rechtsmittels macht die Kommission vier Gründe geltend. Sie wirft dem Gericht mit diesen Rechtsmittelgründen, deren zahlreiche Untergliederungen sich teilweise überschneiden, im Wesentlichen drei Rechtsfehler vor. Die ersten beiden beziehen sich auf eine Verletzung der Verteidigungsrechte sowie auf die daraus entstehenden Rechtsfolgen, während der dritte einen Verstoß gegen die Pflicht des Gerichts zur Begründung seiner Entscheidungen zum Gegenstand hat.</p>
<p class="C06Titre3"> Zur Verletzung der Verteidigungsrechte</p>
<p class="C07Titre4">–       Vorbringen der Parteien</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point21">21</a>      Die Kommission rügt mit dem ersten Rechtsmittelgrund, konkret mit dessen Teilen 2 und 3, die in Rn. 209 des angefochtenen Urteils angeführte Aussage, dass „die Kommission nicht geltend machen [kann], sie sei nicht verpflichtet gewesen, der Klägerin das endgültige Modell der ökonometrischen Analyse vor Erlass des [streitigen] Beschlusses zu übermitteln“.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point22">22</a>      Die Kommission bestreitet das Bestehen einer solchen Verpflichtung.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point23">23</a>      Als Erstes hält sie sich für nicht verpflichtet, nach dem Stadium der Mitteilung der Beschwerdepunkte allfällige weitere Zwischenbeurteilungen der ihren Beschwerdepunkten zugrunde liegenden Umstände mitzuteilen, da sich diese Beurteilungen während des Verfahrens ändern könnten. Im vorliegenden Fall sei die Analyse des Verhältnisses zwischen dem Konzentrationsniveau und den Preisen anhand der seitens UPS und TNT vorgelegten Daten vorgenommen worden. Die Methodik, auf deren Grundlage diese Daten mittels eines ökonometrischen Modells bewertet worden seien, sei unter Berücksichtigung des Vorbringens der UPS angepasst worden. Die Infragestellung der von der Kommission vorgenommenen Beurteilung dieser Daten gehöre nicht zu den Verteidigungsrechten, sondern zur Prüfung der Begründetheit der streitigen Entscheidung.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point24">24</a>      Als Zweites wendet sich die Kommission gegen die Ausführungen in den Rn. 199 und 200 des angefochtenen Urteils, auf deren Grundlage das Gericht in Rn. 209 dieses Urteils festgehalten habe, dass die Kommission verpflichtet gewesen sei, UPS vor Erlass der streitigen Entscheidung die endgültige Fassung des Modells zu übermitteln. Der Bezugnahme auf das Urteil vom 10. Juli 2008, Bertelsmann und Sony Corporation of America/Impala (C‑413/06 P, EU:C:2008:392, Rn. 61) in Rn. 200 des angefochtenen Urteils komme keine Relevanz zu. Aus jenem Urteil gehe nämlich hervor, dass die Kommission in ihren endgültigen Beschluss zwar keine anderen Beschwerdepunkte aufnehmen könne als jene, die den Unternehmen mitgeteilt worden seien, diese Mitteilung jedoch vorläufig sei und ihr Inhalt geändert werden könne, wobei insoweit die einzige Verpflichtung in der Begründung des endgültigen Beschlusses bestehe.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point25">25</a>      Auch das Urteil vom 9. März 2015, Deutsche Börse/Kommission (T‑175/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:148, Rn. 247), auf das Rn. 199 des angefochtenen Urteils Bezug nimmt, ist nach Auffassung der Kommission nicht relevant. Das Gericht habe in jenem Urteil das Argument einer Verletzung der Verteidigungsrechte nämlich verworfen, weil die Kommission weder verpflichtet sei, die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte vorgenommenen Beurteilungen aufrechtzuerhalten, noch, im endgültigen Beschluss die etwaigen Unterschiede zu ihren Beurteilungen aus dieser Mitteilung zu erläutern. </p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point26">26</a>      Als Drittes macht die Kommission geltend, dass die Vorgehensweise des Gerichts nicht mit der Systematik und den Fristen der Verordnung Nr. 139/2004 vereinbar sei. Das Gericht habe im angefochtenen Urteil anklingen lassen, dass die Kommission vor Erlass ihres Beschlusses den Anmeldern alle ihre internen Überlegungen mitteilen müsse. Das Recht auf Akteneinsicht gemäß Art. 17 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 802/2004 der Kommission vom 7. April 2004 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. 2004, L 133, S. 1) erstrecke sich jedoch nicht auf interne Unterlagen der Kommission. Ein solcher Ansatz, den das Gericht im Übrigen nicht auf ökonometrische Analysen beschränkt habe, gefährde das von sehr kurzen Fristen geprägte Fusionskontrollverfahren.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point27">27</a>      Die UPS tritt diesem Vorbringen entgegen.</p>
<p class="C07Titre4">–       Würdigung durch den Gerichtshof</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point28">28</a>      Zunächst ist festzuhalten, dass die Wahrung der Verteidigungsrechte einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts darstellt, der anwendbar ist, wann immer die Verwaltung beabsichtigt, gegenüber einer Person eine sie beschwerende Maßnahme zu erlassen (Urteil vom 18. Dezember 2008, Sopropé, C‑349/07, EU:C:2008:746, Rn. 36). </p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point29">29</a>      Für die Fusionskontrollverfahren ist dieser Grundsatz in Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 139/2004 und, ausführlicher, in Art. 13 Abs. 2 der Verordnung Nr. 802/2004 enthalten. Diese Bestimmungen verlangen insbesondere, dass die Kommission Einwände den Anmeldern schriftlich mitteilt und ihnen eine Frist zur schriftlichen Äußerung setzt (Urteil vom 10. Juli 2008, Bertelsmann und Sony Corporation of America/Impala, C‑413/06 P, EU:C:2008:392, Rn. 62).</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point30">30</a>      Diese Bestimmungen werden durch jene über das Recht auf Akteneinsicht ergänzt, das einen Ausfluss des Grundsatzes der Wahrung der Verteidigungsrechte darstellt (Urteil vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission, C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, EU:C:2004:6, Rn. 68). So folgt aus Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 139/2004 und aus Art. 17 der Verordnung Nr. 802/2004, dass die unmittelbar Betroffenen nach der Mitteilung der Beschwerdepunkte vorbehaltlich insbesondere der berechtigten Interessen der Unternehmen an der Wahrung ihrer Geschäftsgeheimnisse Recht auf Akteneinsicht haben, wobei sich diese Akteneinsicht weder auf vertrauliche Informationen noch auf interne Dokumente der Kommission oder der zuständigen mitgliedstaatlichen Behörden erstreckt.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point31">31</a>      Die Wahrung der Verteidigungsrechte vor Erlass eines Beschlusses im Fusionskontrollbereich erfordert es somit, dass die Anmelder in die Lage versetzt werden, ihren Standpunkt bezüglich der Richtigkeit und Relevanz sämtlicher Umstände, auf die die Kommission ihren Beschluss zu stützen beabsichtigt, sachdienlich vorzutragen (vgl. entsprechend Urteil vom 22. Oktober 2013, Sabou, C‑276/12, EU:C:2013:678, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point32">32</a>      Hinsichtlich der im Rahmen von Fusionskontrollverfahren verwendeten ökonometrischen Modelle ist festzuhalten, dass die erforderliche Untersuchung der voraussichtlichen Entwicklung in diesem Bereich in der Prüfung besteht, inwieweit ein solcher Zusammenschluss die für den Stand des Wettbewerbs auf den betroffenen Märkten maßgebenden Faktoren verändern könnte. Diese Art von Untersuchung erfordert es, sich die verschiedenen Ursache-Wirkungs-Ketten vor Augen zu führen und von denjenigen mit der größten Wahrscheinlichkeit auszugehen (Urteil vom 15. Februar 2005, Kommission/Tetra Laval, C‑12/03 P, EU:C:2005:87, Rn. 42 und 43).</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point33">33</a>      Dazu ermöglicht es die Verwendung ökonometrischer Modelle, das Verständnis des geplanten Zusammenschlusses zu verbessern, indem einige seiner Wirkungen bestimmt und gegebenenfalls quantifiziert werden, und so einen Beitrag zur Qualität der Beschlüsse der Kommission zu leisten. Es ist somit erforderlich, die Anmelder in die Lage zu versetzen, zu diesen Modellen Stellung nehmen zu können, wenn die Kommission ihren Beschluss darauf stützen möchte.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point34">34</a>      Die Übermittlung dieser Modelle sowie der ihrer Entwicklung zugrunde liegenden Methodenauswahl ist umso notwendiger, als sie, wie die Generalanwältin in Nr. 43 ihrer Schlussanträge ausführt, zur Sicherstellung der Verfahrensgerechtigkeit gemäß dem Grundsatz der guten Verwaltung nach Art. 41 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union beiträgt.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point35">35</a>      Die Kommission ist jedoch der Auffassung, nicht zur Übermittlung sämtlicher Änderungen an einem in Zusammenarbeit mit den am Zusammenschluss beteiligten Parteien entwickelten Modell, auf das sich die mitgeteilten Beschwerdepunkte bezögen, verpflichtet zu sein. In diesem Stadium könnten sich demnach die Beschwerdepunkte ändern und die an den Modellen vorgenommenen Änderungen seien den nicht der Akteneinsicht unterliegenden internen Dokumenten gleichzuhalten.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point36">36</a>      Zwar hat die Mitteilung der Beschwerdepunkte ihrer Natur nach vorläufigen Charakter und ist Änderungen anlässlich der späteren Beurteilung zugänglich, die die Kommission auf der Grundlage der von den Beteiligten vorgelegten Stellungnahmen und weiterer Tatsachenfeststellungen vornimmt (Urteil vom 10. Juli 2008, Bertelsmann und Sony Corporation of America/Impala, C‑413/06 P, EU:C:2008:392, Rn. 63). Aufgrund dieses vorläufigen Charakters hindert die Mitteilung der Beschwerdepunkte die Kommission keineswegs daran, ihre Auffassung zugunsten der betroffenen Unternehmen zu ändern, ohne dazu verpflichtet zu sein, eventuelle Unterschiede gegenüber ihrer vorläufigen Beurteilung in dieser Mitteilung zu erläutern (Urteil vom 10. Juli 2008, Bertelsmann und Sony Corporation of America/Impala, C‑413/06 P, EU:C:2008:392, Rn. 63 bis 65).</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point37">37</a>      Allerdings erlauben diese Erwägungen nicht den Schluss, dass die Kommission nach der Mitteilung der Beschwerdepunkte das Wesen eines ökonometrischen Modells ändern könnte, auf dessen Grundlage sie ihre Einwände stützen möchte, ohne diese Änderung den beteiligten Unternehmen zur Kenntnis zu bringen und es ihnen zu ermöglichen, dazu Stellung zu nehmen. Eine solche Auslegung würde nämlich dem Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte sowie den Bestimmungen des Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 139/2004 zuwiderlaufen, die zum einen erfordern, dass die Kommission ihre Beschlüsse nur auf die Einwände stützt, zu denen die Betroffenen Stellung nehmen konnten, und zum anderen ein Recht auf Akteneinsicht zumindest für die unmittelbar Betroffenen vorsehen. Auch ist ausgeschlossen, dass solche Umstände als interne Dokumente im Sinne von Art. 17 der Verordnung Nr. 802/2004 qualifiziert werden könnten. </p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point38">38</a>      Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass das Beschleunigungsgebot, das die allgemeine Systematik der Verordnung Nr. 139/2004 kennzeichnet, die Kommission im Hinblick auf den Erlass der abschließenden Entscheidung zur Einhaltung strikter Fristen verpflichtet (Urteil vom 10. Juli 2008, Bertelsmann und Sony Corporation of America/Impala, C‑413/06 P, EU:C:2008:392, Rn. 49). Die Kommission ist verpflichtet, dieses Beschleunigungsgebot mit der Einhaltung der Verteidigungsrechte in Einklang zu bringen.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point39">39</a>      Im vorliegenden Fall hat das Gericht zunächst in den Rn. 199 und 200 des angefochtenen Urteils die sich aus dem Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte ergebenden Anforderungen richtig dargestellt und sodann verschiedene Sachverhaltsfeststellungen vorgenommen, die von der Kommission in ihrem Rechtsmittel nicht bestritten worden sind.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point40">40</a>      So hat das Gericht in den Rn. 201 und 211 bis 213 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass sich die Kommission auf die Endfassung des ökonometrischen Modells gestützt habe, um die Zahl der Mitgliedstaaten zu bestimmen, auf deren Hoheitsgebiet der geplante Zusammenschluss zu einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs führen würde.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point41">41</a>      In Rn. 202 des angefochtenen Urteils hat das Gericht ausgeführt, dass die Entscheidung für die Endfassung des ökonometrischen Modells am 21. November 2012, d. h. mehr als zwei Monate vor dem Erlass des streitigen Beschlusses, getroffen worden sei, und in Rn. 203, dass die Kommission diese Endfassung nicht UPS übermittelt habe. In den Rn. 205 bis 208 des angefochtenen Urteils hat das Gericht festgehalten, dass die Änderungen in dieser Endfassung gegenüber den während des Verwaltungsverfahrens erörterten Modellen nicht vernachlässigbar gewesen seien.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point42">42</a>      Des Weiteren hat die Kommission, wie die Generalanwältin in Nr. 61 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, keine Anhaltspunkte dafür geliefert, aufgrund welcher konkreten Gründe es ihr zu jenem Zeitpunkt praktisch unmöglich gewesen sein soll, UPS zu dieser Endfassung unter Setzung einer kurzen Antwortfrist anzuhören.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point43">43</a>      Angesichts dieser Umstände konnte das Gericht somit rechtsfehlerfrei in Rn. 209 des angefochtenen Urteils schließen, dass „die Kommission nicht geltend machen [kann], sie sei nicht verpflichtet gewesen, der Klägerin das endgültige Modell der ökonometrischen Analyse vor Erlass des [streitigen] Beschlusses zu übermitteln“.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point44">44</a>      Somit ist der erste Rechtsmittelgrund in seinem zweiten und seinem dritten Teil als unbegründet zurückzuweisen.</p>
<p class="C06Titre3"> <i>Zu den Rechtsfolgen einer Verletzung der Verteidigungsrechte</i>
</p>
<p class="C07Titre4">–       Vorbringen der Parteien</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point45">45</a>      Die Kommission wendet sich in den jeweils ersten beiden Teilen des zweiten und des vierten Rechtsmittelgrundes gegen die Beurteilung des Gerichts in Rn. 210 des angefochtenen Urteils, in der es ausgeführt hat, dass „die Verteidigungsrechte der Klägerin verletzt worden [sind], so dass der [streitige] Beschluss für nichtig zu erklären ist, sofern die Klägerin hinreichend nachgewiesen hat, dass sie zumindest eine geringe Chance gehabt hätte, sich sachdienlicher zu verteidigen, wenn es diesen Verfahrensmangel nicht gegeben hätte, wobei sie nicht zu beweisen braucht, dass in diesem Fall der [streitige] Beschluss anders ausgefallen wäre (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Oktober 2011, Solvay/Kommission, C‑109/10 P, EU:C:2011:686, Rn. 57)“.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point46">46</a>      Als Erstes bringt die Kommission vor, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es das in Rn. 57 des Urteils vom 25. Oktober 2011, Solvay/Kommission (C‑109/10 P, EU:C:2011:686), entwickelte Rechtsprechungskriterium auf den vorliegenden Fall angewendet habe. </p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point47">47</a>      Während dieses Kriterium nur die Konsequenzen der unterlassenen Mitteilung eines entlastenden Umstandes betreffe, stelle das in Rede stehende ökonometrische Modell kein Beweismittel, sondern ein Hilfsmittel dar, das der Kommission die Beurteilung der wahrscheinlichen Preisauswirkungen des Zusammenschlusses ermögliche. Sollte es sich dennoch um ein Beweismittel handeln, so würde dieses Modell lediglich einen potenziell entlastenden Umstand bilden. Die bloße Tatsache, dass das Modell dazu geführt habe, die Zahl der nationalen Märkte, auf denen der Zusammenschluss zu einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs führen könnte, von 29 auf 15 zu reduzieren, sei insoweit nicht ausreichend. Darüber hinaus erlaube es der Umstand allein, dass einer der von der Kommission angenommenen Faktoren in der Mitteilung der Beschwerdepunkte ungünstiger gewesen sei als im endgültigen Beschluss, für sich genommen nicht, davon auszugehen, dass die der Beurteilung dieser Faktoren dienlichen Beweismittel im Stadium dieses Beschlusses zu entlastenden Elementen geworden wären.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point48">48</a>      Für die Kommission folgt daraus, dass das Gericht die Regel über die aus der unterlassenen Übermittlung von belastendem Material resultierende Verletzung der Verteidigungsrechte nach dem Urteil vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission (C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, EU:C:2004:6, Rn. 72 und 73) anwenden hätte müssen, wonach der Ausschluss eines nicht übermittelten belastenden Schriftstücks als Beweismittel nur bei Fehlen jedweder anderer Belege, von denen die Parteien im Verwaltungsverfahren Kenntnis hatten, zur Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses führen könne.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point49">49</a>      Als Zweites macht die Kommission geltend, dass selbst unter der Annahme einer Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte von UPS diese entgegen der Ansicht des Gerichts in Rn. 222 des angefochtenen Urteils jedenfalls nicht zur Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses führen könne.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point50">50</a>      Die Kommission verweist darauf, dass sie in ihrem Vorbringen im ersten Rechtszug geltend gemacht habe, dass die Feststellung einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs auf einem einzigen Markt genüge, um einen Zusammenschluss für mit dem Binnenmarkt unvereinbar zu erklären. Nun hätte der geplante Zusammenschluss in Dänemark und in den Niederlanden zugleich eine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs und negative Auswirkungen auf die Preise mit sich gebracht. Zumindest für diese beiden Märkte bleibe somit jedweder Fehler im Zusammenhang mit dem ökonometrischen Modell hinsichtlich des Preisniveaus folgenlos, da sich die Feststellung einer Wettbewerbsbehinderung auf andere Anhaltspunkte stütze. Angesichts dieser Umstände ist die Kommission der Ansicht, dass das Gericht den Klagegrund der Missachtung der Verteidigungsrechte als ins Leere gehend hätte verwerfen müssen.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point51">51</a>      Schließlich kann UPS nach Auffassung der Kommission nicht behaupten, dass sie bei Kenntnis der Endfassung des ökonometrischen Modells in der Lage gewesen wäre, Korrekturmaßnahmen vorzuschlagen.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point52">52</a>      UPS tritt dem Vorbringen der Kommission entgegen. </p>
<p class="C07Titre4">–       Würdigung durch den Gerichtshof</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point53">53</a>      Wie in den Rn. 32 bis 34 des vorliegenden Urteils ausgeführt, stellen die ökonometrischen Modelle ihrer Natur und Funktion nach quantitative Behelfe zur Untersuchung der voraussichtlichen Entwicklung dar, die die Kommission im Rahmen der Fusionskontrollverfahren vornimmt. Die methodologischen Grundlagen dieser Modelle müssen möglichst objektiv sein, um das Ergebnis dieser Untersuchung nicht in die eine oder die andere Richtung zu verzerren. Diese Faktoren tragen so zur Unparteilichkeit und zur Qualität der Entscheidungen der Kommission bei, wovon letztlich das Vertrauen der Öffentlichkeit und der Unternehmen in die Legitimität des unionsrechtlichen Fusionskontrollverfahrens abhängt. </p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point54">54</a>      Angesichts dieser Merkmale kann ein ökonometrisches Modell nicht als be- oder entlastendes Beweismittel je nach den mit ihm zu gewinnenden Ergebnissen und der darauf beruhenden weiteren Nutzung zur Stützung oder Verwerfung bestimmter Einwände gegen einen Zusammenschluss qualifiziert werden. Unter dem Blickwinkel der Wahrung der Verteidigungsrechte hängt die Frage, ob die unterlassene Übermittlung eines ökonometrischen Modells an die Zusammenschlussbeteiligten die Nichtigerklärung des Beschlusses der Kommission rechtfertigt, nicht von der Vorabqualifikation dieses Modells als be- oder entlastendes Beweismittel ab, wie die Generalanwältin im Wesentlichen in Nr. 40 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point55">55</a>      Unter Berücksichtigung der Bedeutung der ökonometrischen Modelle für die Untersuchung der voraussichtlichen Auswirkungen eines Zusammenschlusses würde eine Erhöhung der zur Nichtigerklärung eines Beschlusses aufgrund einer Verletzung der Verteidigungsrechte durch – wie im vorliegenden Fall – eine fehlende Übermittlung der ausgewählten methodologischen Grundlagen, im Besonderen in Bezug auf die diesen Modellen innewohnenden statistischen Techniken, erforderlichen Beweisschwelle, wie es im Wesentlichen die Kommission befürwortet, dem Ziel zuwiderlaufen, die Kommission zu Transparenz bei der Erarbeitung der in den Fusionskontrollverfahren verwendeten ökonometrischen Modelle anzuhalten, und die Effektivität der nachfolgenden gerichtlichen Kontrolle ihrer Entscheidungen mindern.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point56">56</a>      Daraus folgt, dass das Gericht in Rn. 210 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerfrei erkannt hat, dass „die Verteidigungsrechte der Klägerin verletzt worden [sind], so dass der [streitige] Beschluss für nichtig zu erklären ist, sofern die Klägerin hinreichend nachgewiesen hat, dass sie zumindest eine geringe Chance gehabt hätte, sich sachdienlicher zu verteidigen, wenn es diesen Verfahrensmangel nicht gegeben hätte, wobei sie nicht zu beweisen braucht, dass in diesem Fall der [streitige] Beschluss anders ausgefallen wäre (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Oktober 2011, Solvay/Kommission, C‑109/10 P, EU:C:2011:686, Rn. 57)“.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point57">57</a>      Folglich konnte das Gericht entgegen der Auffassung der Kommission nicht aussprechen, dass der von UPS im ersten Rechtszug geltend gemachte Klagegrund der Verletzung der Verteidigungsrechte aufgrund des Umstands ins Leere gehe, dass die Kommission für den dänischen und den niederländischen Markt das Bestehen einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs unabhängig von jedweder Berücksichtigung des ökonometrischen Modells festgestellt habe.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point58">58</a>      Somit sind jeweils die ersten beiden Teile des zweiten und des vierten Rechtsmittelgrundes zurückzuweisen.</p>
<p class="C06Titre3"> Zum Verstoß gegen die Begründungspflicht</p>
<p class="C07Titre4">–       Vorbringen der Parteien</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point59">59</a>      Als Erstes wendet sich die Kommission mit dem ersten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes sowie dem zweiten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes gegen Rn. 198 des angefochtenen Urteils, die wie folgt lautet:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„Zur Beurteilung des ersten Teils des zweiten Klagegrundes, der sich auf die wahrscheinlichen Auswirkungen des Zusammenschlusses auf die Preise bezieht, ist zu prüfen, ob die Verteidigungsrechte der Klägerin durch die Bedingungen beeinträchtigt wurden, unter denen die betreffende ökonometrische Analyse auf ein ökonometrisches Modell gestützt wurde, das sich von dem unterschied, das während des Verwaltungsverfahrens kontradiktorisch erörtert worden war.“</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point60">60</a>      Das Gericht habe es so unterlassen, auf das in Rn. 181 des angefochtenen Urteils zusammengefasste Vorbringen der Kommission einzugehen, mit dem sie geltend gemacht habe, dass die Mitteilung der Beschwerdepunkte nur provisorischen Charakter aufweise und ihr daher das Recht zustehe, diese später abzuändern oder neue Umstände hinzuzufügen, sofern der Beschluss dieselben Rügen enthalte, die den Parteien bereits mitgeteilt worden seien. Es stelle aber einen Rechtsfehler dar, wenn nicht jedes von einer Partei im ersten Rechtszug vorgebrachte Argument rechtlich zutreffend berücksichtigt werde (Urteil vom 2. April 2009, France Télécom/Kommission, C‑202/07 P, EU:C:2009:214, Rn. 41). Da das Gericht keinerlei Erklärung dafür abgegeben habe, warum es das Eingehen auf ein Hauptargument der Kommission nicht für erforderlich erachtet habe, habe es seine Begründungspflicht verletzt (Urteil vom 19. Dezember 2012, Mitteldeutsche Flughafen und Flughafen Leipzig-Halle/Kommission, C‑288/11 P, EU:C:2012:821, Rn. 83).</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point61">61</a>      Als Zweites wirft die Kommission dem Gericht mit dem ersten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes vor, das im ersten Rechtszug im Zuge ihrer Beantwortung auf die vom Gericht nach der mündlichen Verhandlung vom 6. April 2016 gestellten Fragen dargelegte Vorbringen nicht berücksichtigt zu haben, wonach die Verwendung einer kontinuierlichen Variablen für das Stadium der Vorhersage im ökonometrischen Modell nicht nur gerechtfertigt sei, sondern darüber hinaus aus der von UPS im Zusammenhang mit dem Stadium der Schätzung vorgeschlagenen Methodologie „intuitiv hervorgehe“. Es könne nicht behauptet werden, dass das angefochtene Urteil diesbezüglich eine zumindest implizite Begründung beinhalte, so dass nicht davon auszugehen sei, dass das Gericht das Vorbringen der Kommission geprüft hätte.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point62">62</a>      Als Drittes macht die Kommission mit dem zweiten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes und mit dem dritten Teil des vierten Rechtsmittelgrundes geltend, dass das Gericht es in den Rn. 198 bis 222 des angefochtenen Urteils unterlassen habe, auf ihre Argumentation einzugehen, dass der auf eine Verletzung der Verteidigungsrechte abzielende Klagegrund von UPS ins Leere gehe, weil die Feststellung einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs auf dem dänischen und dem niederländischen Markt nicht ausschließlich auf den Ergebnissen des ökonometrischen Modells beruhe. Es sei widersprüchlich, dass das angefochtene Urteil die Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses wegen Verletzung der Verteidigungsrechte ausspreche, obwohl in dessen Rn. 217 und 218 festgehalten sei, dass die Endfassung des ökonometrischen Modells zum einen habe „zumindest in bestimmten Staaten die von der Kommission berücksichtigten qualitativen Informationen in Frage stellen“ können und zum anderen es der Kommission ermöglicht habe, die Zahl der Mitgliedstaaten herabzusetzen, in denen der Zusammenschluss zu einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs geführt hätte.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point63">63</a>      UPS tritt dem Vorbringen der Kommission entgegen.</p>
<p class="C07Titre4">–       Würdigung durch den Gerichtshof</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point64">64</a>      Hinsichtlich der im ersten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes sowie im zweiten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes ausgeführten ersten Rüge genügt es festzuhalten, dass sich das Gericht angesichts der in den Rn. 198 bis 209 des angefochtenen Urteils enthaltenen Begründung implizit aber eindeutig mit dem in der Rn. 181 des angefochtenen Urteils zusammengefassten Vorbringen der Kommission auseinandergesetzt hat. Somit ist diese erste Rüge als unbegründet zurückzuweisen.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point65">65</a>      Was die im ersten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes enthaltene zweite Rüge betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht durch die Ausführungen in den Rn. 198 bis 208 des angefochtenen Urteils seine Auffassung in Rn. 209 dieses Urteils rechtsrichtig begründet hat, wonach „die Kommission nicht geltend machen [kann], sie sei nicht verpflichtet gewesen, der Klägerin das endgültige Modell der ökonometrischen Analyse vor Erlass des [streitigen] Beschlusses zu übermitteln“.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point66">66</a>      Im Besonderen hat das Gericht in Rn. 205 des angefochtenen Urteils festgehalten, dass die von der Kommission am ökonometrischen Modell vorgenommenen Änderungen nicht vernachlässigbar gewesen seien. Des Weiteren hat das Gericht in Rn. 207 des angefochtenen Urteils ausgeführt, dass „sich die Kommission im Stadium der Schätzung auf eine diskrete Variable und im Stadium der Vorhersage auf eine kontinuierliche Variable [stützte]“, und in Rn. 208 dieses Urteils erkannt, dass, „[a]uch wenn die Verwendung einer diskreten Variable Gegenstand wiederholter Diskussionen während des Verwaltungsverfahrens war, … doch aus der Akte nicht [hervorgeht], dass dies hinsichtlich der Anwendung verschiedener Variablen in verschiedenen Stadien der ökonometrischen Analyse ebenfalls der Fall war“.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point67">67</a>      Mit diesen Gründen hat das Gericht seine Entscheidung rechtlich ausreichend begründet und implizit, aber eindeutig das Vorbringen der Kommission zurückgewiesen, wonach die UPS „intuitiv“ in der Lage gewesen wäre, die am ökonometrischen Modell vorgenommenen Änderungen zu erkennen. Folglich ist die zweite Rüge als unbegründet zurückzuweisen.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point68">68</a>      Zur im zweiten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes sowie im dritten Teil des vierten Rechtsmittelgrundes ausgeführten dritten Rüge genügt die Feststellung, dass dieses Vorbringen auf der Prämisse beruht, dass das Gericht einen Rechtsfehler begangen habe, indem es in Rn. 210 des angefochtenen Urteils ausgeführt hat, dass die festgestellte Verletzung der Verteidigungsrechte die Nichtigerklärung nach sich ziehe, „sofern die Klägerin hinreichend nachgewiesen hat, dass sie zumindest eine geringe Chance gehabt hätte, sich sachdienlicher zu verteidigen, wenn es diesen Verfahrensmangel nicht gegeben hätte, wobei sie nicht zu beweisen braucht, dass in diesem Fall der [streitige] Beschluss anders ausgefallen wäre“. Diese Prämisse ist aber aus den zuvor in den Rn. 53 bis 58 des vorliegenden Urteils angegebenen Gründen unrichtig. Daher ist auch die dritte Rüge als unbegründet zurückzuweisen.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point69">69</a>      Aus den gesamten vorstehenden Erwägungen folgt, dass das Rechtsmittel zur Gänze zurückzuweisen ist. </p>
<p class="C04Titre1"> Kosten</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point70">70</a>      Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der gemäß deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem entsprechenden Antrag von UPS die Kosten aufzuerlegen.</p>
<p class="C41DispositifIntroduction">Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:</p>
<p class="C08Dispositif">1.      Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.</p>
<p class="C08Dispositif">2.      <b>Die Europäische Kommission trägt die Kosten.</b>
</p>
<p class="C77Signatures">Unterschriften</p>
<hr/>
<p class="C42FootnoteLangue">
<a href="#Footref*" name="Footnote*">*</a>      Verfahrenssprache: Englisch.</p>
|
175,047 | eugh-2019-01-16-c-38917 | {
"id": 2,
"name": "Europäischer Gerichtshof",
"slug": "eugh",
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} | C-389/17 | 2019-01-16T00:00:00 | 2019-01-31T19:21:01 | 2019-01-31T19:21:01 | Urteil | ECLI:EU:C:2019:25 | <p>Vorläufige Fassung</p>
<p class="C19Centre">URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)</p>
<p class="C19Centre">16. Januar 2019(<a href="#Footnote*" name="Footref*">*</a>)</p>
<p class="C71Indicateur">„Vorlage zur Vorabentscheidung – Aufnahme der Tätigkeit von E‑Geld‑Instituten – Richtlinie 2009/110/EG – Art. 5 Abs. 2 und 3 – Vorschriften über Eigenmittel – Für die Ausübung von mit der Ausgabe von E‑Geld in Verbindung stehenden Tätigkeiten erforderliche Eigenmittel – Begriff ‚mit der Ausgabe von E‑Geld in Verbindung stehende Tätigkeit‘ – Ausgabe des E‑Geldes zugunsten des Verkäufers zum Nennwert der erhaltenen Geldbeträge“</p>
<p class="C02AlineaAltA">In der Rechtssache C‑389/17</p>
<p class="C02AlineaAltA">betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Lietuvos vyriausiasis administracinis teismas (Oberstes Verwaltungsgericht von Litauen) mit Entscheidung vom 21. Juni 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 29. Juni 2017, in dem Verfahren auf Betreiben der</p>
<p class="C02AlineaAltA">
<b>„Paysera LT“ UAB,</b> vormals „EVP International“ UAB,</p>
<p class="C02AlineaAltA">Beteiligte:</p>
<p class="C02AlineaAltA">
<b>Lietuvos bankas,</b>
</p>
<p class="C02AlineaAltA">erlässt</p>
<p class="C19Centre">DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)</p>
<p class="C02AlineaAltA">unter Mitwirkung der Vizepräsidentin des Gerichtshofs R. Silva de Lapuerta in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Ersten Kammer sowie der Richter J.‑C. Bonichot, E. Regan (Berichterstatter), C. G. Fernlund und S. Rodin,</p>
<p class="C02AlineaAltA">Generalanwalt: M. Wathelet,</p>
<p class="C02AlineaAltA">Kanzler: M. Aleksejev, Verwaltungsrat,</p>
<p class="C02AlineaAltA">aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 27. Juni 2018,</p>
<p class="C02AlineaAltA">unter Berücksichtigung der Erklärungen</p>
<p class="C03Tiretlong">–        der litauischen Regierung, vertreten durch R. Krasuckaitė, G. Taluntytė, V. Vasiliauskienė und D. Kriaučiūnas als Bevollmächtigte,</p>
<p class="C03Tiretlong">–        der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,</p>
<p class="C03Tiretlong">–        der Europäischen Kommission, vertreten durch H. Tserepa-Lacombe und A. Steiblytė als Bevollmächtigte,</p>
<p class="C02AlineaAltA">nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 4. Oktober 2018</p>
<p class="C02AlineaAltA">folgendes</p>
<p class="C75Debutdesmotifs">
<b>Urteil</b>
</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point1">1</a>        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 5 Abs. 2 und 6 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2009/110/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über die Aufnahme, Ausübung und Beaufsichtigung der Tätigkeit von E‑Geld-Instituten, zur Änderung der Richtlinien 2005/60/EG und 2006/48/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 2000/46/EG (ABl. 2009, L 267, S. 7).</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point2">2</a>        Es ergeht im Rahmen eines von der „Paysera LT“ UAB, vormals „EVP International“ UAB (im Folgenden: Paysera), betriebenen Verfahrens wegen einer Entscheidung des Lietuvos banko Priežiūros tarnyba (Aufsichtsgremium der Bank von Litauen), mit der dieses ihr gegenüber eine Verwarnung aufgrund einer unkorrekten Anwendung der Methoden zur Berechnung des Eigenkapitals bei bestimmten Zahlungsvorgängen (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) ausgesprochen hat.</p>
<p class="C04Titre1"> <b>Rechtlicher Rahmen</b>
</p>
<p class="C05Titre2"> <b>Richtlinie 2009/110</b>
</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point3">3</a>        Die Erwägungsgründe 2, 7 bis 9 und 11 der Richtlinie 2009/110 lauten:</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">„(2)      Die Kommission hob in ihrer Überprüfung der Richtlinie 2000/46/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. September 2000 über die Aufnahme, Ausübung und Beaufsichtigung der Tätigkeit von E‑Geld-Instituten (ABl. 2000, L 275, S. 39)] hervor, dass die Richtlinie geändert werden muss, da einige ihrer Bestimmungen die Entstehung eines echten Binnenmarkts für E‑Geld-Dienstleistungen und die Entwicklung dieser benutzerfreundlichen Dienstleistungen offenbar verhindert haben.</p>
<p class="C02AlineaAltA">…</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">(7)      Der Begriff ‚E‑Geld‘ sollte eindeutig definiert werden, damit er technisch neutral ist. Diese Definition sollte alle Fälle abdecken, in denen ein Zahlungsdienstleister geldwerte Einheiten gegen Vorauszahlung bereitstellt, die für Zahlungen verwendet werden können, weil sie von Dritten als Zahlung akzeptiert werden.</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">(8)      Die Definition des Begriffs ‚E‑Geld‘ sollte E‑Geld umfassen, unabhängig davon, ob es auf einem im Besitz des E‑Geld‑Inhabers befindlichen Datenträger oder räumlich entfernt auf einem Server gespeichert ist und vom E‑Geld‑Inhaber über ein bestimmtes Zahlungskonto für E‑Geld verwaltet wird. Die Definition sollte weit genug sein, um technologische Innovation nicht zu behindern und nicht nur alle schon heute im Markt verfügbaren E‑Geld-Produkte, sondern auch solche Produkte zu erfassen, die in Zukunft noch entwickelt werden könnten.</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">(9)      Die Aufsichtsregelungen für E‑Geld-Institute sollten überarbeitet und besser auf die Risiken dieser Institute abgestimmt werden. Außerdem sollten sie an die Aufsichtsregelungen angepasst werden, die im Rahmen der Richtlinie 2007/64/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 97/7/EG, 2002/65/EG, 2005/60/EG und 2006/48/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 97/5/EG (ABl. 2007, L 319, S. 1)] für Zahlungsinstitute gelten. In diesem Zusammenhang sollten die relevanten Vorschriften der Richtlinie 2007/64/EG für E‑Geld-Institute entsprechend gelten, unbeschadet der Vorschriften der vorliegenden Richtlinie …</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">…</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">(11)      Um einen angemessenen Verbraucherschutz und eine solide und umsichtige Geschäftsführung von E‑Geld-Instituten zu gewährleisten, müssen deren Anfangskapital und deren laufende Kapitalausstattung geregelt werden. Angesichts der Besonderheiten von elektronischem Geld sollte eine weitere Methode zur Berechnung der laufenden Kapitalausstattung eingeführt werden. Ein vollständiger aufsichtsrechtlicher Ermessensspielraum sollte erhalten bleiben, um sicherzustellen, dass gleiche Risiken bei allen Zahlungsdienstleistern gleich behandelt werden und dass die Berechnungsmethode die besondere Geschäftssituation eines E‑Geld-Instituts berücksichtigt. Außerdem sollte vorgesehen werden, dass E‑Geld-Institute Geldbeträge der E‑Geld-Inhaber von den Geldbeträgen, die das E‑Geld-Institut für andere Geschäftsfelder vorhält, getrennt halten müssen. Auch sollten E‑Geld-Institute wirksamen Vorschriften gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung unterliegen.“</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point4">4</a>        In Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) der Richtlinie 2009/110 heißt es:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck</p>
<p class="C02AlineaAltA">…</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">2.      ‚E‑Geld‘ jeden elektronisch – darunter auch magnetisch – gespeicherten monetären Wert in Form einer Forderung gegenüber dem Emittenten, der gegen Zahlung eines Geldbetrags ausgestellt wird, um damit Zahlungsvorgänge im Sinne des Artikels 4 Nummer 5 der Richtlinie 2007/64/EG durchzuführen, und der auch von anderen natürlichen oder juristischen Personen als dem E‑Geld-Emittenten angenommen wird;</p>
<p class="C02AlineaAltA">…“</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point5">5</a>        Art. 5 („Eigenmittel“) dieser Richtlinie bestimmt in seinen Abs. 2 und 3:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„(2)      Für die in Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a genannten Tätigkeiten, die nicht mit der Ausgabe von E‑Geld in Verbindung stehen, werden die Eigenmittelanforderungen eines E‑Geld-Instituts nach einer der drei in Artikel 8 Absätze 1 und 2 der Richtlinie 2007/64/EG genannten Methoden (A, B oder C) berechnet. Die geeignete Methode wird von den zuständigen Behörden im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften festgelegt.</p>
<p class="C02AlineaAltA">Für die Ausgabe von E‑Geld werden die Eigenmittelanforderungen eines E‑Geld-Instituts nach der in Absatz 3 dargelegten Methode D berechnet.</p>
<p class="C02AlineaAltA">E‑Geld-Institute verfügen stets über einen Bestand an Eigenmitteln, der mindestens genauso hoch ist wie die Summe der in Unterabsatz 1 und 2 genannten Erfordernisse.</p>
<p class="C02AlineaAltA">(3)      Methode D: Die Eigenmittel eines E‑Geld-Instituts für die Ausgabe von E‑Geld müssen sich mindestens auf 2 % des durchschnittlichen E‑Geld-Umlaufs belaufen.“</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point6">6</a>        Art. 6 („Tätigkeiten“) der Richtlinie sieht in Abs. 1 Buchst. a vor:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„(1)      Neben der Ausgabe von E‑Geld sind den E‑Geld-Instituten folgende Tätigkeiten gestattet:</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">a)      Erbringung der im Anhang der Richtlinie 2007/64/EG genannten Zahlungsdienste“.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point7">7</a>        Art. 11 („Ausgabe und Rücktauschbarkeit“) der Richtlinie 2009/110 bestimmt in seinen Abs. 1 und 2:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„(1)      Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass E‑Geld-Emittenten E‑Geld zum Nennwert des entgegengenommenen Geldbetrags ausgeben.</p>
<p class="C02AlineaAltA">(2)      Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass E‑Geld-Emittenten den monetären Wert des gehaltenen E‑Geldes auf Verlangen des E‑Geld-Inhabers jederzeit zum Nennwert erstatten.“</p>
<p class="C05Titre2"> <b>Richtlinie 2007/64/EG</b>
</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point8">8</a>        Art. 4 („Begriffsbestimmungen“) der Richtlinie 2007/64/EG vom 13. November 2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 97/7/EG, 2002/65/EG, 2005/60/EG und 2006/48/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 97/5/EG (ABl. 2007, L 319, S. 1) bestimmt:</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">„Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Begriff</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">…</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">3.      ‚Zahlungsdienst‘ jede im Anhang aufgeführte gewerbliche Tätigkeit;</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">…</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">5.      ‚Zahlungsvorgang‘ die bzw. der vom Zahler oder Zahlungsempfänger ausgelöste Bereitstellung, Transfer oder Abhebung eines Geldbetrags, unabhängig von etwaigen zugrunde liegenden Verpflichtungen im Verhältnis zwischen Zahler und Zahlungsempfänger;</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">…“</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point9">9</a>        Art. 8 („Berechnung der Eigenmittel“) dieser Richtlinie sieht in seinen Abs. 1 und 2 vor:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„(1)      Ungeachtet des Anfangskapitals gemäß Artikel 6 schreiben die Mitgliedstaaten den Zahlungsinstituten vor, jederzeit Eigenmittel in einer Höhe zu halten, die nach einer der folgenden drei Methoden, wie von den zuständigen Behörden im Einklang mit dem jeweiligen innerstaatlichen Recht festgelegt, berechnet wird:</p>
<p class="C02AlineaAltA">Methode A</p>
<p class="C02AlineaAltA">Zahlungsinstitute müssen eine Eigenkapitalunterlegung aufweisen, die mindestens 10 % ihrer fixen Gemeinkosten des Vorjahrs entspricht. Die zuständigen Behörden können diese Anforderung bei einer gegenüber dem Vorjahr erheblich veränderten Geschäftstätigkeit eines Zahlungsinstituts berichtigen. Zahlungsinstitute, die ihre Geschäftstätigkeit zum Zeitpunkt der Berechnung seit weniger als einem Jahr ausüben, müssen eine Eigenkapitalanforderung in Höhe von 10 % der im Geschäftsplan vorgesehenen entsprechenden fixen Gemeinkosten erfüllen, sofern nicht die zuständigen Behörden eine Anpassung dieses Plans verlangen.</p>
<p class="C02AlineaAltA">Methode B</p>
<p class="C02AlineaAltA">Zahlungsinstitute müssen eine Eigenkapitalunterlegung aufweisen, die mindestens der Summe der folgenden Elemente multipliziert mit dem Skalierungsfaktor k gemäß der Festlegung in Absatz 2 entspricht, wobei das Zahlungsvolumen (ZV) einem Zwölftel der Gesamtsumme der von dem Zahlungsinstitut im Vorjahr ausgeführten Zahlungsvorgänge entspricht:</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">a)      4,0 % der Tranche des ZV bis 5 Mio. EUR</p>
<p class="C10Marge1">plus</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">b)      2,5 % der Tranche des ZV von über 5 Mio. EUR bis 10 Mio. EUR</p>
<p class="C10Marge1">plus</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">c)      1 % der Tranche des ZV von über 10 Mio. EUR bis 100 Mio. EUR</p>
<p class="C10Marge1">plus</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">d)      0,5 % der Tranche des ZV von über 100 Mio. EUR bis 250 Mio. EUR</p>
<p class="C10Marge1">plus</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">e)      0,25 % der Tranche des ZV über 250 Mio. EUR.</p>
<p class="C02AlineaAltA">Methode C</p>
<p class="C02AlineaAltA">Zahlungsinstitute müssen eine Eigenkapitalunterlegung aufweisen, die mindestens dem maßgeblichen Indikator gemäß Buchstabe a entspricht, multipliziert mit dem in Buchstabe b definierten Multiplikationsfaktor und mit dem in Absatz 2 festgelegten Skalierungsfaktor.</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">a)      Der maßgebliche Indikator ist die Summe der folgenden Bestandteile:</p>
<p class="C12Marge1avectiretlong">–        Zinserträge;</p>
<p class="C12Marge1avectiretlong">–        Zinsaufwand;</p>
<p class="C12Marge1avectiretlong">–        Einnahmen aus Provisionen und Entgelten; sowie</p>
<p class="C12Marge1avectiretlong">–        sonstige betriebliche Erträge.</p>
<p class="C10Marge1">In die Summe geht jeder Wert mit seinem positiven oder negativen Vorzeichen ein. Außerordentliche oder unregelmäßige Erträge dürfen nicht in die Berechnung des maßgeblichen Indikators einfließen. Aufwendungen für die Auslagerung von Dienstleistungen, die durch Dritte erbracht werden, dürfen den maßgeblichen Indikator dann mindern, wenn die Aufwendungen von einem Unternehmen getragen werden, das gemäß dieser Richtlinie beaufsichtigt wird. Der maßgebliche Indikator wird auf der Grundlage der letzten Zwölfmonatsbeobachtung, die am Ende des vorausgegangenen Geschäftsjahres erfolgt, errechnet. Der maßgebliche Indikator wird für das vorausgegangene Geschäftsjahr errechnet. Jedoch dürfen die nach der Methode C ermittelten Eigenmittel nicht weniger als 80 % des Betrags ausmachen, der als Durchschnittswert des maßgeblichen Indikators für die vorausgegangenen drei Geschäftsjahre errechnet wurde. Wenn keine geprüften Zahlen vorliegen, können Schätzungen verwendet werden.</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">b)      Der Multiplikationsfaktor entspricht:</p>
<p class="C11Marge1avecretrait">i)      10 % der Tranche des maßgeblichen Indikators bis 2,5 Mio. EUR,</p>
<p class="C11Marge1avecretrait">ii)      8 % der Tranche des maßgeblichen Indikators von über 2,5 Mio. EUR bis 5 Mio. EUR,</p>
<p class="C11Marge1avecretrait">iii)      6 % der Tranche des maßgeblichen Indikators von über 5 Mio. EUR bis 25 Mio. EUR,</p>
<p class="C11Marge1avecretrait">iv)      3 % der Tranche des maßgeblichen Indikators von über 25 Mio. EUR bis 50 Mio. EUR,</p>
<p class="C11Marge1avecretrait">v)      1,5 % der Tranche des maßgeblichen Indikators über 50 Mio. EUR.</p>
<p class="C02AlineaAltA">(2)      Der bei den Methoden B und C anzuwendende Skalierungsfaktor k entspricht:</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">a)      0,5, wenn das Zahlungsinstitut nur die in Nummer 6 des Anhangs genannten Zahlungsdienste betreibt;</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">b)      0,8, wenn das Zahlungsinstitut den in Nummer 7 des Anhangs genannten Zahlungsdienst betreibt;</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">c)      1,0, wenn das Zahlungsinstitut eine[n] oder mehrere der in den Nummern 1 bis 5 des Anhangs genannten Zahlungsdienste betreibt.“</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point10">10</a>      Im Anhang („Zahlungsdienste [Artikel 4 Nummer 3]“) der Richtlinie 2007/64 ist die Liste der als solche angesehenen Tätigkeiten aufgeführt:</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">„1.      Dienste, mit denen Bareinzahlungen auf ein Zahlungskonto ermöglicht werden, sowie alle für die Führung eines Zahlungskontos erforderlichen Vorgänge.</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">2.      Dienste, mit denen Barabhebungen von einem Zahlungskonto ermöglicht werden, sowie alle für die Führung eines Zahlungskontos erforderlichen Vorgänge.</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">3.      Ausführung von Zahlungsvorgängen einschließlich des Transfers von Geldbeträgen auf ein Zahlungskonto beim Zahlungsdienstleister des Nutzers oder bei einem anderen Zahlungsdienstleister:</p>
<p class="C12Marge1avectiretlong">–        Ausführung von Lastschriften einschließlich einmaliger Lastschriften;</p>
<p class="C12Marge1avectiretlong">–        Ausführung von Zahlungsvorgängen mittels einer Zahlungskarte oder eines ähnlichen Instruments;</p>
<p class="C12Marge1avectiretlong">–        Ausführung von Überweisungen einschließlich Daueraufträgen.</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">4.      Ausführung von Zahlungsvorgängen, wenn die Beträge durch einen Kreditrahmen für einen Zahlungsdienstnutzer gedeckt sind:</p>
<p class="C12Marge1avectiretlong">–        Ausführung von Lastschriften einschließlich einmaliger Lastschriften;</p>
<p class="C12Marge1avectiretlong">–        Ausführung von Zahlungsvorgängen mittels einer Zahlungskarte oder eines ähnlichen Instruments;</p>
<p class="C12Marge1avectiretlong">–        Ausführung von Überweisungen einschließlich Daueraufträgen.</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">5.      Ausgabe von Zahlungsinstrumenten und/oder Annahme und Abrechnung (‚acquiring‘) von Zahlungsinstrumenten.</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">6.      Finanztransfer.</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">7.      Ausführung von Zahlungsvorgängen, bei denen die Zustimmung des Zahlers zur Ausführung eines Zahlungsvorgangs über ein Telekommunikations‑, Digital- oder IT‑Gerät übermittelt wird und die Zahlung an den Betreiber des Telekommunikations- oder IT‑Systems oder ‑Netzes erfolgt, der ausschließlich als zwischengeschaltete Stelle zwischen dem Zahlungsdienstnutzer und dem Lieferanten der Waren und Dienstleistungen fungiert.“</p>
<p class="C04Titre1"> <b>Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage</b>
</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point11">11</a>      Paysera ist eine Gesellschaft litauischen Rechts, die über Lizenzen als E‑Geld-Institut und als Zahlungsinstitut verfügt, die ihr von der Lietuvos bankas (Bank von Litauen) erteilt wurden und sie dazu berechtigen, E‑Geld auszugeben und mit der Ausgabe dieses Geldes in Verbindung stehende Dienste sowie andere Zahlungsdienste zu erbringen.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point12">12</a>      Nach einer Überprüfung der Tätigkeit von Paysera durch das Aufsichtsgremium der Bank von Litauen hat dieses mit der angefochtenen Entscheidung eine Verwarnung gegenüber dieser Gesellschaft ausgesprochen und ihr aufgegeben, den Verstoß gegen die Regeln für die Berechnung der Eigenmittel von E‑Geld-Instituten zu beenden.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point13">13</a>      Das Aufsichtsgremium der Bank von Litauen hat nämlich folgende von der Klägerin des Ausgangsverfahrens ausgeübte Tätigkeiten nicht als mit der Ausgabe von E‑Geld in Verbindung stehende Zahlungsdienste anerkannt:</p>
<p class="C03Tiretlong">–        Zahlungen (Überweisungen) durch einen E‑Geld-Inhaber von einem E‑Geld-Konto, das er bei einem E‑Geld-Institut besitzt, auf Konten eines Dritten bei einem Kreditinstitut (im Folgenden: Dienst I);</p>
<p class="C03Tiretlong">–        den Einzug von Zahlungen für Waren und/oder Dienstleistungen, die von den über E‑Geld-Konten verfügenden Kunden eines E‑Geld-Instituts (Händler) geliefert bzw. erbracht werden, bei solche Waren oder Dienstleistungen erwerbenden Personen (Käufer), die nicht am E‑Geld-System teilnehmen (im Folgenden: Dienst II).</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point14">14</a>      In der Folge legte die Klägerin des Ausgangsverfahrens, da die Klage gegen die angefochtene Entscheidung mit Entscheidung des Vilniaus apygardos administracinis teismas (Regionales Verwaltungsgericht Vilnius, Litauen) vom 13. Januar 2016 abgewiesen worden war, ein Rechtsmittel beim Lietuvos vyriausiasis administracinis teismas (Oberstes Verwaltungsgericht von Litauen) ein.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point15">15</a>      Das vorlegende Gericht fragt sich, ob die Dienste I und II als „mit der Ausgabe von E‑Geld in Verbindung stehende Zahlungsdienste“ anzusehen sind.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point16">16</a>      Unter diesen Umständen hat das Lietuvos vyriausiasis administracinis teismas (Oberstes Verwaltungsgericht von Litauen) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:</p>
<p class="C02AlineaAltA">Ist Art. 5 Abs. 2 im Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2009/110 dahin auszulegen, dass unter Umständen wie denen des vorliegenden Falles die folgenden Vorgänge als Zahlungsdienste anzusehen sind, die (nicht) in Verbindung mit der Ausgabe von E‑Geld stehen:</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">a)      ein Zahlungsvorgang, bei dem auf Aufforderung (Anweisung) des E‑Geld‑Inhabers an das E‑Geld-Institut (den Emittenten) das zum Nennwert erstattete E‑Geld (rücktauschbare Geldbeträge) auf ein Bankkonto einer dritten Person transferiert wird;</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">b)      ein Zahlungsvorgang, bei dem der Käufer (Zahler) von Waren und/oder Dienstleistungen auf Anweisung des Verkäufers/Dienstleisters für die Waren und/oder Dienstleistungen zahlt, indem er einen Transfer/eine Zahlung von Geldbeträgen an ein E‑Geld-Institut (E‑Geld-Emittent) tätigt, das nach Erhalt der Geldbeträge E‑Geld zum Nennwert der erhaltenen Geldbeträge zugunsten des Verkäufers (E‑Geld-Inhaber) ausgibt?</p>
<p class="C04Titre1"> <b>Zur Vorlagefrage</b>
</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point17">17</a>      Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2009/110 dahin auszulegen ist, dass von E‑Geld-Instituten im Rahmen von Zahlungsvorgängen erbrachte Dienste wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden mit der Ausgabe von E‑Geld in Verbindung stehende Tätigkeiten darstellen.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point18">18</a>      Insofern ist darauf hinzuweisen, dass E‑Geld-Institute gemäß Art. 5 dieser Richtlinie bestimmte Anforderungen in Bezug auf Eigenmittel erfüllen müssen.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point19">19</a>      Insbesondere ergibt sich aus Art. 5 Abs. 2 und 3 der Richtlinie, dass, was die Tätigkeit der Ausgabe von E‑Geld angeht, die Eigenmittelanforderungen eines E‑Geld-Instituts nach der Methode D berechnet werden und sich mindestens auf 2 % des durchschnittlichen E‑Geld-Umlaufs belaufen müssen.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point20">20</a>      Was hingegen die Tätigkeiten anbelangt, die nicht mit der Ausgabe von E‑Geld in Verbindung stehen und daher Zahlungsdienste im Sinne von Art. 4 Nr. 3 der Richtlinie 2007/64 darstellen, werden die Eigenmittelanforderungen eines E‑Geld-Instituts nach einer der drei in Art. 8 Abs. 1 und 2 dieser Richtlinie genannten Methoden (A, B oder C) berechnet.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point21">21</a>      Folglich muss ein E‑Geld-Institut angesichts der bei diesen Methoden jeweils vorgesehenen Eigenmittelbeträge über mehr Eigenmittel verfügen, wenn diese nach den Methoden A, B oder C berechnet werden, als wenn sie nach der Methode D berechnet werden.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point22">22</a>      Daher ist festzustellen, dass Art. 5 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2009/110 für mit der Ausgabe von E‑Geld in Verbindung stehende Zahlungsdienste eine Ausnahme von den in der Richtlinie 2007/64 vorgesehenen Regeln über Eigenmittel schafft, soweit diese Dienste mit der Tätigkeit der Ausgabe von E‑Geld in Verbindung stehen.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point23">23</a>      Um festzustellen, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Dienste mit der Ausgabe von E‑Geld in Verbindung stehende Tätigkeiten darstellen, ist somit festzustellen, ob diese Dienste untrennbar mit der Ausgabe oder dem Rücktausch von E‑Geld in Verbindung stehen.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point24">24</a>      Der Begriff „Ausgabe von E‑Geld“ wird in der Richtlinie 2009/110 nicht definiert; diese stellt lediglich in Art. 2 Abs. 2 klar, dass der Begriff „E‑Geld“ jeden elektronisch – darunter auch magnetisch – gespeicherten monetären Wert in Form einer Forderung gegenüber dem Emittenten bezeichnet, der gegen Zahlung eines Geldbetrags ausgestellt wird, um damit Zahlungsvorgänge im Sinne des Art. 4 Nr. 5 der Richtlinie 2007/64 durchzuführen, und der auch von anderen natürlichen oder juristischen Personen als dem E‑Geld-Emittenten angenommen wird.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point25">25</a>      Art. 4 Nr. 5 der Richtlinie 2007/64 definiert seinerseits den Zahlungsvorgang als vom Zahler oder Zahlungsempfänger ausgelöste Bereitstellung, Transfer oder Abhebung eines Geldbetrags, unabhängig von etwaigen zugrunde liegenden Verpflichtungen im Verhältnis zwischen Zahler und Zahlungsempfänger. Wie sich aus Art. 4 Nr. 3 dieser Richtlinie in Verbindung mit dem Anhang dieser Richtlinie ergibt, stellt die Ausführung eines Zahlungsvorgangs einschließlich des Transfers von Geldbeträgen auf ein Zahlungskonto außerdem einen Zahlungsdienst dar.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point26">26</a>      Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2009/110 die E‑Geld-Emittenten verpflichtet, den monetären Wert des gehaltenen E‑Geldes auf Verlangen des E‑Geld-Inhabers jederzeit zum Nennwert zu erstatten.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point27">27</a>      Was den Begriff „Rücktausch“ angeht, der in den Richtlinien 2007/64 und 2009/110 nicht definiert wird, besteht dieser in der Umwandlung des E‑Geldes zum Nennwert und der anschließenden Auszahlung der Geldbeträge auf Anweisung des E‑Geld-Inhabers. Diese Richtlinien verlangen insoweit nicht, dass diese Geldbeträge auf das Konto des E‑Geld-Inhabers oder auf das Konto eines Dritten eingezahlt werden.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point28">28</a>      Da die Ausgabe von E‑Geld bedingungslos und automatisch ein Rücktauschrecht impliziert, umfasst der Begriff „mit der Ausgabe von E‑Geld in Verbindung stehender Zahlungsdienst“ auch den Rücktausch des E‑Geldes im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2009/110.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point29">29</a>      Ein Zahlungsdienst, der zu dem Zweck erbracht wird, den Rücktausch des Nennwerts des E‑Geldes zu ermöglichen, stellt somit eine mit der Ausgabe von E‑Geld in Verbindung stehende Tätigkeit dar.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point30">30</a>      Um festzustellen, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Dienste mit der Ausgabe von E‑Geld in Verbindung stehende Zahlungsdienste darstellen, ist daher festzustellen, ob die Erbringung dieser Dienste die Ausgabe oder den Rücktausch des E‑Geldes im Rahmen eines einzigen Zahlungsvorgangs auslöst.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point31">31</a>      Hierzu ist auszuführen, dass der Dienst I in einem Zahlungsvorgang besteht, bei dem das E‑Geld‑Institut auf Anweisung des E‑Geld-Inhabers die Geldbeträge zum Nennwert zurücktauscht und auf das Bankkonto eines Dritten transferiert. </p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point32">32</a>      Soweit die Geldbeträge einzig und allein zum Zwecke ihres Transfers und im Rahmen eines einzigen Zahlungsvorgangs zurückgetauscht werden, was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist, kann ein Dienst wie der Dienst I als mit der Ausgabe von E‑Geld in Verbindung stehend im Sinne des Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2009/110 angesehen werden.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point33">33</a>      Der Dienst II besteht in einem Vorgang, bei dem der Käufer der Waren oder Dienstleistungen für diese auf Anweisung des Verkäufers Geldbeträge an das E‑Geld-Institut transferiert, das nach Erhalt dieser Geldbeträge das E‑Geld zugunsten des Verkäufers (E‑Geld-Inhaber) ausgibt.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point34">34</a>      Vorbehaltlich der Prüfung durch das vorlegende Gericht steht ein Dienst wie der Dienst II ebenfalls direkt mit der Ausgabe von E‑Geld in Verbindung, da der Transfer der Geldbeträge automatisch und im Rahmen eines einzigen Zahlungsvorgangs die Ausgabe von E‑Geld auslöst. Der Transfer der Geldbeträge steht somit mit der Ausgabe von E‑Geld in Verbindung.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point35">35</a>      Angesichts des Vorstehenden ist auf die vorgelegte Frage zu antworten, dass Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2009/110 dahin auszulegen ist, dass von E‑Geld-Instituten im Rahmen von Zahlungsvorgängen erbrachte Dienste wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden mit der Ausgabe von E‑Geld in Verbindung stehende Tätigkeiten im Sinne dieser Bestimmung darstellen, wenn diese Dienste die Ausgabe oder den Rücktausch von E‑Geld im Rahmen eines einzigen Zahlungsvorgangs auslösen.</p>
<p class="C04Titre1"> <b>Kosten</b>
</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point36">36</a>      Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.</p>
<p class="C41DispositifIntroduction">Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:</p>
<p class="C30Dispositifalinea">
<b>Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2009/110/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über die Aufnahme, Ausübung und Beaufsichtigung der Tätigkeit von E</b>‑<b>Geld-Instituten, zur Änderung der Richtlinien 2005/60/EG und 2006/48/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 2000/46/EG ist dahin auszulegen, dass von E</b>‑<b>Geld-Instituten im Rahmen von Zahlungsvorgängen erbrachte Dienste wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden mit der Ausgabe von E</b>‑<b>Geld in Verbindung stehende Tätigkeiten im Sinne dieser Bestimmung darstellen, wenn diese Dienste die Ausgabe oder den Rücktausch von E</b>‑<b>Geld im Rahmen eines einzigen Zahlungsvorgangs auslösen.</b>
</p>
<p class="C77Signatures">Unterschriften</p>
<hr/>
<p class="C42FootnoteLangue">
<a href="#Footref*" name="Footnote*">*</a>      Verfahrenssprache: Litauisch.</p>
|
175,046 | eugh-2019-01-16-c-49617 | {
"id": 2,
"name": "Europäischer Gerichtshof",
"slug": "eugh",
"city": null,
"state": 19,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": null
} | C-496/17 | 2019-01-16T00:00:00 | 2019-01-31T19:21:00 | 2019-01-31T19:21:00 | Urteil | ECLI:EU:C:2019:26 | <p class="sum-title-1">
<a id="judgment"/>URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)</p>
<p class="sum-title-1">16. Januar 2019 (<span class="note">
<a id="c-ECR_62017CJ0496_DE_01-E0001" href="#t-ECR_62017CJ0496_DE_01-E0001">*1</a>
</span>)</p>
<p class="index">„Vorlage zur Vorabentscheidung – Zollunion – Zollkodex der Union – Art. 39 – Status eines zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten – Durchführungsverordnung (EU) 2015/2447 – Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 2 – Antragsteller, der keine natürliche Person ist – Fragenkatalog – Erhebung personenbezogener Daten – Richtlinie 95/46/EG – Art. 6 und 7 – Verordnung (EU) 2016/679 – Art. 5 und 6 – Verarbeitung personenbezogener Daten“</p>
<p class="normal">In der Rechtssache C‑496/17</p>
<p class="normal">betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Finanzgericht Düsseldorf (Deutschland) mit Entscheidung vom 9. August 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 17. August 2017, in dem Verfahren</p>
<p class="normal">
<span class="bold">Deutsche Post AG</span>
</p>
<p class="pnormal">gegen</p>
<p class="normal">
<span class="bold">Hauptzollamt Köln</span>
</p>
<p class="normal">erlässt</p>
<p class="normal">DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)</p>
<p class="normal">unter Mitwirkung des Präsidenten der Vierten Kammer M. Vilaras (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Dritten Kammer sowie der Richter J. Malenovský, L. Bay Larsen, M. Safjan und D. Šváby,</p>
<p class="normal">Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,</p>
<p class="normal">Kanzler: R. Şereş, Verwaltungsrätin,</p>
<p class="normal">aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 5. Juli 2018,</p>
<p class="normal">unter Berücksichtigung der Erklärungen</p>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">–</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">der Deutschen Post AG, vertreten durch Rechtsanwalt U. Möllenhoff,</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">–</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">des Hauptzollamts Köln, vertreten durch W. Liebe, M. Greve-Giesow und M. Hageroth als Bevollmächtigte,</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">–</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">der spanischen Regierung, vertreten durch S. Jiménez García und V. Ester Casas als Bevollmächtigte,</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">–</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von G. Albenzio, avvocato dello Stato,</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">–</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Z. Fehér, G. Koós und R. Kissné Berta als Bevollmächtigte,</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">–</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">der Europäischen Kommission, vertreten durch B.‑R. Killmann und F. Clotuche-Duvieusart als Bevollmächtigte,</p>
</td>
</tr>
</table>
<p class="normal">nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 17. Oktober 2018</p>
<p class="normal">folgendes</p>
<p class="sum-title-1">
<span class="bold">Urteil</span>
</p>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point1">1</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 2 der Durchführungsverordnung (EU) 2015/2447 der Kommission vom 24. November 2015 mit Einzelheiten zur Umsetzung von Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Union (<a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=OJ:L:2015:343:TOC" hreflang="de" target="CourtTab">ABl. 2015, L 343, S. 558</a>).</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point2">2</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Deutschen Post AG und dem Hauptzollamt Köln (Deutschland) (im Folgenden: Hauptzollamt) über die Art und den Umfang der personenbezogenen Daten Dritter, die vorzulegen sind, damit einem Unternehmen der in Art. 39 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (<a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=OJ:L:2013:269:TOC" hreflang="de" target="CourtTab">ABl. 2013, L 269, S. 1</a>, im Folgenden: Zollkodex) vorgesehene Status eines zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten bewilligt werden kann.</p>
</td>
</tr>
</table>
<p class="sum-title-1">
<span class="bold">Rechtlicher Rahmen</span>
</p>
<p class="title-grseq-2">
<span class="bold">
<span class="italic">Unionsrecht</span>
</span>
</p>
<p class="title-grseq-3">
<span class="italic">Zollrechtliche Vorschriften</span>
</p>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point3">3</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Titel I des Zollkodex enthält in Kapitel 2 („Rechte und Pflichten von Personen nach den zollrechtlichen Vorschriften“) einen Abschnitt 4 („Zugelassener Wirtschaftsbeteiligter“, im Folgenden: AEO), zu dem die Art. 38 bis 41 gehören.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point4">4</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Art. 38 des Zollkodex sieht vor:</p>
<p class="normal">„(1)   Ein im Zollgebiet der Union ansässiger Wirtschaftsbeteiligter, der die Kriterien des Artikels 39 erfüllt, kann beantragen, dass ihm der Status eines [AEO] bewilligt wird.</p>
<p class="normal">Die Zollbehörden bewilligen, gegebenenfalls nach Rücksprache mit den anderen zuständigen Behörden, diesen Status, der einer Überwachung unterliegt.</p>
<p class="normal">(2)   Der Status eines [AEO] besteht aus den folgenden Arten von Bewilligungen:</p>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">a)</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">der eines [AEO] für zollrechtliche Vereinfachungen, durch die dem Inhaber bestimmte Vereinfachungen nach den zollrechtlichen Vorschriften gewährt werden, oder</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">b)</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">der eines [AEO] für Sicherheit, durch die dem Inhaber sicherheitsrelevante Erleichterungen gewährt werden.</p>
</td>
</tr>
</table>
<p class="normal">…</p>
<p class="normal">(5)   Sofern die in den zollrechtlichen Vorschriften vorgesehenen Voraussetzungen für eine bestimmte Art der Vereinfachung erfüllt sind, bewilligen die Zollbehörden dem [AEO] für zollrechtliche Vereinfachungen aufgrund der Anerkennung seines Status die Inanspruchnahme dieser Vereinfachung. Die Kriterien, die bei der Bewilligung des Status eines [AEO] bereits geprüft wurden, werden nicht erneut von den Zollbehörden geprüft.</p>
<p class="normal">(6)   Der [AEO] gemäß Absatz 2 genießt gegenüber anderen Wirtschaftsbeteiligten je nach Art der Bewilligung Begünstigungen in Bezug auf Zollkontrollen, dies schließt ein, dass weniger häufig eine Prüfung von Waren oder Unterlagen vorgenommen wird.</p>
<p class="normal">…“</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point5">5</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Art. 39 des Zollkodex bestimmt:</p>
<p class="normal">„Für die Bewilligung des Status eines [AEO] sind folgende Voraussetzungen zu erfüllen:</p>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">a)</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Der Antragsteller darf keine schwerwiegenden oder wiederholten Verstöße gegen die zoll- oder steuerrechtlichen Vorschriften und keine schweren Straftaten im Rahmen seiner Wirtschaftstätigkeit begangen haben,</p>
</td>
</tr>
</table>
<p class="normal">…“</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point6">6</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Art. 41 Abs. 1 des Zollkodex lautet:</p>
<p class="normal">„Die Kommission erlässt im Wege von Durchführungsrechtsakten die Einzelheiten der Anwendung der Voraussetzungen gemäß Artikel 39.“</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point7">7</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Titel I der Durchführungsverordnung 2015/2447 enthält in Kapitel 2 („Rechte und Pflichten in Bezug auf die zollrechtlichen Vorschriften“) einen Abschnitt 3 („Zugelassener Wirtschaftsbeteiligter [AEO]“), zu dem die Art. 24 bis 35 gehören.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point8">8</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 2 dieser Verordnung lautet:</p>
<p class="normal">„Ist der Antragsteller keine natürliche Person, gilt die Voraussetzung des Artikels 39 Buchstabe a des Zollkodex als erfüllt, wenn keine der folgenden Personen in den letzten drei Jahren einen schwerwiegenden Verstoß oder wiederholte Verstöße gegen die zoll- oder steuerrechtlichen Vorschriften oder eine schwere Straftat im Rahmen ihrer Wirtschaftstätigkeit begangen hat:</p>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">a)</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">der Antragsteller;</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">b)</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">die Person, die für das antragstellende Unternehmen verantwortlich ist oder die Kontrolle über seine Leitung ausübt;</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">c)</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">der Beschäftigte des Antragstellers, der für dessen Zollangelegenheiten zuständig ist.“</p>
</td>
</tr>
</table>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point9">9</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Der neunte Erwägungsgrund der Delegierten Verordnung (EU) 2016/341 der Kommission vom 17. Dezember 2015 zur Ergänzung der Verordnung Nr. 952/2013 hinsichtlich der Übergangsbestimmungen für bestimmte Vorschriften des Zollkodex der Union, für den Fall, dass die entsprechenden elektronischen Systeme noch nicht betriebsbereit sind, und zur Änderung der Delegierten Verordnung (EU) 2015/2446 (<a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=OJ:L:2016:069:TOC" hreflang="de" target="CourtTab">ABl. 2016, L 69, S. 1</a>) lautet:</p>
<p class="normal">„Da das elektronische System, das für die Anwendung der Bestimmungen des Zollkodex über die Beantragung und die Bewilligung des Status eines [AEO] erforderlich ist, noch verbessert werden muss, müssen die derzeit verwendeten Mittel in Papierform und in elektronischer Form bis zu dieser Verbesserung weiter verwendet werden.“</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point10">10</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Art. 1 dieser Verordnung bestimmt:</p>
<p class="normal">„1.   Diese Verordnung enthält Übergangsmaßnahmen für die Mittel zum Austausch und zur Speicherung von Daten gemäß Artikel 278 des Zollkodex, bis die elektronischen Systeme, die für die Anwendung der Bestimmungen des Zollkodex erforderlich sind, in Betrieb sind.</p>
<p class="normal">2.   Die Datenanforderungen, Formate und Codes, die während der Übergangszeiträume gemäß der vorliegenden Verordnung, der Delegierten Verordnung (EU) 2015/2446 [der Kommission vom 28. Juli 2015 zur Ergänzung der Verordnung Nr. 952/2013 mit Einzelheiten zur Präzisierung von Bestimmungen des Zollkodex der Union (<a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=OJ:L:2015:343:TOC" hreflang="de" target="CourtTab">ABl. 2015, L 343, S. 1</a>)] und der Durchführungsverordnung … 2015/2447 anzuwenden sind, sind in den Anhängen der vorliegenden Verordnung festgelegt.“</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point11">11</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Die Delegierte Verordnung 2016/341 enthält in Kapitel 1 („Allgemeine Bestimmungen“) einen Abschnitt 3 („Beantragung des Status eines AEO“), in dem Art. 5 vorsieht:</p>
<p class="normal">„1.   Die Zollbehörden können erlauben, dass bis zum Zeitpunkt der Anpassung des AEO-Systems gemäß dem Anhang des Durchführungsbeschlusses 2014/255/EU [der Kommission vom 29. April 2014 zur Erstellung des Arbeitsprogramms zum Zollkodex der Union (<a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=OJ:L:2014:134:TOC" hreflang="de" target="CourtTab">ABl. 2014, L 134, S. 46</a>)] andere Mittel als die der elektronischen Datenverarbeitung für Anträge und Entscheidungen in Bezug auf AEO und für alle nachfolgenden Ereignisse, die den ursprünglichen Antrag oder die ursprüngliche Entscheidung betreffen können, verwendet werden.</p>
<p class="normal">2.   In den in Absatz 1 genannten Fällen gilt Folgendes:</p>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">a)</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Der Status eines AEO wird unter Verwendung des Formats des Formulars in Anhang 6 beantragt; und</p>
</td>
</tr>
</table>
<p class="normal">…“</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point12">12</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Anhang 6 dieser Verordnung enthält einen Abschnitt mit dem Titel „Erläuterungen“. In Nr. 19 dieser Erläuterungen, die Name, Datum und Unterschrift des Antragstellers betrifft, heißt es:</p>
<p class="normal">„…</p>
<p class="normal">Zahl der Anlagen: Der Antragsteller muss die folgenden allgemeinen Auskünfte erteilen:</p>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">1.</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Angaben über die Haupteigentümer/‑anteilseigner mit Name, Anschrift und Beteiligungsanteil. Angaben über die Vorstandsmitglieder. Sind die Eigentümer bei den Zollbehörden wegen eines früheren Verstoßes gegen die Zollvorschriften bekannt?</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">2.</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Person, die in der Verwaltung des Antragstellers für Zollangelegenheiten verantwortlich ist.</p>
</td>
</tr>
</table>
<p class="normal">…</p>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">8.</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Namen der wichtigsten Führungskräfte (Geschäftsführende Direktoren, Abteilungsleiter, Leiter der Buchhaltung, Leiter der Zollabteilung usw.). Beschreibung der Vertretungsregelung für den Fall, dass der zuständige Mitarbeiter vorübergehend oder längerfristig nicht anwesend ist.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">9.</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Namen und Position der Mitarbeiter innerhalb der Organisation des Antragstellers, die Zollangelegenheiten bearbeiten. Bewertung des Kenntnisstands dieser Personen in Bezug auf Zollfachwissen und Anwendung der Informationstechnologie bei Zoll- und Geschäftsvorgängen und in allgemeinen Geschäftsangelegenheiten.</p>
</td>
</tr>
</table>
<p class="normal">…“</p>
</td>
</tr>
</table>
<p class="title-grseq-3">
<span class="italic">Recht auf Schutz personenbezogener Daten</span>
</p>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point13">13</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Art. 2 der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (<a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=OJ:L:1995:281:TOC" hreflang="de" target="CourtTab">ABl. 1995, L 281, S. 31</a>) sah vor:</p>
<p class="normal">„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck</p>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">a)</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">‚personenbezogene Daten‘ alle Informationen über eine bestimmte oder bestimmbare natürliche Person (‚betroffene Person‘); als bestimmbar wird eine Person angesehen, die direkt oder indirekt identifiziert werden kann, insbesondere durch Zuordnung zu einer Kennnummer oder zu einem oder mehreren spezifischen Elementen, die Ausdruck ihrer physischen, physiologischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität sind;</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">b)</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">‚Verarbeitung personenbezogener Daten‘ (‚Verarbeitung‘) jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang oder jede Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Speichern, die Organisation, die Aufbewahrung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Benutzung, die Weitergabe durch Übermittlung, Verbreitung oder jede andere Form der Bereitstellung, die Kombination oder die Verknüpfung sowie das Sperren, Löschen oder Vernichten;</p>
</td>
</tr>
</table>
<p class="normal">…“</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point14">14</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Art. 6 dieser Richtlinie lautete auszugsweise:</p>
<p class="normal">„(1)   Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass personenbezogene Daten</p>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">a)</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">nach Treu und Glauben und auf rechtmäßige Weise verarbeitet werden;</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">b)</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">für festgelegte eindeutige und rechtmäßige Zwecke erhoben und nicht in einer mit diesen Zweckbestimmungen nicht zu vereinbarenden Weise weiterverarbeitet werden. …</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">c)</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">den Zwecken entsprechen, für die sie erhoben und/oder weiterverarbeitet werden, dafür erheblich sind und nicht darüber hinausgehen;</p>
</td>
</tr>
</table>
<p class="normal">…</p>
<p class="normal">(2)   Der für die Verarbeitung Verantwortliche hat für die Einhaltung der Bestimmungen des Absatzes 1 zu sorgen.“</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point15">15</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">In Art. 7 der Richtlinie hieß es:</p>
<p class="normal">„Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten lediglich erfolgen darf, wenn eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist:</p>
<p class="normal">…</p>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">c)</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">die Verarbeitung ist für die Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich, der der für die Verarbeitung Verantwortliche unterliegt;</p>
</td>
</tr>
</table>
<p class="normal">…“</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point16">16</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Die Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (<a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=OJ:L:2016:119:TOC" hreflang="de" target="CourtTab">ABl. 2016, L 119, S. 1</a>) trat am 24. Mai 2016 in Kraft. Durch sie wurde die Richtlinie 95/46 mit Wirkung vom 25. Mai 2018 aufgehoben.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point17">17</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Art. 4 dieser Verordnung enthält u. a. folgende Begriffsbestimmungen:</p>
<p class="normal">„Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck:</p>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">1.</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">‚personenbezogene Daten‘ alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person (im Folgenden ‚betroffene Person‘) beziehen; als identifizierbar wird eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind, identifiziert werden kann;</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">2.</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">‚Verarbeitung‘ jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, den Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung;</p>
</td>
</tr>
</table>
<p class="normal">…“</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point18">18</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Art. 5 („Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten“) der Verordnung sieht vor:</p>
<p class="normal">„(1)   Personenbezogene Daten müssen</p>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">a)</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">auf rechtmäßige Weise, nach Treu und Glauben und in einer für die betroffene Person nachvollziehbaren Weise verarbeitet werden (‚Rechtmäßigkeit, Verarbeitung nach Treu und Glauben, Transparenz‘);</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">b)</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">für festgelegte, eindeutige und legitime Zwecke erhoben werden und dürfen nicht in einer mit diesen Zwecken nicht zu vereinbarenden Weise weiterverarbeitet werden; …</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">c)</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">dem Zweck angemessen und erheblich sowie auf das für die Zwecke der Verarbeitung notwendige Maß beschränkt sein (‚Datenminimierung‘);</p>
</td>
</tr>
</table>
<p class="normal">…</p>
<p class="normal">(2)   Der Verantwortliche ist für die Einhaltung des Absatzes 1 verantwortlich und muss dessen Einhaltung nachweisen können (‚Rechenschaftspflicht‘).“</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point19">19</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Art. 6 („Rechtmäßigkeit der Verarbeitung“) der Verordnung bestimmt:</p>
<p class="normal">„(1)   Die Verarbeitung ist nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der nachstehenden Bedingungen erfüllt ist:</p>
<p class="normal">…</p>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">c)</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">die Verarbeitung ist zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich, der der Verantwortliche unterliegt;</p>
</td>
</tr>
</table>
<p class="normal">…</p>
<p class="normal">(3)   Die Rechtsgrundlage für die Verarbeitungen gemäß Absatz 1 Buchstaben c und e wird festgelegt durch</p>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">a)</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Unionsrecht oder</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">b)</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">das Recht der Mitgliedstaaten, dem der Verantwortliche unterliegt.</p>
</td>
</tr>
</table>
<p class="normal">Der Zweck der Verarbeitung muss in dieser Rechtsgrundlage festgelegt … sein … Diese Rechtsgrundlage kann spezifische Bestimmungen zur Anpassung der Anwendung der Vorschriften dieser Verordnung enthalten, unter anderem Bestimmungen darüber, welche allgemeinen Bedingungen für die Regelung der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung durch den Verantwortlichen gelten, welche Arten von Daten verarbeitet werden, welche Personen betroffen sind, an welche Einrichtungen und für welche Zwecke die personenbezogenen Daten offengelegt werden dürfen, welcher Zweckbindung sie unterliegen, wie lange sie gespeichert werden dürfen und welche Verarbeitungsvorgänge und ‑verfahren angewandt werden dürfen, einschließlich Maßnahmen zur Gewährleistung einer rechtmäßig und nach Treu und Glauben erfolgenden Verarbeitung, wie solche für sonstige besondere Verarbeitungssituationen gemäß Kapitel IX. Das Unionsrecht oder das Recht der Mitgliedstaaten [muss] ein im öffentlichen Interesse liegendes Ziel verfolgen und in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten legitimen Zweck stehen.</p>
<p class="normal">…“</p>
</td>
</tr>
</table>
<p class="title-grseq-2">
<span class="bold">
<span class="italic">Deutsches Recht</span>
</span>
</p>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point20">20</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">§ 139a Abs. 1 der Abgabenordnung (im Folgenden: AO) sieht in der auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung vor:</p>
<p class="normal">„Das Bundeszentralamt für Steuern teilt jedem Steuerpflichtigen zum Zwecke der eindeutigen Identifizierung in Besteuerungsverfahren ein einheitliches und dauerhaftes Merkmal (Identifikationsmerkmal) zu; das Identifikationsmerkmal ist vom Steuerpflichtigen oder von einem Dritten, der Daten dieses Steuerpflichtigen an die Finanzbehörden zu übermitteln hat, bei Anträgen, Erklärungen oder Mitteilungen gegenüber Finanzbehörden anzugeben. Es besteht aus einer Ziffernfolge, die nicht aus anderen Daten über den Steuerpflichtigen gebildet oder abgeleitet werden darf; die letzte Stelle ist eine Prüfziffer. …“</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point21">21</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">§ 139b („Identifikationsnummer“) AO bestimmt:</p>
<p class="normal">„(1)   Eine natürliche Person darf nicht mehr als eine Identifikationsnummer erhalten. …</p>
<p class="normal">(2)   Die Finanzbehörden dürfen die Identifikationsnummer nur erheben und verwenden, soweit dies zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben erforderlich ist oder eine Rechtsvorschrift die Erhebung oder Verwendung der Identifikationsnummer ausdrücklich erlaubt oder anordnet. Andere öffentliche oder nicht öffentliche Stellen dürfen</p>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">1.</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">die Identifikationsnummer nur erheben oder verwenden, soweit dies für Datenübermittlungen zwischen ihnen und den Finanzbehörden erforderlich ist oder eine Rechtsvorschrift die Erhebung oder Verwendung der Identifikationsnummer ausdrücklich erlaubt oder anordnet, …</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">3.</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">eine rechtmäßig erhobene Identifikationsnummer eines Steuerpflichtigen zur Erfüllung aller Mitteilungspflichten gegenüber Finanzbehörden verwenden, soweit die Mitteilungspflicht denselben Steuerpflichtigen betrifft und die Erhebung und Verwendung nach Nummer 1 zulässig wäre,</p>
</td>
</tr>
</table>
<p class="normal">…“</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point22">22</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">In § 38 Abs. 1 und 3 des Einkommensteuergesetzes (im Folgenden: EStG) heißt es in der auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung:</p>
<p class="normal">„(1)   Bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit wird die Einkommensteuer durch Abzug vom Arbeitslohn erhoben (Lohnsteuer), soweit der Arbeitslohn von einem Arbeitgeber gezahlt wird …</p>
<p class="normal">…</p>
<p class="normal">(3)   Der Arbeitgeber hat die Lohnsteuer für Rechnung des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn einzubehalten. …“</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point23">23</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Nach § 39 („Lohnsteuerabzugsmerkmale“) Abs. 1 EStG gilt:</p>
<p class="normal">„Für die Durchführung des Lohnsteuerabzugs werden auf Veranlassung des Arbeitnehmers Lohnsteuerabzugsmerkmale gebildet …“</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point24">24</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">§ 39e („Verfahren zur Bildung und Anwendung der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale“) EStG besagt:</p>
<p class="normal">„(1)   Das Bundeszentralamt für Steuern bildet für jeden Arbeitnehmer grundsätzlich automatisiert die Steuerklasse und für die bei den Steuerklassen I bis IV zu berücksichtigenden Kinder die Zahl der Kinderfreibeträge … als Lohnsteuerabzugsmerkmale (§ 39 Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 und 2) … Soweit das Finanzamt Lohnsteuerabzugsmerkmale nach § 39 bildet, teilt es sie dem Bundeszentralamt für Steuern zum Zweck der Bereitstellung für den automatisierten Abruf durch den Arbeitgeber mit. …</p>
<p class="normal">(2)   Das Bundeszentralamt für Steuern speichert zum Zweck der Bereitstellung automatisiert abrufbarer Lohnsteuerabzugsmerkmale für den Arbeitgeber die Lohnsteuerabzugsmerkmale unter Angabe der Identifikationsnummer sowie für jeden Steuerpflichtigen folgende Daten zu den in § 139b Absatz 3 [AO] genannten Daten hinzu:</p>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">1.</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">rechtliche Zugehörigkeit zu einer steuererhebenden Religionsgemeinschaft sowie Datum des Eintritts und Austritts,</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">2.</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">melderechtlichen Familienstand sowie den Tag der Begründung oder Auflösung des Familienstands und bei Verheirateten die Identifikationsnummer des Ehegatten,</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">3.</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Kinder mit ihrer Identifikationsnummer.</p>
</td>
</tr>
</table>
<p class="normal">…</p>
<p class="normal">(4)   Der Arbeitnehmer hat jedem seiner Arbeitgeber bei Eintritt in das Dienstverhältnis zum Zweck des Abrufs der Lohnsteuerabzugsmerkmale mitzuteilen,</p>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">1.</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">wie die Identifikationsnummer sowie der Tag der Geburt lauten,</p>
</td>
</tr>
</table>
<p class="normal">…</p>
<p class="normal">Der Arbeitgeber hat bei Beginn des Dienstverhältnisses die elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale für den Arbeitnehmer beim Bundeszentralamt für Steuern durch Datenfernübertragung abzurufen und sie in das Lohnkonto für den Arbeitnehmer zu übernehmen. …“</p>
</td>
</tr>
</table>
<p class="sum-title-1">
<span class="bold">Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage</span>
</p>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point25">25</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Die Deutsche Post war Inhaberin des Status eines zugelassenen Empfängers, des Status eines zugelassenen Versenders sowie einer Bewilligung der Inanspruchnahme einer Gesamtbürgschaft, woraus sich Vereinfachungen im Rahmen des zollrechtlichen Systems der Union ergaben.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point26">26</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Nachdem durch den Zollkodex die individuellen Voraussetzungen für die Erteilung zollrechtlicher Bewilligungen geändert worden waren, forderte das Hauptzollamt die Deutsche Post mit Schreiben vom 19. April 2017 auf, einen Fragenkatalog zur Selbstbewertung zu beantworten. Darin sollte sie die Mitglieder von Beiräten und Aufsichtsräten, ihre wichtigsten Führungskräfte (geschäftsführende Direktoren, Abteilungsleiter, Leiter der Buchhaltung, Leiter der Zollabteilung usw.) und die für die Organisation der Zollangelegenheiten verantwortlichen Personen oder die Personen, die Zollangelegenheiten bearbeiten, genau benennen und dabei für jede dieser natürlichen Personen u. a. die Steueridentifikationsnummer und das zuständige Finanzamt angeben.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point27">27</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Das Hauptzollamt wies die Deutsche Post darauf hin, dass ohne die erforderlichen Mitwirkungshandlungen die Feststellung der Bewilligungsvoraussetzungen nach dem Zollkodex nicht möglich sei. Falls die Mitwirkung unterbleibe oder diese Voraussetzungen nicht mehr vorlägen, werde es die der Deutschen Post erteilten Bewilligungen widerrufen.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point28">28</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Mit ihrer Klage vor dem vorlegenden Gericht, dem Finanzgericht Düsseldorf (Deutschland), macht die Deutsche Post geltend, sie sei nicht verpflichtet, dem Hauptzollamt die Steueridentifikationsnummern der betreffenden Personen mitzuteilen und die für sie zuständigen Finanzämter zu benennen.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point29">29</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Der Kreis der in ihrem Unternehmen von den Fragen des Hauptzollamts betroffenen Personen sei sehr groß, und ein Teil von ihnen sei nicht bereit, der Weitergabe sie betreffender personenbezogener Daten zuzustimmen. Dieser Personenkreis gehe über den Kreis der in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 2 der Durchführungsverordnung 2015/2447 genannten Personen hinaus. Zudem seien die einkommensteuerlichen Verhältnisse ihrer Arbeitnehmer für die Beurteilung der Frage, ob schwerwiegende oder wiederholte Verstöße gegen zoll- oder steuerrechtliche Vorschriften oder schwere Straftaten im Rahmen ihrer Wirtschaftstätigkeit begangen worden seien, unerheblich. Die Erhebung der Steueridentifikationsnummern sei zur Feststellung ihrer zollrechtlichen Zuverlässigkeit weder erforderlich noch geeignet. Überdies sei es im Hinblick auf dieses Ziel unverhältnismäßig, die persönliche steuerliche Situation sämtlicher betroffener Personen zu überprüfen.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point30">30</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Das Hauptzollamt beantragt, die Klage abzuweisen. Es macht in erster Linie geltend, die Übermittlung der Steueridentifikationsnummern sei erforderlich, damit die betreffenden Personen eindeutig identifiziert werden könnten, wenn es das zuständige Finanzamt um Auskunft ersuche. Ein Austausch von Informationen sei nur vorgesehen, wenn dem Finanzamt im Einzelfall Erkenntnisse über schwere oder wiederholte Verstöße gegen steuerrechtliche Vorschriften vorlägen, wobei eingestellte Straf- oder Bußgeldverfahren nicht berücksichtigt würden. Wiederholte Verstöße gegen diese Vorschriften würden nur bei einer Häufung berücksichtigt, die in keinem angemessenen Verhältnis zu Art und Umfang der Geschäftstätigkeit des Antragstellers stehe. Der Kreis der von den Fragen betroffenen Personen stehe im Einklang mit dem Zollrecht der Union.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point31">31</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Das vorlegende Gericht führt aus, die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits hänge davon ab, wie Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 2 der Durchführungsverordnung 2015/2447 auszulegen sei, wobei die Auslegung im Licht von Art. 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie der Verordnung 2016/679 erfolgen müsse, da es sich bei den Steueridentifikationsnummern der betreffenden Personen und der Angabe der für sie zuständigen Finanzämter um personenbezogene Daten handle.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point32">32</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Fraglich sei zum einen, ob die Übermittlung solcher Daten eine nach der Durchführungsverordnung 2015/2447 zulässige Verarbeitung sei. Zum anderen sei zweifelhaft, ob es erforderlich sei, auf die zum Zweck der Erhebung der Einkommensteuer in Gestalt des Lohnsteuerabzugs erhobenen personenbezogenen Daten der Arbeitnehmer und Aufsichtsratsmitglieder der Deutschen Post zurückzugreifen.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point33">33</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Die personenbezogenen Daten dieser Arbeitnehmer stünden in keiner direkten Verbindung zur Beurteilung der zollrechtlichen Zuverlässigkeit der Deutschen Post und hätten keinen Bezug zu deren wirtschaftlicher Tätigkeit.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point34">34</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Es stelle sich die Frage, ob die Zollverwaltung in Anbetracht von Art. 8 Abs. 1 der Grundrechtecharta und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit personenbezogene Daten wie die Steueridentifikationsnummern der betreffenden Personen und die für deren Veranlagung zur Einkommensteuer zuständigen Finanzämter abfragen dürfe. Die Mitglieder des Aufsichtsrats würden in Anhang 6 der Delegierten Verordnung 2016/341 nicht erwähnt und seien, ebenso wie die Abteilungsleiter und die Leiter der Buchhaltung, nicht mit der Bearbeitung zollrechtlicher Fragen befasst.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point35">35</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Unter diesen Umständen hat das Finanzgericht Düsseldorf das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:</p>
<p class="normal">Ist Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 2 der Durchführungsverordnung 2015/2447 dahin auszulegen, dass es der Zollbehörde hiernach gestattet ist, den Antragsteller aufzufordern, die vom deutschen Bundeszentralamt für Steuern für die Erhebung der Einkommensteuer zugeteilten Steueridentifikationsnummern und die für die Veranlagung zur Einkommensteuer zuständigen Finanzämter hinsichtlich der Mitglieder des Aufsichtsrats des Antragstellers und der bei diesem tätigen geschäftsführenden Direktoren, Abteilungsleiter, Leiter der Buchhaltung, Leiter der Zollabteilung sowie der für Zollangelegenheiten verantwortlichen Personen und der Personen, die Zollangelegenheiten bearbeiten, mitzuteilen?</p>
</td>
</tr>
</table>
<p class="sum-title-1">
<span class="bold">Zur Vorlagefrage</span>
</p>
<p class="title-grseq-2">
<span class="bold">
<span class="italic">Vorbemerkungen</span>
</span>
</p>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point36">36</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Mit Ausnahme der Kommission stützen sich die Beteiligten in ihren Ausführungen zur vorgelegten Frage auf die Verordnung 2016/679, auf die auch das vorlegende Gericht Bezug nimmt.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point37">37</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Die Kommission macht insoweit geltend, da sich der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens im April 2017 abgespielt habe, sei bei der Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits die Richtlinie 95/46 anzuwenden.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point38">38</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Da es sich bei der Klage vor dem nationalen Gericht um eine Feststellungsklage handelt, ist nicht ausgeschlossen, dass bei der Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits die Verordnung 2016/679 zeitlich anwendbar ist. In der mündlichen Verhandlung konnte dies nicht geklärt werden.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point39">39</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Daher ist die vorgelegte Frage sowohl anhand der Richtlinie 95/46 als auch anhand der Verordnung 2016/679 zu beantworten.</p>
</td>
</tr>
</table>
<p class="title-grseq-2">
<span class="bold">
<span class="italic">Zur Beantwortung der Frage</span>
</span>
</p>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point40">40</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 2 der Durchführungsverordnung 2015/2447 im Licht der Richtlinie 95/46 und der Verordnung 2016/679 dahin auszulegen ist, dass die Zollbehörden von einem Unternehmen, das die Bewilligung des Status eines AEO beantragt, verlangen können, dass es die für die Erhebung der Einkommensteuer zugeteilten Steueridentifikationsnummern der Mitglieder seines Aufsichtsrats und der bei ihm tätigen geschäftsführenden Direktoren, Abteilungsleiter, Leiter der Buchhaltung und Leiter der Zollabteilung einschließlich der für Zollangelegenheiten verantwortlichen Personen und der Personen, die Zollangelegenheiten bearbeiten, mitteilt sowie für alle diese Personen Angaben zu den zuständigen Finanzämtern macht.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point41">41</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Erstens ist hervorzuheben, dass nach Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 2 der Durchführungsverordnung 2015/2447, wenn der Antragsteller keine natürliche Person ist, die in Art. 39 Buchst. a des Zollkodex aufgestellte Voraussetzung als erfüllt gilt, wenn keine der in der erstgenannten Vorschrift aufgezählten Personen in den letzten drei Jahren einen schwerwiegenden Verstoß oder wiederholte Verstöße gegen die zoll- oder steuerrechtlichen Vorschriften oder eine schwere Straftat im Rahmen ihrer Wirtschaftstätigkeit begangen hat.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point42">42</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Dabei handelt es sich neben dem Antragsteller nur um die Person, die für das antragstellende Unternehmen verantwortlich ist oder die Kontrolle über seine Leitung ausübt, und den Beschäftigten des Antragstellers, der für dessen Zollangelegenheiten zuständig ist. Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist diese Aufzählung offenbar abschließend.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point43">43</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 2 der Durchführungsverordnung 2015/2447 darf daher nicht dahin ausgelegt werden, dass er andere natürliche Personen erfasst als die, die für das antragstellende Unternehmen verantwortlich sind, die Kontrolle über seine Leitung ausüben oder für seine Zollangelegenheiten zuständig sind. Nicht von dieser Vorschrift betroffen sind also die Mitglieder von Beiräten und Aufsichtsräten einer juristischen Person, die Abteilungsleiter – gegebenenfalls mit Ausnahme derjenigen, die für die Zollangelegenheiten des Antragstellers zuständig sind –, die Leiter der Buchhaltung und die Zollsachbearbeiter.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point44">44</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Von den geschäftsführenden Direktoren kann die Erfüllung der in der genannten Vorschrift aufgestellten Anforderungen hingegen verlangt werden, wenn in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens davon auszugehen ist, dass sie für das antragstellende Unternehmen verantwortlich sind oder die Kontrolle über seine Leitung ausüben.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point45">45</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Die Delegierte Verordnung 2016/341 sieht zwar in Nr. 19 der in ihrem Anhang 6 enthaltenen Erläuterungen vor, dass der Antragsteller in den Anlagen zu dem von ihm ausgefüllten Formblatt für den Antrag auf eine AEO-Bewilligung die Namen und Positionen einer größeren Zahl von Mitarbeitern innerhalb seiner Organisation als der in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 2 der Durchführungsverordnung 2015/2447 aufgeführten natürlichen Personen angibt.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point46">46</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Insoweit genügt jedoch die Feststellung, dass die Delegierte Verordnung 2016/341 nicht dahin ausgelegt werden darf, dass sie eine Abweichung von Art. 41 Abs. 1 des Zollkodex bezweckt oder bewirkt, der vorsieht, dass die Kommission im Wege von Durchführungsrechtsakten die Einzelheiten der Anwendung der Voraussetzungen gemäß Art. 39 des Zollkodex erlässt, die zu prüfen sind, um festzustellen, ob einem Antragsteller der Status eines AEO bewilligt werden kann.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point47">47</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Folglich kann die Delegierte Verordnung 2016/341 keinen Einfluss auf den Regelungsumfang von Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 2 der Durchführungsverordnung 2015/2447 haben.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point48">48</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Im Übrigen kann der Umstand, dass nach dieser Vorschrift „die Person“, die für das antragstellende Unternehmen verantwortlich ist oder die Kontrolle über seine Leitung ausübt, und „der Beschäftigte“ des Antragstellers, der für dessen Zollangelegenheiten verantwortlich ist, die darin genannten Erfordernisse einhalten muss, nicht zu der Annahme führen, dass diese Erfordernisse nur eine einzige Person betreffen, die für das antragstellende Unternehmen verantwortlich ist oder die Kontrolle über seine Leitung ausübt, und nur einen einzigen Beschäftigten des Antragstellers, der für dessen Zollangelegenheiten zuständig ist.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point49">49</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Es ist nämlich nicht auszuschließen, dass nach der Organisationsstruktur eines Unternehmens mehrere natürliche Personen gemeinsam für das Unternehmen verantwortlich sind oder gemeinsam die Kontrolle über seine Leitung ausüben und dass mehrere andere natürliche Personen für seine Zollangelegenheiten zuständig sind, etwa in Form einer gebietsmäßigen Aufteilung.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point50">50</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Folglich werden von Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 2 der Durchführungsverordnung 2015/2447 alle natürlichen Personen erfasst, die in der Organisation des antragstellenden Unternehmens für dieses Unternehmen verantwortlich sind oder die Kontrolle über seine Leitung ausüben, sowie alle für dessen Zollangelegenheiten zuständigen Personen.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point51">51</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Zweitens impliziert diese Vorschrift, dass es den Zollbehörden, damit sie einen Antrag auf Bewilligung des AEO-Status bescheiden können, gestattet sein muss, auf die Daten zuzugreifen, anhand deren festgestellt werden kann, dass keine der in der Vorschrift genannten natürlichen Personen einen schwerwiegenden Verstoß oder wiederholte Verstöße gegen die zoll- oder steuerrechtlichen Vorschriften oder eine schwere Straftat im Rahmen ihrer Wirtschaftstätigkeit begangen hat.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point52">52</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Im vorliegenden Fall verlangen die deutschen Zollbehörden, dass ihnen die Steueridentifikationsnummern der in Rn. 50 des vorliegenden Urteils genannten natürlichen Personen mitgeteilt und Angaben zu den für diese Personen zuständigen Finanzämtern gemacht werden.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point53">53</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">In einem solchen Fall müssen, soweit das Vorgehen dieser Behörden eine Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 95/46 bzw. Art. 4 Nr. 2 der Verordnung 2016/679 impliziert, die unionsrechtlichen Vorschriften über den Schutz dieser Daten eingehalten werden.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point54">54</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Diesen Vorschriften liegt der Gedanke zugrunde, dass sich die Achtung des Privatlebens hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Daten auf jede Information erstreckt, die eine bestimmte oder bestimmbare natürliche Person betrifft (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 9. November 2010, Volker und Markus Schecke und Eifert, <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2010%3A662&locale=de" target="CourtTab" type="application/xml;notice=branch" hreflang="de" class="CourtLink">C‑92/09 und C‑93/09</a>, <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2010%3A662&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab" target="CourtTab" type="application/pdf" hreflang="de" class="CourtLink">EU:C:2010:662</a>, Rn. <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2010%3A662&lang=DE&format=html&target=CourtTab&anchor=#point52" target="CourtTab" type="application/xhtml+xml" hreflang="de" class="CourtLink">52</a>, sowie vom 17. Oktober 2013, Schwarz, <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2013%3A670&locale=de" target="CourtTab" type="application/xml;notice=branch" hreflang="de" class="CourtLink">C‑291/12</a>, <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2013%3A670&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab" target="CourtTab" type="application/pdf" hreflang="de" class="CourtLink">EU:C:2013:670</a>, Rn. <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2013%3A670&lang=DE&format=html&target=CourtTab&anchor=#point26" target="CourtTab" type="application/xhtml+xml" hreflang="de" class="CourtLink">26</a>).</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point55">55</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs geht ferner hervor, dass Steuerdaten „personenbezogene Daten“ im Sinne von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 95/46 sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 1. Oktober 2015, Bara u. a., <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2015%3A638&locale=de" target="CourtTab" type="application/xml;notice=branch" hreflang="de" class="CourtLink">C‑201/14</a>, <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2015%3A638&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab" target="CourtTab" type="application/pdf" hreflang="de" class="CourtLink">EU:C:2015:638</a>, Rn. <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2015%3A638&lang=DE&format=html&target=CourtTab&anchor=#point29" target="CourtTab" type="application/xhtml+xml" hreflang="de" class="CourtLink">29</a>, sowie vom 27. September 2017, Puškár, <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2017%3A725&locale=de" target="CourtTab" type="application/xml;notice=branch" hreflang="de" class="CourtLink">C‑73/16</a>, <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2017%3A725&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab" target="CourtTab" type="application/pdf" hreflang="de" class="CourtLink">EU:C:2017:725</a>, Rn. <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2017%3A725&lang=DE&format=html&target=CourtTab&anchor=#point41" target="CourtTab" type="application/xhtml+xml" hreflang="de" class="CourtLink">41</a>).</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point56">56</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Steueridentifikationsnummern stellen schon ihrer Natur nach Steuerdaten dar, die sich auf eine bestimmte oder bestimmbare natürliche Person beziehen, und sind damit personenbezogene Daten. Zudem müssen aufgrund der von den Zollbehörden hergestellten Verknüpfung der Steueridentifikationsnummer einer genau bestimmten Person mit den Informationen über das für diese Person zuständige Finanzamt auch diese Informationen als personenbezogene Daten angesehen werden.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point57">57</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Jede Verarbeitung personenbezogener Daten muss aber mit den in Art. 6 der Richtlinie 95/46 bzw. Art. 5 der Verordnung 2016/679 aufgestellten Grundsätzen in Bezug auf die Qualität der Daten und mit einem der in Art. 7 der Richtlinie bzw. Art. 6 der Verordnung aufgeführten Grundsätze in Bezug auf die Zulässigkeit der Verarbeitung von Daten im Einklang stehen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 20. Mai 2003, Österreichischer Rundfunk u. a., <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2003%3A294&locale=de" target="CourtTab" type="application/xml;notice=branch" hreflang="de" class="CourtLink">C‑465/00, C‑138/01 und C‑139/01</a>, <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2003%3A294&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab" target="CourtTab" type="application/pdf" hreflang="de" class="CourtLink">EU:C:2003:294</a>, Rn. <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2003%3A294&lang=DE&format=html&target=CourtTab&anchor=#point65" target="CourtTab" type="application/xhtml+xml" hreflang="de" class="CourtLink">65</a>, sowie vom 13. Mai 2014, Google Spain und Google, <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2014%3A317&locale=de" target="CourtTab" type="application/xml;notice=branch" hreflang="de" class="CourtLink">C‑131/12</a>, <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2014%3A317&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab" target="CourtTab" type="application/pdf" hreflang="de" class="CourtLink">EU:C:2014:317</a>, Rn. <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2014%3A317&lang=DE&format=html&target=CourtTab&anchor=#point71" target="CourtTab" type="application/xhtml+xml" hreflang="de" class="CourtLink">71</a>).</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point58">58</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Insbesondere müssen personenbezogene Daten nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. b und c der Richtlinie 95/46 bzw. Art. 5 Abs. 1 Buchst. b und c der Verordnung 2016/679 für festgelegte, eindeutige und legitime Zwecke erhoben werden und müssen dem Zweck angemessen und erheblich sowie auf das für die Zwecke der Verarbeitung notwendige Maß beschränkt sein. Ihre Verarbeitung ist nach Art. 7 Buchst. c der Richtlinie bzw. Art. 6 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung rechtmäßig, wenn sie zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich ist, der der Verantwortliche unterliegt.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point59">59</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Zudem ist darauf hinzuweisen, dass das in Art. 6 der Richtlinie 95/46 bzw. Art. 5 der Verordnung 2016/679 vorgesehene Erfordernis der Verarbeitung personenbezogener Daten nach Treu und Glauben die Verpflichtung impliziert, die betroffenen Personen davon zu unterrichten, dass die Zollbehörden diese Daten erheben, um sie anschließend zu verarbeiten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Oktober 2015, Bara u. a., <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2015%3A638&locale=de" target="CourtTab" type="application/xml;notice=branch" hreflang="de" class="CourtLink">C‑201/14</a>, <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2015%3A638&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab" target="CourtTab" type="application/pdf" hreflang="de" class="CourtLink">EU:C:2015:638</a>, Rn. <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2015%3A638&lang=DE&format=html&target=CourtTab&anchor=#point34" target="CourtTab" type="application/xhtml+xml" hreflang="de" class="CourtLink">34</a>).</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point60">60</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">In dem Fall, der Gegenstand des Ausgangsverfahrens ist, wurden die Steueridentifikationsnummern der natürlichen Personen offenbar zunächst von ihrem Arbeitgeber erhoben, um den einkommensteuerrechtlichen Vorschriften Genüge zu tun und insbesondere der Verpflichtung nachzukommen, die anhand der Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit jeder dieser natürlichen Personen berechnete Steuer im Wege des Lohnsteuerabzugs zu erheben.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point61">61</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Die anschließende Erhebung dieser personenbezogenen Daten durch die Zollbehörden zwecks Bescheidung eines Antrags auf Bewilligung des AEO-Status erscheint notwendig, um eine rechtliche Verpflichtung zu erfüllen, der diese Behörden nach Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 2 der Durchführungsverordnung 2015/2447 unterliegen, und um die Voraussetzungen einzuhalten, die darin für die Bewilligung dieses Status aufgestellt werden. Insofern werden diese Daten für festgelegte, eindeutige und legitime Zwecke erhoben und somit verarbeitet.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point62">62</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Dasselbe gilt, soweit die Zollbehörden die Angaben zu den für die einkommensteuerliche Veranlagung dieser natürlichen Personen zuständigen Finanzämter erheben, da eine solche Datenerhebung ebenfalls dem Zweck dient, diesen Behörden die Bescheidung eines Antrags auf Bewilligung des AEO-Status zu ermöglichen.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point63">63</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Allerdings müssen in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens die von den Zollbehörden erhobenen Daten, d. h. die Steueridentifikationsnummern natürlicher Personen und die Angaben zu den für ihre einkommensteuerliche Veranlagung zuständigen Finanzämter, wie aus Rn. 58 des vorliegenden Urteils hervorgeht, dem Zweck angemessen und erheblich sowie auf das für die Zwecke der Erhebung dieser personenbezogenen Daten notwendige Maß beschränkt sein.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point64">64</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Wie der Generalanwalt in Nr. 66 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ist die von den Zollbehörden erteilte Bewilligung des AEO-Status an einen Wirtschaftsbeteiligten in der Sache gleichbedeutend mit einer Delegierung gewisser zollamtlicher Überwachungsaufgaben an ihn. Daher müssen die Zollbehörden, bevor sie diesen Status bewilligen, über Informationen zur zollrechtlichen Zuverlässigkeit des Antragstellers und zur Zuverlässigkeit der in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 2 der Durchführungsverordnung 2015/2447 genannten natürlichen Personen bezüglich der Einhaltung der sie betreffenden zoll- und steuerrechtlichen Vorschriften verfügen.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point65">65</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Folglich stellt die Erhebung der Steueridentifikationsnummern allein der in diesem Artikel genannten natürlichen Personen sowie der Angaben zu den für sie zuständigen Finanzämtern eine Maßnahme dar, die angemessen und erheblich ist, um den Zollbehörden die Prüfung zu ermöglichen, ob von einer dieser Personen einer der in diesem Artikel genannten Verstöße begangen wurde.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point66">66</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Die von den Zollbehörden auf diese Weise erhobenen personenbezogenen Daten sind auch auf das zur Erreichung des Zwecks von Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 2 der Durchführungsverordnung 2015/2447 notwendige Maß beschränkt, da sie begrenzten Umfang haben und für sich genommen den Zollbehörden keine sensiblen Informationen über die persönliche Situation – etwa den Familienstand oder die Religionszugehörigkeit – oder die Einkünfte der betroffenen natürlichen Personen verschaffen.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point67">67</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Die Erhebung der Steueridentifikationsnummern der in diesem Artikel aufgezählten natürlichen Personen sowie der Angaben zu den für sie zuständigen Finanzämtern kann es den Zollbehörden zwar, wie das vorlegende Gericht ausführt, grundsätzlich ermöglichen, auf personenbezogene Daten zuzugreifen, die in keinem Zusammenhang mit der Wirtschaftstätigkeit des Unternehmens stehen, das den AEO-Status beantragt. Die in diesem Artikel genannten Verstöße gegen steuerrechtliche Vorschriften sind jedoch nicht auf solche beschränkt, die im Rahmen der Wirtschaftstätigkeit des antragstellenden Unternehmens begangen wurden.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point68">68</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Insoweit erscheint es gerechtfertigt, dass die Zollbehörden, bevor sie einem Antragsteller diesen Status bewilligen – was, wie aus Rn. 64 des vorliegenden Urteils hervorgeht, einer Delegierung zollamtlicher Aufgaben an ihn gleichkommt –, in der Lage sein müssen, nicht nur zu prüfen, ob er die zollrechtlichen Vorschriften einhält, sondern auch, ob die in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 2 der Durchführungsverordnung 2015/2447 genannten natürlichen Personen angesichts des Umfangs ihrer Verantwortung innerhalb der Organisationsstruktur des Antragstellers ihrerseits einen schwerwiegenden Verstoß oder wiederholte Verstöße gegen die zoll- oder steuerrechtlichen Vorschriften begangen haben, unabhängig davon, ob diese Verstöße im Rahmen der Wirtschaftstätigkeit des Antragstellers begangen wurden oder nicht.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point69">69</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Folglich dürfen die Zollbehörden die Steueridentifikationsnummern der in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 2 der Durchführungsverordnung 2015/2447 abschließend aufgezählten natürlichen Personen sowie die Angaben zu den für sie zuständigen Finanzämtern nur erheben, soweit diese Daten es ihnen ermöglichen, Informationen über schwerwiegende oder wiederholte Verstöße gegen zoll- oder steuerrechtliche Vorschriften oder schwere Straftaten zu erlangen, die von diesen natürlichen Personen im Zusammenhang mit ihrer Wirtschaftstätigkeit begangen wurden.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point70">70</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Nach alledem ist auf die vorgelegte Frage zu antworten, dass Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 2 der Durchführungsverordnung 2015/2447 im Licht der Richtlinie 95/46 und der Verordnung 2016/679 dahin auszulegen ist, dass die Zollbehörden von einem Unternehmen, das die Bewilligung des Status eines AEO beantragt, allein in Bezug auf die natürlichen Personen, die für das antragstellende Unternehmen verantwortlich sind oder die Kontrolle über seine Leitung ausüben, und diejenigen, die für dessen Zollangelegenheiten zuständig sind, verlangen können, dass das Unternehmen die für die Erhebung der Einkommensteuer zugeteilten Steueridentifikationsnummern mitteilt sowie für alle diese Personen Angaben zu den zuständigen Finanzämtern macht, soweit diese Daten es den Zollbehörden ermöglichen, Informationen über schwerwiegende oder wiederholte Verstöße gegen zoll- oder steuerrechtliche Vorschriften oder schwere Straftaten zu erlangen, die von diesen natürlichen Personen im Zusammenhang mit ihrer Wirtschaftstätigkeit begangen wurden.</p>
</td>
</tr>
</table>
<p class="sum-title-1">
<span class="bold">Kosten</span>
</p>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point71">71</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top"> </td>
<td valign="top">
<p class="normal">Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tbody>
<tr>
<td> </td>
<td>
<p class="normal">
<span class="bold">Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 2 der Durchführungsverordnung (EU) 2015/2447 der Kommission vom 24. November 2015 mit Einzelheiten zur Umsetzung von Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Union ist im Licht der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr und der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) dahin auszulegen, dass die Zollbehörden von einem Unternehmen, das die Bewilligung des Status eines zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten beantragt, allein in Bezug auf die natürlichen Personen, die für das antragstellende Unternehmen verantwortlich sind oder die Kontrolle über seine Leitung ausüben, und diejenigen, die für dessen Zollangelegenheiten zuständig sind, verlangen können, dass das Unternehmen die für die Erhebung der Einkommensteuer zugeteilten Steueridentifikationsnummern mitteilt sowie für alle diese Personen Angaben zu den zuständigen Finanzämtern macht, soweit diese Daten es den Zollbehörden ermöglichen, Informationen über schwerwiegende oder wiederholte Verstöße gegen zoll- oder steuerrechtliche Vorschriften oder schwere Straftaten zu erlangen, die von diesen natürlichen Personen im Zusammenhang mit ihrer Wirtschaftstätigkeit begangen wurden.</span>
</p>
</td>
</tr>
</tbody>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tbody>
<tr>
<td> </td>
<td>
<div class="signaturecase">
<div class="signaturecaserow">
<div class="signatory3left">
<p class="normal">Vilaras</p>
</div>
<div class="signatorycenter">
<p class="normal">Malenovský</p>
</div>
<div class="signatory3right">
<p class="normal">Bay Larsen</p>
</div>
</div>
<div class="signaturecaserow">
<div class="signatory2left">
<p class="normal">Safjan</p>
</div>
<div class="signatory2right">
<p class="normal">Šváby</p>
</div>
</div>
<p class="normal">Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 16. Januar 2019.</p>
<div class="signaturecaserow">
<div class="signatory2left">
<p class="normal">Der Kanzler</p>
<p class="normal">A. Calot Escobar</p>
</div>
<div class="signatory2right">
<p class="normal">Der Präsident</p>
<p class="normal">K. Lenaerts</p>
</div>
</div>
</div>
</td>
</tr>
</tbody>
</table>
<hr class="note"/>
<p class="note">(<span class="note">
<a id="t-ECR_62017CJ0496_DE_01-E0001" href="#c-ECR_62017CJ0496_DE_01-E0001">*1</a>
</span>) Verfahrenssprache: Deutsch.</p>
|
175,045 | eugh-2019-01-16-c-38617 | {
"id": 2,
"name": "Europäischer Gerichtshof",
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"state": 19,
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} | C-386/17 | 2019-01-16T00:00:00 | 2019-01-31T19:21:00 | 2019-01-31T19:21:00 | Urteil | ECLI:EU:C:2019:24 | <p>Vorläufige Fassung</p>
<p class="C19Centre">URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)</p>
<p class="C19Centre">16. Januar 2019(<a href="#Footnote*" name="Footref*">*</a>)</p>
<p class="C71Indicateur">„Vorlage zur Vorabentscheidung – Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – Gerichtliche Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Unterhaltssachen – Verordnung (EG) Nr. 44/2001 – Art. 5 Nr. 2 – Art. 27 – Art. 35 Abs. 3 – Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung – Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 – Art. 19 – Rechtshängigkeit – Art. 22 Buchst. a – Art. 23 Buchst. a – Nichtanerkennung einer Entscheidung im Fall einer offensichtlichen Unvereinbarkeit mit der öffentlichen Ordnung – Art. 24 – Verbot der Nachprüfung der Zuständigkeit des Gerichts des Ursprungsmitgliedstaats – Auf einen Verstoß gegen die Rechtshängigkeitsregeln gestützter Grund für die Nichtanerkennung – Fehlen“</p>
<p class="C02AlineaAltA">In der Rechtssache C‑386/17</p>
<p class="C02AlineaAltA">betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Corte suprema di cassazione (Kassationsgerichtshof, Italien) mit Entscheidung vom 26. Oktober 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 27. Juni 2017, in dem Verfahren</p>
<p class="C02AlineaAltA">
<b>Stefano Liberato</b>
</p>
<p class="C02AlineaAltA">gegen</p>
<p class="C02AlineaAltA">
<b>Luminita Luisa Grigorescu</b>
</p>
<p class="C02AlineaAltA">erlässt</p>
<p class="C19Centre">DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)</p>
<p class="C02AlineaAltA">unter Mitwirkung der Vizepräsidentin R. Silva de Lapuerta in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Ersten Kammer sowie der Richter J.‑C. Bonichot, A. Arabadjiev, E. Regan und C. G. Fernlund (Berichterstatter),</p>
<p class="C02AlineaAltA">Generalanwalt: Y. Bot,</p>
<p class="C02AlineaAltA">Kanzler: A. Calot Escobar,</p>
<p class="C02AlineaAltA">aufgrund des schriftlichen Verfahrens,</p>
<p class="C02AlineaAltA">unter Berücksichtigung der Erklärungen</p>
<p class="C03Tiretlong">–        von Herrn Liberato, vertreten durch F. Ongaro und A. Castellani, avvocati,</p>
<p class="C03Tiretlong">–        der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von P. Pucciariello, avvocato dello Stato,</p>
<p class="C03Tiretlong">–        der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek, J. Vláčil und A. Kasalická als Bevollmächtigte,</p>
<p class="C03Tiretlong">–        der Europäischen Kommission, vertreten durch E. Montaguti und M. Wilderspin als Bevollmächtigte,</p>
<p class="C02AlineaAltA">nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 6. September 2018</p>
<p class="C02AlineaAltA">folgendes</p>
<p class="C75Debutdesmotifs">
<b>Urteil</b>
</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point1">1</a>        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 (ABl. 2003, L 338, S. 1).</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point2">2</a>        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Stefano Liberato und Frau Luminita Luisa Grigorescu über einen Antrag auf Anerkennung einer in Rumänien ergangenen Entscheidung in Ehesachen, über die elterliche Verantwortung und in Unterhaltssachen in Italien.</p>
<p class="C04Titre1"> <b>Rechtlicher Rahmen</b>
</p>
<p class="C05Titre2"> <b>Unionsrecht</b>
</p>
<p class="C06Titre3"> <i>Verordnung Nr. 2201/2003</i>
</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point3">3</a>        Die Erwägungsgründe 11 und 21 der Verordnung Nr. 2201/2003 lauten:</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">„(11)Unterhaltspflichten sind vom Anwendungsbereich dieser Verordnung ausgenommen, da sie bereits durch die Verordnung [(EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1)] geregelt werden. Die nach dieser Verordnung zuständigen Gerichte werden in Anwendung des Artikels 5 [Nr.] 2 der Verordnung [Nr. 44/2001] in der Regel für Entscheidungen in Unterhaltssachen zuständig sein.</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">…</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">(21) Die Anerkennung und Vollstreckung der in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen sollten auf dem Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens beruhen und die Gründe für die Nichtanerkennung auf das notwendige Minimum beschränkt sein.“ </p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point4">4</a>        Art. 12 („Vereinbarung über die Zuständigkeit“) Abs. 1 der Verordnung Nr. 2201/2003 sieht vor:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„Die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem nach Artikel 3 über einen Antrag auf Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung einer Ehe zu entscheiden ist, sind für alle Entscheidungen zuständig, die die mit diesem Antrag verbundene elterliche Verantwortung betreffen, wenn</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">a)      zumindest einer der Ehegatten die elterliche Verantwortung für das Kind hat</p>
<p class="C02AlineaAltA">und</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">b)      die Zuständigkeit der betreffenden Gerichte von den Ehegatten oder von den Trägern der elterlichen Verantwortung zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts ausdrücklich oder auf andere eindeutige Weise anerkannt wurde und im Einklang mit dem Wohl des Kindes steht.“</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point5">5</a>        Art. 17 („Prüfung der Zuständigkeit“) der Verordnung Nr. 2201/2003 bestimmt:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„Das Gericht eines Mitgliedstaats hat sich von Amts wegen für unzuständig zu erklären, wenn es in einer Sache angerufen wird, für die es nach dieser Verordnung keine Zuständigkeit hat und für die das Gericht eines anderen Mitgliedstaats aufgrund dieser Verordnung zuständig ist.“ </p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point6">6</a>        Art. 19 der Verordnung Nr. 2201/2003 sieht vor:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„(1)      Werden bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten Anträge auf Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung einer Ehe zwischen denselben Parteien gestellt, so setzt das später angerufene Gericht das Verfahren von Amts wegen aus, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts geklärt ist.</p>
<p class="C02AlineaAltA">(2)      Werden bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten Verfahren bezüglich der elterlichen Verantwortung für ein Kind wegen desselben Anspruchs anhängig gemacht, so setzt das später angerufene Gericht das Verfahren von Amts wegen aus, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts geklärt ist.</p>
<p class="C02AlineaAltA">(3)      Sobald die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht, erklärt sich das später angerufene Gericht zugunsten dieses Gerichts für unzuständig. In diesem Fall kann der Antragsteller, der den Antrag bei dem später angerufenen Gericht gestellt hat, diesen Antrag dem zuerst angerufenen Gericht vorlegen.“</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point7">7</a>        In Art. 22 („Gründe für die Nichtanerkennung einer Entscheidung über eine Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung einer Ehe“) der Verordnung Nr. 2201/2003 heißt es:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„Eine Entscheidung, die die Ehescheidung, die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder die Ungültigerklärung einer Ehe betrifft, wird nicht anerkannt,</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">a)      wenn die Anerkennung der öffentlichen Ordnung des Mitgliedstaats, in dem sie beantragt wird, offensichtlich widerspricht;</p>
<p class="C02AlineaAltA">…</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">c)      wenn die Entscheidung mit einer Entscheidung unvereinbar ist, die in einem Verfahren zwischen denselben Parteien in dem Mitgliedstaat, in dem die Anerkennung beantragt wird, ergangen ist; …</p>
<p class="C02AlineaAltA">…“</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point8">8</a>        In Art. 23 („Gründe für die Nichtanerkennung einer Entscheidung über die elterliche Verantwortung“) der Verordnung Nr. 2201/2003 heißt es:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„Eine Entscheidung über die elterliche Verantwortung wird nicht anerkannt,</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">a)      wenn die Anerkennung der öffentlichen Ordnung des Mitgliedstaats, in dem sie beantragt wird, offensichtlich widerspricht, wobei das Wohl des Kindes zu berücksichtigen ist;</p>
<p class="C02AlineaAltA">…</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">e)      wenn die Entscheidung mit einer späteren Entscheidung über die elterliche Verantwortung unvereinbar ist, die in dem Mitgliedstaat, in dem die Anerkennung beantragt wird, ergangen ist; </p>
<p class="C02AlineaAltA">…“</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point9">9</a>        Art. 24 („Verbot der Nachprüfung der Zuständigkeit des Gerichts des Ursprungsmitgliedstaats“) der Verordnung Nr. 2201/2003 lautet:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„Die Zuständigkeit des Gerichts des Ursprungsmitgliedstaats darf nicht überprüft werden. Die Überprüfung der Vereinbarkeit mit der öffentlichen Ordnung gemäß Artikel 22 Buchstabe a) und Artikel 23 Buchstabe a) darf sich nicht auf die Zuständigkeitsvorschriften der Artikel 3 bis 14 erstrecken.“</p>
<p class="C06Titre3"> <i>Verordnung Nr. 44/2001</i>
</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point10">10</a>      In Art. 5 der Verordnung Nr. 44/2001 heißt es:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden:</p>
<p class="C02AlineaAltA">…</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">2.      wenn es sich um eine Unterhaltssache handelt, vor dem Gericht des Ortes, an dem der Unterhaltsberechtigte seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder im Falle einer Unterhaltssache, über die im Zusammenhang mit einem Verfahren in Bezug auf den Personenstand zu entscheiden ist, vor dem nach seinem Recht für dieses Verfahren zuständigen Gericht, es sei denn, diese Zuständigkeit beruht lediglich auf der Staatsangehörigkeit einer der Parteien;</p>
<p class="C02AlineaAltA">…“</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point11">11</a>      Art. 27 der Verordnung Nr. 44/2001 lautet:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„(1)      Werden bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten Klagen wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien anhängig gemacht, so setzt das später angerufene Gericht das Verfahren von Amts wegen aus, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht.</p>
<p class="C02AlineaAltA">(2)      Sobald die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht, erklärt sich das später angerufene Gericht zugunsten dieses Gerichts für unzuständig.“</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point12">12</a>      In Art. 34 der Verordnung Nr. 44/2001 heißt es:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„Eine Entscheidung wird nicht anerkannt, wenn</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">1.      die Anerkennung der öffentlichen Ordnung (ordre public) des Mitgliedstaats, in dem sie geltend gemacht wird, offensichtlich widersprechen würde;</p>
<p class="C02AlineaAltA">…</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">3.      sie mit einer Entscheidung unvereinbar ist, die zwischen denselben Parteien in dem Mitgliedstaat, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird, ergangen ist;</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">4.      sie mit einer früheren Entscheidung unvereinbar ist, die in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem Drittstaat zwischen denselben Parteien in einem Rechtsstreit wegen desselben Anspruchs ergangen ist, sofern die frühere Entscheidung die notwendigen Voraussetzungen für ihre Anerkennung in dem Mitgliedstaat erfüllt, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird.“ </p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point13">13</a>      Art. 35 der Verordnung Nr. 44/2001 lautet:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„(1)      Eine Entscheidung wird ferner nicht anerkannt, wenn die Vorschriften der Abschnitte 3, 4 und 6 des Kapitels II verletzt worden sind oder wenn ein Fall des Artikels 72 vorliegt.</p>
<p class="C02AlineaAltA">(2)      Das Gericht oder die sonst befugte Stelle des Mitgliedstaats, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird, ist bei der Prüfung, ob eine der in Absatz 1 angeführten Zuständigkeiten gegeben ist, an die tatsächlichen Feststellungen gebunden, aufgrund deren das Gericht des Ursprungsmitgliedstaats seine Zuständigkeit angenommen hat.</p>
<p class="C02AlineaAltA">(3)      Die Zuständigkeit der Gerichte des Ursprungsmitgliedstaats darf, unbeschadet der Bestimmungen des Absatzes 1, nicht nachgeprüft werden. Die Vorschriften über die Zuständigkeit gehören nicht zur öffentlichen Ordnung (ordre public) im Sinne des Artikels 34 Nummer 1.“</p>
<p class="C05Titre2"> <b>Italienisches Recht</b>
</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point14">14</a>      Art. 150 („Ehetrennung ohne Auflösung des Ehebandes“) des Codice civile (Zivilgesetzbuch) bestimmt:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„Die Trennung der Ehegatten ist zulässig.</p>
<p class="C02AlineaAltA">Die Trennung kann eine gerichtlich verfügte oder einverständliche sein.</p>
<p class="C02AlineaAltA">Das Recht, die gerichtliche Trennung oder die Bestätigung der einverständlichen Trennung zu verlangen, steht ausschließlich den Ehegatten zu.“ </p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point15">15</a>      Art. 151 („Gerichtliche Ehetrennung“) des Zivilgesetzbuchs sieht vor:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„Die Trennung kann dann verlangt werden, wenn, auch unabhängig vom Willen eines oder beider Ehegatten, Tatsachen eintreten, die die Fortsetzung des Zusammenlebens unerträglich machen oder schwere Schäden für die Erziehung der Kinder verursachen.</p>
<p class="C02AlineaAltA">Bei Ausspruch der Trennung erklärt das Gericht, wenn Umstände hierfür vorliegen und ein entsprechender Antrag gestellt worden ist, welchem Ehegatten in Anbetracht seines mit den ehelichen Pflichten in Widerspruch stehenden Verhaltens die Trennung anzulasten ist.“ </p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point16">16</a>      Das vorlegende Gericht präzisiert, dass die elterliche Verantwortung und der Kindesunterhalt im Fall der Trennung und der Auflösung der Ehe durch die Art. 337bis bis 337octies des Zivilgesetzbuchs in derselben Weise geregelt sind.</p>
<p class="C04Titre1"> <b>Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen</b>
</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point17">17</a>      Herr Liberato und Frau Grigorescu schlossen am 22. Oktober 2005 in Rom (Italien) die Ehe und lebten in diesem Mitgliedstaat bis zur Geburt ihres Kindes am 20. Februar 2006 zusammen. Da sich die eheliche Beziehung zusehends verschlechtert hatte, nahm die Mutter das Kind mit nach Rumänien und kehrte seitdem nicht mehr nach Italien zurück.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point18">18</a>      Mit Antragsschrift vom 22. Mai 2007 stellte Herr Liberato beim Tribunale di Teramo (Gericht erster Instanz Teramo, Italien) einen Antrag auf Trennung ohne Auflösung des Ehebandes und auf Übertragung der elterlichen Sorge für das Kind. Frau Grigorescu, die vor diesem Gericht erschien, beantragte, diesen Antrag in der Sache zurückzuweisen und erhob gegen Herrn Liberato Widerklage auf Zahlung eines Beitrags zum Kindesunterhalt. Mit Urteil vom 19. Januar 2012 sprach dieses Gericht die Trennung der Ehegatten ohne Auflösung des Ehebandes wegen Verschuldens von Frau Grigorescu aus und verwies die Rechtssache hinsichtlich der beiderseitigen Anträge der Parteien in Bezug auf die elterliche Verantwortung mit gesondertem Beschluss an die Untersuchungsinstanz zurück.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point19">19</a>      Noch während das beim Tribunale di Teramo (Gericht erster Instanz Teramo) eingeleitete Verfahren über die elterliche Verantwortung anhängig war, rief Frau Grigorescu am 30. September 2009 die Judecătoria București (Gericht erster Instanz Bukarest, Rumänien) an und beantragte Scheidung der Ehe, Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge für das Kind und einen Beitrag des Vaters zum Kindesunterhalt.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point20">20</a>      Herr Liberato erschien vor diesem Gericht und erhob die Einrede der Rechtshängigkeit mit der Begründung, dass bereits ein Verfahren auf Trennung ohne Auflösung des Ehebandes und betreffend die elterliche Verantwortung in Italien anhängig sei. Gleichwohl sprach dieses Gericht mit Urteil vom 31. Mai 2010 die Ehescheidung aus, übertrug der Mutter die elterliche Sorge, regelte das Umgangsrecht des Vaters und setzte den von ihm zu zahlenden Unterhalt für das Kind fest.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point21">21</a>      Dieses Urteil wurde mit einem Urteil der Curtea de Apel București (Appellationshof Bukarest, Rumänien) vom 12. Juni 2013 rechtskräftig, das das Urteil des Tribunalul București (Landgericht Bukarest, Rumänien) vom 3. Dezember 2012 bestätigte, mit dem die Berufung von Herrn Liberato gegen das Urteil vom 31. Mai 2010 zurückgewiesen worden war.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point22">22</a>      In der Folgezeit wurde das Ehetrennungsverfahren in Italien durch ein Urteil des Tribunale di Teramo (Gericht erster Instanz Teramo) vom 8. Juli 2013 beendet. Dieses Gericht sprach dem Vater die alleinige elterliche Sorge für das Kind zu und ordnete dessen sofortige Rückkehr nach Italien an. Es regelte auch das Umgangsrecht der Mutter in Italien und verpflichtete diese zur Zahlung eines Beitrags zum Kindesunterhalt.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point23">23</a>      Insbesondere wies das Tribunale di Teramo (Gericht erster Instanz Teramo) den Antrag von Frau Grigorescu zurück, das Scheidungsurteil des Tribunalul București (Landgericht Bukarest, Rumänien) vom 3. Dezember 2012 auf der Grundlage der Verordnung Nr. 2201/2003 in Italien inzident anzuerkennen. Das Tribunale di Teramo (Gericht erster Instanz Teramo) stellte nämlich fest, dass das Ehescheidungsverfahren in Rumänien nach der Einleitung des Verfahrens auf Trennung ohne Auflösung des Ehebandes in Italien eingeleitet worden sei und dass folglich die rumänischen Gerichte gegen Art. 19 der Verordnung Nr. 2201/2003 verstoßen hätten, indem sie das Verfahren nicht ausgesetzt hätten.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point24">24</a>      Gegen dieses Urteil legte Frau Grigorescu Berufung ein und beantragte vorab die inzidente Anerkennung des Urteils der Curtea de Apel București (Appellationshof Bukarest) vom 12. Juni 2013, mit dem die Einrede der Rechtshängigkeit mit der Begründung zurückgewiesen wurde, dass die beiden Rechtssachen nach dem rumänischen Verfahrensrecht nicht denselben Streitgegenstand hätten.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point25">25</a>      Mit Urteil vom 31. März 2014 änderte die Corte d’appello di L’Aquila (Berufungsgerichtshof L’Aquila, Italien) das Urteil des Tribunale di Teramo (Gericht erster Instanz Teramo) vom 8. Juli 2013 ab und gab der Einrede der Rechtskraft des vom rumänischen Gericht erlassenen Scheidungsurteils, das auch die elterliche Sorge und den Kindesunterhalt regelte, statt. Dieser Berufungsgerichtshof ging davon aus, dass der Verstoß, den die später angerufenen Rechtsprechungsorgane des Mitgliedstaats, im vorliegenden Fall Rumäniens, gegen die unionsrechtliche Regelung der Rechtshängigkeit begangen hätten, für die Zwecke der Prüfung der Voraussetzungen für die Anerkennung der von diesem Staat erlassenen endgültigen Maßnahmen „nicht erheblich“ gewesen sei und dass es keinen Grund, insbesondere bezüglich der Vereinbarkeit mit der öffentlichen Ordnung, gegeben habe, der der Anerkennung der rumänischen Entscheidung entgegengestanden habe.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point26">26</a>      Gegen dieses Urteil der Corte d’appello di L’Aquila (Berufungsgerichtshof L’Aquila) legte Herr Liberato Kassationsbeschwerde ein.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point27">27</a>      Das vorlegende Gericht gibt an, die in Rumänien erlassene Entscheidung regle sowohl die Frage des Ehebandes als auch die der elterlichen Verantwortung und die der Unterhaltspflicht. Im in Italien betriebenen Verfahren zur Trennung ohne Auflösung des Ehebandes seien dieselben Anträge gestellt worden, mit Ausnahme des das Eheband betreffenden Antrags, der nicht identisch sei, weil das italienische Recht verlange, vor der Scheidung nachzuweisen, dass die gesetzlich festgelegten Voraussetzungen für das Getrenntleben der Ehegatten erfüllt seien.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point28">28</a>      Das vorlegende Gericht führt aus, dass sich aus Art. 22 Buchst. c und Art. 23 Buchst. e der Verordnung Nr. 2201/2003 und aus Art. 34 Abs. 4 der Verordnung Nr. 44/2001 nichts ergebe, was der Anerkennung der rumänischen Entscheidung hinsichtlich des ehelichen Status, der elterlichen Verantwortung oder der Unterhaltspflichten entgegenstehe.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point29">29</a>      Nach Ansicht dieses Gerichts ist indes zu prüfen, ob darin, dass die Gerichte, von denen die Entscheidung stamme, deren Anerkennung beantragt werde, seiner Ansicht nach offensichtlich gegen die in Art. 19 der Verordnung Nr. 2201/2003 und Art. 27 der Verordnung Nr. 44/2001 enthaltenen unionsrechtlichen Bestimmungen über die Rechtshängigkeit verstoßen hätten, ein Grund gesehen werden könne, der der Anerkennung dieser Entscheidung wegen Unvereinbarkeit mit der öffentlichen Ordnung entgegenstehe. </p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point30">30</a>      Unter diesen Umständen hat die Corte suprema die cassazione (Kassationsgerichtshof, Italien) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen vorzulegen:</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">1.      Wirkt sich ein Verstoß gegen die in Art. 19 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 2201/2003 enthaltenen Regeln der Rechtshängigkeit nur auf die Bestimmung der gerichtlichen Zuständigkeit aus, so dass Art. 24 dieser Verordnung zur Anwendung kommt, oder kann ein solcher Verstoß im Gegenteil unter dem Gesichtspunkt des verfahrensrechtlichen Ordre public ein Hindernis für die Anerkennung einer Entscheidung, die in dem Mitgliedstaat ergangen ist, dessen Gericht später angerufen wurde, in dem Mitgliedstaat darstellen, dessen Gericht zuerst angerufen wurde, wenn man berücksichtigt, dass Art. 24 der Verordnung Nr. 2201/2003 nur auf die in den Art. 3 bis 14 enthaltenen Regeln für die Bestimmung der gerichtlichen Zuständigkeit, nicht aber auf Art. 19 dieser Verordnung verweist?</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">2.      Steht die Auslegung von Art. 19 der Verordnung Nr. 2201/2003, wonach dieser nur ein Kriterium für die Bestimmung der gerichtlichen Zuständigkeit darstellt, mit dem unionsrechtlichen Begriff der Rechtshängigkeit und mit der Funktion und der Zielsetzung dieser Bestimmung im Widerspruch, die dazu dient, eine Reihe von unabdingbaren Regeln aufzustellen, die zum verfahrensrechtlichen Ordre public gehören, und mit der die Schaffung eines gemeinsamen Raumes gewährleistet werden soll, der von Vertrauen und gegenseitiger Loyalität zwischen den Mitgliedstaaten in Verfahrensfragen geprägt ist und in dem die automatische Anerkennung und der freie Verkehr von Entscheidungen stattfinden kann?</p>
<p class="C04Titre1"> <b>Zu den Vorlagefragen</b>
</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point31">31</a>      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Fragen des vorlegenden Gerichts die Auslegung allein der Verordnung Nr. 2201/2003 betreffen. Während die Unterhaltspflichten, wie sich aus dem elften Erwägungsgrund dieser Verordnung ergibt, nicht von dieser Verordnung, sondern von der Verordnung Nr. 44/2001 geregelt werden, lässt sich der Vorlageentscheidung entnehmen, dass das Ausgangsverfahren die Anerkennung einer Entscheidung betrifft, die nicht nur in Ehesachen und über die elterliche Verantwortung, sondern auch in Unterhaltssachen ergangen ist. Folglich ist auf die Vorlagefragen unter Heranziehung der Verordnungen Nrn. 2201/2003 und 44/2001 zu antworten.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point32">32</a>      Mit seinen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht sinngemäß wissen, ob die Rechtshängigkeitsregeln in Art. 27 der Verordnung Nr. 44/2001 und Art. 19 der Verordnung Nr. 2201/2003 dahin auszulegen sind, dass, wenn im Rahmen eines Rechtsstreits in Ehesachen, über die elterliche Verantwortung oder in Unterhaltssachen das später angerufene Gericht unter Verstoß gegen diese Regeln eine rechtskräftig gewordene Entscheidung erlässt, die Gerichte des Mitgliedstaats, zu dem das zuerst angerufene Gericht gehört, die Anerkennung dieser Entscheidung wegen offensichtlicher Unvereinbarkeit mit der öffentlichen Ordnung ablehnen können.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point33">33</a>      Am 30. September 2009 wurde ein rumänisches Gericht von Frau Grigorescu mit einem Antrag auf Scheidung der Ehe zwischen ihr und Herrn Liberato, einem Antrag auf Übertragung des Sorgerechts für das gemeinsame Kind und einem Antrag auf Leistung eines Beitrags zum Kindesunterhalt befasst, obwohl zuvor bereits ein italienisches Gericht von Herrn Liberato mit einem Antrag auf Trennung ohne Auflösung des Ehebandes zwischen den Ehegatten sowie einem Antrag auf Übertragung des Sorgerechts für das Kind und daraufhin mit einem gegen Herrn Liberato gerichteten Antrag von Frau Grigorescu auf Leistung eines Beitrags zum Kindesunterhalt befasst worden war.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point34">34</a>      Mit der Begründung, dass die Anträge in den Ehesachen – der eine Antrag auf Ehescheidung, der andere auf Trennung ohne Auflösung des Ehebandes – einen unterschiedlichen Gegenstand hätten, war das rumänische Gericht der Auffassung, dass keine Rechtshängigkeit im Sinne von Art. 19 der Verordnung Nr. 2201/2003 vorliege, und bejahte seine Zuständigkeit für die Entscheidung über den von Frau Grigorescu eingelegten Rechtsbehelf.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point35">35</a>      Wie jedoch der Gerichtshof zuvor entschieden hat, müssen nach dem Wortlaut von Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2201/2003 in Ehesachen die Anträge zwar dieselben Parteien betreffen, können aber unterschiedliche Ansprüche zum Gegenstand haben, sofern sie eine Trennung ohne Auflösung des Ehebandes, eine Ehescheidung oder die Ungültigerklärung einer Ehe betreffen. Der Gerichtshof hat daraus abgeleitet, dass Rechtshängigkeit oder ein abhängiges Verfahren im Sinne von Art. 19 der Verordnung Nr. 2201/2003 vorliegen kann, wenn zwei Gerichte verschiedener Mitgliedstaaten zum einen wegen eines Verfahrens auf Trennung ohne Auflösung des Ehebandes und zum anderen wegen eines Ehescheidungsverfahrens angerufen werden. Unter solchen Umständen setzt bei Identität der Parteien das später angerufene Gericht das Verfahren von Amts wegen aus, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts geklärt ist (Urteil vom 6. Oktober 2015, A, C‑489/14, EU:C:2015:654, Rn. 33 und 34).</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point36">36</a>      Wie der Generalanwalt in den Nrn. 56 und 57 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, finden zudem, wenn in dem Verfahren, das den ehelichen Status betrifft, auch Anträge zur elterlichen Verantwortung gestellt wurden, die für die Trennung geltenden Rechtshängigkeitsregeln Anwendung. Das Gleiche gilt nach Art. 5 Nr. 2 der Verordnung Nr. 44/2001 in Unterhaltssachen, wenn die Anträge im Zusammenhang mit dem Verfahren in Bezug auf den Personenstand stehen. Daraus folgt, dass die erstgenannten Anträge unter Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2201/2003 fallen, wohingegen für die zweitgenannten Art. 27 der Verordnung Nr. 44/2001 gilt. </p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point37">37</a>      Im vorliegenden Fall hat das zuerst mit einem Antrag auf Trennung ohne Auflösung des Ehebandes befasste Gericht nach Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2201/2003 seine Zuständigkeit für die Entscheidung über die Anträge bezüglich elterliche Verantwortung und Verpflichtung zum Kindesunterhalt mit der Begründung bejaht, dass sich Frau Grigorescu auf den bei ihm anhängigen Rechtsstreit eingelassen und somit die Zuständigkeit dieses Gerichts anerkannt habe.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point38">38</a>      Daraus folgt, dass in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren das später mit einem Antrag auf Ehescheidung und mit Anträgen bezüglich elterliche Verantwortung und Unterhaltspflichten angerufene Gericht, das eine Aussetzung des Verfahrens ablehnt und seine Zuständigkeit für die Entscheidung über diese Anträge bejaht, gegen Art. 19 der Verordnung Nr. 2201/2003 und Art. 27 der Verordnung Nr. 44/2001 verstößt.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point39">39</a>      Zur Beantwortung der Fragen des vorlegenden Gerichts ist darauf hinzuweisen, dass Art. 19 der Verordnung Nr. 2201/2003 ähnlich formuliert ist wie Art. 27 der Verordnung Nr. 44/2001 und einen Mechanismus schafft, der dem im letztgenannten Artikel vorgesehenen Mechanismus zur Behandlung von Fällen der Rechtshängigkeit entspricht. Daher sind die Erwägungen des Gerichtshofs zur letztgenannten Verordnung bei der Auslegung der Verordnung Nr. 2201/2003 zu berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Oktober 2015, A, C‑489/14, EU:C:2015:654, Rn. 27).</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point40">40</a>      Sodann ist auf die charakteristischen Merkmale des mit der Verordnung Nr. 2201/2003 geschaffenen Mechanismus hinzuweisen.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point41">41</a>      Diese Verordnung beruht auf der Zusammenarbeit und dem gegenseitigen Vertrauen zwischen den Gerichten, weshalb gerichtliche Entscheidungen gegenseitig anzuerkennen sind, was für die Schaffung eines echten europäischen Rechtsraums unabdingbar ist (Urteil vom 15. Februar 2017, W und V, C‑499/15, EU:C:2017:118, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung). </p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point42">42</a>      In diesem Zusammenhang spielen die Rechtshängigkeitsregeln eine bedeutende Rolle.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point43">43</a>      Wie der Gerichtshof zuvor entschieden hat, sollen mit diesen Regeln im Interesse einer geordneten Rechtspflege in der Union Parallelverfahren vor Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten und daraus möglicherweise resultierende gegensätzliche Entscheidungen verhindert werden. Zu diesem Zweck wollte der Unionsgesetzgeber einen klaren und wirksamen Mechanismus einführen, um die Fälle der Rechtshängigkeit zu lösen. Dieser Mechanismus gründet auf der chronologischen Reihenfolge, in der die Gerichte angerufen wurden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Oktober 2015, A, C‑489/14, EU:C:2015:654, Rn. 29 und 30 sowie die dort angeführte Rechtsprechung, und, entsprechend zur Verordnung Nr. 44/2001, Urteil vom 27. Februar 2014, Cartier parfums-lunettes und Axa Corporate Solutions assurances, C‑1/13, EU:C:2014:109, Rn. 40).</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point44">44</a>      Zur Sicherstellung der wirksamen Durchführung der Verordnung Nr. 2201/2003 und gemäß dem Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens, auf dem die Verordnung beruht, hat, wie der Generalanwalt in Nr. 59 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, erstens jedes Gericht nach Art. 17 dieser Verordnung seine Zuständigkeit zu prüfen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. Juli 2010, Purrucker, C‑256/09, EU:C:2010:437, Rn. 73, vom 12. November 2014, L, C‑656/13, EU:C:2014:2364, Rn. 58, und vom 15. Februar 2017, W und V, C‑499/15, EU:C:2017:118, Rn. 54).</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point45">45</a>      Zweitens darf nach Art. 24 der Verordnung Nr. 2201/2003 die Zuständigkeit des Gerichts des Ursprungsmitgliedstaats nicht überprüft werden (Urteil vom 9. November 2010, Purrucker, C‑296/10, EU:C:2010:665, Rn. 85). Das Gleiche gilt im Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 44/2001 gemäß deren Art. 35 Abs. 3.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point46">46</a>      Drittens liegt der Verordnung Nr. 2201/2003 nach ihrem 21. Erwägungsgrund zugrunde, dass die Anerkennung und die Vollstreckung der in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen auf dem Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens beruhen und die Gründe für die Nichtanerkennung auf das notwendige Minimum beschränkt sein sollten (Urteil vom 19. November 2015, P, C‑455/15 PPU, EU:C:2015:763, Rn. 35).</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point47">47</a>      Im Licht dieser Erwägungen ist zu prüfen, ob der Umstand, dass eine rechtskräftig gewordene Entscheidung unter Verstoß gegen die in Art. 27 der Verordnung Nr. 44/2001 und Art. 19 der Verordnung Nr. 2201/2003 vorgesehenen Rechtshängigkeitsregeln ergangen ist, einen sich aus der öffentlichen Ordnung ergebenden Grund darstellt, der nach Art. 34 der Verordnung Nr. 44/2001 sowie nach Art. 22 Buchst. a und Art. 23 Buchst. a der Verordnung Nr. 2201/2003 einer Anerkennung dieser Entscheidung durch die Gerichte des Mitgliedstaats, zu dem das zuerst angerufene Gericht gehört, entgegensteht.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point48">48</a>      Insoweit ist festzustellen, dass schon nach dem Wortlaut von Art. 24 der Verordnung Nr. 2201/2003 die Überprüfung der Vereinbarkeit mit der öffentlichen Ordnung gemäß Art. 22 Buchst. a und Art. 23 Buchst. a dieser Verordnung sich nicht auf die Zuständigkeitsvorschriften der Art. 3 bis 14 der Verordnung erstrecken darf.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point49">49</a>      Es ist daher festzustellen, ob die Rechtshängigkeitsregeln ebenso wie die Bestimmungen in den Art. 3 bis 14 der Verordnung Nr. 2201/2003 Zuständigkeitsvorschriften sind.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point50">50</a>      Die Rechtshängigkeitsregeln in Art. 19 der Verordnung Nr. 2201/2003 zählen zwar nicht zu den in Art. 24 dieser Verordnung ausdrücklich genannten Zuständigkeitsvorschriften, doch gehört Art. 19 zu Kapitel II dieser Verordnung, das mit „Zuständigkeit“ überschrieben ist. </p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point51">51</a>      Wie der Generalanwalt in Nr. 77 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, nimmt das zuerst angerufene Gericht, das über einen Antrag auf inzidente Anerkennung zu entscheiden hat, zudem zwangsläufig eine Kontrolle der Zuständigkeitsprüfung durch das später angerufene Gericht vor, wenn es, wie im Ausgangsverfahren, überprüft, ob das später angerufene Gericht die Rechtshängigkeitsregeln richtig angewandt hat, und beurteilt somit die Gründe, aus denen dieses sich nicht für unzuständig erklärt hat. Wie in Rn. 45 des vorliegenden Urteils ausgeführt, ist es ihm nach Art. 24 der Verordnung Nr. 2201/2003 aber nicht erlaubt, eine solche Kontrolle vorzunehmen. </p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point52">52</a>      Ungeachtet dessen, dass das in Art. 24 der Verordnung Nr. 2201/2003 enthaltene Verbot nicht ausdrücklich auf Art. 19 der Verordnung verweist, darf das zuerst angerufene Gericht die Anerkennung einer von dem später angerufenen Gericht unter Verstoß gegen die Rechtshängigkeitsregel in Art. 19 erlassenen Entscheidung somit nicht deshalb ablehnen, weil behauptet wird, dass dieses Gericht gegen Art. 19 dieser Verordnung verstoßen habe, da es andernfalls die Zuständigkeit des später angerufenen Gerichts kontrollieren würde (vgl. entsprechend zu Art. 15 der Verordnung Nr. 2201/2003, Urteil vom 19. November 2015, P, C‑455/15 PPU, EU:C:2015:763, Rn. 45).</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point53">53</a>      Diese Erwägungen gelten auch in Unterhaltssachen für die Rechtshängigkeitsregeln in Art. 27 der Verordnung Nr. 44/2001, da Art. 35 Abs. 3 dieser Verordnung ebenfalls vorsieht, dass die Zuständigkeit der Gerichte des Ursprungsmitgliedstaats nicht nachgeprüft werden darf.</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point54">54</a>      Hinzuzufügen ist, dass das Gericht des Vollstreckungsstaats die Anerkennung einer Entscheidung aus einem anderen Mitgliedstaat nicht allein deshalb ablehnen darf, weil es der Ansicht ist, dass in dieser Entscheidung das nationale Recht oder das Unionsrecht falsch angewandt worden sei, da andernfalls die Zielsetzung der Verordnungen Nrn. 2201/2003 und 44/2001 in Frage gestellt würden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. Juli 2015, Diageo Brands, C‑681/13, EU:C:2015:471, Rn. 49, und vom 19. November 2015, P, C‑455/15 PPU, EU:C:2015:763, Rn. 46). </p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point55">55</a>      Hierfür spricht auch, dass die Gründe für die Nichtanerkennung einer Entscheidung wegen offensichtlicher Unvereinbarkeit mit der öffentlichen Ordnung im Sinne von Art. 22 Buchst. a und Art. 23 Buchst. a der Verordnung Nr. 2201/2003 sowie von Art. 34 der Verordnung Nr. 44/2001 eng auszulegen sind, denn sie stellen ein Hindernis für die Verwirklichung eines der in Rn. 46 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen grundlegenden Ziele dieser Verordnungen dar (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. November 2015, P, C‑455/15 PPU, EU:C:2015:763, Rn. 36).</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point56">56</a>      Infolgedessen ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass die Rechtshängigkeitsregeln in Art. 27 der Verordnung Nr. 44/2001 und Art. 19 der Verordnung Nr. 2201/2003 dahin auszulegen sind, dass, wenn im Rahmen eines Rechtsstreits in Ehesachen, über die elterliche Verantwortung oder in Unterhaltssachen das später angerufene Gericht unter Verstoß gegen diese Regeln eine rechtskräftig gewordene Entscheidung erlässt, es den Gerichten des Mitgliedstaats, zu dem das zuerst angerufene Gericht gehört, untersagt ist, die Anerkennung der Entscheidung allein aus diesem Grund abzulehnen. Insbesondere kann es dieser Verstoß für sich allein nicht rechtfertigen, dass die Entscheidung wegen offensichtlicher Unvereinbarkeit mit der öffentlichen Ordnung dieses Mitgliedstaats nicht anerkannt wird.</p>
<p class="C04Titre1"> <b>Kosten</b>
</p>
<p class="C01PointnumeroteAltN">
<a name="point57">57</a>      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.</p>
<p class="C41DispositifIntroduction">Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:</p>
<p class="C30Dispositifalinea">
<b>Die Regeln über die Rechtshängigkeit in Art. 27 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen und Art. 19 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 sind dahin auszulegen, dass, wenn im Rahmen eines Rechtsstreits in Ehesachen, über die elterliche Verantwortung oder in Unterhaltssachen das später angerufene Gericht unter Verstoß gegen diese Regeln eine rechtskräftig gewordene Entscheidung erlässt, es den Gerichten des Mitgliedstaats, zu dem das zuerst angerufene Gericht gehört, untersagt ist, die Anerkennung dieser Entscheidung allein aus diesem Grund abzulehnen. Insbesondere kann es dieser Verstoß für sich allein nicht rechtfertigen, dass die Entscheidung wegen offensichtlicher Unvereinbarkeit mit der öffentlichen Ordnung dieses Mitgliedstaats nicht anerkannt wird.</b>
</p>
<p class="C77Signatures">Unterschriften</p>
<hr/>
<p class="C42FootnoteLangue">
<a href="#Footref*" name="Footnote*">*</a>      Verfahrenssprache: Italienisch.</p>
|
171,243 | vg-dusseldorf-2019-01-16-22-l-355618a | {
"id": 842,
"name": "Verwaltungsgericht Düsseldorf",
"slug": "vg-dusseldorf",
"city": 413,
"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 22 L 3556/18.A | 2019-01-16T00:00:00 | 2019-01-29T12:50:28 | 2019-02-12T13:44:27 | Beschluss | ECLI:DE:VGD:2019:0116.22L3556.18A.00 | <h2>Tenor</h2>
<p><strong>Die aufschiebende Wirkung der Klage 22 K 9895/18.A gegen Ziffer 3 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 27. November 2018 wird angeordnet.</strong></p>
<p><strong>Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.</strong></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong>Gründe:</strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der am 7. Dezember 2018 sinngemäß gestellte Antrag,</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks"><strong>die aufschiebende Wirkung der Klage 22 K 9895/18.A gegen Ziffer 3 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 27. November 2018 anzuordnen,</strong></p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">hat Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der Antrag nach § 80 Absatz 5 VwGO ist zulässig, insbesondere ist er gemäß § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG statthaft. Ferner ist die dort bestimmte Antragsfrist von einer Woche nach Bekanntgabe des streitgegenständlichen Bescheides (hier am 6. Dezember 2018) gewahrt.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Antrag ist auch begründet. Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht auf Antrag im Rahmen einer eigenen Ermessensentscheidung die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen, wenn das Interesse der Antragsteller an der beantragten Aussetzung der Vollziehung das bezüglich der Abschiebungsanordnung durch § 75 AsylG gesetzlich angeordnete öffentliche Interesse an der sofortigen Durchsetzbarkeit des Verwaltungsaktes überwiegt. Die dabei vorzunehmende Interessenabwägung geht zu Gunsten der Antragsteller aus. Die auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG gestützte Abschiebungsanordnung in Ziffer 3 des angefochtenen Bescheides erweist sich als offensichtlich rechtswidrig.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Abschiebungsanordnung findet ihre Rechtsgrundlage insbesondere nicht in § 34a Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. AsylG. Danach ordnet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die in Bezug genommene Vorschrift des § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) AsylG bestimmt, dass ein Asylantrag unzulässig ist, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III‑VO), für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Die Dublin III-VO findet gemäß ihres Art. 49 Unterabs. 2 Satz 1 auf Schutzgesuche Anwendung, die nach dem 31. Dezember 2013 gestellt werden, mithin auch auf die von den Antragstellern am 9. Oktober 2018 gestellten Asylanträge.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Vorliegend steht bereits Art. 26 Abs. 1 Dublin III-VO der Überstellung nach Italien entgegen. Die Vorschrift ist in Einklang mit der jüngsten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes dahingehend auszulegen, dass sie es dem Mitgliedstaat, der bei einem anderen Mitgliedstaat, den er aufgrund der in der Verordnung festgelegten Kriterien dafür zuständig hält, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, ein Gesuch um Aufnahme oder Wiederaufnahme einer Person im Sinne des Art. 18 Abs. 1 der Verordnung gestellt hat, verwehrt, eine Überstellungsentscheidung zu erlassen und dieser Person zuzustellen, bevor der ersuchte Mitgliedstaat dem Gesuch ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat. Ausweislich des Wortlauts in fast allen Sprachfassungen (vgl. Art. 55 Abs. 1 EUV) darf die Überstellungsentscheidung dem Betroffenen erst zugestellt werden, wenn – und das heißt nachdem – der ersuchte Mitgliedstaat dem Gesuch um Aufnahme oder Wiederaufnahme stattgegeben hat oder gegebenenfalls die Fristen abgelaufen sind, innerhalb der der ersuchte Mitgliedstaat auf das Gesuch zu antworten hat, wobei im Fall der Nichterteilung einer Antwort nach Art. 22 Abs. 7 und Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO davon auszugehen ist, dass dem Gesuch stattgegeben wird.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Vgl. EuGH, Urteil vom 31. Mai 2018, Hassan, C-647/16, EU:C:2018:368, Rn. 39 ff., insb. Rn. 42.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Nach diesen Maßstäben durfte der angefochtene Bescheid nicht gegenüber den Antragstellern erlassen werden, da es an einer wirksamen Zustimmung Italiens fehlt. Die von Italien mit Schreiben vom 15. November 2018 erteilte Zustimmung zur Aufnahme der Antragsteller ist durch die Ausübung des Selbsteintrittsrechts im Sinne von Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO durch die Antragstellerin am 20. November 2018 erloschen und auch nicht durch Rücknahme bzw. Widerruf der Erklärung des Selbsteintritts wieder aufgelebt. Eine nach der Ausübung des Selbsteintrittsrechts ausdrücklich oder stillschweigend erteilte erneute Zustimmung Italiens ist nicht ersichtlich.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Antragsgegnerin hat das ihr durch Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin III-VO eingeräumte Selbsteintrittsrecht mit Vermerk vom 20. November 2018 ausgeübt und die Ausübung gemäß Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 Dublin III-VO Italien, dem zuvor nach Art. 12 Dublin III-VO zuständigen Mitgliedstaat, am selben Tag mitgeteilt. Gemäß Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1 Dublin III-VO wird ein Mitgliedstaat durch Ausübung des Selbsteintrittsrechts zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Mit dem Selbsteintritt wird das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates mit dem Ergebnis beendet, dass der Staat zuständig ist, der das Selbsteintrittsrecht ausgeübt hat.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011, N. S., C-411/10 u. a., EU:C:2011:865, Rn. 67; Günther, in: Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, Stand 1. November 2018, § 29 AsylG Rn. 61.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Selbst wenn man zugunsten der Antragsgegnerin unterstellt, dass die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO von dem Mitgliedstaat zurückgenommen bzw. widerrufen werden kann – dazu siehe unten –, so kann eine solche ungeschriebene Befugnis aus Gründen der Rechtssicherheit allenfalls mit Wirkung für die Zukunft (ex nunc) erfolgen mit der Konsequenz, dass vor der Ausübung des Selbsteintrittsrechts gestellte Übernahmeersuchen oder erteilte Übernahmeerklärungen anderer Mitgliedstaaten nicht wieder aufleben.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Eine ausdrückliche Rücknahme- bzw. Widerrufsmöglichkeit ist in der Dublin III-VO oder der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin-Durchführungs-VO), zuletzt geändert durch Durchführungsverordnung (EU) Nr. 118/2014 der Kommission vom 30. Januar 2014, nicht vorgesehen. Wenn man – die Ansicht der Antragsgegnerin als zutreffend unterstellt – eine Befugnis des nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO zuständigen Mitgliedsstaates zur Rücknahme bzw. zum Widerruf des Selbsteintritts annimmt, so muss diese im Wege der Auslegung oder Rechtsfortbildung kreierte Befugnis im Einklang mit dem Telos der Dublin III-VO eng gefasst werden. Sinn und Zweck der Dublin III-VO ist es, Rechtssicherheit zu gewährleisten, indem der für die Durchführung des Asylverfahrens zuständige Mitgliedstaat eindeutig und verbindlich bestimmt wird. Rechtssicherheit ist nicht nur ein seit langem vom Europäischen Gerichtshof anerkannter Grundsatz des Gemeinschafts- bzw. Unionsrechts (vgl. Art. 6 Abs. 3 EUV),</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">vgl. grundlegend EuGH, Urteil vom 12. Juli 1957, Algera, 7/56 und 3-7/57, Sgl. 1957, 83 (117 ff.); aus jüngerer Zeit EuGH, Urteil vom 9. Juni 2016, Rey, C-332/14, EU:C:2016:417, Rn. 49; vgl. ferner Streinz, in: ders., EUV/AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 6 EUV Rn. 31,</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">sondern er kommt auch im Gesetzestext der Dublin III-VO deutlich zum Ausdruck.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Mit der Dublin III-VO soll nach deren 5. Erwägungsgrund eine klare und praktikable Formel geschaffen werden, die auf objektiven und für die Mitgliedstaaten und die Betroffenen gerechten Kriterien basiert und eine rasche Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats ermöglicht, um einen effektiven Zugang zu den Verfahren zur Gewährung internationalen Schutzes zu gewährleisten und das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Anträge auf internationalen Schutz nicht zu gefährden sowie – nach dem 19. Erwägungsgrund – den von der Verordnung eingeführten wirksamen Rechtsbehelf gegen Überstellungsentscheidungen sicherzustellen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Vgl. EuGH, Urteil vom 31. Mai 2018, Hassan, C-647/16, EU:C:2018:368, Rn. 56, unter Bezugnahme auf Urteile vom 7. Juni 2016, Ghezelbash, C‑63/15, EU:C:2016:409, Rn. 42, und vom 25. Oktober 2017, Shiri, C‑201/16, EU:C:2017:805, Rn. 31 und 37, und die dort angeführte Rechtsprechung.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Verordnung enthält eine Vielzahl an Fristenregelungen, denen der Gedanke zugrunde liegt, den Betroffenen nicht lange im Ungewissen zu lassen, sondern „so bald wie möglich“ (vgl. Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 1, Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin III-VO) eine endgültige Klärung des für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Mitgliedstaates herbeizuführen. Eine Rücknehmbarkeit bzw. Widerruflichkeit der Erklärung der Ausübung des Selbsteintrittsrechts mit Wirkung für die Vergangenheit (ex tunc) widerspräche diesem Grundsatz, da der Betroffene gerade nicht auf die Zuständigkeit des den Selbsteintritt erklärenden Mitgliedstaats vertrauen könnte.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Ein neues Übernahmeersuchen in der Form des Art. 1 Dublin-Durchführungs-VO an Italien nach Ausübung des Selbsteintrittsrechts durch das Bundesamt mit Vermerk vom 20. November 2018, der Mitteilung vom 20. November 2018 an Italien, dass das Übernahmeersuchen zurückgezogen wird, und der „Zurücknahme“ der Entscheidung, in diesem Fall das Selbsteintrittsrecht auszuüben, ist nicht erfolgt. Das Bundesamt erließ vielmehr in unmittelbarer Folge auf die „Zurücknahme“ des Selbsteintritts durch Vermerk vom 26. November 2018 den angefochtenen Bescheid vom 27. November 2018, der sich auch nicht analog §§ 133, 157 BGB als neues Aufnahmeersuchen auslegen lässt. Den Verwaltungsvorgängen kann vielmehr entnommen werden, dass das Bundesamt – fehlerhaft – davon ausging, dass die Übernahmeerklärung Italiens vom 15. November 2018 durch die Rücknahme bzw. den Widerruf des Selbsteintritts wieder aufgelebt sei.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Im Übrigen dürfte der grammatische, systematische und teleologische Befund dagegensprechen, eine ungeschriebene Rücknahme- bzw. Widerrufsbefugnis des zuständigen Mitgliedstaats – selbst für die Zukunft (ex nunc) – anzunehmen. Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO dürfte eine abschließende Regelung darstellen, die gerade keine Rücknahme- bzw. Widerrufsbefugnis enthält. Die abschließende Regelung des Selbsteintrittsrechts in Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO dürfte systematisch dadurch belegt werden, dass das Verfahren der Ausübung des Selbsteintrittsrechts detailliert geregelt ist. Anders als in der Mehrzahl der Fälle des indirekten Vollzugs des Unionsrechts durch die Mitgliedstaaten enthält die Dublin III-VO hier in ihrem Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 und Unterabs. 3 verfahrensrechtliche Vorgaben zu Form und Adressaten der Ausübungserklärung. Angesichts dieser Detailschärfe hätte es aus Sicht des Verordnungsgebers auf der Hand gelegen, auch die Modalitäten der Rücknahme bzw. des Widerrufs des Selbsteintrittsrechts zu positivieren, wenn diese Möglichkeit den Mitgliedstaaten hätte eröffnet werden sollen. Hinzu treten die oben dargelegten teleologischen Erwägungen bezüglich der Rechtssicherheit, die ebenfalls gegen die Rücknehmbarkeit bzw. Widerrufbarkeit des Selbsteintritts sprechen.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Ein anderes Ergebnis dürfte auch nicht aus dem nationalen Verfahrensrecht der Bundesrepublik, etwa aus §§ 48, 49 VwVfG oder analog §§ 119 ff., 142 BGB, hergeleitet werden können. Denn bezüglich des Selbsteintrittsrechts dürfte Art. 17 Abs. 1 Dublin III‑VO eine abschließende Regelung treffen, welche aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts das nur subsidiär anwendbare nationale Verfahrensrecht verdrängt.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Vgl. U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, EuR Rn. 141; vgl. auch zum abschließenden Charakter der Verfahrensvorschriften der Dublin III-VO BVerfG, Kammerbeschluss vom 17. Januar 2017 - 2 BvR 2013/16 -, juris Rn. 20, zu Art. 5 Dublin III-VO.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Aber auch, wenn man die Anwendbarkeit nationalen Rechts unterstellt, dürfte dies nicht zu einer Widerrufbarkeit bzw. Rücknehmbarkeit des Selbsteintrittsrechts führen. Denn bei funktionaler Auslegung, im Rahmen derer einem Rechtsakt der Union ein funktionales</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Äquivalent aus der Rechtsordnung des jeweiligen Mitgliedstaates zugewiesen wird,</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">vgl. zu dieser Auslegungsmethode des Unionsrechts nur Neidhardt, Nationale Rechtsinstitute als Bausteine europäischen Verwaltungsrechts, 2005, S. 35 ff.,</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">ähnelt die Ausübung des Selbsteintrittsrechts statt einem Verwaltungsakt im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG vielmehr einer unanfechtbaren und unwiderruflichen Handlung, ähnlich einer Prozesshandlung. Auch das deutsche Recht kennt rechtserhebliche Erklärungen mit Gestaltungswirkung, die aus Gründen überwiegender Rechtssicherheit irreversibel sind. Für Prozesserklärungen beispielsweise ist allgemein anerkannt, dass sie grundsätzlich unwiderruflich und nicht wegen Willensmängeln anfechtbar sind.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juni 1986 - IVb ZB 75/85 -, NJW-RR 1986, 1327; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 9. März 1983 - 6 S 2490/82 -, VBlBW 1983, 369; Aulehner, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 81 Rn. 88, 98.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Ebenso wie bei einer Prozesshandlung dürfte bei einer Erklärung nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO – aus den oben dargelegten Gründen – auch aus der Perspektive der deutschen Rechtsordnung ein überwiegendes Interesse am Fortbestand der gestalteten Rechtslage bestehen, hinter der sonstige Belange grundsätzlich zurücktreten müssten. Das Ergebnis dürfte auch nicht aus Gründen der Billigkeit zu korrigieren sein, da die Antragsteller nicht über ihre Verhältnisse getäuscht haben, sondern alle entscheidungserheblichen Tatsachen – einschließlich des italienischen Aufenthaltstitels der Antragsteller – in den Verwaltungsvorgängen des Bundesamtes enthalten waren.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Schließlich ist durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs anerkannt, dass sich die Antragsteller auch auf einen Verstoß gegen die Verfahrensvorschriften der Dublin III-VO berufen können, da durch die Verordnung nicht nur organisatorische Regeln für die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten festgelegt worden sind.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Vgl. EuGH, Urteile vom 7. Juni 2016, Ghezelbash, C‑63/15, EU:C:2016:409, Rn. 61, und Karim, C‑155/15, EU:C:2016:410, Rn. 27, und vom 26. Juli 2017, Mengesteab, C-670/16, EU:C:2017:587, Rn. 45, 62.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 RVG.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).</p>
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171,242 | ovgnrw-2019-01-16-4-b-148518 | {
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} | 4 B 1485/18 | 2019-01-16T00:00:00 | 2019-01-29T12:50:28 | 2019-02-12T13:44:27 | Beschluss | ECLI:DE:OVGNRW:2019:0116.4B1485.18.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 20.9.2018 wird zurückgewiesen.</p>
<p>Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.</p>
<p>Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 7.500,00 Euro festgesetzt.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">G r ü n d e:</span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Sie ist bereits unzulässig, weil die Antragstellerin die Beschwerdefrist nicht eingehalten hat und ihr Wiedereinsetzung in die versäumte Frist nicht gewährt werden kann.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die zweiwöchige Beschwerdefrist gemäß § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist nicht gewahrt. Der Beschluss über die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes ist den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin mit zutreffender Rechtsmittelbelehrung am 20.9.2018 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt worden. Die Beschwerdefrist endete mithin am 4.10.2018 (§§ 57 Abs. 2 VwGO, 222 Abs. 1 ZPO, 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB). Die Beschwerde ist aber erst am 10.10.2018 und damit verspätet eingegangen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Eine Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdefrist nach § 60 Abs. 1 VwGO kommt nicht in Betracht. Nach dieser Vorschrift ist jemandem auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Die Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die Antragstellerin war nicht ohne Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten. Die Versäumung der Beschwerdefrist beruht auf einem Verschulden der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin, das sich diese gemäß § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Wenn ein Rechtsanwalt die Prozessvertretung übernimmt, ist die Wahrung der prozessualen Fristen eine seiner Aufgaben, der er besondere Aufmerksamkeit widmen muss. Er muss deshalb den Betrieb seiner Anwaltskanzlei so organisieren, dass fristwahrende Schriftsätze rechtzeitig hergestellt werden und vor Fristablauf beim zuständigen Gericht eingehen. Der Rechtsanwalt muss Vorkehrungen treffen, die gewährleisten, dass Fristen richtig berechnet, zuverlässig eingetragen werden und der Fristenlauf überwacht wird. Hierfür muss er sicherstellen, dass der Zeitpunkt des Fristablaufs in einem Fristenkalender notiert und dies in der Handakte vermerkt wird.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Beschluss vom 21.2.2008 ‒ 2 B 6.08 ‒, juris, Rn. 7; OVG NRW, Beschluss vom 4.12.2017 ‒ 4 B 1111/17 ‒, juris, Rn. 6 f., jeweils m. w. N.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Dazu gehört es, durch geeignete organisatorische Maßnahmen dafür zu sorgen, dass das Empfangsbekenntnis über fristauslösende gerichtliche Entscheidungen vom Rechtsanwalt grundsätzlich erst dann unterzeichnet und zurückgesandt werden darf, wenn in den Handakten die Rechtsmittelfrist festgehalten und vermerkt ist, dass die Frist im Fristenkalender notiert worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Beschluss vom 4.2.2013 ‒ 6 B 55.12 ‒, Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 44 = juris, Rn. 6.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Weist ein Prozessbevollmächtigter seine Bürokraft im Einzelfall mündlich an, die Rechtsmittelfrist einzutragen, müssen ausreichende organisatorische Vorkehrungen dafür getroffen sein, dass diese Anweisung nicht in Vergessenheit gerät und die Fristeintragung ‒ etwa im Drange der übrigen Geschäfte ‒ unterbleibt.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Vgl. BSG, Beschluss vom 1.11.2017 ‒ B 14 AS 26/17 R ‒, juris, Rn. 8, m. w. N.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass sie gemessen an diesen Anforderungen ihren besonderen Sorgfaltspflichten zur Fristwahrung nachgekommen und durch geeignete Maßnahmen für die Eintragung der Beschwerdefrist in ein Fristenbuch gesorgt hat. Sie hat keine ausreichenden Vorkehrungen dafür getroffen, dass das Empfangsbekenntnis erst nach Eintragung der Frist im Fristenkalender zurückgesandt werden darf. Sie hat zwar vorgetragen, sie habe zunächst das Empfangsbekenntnis unterzeichnet, den Fristablauf auf der Handakte vermerkt und dann die Akte an die angestellte Rechtswirtin mit der Anweisung weitergegeben, die Eintragung im Fristenkalender vorzunehmen und sodann das Empfangsbekenntnis zurückzusenden. Darin möglicherweise liegende Vorkehrungen dagegen, dass eine Fristeintragung aufgrund anderweitiger Beschäftigung unterbleibt und dennoch das Empfangsbekenntnis zurückgesandt wird, sind jedoch nicht glaubhaft gemacht. Sie ergeben sich insbesondere nicht aus der eidesstattlichen Versicherung der angestellten Rechtswirtin. Im Gegenteil lässt diese erkennen, dass die Rechtswirtin die Weisung sogar abweichend vom Vorbringen der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin so verstanden hatte, dass die Eintragung im Fristenbuch nicht notwendig vor der Übersendung des Empfangsbekenntnisses erfolgen müsse. Sie hat die Weisung dahingehend wiedergegeben, sie möge umgehend das unterzeichnete Empfangsbekenntnis an das Verwaltungsgericht übermitteln und die Rechtsmittelfristen sowie eine Vorfrist von einer Woche im Fristenbuch notieren. Vom Bestehen organisatorischer Sicherungen für die Eintragung der Fristen im Fristenbuch ‒ etwa in der Form, dass zunächst die Frist zu notieren ist, bevor das Empfangsbekenntnis zurückgesandt wird ‒ ist hier nicht die Rede.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Dessen ungeachtet ist die Beschwerde auch unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Das Verwaltungsgericht hat den (sinngemäßen) Antrag,</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">die aufschiebende Wirkung der Klage 1 K 2794/18 (VG Arnsberg) gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 5.6.2018 wiederherzustellen,</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">abgelehnt. Die vom Antragsgegner vorgenommene Begründung des Sofortvollzuges genüge den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Er habe mit dem Verweis auf die erheblichen Vermögensdispositionen, die im Makler- und Bauträgergewerbe seitens der Antragstellerin für Dritte getroffen würden, einen individuellen Bezug zu ihr hergestellt und sei sich des Ausnahmecharakters der Anordnung der sofortigen Vollziehung bewusst gewesen. Dem stehe die Verwendung der gleichlautenden Formulierungen in dem parallelen Widerrufsbescheid bezogen auf die Geschäftsführerin der Antragstellerin nicht entgegen. Der im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO zu Lasten der Antragstellerin vorgenommenen Interessenabwägung des Verwaltungsgerichts liegt die Annahme zugrunde, die Voraussetzungen für den nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG NRW zu beurteilenden Widerruf der der Antragstellerin gemäß § 34c Abs. 1 GewO erteilten Erlaubnis lägen bei summarischer Prüfung vor. Der Antragstellerin hätte die Erlaubnis versagt werden müssen, weil weder sie noch die mit ihrer Leitung beauftragte Person zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung die erforderliche gewerberechtliche Zuverlässigkeit besessen hätten. Bei der Beurteilung der Unzuverlässigkeit einer juristischen Person sei maßgeblich auf das Verhalten ihrer gesetzlich vertretungsberechtigten Personen abzustellen, mithin auf die Geschäftsführerin der Antragstellerin. Diese sei gemäß § 34c Abs. 2 Nr. 1 GewO unzuverlässig, weil sie wegen Beihilfe zur Vereitelung der Zwangsvollstreckung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen rechtskräftig verurteilt sei. Dabei bedürfe es keines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der Straftat und der Maklertätigkeit. Es reiche aus, dass es sich um eine vermögensbezogene Straftat handele, die mit einem treuhänderischen Umgang mit Vermögenswerten, wie er im Maklergewerbe gestattet sei, nicht vereinbar sei. Darüber hinaus sei der mit der Leitung des Betriebs beauftragte Ehemann der Geschäftsführerin der Antragstellerin unzuverlässig, weil er u. a. wegen Betrugs rechtskräftig zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden sei. Ohne einen Widerruf der der Antragstellerin erteilten Erlaubnis wäre das öffentliche Interesse gefährdet. Dieser erweise sich auch nicht als unverhältnismäßig oder ermessensfehlerhaft. Überdies liege ein besonderes öffentliches Vollzugsinteresse vor.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Diese Würdigung wird durch das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, nicht erschüttert.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Mit dem bereits im erstinstanzlichen Verfahren erhobenen Einwand, die Anordnung der sofortigen Vollziehung genüge nicht den formalen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, dringt die Antragstellerin nicht durch. Auch der vorgehaltene Umstand, dass der Antragsgegner die gleiche Begründung in zwei unterschiedlichen Widerrufsverfahren verwendet hat, rechtfertigt nicht die Annahme, er sei sich des Ausnahmecharakters der Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht bewusst gewesen. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat, beruhen die gleichlautenden Begründungen darauf, dass dem Erlaubniswiderruf gegenüber der Antragstellerin und dem gegenüber ihrer Geschäftsführerin jeweils ähnliche Erwägungen zugrunde liegen. Hiermit setzt sich die Beschwerde nicht auseinander. Insbesondere ist nicht dargelegt, warum trotz gleichen Sachverhalts und im Wesentlichen gleichen rechtlichen Wertungen eine unterschiedliche Begründung gewählt werden müsste.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Der Einwand der Beschwerde, die Geschäftsführerin der Antragstellerin sei nicht unzuverlässig im Sinne von § 34c Abs. 2 Nr. 1 GewO, verfängt ebenfalls nicht.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Weshalb die Höhe der Geldstrafe gewerberechtlich weniger bedeutsam sein sollte, weil die Geschäftsführerin mit der Straftat eine selbstgenutzte Immobilie habe schützen wollen, ist auch im Beschwerdeverfahren nicht schlüssig begründet worden. Fehl geht in diesem Zusammenhang die Annahme der Beschwerde, bei der Straftat handele es sich um eine private Angelegenheit, die in keinem Zusammenhang mit der Antragstellerin stehe. Vielmehr wird aus dem Urteil des Landgerichts Hagen vom 14.1.2016 [71 KLs 300 Js 1068/12 (1/15)] deutlich, dass die von der Geschäftsführerin verübte Beihilfe zum Vereiteln der Zwangsvollstreckung einen vollstreckungsrechtlichen Zugriff der NRW-Bank zur Befriedigung von Schadensersatzansprüchen wegen der von dem Ehemann der Geschäftsführerin als früherem Geschäftsführer der Antragstellerin in Ausübung der Maklertätigkeit u. a. verübten Betrugstaten verhindern sollte. Ein Zusammenhang mit der Maklertätigkeit ist damit eindeutig gegeben. Die Verurteilung der Geschäftsführerin begründet die Unzuverlässigkeit der Antragstellerin als Immobilienmaklerin. Die Geschäftsführerin hat mit der Straftat gezeigt, dass sie ihre persönlichen Interessen höher wertet als den der Antragstellerin durch die Maklertätigkeit übertragenen treuhänderischen Umgang mit Vermögenswerten Dritter. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Tatsachen, die die Unzuverlässigkeit begründen, nicht bei der Ausübung einer solchen Tätigkeit eingetreten sein müssen, mithin kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Straftat und der Maklertätigkeit bestehen muss. Vielmehr kommt es darauf an, ob sich die betreffenden Tatsachen auf die ordnungsgemäße Führung des in Rede stehenden Gewerbes ‒ wie im Falle der Antragstellerin ‒ auswirken.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6.12.1994 ‒ 1 B 234.94 ‒, GewArch 1995, 159 = juris, Rn. 6.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Das Beschwerdevorbringen setzt der Annahme des Verwaltungsgerichts, die Maklererlaubnis hätte auch deshalb versagt werden müssen, weil der Ehemann der Geschäftsführerin als mit der Leitung des Betriebes beauftragte Person in Bezug auf das Gewerbe unzuverlässig ist, nichts Durchgreifendes entgegen.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Dass die Antragstellerin den Ehemann der Geschäftsführerin aus Gründen der Resozialisierung im Maklerbetrieb angestellt hat, ist für die der Abwehr von Gefahren für die Ordnungsmäßigkeit des Grundstücksverkehrs und dem Schutz vor wirtschaftlichen Schäden, die erhebliche Größenordnungen erreichen können, dienenden Zuverlässigkeitsprüfung,</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26.10.2017 ‒ 4 B 1025/17 ‒, juris, Rn. 13,</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">unerheblich.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Ebenso wenig greift der Einwand durch, der Ehemann der Geschäftsführerin habe als Angestellter keinen Einfluss auf die Antragstellerin. Ausweislich § 1 der 2. Änderung seines Arbeitsvertrages umfasst sein Aufgabengebiet „Kalkulationen, Kundenberatungen, Baustellenbesuche, Koordination der Handwerker, Vergabe von Bauleistungen an Subunternehmer“. Damit hat er leitende Aufgaben inne, die sowohl dem finanziellen als auch dem gewerblichen Bereich der Antragstellerin zugeordnet sind und damit vielfältige Verknüpfungen zwischen eigentlicher Maklertätigkeit und kaufmännischer Unternehmensführung enthalten. Diese begründen die aus der Betätigung einer unzuverlässigen Person mit leitender Funktion im operativen Bereich erwachsende Gefahr für die Allgemeinheit und insbesondere die Auftraggeber. Dessen ungeachtet hat das Verwaltungsgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass dem Ehemann der Geschäftsführerin in seiner Eigenschaft als Alleingesellschafter der Antragstellerin ein maßgeblicher Einfluss auf die Tätigkeit der Antragstellerin zukommt. Dem ist die Beschwerde nicht entgegen getreten.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Angesichts der immer noch leitenden Tätigkeit des Ehemanns der Geschäftsführerin im Betrieb der Antragstellerin ist der Einwand, ein Widerruf könne nicht auf sein Verhalten als einem Verhalten Dritter gestützt werden, im Rahmen des § 34c Abs. 2 Nr. 1 GewO, der ausdrücklich auch auf eine mit der Leitung des Betriebes beauftragte Person abstellt, nicht nachvollziehbar.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Schließlich gibt die Beschwerde keinen Anhalt dafür her, dass die Geschäftsführerin, die seit dem Tattag (24.6.2013) nicht mehr strafrechtlich in Erscheinung getreten sei, als zuverlässig zu gelten habe. Für eine fortbestehende Unzuverlässigkeit spricht bereits die in § 34c Abs. 2 Nr. 1 GewO für die dort aufgeführten Regelbeispiele getroffene gesetzgeberische Wertung, nach der Verurteilungen wegen einschlägiger Straftaten erheblich sind, sofern seit deren Rechtskraft weniger als fünf Jahre vergangen sind. So liegt es hier. Die Verurteilungen der Geschäftsführerin und ihres Ehemannes sind erst seit dem 29.3.2017 rechtskräftig. Anhaltspunkte dafür, dass dessen ungeachtet die Vermutung der Unzuverlässigkeit widerlegt sein könnte, sind nicht ersichtlich. Es ist nicht ausgeschlossen, die gesetzliche Vermutung der Unzuverlässigkeit als widerlegt anzusehen, wenn die Fünf-Jahres-Frist noch nicht verstrichen ist, die Straftat aber ‒ etwa nach einer langen Dauer des Strafverfahrens ‒ sehr weit zurückliegt und der Betroffene sich seither straffrei geführt hat. Hierfür lassen sich jedoch keine festen Zeiträume angeben, es kommt vielmehr auf die besonderen Umstände des Einzelfalles an. Erst nach einem Zeitraum von zehn Jahren seit der Straftat lässt sich nach höchstrichterlicher Rechtsprechung möglicherweise annehmen, die Regelvermutung greife nicht mehr Platz.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Beschluss vom 9.7.1993 ‒ 1 B 105.93 ‒, GewArch 1993, 414 = juris, Rn. 4.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Weder ist der letztgenannte Zeitraum überschritten, noch sind Umstände vortragen, die für eine Widerlegung der Vermutung sprechen könnten. Der Antragsgegner hat zu Recht darauf verwiesen, dass hinsichtlich einer weiteren Tätigkeit der Antragstellerin sowohl auf Grund der Straftat ihrer Geschäftsführerin als auch auf Grund der Beschäftigung des wegen Betruges verurteilten Ehemanns in leitender Stellung Gefahren für den Schutz der gemeinschaftlichen Wirtschaft bestehen. Es ist nichts dafür vorgetragen noch besteht ein Anhalt dafür, dass eine Gefährdung von Gemeinschaftsgütern mit der gebotenen Sicherheit ausgeschlossen werden könnte.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.</p>
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<p>Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das auf die mündliche Verhandlung vom 9.10.2018 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf wird abgelehnt.</p>
<p>Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.</p><br style="clear:both">
<h1><span style="text-decoration:underline">Gründe:</span></h1>
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG). Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht beantwortete Rechtsfrage oder eine im Bereich der Tatsachenfeststellung bisher obergerichtlich nicht geklärte Frage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die sich in dem angestrebten Berufungsverfahren stellen würde und die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts berufungsgerichtlicher Klärung bedarf. Für die Darlegung dieser Voraussetzungen ist neben der Formulierung einer Rechts- oder Tatsachenfrage erforderlich, dass der Zulassungsantrag konkret auf die Klärungsbedürftigkeit und -fähigkeit der Rechts- bzw. Tatsachenfrage sowie ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingeht.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26.4.2018 – 4 A 869/16.A –, juris, Rn. 4 f., m. w. N.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Diesen Darlegungsanforderungen genügt die Antragsbegründung nicht. Die vom Kläger aufgeworfene Frage,</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">ob mittellose Personen ohne familiäre Unterstützung, die an einer schwerwiegenden psychischen Erkrankung leiden, in Pakistan die Möglichkeit haben, adäquat behandelt zu werden,</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">führt nicht zur Berufungszulassung. Der Kläger zeigt bereits nicht auf, dass sich diese Frage in einem Berufungsverfahren stellen würde. Das Verwaltungsgericht ist unter Würdigung der Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung davon ausgegangen, dass sich seine Familie um ihn kümmern, und sowohl seinen Lebensunterhalt sicherstellen als auch ihm die erforderliche ärztliche Behandlung zukommen lassen werde (Urteilsabdruck Seite 8, letzter Absatz, bis Seite 9, erster Absatz). Dem ist der Kläger nicht mit durchgreifenden Zulassungsgründen entgegen getreten. Deshalb kommt es nicht auf den im Zulassungsverfahren ohnehin nicht berücksichtigungsfähigen,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">vgl. hierzu: BVerwG, Urteil vom 25.11.2008 ‒ 10 C 25.07 ‒, NVwZ 2009, 595 = juris, Rn. 13,</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">neuen Sachvortrag an, der Kläger sei mittlerweile wegen seiner psychischen Erkrankung unter Betreuung gestellt worden.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Der Einwand des Klägers, das erstinstanzliche Gericht sei dem Beweisantrag auf Vernehmung des behandelnden Arztes nicht gefolgt, führt als Rüge eines Aufklärungsmangels nicht zur Zulassung der Berufung.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Einen vom Gericht übergangenen Beweisantrag des Inhalts, den behandelnden Arzt zu befragen, ob die Weiterbehandlung des Klägers auf niedrigen Niveau dazu führen könne, dass er suizidal und/oder sich bei ihm eine wesentliche lebensbedrohliche Verschlechterung seines Gesundheitszustandes einstellen werde, hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausweislich des Protokolls nicht gestellt. Dass das Protokoll insoweit unvollständig oder unrichtig sein könnte, ist weder geltend gemacht noch ersichtlich, zumal der Kläger auch keine Protokollberichtigung begehrt hat.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Im Übrigen begründet ein Aufklärungsmangel grundsätzlich ‒ so auch hier ‒ weder einen Gehörsverstoß noch gehört er zu den sonstigen Verfahrensmängeln im Sinne der §§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG, 138 VwGO. Dies gilt auch insoweit, als der gerichtlichen Aufklärungspflicht verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26.9.2018 ‒ 4 A 2730/17.A ‒, juris, Rn. 8 f., m. w. N.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und § 83b AsylG.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.</p>
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171,119 | bverfg-2019-01-16-2-bvr-108118 | {
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"slug": "bverfg",
"city": null,
"state": 2,
"jurisdiction": "Verfassungsgerichtsbarkeit",
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} | 2 BvR 1081/18 | 2019-01-16T00:00:00 | 2019-01-29T12:49:09 | 2019-01-29T12:49:09 | Nichtannahmebeschluss | ECLI:DE:BVerfG:2019:rk20190116.2bvr108118 | <h2>Tenor</h2>
<div>
<dl class="RspDL">
<dt/>
<dd>
<p>Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgelehnt.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt/>
<dd>
<p>Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.</p>
</dd>
</dl>
</div>
<h2>Gründe</h2>
<div>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_1">1</a>
</dt>
<dd>
<p>Die Verfassungsbeschwerde betrifft den erfolglosen Amtshaftungsprozess eines Strafgefangenen, der unter vollständiger Entkleidung in der Justizvollzugsanstalt rechtswidrig durchsucht wurde.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_2">2</a>
</dt>
<dd>
<p>Sie ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Voraussetzungen nach § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen (vgl. BVerfGE 90, 22 <24 ff.>). Zwar verletzt das Urteil des Landgerichts den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG; die Verfassungsbeschwerde ist jedoch unzulässig.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_3">3</a>
</dt>
<dd>
<p>1. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der Beschwerdeführer die Frist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG zur Erhebung der Verfassungsbeschwerde nicht eingehalten hat. Der von dem Beschwerdeführer eingelegte "Antrag auf Zulassung der Berufung" war nicht geeignet, die Frist zur Einlegung der Verfassungsbeschwerde offen zu halten. Als gesetzlich nicht vorgesehener und damit von vornherein aussichtsloser Rechtsbehelf gehörte er nicht zum Rechtsweg (vgl. BVerfGE 5, 17 <19>; 48, 341 <344>; BVerfGK 7, 115 <116>; 11, 203 <205 ff.>; 20, 300 <302 ff.>).</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_4">4</a>
</dt>
<dd>
<p>2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war abzulehnen, weil der Beschwerdeführer weder ausreichend dargelegt noch glaubhaft gemacht hat, dass er ohne Verschulden daran gehindert war, die Verfassungsbeschwerde innerhalb der Monatsfrist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG einzureichen (§ 93 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG). Der von ihm in der Sache vorgetragene Rechtsirrtum rechtfertigt nur in Ausnahmefällen die Annahme fehlenden Verschuldens (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 25. März 2013 - 1 BvR 539/13 -, juris, Rn. 5). Eine solche Ausnahme hat er nicht vorgetragen.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_5">5</a>
</dt>
<dd>
<p>3. Vor diesem Hintergrund kommt es nicht darauf an, dass das angegriffene Urteil des Landgerichts den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_6">6</a>
</dt>
<dd>
<p>a) Eine mit Entkleidung verbundene Durchsuchung eines Strafgefangenen stellt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einen schwerwiegenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht dar (vgl. BVerfGK 2, 102 <105>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweitens Senats vom 29. Oktober 2003 - 2 BvR 1745/01 -, juris, Rn. 15; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 4. Februar 2009 - 2 BvR 455/08 -, juris, Rn. 25 und vom 10. Juli 2013 - 2 BvR 2815/11 -, juris, Rn. 15, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 5. November 2016 - 2 BvR 6/16 -, juris, Rn. 29).</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_7">7</a>
</dt>
<dd>
<p>b) Soweit das Landgericht die Amtshaftungsklage des Beschwerdeführers mit der Begründung abweist, dass ein Verschulden des Anstaltsleiters bei Anwendung der sogenannten Kollegialgerichtsrichtlinie des Bundesgerichtshofs (vgl. BGHZ 73, 161 <164>) nicht vorliege, ist die Argumentation verfassungsrechtlich bedenklich. Das Landgericht erkennt selbst, dass diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur für ein mit mehreren Rechtskundigen besetztes Kollegialgericht gilt. Das Gericht erkennt auch, dass die Beschlüsse der Strafvollstreckungskammer jeweils von einem Einzelrichter stammen. Es ist daher unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar, wenn das Landgericht dennoch - unter Heranziehung von § 196 Abs. 1 GVG - zur Anwendung der Kollegialgerichtsrichtlinie gelangt, weil sich zweimal nacheinander jeweils ein Einzelrichter der Strafvollstreckungskammer mit der Sache auseinandergesetzt habe und beide zu dem Ergebnis gekommen seien, dass die Durchsuchung rechtmäßig gewesen sei. Unabhängig davon, dass bei diesem Verständnis die innere Rechtfertigung für die Anwendung der Kollegialgerichtsrichtlinie (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juni 1983 - III ZR 41/82 -, juris, Rn. 20) entfiele, hat das einzige mit der Sache befasste Kollegialgericht, das Oberlandesgericht Karlsruhe, beide Beschlüsse der Strafvollstreckungskammern aufgehoben und die Maßnahme als rechtswidrig angesehen.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_8">8</a>
</dt>
<dd>
<p>4. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_9">9</a>
</dt>
<dd>
<p>Diese Entscheidung ist unanfechtbar.</p>
</dd>
</dl>
</div>
|
171,056 | olgmuen-2019-01-16-31-wx-43818 | {
"id": 277,
"name": "Oberlandesgericht München",
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"city": null,
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"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 31 Wx 438/18 | 2019-01-16T00:00:00 | 2019-01-29T12:40:03 | 2019-02-12T13:44:10 | Beschluss | <h2>Tenor</h2>
<div>
<p>Auf die Beschwerde wird die Nichtabhilfeentscheidung des Amtsgerichts Nördlingen - Nachlassgericht - vom 23.11.2018 aufgehoben und die Sache zur erneuten Durchführung des Abhilfeverfahrens an das Nachlassgericht zurückgegeben.</p>
</div>
<h2>Gründe</h2>
<div>
<p>I.</p>
<p><rd nr="1"/>Der Erblasser ist am ... 2015 verstorben und aufgrund Erbvertrags vom 4.9.2008 von seiner Ehefrau (= Beteiligte zu 1) allein beerbt worden.</p>
<p><rd nr="2"/>Der Beschwerdeführer (= Beteiligter zu 2) behauptet, er habe gegen den Erblasser „diverse Forderungen“ und beruft sich zur Glaubhaftmachung auf vorgelegte „Schuldscheine“ in Gesamthöhe von 745.900 €.</p>
<p><rd nr="3"/>Er beantragte am 23.08.2018 der Erbin eine Frist zur Inventarerrichtung zu bestimmen.</p>
<p><rd nr="4"/>Das Nachlassgericht wies den Antrag nach Anhörung der Alleinerbin mit Beschluss vom 21.09.2018 mit der Begründung zurück, die Ansprüche seinen nicht glaubhaft gemacht.</p>
<p><rd nr="5"/>Der am 22.10.2018 eingelegten Beschwerde hat das Nachlassgericht nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht vorgelegt.</p>
<p>II.</p>
<p><rd nr="6"/>Die in formeller Hinsicht nicht zu beanstandende Beschwerde gegen den Beschluss des Nachlassgerichts vom 21.9.2018 hat in der Sache einen vorläufigen Erfolg.</p>
<p><rd nr="7"/>Die Sache ist unter Aufhebung des Vorlagebeschlusses an das Nachlassgericht zurückzugeben, da das Abhilfeverfahren an einem schwerwiegenden Verfahrensmangel - Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs - leidet.</p>
<p><rd nr="8"/>1. Zweck des Abhilfeverfahrens - auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit - ist es, dass das Ausgangsgericht seine Entscheidung noch einmal überprüft und der Beschwerde gegebenfalls abhilft, bevor das Obergericht mit ihr befasst wird (OLG München Rpfleger 2017, 16; Lipp in: MüKo ZPO, 4. Auflage <2012> § 572 Rn. 5).</p>
<p><rd nr="9"/>In jedem Falle hat sich das Ausgangsgericht mit dem Beschwerdevorbringen sachlich auseinander zu setzen, insbesondere um dem Beschwerdegericht die Überprüfung zu ermöglichen, ob das Nachlassgericht seiner Verpflichtung zur Selbstkontrolle nachgekommen ist (Horn in: NK/Nachfolgerecht, 2. Auflage <2018>, <verweis.norm>§ 68 <v.abk ersatz="FamFG">FamFG</v.abk></verweis.norm> Rn. 5). Für die Begründungsintensität kommt es auch darauf an, ob sich das Ausgangsgericht in der Ausgangsentscheidung bereits mit den Argumenten des Beschwerdevorbringens auseinander gesetzt hat (Horn, a.a.O.).</p>
<p><rd nr="10"/>Aufgabe des Nachlassgerichts in einem Verfahren, in dem der Amtsermittlungsgrundsatz (<verweis.norm>§ 26 <v.abk ersatz="FamFG">FamFG</v.abk></verweis.norm>) gilt, ist es, den maßgeblichen Sachverhalt - gemessen an den tatbestandlichen Voraussetzungen - ausreichend zu ermitteln und diesen Sachverhalt in der Entscheidung dergestalt darzustellen, dass er eine Überprüfung durch das Beschwerdegericht ermöglicht.</p>
<p><rd nr="11"/>Mithin obliegt es im Verfahren mit Amtsermittlungsgrundsatz grundsätzlich dem Nachlassgericht selbst, die für das Verfahren entscheidungserheblichen Tatsachen von Amts wegen in das Verfahren einzuführen (Keidel/Sternal, a.a.O., § 26 Rn. 12). In Verfahren, in denen einem Beteiligten die Glaubhaftmachung seiner Behauptungen obliegt, reduziert sich die dem Gericht obliegende Pflicht zur Vornahme von Ermittlungen insoweit, als das Gericht berechtigt ist, vom Antragsteller die Tatsachen zu verlangen, die es seiner Entscheidung zugrunde legen soll (Keidel/Sternal, a.a.O., Rn. 18).</p>
<p><rd nr="12"/>2. Diesen Anforderungen wird die Abhilfeentscheidung des Nachlassgerichts nicht gerecht.</p>
<p><rd nr="13"/>Die Abhilfeentscheidung kann schon deswegen keinen Bestand haben, weil das Nachlassgericht den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht in der gebotenen Art und Weise festgestellt (und in der angefochtenen Entscheidung dargestellt) hat und auch nicht erkennbar ist, ob/dass es sodann vom zutreffenden Begriff der Glaubhaftmachung ausgegangen ist.</p>
<p><rd nr="14"/>a) Die angefochtene Entscheidung lässt schon nicht erkennen, aufgrund welcher konkreten Forderungen des Beschwerdeführers überhaupt eine Inventarerrichtung nach <verweis.norm>§ 1994 <v.abk ersatz="BGB">BGB</v.abk></verweis.norm> in Betracht kommen sollte. Vielmehr heißt es in der angefochtenen Entscheidung lediglich, dass die Erbin Einwendungen gegen den Bestand der behaupteten Forderung erhebe, die ihrerseits Gegenstand eines Verfahrens vor dem Landgericht Augsburg seien.</p>
<p><rd nr="15"/>Hier hätte das Nachlassgericht in der Entscheidung konkret darzustellen, welcher Forderungen sich der Antragsteller im Einzelnen berühmt, wobei es nicht die Aufgabe des Nachlassgerichts ist, sich aus vom Beschwerdeführer vorgelegten, - teils nur schwer leserlichen - fotokopierten Quittungen den entscheidungserheblichen Sachverhalt selbst herauszusuchen. Der pauschale Vortrag des Antragstellers, es bestünden „diverse Forderungen“, die mit Schuldscheinen belegt seien, stellt nämlich seinerseits keine taugliche Tatsachengrundlage dar, auf deren Grundlage das Nachlassgericht entscheiden durfte, da ihm jedwede Substanz fehlt.</p>
<p><rd nr="16"/>Ergeht dennoch eine Entscheidung auf dieser - erkennbar - unzureichenden Tatsachenbasis, wird der Anspruch auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes und damit zugleich rechtliches Gehör verletzt (Art. 20 Abs. 3 GG), denn der Entscheidung fehlt jede tragfähige Grundlage. Es wäre danach Aufgabe des Nachlassgerichts gewesen, den Antragsteller durch Hinweise, ggf. verbunden mit einer Fristsetzung, zu einem entsprechenden Sachvortrag anzuhalten (<verweis.norm>§ 27 <v.abk ersatz="FamFG">FamFG</v.abk></verweis.norm>).</p>
<p><rd nr="17"/>b) (Erst) nach der Ermittlung des Sachverhalts kann das Nachlassgericht beurteilen, ob die behaupteten Forderungen glaubhaft gemacht worden sind, wobei es alle wesentlichen Umstände zu berücksichtigen und zu gewichten hat (KG FGPrax 2005, 28/29). Auch insoweit hat die Entscheidung die wesentlichen Erwägungen zu enthalten, um eine Überprüfung durch das Beschwerdegericht zu ermöglichen, insbesondere sind das zugrunde gelegte Beweismaß und die in die Abwägung einbezogenen Gesichtspunkte darzustellen.</p>
<p><rd nr="18"/>3. Aufgrund der geschilderten Mängel war die Abhilfeentscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Durchführung des Abhilfeverfahrens an das Nachlassgericht zurückzugeben. Würde der Senat seinerseits erstmals den entscheidungserheblichen Sachverhalt ermitteln und in der Sache entscheiden, würde der Antragsteller faktisch eine Instanz verlieren, weil dann allein der Senat beurteilen würde, ob entsprechende Forderungen glaubhaft gemacht sind oder nicht, so dass der mit der Rückgabe verbundene zeitliche Mehraufwand im Vergleich zum Verlust einer Tatsacheninstanz vertretbar erscheint.</p>
<p><rd nr="19"/>4. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:</p>
<p><rd nr="20"/>a) Soweit sich der Beschwerdeführer darauf beruft, er habe gegen den Erblasser „diverse Forderungen“, liegt ein hinreichender Sachvortrag nur dann vor, wenn der Antragsteller die behaupteten Forderungen auflistet und der jeweiligen Forderung das entsprechende Beweismittel zuordnet. Erforderlich ist insoweit ein Vortrag, der erkennen lässt, auf welchem Schuldgrund die angebliche Forderung beruht, wann die Schuld begründet worden sein soll, wer die Vertragsparteien sind und welches (zuordenbare) Beweismittel zur Verfügung steht.</p>
<p><rd nr="21"/>b) Sollte der Beschwerdeführer entsprechend vortragen und es nach dem Vorgenannten im weiteren Verfahren auf die vom Antragsteller vorgelegten „Schuldscheine“ ankommen, handelt es sich um Privaturkunden, deren Echtheit bestritten wurde. Dies hätte zur Folge, dass deren Echtheit zu beweisen ist (vgl. <verweis.norm>§ 440 Abs. 1 <v.abk ersatz="ZPO">ZPO</v.abk></verweis.norm>). Der Beschwerdeführer hat insoweit Schriftvergleichung beantragt, die grundsätzlich im Wege der Inaugenscheinnahme erfolgt (Thomas/Putzo/Reichold ZPO 39. Auflage <2018> § 441 Rn. 1).</p>
<p><rd nr="22"/>c) Der (verfahrensrechtliche) Begriff der Glaubhaftmachung wird von <verweis.norm>§ 1994 <v.abk ersatz="BGB">BGB</v.abk></verweis.norm> nicht definiert, sondern vorausgesetzt. Unter Glaubhaftmachung ist eine Art der Beweisführung zu verstehen, durch die dem Gericht nicht die volle Überzeugung, sondern lediglich die überwiegende Wahrscheinlichkeit eines zu beweisenden Sachverhalts vermittelt werden muss (Keidel/Sternal FamFG, 19. Auflage <2018> § 31 Rn. 3). Zur Führung dieses Beweises darf sich die beweisbelastete Partei aller Beweismittel, einschließlich der Versicherung an Eides statt bedienen, wobei gemäß <verweis.norm>§ 31 Abs. 2 <v.abk ersatz="FamFG">FamFG</v.abk></verweis.norm> nur präsente Beweismittel in Betracht kommen.</p>
<p>Erlass des Beschlusses (§ 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG): Übergabe an die Geschäftsstelle am 17.01.2019.     </p>
</div>
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|
188,478 | ovgnrw-2019-01-15-20-a-79717pvl | {
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"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 20 A 797/17.PVL | 2019-01-15T00:00:00 | 2019-02-11T11:04:05 | 2019-02-12T13:55:07 | Beschluss | ECLI:DE:OVGNRW:2019:0115.20A797.17PVL.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Der angefochtene Beschluss wird geändert.</p>
<p>Der Antrag wird abgelehnt.</p>
<p>Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Gründe</span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Beteiligte teilte dem Antragsteller im Rahmen der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit Schreiben vom 21. September 2015 mit: Es sei aufgrund der zu erwartenden gesteigerten Anzahl von Zuweisungen von Flüchtlingen erforderlich, die Hausmeisterkapazitäten für die Gemeinschaftsunterkünfte und Wohnungen in einem Bereich zu bündeln, um die Organisation und Koordination der Hausmeistertätigkeiten zu erleichtern. Unter anderem die Hausmeister W.      und S.      W1.      würden deshalb ab dem 1. Oktober 2015 nicht mehr dem Bereich 32.2 (Ordnung und Soziales), sondern dem Bereich 71.3 (Bau und Liegenschaften) zugeordnet.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Antragsteller machte daraufhin ein Mitbestimmungsrecht bezüglich dieser Maßnahme geltend. Die Beteiligte erwiderte: Es sei keine Neuorganisation der Hausmeisterdienste beabsichtigt, sondern lediglich eine Bündelung aller für sie tätigen Hausmeister in dem dafür zuständigen Bereich 71. Es handele sich insoweit lediglich um eine rein organisatorische Änderung, die keiner Zustimmung des Antragstellers bedürfe.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der Antragsteller hat am 25. November 2015 das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren eingeleitet und vorgetragen: Bei der anderweitigen Zuordnung der beiden Hausmeister handele es sich um eine zustimmungspflichtige Umsetzung nach § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 LPVG NRW. Die beiden Hausmeister seien aus dem Bereich 32 in den Bereich 71 "überführt" worden. Sie müssten ihre Arbeiten künftig unter anderen personellen und organisatorischen Zuständigkeiten ausführen. Darüber hinaus lägen auch die Voraussetzungen des § 72 Abs. 3 Nr. 4 - Zweiter Mitbestimmungstatbestand - LPVG NRW, nämlich eine Änderung der Arbeitsorganisation, vor. Die Maßnahme diene dazu, den Arbeitsablauf in anderer Weise zu gestalten. Die Kräfte sollten in einem Fachbereich gebündelt und die Hausmeister in den Übergangswohnheimen unterstützt werden. Damit solle eine Neukoordination stattfinden. Dies sei typischerweise unter den Begriff der Arbeitsorganisation zu subsumieren. Für die beiden Hausmeister seien die Aufgaben neu hinzugekommen, die Ausstattung und Betreuung der angemieteten privaten Wohnungen bzw. "an allen städtischen Objekten" zu übernehmen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Antragsteller hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">festzustellen, dass die Zuordnung der Hausmeister W.      W1.      und S.      W1.      von dem Bereich 32.2 zu dem Bereich 71.3 seinem Mitbestimmungsrecht gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 und § 72 Abs. 3 Nr. 4 LPVG NRW unterliegt.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Beteiligte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">den Antrag abzulehnen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Zur Begründung hat sie vorgetragen: Eine anderweitige Zuordnung von städtischen Mitarbeitern bei unverändertem Aufgabenbereich, unverändertem Dienstort und unveränderter Eingruppierung stelle keine mitbestimmungspflichtige Umsetzung dar. Bloße Änderungen in dem Bestand der von den Hausmeistern zu betreuenden Objekte stellten keine Umsetzung und keine Änderung der Arbeitsorganisation dar. Auch die bloße organisatorische Änderung der Zuordnung vom Bereich 32.2 zum Bereich 71.3 begründe keine mitbestimmungspflichtige Maßnahme. Allein der Umstand, dass nunmehr ein anderer Vorgesetzter für sie zuständig sei, reiche für die Annahme einer Umsetzung ebenfalls nicht aus.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Mit Beschluss vom 24. März 2017 hat die Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen des Verwaltungsgerichts dem Antrag entsprochen und zur Begründung ausgeführt: Die streitige Maßnahme erfülle den Tatbestand einer mitbestimmungspflichtigen Umsetzung. Die Beteiligte habe zwar vorgetragen, dass alle Hausmeister stets für die Betreuung der städtischen Objekte zuständig gewesen seien und sich hieran durch die organisatorische Maßnahme nichts geändert habe. Dies stehe allerdings im Widerspruch zu der Aussage, dass mit Blick auf die steigenden Flüchtlingszahlen eine Unterstützung der in den Flüchtlingsheimen beschäftigten Hausmeister erreicht werden solle. Einer organisatorischen Änderung bzw. einer Änderung der Aufgabenbereiche hätte es aber dann nicht bedurft, wenn ohnehin von vornherein alle Hausmeister für alle städtischen Objekten zuständig gewesen wären. Überdies erhielten die beiden Hausmeister auch nach den eigenen Angaben der Beteiligten nicht nur einen anderen unmittelbaren Vorgesetzten, sondern auch einen anderen Ansprechpartner. Wenn die beiden Hausmeister zur Unterstützung der in den Übergangswohnheimen tätigen Hausmeister herangezogen werden sollten, spreche dies auch für eine Änderung der personellen Organisationsstruktur in Gestalt einer künftigen Zusammenarbeit. Bei der Zuordnung der beiden Hausmeister zum Bereich 71.3 handele es sich darüber hinaus auch um eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme im Sinne des § 72 Abs. 3 Nr. 4 LPVG NRW. In der Umstrukturierung und der (teilweisen) Aufgabenerweiterung liege eine Änderung der Arbeitsorganisation. Dies wirke sich konkret auf die Arbeitsabläufe der beiden Beschäftigten aus (Mitbetreuung der Flüchtlingsunterkünfte, Zusammenfassung in einem "Team" mit den anderen Hausmeistern, neue Koordination der Aufgabenteilung unter Leitung eines neuen Vorgesetzten und eines neuen Ansprechpartners).</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Gegen diesen Beschluss hat die Beteiligte Beschwerde erhoben. Zur Begründung führt sie unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen aus: Eine Umsetzung liege nicht vor. Der Aufgabenbereich der beiden genannten Hausmeister habe sich nicht geändert, sie seien nicht von ihrem bisherigen Dienstposten abberufen und einem neuen Dienstposten zugewiesen worden. Für die Beschäftigten ändere sich weder die Eingruppierung noch der Einsatzort. In dem Schreiben vom 21. September 2015 werde lediglich erläuternd darauf hingewiesen, dass der äußere Anlass für die Zuordnung sämtlicher Hausmeister in den Bereich 71.3 die gestiegene Anzahl von Zuweisungen von Flüchtlingen und damit die verstärkte Belegung von Gemeinschaftsunterkünften und Wohnungen sei. Hieraus dürfe nicht der Schluss gezogen werden, dass die beiden Hausmeister vor der Zuordnung in diesen Bereich nicht für solche Einrichtungen zuständig gewesen seien. Es habe bisher lediglich einen Hausmeister gegeben, der ausschließlich für die Betreuung der Obdachlosenunterkünfte in Zusammenarbeit mit dem Sozialdienst Katholischer Frauen und Männer (SKFM) eingesetzt gewesen sei. Diese Zuständigkeit sei historisch gewachsen aus einem gemeinsamen Projekt mit dem SKFM. Dieser Hausmeister solle künftig wie die anderen Hausmeister auch für alle städtischen Objekte zuständig sein. Insoweit sei auch ein Mitbestimmungsverfahren durchgeführt worden. Der Tatbestand der Umsetzung sei nicht schon dann gegeben, wenn sich der Bestand an zu betreuenden Objekten ändere, was ganz regelmäßig durch Schulneubauten, Einrichtung weiterer Kindertagesstätten oder Um- und Anbauten im Verwaltungsbereich der Fall sei. Die rein quantitative Erweiterung bzw. Veränderung der Aufgaben sei nicht geeignet, die Mitbestimmungspflicht nach § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 LPVG NRW zu begründen. Andernfalls wäre kaum ein Sachverhalt im Bereich der kommunalen Verwaltung denkbar, in dem dieser Mitbestimmungstatbestand nicht greife. Hinsichtlich des Mitbestimmungstatbestandes der Änderung der Arbeitsorganisation fehle es bereits an tragfähigen tatsächlichen Feststellungen. Es sei nicht erkennbar, inwieweit sich die Neuzuordnung auf die Arbeitsabläufe auswirken solle. Die Hausmeister täten exakt das, was sie vorher auch getan hätten. Sie hätten keine neuen Berichtspflichten, keine neuen Anforderungen an ihre Tätigkeiten, keine neuen Dienstzeiten und arbeiteten auch nicht intensiver, länger oder in irgendeiner Form verändert.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Beteiligte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">den angefochtenen Beschluss zu ändern und den Antrag abzulehnen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Der Antragsteller beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">die Beschwerde zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Zur Begründung nimmt er Bezug auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses und trägt ergänzend vor: Eine Umsetzung sei schon dann anzunehmen, wenn die Art der zu erledigenden Tätigkeiten identisch bleibe, aber der Beschäftigte unter veränderten personellen Gegebenheiten tätig werde. Dies sei hier durch die Neuzuordnung der Fall. Soweit die Beteiligte nunmehr vortrage, dass sich die Tätigkeit der Haumeister nicht geändert habe, bestreite er dies mit Nichtwissen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde der Beteiligten hat Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Der Antrag ist unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die Zuordnung der Hausmeister W.      und S.      W1.      von dem Bereich 32.2 zu dem Bereich 71.3 unterliegt nicht der Mitbestimmung des Antragstellers gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 LPVG NRW oder § 72 Abs. 3 Nr. 4 - Zweiter Mitbestimmungstatbestand - LPVG NRW.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Eine Umsetzung im Sinne des § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 LPVG NRW setzt einen Wechsel des Dienstpostens, also die Abberufung von dem bisherigen und die Zuweisung eines anderen Dienstpostens, voraus. Für verwaltungsorganisatorische Maßnahmen, die zu einer Änderung des Aufgabenbereichs der Beschäftigten führen, gilt kein anderer Maßstab. Nicht jeder Dienstpostenwechsel, sondern nur ein solcher ist mitbestimmungspflichtig, der in die individuelle Rechtssphäre des Betroffenen eingreift. Dieses zusätzliche "subjektive Kriterium" ist nicht isoliert zu betrachten. Änderungen des personellen Umfeldes und der zu erfüllenden Aufgaben allein reichen nicht aus, um eine Umsetzung im Sinne des § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 LPVG NRW zu bejahen. Andernfalls unterlägen verwaltungsorganisatorische Maßnahmen im großen Umfang der Mitbestimmungspflicht. Das widerspräche nicht nur der Organisationshoheit des Dienstherrn, sondern auch der Systematik des § 72 LPVG NRW. Die Vorschrift betrachtet die Umsetzung als Personalangelegenheit, unterwirft Organisationsangelegenheiten in Absatz 3 einer eigenständigen Regelung und gibt mit der Gleichstellung von Abordnung, Versetzung und Umsetzung in Absatz 1 zu erkennen, dass nicht schon bloße verwaltungsorganisatorische Maßnahmen, sondern nur solche von deutlich höherem, nämlich Abordnung und Versetzung vergleichbarem Gewicht als Umsetzung gewertet werden können. Eine bloße Aufgabenänderung erfüllt ebenso wenig wie eine Organisationsänderung die Voraussetzungen einer Umsetzung, wenn mit ihr nicht ein Dienstpostenwechsel verbunden ist. Abgrenzungsfragen zwischen Umsetzung und Aufgabenänderung können etwa dann auftreten, wenn dem Beschäftigten ein Teil der Aufgaben seines bisherigen Dienstpostens entzogen und ihm dafür neue Aufgaben übertragen werden. Von einer mitbestimmungspflichtigen (Teil-)Umsetzung ist dann auszugehen, wenn der entzogene Aufgabenteil prägend für den Dienstposten gewesen ist und der Dienstposten durch den neuen Aufgabenbereich eine neue, andere Prägung enthält.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Vgl. zum Ganzen BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 1996 - 6 P 8.95 -, juris, Rn. 17 ff.; vorgehend OVG NRW, Beschluss vom 25. März 1994   - CL 52/90 -, juris, Rn. 3 ff.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Nach diesen Grundsätzen ist die streitige Zuordnung zu einem anderen Bereich eine bloße verwaltungsorganisatorische Maßnahme, nämlich eine Dienstpostenverlagerung, und keine Zuweisung eines anderen Dienstpostens. Es ist nicht ersichtlich, dass mit der Neuzuordnung qualitative Änderungen für die Aufgabenerfüllung verbunden sind. Dies gilt auch dann, wenn die beiden Hausmeister nach der Zuordnung zum Bereich 71.3 teilweise weitere Gebäude betreuen müssen. Die zwischen den Verfahrensbeteiligten streitige Frage, ob für die beiden Hausmeister neue Aufgaben hinzugekommen sind, ist so nicht entscheidungserheblich. Anhaltspunkte dafür, dass mit der ‑ im Sinne des Vortrags des Antragstellers unterstellten ‑ Übertragung neuer Aufgaben ihr Dienstposten ein anderes Gepräge erhalten hat, ergeben sich aus dem Vortrag des Antragstellers nicht und sind auch sonst nicht ersichtlich. Insbesondere waren die beiden Hausmeister, wie der Vertreter der Beteiligten in der mündlichen Anhörung nochmals klargestellt hat, schon vor der Neuzuordnung der Hausmeister zu dem Bereich 71.3 für die Flüchtlingsunterkünfte in der Stadt N.       zuständig.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die streitige Neuzuordnung ist auch keine Maßnahme zur Änderung der Arbeitsorganisation. Nach § 72 Abs. 3 Nr. 4 LPVG NRW - Zweiter Mitbestimmungstatbestand -, auf den der Antragsteller sich allein beruft, hat der Personalrat, soweit - wie hier - eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, bei Maßnahmen der Änderung der Arbeitsorganisation mitzubestimmen.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Unter Arbeitsorganisation im Sinne von § 72 Abs. 3 Nr. 4 - Zweiter Mitbestimmungstatbestand - LPVG NRW ist die planmäßige Regelung der Arbeitsabläufe zur Erfüllung der Aufgaben der Dienststelle durch deren Beschäftigte zu verstehen, wobei sich die Maßnahme unmittelbar auf die Arbeitsausführung, das heißt auf die bisher von den einzelnen Beschäftigten konkret vorzunehmenden Arbeitsgänge, auswirken muss.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 24. März 2015 ‑ 20 A 97/14.PVL ‑, juris, Rn. 71.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Im Hinblick auf das Vorbringen des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers in der mündlichen Anhörung sei insoweit nochmals zur Erläuterung darauf hingewiesen, dass die Mitbestimmungstatbestände des § 72 Abs. 3 LPVG Organisationsangelegenheiten und nicht Personalangelegenheiten betreffen. Es kann deshalb nur von einer Änderung der Arbeitsorganisation gemäß § 72 Abs. 3 Nr. 4 LPVG NRW - Zweiter Mitbestimmungstatbestand - die Rede sein, wenn sich die Arbeitsabläufe in der Dienststelle ändern, aber nicht, wenn für einzelne Beschäftigte etwa wegen einer Änderung des Aufgabenbereichs veränderte Arbeitsabläufe gelten. Der Begriff "Arbeitsorganisation" ist nicht mit dem Begriff "Behördenorganisation" gleichzusetzen. Maßnahmen der Behördenorganisation wie hier die Änderung der Zuordnung der beiden Hausmeister von dem Bereich 32.2 zum Bereich 71.3 haben nicht die Regelung von Arbeitsabläufen zum Gegenstand; sie erschöpfen sich vielmehr in einer organisatorischen Regelung.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Hier bleiben die von den beiden Beschäftigten vorzunehmenden Arbeitsgänge unverändert. Ihnen mögen neue Aufgaben übertragen worden und die Arbeit damit neu oder anders verteilt worden sein. Eine Änderung der Arbeitsorganisation ist damit aber nicht verbunden.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Eine Kostenentscheidung entfällt im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen dafür nicht vorliegen.</p>
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"city": 471,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Amtsgericht"
} | 48 C 3429/18 | 2019-01-15T00:00:00 | 2019-02-11T11:04:05 | 2019-02-12T13:55:07 | Urteil | ECLI:DE:AGMS:2019:0115.48C3429.18.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p>Die Berufung wird zugelassen.</p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Leistung von Sicherheit in Höhe von 120 Prozent des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">Tatbestand</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche der Klägerin aus heilmedizinischer Behandlung.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin unterhält ein Universitätsklinikum; sie bietet sowohl stationäre, als auch ambulante Heilbehandlung an. Die Beklagte war Patientin der Klägerin in der Klink für Hautkrankheiten.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte ist gesetzlich krankenversichert bei der Barmer Krankenversicherung.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte suchte die Klägerin am 24.01.2018 nicht notfallmäßig auf und legte eine Krankenversichertenkarte, aber keinen gültigen Überweisungsschein eines niedergelassenen Vertragsarztes vor. Zugleich unterzeichnete die Beklagte einen Behandlungsvertrag, wegen dessen Inhalt auf Blatt 26 der Akte verwiesen wird.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin behandelte die Beklagte ambulant. Die Klägerin fakturierte über die Behandlung 113,33 €; wegen des Inhalts der Rechnung wird auf Blatt 24 f. der Akte verwiesen. Zahlungen leistete die Beklagte nicht.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin ist der Ansicht, dass die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts gemäß § 29 ZPO in Verbindung mit § 269 BGB begründet sei.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 113,33 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2018 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Privatliquidation nicht zulässig sei, da – unstreitig – die Barmer als Kostenträger und ihr Arzt als Einweiser im Behandlungsvertrag aufgeführt sind.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">Entscheidungsgründe</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist unzulässig.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Das angerufene Gericht ist nicht örtlich zuständig; insbesondere folgt die Zuständigkeit nicht aus § 29 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat ihren Wohnsitz in Werl; der allgemeine Gerichtsstand der Beklagten (§§ 12 f. ZPO) liegt mithin nicht im Bezirk des angerufenen Gerichts. Auch der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsortes im Sinne von § 29 Abs. 1 ZPO ist nicht begründet.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Gemäß § 29 Abs. 1 ZPO ist für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis das Gericht des Ortes zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist. Damit bestimmt der gesetzliche Erfüllungsort den Gerichtsstand. Dies ist der Ort, an dem nach den gesetzlich bestehenden Vorschriften die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist. Wo die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist, ist aus dem Vertragsinhalt zu ermitteln (vgl. <em>Patzina</em> in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016, § 29 Rn. 19). Die Bestimmung des Leistungsortes hat auch bei gegenseitigen Verträgen für die beiderseitigen Verpflichtungen grundsätzlich getrennt zu erfolgen (vgl. LG Mainz, Urteil vom 02.04.2003, - Urteil vom 02.04.2003, - 3 S 345/02 -, NJW 2003, 1612).</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Ob bei Heilbehandlungen der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsortes begründet wird, ist streitig. Während die höchstrichterliche Rechtsprechung bei Krankenhausaufnahmeverträgen und damit stationären Heilbehandlungen den Erfüllungsort am Ort des Krankenhauses oder der Klinik annimmt (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 08.12.2011, - III ZR 114/11 -, NJW 2012, 860; OLG Celle, Beschluss vom 14.08.1989, - 1 W 23/89 -, NJW 1990, 777; <em>Patzina</em>, a.a.O., Rn. 65 m.w.N.; a.A. OLG Zweibrücken, Urteil vom 27.02.2007, - 5 U 58/06 -, NJW-RR 2007, 1145; LG Magdeburg, Beschluss vom 06.08.2008, - 9 O 1462/04 -, NJW-RR 2008, 1591; <em>Simmler</em> in: Bergmann/Pauge/Steinmeyer, Gesamtes Medizinrecht, 3. Auflage 2018, § 29 ZPO Rn. 3; <em>Bendtsen</em> in: Saenger ZPO, 7. Auflage 2017, § 29 Rn. 7), gilt dies im Hinblick auf ambulante Behandlungen nicht.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Eine Ansicht sieht auch bei ambulanter Heilbehandlung die örtliche Zuständigkeit des Gerichts, in dessen Bezirk die Behandlung erfolgte bzw. der Behandler seine Praxis hat, als begründet an (<em>Schulzky</em> in: Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Auflage 2018, § 29 Rn. 25 „Ärztlicher Behandlungsvertrag“; <em>Patzina</em>, a.a.O., Rn. 41 m.w.N.).</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Dies folge daraus, dass für die beiderseitigen Leistungen und Ansprüche aus einem Dienstvertrag – wozu auch der Behandlungsvertrag zählt – der Ort der Dienstleistung als gemeinsamer Erfüllungsort anzunehmen sei. Zu den gegenseitigen Leistungen aus diesem Dienstvertrag gehörten insbesondere die Behandlung und deren Bezahlung als solche (vgl. AG Rottweil, Urteil vom 16.12.1998, - 5 C 234/98 -, BeckRS 1998, 31216435). Für ärztliche Leistungen sei zu berücksichtigen, dass diese zu den Praxisräumen in enger örtlicher Bezogenheit erbracht würden, und – anders als etwa rechtsanwaltliche Dienstleistungen, für die § 29 Abs. 1 ZPO nicht einschlägig ist (vgl. BGH, Urteil vom 04.03.2004, - IX ZR 101/03 -, NJW-RR 2004, 932) – nicht mit Fernabsatzmitteln erfüllt werden könnten (vgl. AG Hamburg-Blankenese, Urteil vom 29.06.2016, - 531 C 241/15 -, BeckRS 2016, 15939).</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die Gegenansicht sieht die Voraussetzungen von § 29 Abs. 1 ZPO im Fall der ambulanten Heilbehandlung nicht als gegeben an (vgl. LG Heidelberg, Beschluss vom 14.02.2014, - 5 O 275/13 -, NJW-RR 2014, 777; LG Mannheim, Urteil vom 13.03.2009, - 1 S 142/08 -, BeckRS 2009, 8371; LG Mainz, a.a.O.; AG Münster, Urteil vom 12.07.2012, - 8 C 1530/12 -; AG Frankfurt, Urteil vom 29.10.1998, - 30 C 1635/98 -, NJW 2000, 1802; AG Köln, Urteil vom 07.12.1993, - 129 C 340/93 -, NJW-RR 1995, 185; <em>Bendtsen</em> a.a.O.).</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Dazu wird angeführt, dass das Gericht bei der Bestimmung des Erfüllungsortes prozessual keinen anderen Bestimmungsort zugrundelegen darf, als ihn das materielle Recht vorgibt (vgl. AG Köln, a.a.O.). Der Leistungsort, der – ungeachtet der Frage, wo die Erfüllung eintritt – dem Erfüllungsort im Sinne des § 29 ZPO entspricht, ist gemäß § 269 BGB in erster Linie aus den Umständen, insbesondere der Natur des Schuldverhältnisses zu entnehmen; ist dies nicht möglich, so ist Leistungsort der Ort, an dem der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz hat. Die Gegenauffassung verkenne, dass bei ambulanter Heilbehandlung gerade kein <em>einheitlicher</em> Erfüllungsort bestehe, da der Schwerpunkt der wechselseitigen Leistungen nicht einheitlich an einem Ort liege. Eine besondere Ortsgebundenheit der vertragscharakteristischen Dienstleistung, nämlich der Krankenhausbehandlung, sei in Bezug auf die Verpflichtung des Patienten zur Zahlung der Krankenhauskosten nicht ersichtlich (vgl. AG Frankfurt, a.a.O., 1803). Es fehlten die für den einheitlichen Leistungsort über einen Schwerpunkt hinaus erforderlichen „weiteren Umstände“ (vgl. OLG Zweibrücken, Urteil vom 27.02.2007, - 5 U 58/06 -, NJW-RR 2007, 1145), die insbesondere etwa dann anzunehmen seien, wenn die Bezahlung üblicherweise an Ort und Stelle erledigt wird oder der Zahlungsschuldner weitere Hauptpflichten (wie etwa die Abnahme) vor Ort zu erbringen hat (vgl. LG Magdeburg, a.a.O., 1592). Diese weiteren Umstände gebe es beim Behandlungsvertrag nicht, insbesondere befinde sich der Patient im Zeitpunkt der Rechnungstellung und Bezahlung regelmäßig gar nicht mehr in der Behandlung des Behandlers. Auch nach der Verkehrssitte sei – anders als etwa beim Reparatur- oder Beherbergungsvertrag – regelmäßig von einem zeitlichen und örtlichen Auseinanderfallen von Behandlung und Bezahlung auszugehen (vgl. LG Osnabrück, Beschluss vom 22.07.2002, - 2 O 1279/02 -, NJW-RR 2003, 789). Schließlich entspreche es der Grundkonzeption des gegenseitigen Vertrages, die – entsprechend den Vorstellungen der Vertragsparteien – von der Gleichwertigkeit der beiderseitigen Leistungen ausgeht (vgl. <em>Einsiedler</em>, „Der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsorts nach § 29 ZPO: Ein Klägergerichtsstand?“ in: NJW 2001, 1549). Sind aber die gegenseitigen Pflichten gleichwertig, so sei es nicht begründbar, dass sich der Erfüllungsort der Geldleistungspflicht nach dem Erfüllungsort der Dienst- bzw. Werkleistung bestimmt (vgl. LG Mainz, a.a.O.).</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Der zweiten Auffassung ist zu folgen.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die Auffassung, die die örtliche Zuständigkeit am Ort der Behandlung begründen will, erscheint auch insoweit bedenklich, als sie in letzter Konsequenz in weiten Bereichen für die Geltendmachung von Geldschulden aus einem gegenseitigen Vertrag zu einem Klägergerichtsstand führt. Dies ist aber mit der Systematik und den Grundgedanken der gesetzlichen Regelung der §§ 12 ff. ZPO, wonach – gerade zum Schutz des mit der Klage Überzogenen – der Gerichtsstand grundsätzlich am Sitz des Bekl. sein soll, schwerlich vereinbar (vgl. LG Mainz, a.a.O., 1613; <em>Einsiedler,</em> a.a.O., 1550).</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Der Honoraranspruch des Arztes wird zudem regelmäßig gerade nicht entsprechend einer tatsächlichen Übung wie beim klassischen Ladengeschäft sogleich an Ort und Stelle beglichen. Vielmehr zahlen die (gesetzlichen) Krankenkassen und die Patienten typischerweise das Entgelt erst nach Rechnungsstellung bargeldlos von ihrem Sitz bzw. Wohnsitz aus (vgl. LG Mannheim, a.a.O.). Dass die Leistung des Arztes regelhaft in seiner Praxis stattfindet, stellt keine so besondere Situation dar, dass sie zwingend den Honoraranspruch auch an diesem Ort erfüllbar machen würde. Ein Grund für die Privilegierung von Ärzten und Krankenhäusern gegenüber anderen Dienstleistern ist nicht erkennbar (vgl. <em>Simmler</em>, a.a.O.). Der Gesetzgeber hat die Folgen des Leistungsortes der Geldschuld für den Gerichtsstand bedacht und sich gerade aus diesem Grunde für die Ausgestaltung als Schickschuld entschieden. Es läuft Sinn und Zweck von § 270 Abs. 3 BGB zuwider, wenn die Rechtsprechung unter Hinweis auf die „vertragstypische Leistung” faktisch häufig den Gläubigersitz zum Gerichtsstand macht (vgl. <em>Schmid</em>: „Zahlungsklage im Verbraucherprozeß: Besonderer Gerichtsstand des Erfüllungsorts“ in: MDR 1993, 410, 411).</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die Berufung war zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert, § 511 ZPO. Die Frage, ob die örtliche Zuständigkeit des Gerichts, in dessen Bezirk die ambulante Heilbehandlung erfolgte, begründet ist, ist umstritten. Im Übrigen widerspricht die Entscheidung ggf. der Entscheidung des Berufungsgerichts zum Aktenzeichen 11 S 4/12.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks"><strong>Rechtsbehelfsbelehrung:</strong></p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">1. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">2. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Die Berufung muss <strong>innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung</strong> dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Münster, Am Stadtgraben 10, 48143 Münster, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Münster zu begründen.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Münster durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr:</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite <span style="text-decoration:underline">www.justiz.de</span>.</p>
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} | II ZB 12/17 | 2019-01-15T00:00:00 | 2019-02-11T11:03:12 | 2019-02-11T11:03:12 | Beschluss | ECLI:DE:BGH:2019:150119BIIZB12.17.0 | <h2>Tenor</h2>
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<p>Die Rechtsbeschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 16. Februar 2017 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.</p>
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<p>Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 630,28 € festgesetzt.</p>
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<h2>Gründe</h2>
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<p>I.</p>
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<p>Die Parteien streiten im Kostenfestsetzungsverfahren über die Höhe der außergerichtlichen Kosten, die der Kläger dem Beklagten zu erstatten hat.</p>
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<p>Im zugrundeliegenden Rechtsstreit nahm der Kläger den Beklagten als Gründungsgesellschafter im Zusammenhang mit der Beteiligung an zwei Fondsgesellschaften auf Schadensersatz in Anspruch. Vor der Klageerhebung hatte er ein freiwilliges Güteverfahren vor einer von der Landesjustizverwaltung anerkannten Gütestelle eingeleitet, das erfolglos blieb. In dem Güteverfahren wurde der Beklagte von seinem späteren Prozessbevollmächtigten anwaltlich vertreten. Der nachfolgende Rechtsstreit endete durch einen Prozessvergleich, in dem die Parteien hinsichtlich der Kosten vereinbarten, dass der Kläger 90 % und der Beklagte 10 % der Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs zu tragen haben.</p>
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<p>Der Beklagte hat im Kostenfestsetzungsverfahren für das Güteverfahren Anwaltskosten in Höhe einer 1,5 Geschäftsgebühr nach Nr. 2303 VV RVG unter hälftiger Anrechnung auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG sowie die Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG zur Kostenausgleichung angemeldet. Das Landgericht hat die im Güteverfahren angefallenen Anwaltskosten als nicht erstattungsfähig angesehen und den vom Kläger zu erstattenden Betrag daher um 630,28 € geringer festgesetzt, als vom Beklagten beantragt.</p>
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<p>Das Beschwerdegericht hat die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss zurückgewiesen. Mit seiner vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Beklagte sein Kostenfestsetzungsbegehren in vollem Umfang weiter.</p>
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<p>1. Die statthafte (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.</p>
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<p>2. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung ausgeführt, die für das Güteverfahren geltend gemachten Rechtsanwaltsgebühren stellten keine erstattungsfähigen Kosten des Rechtsstreits nach § 91 ZPO dar. Sie fielen nicht unter § 91 Abs. 3 ZPO, da diese Bestimmung nur die Gebühren der Gütestelle, nicht aber Anwaltskosten erfasse. Auch handele es sich nicht um unmittelbar prozessbezogene, notwendige Vorbereitungskosten gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, zumal das Güteverfahren nicht obligatorisch, sondern freiwillig gewesen sei.</p>
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<p>3. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung stand.</p>
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<p>a) Die geltend gemachten Anwaltskosten sind nicht nach § 91 Abs. 3 ZPO als Kosten des Rechtsstreits zu behandeln, da sie keine durch ein Güteverfahren entstandenen Gebühren im Sinne dieser Vorschrift sind.</p>
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<p>Die Kosten eines Güteverfahrens vor einer anerkannten Gütestelle zählen, wie auch die Rechtsbeschwerde sieht, nicht zu den Kosten des Rechtsstreits selbst, weil das Güteverfahren nicht Teil des gerichtlichen Verfahrens ist (OLG München, MDR 1999, 380, 381; OLG Hamm, OLGR 2007, 672; Schneider in Prütting/Gehrlein, ZPO, 10. Aufl., § 91 Rn. 8). Hiervon ausgehend regelt § 91 Abs. 3 ZPO einen besonderen Fall vorgerichtlicher Kosten, indem er auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind, zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 zählt, sofern nicht zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.</p>
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<a name="rd_10">10</a>
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<p>Von dieser Regelung werden aber nur die Gebühren der Gütestelle erfasst, nicht auch die im Güteverfahren angefallenen Anwaltskosten (OLG Hamburg, OLGR 2002, 19, 20; BayObLG, NJW-RR 2005, 724; OLG Karlsruhe, OLGR 2008, 761, 762; Muthorst in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 91 Rn. 46; Zöller/Herget, ZPO, 32. Aufl., § 91 Rn. 9; MünchKommZPO/Schulz, 5. Aufl., § 91 Rn. 35 f.; Hk-ZPO/Gierl, 7. Aufl., § 91 Rn. 7; Flockenhaus in Musielak/Voit, ZPO, 15. Aufl., § 91 Rn. 7; BeckOK ZPO/Jaspersen, Stand: 1. Dezember 2018, § 91 Rn. 90; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 76. Aufl., § 91 Rn. 101; Hellstab in v. Eicken/Hellstab/Dörndorfer/Asperger, Die Kostenfestsetzung, 23. Aufl., Rn. B 317; Feller in Göttlich/Mümmler, RVG, 5. Aufl., "Güteverfahren", Anm. 3 "Kostenerstattung"; Pfab, Rpfleger 2005, 412; Schneider, NJW-Spezial 2010, 155; anders Schneider in Prütting/Gehrlein, ZPO, 10. Aufl., § 91 Rn. 8). Für diese Auslegung spricht bereits der Wortlaut der Norm, der nur von Gebühren, nicht aber auch von Auslagen oder allgemeiner gefasst von Kosten spricht. Eine auf Gebühren beschränkte Einbeziehung anwaltlicher Kosten erschiene nicht plausibel. Zwar verweist die Vorschrift, worauf die Rechtsbeschwerde hinweist, mit der Formulierung "im Sinne der Absätze 1, 2" auch auf § 91 Abs. 2 ZPO, der lediglich die Erstattungsfähigkeit anwaltlicher Kosten betrifft. Die Verweisung besagt im Ganzen aber nur, dass die in Absatz 3 genannten Gebühren zu den zuvor in § 91 Abs. 1, 2 ZPO aufgeführten Kosten des Rechtsstreits hinzutreten. Eine Ausweitung des Regelungsgehalts des Absatzes 3 ergibt sich hieraus nicht. Zudem enthält § 15a Abs. 4 EGZPO für das obligatorische Güteverfahren eine dem § 91 Abs. 3 ZPO nachgebildete Regelung und erklärt ausdrücklich nur die Kosten der Gütestelle zu "den Kosten des Rechtsstreits im Sinne des § 91 Abs. 1, 2 der Zivilprozessordnung". Hieraus hat bereits das Beschwerdegericht zu Recht gefolgert, dass auch die identische Formulierung in § 91 Abs. 3 ZPO keine, auf die Erwähnung von Abs. 2 gestützten, weitergehenden Schlüsse rechtfertigt.</p>
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<a name="rd_11">11</a>
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<p>b) Es handelt sich bei den hier geltend gemachten Kosten auch nicht um die Regelung in § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO unterfallende Vorbereitungskosten.</p>
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<a name="rd_12">12</a>
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<p>aa) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von § 91 Abs. 1 ZPO gehören neben den durch die Einleitung und Führung eines Prozesses ausgelösten Kosten auch diejenigen Kosten, die der Vorbereitung eines konkret bevorstehenden Rechtsstreits dienen. Diese werden aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit den Prozesskosten zugerechnet und können im Kostenfestsetzungsverfahren geltend gemacht werden (BGH, Beschluss vom 15. Mai 2013 - XII ZB 107/08, NJW 2013, 2668 Rn. 9; Beschluss vom 26. April 2017 - I ZB 41/16, WRP 2017, 835 Rn. 11, jew. mwN).</p>
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<a name="rd_13">13</a>
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<p>Unter diesem Gesichtspunkt wird verbreitet angenommen, dass die in einem obligatorischen Güteverfahren nach § 15a EGZPO aufgewandten Kosten der rechtsanwaltlichen Vertretung Kosten des nachfolgenden Rechtsstreits sind (BayObLG, NJW-RR 2005, 724; OLG Karlsruhe, OLGR 2008, 761, 762; OLG Köln, NJW-RR 2010, 431; Zöller/Herget, ZPO, 32. Aufl., § 91 Rn. 9; Hk-ZPO/ Gierl, 7. Aufl., § 91 Rn. 6; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 39. Aufl., § 91 Rn. 7a; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 76. Aufl., § 91 Rn. 101; Hellstab in v. Eicken/Hellstab/Dörndorfer/Asperger, Die Kostenfestsetzung, 23. Aufl., Rn. B 426; Feller in Göttlich/Mümmler, RVG, 5. Aufl., "Güteverfahren", Anm. 3 "Kostenerstattung"; Schneider, NJW-Spezial 2010, 155 f.; a.A. OLG Hamm, OLGR 2007, 672; kritisch auch Pfab, RPfleger 2005, 411, 413).</p>
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<a name="rd_14">14</a>
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<p>Diese Einschätzung wird insbesondere damit begründet, dass eine Klage, die ohne vorherige Durchführung eines notwendigen Güteverfahrens erhoben wird, ohne weiteres abzuweisen ist. Daher diene die Einleitung und Durchführung eines obligatorischen Güteverfahrens nicht nur der Vermeidung eines Rechtsstreits, sondern bilde zugleich eine notwendige Voraussetzung für eine gerichtliche Durchsetzung des Anspruchs und diene insoweit der Vorbereitung eines konkreten Rechtsstreits.</p>
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<a name="rd_15">15</a>
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<p>bb) Anwaltskosten, die in einem freiwilligen, nicht obligatorischen Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind, gehören hingegen nicht zu den Vorbereitungskosten, die im Falle ihrer Notwendigkeit nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu erstatten sind (LG Mönchengladbach, Rpfleger 2003, 269, 270; Feller in Göttlich/Mümmler, RVG, 5. Aufl., "Güteverfahren", Anm. 3 "Kostenerstattung"; Schons in Hartung/Schons/Enders, RVG, 3. Aufl., Nr. 2303 VV Rn. 13; Heck/Krafka/U. Schmidt in Prütting, Außergerichtliche Streitschlichtung, Rn. 599; Friedrich, NJW 2003, 3534, 3536; im Ergebnis ebenso OLG Hamburg, OLGR 2002, 19, 20; a.A. LG Nürnberg-Fürth, NJW-RR 2003, 1508; AnwK-RVG/Onderka/Schafhausen/Schneider/Thiel, 8. Aufl., VV 2303 Rn. 50; wohl auch MünchKommZPO/Schulz, 5. Aufl., § 91 Rn. 36, 38; BeckOKZPO/Jaspersen, Stand: 1. Dezember 2018, § 91 Rn. 90).</p>
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<a name="rd_16">16</a>
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<p>Denn die Durchführung eines freiwilligen Güteverfahrens dient im Wesentlichen einer außergerichtlichen Erledigung der Streitigkeit und nicht zugleich der Vorbereitung eines späteren Prozesses, für den es seiner Funktion nach regelmäßig keine verwertbaren Erkenntnisse oder Resultate erbringen kann. Kosten, die zur Abwendung eines drohenden Rechtsstreits aufgewendet werden, stellen keine Kosten der Prozessvorbereitung dar (BGH, Beschluss vom 6. Dezember 2007 - I ZB 16/07, NJW 2008, 2040 Rn. 8; Zöller/Herget, ZPO, 32. Aufl., §§ 103, 104 Rn. 21 "Außergerichtliche Anwaltskosten"). Daher lösen Bemühungen, die lediglich die Prozessvermeidung bezwecken, im Allgemeinen keine erstattungsfähigen Vorbereitungskosten aus. Dies gilt etwa für Mahnschreiben (BGH, Beschluss vom 27. April 2006 - VII ZB 116/05, NJW 2006, 2560 Rn. 7), wettbewerbsrechtliche Abmahnungen (BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2005 - I ZB 21/05, NJW-RR 2006, 501 Rn. 12) und Abwehrschreiben (BGH, Beschluss vom 27. April 2006 - VII ZB 116/05, NJW 2006, 2560 Rn. 7). Das Gleiche wird für Verfahren vor den Einigungsstellen der Industrie- und Handelskammern (OLG München, MDR 1999, 380, 381; Zöller/Herget, ZPO, 32. Aufl., § 91 Rn. 10) und generell für vorgerichtliche Vergleichsverhandlungen (Muthorst in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 91 Rn. 43 mwN auch zu Gegenstimmen) angenommen.</p>
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<a name="rd_17">17</a>
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<p>cc) Aus § 91 Abs. 3 ZPO lässt sich demgegenüber auch nicht mittelbar ableiten, dass es sich bei Anwaltskosten, die in einem freiwilligen Güteverfahren entstanden sind, um Kosten des Rechtsstreits handele.</p>
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<a name="rd_18">18</a>
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<p>Zwar mag eine Erstattungsfähigkeit der Anwaltskosten nicht bereits durch einen Umkehrschluss aus § 91 Abs. 3 ZPO oder § 15a EGZPO ausgeschlossen sein, da beide Vorschriften die Frage der Erstattungsfähigkeit der Anwaltskosten unberührt lassen (so MünchKommZPO/Schulz, 5. Aufl., § 91 Rn. 36; MünchKommZPO/Gruber, 5. Aufl., § 15a EGZPO Rn. 55; BeckOK ZPO/Jaspersen, Stand: 1. Dezember 2018, § 91 Rn. 90; AG Schwäbisch Gmünd, NJW 2009, 3441, 3442). Es lässt sich umgekehrt für die Erstattungsfähigkeit der Anwaltskosten aber auch nicht anführen, der Gesetzgeber habe in § 91 Abs. 3 ZPO und § 15a EGZPO zum Ausdruck gebracht, dass die Kosten des Güteverfahrens insgesamt dem nachfolgenden Rechtsstreit zuzuordnen seien (so MünchKommZPO/Schulz, 5. Aufl., § 91 Rn. 36). Eine über die Kosten der Gütestelle hinausgehende Zuordnung nimmt das Gesetz nicht vor.</p>
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<p>Eine hieraus folgende unterschiedliche Behandlung der Kosten der Gütestelle einerseits und der im Güteverfahren angefallenen Anwaltskosten andererseits erscheint auch nicht unplausibel. Denn unabhängig von der allgemeinen Frage, ob eine Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten in einem Güteverfahren sachgerecht erscheint, ergibt sich ein wesentliches Unterscheidungskriterium, das geeignet ist, eine differenzierende Behandlung zu rechtfertigen, schon aus den jeweiligen Folgen für den Ablauf des Kostenfestsetzungsverfahrens. Bei diesem Verfahren handelt es um ein Massenverfahren, das einer zügigen und möglichst unkomplizierten Abwicklung bedarf (BGH, Beschluss vom 15. Mai 2014 - I ZB 71/13, WRP 2014, 1468 Rn. 13; Beschluss vom 25. Oktober 2016 - VI ZB 8/16, NJW 2017, 672 Rn. 9). Durch die nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO jeweils erforderliche Prüfung der Notwendigkeit der in einem Güteverfahren angefallenen Anwaltskosten würde das Kostenfestsetzungsverfahren erheblich belastet. So hinge etwa die Erstattungsfähigkeit der Anwaltskosten des Anspruchsgegners auch von der im Einzelfall zu klärenden Frage nach dessen Einigungsbereitschaft ab.</p>
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<a name="rd_20">20</a>
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<p>dd) An der hier vorgenommenen Bewertung ändert nichts, dass die Gütestelle nicht von dem Beklagten, um dessen Anwaltskosten es geht, sondern vom Kläger angerufen worden ist. Der Anspruchsgegner hat keinen Anlass, sich im Güteverfahren eines Anwalts zu bedienen, wenn er sich ohnehin nicht auf eine Einigung einlassen will. Hat er aber grundsätzlich Interesse an einer gütlichen Beilegung der Streitigkeit, dient das Güteverfahren auch aus seiner Sicht der Vermeidung eines Rechtsstreits, nicht dessen Vorbereitung.</p>
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<a name="rd_21">21</a>
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<p>c) Gegen die Einschätzung des Beschwerdegerichts, dass die Parteien mit dem von ihnen geschlossenen Prozessvergleich und der darin enthaltenen Kostenregelung keine Vereinbarung über die Erstattung der Anwaltsgebühren aus dem Güteverfahren getroffen haben, erinnert die Rechtsbeschwerde nichts. Diese Einschätzung des Beschwerdegerichts ist aus Rechtsgründen auch nicht zu beanstanden.</p>
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<table class="Rsp">
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">Drescher     </p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">      </p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">Sunder     </p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">      </p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">Bernau</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">      </p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">B. Grüneberg     </p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">      </p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">von Selle     </p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">      </p>
</td>
</tr>
</table>
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|
180,252 | arbg-hagen-2019-01-15-4-ga-119 | {
"id": 766,
"name": "Arbeitsgericht Hagen",
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"state": 12,
"jurisdiction": "Arbeitsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 4 Ga 1/19 | 2019-01-15T00:00:00 | 2019-02-07T14:18:42 | 2019-02-12T13:33:28 | Urteil | ECLI:DE:ARBGHA:2019:0115.4GA1.19.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>1. Dem Verfügungsbeklagten wird untersagt, die mit der Stellenausschreibung 74/10 in den Hausmitteilungen des Verfügungsbeklagten vom 25.10.2018 veröffentlichte ausgeschriebene Stelle der Teamleitung Leistungssachbearbeitung in der Regionalstelle X/I des Fachbereichs IV (Jobcenter F) bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens mit einem anderen Bewerber als der antragsstellenden Partei zu besetzen.</p>
<p>                                                                                                                                                                                                        2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Verfügungsbeklagte.</p>
<p>                                                                                                                                                                                                          3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">T a t b e s t a n d:</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Parteien streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes über einen Anspruch der Verfügungsklägerin (im Folgenden Klägerin genannt) gegen den Verfügungsbeklagten (im Folgenden Beklagter genannt) auf Nichtbesetzung einer ausgeschriebenen Beförderungsstelle bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die 54 Jahre alte Klägerin ist seit dem 01.04.2011 bei dem Beklagten in Vollzeit zuletzt mit einer Bruttovergütung in Höhe von 4.318,42 Euro monatlich beschäftigt.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Mit Wirkung vom 01.06.2015 wurde ihr dauerhaft die Position der stellvertretenden Leitung des Teams Leistungsgewährung übertragen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Seit dem 01.04.2017 nimmt sie kommissarisch die Aufgaben der Teamleitung in der Regionalstelle X/I wahr.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte schrieb in ihrer Hausmitteilung Nr. 51/2018 die Stelle der Teamleitung Leistungssachbearbeitung in den Regionalstellen X1/X/I (Stellenausschreibungen 74/6 und 74/10) aus.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Stellenausschreibung hat folgenden Inhalt:</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">„…</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">2. Stellenausschreibungen – 74/6 – und – 74/10 –</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Im Fachbereich IV (Jobcenter F) der Kreisverwaltung des F sind zum nächstmöglichen Zeitpunkt in der Regionalstelle X1/X/I Stellen der</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks"><strong>Teamleitung Leistungssachbearbeitung</strong></p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">zu besetzen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Das Aufgabengebiet umfasst insbesondere:</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">…</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Ihr Profil:</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">       Die Befähigung für den Verwaltungsdienst für die Laufbahngruppe 2 – erstes Einstiegsamt bzw. die erfolgreich abgeschlossene Ausbildung als Verwaltungsfachangestellte/-r mit 2. Angestelltenprüfung oder</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">       Mindestens das erste juristische Staatsexamen oder</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">       Ein abgeschlossenes (Fach-) Hochschulstudium in den Studiengängen Betriebswirtschaftslehre, Volkswirtschaftslehre, Wirtschaftsrecht oder Wirtschaftswissenschaften</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Darüber hinaus sind</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">       Ein hohes Maß an sozialer und kommunikativer Kompetenz</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">       Erfahrungen und Kenntnisse im Bereich der Sozialgesetzbücher</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">       Praktische Erfahrungen im Bereich der Führungskompetenz</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">       Eine selbständige und sorgfältige Arbeitsweise sowie Teamfähigkeit</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">wünschenswert.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">…</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Wenn die Voraussetzungen vorliegen, sollen persönliche Auswahlgespräche geführt werden.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">…“</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Wegen des weiteren Inhalts der Stellenausschreibung wird auf Bl. 37 bis 39 der Akte Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin bewarb sich daraufhin schriftlich innerhalb der vorgesehenen Fristen. Ein persönliches Auswahlgespräch fand am 10.12.2018 statt.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Unter dem 11.12.2018 teilte der Beklagte der Klägerin per Email mit, dass aufgrund der Ergebnisse des Auswahlverfahrens über die Besetzung der Stelle anderweitig entschieden worden sei.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin meint, sie erfülle das Aufgabenprofil der Stellenausschreibung. Hierzu behauptet sie, sie leite das Team Leistungsgewährung kommissarisch seit dem 01.04.2017 äußerst erfolgreich. Sie habe als Diplom Verwaltungswirtin zudem die Befähigung zum nichttechnischen Verwaltungsdienst. Die darüber hinaus als wünschenswert deklarierten Eigenschaften stelle sie ebenfalls regelmäßig unter Beweis, wie der Zwischenzeugnisentwurf aus Oktober 2018 belege.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Sie bestreitet, dass nach Lage der Personalakten keiner der Bewerber als besser qualifiziert einzustufen gewesen sei. Sie bekleide als Einzige seit rund 1 ½ Jahren kommissarisch exakt diese Position. Es handele sich hierbei um ein Sonderkonstrukt in der Regionalstelle X/I. Keiner der Mitbewerber habe eine entsprechende Position inne. Zwei der Mitbewerber hätten bis dato überhaupt keine Führungsverantwortung und drei der Mitarbeiter lediglich Führungsverantwortung im Rahmen der Teamkoordination gehabt. Zudem sei bei dem Mitbewerber Q berücksichtigt worden, dass dieser vor seiner Tätigkeit für die Beklagte bei der Bundeswehr Abteilungsleiter gewesen sein solle, während bei ihr unberücksichtigt geblieben sei, dass sie unmittelbar vor Aufnahme ihrer Tätigkeit für die Beklagte jahrelang als Gebietsleiterin eines Verlages mit Führungsverantwortung für 80 Mitarbeiter tätig gewesen sei. Ferner nehme sie bereits seit 2 Jahren an Seminaren für Personalführung und -entwicklung, sowie seit Herbst 2017 an internen Führungskräfte-Workshops des Jobcenters teil. Keiner der übrigen Mitbewerber habe an diesen Weiterbildungen teilgenommen.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Sie bestreitet mit Nichtwissen, in dem Auswahlgespräch am schlechtesten abgeschnitten zu haben. Für die Gespräche seien regelmäßig nur insgesamt 30 Minuten angesetzt, sie habe sämtliche Fragen beantwortet.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Da sie bereits nach Lage der Personalakten für die ausgeschriebene Stelle aufgrund ihrer einschlägigen Berufserfahrung, Fach- und Führungskompetenz als besser qualifiziert einzustufen gewesen sei, stelle sich die von dem Beklagten getroffene Auswahlentscheidung unter Berücksichtigung der Grundsätze der Bestenauslese als ermessensfehlerhaft und zudem als verfahrensfehlerhaft dar, da dies bei der abschließenden Entscheidung nicht entsprechend berücksichtigt bzw. vollkommen außer Acht gelassen worden sei. Das Auswahlgespräch könne nur dann den Ausschlag geben, wenn die Bewerber gleich qualifiziert seien, was hier nicht der Fall sei.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Erschwerend komme hinzu, dass die Kommission auch fast ausschließlich mit Personen besetzt gewesen sei, die keine oder nur eine geringe Erfahrung mit entsprechenden Auswahlgesprächen gehabt hätten. Der teilnehmende Regionalstellenleiter sei erst seit wenigen Monaten überhaupt Regionalstellenleiter und erst seit dem 01.12.2018 Leiter der Regionalstelle X/I. Die Gleichstellungsbeauftragte sei erst seit dem 01.12.2018 im Amt, von der Fachleitung Recht sei lediglich die Vertreterin der Vertreterin beteiligt gewesen. Die ebenfalls beteiligte Mitarbeiterin aus dem Bereich Personal sei erst seit etwa 3 Monaten auf einer Position tätig die sie zur Teilnahmen an Auswahlgesprächen berechtige. Leidglich der Beisitzer aus dem Personalrat verfüge über eine entsprechende Erfahrung, habe allerdings keine Entscheidungsbefugnis.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Die Verfügungsklägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">dem Verfügungsbeklagten wird untersagt, die mit der Stellenausschreibung 74/10 in den Hausmitteilungen des Beklagten vom 25.10.2018 veröffentlichte ausgeschriebene Stelle der Teamleitung Leistungssachbearbeitung in der Regionalstelle X/I des Fachbereichs IV (Jobcenter F) bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens mit einem anderen Bewerber als der antragsstellenden Partei zu besetzen.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Der Verfügungsbeklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">den Antrag zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte bestreitet das Vorliegen eines Verfügungsgrundes. Die Klägerin habe die Möglichkeit zur Erlangung einstweiligen Rechtsschutzes verwirkt. Das Bundesverwaltungsgericht gehe in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass eine Wartefrist von zwei Wochen nach Zugang der Absagemitteilung ausreichen lang bemessen sei, um dem unterlegenen Bewerber einen effektiven Rechtsschutz durch einstweilige Verfügung zu ermöglichen.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte habe der Klägerin am 10.12.2018 mündlich und am 11.12.2018 schriftlich darüber informiert dass die Auswahlentscheidung nicht zu ihren Gunsten ausgefallen ist.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Stelle ein Bewerber nicht innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Absagemitteilung einen Antrag auf einstweilige Verfügung könne der Dienstherr darauf vertrauen, dass der Bewerber die Entscheidung im Auswahlverfahren nicht angreife. Nach Ablauf dieser Zweiwochenfrist sei die Möglichkeit ein Stellenbesetzungsverfahren mit einer Klage überprüfen zu lassen verwirkt.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Im Übrigen bestreitet der Beklagte das Vorliegen eines Verfügungsanspruchs. Die getroffene Entscheidung berühre nicht die subjektiven Rechte der Klägerin und sei ermessensfehlerfrei.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Eine Auswahl nach den Kriterien von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung setze als Entscheidungsgrundlage eine Bewertung der Bewerber im Hinblick auf ihre Eignung für die zu besetzende Stelle voraus. In welcher Form der Arbeitgeber den zur Erreichung dieser Ziele notwendigen Leistungsvergleich unter den Bewerbern vornehme bleibe so lange seiner Gestaltung überlassen, wie ihm nicht gesetzliche Vorschriften ein bestimmtes Verfahren vorschrieben.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Er habe sich ermessensfehlerfrei dazu entschlossen, seine Entscheidung über die Besetzung der streitgegenständlichen Stelle maßgeblich von der Durchführung von Vorstellungsgesprächen mit allen Bewerbern abhängig zu machen.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Auf die ausgeschriebenen Stellen hätten sich sechs Personen beworben, nämlich 5 Tarifbeschäftigte und eine Beamtin. Alle sechs Bewerber hätten die zwingenden Kriterien des Anforderungsprofils erfüllt. Eine Durchführung der Bestenauslese alleine aufgrund der Personalaktenlage sei nicht möglich gewesen. Die Klägerin sei zunächst aufgrund ihrer Berufsabschlüsse nicht besser qualifiziert gewesen als ihre Mitbewerber. Über ein Beurteilungswesen für Tarifbeschäftigte verfüge er derzeit noch</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">nicht, weshalb auch insoweit kein Vergleich unter den Bewerbern habe durchgeführt werden können. In der Stellenausschreibung sei das Kriterium „praktische Erfahrungen im Bereich der Führungskompetenz“ im Bereich der wünschenswerten Kriterien genannt. Der öffentliche Arbeitgeber sei bei mehreren Bewerbern, die die Muss-Kriterien des Anforderungsprofils gleichermaßen erfüllen, frei in seiner Entscheidung darüber, welchen Aspekten im Rahmen der wünschenswerten Kriterien er ein besonderes Gewicht einräumen möchte.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Insoweit habe er mit Blick auf die Führungstätigkeit den für wünschenswert erachteten Kriterien „hohes Maß an sozialer und kommunikativer Kompetenz“ sowie „Erfahrungen und Kenntnisse im Bereich der Sozialgesetzbücher“ besonderes Gewicht beigemessen. Die von der Klägerin seit dem 01.04.2017 wahrgenommene Tätigkeit als kommissarische Teamleitung Leistungsgewährung sei für die Auswahlentscheidung nicht entscheidend gewesen, da auch die Mitbewerber bereits Führungserfahrung aufgewiesen hätten. Zwei der Bewerber hätten auch bereits vertretungsweise in Krankheitsfällen Teamleitungsfunktionen übernommen.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Er habe sich daher entschlossen, das Auswahlverfahren maßgeblich über Vorstellungsgespräche zu steuern. Diese seien am 10.12.2018 von derselben Auswahlkommission mit allen Bewerbern durchgeführt worden. Alle Bewerber seien nach Maßgabe eines im Vorhinein ausgearbeiteten Fragenkataloges zu ihrer Befähigung für die Besetzung der ausgeschriebenen Stelle befragt worden. Es seien handschriftliche Gesprächsmitschriften für alle Bewerber erfolgt.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Zur Überraschung aller Teilnehmer habe sich die Klägerin in dem Auswahlgespräch äußerst schwach präsentiert. Beispielhaft habe sie auf die Frage wie sie ihre Tätigkeit als Teamleiterin in eigenen Worten schildere mitgeteilt, es ginge darum Gesetze umzusetzen, mit den Themen Problemlösungen zu finden, Kritikgespräche zu führen und auf das gleiche Ziel hinzuarbeiten. Auf die fachlich inhaltlichen Anforderungen sei sie nicht eingegangen. Insgesamt habe die Klägerin die Themen Mitarbeitergespräche und Führung während des gesamten Gesprächs viel zu sehr in den Vordergrund gestellt und die Gelegenheit versäumt, ihre Gesprächspartner auch von ihrer fachlichen Qualifikation zu überzeugen. Sie habe die an sie gerichteten Fragen derart knapp beantwortet, dass das Vorstellungsgespräch trotz identischer Inhalte im Vergleich zu den Mitbewerbern nur die Hälfte der Zeit in Anspruch genommen habe. Dies habe dazu geführt, dass die Klägerin von allen Kandidaten am wenigsten habe überzeugen können.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Im Gegensatz dazu habe die Mitbewerberin S überzeugt. Diese habe sich nach einhelliger Meinung der Gesprächsteilnehmer am überzeugendsten präsentiert, durch eine genaue Kenntnis der fachlichen Aufgabenstellungen, präzise und sehr überzeugende Antworten sowie ihr souveränes Auftreten. Sie sei seit Oktober 2009 in unterschiedlichen Bereichen des Jobcenters eingesetzt und seit August 2016 als Teamkoordinatorin Leistungsgewährung tätig.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Der Mitbewerber Q, der sich ebenfalls in den fachlichen Themen bewandert gezeigt habe, habe zusätzlich durch seine hohe Motivation für die Ausübung der neuen Aufgabe überzeugt. Er besitze unter Anderem mehrjährige Führungserfahrung aus einer zurückliegenden Tätigkeit als Abteilungsleiter bei der Bundeswehr und sei seit Januar 2009 in einer zentralen Funktion des Jobcenters tätig. Er bekleide in dieser Funktion eine Schnittstelle, leite unter anderem eine Arbeitsgruppe und unterstütze die Teamleitung.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Wegen des Parteivorbringens im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der Kammerverhandlung vom 15.01.2019 Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks"><strong>I.</strong></p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig und begründet.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat gem. § 940 ZPO einen Anspruch darauf, dass dem Beklagten untersagt wird die mit der Stellenausschreibung 74/10 in den Hausmitteilungen des Beklagten vom 25.10.2018 veröffentlichte ausgeschriebene Stelle der Teamleitung Leistungssachbearbeitung in der Regionalstelle X/I des Fachbereichs IV (Jobcenter F) bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens mit einem anderen Bewerber endgültig zu besetzen.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Ein Verfügungsgrund liegt vor. Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 18.12.2018 wurde der Beklagte aufgefordert, der Klägerin zuzusagen die streitgegenständliche Stelle nicht endgültig zu besetzen, bis eine Überprüfung des Bewerbungsverfahrens stattgefunden hat. Der Beklagte hat der Klägerin durch Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 21.12.2018 – dort auf S. 3 unten (vgl. Bl. 43 d.A.) mitteilen lassen, dass keine Veranlassung gesehen wird, die von ihr erbetene Zusage zu einem Aufschub der Stellenbesetzung zu erteilen.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Die endgültige Stellenbesetzung würde das Bewerbungsverfahren abschließen und der Klägerin würde dadurch eine Überprüfung im Hauptsacheverfahren verwehrt, so dass ein Verfügungsgrund besteht (vgl. BAG, Urteil vom 28.05.2002 – 9 AZR 751/00 – Juris; BAG Urteil vom 02.12.1997 – 9 AZR 698/96 – Juris).</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Der Verfügungsgrund ist auch nicht etwa entfallen, weil die Klägerin den Antrag nicht binnen zwei Wochen nach Bekanntgabe der ablehnenden Entscheidung gestellt hat. Die Klägerin hat unter dem 11.12.2018 lediglich per Email die Mitteilung erhalten, dass sie nicht für die Stelle ausgewählt worden ist. Eine schriftliche Begründung ist nicht erfolgt. Um Bewertungsfehler und damit einhergehend eigene Ansprüche prüfen zu können hat sie den Beklagten daher mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten unter dem 18.12.2018 gebeten, die Auswahlentscheidung zu begründen. Dies erfolgte durch Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten des Beklagten vom 21.12.2018. Erst in Kenntnis der dort getätigten Aussagen war es der Klägerin möglich eine Entscheidung zu treffen, ob sie im Klagewege gegen ihre Nichtberücksichtigung vorgehen wollte. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ging sodann am 04.01.2019 mithin binnen 14 Tagen nach Kenntnis der genaueren Umstände bei dem erkennenden Gericht ein. Hinzu kommt, dass der Beklagte aufgrund der Einschaltung der Prozessbevollmächtigten durch die Klägerin, die gleichzeitig dazu aufforderten die Stelle vorab nicht endgültig zu besetzen nicht darauf vertrauen durfte seine Auswahlentscheidung werde akzeptiert.</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat dargelegt und glaubhaft gemacht, dass ein Verfügungsanspruch besteht.</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Gemäß Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Amt in diesem Sinne ist auch ein Angestelltenposten im Bereich des öffentlichen Dienstes (vgl. auch BAG, Urteil vom 05.03.1996 - 1 AZR 590/92 (A) - in EzA Nr. 52 zu Art. 3 GG). Der Arbeitgeber hat, angehalten auch durch den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, bei einer Beförderungsentscheidung Eignung, Befähigung, fachliche Leistung des Bewerbers pflichtgemäß und frei von ermessenswidrigen Erwägungen zu bewerten. Aus dem Verbot einer unzulässigen Differenzierung ergibt sich regelmäßig für den abgelehnten Bewerber das Recht, die Aufhebung des auf rechtlich nicht zu billigende Gesichtspunkte gestützten ablehnenden Bescheids verlangen zu können. Er ist so zu stellen, wie er stünde, wenn die Behörde die Grundsätze des Artikels 33 Abs. 2 GG in Verbindung mit dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt hätte. Über seine Bewerbung ist erneut zu entscheiden.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Allerdings steht dem öffentlichen Arbeitgeber bei der Auswahlentscheidung grundsätzlich ein weiter Beurteilungsspielraum zu. Durch die Gerichte kann nur überprüft werden, ob der Arbeitgeber bei seiner Entscheidung alle wesentlichen Umstände berücksichtigt, ob er allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und ein fehlerfreies Verfahren eingehalten hat. Verfahrensfehlerhaft ist die Auswahlentscheidung insbesondere dann, wenn das Prinzip der Besten- auslese nicht beachtet oder die Personalvertretung nicht nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen beteiligt wurde (vgl. Sächsisches LAG, Urteil vom 16.06.1998 - 9 Sa 1025/97 - in LAGE Nr. 8 zu Art. 33 GG; Thüringisches LAG, Urteil vom 13.01.1997 - 8 Sa 232/96 - in LAGE Nr. 7 zu Art. 33 GG).</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">              Im Hinblick auf die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG sind die Anforderungen an eine, wie hier, begehrte Zwischenentscheidung zur Verhinderung vollendeter Tatsachen nicht zu hoch anzusetzen. Zwar hat der Antragsteller einer einstweiligen Verfügung eine erhebliche Wahrscheinlichkeit einer Rechtsverletzung im Rahmen eines Auswahlverfahrens darzutun und glaubhaft zu machen. Nicht glaubhaft gemacht werden muss jedoch, dass der Antragsteller zwingend auszuwählen gewesen wäre oder solches zumindest überwiegend wahrscheinlich erschiene (vgl. hierzu mit weiteren Nachweisen: Seitz, Die Arbeitsrechtliche Konkurrentenklage, 1995, S. 41; Zimmerling, 1999, a. a. O., S. 31 Rz. 51). Ausreichend ist demnach, dass der Antragsteller der einstweiligen Verfügung glaubhaft macht, der Arbeitgeber habe einen Gesichtspunkt, der möglicherweise zu einer anderen Auswahlentscheidung geführt hätte, nicht berücksichtigt. Ob dieser Gesichtspunkt tatsächlich zu einer anderen Auswahlentscheidung führen müsste, ist sodann im Hauptsacheverfahren zu klären. Die einstweilige Verfügung als Zwischenentscheidung verschafft damit dem Gericht den nötigen zeitlichen Raum, um sachgerecht über die Konkurrentenklage entscheiden zu können.</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">              In Anwendung der Rechtsgrundsätze erweist sich angesichts des unstreitigen Vortrags sowie der glaubhaft gemachten klägerischen Behauptungen, dass der Beklagte mutmaßlich Gesichtspunkte nicht berücksichtigt hat, die, wären sie erwogen worden, zu einer anderen Auswahlentscheidung hätten führen können. Diese Gesichtspunkte bewegen sich im Bereich des Kriteriums "Befähigung". Das Merkmal der Befähigung bildet die fachlich-​technische Seite der Auswahlkriterien. Derjenige Bewerber ist befähigt im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GG, der über das erlernbare berufliche Können verfügt, welches ihm die bestmögliche Ausfüllung des zu besetzenden Amtes ermöglicht. Er hat das berufliche Können in der Regel durch Ableisten der entsprechenden Ausbildung, gegebenenfalls durch entsprechende Prüfungen, erworben und nachgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Welche fachlichen Voraussetzungen für die zu besetzende Stelle des Sachgebietsleiters Personalwesen notwendig sind, ergibt sich aus den Anforderungen der Stelle gemäß der Stellenbeschreibung. Danach sind neben der Befähigung für den Verwaltungsdienst für die Laufbahngruppe 2 – erstes Einstiegsamt bzw. die erfolgreich abgeschlossene Ausbildung als Verwaltungsfachangestellte/-r mit 2. Angestelltenprüfung oder Mindestens das erste juristische Staatsexamen oder ein abgeschlossenes (Fach-) Hochschulstudium in den Studiengängen Betriebswirtschaftslehre, Volkswirtschaftslehre, Wirtschaftsrecht oder Wirtschaftswissenschaften erforderlich.</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">Darüber hinaus sind laut Stellenausschreibung ein hohes Maß an sozialer und kommunikativer Kompetenz, Erfahrungen und Kenntnisse im Bereich der Sozialgesetzbücher, Praktische Erfahrungen im Bereich der Führungskompetenz, Eine selbständige und sorgfältige Arbeitsweise sowie Teamfähigkeit wünschenswert.</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">Sämtliche Bewerber verfügen offenbar über die zunächst geforderte Grundausbildung.</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Die bisherige Berufstätigkeit der Mitbewerber lässt gegenüber der Klägerin eine größere Befähigung des Herrn Q und der Frau S nicht erkennen.</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">Die Mitarbeiterin S ist seit Oktober 2009 in unterschiedlichen Bereichen des Jobcenters eingesetzt und seit August 2016 als Teamkoordinatorin Leistungsgewährung tätig. In Krankheitsfällen hat sie die Teamleiterin vertreten.</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">Der Mitbewerber Q, ist seit Januar 2009 in einer zentralen Funktion des Jobcenters tätig. Er bekleidet in dieser Funktion eine Schnittstelle, leitet unter anderem eine Arbeitsgruppe und unterstützt die Teamleitung.</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">Er verfügt über mehrjährige Führungserfahrung aus einer zurückliegenden Tätigkeit als Abteilungsleiter bei der Bundeswehr.</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">Die Erfahrungen im Bereich der Führungskompetenz der Klägerin erscheinen demgegenüber vertiefter. Sie leitet das Team Leistungsgewährung bereits seit dem 01.04.2017 durchgängig kommissarisch und nicht nur in Fällen der Krankheitsvertretung. Darüber hinaus hat sie glaubhaft gemacht, dass sie als einzige der Bewerber bereits seit 2 Jahren an Seminaren für Personalführung und -entwicklung, sowie seit Herbst 2017 an internen Führungskräfte-Workshops des Jobcenters teilnimmt. Auch vor Aufnahme ihrer Tätigkeit für die Beklagte hatte sie eine Führungsposition als Gebietsleiterin eines Verlages inne. Ein Erfahrungsvorsprung könnte daher vorliegen. Auch hinsichtlich des Kriteriums „Erfahrungen und Kenntnisse im Bereich der Sozialgesetzbücher“ ist bei summarischer Überprüfung des Bewerbungsverfahrens nicht ersichtlich, dass die Klägerin hier schlechter abschneidet als die Mitbewerber Q und S. Jedenfalls hinsichtlich des Bewerbers Q ist nicht auf den ersten Blick erkennbar, dass dieser Erfahrungen in diesem Bereich hat. Es ist nicht erkennbar, welche genauen Tätigkeiten der zentralen Funktion des Jobcenters verrichtet und welche Kenntnisse im Bereich der Sozialgesetzbücher hier gefordert sind. Die Klägerin hingegen hat durch die unbeanstandete kommissarische Ausübung der Tätigkeit genau der ausgeschriebenen Stelle offensichtlich die erforderlichen Kenntnisse im Bereich der Sozialgesetzbücher.</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">Das Auswahlmerkmal „soziale Kompetenz“ ist ein umfassendes Qualifikationsmerkmal. Gemeint ist hier auch die charakterliche Eignung und die gesamte Persönlichkeit.</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">Inwieweit insofern Gesichtspunkte vorliegen, die jedenfalls einen Auswahlfehler nicht erkennen lassen, kann erst im Hauptsacheverfahren geklärt werden.</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">Auch die Beurteilung hinsichtlich der Merkmale „selbständige und sorgfältige Arbeitsweise“ sowie „Teamfähigkeit“ sind bislang von dem Beklagten nicht berücksichtigt worden. Insoweit stellt sich die Frage wie diese Merkmale überhaupt bewertet werden sollen, wenn es bei dem Beklagten kein Beurteilungswesen gibt. Die erkennende Kammer bezweifelt, dass diese Merkmale anhand eines Auswahlgesprächs überprüft werden können.</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">Soweit der Beklagte sich zur Begründung seiner Entscheidungsich auf die geführten Auswahlgespräche beruft und diese als ausschlaggebend bezeichnet, so ist festzustellen, dass in den Protokollen weder hinsichtlich des Bewerbers Q noch hinsichtlich der Klägerin von dem Auswahlgremium eine Bewertung vorgenommen worden ist. Lediglich bei der Bewerberin S wurden die entsprechenden Bewertungskästchen in den Protokollen angekreuzt. Die Protokolle können daher nach Auffassung der erkennenden Kammer mangels darin enthaltener Bewertungen nicht zur Begründung der Auswahlentscheidung herangezogen werden. Sie sind nicht einheitlich hinsichtlich aller Bewerber geführt worden. Der Vergleich der Protokolle zur Ausführlichkeit der Beantwortung der Fragen lässt zudem nicht erkennen, dass die Mitbewerber ausführlicher geantwortet haben. Protokolliert ist bei jedem der Bewerber lediglich in Stichpunkten. Im Übrigen sind kurze Antworten nicht zwangsläufig falsche Antworten. Es ist auch nicht vorgetragen worden, dass vor Durchführung der Auswahlgespräche hinsichtlich des Fragenkatalogs festgelegt worden ist, welche Stichworte in den Antworten erwartet worden sind und dass die Klägerin diese im Vergleich zu den Bewerbern nicht gegeben hat. Anhand der protokollierten Antworten ist es der erkennenden Kammer jedenfalls nicht möglich festzustellen, dass einer der Bewerber in fachlicher Hinsicht „bessere“ oder „korrektere“ Antworten gegeben hätte.</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">Insoweit ist auch der Auswahlvermerk nicht hilfreich. Dort werden im Wesentlichen der Werdegang der Bewerber und eine Kurzzusammenfassung der gegebenen Antworten dargestellt. Insbesondere hinsichtlich des Mitbewerbers Q wird lediglich aufgeführt dass er im fachlichen Bereich durch seine zukunftsorientierten Ansätze, Interessen an der Weiterentwicklung der Facheinheit überzeugt. Aus genau welchen Aussagen das Gremium zu diesem Schluss gekommen ist, lässt sich anhand der Protokolle nicht objektivieren und wird in dem Auswahlvermerk nicht dargestellt. Weshalb die Bewerberin S durch eine genaue Kenntnis der fachlichen Aufgabenstellung nach einhelliger Meinung des Auswahlgremiums am überzeugendsten war lässt sich anhand der Protokolle und der nur kurzen Notizen darin ebenfalls nicht ohne weiteres feststellen. Eine Begründung ist in dem Auswahlvermerk auch insoweit nicht enthalten. Hinzu kommt, dass der Auswahlvermerk nur durch ein Gremiumsmitglied gefertigt worden ist, er ist nicht durch sämtliche Mitglieder unterzeichnet worden. Insoweit lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, dass es sich bei der Abschlussbewertung um eine Gremiumsentscheidung handelt und wie diese z.B. nach welchen wann und wie geführten Beratungsgesprächen zustande gekommen ist.</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">Selbst wenn das Auswahlgespräch jedoch missglückt sein sollte ist jedenfalls zweifelhaft, ob dieses hauptausschlaggebend sein kann, soweit der Beklagte von den Fähigkeiten und Fachkenntnissen der Klägerin durch die kommissarische Ausübung der ausgeschriebenen Tätigkeit Kenntnis hat. Der von dem ehemaligen Regionalleiter gefertigte, allerdings nicht unterzeichnete Entwurf eines Zwischenzeugnisses aus Oktober 2018 enthält jedenfalls eine gute Leistungs- und eine sehr gute Führungsbeurteilung.</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">Da somit mutmaßliche Gesichtspunkte nicht oder nicht genügend berücksichtigt worden sind, die zugunsten der Klägerin sprechen könnten, war die beantragte Sicherungsverfügung zu erlassen.</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks"><strong>II.</strong></p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 S. 1 ZPO i. V. m. § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG, 495 Abs. 1 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">Der beklagten Partei waren die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, weil sie bei dem von der Klägerin zur Entscheidung gestellten Antrag unterlegen ist.</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks"><strong>III.</strong></p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">Die im Urteil gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG zu treffende Entscheidung über den Wert des Streitgegenstandes ist nach § 42 Abs. 3 S. 1 GKG, § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG vorgenommen worden.</p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks">Abzustellen war auf den Hilfswert nach § 23 III 2 RVG entsprechend Ziffer 16 des Streitwertkatalogs für die Arbeitsgerichtsbarkeit, wobei aufgrund der einstweiligen Regelung ohne Vorwegnahme der Hauptsache 50 % des Hauptsachestreitwerts, mithin 2.500,00 Euro in Ansatz zu bringen waren (entsprechend Ziffer 7.2 des Streitwertkatalogs für die Arbeitsgerichtsbarkeit).</p>
|
180,251 | olgham-2019-01-15-4-ws-22318 | {
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<p>Der Antrag wird als unzulässig verworfen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">Gründe</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerin wirft den Beschuldigten einen versuchten Prozessbetrug vor, welcher im wesentlichen in der Erstattung bzw. Verwendung eines unrichtigen Gutachtens betreffend Marktpreise für Holz liegen soll. Die Staatsanwaltschaft Münster hat (nach einer ersten Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO und sodann erfolgter Wiederaufnahme der Ermittlungen) das Verfahren (zuletzt) mit Bescheid vom 11.07.2018 eingestellt. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin hat die Generalstaatsanwältin in Hamm mit Bescheid vom 09.10.2018 - nach Angaben der Antragstellerin ihrem vormaligen Verfahrensbevollmächtigten am 17.10.2018 zugestellt - zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrem am 19.11.2018 eingegangenen Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Die Generalstaatsanwältin in Hamm hat beantragt, diesen als unzulässig zu verwerfen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der Antrag ist unzulässig.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Gemäß § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO muss der Antrag auf gerichtliche Entscheidung die Tatsachen und Beweismittel angeben, welche die Erhebung der öffentlichen Klage begründen sollen. Nach der ständigen obergerichtlichen Rechtsprechung ist dazu eine aus sich selbst heraus verständliche und geschlossene Schilderung eines Sachverhalts erforderlich, der - seine Richtigkeit unterstellt - zum einen die Zulässigkeit des Antrags selbst, zum anderen bei Unterstellung des hinreichenden Tatverdachts die Erhebung der öffentlichen Klage in materieller und formeller Hinsicht rechtfertigen würde. Denn diese Darlegungsanforderungen sollen die Oberlandesgerichte vor einer Überlastung durch unsachgemäße und unsubstantiierte Anträge bewahren und in die Lage versetzen, ohne Rückgriff auf die Ermittlungsakten eine Schlüssigkeitsprüfung vorzunehmen. Aus der gebotenen Sachdarstellung muss sich deshalb neben der Verletzteneigenschaft und damit der Antragsbefugnis des Antragstellers und den tatsächlichen Grundlagen etwaiger Verfahrenshindernisse auch - wenigstens in groben Zügen - der Gang des Ermittlungsverfahrens ergeben. Hierzu zählen neben den Inhalten der angegriffenen Bescheide und den tatsächlichen oder rechtlichen Gründen, die für ihre Unrichtigkeit sprechen, nicht zuletzt auch Angaben, die es dem Strafsenat ermöglichen, die Einhaltung der Beschwerdefrist des § 172 Abs. 1 Satz 1 StPO und der Antragsfrist des § 172 Abs. 2 Satz 1 StPO zuverlässig zu überprüfen. Das Oberlandesgericht soll durch die Erfüllung dieser verfassungsrechtlich unbedenklichen Anforderungen in die Lage versetzt werden, allein aufgrund des Antragsvorbringens, d.h. ohne Blick in die Ermittlungsakten eine Zulässigkeitsprüfung und eine Prüfung der Schlüssigkeit hinsichtlich jedes einzelnen Tatbestandsmerkmals der in Betracht kommenden Strafvorschriften in objektiver und subjektiver Hinsicht vorzunehmen. Die hierfür erforderliche Sachverhaltsschilderung kann deshalb weder ganz noch teilweise durch eine Bezugnahme auf den Akteninhalt oder auf dem Antrag oder der Beschwerdeschrift beigefügte Anlagen oder frühere Stellungnahmen oder Anträge ersetzt werden. Eine solche Bezugnahme ist - und zwar auch hinsichtlich der gebotenen Angaben zu den allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen des Antrages, namentlich zur Einhaltung der Fristen des § 172 Abs. 1 Satz 1 StPO und des § 172 Abs. 2 Satz 1 StPO sowie zur Antragsbefugnis des Antragstellers - nur insoweit unschädlich, als die in Bezug genommenen Anlagen lediglich der näheren Erläuterung einer uneingeschränkt verständlichen, in sich geschlossenen Sachverhaltsdarstellung dienen (vgl. etwa: OLG Bamberg, Beschl. vom 17. 12.2015 – 3 Ws 47/15, Rn. 6 – juris; KG Berlin, Beschl. v. 05.11.2015 – 3 Ws 535/15, juris; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.09.1999 – 1 Ws 780/99, Rn. 4 – juris;OLG Hamm, Beschl. v. 29.03.2011 – 1 Ws 155/11, Rn. 3 – juris, jew. m.w.N.). Diese ständige Rechtsprechung ist – auch bzgl. der Angaben zur Einhaltung der Fristen - vom Bundesverfassungsgericht nicht beanstandet worden (vgl. etwa: BVerfG, Beschl. v. 08.10.2003 – 2 BvR 1465/01 – juris). Die Formerfordernisse dürfen allerdings nicht weitergehen, als es durch ihren Zweck geboten ist, so dass die Darstellung von rechtlich Irrelevantem nicht verlangt werden kann (BVerfG, Beschl. v. 22.05.2017 – 2 BvR 1107/16, Rn. 22- juris).</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Diesen Anforderungen genügt der vorliegende Antrag auf gerichtliche Entscheidung nicht.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Zu Recht weist die Generalstaatsanwältin darauf hin, dass in der Antragsschrift nicht mitgeteilt wird, wann der (hier maßgebliche, vgl. Graalmann-Scheerer in: LR-StPO, 26. Aufl., § 172 Rdn. 130; die Rechtzeitigkeit der Beschwerde gegen den ersten Einstellungsbescheid lässt sich noch hinreichend aus der Abfolge der Daten des Einstellungsbescheids und dem Datum der Beschwerde erschließen) Einstellungsbescheid der Staatsanwaltschaft Münster vom 11.07.2018 der Antragstellerin bzw. ihrem Verfahrensbevollmächtigten zugegangen ist. Damit kann der Senat nicht allein anhand der Antragsschrift überprüfen, ob die zweiwöchige Frist des § 172 Abs. 1 S. 1 StPO eingehalten worden ist. Es handelt sich nicht um rechtlich Irrelevantes. Aus der in die Antragsschrift hineinkopierten Beschwerdeschrift vom 26.07.2018 ist der Eingangsstempel der Staatsanwaltschaft Münster erkennbar, der als Eingang der Beschwerdeschrift den 27.07.2018 ausweist. Damit dürfte zur Fristwahrung der Einstellungsbescheid der Antragstellerin bzw. ihrem Verfahrensbevollmächtigten nicht vor dem 13.07.2018 zugegangen sein. Dies wäre aber möglich, da der Bescheid vom 11.07.2018 datiert und bei möglicher Absendung am selben Tage bei einer regelmäßig zu erwartenden Postbeförderungszeit von einem Werktag (auch die Beschwerdeschrift hat – auf umgekehrten Wege – die Staatsanwaltschaft binnen Tagesfrist erreicht) bereits ein Zugang am 12.07.2018 möglich erscheint. In diesem Fall wäre die Beschwerdeeinlegung am 27.07.2018 verspätet gewesen. Der Umstand, dass der Beschwerdebescheid die Beschwerde aus sachlichen Gründen unter Bezugnahme auf den staatsanwaltschaftlichen Einstellungsbescheid zurückweist und nicht wegen Unzulässigkeit aufgrund Fristversäumnis, ergibt ebenfalls nicht, dass die Frist gewahrt wurde. Die vorgesetzte Behörde kann zwar die Beschwerde als unzulässig zurückweisen (wobei in einem solchen Fall ebenfalls eine Rechtsmittelbelehrung zu erteilen ist). Sie muss aber gleichwohl eine sachliche Prüfung vornehmen, weil die Beschwerde dann auch als Dienstaufsichtsbeschwerde zu behandeln ist (OLG Hamm NStZ 1990, 450, 451; Graalmann-Scheerer a.a.O. Rdn. 10). Die Zurückweisung der Beschwerde als unbegründet lässt daher keine hinreichenden Schlüsse auf die Rechtzeitigkeit der Beschwerde zu. Damit war hier die Mitteilung des Zugangsdatums bzgl. des Einstellungsbescheids vom 11.07.2018 unerlässlich.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat erwogen, ob an dieser strengen Rechtsprechung vor dem Hintergrund der Rechtsschutzgarantie (Art. 19 Abs. 4 GG) festzuhalten ist. Die dargestellten hohen Anforderungen auch bzgl. der Verfahrenstatsachen der Fristeinhaltung können dazu führen, dass eine Entscheidung in der Sache auch aufgrund vergleichsweise geringfügiger Versäumnisse nicht mehr ergeht, obwohl der Senat sich durch Einsichtnahme in die Ermittlungsakten „auf die Suche“ nach den fehlenden Informationen begeben könnte. Das würde im vorliegenden Fall angesichts des nicht besonders großen Umfangs der Hauptakten von gut 200 Seiten einen nicht übermäßig großen zeitlichen Aufwand erfordern. Für eine Abweichung von einer gefestigten obergerichtlichen und vom Bundesverfassungsgericht gebilligten Rechtsprechung müssen nach dem Dafürhalten des Senats aber schon aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsgleichheit gute Gründe vorhanden sein. Das ist nicht der Fall. Die o.g. Entlastungsfunktion der strengen Darstellungsanforderungen kann nur gewahrt werden, wenn sie auch bei geringfügigen Versäumnissen gilt. Auch bzgl. anderer darzustellender Umstände, etwa bzgl. des angezeigten Sachverhalts, Einlassungen, Aussagen oder sonstiger Beweismittel sind geringfügige Versäumnisse denkbar. Insoweit würden die Rechtssicherheit und Rechtsgleichheit bei einer Aufweichung der Rechtsprechung leiden. Es wäre nicht mehr abschätzbar, bei welchem zeitlichen „Suchaufwand“ oder ab welchem Umfang von für sich genommen jeweils geringfügigen Darstellungsversäumnissen den Anforderungen des § 172 Abs. 3 StPO nicht mehr genügt wäre.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Auch der Umstand, dass die Generalstaatsanwältin die Vorschaltbeschwerde aus sachlichen Gründen zurückgewiesen hat, ändert an dieser Bewertung nichts. Nach nahezu einhelliger Ansicht ist die Einhaltung der Frist nach § 172 Abs. 1 StPO Zulässigkeitsvoraussetzung für den Antrag auf gerichtliche Entscheidung, unabhängig davon, ob die vorgesetzte Behörde die Beschwerde aus formellen oder sachlichen Gründen zurückgewiesen hat (vgl. OLG Stuttgart NJW 1977, 61, 62; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 172 Rdn. 34; Graalmann-Scheerer a.a.O. Rdn. 125; inzident auch: OLG Düsseldorf MDR 1989, 376; OLG Hamm JMBl. NW. 1976, 286). Die Gegenansicht, die unter Ziehung einer Parallele zu den §§ 68 ff. VwGO und unter Hinweis auf die Stellung der Staatsanwaltschaft als Herrin des Ermittlungsverfahrens eine Heilung etwaiger Fristversäumnisse bei der Beschwerde gegen den Einstellungsbescheid annimmt, wenn die Generalstaatsanwaltschaft die Beschwerde mit einer Begründung in der Sache zurückgewiesen hat (Deckenbrock/Dötsch, StraFO 2003, 372 ff.), überzeugt nicht. Ähnlich wie bei einer Rücknahme der Beschwerde (vgl. hierzu: OLG Düsseldorf JMBl. NW. 1990, 178) geht der Antragsteller trotz sachlicher Bescheidung durch die vorgesetzte Behörde seines (weiteren) Rechtsbehelfsrechts bei Fristversäumnis verlustig. Ein Bedürfnis dafür, dem Antragsteller trotz Fristversäumnis im Beschwerdeverfahren bei einer Sachentscheidung der Generalstaatsanwaltschaft auch wieder den Rechtsbehelf des Antrags auf gerichtliche Entscheidung zu eröffnen, besteht nicht. Das Verfahren nach § 172 StPO durchbricht das Anklagemonopol der Staatsanwaltschaft (Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O. Rdn. 1). Die Regelungen können daher nicht  „großzügig“ gehandhabt werden. Mag die Generalstaatsanwaltschaft als gleichzeitige Bescheidung einer angenommenen Dienstaufsichtsbeschwerde oder (überobligationsmäßig) zur Befriedung Erörterungen in der Sache angestellt haben, so kann dies nicht dazu führen, dass das einmal erloschene Rechtsbehelfsrecht wieder auflebt. Dementsprechend muss es auch in diesen Fällen dem Senat möglich sein, die Fristwahrung anhand der Antragsbegründung zu überprüfen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Soweit die Antragstellerin in ihrem anwaltlichen Schriftsatz vom 11.01.2019 mit § 270 S. 2 ZPO argumentiert, führt dies zu keiner abweichenden Bewertung. Für die Frage der Fristwahrung kommt es zunächst auf das tatsächliche Datum des Zugangs des Bescheids an. Bestenfalls dann, wenn dieser nicht feststellbar und dies in der Antragsschrift entsprechend ausgeführt worden wäre (was hier nicht geschehen ist), könnte man erwägen, ob eine Vermutung greift.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Allein aus diesem Grund ist der Antrag bereits unzulässig.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Der Senat kann daher dahinstehen lassen, ob der Vortrag in der Antragsbegründung auch insoweit unzureichend ist, als er dem Senat eine Prüfung der Verjährungsfrage allein anhand der Antragsbegründung womöglich ebenfalls nicht ermöglicht. Die Staatsanwaltschaft hatte im Beschwerdebescheid u.a. damit argumentiert, dass mit Erstellung des PwC-Gutachtens vom 02.05.2013 am 02.05.2018 Verjährung eingetreten sei. Die Beschwerdeführerin meint hingegen unter Bezugnahme auf Saliger in NK-StGB, 5. Aufl., § 78a Rdn. 28, dass beim Versuch des Prozessbetruges die Verjährung mit dem Ende des Rechtsstreits beginne. Hier sei der Rechtsstreit noch nicht rechtskräftig abgeschlossen, so dass die Verjährungsfrist noch gar nicht begonnen habe.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Beim Versuch eines Erfolgsdelikts kommt es für den Beginn der Verjährung auf das tatsächliche Ende der Tätigkeit an, die der Vollendung der Tat dienen soll (BGH, Urteil vom 01. Februar 1989 – 3 StR 450/88 –, BGHSt 36, 105-118, Rn. 22 - juris), d.h. auf den Abschluss des letzten zur Täuschung bestimmten Täterverhaltens (Tiedemann in: LK-StGB, 12. Aufl., § 263 Rdn. 338). Deswegen kommt es nach Auffassung des Senats im vorliegenden Fall zunächst darauf an, wann sich der beschuldigte Rechtsanwalt Dr. T3 auf das – wie die Antragstellerin behauptet – falsche PwC-Gutachten berufen hat. Das war zunächst bei Beantragung der Klageabweisung mit Schriftsatz vom 07.06.2013 der Fall (etwa Bl. 1248 der Antragsbegründung). Das bedeutet allerdings nicht notwendigerweise, dass zu diesem Zeitpunkt die Verjährungsfrist begonnen hat und damit am 07.06.2018 Verjährung eingetreten wäre. Wenn die (etwaige) unwahre Parteibehauptung im Prozess weiterhin vertreten und wiederholt wird, kann der Verjährungsbeginn auch zu einem späteren Zeitpunkt liegen (RGSt 72, 150). In der zitierten Entscheidung stellt das Reichsgericht zudem auf ein pflichtwidriges Unterlassen der Nichtaufklärung der Wahrheit ab, was in dem seinerzeit entschiedenen Fall dazu führte, dass es die Beendigung des Betrugsversuchs erst mit der Berufungsverwerfung annahm. Indes hat es keinen Rechtssatz derart aufgestellt (anders als offenbar die Antragstellerin meint), dass immer erst mit dem Ende des Rechtsstreits die Verjährung beginne. Vielmehr kommt es konkret darauf an, wie sich die Partei oder ihr Prozessvertreter, welcher bzw. welchem ein Betrugsversuch vorgeworfen wird, im Prozess verhalten hat. So mag es sein, dass im Verlaufe des Prozesses (z. B. aus der Eröterung, aus etwaigen rechtlichen Hinweisen etc.) deutlich wird, dass der angeblich falsche Vortrag aus einem früheren Schriftsatz nicht mehr entscheidungsrelevant ist und es auf andere Dinge ankommt und er deswegen auch nicht mehr weiter vorgebracht wird. In einem solchen Fall wäre der Versuch des Prozessbetruges dann schon zu einem früheren Zeitpunkt fehlgeschlagen und beendet (vgl. hierzu etwa BGH MDR 1993, 674, 675).</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Insoweit erscheint fraglich, ob die Antragstellerin im vorliegenden Fall nicht hätte näheren Vortrag zum Verlauf des Zivilverfahrens erbringen müssen, insbesondere dazu, bis wann sich der Beschuldigte im Prozess auf das angeblich falsche Gutachten gestützt hat bzw. ab wann erkennbar geworden ist (z. B. durch eine entsprechende Erörterung oder gerichtliche Hinweise), dass es auf die Frage der Holzpreise aus Sicht des Landgerichts gar nicht ankommt. Das könnte dazu führen, dass bereits zu einem früheren Zeitpunkt als von der Antragstellerin angenommen ein etwaiger Betrugsversuch fehlgeschlagen gewesen wäre. Das Urteil des Landgerichts Münster vom 21.06.2018 stützt sich bei seiner Bewertung der Nichtigkeit der Verträge zwischen dem Land NRW und der Antragstellerin nach § 134 BGB i.V.m. Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV nicht auf das PwC-Gutachten (welches überhaupt nicht erwähnt wird) oder auf die Holzpreise in dem fraglichen Zeitraum. Den Vorteil im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV sieht es vielmehr darin, dass die Verträge eine Pflicht des beklagten Landes zur Lieferung begründeten, ohne dass eine dauerhafte Gegenleistung dafür gesichert gewesen wäre. Es habe zwar eine Lieferpflicht des Landes, aber keine Abnahmepflicht der Antragstellerin gegeben (Bl. 1583 ff.). Auf die Preisfrage kam es hingegen ausdrücklich nicht an („Ergänzend, ohne dass es darauf noch ankommt …“, Bl. 1589).</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Auf den insoweit fehlenden Sachvortrag kam es jedoch nicht mehr entscheidend an, weil der Antrag - wie bereits ausgeführt - ohnhin unzulässig ist.</p>
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180,223 | olg-oldenburg-2019-01-15-1-ss-25218 | {
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} | 1 Ss 252/18 | 2019-01-15T00:00:00 | 2019-02-07T14:18:23 | 2019-02-12T13:33:24 | Beschluss | <div id="dokument" class="documentscroll">
<a name="focuspoint"><!--BeginnDoc--></a><div id="bsentscheidung"><div>
<h4 class="doc">Tenor</h4>
<div><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 13. kleinen Strafkammer des Landgerichts Oldenburg vom 22. Oktober 2018 wird auf seine Kosten als unbegründet verworfen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
</div></div>
<h4 class="doc">Gründe</h4>
<div><div>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_1">1</a></dt>
<dd><p>Die zulässige Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_2">2</a></dt>
<dd><p>Das angefochtene Urteil weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Insoweit nimmt der Senat zunächst auf die Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 12. Dezember 2018 Bezug.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_3">3</a></dt>
<dd><p>Das Verteidigervorbringen im Schriftsatz vom 19. Dezember 2018 rechtfertigt keine abweichende Entscheidung. Die verfahrensgegenständliche Tat hatte der Angeklagte am 6. Januar 2018 begangen. Das vorgelegte Gutachten der Begutachtungsstelle für Fahreignung „L… Service“ datiert vom 5. Juni 2018. Soweit das Landgericht ausführt, dass das Gutachten angesichts des zwischen der Tat und dem Begutachtungszeitpunkt liegenden Zeitraums von lediglich fünf Monaten im Falle einer Anordnung einer MPU durch die Verwaltungsbehörde bereits aus Fristgründen obsolet wäre, da insoweit mindestens sechs Monate zwischen Tat und Begutachtung liegen müssten, bringt es damit lediglich einen in den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung (Bundesanstalt für Straßenwesen, Bergisch Gladbach, Stand 24. Mai 2018) unter Nummer 3. 13.1 (Missbrauch von Alkohol) niedergelegten Leitsatz zur Geltung. Danach können die Voraussetzungen zum Führen von Kraftfahrzeugen unter anderem nur dann als wiederhergestellt gelten, wenn die vollzogene Änderung im Umgang mit Alkohol stabil und motivational gefestigt ist. Das ist neben weiteren Umständen nur dann anzunehmen, wenn die Änderung nach genügend langer Erprobung und Erfahrungsbildung bereits in das Gesamtverhalten integriert ist. Als „genügend lange Erprobung“ verlangen die Leitsätze einen Zeitraum von in der Regel einem Jahr, <em>mindestens jedoch sechs Monaten</em>. Da es schon an dem erforderlichen Zeitraum fehlt, hat es die Strafkammer zu Recht abgelehnt, das vorgelegte Gutachten - unabhängig davon, ob ein solches angesichts der gesetzlichen Regelvermutung der Ungeeignetheit überhaupt ein Absehen von der Fahrerlaubnisentziehung herbeizuführen geeignet wäre (dagegen Geiger, DAR 2013, 231) - als einer verwaltungsbehördlich angeordneten MPU gleichstehend anzusehen (vgl. auch Hillmann, DAR 2012, 231, 232: „Im Falle eines stattgegebenen Beweisantrages der Verteidigung kann die MPU erst nach Ablauf besagter sechs Monate stattfinden. Der Verteidiger muss somit darauf achten, dass der MPU-Termin nicht zu früh anberaumt wird.“).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_4">4</a></dt>
<dd><p>Soweit das Landgericht unter Berücksichtigung der tatsächlichen Umstände die Regelvermutung des § 69 Abs. 2 Nummer 2 StGB als nicht widerlegt ange-    sehen hat, ist auch dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_5">5</a></dt>
<dd><p>Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.</p></dd>
</dl>
</div></div>
</div></div>
<a name="DocInhaltEnde"><!--emptyTag--></a><div class="docLayoutText">
<p style="margin-top:24px"> </p>
<hr style="width:50%;text-align:center;height:1px;">
<p><img alt="Abkürzung Fundstelle" src="/jportal/cms/technik/media/res/shared/icons/icon_doku-info.gif" title="Wenn Sie den Link markieren (linke Maustaste gedrückt halten) können Sie den Link mit der rechten Maustaste kopieren und in den Browser oder in Ihre Favoriten als Lesezeichen einfügen." onmouseover="Tip('<span class="contentOL">Wenn Sie den Link markieren (linke Maustaste gedrückt halten) können Sie den Link mit der rechten Maustaste kopieren und in den Browser oder in Ihre Favoriten als Lesezeichen einfügen.</span>', WIDTH, -300, CENTERMOUSE, true, ABOVE, true );" onmouseout="UnTip()"> Diesen Link können Sie kopieren und verwenden, wenn Sie <span style="font-weight:bold;">genau dieses Dokument</span> verlinken möchten:<br>http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/?quelle=jlink&docid=KORE204092019&psml=bsndprod.psml&max=true</p>
</div>
</div>
|
|
180,221 | olg-oldenburg-2019-01-15-2-ss-owi-1019 | {
"id": 604,
"name": "Oberlandesgericht Oldenburg",
"slug": "olg-oldenburg",
"city": null,
"state": 11,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 2 Ss (OWi) 10/19 | 2019-01-15T00:00:00 | 2019-02-07T14:18:23 | 2019-02-12T13:33:24 | Beschluss | <div id="dokument" class="documentscroll">
<a name="focuspoint"><!--BeginnDoc--></a><div id="bsentscheidung"><div>
<h4 class="doc">Tenor</h4>
<div><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Der Antrag des Betroffenen, die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Bersenbrück vom 24.9.2018 zuzulassen, wird auf seine Kosten als unbegründet verworfen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
</div></div>
<h4 class="doc">Gründe</h4>
<div><div>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_1">1</a></dt>
<dd><p>Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht den Betroffenen wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 80 € verurteilt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_2">2</a></dt>
<dd><p>Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seinem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde. Er rügt die Verletzung rechtlichen Gehörs und macht geltend, die Rechtsbeschwerde sei zur Fortbildung des Rechts zuzulassen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_3">3</a></dt>
<dd><p>Das Amtsgericht hat folgendes festgestellt:</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_4">4</a></dt>
<dd><p>Am 16.4.2018 befuhr der Betroffene mit einem Pkw in A… die L …. Der Betroffene passierte eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 70 km/h („70er-Schild“). Aus einem vom Amtsgericht ordnungsgemäß in Bezug genommenen Kartenausdruck ergibt sich, dass danach in einer Entfernung von ca. 1 km eine Straße („Straße 1“) nach rechts abzweigt. Knapp 200 m weiter zweigt eine weitere Straße („Straße 2“) nach rechts ab. Bei beiden Straßen handelt es sich nach den Urteilsfeststellungen um Zufahrtswege zu Höfen. An der Einmündung von Straße 2 befindet sich ein Sackgassenschild. Unmittelbar an der Einmündung zu Straße 1 stand ein weiteres für die L … geltendes 70er-Schild. Nach der Einmündung von Straße 2 bis zur Messstelle war kein weiteres 70er-Schild vorhanden.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_5">5</a></dt>
<dd><p>In den Urteilsgründen heißt es: „Die Einlassung des Betroffenen, die L … kurzfristig verlassen zu haben und anschließend über eine weitere Straße aufgebogen zu sein, ohne dass ein weiteres Schild an der Stelle vorhanden war, konnte nicht widerlegt werden.“ Und weiter: „Der Betroffene hat danach bereits das 70er-Schild einmal passiert und bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt auch beim Abbiegen nochmals wahrnehmen müssen. Das Verkehrsschild hat danach Weitergeltung für ihn gehabt und zwar unabhängig davon, ob man überhaupt zwischen den Nebenstraßen durchfahren kann oder nicht. Daher war auch kein Ortstermin durchzuführen. Da der Betroffene aus einer Sackgasse wiederum auf die L … auffuhr, hatte die Beschilderung weiterhin Gültigkeit und zwar auch für ihn.“</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_6">6</a></dt>
<dd><p>Der Betroffene meint demgegenüber, die Geschwindigkeitsbeschränkung habe ihm gegenüber nicht gegolten.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_7">7</a></dt>
<dd><p>Bei einer Geldbuße bis zu 100 € kommt die Zulassung der Rechtsbeschwerde nur zur Fortbildung des materiellen Rechts oder der Verletzung rechtlichen Gehörs in Betracht.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_8">8</a></dt>
<dd><p>Beide Zulassungsgründe sind nicht gegeben.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_9">9</a></dt>
<dd><p>Nach den Urteilsfeststellungen ist davon auszugehen, dass der Betroffene von Straße 2 auf die L … aufgefahren ist und danach bis zur Messstelle kein 70er-Schild passiert hat. Da das Amtsgericht letztlich offengelassen hat, ob er Straße 2 über Straße 1 erreichen konnte, gibt es zwei Varianten.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_10">10</a></dt>
<dd><p>Variante A: Abbiegen in Straße 1, Wiederauffahren von Straße 2</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_11">11</a></dt>
<dd><p>Variante B: Abbiegen in Straße 2, Wiederauffahren von Straße 2</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_12">12</a></dt>
<dd><p>Der Unterschied zwischen den beiden Varianten besteht darin, dass der Betroffene bei der Variante B während des Befahrens des Streckenabschnitts hätte feststellen können, dass zwischen den Straßen 1 und 2 keine Aufhebung der Geschwindigkeitsbeschränkung erfolgte, während er bei Variante A diese Feststellung zumindest nicht durch Befahren der L … auf dem Abschnitt zwischen den Einmündungen der Straßen 1 und 2 treffen konnte.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_13">13</a></dt>
<dd><p>In der Rechtsprechung ist geklärt, dass die durch ein Verkehrszeichen begründete Anordnung für den Verkehrsteilnehmer der sie kennt, auch dann gilt, wenn er in dessen Wirkungsbereich von einer Stelle einfährt, von der es nicht wahrgenommen werden kann (OLG Karlsruhe DAR 2003,182; BayObLG VRS 69. Band, 461). Für Kenntnis bieten die Urteilsgründe keinen Anhalt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_14">14</a></dt>
<dd><p>Bei Variante B hätte der Betroffene aber schon durch Befahren des Streckenabschnittes wissen können, dass die Geschwindigkeitsbegrenzung nicht aufgehoben war. Es ist dennoch nicht die vom Betroffenen für klärungsbedürftig gehaltene Frage zu klären, wie lange eine Geschwindigkeitsanordnung auf einer bestimmten Strecke „in Erinnerung bleiben muss“.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_15">15</a></dt>
<dd><p>Diese Frage ist nämlich ebenfalls geklärt:</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_16">16</a></dt>
<dd><p>Ein Kraftfahrer ist zwar verpflichtet, darauf zu achten, wie auf der von ihm befahrenen Strecke der Verkehr durch Gebote und Verbote geregelt ist; er hat jedoch keinen Anlass, diese Regelungen darüber hinaus seinem Gedächtnis einzuprägen. Gerade ein routinierter Kraftfahrer wird häufig die von ihm wahrgenommene Regelung mehr oder weniger unbewusst beachten, ohne dass er anschließend noch eine Erinnerung an sie hat. Nicht aber geht es an, von einem Verkehrsteilnehmer zu verlangen, dass er sich über die konkrete Fahrt hinaus die bei dieser erlangten Wahrnehmungen auch weiterhin einprägt und sie bei einer <em>späteren Fahrt</em> wieder in das Bewusstsein ruft, wenn er aus einer Seitenstraße in die geregelte Strecke einfährt und keine diese Regelung erkennbar machendes Verkehrszeichen wahrnehmen kann. Da ein Kraftfahrer nicht verpflichtet ist und keinen Anlass hat, die Wahrnehmung eines eine Verkehrsbeschränkung anordnenden Verkehrszeichens über die Zeit bis zum Verlassen des Geltungsbereiches des Zeichens hinaus seinem Gedächtnis einzuprägen, gilt dies unabhängig von der Länge der seit dem letzten Befahren der Strecke verstrichenen Zeit (BayObLG VRS 73. Band, 76).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_17">17</a></dt>
<dd><p>Da hier der Betroffene aber im Zuge einer einheitlichen Fahrt wieder auf die L … eingebogen ist, hätte er Anlass gehabt, sich an die Fortgeltung der Geschwindigkeitsbegrenzung zu erinnern. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob der Betroffene die Fahrt zwischenzeitlich zum Einladen von Brennholz unterbrochen hatte, so dass die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs dahingehend, dass das Amtsgericht dieses Vorbringen nicht berücksichtigt habe, schon deshalb nicht durchgreift.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_18">18</a></dt>
<dd><p>Der BGH hat nämlich entschieden, dass ein Verbotsschild von einem Fahrer der es wahrgenommen hat, auf allen Teilen der Strecke und während des gesamten Verlaufs seiner Fahrt beachtet werden muss, wenn diese ein einheitliches, schon beim Passieren des Verkehrszeichens geplantes Unternehmen darstellt (BGHSt 11, 7). Auch im dortigen Fall war es so, dass der Fahrzeugführer zwischenzeitlich einen Lastzug mit Holz beladen hatte und hierzu in eine Seitenstraße eingefahren war. In dieser Entscheidung heißt es weiter: „Ob nun die Fahrt in derselben oder in der entgegengesetzten Richtung fortgesetzt wird, in beiden Fällen wird vom Kraftfahrer verlangt, dass er sich ein für eine längere Strecke geltendes Verbotsschild mindestens dann merkt und einprägt, wenn es zuvor wahrgenommen hat….Die noch am selben Tage unmittelbar an das Beladen sich anschließende Rückfahrt über die gleiche Strecke kann nämlich nicht unabhängig von der vorangegangenen Benutzung als neue, selbständige Fahrt angesehen werden“.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_19">19</a></dt>
<dd><p>Anders gelagert ist die Variante A:</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_20">20</a></dt>
<dd><p>In dieser Konstellation hätte der Betroffene zumindest nicht durch Befahren der Strecke wissen können, dass die Geschwindigkeitsbeschränkung noch galt. Darauf, dass eine Geschwindigkeitsbeschränkung bis zur Einmündung der Straße 1 bestand, kommt es (zunächst) nicht an. Es galt vielmehr der Sichtbarkeitsgrundsatz. Der durch das Verkehrszeichen verkörperte Verwaltungsakt wird grundsätzlich dadurch eröffnet, dass der Verkehrsteilnehmer Gelegenheit erhält, durch Wahrnehmung des Verkehrszeichens von der darin verkörperten behördlichen Anordnung Kenntnis zu nehmen (BayObLG VRS 69. Band, a.a.O.). Obwohl der Betroffene in dieser Variante nach der Einmündung von Straße 2 keine Geschwindigkeitsbegrenzung wahrnehmen konnte, käme ein Geschwindigkeitsverstoß in Betracht, wenn die Geschwindigkeitsüberschreitung aus anderen Gründen vorwerfbar wäre, so zum Beispiel durch die vorherige Wahrnehmung des an der Einmündung von Straße 1 aufgestellten 70er-Wiederholungsschildes – das eine Aufhebung der Geschwindigkeitsbegrenzung auf den nächsten 200m ohnehin schon unwahrscheinlich machte- und Sichtmöglichkeit bis zur Einmündung von Straße 2 oder weil aufgrund der örtlichen Gegebenheiten die Fortgeltung der Geschwindigkeitsbegrenzung nahe lag; das ist jedoch Tatfrage (vgl. OLG Hamm NZV 2015, 457).</p></dd>
</dl>
</div></div>
</div></div>
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<hr style="width:50%;text-align:center;height:1px;">
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180,192 | bgh-2019-01-15-vi-zr-50617 | {
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} | VI ZR 506/17 | 2019-01-15T00:00:00 | 2019-02-07T14:17:43 | 2019-02-07T14:17:43 | Urteil | ECLI:DE:BGH:2019:150119UVIZR506.17.0 | <h2>Tenor</h2>
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<p>Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 14. Dezember 2017 aufgehoben.</p>
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<p>Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 2. März 2017 wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens gegeneinander aufgehoben werden.</p>
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<p>Die Kosten der Rechtsmittelinstanzen tragen die Beklagten.</p>
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<p>Von Rechts wegen</p>
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<h2>Tatbestand</h2>
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<p>Die Klägerin verlangt von den Beklagten, die Übermittlung eines "presserechtlichen Informationsschreibens" durch Telefax zu unterlassen.</p>
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<p>Der Verlag der Klägerin gibt eine Zeitung heraus, in der unter der Rubrik "Herzblatt-Geschichten" Veröffentlichungen der sogenannten Boulevard- oder Regenbogenpresse über Prominente aufgegriffen werden. Der Beklagte zu 2, ein bekannter Musiker, war wiederholt Gegenstand einer solchen Berichterstattung durch die Klägerin. Die Beklagte zu 1 betreibt eine presserechtlich tätige Rechtsanwaltskanzlei. Sie versendet an von ihr ausgewählte Verlage "presserechtliche Informationsschreiben".</p>
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<p>Im Oktober 2015 forderte die Klägerin die Beklagte zu 1 auf, sie aus dem Verteiler für den Versand von "presserechtlichen Informationsschreiben" oder "presserechtlichen Warnschreiben" zu nehmen. Sie wünsche diese Schreiben in Zukunft weder per Telefax noch per E-Mail oder per Post zu bekommen. Diese verursachten einen erheblichen Mehraufwand bei ihrer Rechtsabteilung, ohne dass dem ein Mehrwert an Information gegenüberstehe. Außerdem forderte die Klägerin die Beklagte zu 1 auf, den Beklagten zu 2 darauf hinzuweisen, dass sie zukünftig keine "presserechtlichen Informationsschreiben" oder "presserechtlichen Warnschreiben" per Telefax, E-Mail oder Post von ihm wünsche. Die Beklagte zu 1 teilte der Klägerin im Rahmen der nachfolgenden Korrespondenz durch Schreiben vom 22. Oktober 2015 und vom 28. Oktober 2015 Folgendes mit:</p>
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<p style="margin-left:36pt">"[…] ich bitte um Verständnis, dass ich nicht rechtsberatend für die […] tätig sein darf. Gehen Sie davon aus, dass diese Rechtsproblematik entschieden ist. Wir werden auch weiterhin presserechtliche Informationsschreiben an Sie senden. Es ist Ihnen anheimgestellt, uns bereits jetzt zu verklagen, ggf. Feststellungsklage zu erheben. Wir haben keinen Anlass, von unserer bisherigen Praxis Abstand zu nehmen, auch gegenüber der […] und der […]."</p>
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<p style="margin-left:36pt">"[…] es geht nicht darum meine Mandanten zu verklagen. Ich hatte angeregt, dass Sie unsere Kanzlei verklagen, weil wir Ihnen ja diese Briefe schicken. […]</p>
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<p style="margin-left:36pt">Es ist meine vornehmste Pflicht, für den Mandanten dafür zu sorgen, dass rechtswidrige Berichterstattung nicht übernommen wird und ich werde daran weiter festhalten. […]"</p>
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<p>Am 11. Mai 2016 übersandte die Beklagte zu 1 der Klägerin ein Telefax mit der Überschrift "Presserechtliches Informationsschreiben" und folgendem Inhalt:</p>
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<p style="margin-left:36pt">"Im Auftrag von [Beklagter zu 2] und seiner Lebensgefährtin weise ich namens und in Vollmacht meiner Klienten aus Anlass der aktuellen BUNTE-Berichterstattung auf Folgendes hin:</p>
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<p style="margin-left:36pt">Ich werde gegen die aktuelle Berichterstattung in der `BUNTEN` rechtliche Schritte einleiten und sowohl die Wort- als auch die Bildberichterstattung verbieten. Die Berichterstattung greift massiv in die Privatsphäre meiner Klienten ein und ist gegen ihren Willen erfolgt. Zudem enthält der Artikel mannigfaltige Unwahrheiten bereits auf der Titelseite der `BUNTEN`. Die Paparazziabschüsse unserer Klienten stellen besonders schwere Eingriffe dar. Wir sind daher auch beauftragt, hier nicht nur sämtliche zivil- sondern auch strafrechtliche Schritte einzuleiten. Das Recht am eigenen Bild ist auch durch das Strafrecht geschützt und wurde hier vorsätzlich verletzt. Wir bitten daher von einer Übernahme der Berichterstattung vollständig und/oder in Teilen unbedingt Abstand zu nehmen. Wir sind beauftragt, gegen weitere Berichte unverzüglich dieselben Schritte einzuleiten. Wegen der Massivität der Rechtsverletzung werden wir auch Geldentschädigungsansprüche bei der `BUNTEN` anmelden.</p>
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<p style="margin-left:36pt">Dieses Schreiben ist ausschließlich zur presserechtlichen Information und nicht zur Veröffentlichung bestimmt."</p>
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<p>Daraufhin forderte die Klägerin die Beklagten auf, dies zu unterlassen.</p>
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<p>Das Landgericht (K&R 2017, 342 mAnm Hoene) hat die Beklagten nach teilweiser Klagerücknahme entsprechend dem von der Klägerin erstinstanzlich zuletzt gestellten Antrag verurteilt, es zu unterlassen, der Klägerin sogenannte presserechtliche Informationsschreiben, die ein rechtliches Vorgehen gegen eine etwaige Berichterstattung in Wort und/oder Bild über gewisse Ereignisse oder Umstände in Aussicht stellen, per Telefax zuzusenden, wenn dies geschieht wie mit dem Schreiben der Beklagten vom 11. Mai 2016. Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Landgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils, hilfsweise gemäß dem in der Berufungsinstanz gestellten Hilfsantrag, die Beklagte zu 1 zu verurteilen, es zu unterlassen, der Klägerin im Auftrag von Mandanten per Telefax "presserechtliche Informationsschreiben" zuzusenden, in welchen aus Anlass über eine Berichterstattung über einen Mandanten darauf hingewiesen wird, dass der Mandant diese Berichterstattung ganz oder teilweilweise für rechtswidrig erachte, und gebeten wird, von einer gänzlichen oder teilweisen Übernahme der Berichterstattung Abstand zu nehmen, bezüglich des Beklagten zu 2 das Verbot auszusprechen, solche Schreiben zuzusenden, die Berichterstattungen über ihn, den Beklagten zu 2, betreffen, wenn dies geschieht wie mit dem Schreiben der Beklagten vom 11. Mai 2016.</p>
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<h2>Entscheidungsgründe</h2>
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<p>Nach Auffassung des Berufungsgerichts (WRP 2018, 597) bestehen Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage im Hinblick auf eine mögliche Unbestimmtheit des Klageantrags zwar nach Stellung des Hilfsantrags nicht mehr. Die Klage sei jedoch - auch bezüglich des Hilfsantrags - unbegründet. Die Klägerin habe gegen die Beklagten weder wegen Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb noch wegen einer Verletzung des Unternehmerpersönlichkeitsrechts einen Unterlassungsanspruch. Zwar sei von der Betriebsbezogenheit des Eingriffs auszugehen, da die Informationsschreiben die Klägerin gegen ihren Willen unmittelbar erreichten. Allerdings führe die Interessen- und Güterabwägung zu einer Entscheidung zu Lasten der Klägerin.</p>
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<p>Die Revision der Klägerin ist begründet und führt zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Die Beklagten haben, wie von der Klägerin mit dem Hauptantrag geltend gemacht, es zu unterlassen, der Klägerin "presserechtliche Informationsschreiben" per Telefax zu übermitteln, wenn dies geschieht wie mit dem Schreiben der Beklagten vom 11. Mai 2016.</p>
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<p>1. Das Berufungsurteil unterliegt nicht bereits deshalb der Aufhebung, weil der Umfang der Entscheidung des Berufungsgerichts unklar wäre. Das Berufungsurteil ist dahingehend auszulegen, dass das Berufungsgericht bereits den Hauptantrag für hinreichend bestimmt und damit zulässig, aber - ebenso wie den zulässigen Hilfsantrag - nicht für begründet gehalten hat.</p>
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<p>2. Die Beurteilung, der Hauptantrag sei hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.</p>
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<p>a) Die hinreichende Bestimmtheit eines Klageantrags ist auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfen (vgl. BGH, Urteile vom 17. Oktober 2018 - I ZR 136/17, juris Rn. 13 - Tork; vom 5. Oktober 2017 - I ZR 184/16, GRUR 2018, 203 Rn. 9 - Betriebspsychologe; vom 20. Februar 1997 - I ZR 13/95, BGHZ 135, 1, 6 - Betreibervergütung; vom 28. Januar 1994 - V ZR 90/92, BGHZ 125, 41, 44).</p>
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<a name="rd_12">12</a>
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<p>b) Ein Klageantrag ist hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), wenn er den erhobenen Anspruch konkret bezeichnet, dadurch den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) absteckt, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung (§ 322 ZPO) erkennen lässt, das Risiko eines Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den Beklagten abwälzt und schließlich eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren erwarten lässt. Dies ist der Fall, wenn die konkret angegriffene Verletzungsform antragsgegenständlich ist (vgl. BGH, Urteile vom 26. Juli 2018 - I ZR 226/14, GRUR 2018, 1246 Rn. 28 - Kraftfahrzeugfelgen II; vom 26. April 2018 - I ZR 121/17, juris Rn. 10 - Applikationsarzneimittel; vom 22. März 2018 - I ZR 118/16, GRUR 2018, 1161 Rn. 16 - Hohlfasermembranspinnanlage II; vom 16. Juli 2009 - I ZR 56/07, GRUR 2009, 1075 Rn. 10 - Betriebsbeobachtung; vom 21. Juni 2001 - I ZR 69/99, GRUR 2002, 75 unter II.1.a. - "SOOOO ... BILLIG!"?; vom 26. Oktober 2000 - I ZR 180/98, GRUR 2001, 453 unter III.1.a. - TCM-Zentrum).</p>
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<p>So verhält es sich im Streitfall. Die Klägerin wendet sich mit ihrem Hauptantrag ausschließlich gegen die konkrete Verletzungshandlung in Form der Übermittlung des Schreibens vom 11. Mai 2016 durch Telefax. Sie verlangt nicht, darüber hinausgehend die Übermittlung "presserechtlicher Informationsschreiben" allgemein und unabhängig vom konkreten Inhalt oder mit einem anderen Inhalt zu unterlassen.</p>
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<p>Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1 BGB, es zu unterlassen, der Klägerin "presserechtliche Informationsschreiben" per Telefax zu übermitteln, wenn dies geschieht wie mit dem Schreiben der Beklagten vom 11. Mai 2016.</p>
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<p>1. Durch die Übermittlung dieses Schreibens haben die Beklagten in das das durch Art. 12 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich gewährleistete Recht der Klägerin am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingegriffen.</p>
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<p>a) Der Schutz des § 823 Abs. 1 BGB wird gegen jede Beeinträchtigung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gewährt, wenn die Störung einen unmittelbaren Eingriff in den gewerblichen Tätigkeitskreis darstellt. Durch den dem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gewährten Schutz soll das Unternehmen in seiner wirtschaftlichen Tätigkeit und in seinem Funktionieren vor widerrechtlichen Eingriffen bewahrt bleiben (vgl. Senat, Urteil vom 15. Mai 2012 - VI ZR 117/11, BGHZ 193, 227 Rn. 19, 21; BGH, Urteile vom 6. Februar 2014 - I ZR 75/13, GRUR 2014, 904 Rn. 12 - Aufruf zur Kontokündigung; vom 28. Februar 2013 - I ZR 237/11, GRUR 2013, 917 Rn. 16 - Vorbeugende Unterwerfungserklärung). Bei Presseunternehmen sind dabei durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG grundrechtlich gewährte Rechtspositionen zu berücksichtigen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Januar 1984 - 1 BvR 272/81 BVerfGE 66, 116, 132 f.; Hager, in: Staudinger, BGB [2017], § 823 Rn. D 2). Die Verletzungshandlung muss sich gerade gegen den Betrieb und seine Organisation oder gegen die unternehmerische Entscheidungsfreiheit richten und über eine bloße Belästigung oder eine sozial übliche Behinderung hinausgehen (vgl. Senat, Urteil vom 21. April 1998 - VI ZR 196/97, BGHZ 138, 311, 317; BGH, Urteil vom 28. Februar 2013 - I ZR 237/11, GRUR 2013, 917 Rn. 16 - Vorbeugende Unterwerfungserklärung).</p>
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<p>b) In diesen Schutzbereich wurde unmittelbar eingegriffen. Die Übermittlung des Schreibens zielte unmittelbar auf eine Beeinflussung der redaktionellen Tätigkeit der Klägerin als Presseunternehmen ab. Dies führte auch nicht zu einer bloßen Belästigung. Bereits die Sichtung des Schreibens unmittelbar nach dem Eingang und die Weiterleitung innerhalb des Verlags verursachten zusätzlichen Arbeitsaufwand. Darüber hinaus war ungeachtet der Überschrift "Presserechtliches Informationsschreiben" nicht auf den ersten Blick erkennbar und bedurfte daher der Prüfung, was Inhalt und Gegenstand des von einer Rechtsanwaltskanzlei stammenden Schriftstücks war. Dadurch erfolgte schließlich keine lediglich sozial übliche Behinderung, da die Klägerin zuvor erklärt hatte, keine Schreiben dieser Art (mehr) erhalten zu wollen.</p>
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<p>2. Dieser Eingriff in das Recht der Klägerin am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb war rechtswidrig.</p>
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<p>a) Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb stellt einen offenen Tatbestand dar, dessen Inhalt und Grenzen sich erst aus einer Abwägung mit den im Einzelfall konkret kollidierenden Interessen anderer ergeben. Bei der Abwägung sind die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen. Der Eingriff in den Schutzbereich ist nur dann rechtswidrig, wenn das Interesse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (vgl. Senat, Urteile vom 10. April 2018 - VI ZR 396/16, NJW 2018, 2877 Rn. 19; vom 16. Dezember 2014 - VI ZR 39/14, NJW 2015, 773 Rn. 16; BGH, Urteil vom 6. Februar 2014 - I ZR 75/13, GRUR 2014, 904 Rn. 15 - Aufruf zur Kontokündigung; jeweils mwN).</p>
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<p>b) Im Streitfall sind die oben (B.II.1.) genannten Schutzinteressen der Klägerin mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 GG) des Beklagten zu 2, dem Recht auf freie Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) der Beklagten zu 1 und - zu Gunsten der Beklagten unterstellt - deren Recht auf Verbreitung ihrer Meinung (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) abzuwägen. Hier überwiegt das Interesse der Klägerin die schutzwürdigen Belange der Beklagten.</p>
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<p>aa) Die Übermittlung presserechtlicher Informationsschreiben fällt sowohl in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Beklagten zu 2 als auch in den der Berufsausübung der Beklagten zu 1. Derartige Schreiben zielen auf einen effektiven - möglichst bereits vor einer Verletzung wirksam werdenden - Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Sie dienen - vergleichbar einer Schutzschrift - dazu, dem von einer befürchteten Rechtsverletzung Betroffenen bereits im Vorfeld Gehör zu gewähren und dadurch persönlichkeitsrechtsverletzende Rechtsverstöße von vorneherein zu verhindern oder jedenfalls ihre Weiterverbreitung einzuschränken (vgl. Senat, Urteil vom 2. Mai 2017 - VI ZR 262/16, NJW-RR 2017, 1516 Rn. 33 ff.; OLG Köln, Urteil vom 12. April 2018 - 15 U 112/17, juris Rn. 1, 26 mAnm Wanckel, NJW 2018, 2741; Hoene, K&R 2017, 345). Die Übermittlung presserechtlicher Informationsschreiben bereits im Vorfeld einer möglichen Presseberichterstattung kann für den Betroffenen von besonderer Bedeutung sein, da sich aufgrund der Schwierigkeit, die für einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch erforderliche Erstbegehungsgefahr konkret darzutun (vgl. Senat, Urteile vom 15. September 2015 - VI ZR 175/14, BGHZ 206, 347 Rn. 36; vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, NJW-RR 2009, 1413 Rn. 30), auch durch eine einstweilige Verfügung in der Regel nur der weiteren Verbreitung einer bereits veröffentlichten persönlichkeitsrechtsverletzenden Berichterstattung entgegen wirken lässt. Je länger die Verbreitung angedauert hat, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass der persönlichkeitsrechtsverletzende Inhalt bereits zur Kenntnis genommen und weiterverbreitet worden ist. Dem Interesse des Beklagten zu 2 am Schutz seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts korrespondiert das von Art. 12 geschützte Interesse der Beklagten zu 1, die Rechtsposition ihres Mandanten in der Weise wahrzunehmen, die sie für richtig hält (vgl. BVerfG [K], Beschluss vom 16. Juli 2003 - 1 BvR 801/03, BVerfGK 1, 235, 237; Senat, Urteil vom 16. November 2004 - VI ZR 298/03, NJW 2005, 279 unter II.1.b)). Zu Gunsten der Beklagten kann unterstellt werden, dass die Übersendung presserechtlicher Informationsschreiben darüber hinaus in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG fällt (vgl. dazu BVerfG [K], Beschluss vom 1. August 2002 - 2 BvR 2135/01, NJW 2002, 2938; Heese, JZ 2012, 487, 493 f.; ders. JZ 2016, 529; Grabenwarter, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 84. EL August 2018, Art. 5 Abs. 1 Rn. 81, 87 mwN).</p>
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<p>bb) Hinter diesen schutzwürdigen Interessen hat das Interesse eines Presseunternehmens, presserechtliche Informationsschreiben nicht zu erhalten, in der Regel zurückzutreten. Zwar verursacht die Übersendung derartiger Schreiben auf Seiten des Empfängers einen gewissen Aufwand und Kosten. Der mit dem Empfang eines Informationsschreibens verbundene Aufwand wird sich jedoch regelmäßig auf dessen Sichtung und Zuordnung beschränken. Darüber hinaus hat es das betroffene Presseunternehmen selbst in der Hand, ob und inwieweit es sich weiter damit befasst (vgl. zur vorbeugenden Rechtsverteidigung durch unaufgeforderte Übersendung einer mit einem Vertragsstrafeversprechen verbundenen Unterwerfungserklärung BGH, Urteil vom 28. Februar 2013 - I ZR 237/11, GRUR 2013, 917 Rn. 23 - Vorbeugende Unterwerfungserklärung). Auch etwaige Kosten halten sich in einem überschaubaren Rahmen. Abgesehen davon liegt die Übersendung derartiger Informationsschreiben auch im Interesse des Presseunternehmens, da sie es ihm aufgrund des mit einer Befassung mit dem Schreiben zu erwartenden Erkenntnisgewinns ermöglicht, Rechtsverletzungen zu vermeiden. Zwar mag die Übersendung eines Informationsschreibens dazu führen, dass das betroffene Presseunternehmen bei der Berichterstattung besondere Vorsicht walten lässt. Angesichts des Umstands, dass es zur Aufgabe der Presse gehört, beabsichtigte Berichterstattungen daraufhin zu überprüfen, ob sie Persönlichkeitsrechte davon Betroffener verletzen würden, kann hierin aber jedenfalls grundsätzlich nicht der Versuch einer unzulässigen Einflussnahme gesehen werden (vgl. BGH, Urteil vom 28. Februar 2013 - I ZR 237/11, GRUR 2013, 917 Rn. 21 f., 23 - Vorbeugende Unterwerfungserklärung).</p>
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<a name="rd_23">23</a>
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<p>Eine andere Beurteilung ist allerdings dann geboten, wenn das übersandte Informationsschreiben von vorneherein ungeeignet ist, präventiven Rechtsschutz zu bewirken. Hiervon ist auszugehen, wenn es keine Informationen enthält, die dem Presseunternehmen die Beurteilung erlauben, ob Persönlichkeitsrechte durch eine etwaige Berichterstattung verletzt würden.</p>
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<a name="rd_24">24</a>
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<p>cc) So verhält es sich im Streitfall. Dem Schreiben lässt sich schon der Inhalt der von den Beklagten für rechtswidrig gehaltenen Vorberichterstattung nicht entnehmen. Es wird nicht aufgezeigt, welche Rechtsverletzungen der "BUNTEN" konkret vorgeworfen werden. Weder wird klar, welche unrichtigen Behauptungen konkret aufgestellt worden sein sollen, noch welche Fotos aus welchen Gründen in rechtswidriger Weise veröffentlicht worden sein sollen. Die Darstellung ist so allgemein gehalten, dass sie der Klägerin eine Prüfung und Beurteilung des Sachverhalts nicht ermöglicht.</p>
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<a name="rd_25">25</a>
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<p>3. Für die dargestellte Rechtsverletzung haften die Beklagten als Störer.</p>
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<a name="rd_26">26</a>
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<p>a) Der Beklagte zu 2 ist Störer, da er die Beklagte zu 1 beauftragte und bevollmächtigte, in seinem Namen das Informationsschreiben vom 11. Mai 2016 an die Klägerin zu richten.</p>
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<a name="rd_27">27</a>
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<p>b) Unter den besonderen Voraussetzungen des Streitfalls ist auch die Beklagte zu 1 als Störerin verantwortlich.</p>
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<a name="rd_28">28</a>
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<p>aa) Zwar ist es Aufgabe des Rechtsanwalts als unabhängiges Organ der Rechtspflege, die Interessen seines Mandanten unabhängig zu vertreten und wahrzunehmen, um dessen Rechte zu wahren und zu verfolgen. Soweit er sich im Interesse eines Mandanten äußert, wird er nicht als Privatperson tätig, sondern in seiner Funktion als Rechtsanwalt und Vertreter seines Mandanten. Regelmäßig macht er sich Äußerungen im Namen und in Vollmacht seines Mandanten nicht als persönliche zu Eigen. Materiell-rechtlich ist in diesen Fällen gegebenenfalls nicht er, sondern sein Mandant als Störer anzusehen (vgl. Senat, Urteil vom 16. November 2004 - VI ZR 298/03, NJW 2005, 279 unter II.1.b.). Nur im Ausnahmefall kann die Berücksichtigung der Gesamtumstände eine persönliche Verantwortung des Rechtsanwalts nahelegen (vgl. BVerfG [K], Beschluss vom 16. Juli 2003 - 1 BvR 801/03, BVerfGK 1, 235, 237; BGH, Versäumnisurteil vom 1. Dezember 2015 - X ZR 170/12, BGHZ 208, 119 Rn. 23 - Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung II).</p>
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<a name="rd_29">29</a>
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<p>bb) Ein solcher Ausnahmefall liegt hier jedoch vor. Die Beklagte zu 1 hat sich nicht auf die Vertretung des Beklagten zu 2 beschränkt. Vielmehr hat sie bereits im Vorfeld und unabhängig von einer Vertretung eines bestimmten Mandanten für sich selbst in Anspruch genommen, in der von der Klägerin beanstandeten Art und Weise vorgehen zu dürfen. Sie hat sogar ausdrücklich angeregt, nicht einen konkreten Mandanten, sondern sie selbst zu verklagen. Damit hat sie zum Ausdruck gebracht, für diese Vorgehensweise - bis zur vorliegend erfolgten gerichtlichen Klärung - persönlich die Verantwortung zu übernehmen.</p>
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<p>III.</p>
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<a name="rd_30">30</a>
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<p>Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1, § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.</p>
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<table class="Rsp">
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<p style="text-align:left">von Pentz     </p>
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<p style="text-align:left">      </p>
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<p style="text-align:left">Offenloch     </p>
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<p style="text-align:left">Oehler</p>
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<p style="text-align:left">Roloff     </p>
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<p style="text-align:left">      </p>
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<p style="text-align:left">Allgayer     </p>
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|
175,050 | eugh-2019-01-15-c-5218 | {
"id": 2,
"name": "Europäischer Gerichtshof",
"slug": "eugh",
"city": null,
"state": 19,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": null
} | C-52/18 | 2019-01-15T00:00:00 | 2019-01-31T19:21:03 | 2019-01-31T19:21:03 | Schlussantrag des Generalanwalts | ECLI:EU:C:2019:22 | <p class="C36Centre">SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS</p>
<p class="C36Centre">NILS WAHL</p>
<p class="C36Centre">vom 15. Januar 2019(<a href="#Footnote1" name="Footref1">1</a>)</p>
<p class="C38Centregrasgrandespacement">
<b>Rechtssache C</b>‑<b>52/18</b>
</p>
<p class="C37Centregras">
<b>Christian Fülla</b>
</p>
<p class="C37Centregras">
<b>gegen</b>
</p>
<p class="C37Centregras">
<b>Toolport GmbH</b>
</p>
<p class="C39Centreespacement">(Vorabentscheidungsersuchen des Amtsgerichts Norderstedt [Deutschland])</p>
<p class="C71Indicateur">„Vorabentscheidungsersuchen – Verbraucherschutz – Richtlinie 1999/44/EG – Verbrauchsgüterkauf – Rechte des Verbrauchers – Vertragswidrigkeit des gelieferten Verbrauchsguts – Nachträgliche Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsguts – Pflichten des Verkäufers – Bestimmung des Ortes, an dem das Verbrauchsgut zur Nachbesserung oder Ersatzlieferung bereitgestellt werden muss (‚Erfüllungsort der Nacherfüllung‘) – Bedeutung der ‚erheblichen Unannehmlichkeiten für den Verbraucher‘ – Bedeutung der ‚unentgeltlichen Nachbesserung‘ – Anspruch auf Vertragsauflösung“</p>
<br/>
<br/>
<br/>
<br/>
<p class="C02AlineaAltA">
<br/>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point1">1.</a>        Ist beim Verbrauchsgüterkauf, wenn ein im Fernabsatz gekauftes Verbrauchsgut sich später als nicht vertragsgemäß herausstellt, unionsrechtlich abschließend geregelt, an welchem Ort der Verbraucher dem Verkäufer dieses zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustands zur Verfügung stellen muss?</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point2">2.</a>        Im Zeitalter des digitalen Handels kommt dieser Frage wachsende Bedeutung zu, insbesondere wenn es um schwere oder sperrige Verbrauchsgüter geht. In der vorliegenden Rechtssache, die vom Amtsgericht Norderstedt (Deutschland) vorgelegt wird, soll ein 5 m x 6 m großes Partyzelt mangelhaft geliefert worden sein.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point3">3.</a>        Um die Frage zu beantworten, wird der Gerichtshof eine Reihe von Fragestellungen zu klären haben, die der Richtlinie 1999/44/EG zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (im Folgenden: Richtlinie) unterliegen(<a href="#Footnote2" name="Footref2">2</a>).</p>
<p class="C21Titrenumerote1">I.      <b>Rechtlicher Rahmen</b>
</p>
<p class="C22Titrenumerote2">A.      <b>Unionsrecht</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point4">4.</a>        Die Richtlinie hat die Verpflichtung des Verkäufers zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustands von Verbrauchsgütern in gewissem Umfang harmonisiert.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point5">5.</a>        In den Erwägungsgründen der Richtlinie heißt es:</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">„(1)      Nach Artikel 153 Absätze 1 und 3 [EG] leistet die Gemeinschaft durch die Maßnahmen, die sie nach Artikel 95 des Vertrags erlässt, einen Beitrag zur Erreichung eines hohen Verbraucherschutzniveaus.</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">(2)      Der Binnenmarkt umfasst einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gewährleistet ist. Der freie Warenverkehr betrifft nicht nur den gewerblichen Handel, sondern auch Privatpersonen. Dies bedeutet, dass es den Verbrauchern aus einem Mitgliedstaat möglich sein muss, auf der Grundlage angemessener einheitlicher Mindestvorschriften über den Kauf von Verbrauchsgütern im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats frei einzukaufen.</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">…</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">(12)      In Fällen von Vertragswidrigkeit kann der Verkäufer dem Verbraucher zur Erzielung einer gütlichen Einigung stets jede zur Verfügung stehende Abhilfemöglichkeit anbieten. Die Entscheidung über die Annahme oder Ablehnung des betreffenden Vorschlags bleibt dem Verbraucher anheimgestellt.</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">…</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">(19)      Den Mitgliedstaaten sollte die Möglichkeit eingeräumt werden, eine Frist festzusetzen, innerhalb deren die Verbraucher den Verkäufer über Vertragswidrigkeiten unterrichten müssen. Die Mitgliedstaaten können ein höheres Niveau des Verbraucherschutzes gewährleisten, indem sie keine derartige Verpflichtung einführen. In jedem Fall sollten die Verbraucher für die Unterrichtung des Verkäufers über das Vorliegen einer Vertragswidrigkeit überall in der Gemeinschaft über einen Zeitraum von mindestens zwei Monaten verfügen.“</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point6">6.</a>        Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie bestimmt:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„Es wird vermutet, dass Verbrauchsgüter vertragsgemäß sind, wenn sie</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">a)      mit der vom Verkäufer gegebenen Beschreibung übereinstimmen und die Eigenschaften des Gutes besitzen, das der Verkäufer dem Verbraucher als Probe oder Muster vorgelegt hat;</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">b)      sich für einen bestimmten vom Verbraucher angestrebten Zweck eignen, den der Verbraucher dem Verkäufer bei Vertragsschluss zur Kenntnis gebracht hat und dem der Verkäufer zugestimmt hat;</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">c)      sich für die Zwecke eignen, für die Güter der gleichen Art gewöhnlich gebraucht werden;</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">d)      eine Qualität und Leistungen aufweisen, die bei Gütern der gleichen Art üblich sind und die der Verbraucher vernünftigerweise erwarten kann, wenn die Beschaffenheit des Gutes und gegebenenfalls die insbesondere in der Werbung oder bei der Etikettierung gemachten öffentlichen Äußerungen des Verkäufers, des Herstellers oder dessen Vertreters über die konkreten Eigenschaften des Gutes in Betracht gezogen werden.“</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point7">7.</a>        Art. 3 der Richtlinie betrifft die Rechte der Verbraucher beim Verbrauchsgüterkauf und bei Garantien für Verbrauchsgüter. Er bestimmt:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„(1)      Der Verkäufer haftet dem Verbraucher für jede Vertragswidrigkeit, die zum Zeitpunkt der Lieferung des Verbrauchsgutes besteht.</p>
<p class="C02AlineaAltA">(2)      Bei Vertragswidrigkeit hat der Verbraucher entweder Anspruch auf die unentgeltliche Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsgutes durch Nachbesserung oder Ersatzlieferung nach Maßgabe des Absatzes 3 oder auf angemessene Minderung des Kaufpreises oder auf Vertragsauflösung in Bezug auf das betreffende Verbrauchsgut nach Maßgabe der Absätze 5 und 6.</p>
<p class="C02AlineaAltA">(3)      Zunächst kann der Verbraucher vom Verkäufer die unentgeltliche Nachbesserung des Verbrauchsgutes oder eine unentgeltliche Ersatzlieferung verlangen, sofern dies nicht unmöglich oder unverhältnismäßig ist.</p>
<p class="C02AlineaAltA">Eine Abhilfe gilt als unverhältnismäßig, wenn sie dem Verkäufer Kosten verursachen würde, die</p>
<p class="C03Tiretlong">–        angesichts des Werts, den das Verbrauchsgut ohne die Vertragswidrigkeit hätte,</p>
<p class="C03Tiretlong">–        unter Berücksichtigung der Bedeutung der Vertragswidrigkeit und</p>
<p class="C03Tiretlong">–        nach Erwägung der Frage, ob auf die alternative Abhilfemöglichkeit ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher zurückgegriffen werden könnte,</p>
<p class="C02AlineaAltA">verglichen mit der alternativen Abhilfemöglichkeit unzumutbar wären.</p>
<p class="C02AlineaAltA">Die Nachbesserung oder die Ersatzlieferung muss innerhalb einer angemessenen Frist und ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher erfolgen, wobei die Art des Verbrauchsgutes sowie der Zweck, für den der Verbraucher das Verbrauchsgut benötigte, zu berücksichtigen sind.</p>
<p class="C02AlineaAltA">(4)      Der Begriff ,unentgeltlich‘ in den Absätzen 2 und 3 umfasst die für die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsgutes notwendigen Kosten, insbesondere Versand-, Arbeits- und Materialkosten.</p>
<p class="C02AlineaAltA">(5)      Der Verbraucher kann eine angemessene Minderung des Kaufpreises oder eine Vertragsauflösung verlangen,</p>
<p class="C03Tiretlong">–        wenn der Verbraucher weder Anspruch auf Nachbesserung noch auf Ersatzlieferung hat oder</p>
<p class="C03Tiretlong">–        wenn der Verkäufer nicht innerhalb einer angemessenen Frist Abhilfe geschaffen hat oder</p>
<p class="C03Tiretlong">–        wenn der Verkäufer nicht ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher Abhilfe geschaffen hat.</p>
<p class="C02AlineaAltA">(6)      Bei einer geringfügigen Vertragswidrigkeit hat der Verbraucher keinen Anspruch auf Vertragsauflösung.“</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point8">8.</a>        Ferner können nach Art. 8 Abs. 2 „[d]ie Mitgliedstaaten … in dem unter diese Richtlinie fallenden Bereich mit dem Vertrag in Einklang stehende strengere Bestimmungen erlassen oder aufrechterhalten, um ein höheres Schutzniveau für die Verbraucher sicherzustellen“.</p>
<p class="C22Titrenumerote2">B.      <b>Deutsches Recht</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point9">9.</a>        Die Richtlinie wurde durch Änderungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) in deutsches Recht umgesetzt.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point10">10.</a>      § 439 BGB bestimmt in Bezug auf die Nacherfüllung:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„(1)      Der Käufer kann als Nacherfüllung nach seiner Wahl die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen.</p>
<p class="C02AlineaAltA">(2)      Der Verkäufer hat die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen.</p>
<p class="C02AlineaAltA">(3)      Der Verkäufer kann die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung … verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist. Dabei sind insbesondere der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand, die Bedeutung des Mangels und die Frage zu berücksichtigen, ob auf die andere Art der Nacherfüllung ohne erhebliche Nachteile für den Käufer zurückgegriffen werden könnte. Der Anspruch des Käufers beschränkt sich in diesem Fall auf die andere Art der Nacherfüllung; das Recht des Verkäufers, auch diese unter den Voraussetzungen des Satzes 1 zu verweigern, bleibt unberührt.</p>
<p class="C02AlineaAltA">(4)      Liefert der Verkäufer zum Zwecke der Nacherfüllung eine mangelfreie Sache, so kann er vom Käufer Rückgewähr der mangelhaften Sache nach Maßgabe der §§ 346 bis 348 verlangen.“</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point11">11.</a>      Im Hinblick auf den Leistungsort bestimmt § 269 BGB Folgendes:</p>
<p class="C02AlineaAltA">„(1)      Ist ein Ort für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen, insbesondere aus der Natur des Schuldverhältnisses, zu entnehmen, so hat die Leistung an dem Ort zu erfolgen, an welchem der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz hatte.</p>
<p class="C02AlineaAltA">(2)      Ist die Verbindlichkeit im Gewerbebetrieb des Schuldners entstanden, so tritt, wenn der Schuldner seine gewerbliche Niederlassung an einem anderen Ort hatte, der Ort der Niederlassung an die Stelle des Wohnsitzes.</p>
<p class="C02AlineaAltA">(3)      Aus dem Umstand allein, dass der Schuldner die Kosten der Versendung übernommen hat, ist nicht zu entnehmen, dass der Ort, nach welchem die Versendung zu erfolgen hat, der Leistungsort sein soll.“</p>
<p class="C21Titrenumerote1">II.    <b>Sachverhalt, Verfahren und Vorlagefragen</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point12">12.</a>      Der Kläger des Ausgangsverfahrens kaufte im Jahr 2015 von der Beklagten per Telefon ein 5 m x 6 m großes Zelt (ein sogenanntes „Partyzelt“). Das Zelt wurde an den Wohnsitz des Klägers geliefert. Der Kläger machte sodann Mängel an dem Zelt geltend. Die Beklagte wies sämtliche Mängelrügen als unbegründet zurück.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point13">13.</a>      Der Kläger forderte Nacherfüllung, d. h. die Beseitigung der Mängel oder die Lieferung eines Ersatzzelts, allerdings ohne der Beklagten die streitgegenständliche Ware zurückzusenden oder dies auch nur anzubieten.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point14">14.</a>      Über den Erfüllungsort dieser Nacherfüllung wurde zu diesem Zeitpunkt zwischen den Parteien nicht gesprochen. Auch aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag ergibt sich hierüber nichts.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point15">15.</a>      Die Beklagte hat sich indes im Laufe des Ausgangsverfahrens erstmals darauf berufen, dass der Erfüllungsort für die Nacherfüllung an ihrem Geschäftssitz sei.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point16">16.</a>      Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts ist die Bestimmung des Erfüllungsorts für die Nacherfüllung von wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung darüber, ob der Kläger dem Beklagten eine Gelegenheit zur Mängelbeseitigung gegeben bzw. im Sinne von Art. 3 Abs. 5 zweiter Spiegelstrich der Richtlinie eine angemessene Frist gesetzt hat, um Vertragsauflösung verlangen zu können.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point17">17.</a>      Da es Zweifel betreffend die richtige Auslegung der maßgeblichen Bestimmungen des Unionsrechts hat, hat das Amtsgericht Norderstedt beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">1.      Ist Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 3 der Richtlinie dahin gehend auszulegen, dass ein Verbraucher einem Unternehmer ein im Fernabsatz gekauftes Verbrauchsgut zur Ermöglichung der Nachbesserung oder Ersatzlieferung stets nur am Belegenheitsort des Verbrauchsguts anbieten muss?</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">2.      Falls nein:</p>
<p class="C10Marge1">Ist Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 3 der Richtlinie dahin gehend auszulegen, dass ein Verbraucher einem Unternehmer ein im Fernabsatz gekauftes Verbrauchsgut zur Ermöglichung der Nachbesserung oder Ersatzlieferung stets am Geschäftssitz des Unternehmers anbieten muss?</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">3.      Falls nein:</p>
<p class="C10Marge1">Welche Kriterien lassen sich Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 3 der Richtlinie entnehmen, wie der Ort festgestellt wird, an dem der Verbraucher dem Unternehmer ein im Fernabsatz gekauftes Verbrauchsgut zur Ermöglichung der Nachbesserung oder Ersatzlieferung anbieten muss?</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">4.      Falls der Ort, an dem der Verbraucher dem Unternehmer ein im Fernabsatz gekauftes Verbrauchsgut zur Untersuchung und Ermöglichung der Nacherfüllung anbieten muss –, stets oder im konkreten Fall – am Sitz des Unternehmers liegt:</p>
<p class="C10Marge1">Ist es mit Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie vereinbar, dass ein Verbraucher für die Kosten des Hin- und/oder des Rücktransports in Vorleistung treten muss, oder ergibt sich aus der Pflicht zur „unentgeltlichen Nachbesserung“, dass der Verkäufer verpflichtet ist, einen Vorschuss zu leisten?</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">5.      Falls der Ort, an dem der Verbraucher dem Unternehmer ein im Fernabsatz gekauftes Verbrauchsgut zur Untersuchung und Ermöglichung der Nacherfüllung anbieten muss – stets oder im konkreten Fall –, am Sitz des Unternehmers liegt und eine Vorleistungspflicht des Verbrauchers mit Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie vereinbar ist:</p>
<p class="C10Marge1">Ist Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 3 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 5 Spiegelstrich 2 der Richtlinie dahin gehend auszulegen, dass ein Verbraucher nicht zur Vertragsauflösung berechtigt ist, der dem Unternehmer lediglich den Mangel angezeigt hat, ohne anzubieten, das Verbrauchsgut zum Ort des Unternehmers zu transportieren?</p>
<p class="C09Marge0avecretrait">6.      Falls der Ort, an dem der Verbraucher dem Unternehmer ein im Fernabsatz gekauftes Verbrauchsgut zur Untersuchung und Ermöglichung der Nacherfüllung anbieten muss – stets oder im konkreten Fall –, am Sitz des Unternehmers liegt, aber eine Vorleistungspflicht des Verbrauchers mit Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie nicht vereinbar ist:</p>
<p class="C10Marge1">Ist Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 3 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 5 Spiegelstrich 2 der Richtlinie dahin gehend auszulegen, dass ein Verbraucher nicht zur Vertragsauflösung berechtigt ist, der dem Unternehmer lediglich den Mangel angezeigt hat, ohne anzubieten, das Verbrauchsgut zum Ort des Unternehmers zu transportieren?</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point18">18.</a>      Schriftliche Erklärungen sind im vorliegenden Verfahren von der deutschen und der französischen Regierung sowie von der Europäischen Kommission eingereicht worden. Der Gerichtshof hat nach Art. 76 Abs. 2 der Verfahrensordnung beschlossen, von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.</p>
<p class="C21Titrenumerote1">III. <b>Würdigung</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point19">19.</a>      Das vorlegende Gericht möchte mit seinem Vorabentscheidungsersuchen im Wesentlichen wissen, wie der Erfüllungsort für die Beseitigung von Mängeln von Verbrauchsgütern durch Nachbesserung oder Ersatzlieferung zu bestimmen ist und welche Folgen sich hieraus für das Recht des Verbrauchers auf Vertragsauflösung ergeben.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point20">20.</a>      Bevor indes die Vorlagefragen in der Sache zu erörtern sind, ist auf die Ansicht der deutschen Regierung einzugehen, dass das Vorabentscheidungsersuchen des vorlegenden Gerichts unzulässig sei.</p>
<p class="C22Titrenumerote2">A.      <b>Zulässigkeit</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point21">21.</a>      Die deutsche Regierung hält die Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens für „zumindest zweifelhaft“. Sowohl die Darstellung des Sachverhalts der Rechtssache als auch die Wiedergabe der maßgeblichen Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts seien rudimentär. Bei der Beantwortung der Fragen in der vorgelegten Form müsste der Gerichtshof eine Vielzahl von Hypothesen und Mutmaßungen zugrunde legen.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point22">22.</a>      Die deutsche Regierung erkennt zwar an, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Vermutung für die Zulässigkeit von Vorabentscheidungsersuchen bestehe, die Vorlagefragen müssten jedoch zumindest umformuliert werden.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point23">23.</a>      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass in einem Verfahren nach Art. 267 AEUV, das auf einer klaren Aufgabentrennung zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof beruht, nur das nationale Gericht, das mit dem Rechtsstreit befasst ist und in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende Entscheidung fällt, im Hinblick auf die Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorzulegenden Fragen zu beurteilen hat. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über ihm vorgelegte Fragen zu befinden, wenn diese die Auslegung des Unionsrechts betreffen(<a href="#Footnote3" name="Footref3">3</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point24">24.</a>      Der Gerichtshof kann die Entscheidung über eine Vorlagefrage eines nationalen Gerichts nur ablehnen, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn er nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine sachdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind(<a href="#Footnote4" name="Footref4">4</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point25">25.</a>      Meines Erachtens liegen diese Voraussetzungen in der vorliegenden Rechtssache nicht vor.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point26">26.</a>      Das vorlegende Gericht hat den dem Ausgangsverfahren zugrunde liegenden Sachverhalt ebenso wie die maßgeblichen Bestimmungen des nationalen Rechts knapp, aber hinreichend klar dargestellt, so dass der Gerichtshof über alle relevanten tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, um eine Entscheidung treffen zu können.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point27">27.</a>      Dem Vorabentscheidungsersuchen ist eindeutig zu entnehmen, dass das vorlegende Gericht um eine Auslegung der Richtlinie ersucht, um den Erfüllungsort für die Beseitigung von Mängeln der betreffenden Waren zu bestimmen und demnach darüber zu entscheiden, ob der Kläger des Ausgangsverfahrens Vertragsauflösung verlangen kann.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point28">28.</a>      Im Licht der vorstehenden Ausführungen sind die Vorlagefragen als zulässig anzusehen und in der Sache zu würdigen.</p>
<p class="C22Titrenumerote2">B.      <b>Materielle Rechtslage</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point29">29.</a>      Für den Fall, dass das Vorabentscheidungsersuchen nicht für unzulässig zu erklären sei, spricht sich die deutsche Regierung dafür aus, dass die Vorlagefragen des Amtsgerichts Norderstedt umformuliert werden. Dabei seien die Vorlagefragen dahin auszulegen, dass mit ihnen in Erfahrung gebracht werden solle, ob die Richtlinie bei richtiger Auslegung den maßgeblichen deutschen Bestimmungen entgegenstehe.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point30">30.</a>      Meines Erachtens besteht für eine Umformulierung der Vorlagefragen kein Bedürfnis. Das die Fragen vorlegende nationale Gericht dürfte am besten in der Lage sein, den Inhalt der Fragen zu bestimmen, die für die Entscheidung über den bei ihm anhängigen Rechtsstreit erforderlich sind.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point31">31.</a>      Allerdings können meines Erachtens einige der Fragen des Amtsgerichts Norderstedt am besten zusammen geprüft werden.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point32">32.</a>      Aus den Vorlagefragen ergeben sich drei voneinander zu trennende Fragestellungen zur Auslegung von Art. 3 der Richtlinie. Mit seiner ersten, seiner zweiten und seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen den Ort geklärt wissen, an dem ein Verbrauchsgut zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustands zur Verfügung gestellt werden muss (Erfüllungsort der Nacherfüllung). Die vierte Vorlagefrage betrifft sodann die Fragestellung, ob aus der Pflicht zur „unentgeltlichen Nachbesserung“ folgt, dass der Verkäufer einen Vorschuss für etwaige Transportkosten leisten muss, die dem Verbraucher dafür entstehen könnten, dass er dem Verkäufer das Verbrauchsgut zur Verfügung stellt. Die fünfte und die sechste Vorlagefrage betreffen schließlich die Umstände, unter denen ein Verbraucher im Fall nicht vertragsgemäßer Waren Anspruch auf Vertragsauflösung haben kann.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point33">33.</a>      Nach einigen Vorbemerkungen zu Kontext und Zweck der Richtlinie sowie zu ihrem Art. 3 werden diese drei Fragestellungen nacheinander erörtert werden.</p>
<p class="C23Titrenumerote3">1.      <b>Vorbemerkungen</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point34">34.</a>      Die Richtlinie ist Teil der Bestrebungen des Unionsgesetzgebers, Verbrauchern in der gesamten Europäischen Union ein einheitliches Mindestniveau des Schutzes gegen mangelhafte Erfüllung eines Warenkaufvertrags zu gewährleisten. Dieser Schutz soll grenzüberschreitende Verbraucherkäufe fördern und erleichtern(<a href="#Footnote5" name="Footref5">5</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point35">35.</a>      Die Richtlinie verfolgt jedoch nicht nur ein hohes Verbraucherschutzniveau. Mit ihr soll auch eine gewisse Ausgewogenheit zwischen den Verpflichtungen aller Beteiligten beibehalten werden. Zum einen bestimmt die Richtlinie Verpflichtungen von Verkäufern im Fall nicht vertragsgemäßer Verbrauchsgüter. Zum anderen sind in ihr zwingende Verpflichtungen für den Verbraucher vorgesehen, deren Nichteinhaltung die Verwirkung seiner Ansprüche zur Folge hat(<a href="#Footnote6" name="Footref6">6</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point36">36.</a>      In diesem Sinne besteht das übergeordnete Ziel der Richtlinie nicht darin, den von den Parteien vereinbarten vertraglichen Verpflichtungen weitere hinzuzufügen, sondern die Durchsetzung der vereinbarten Pflichten zu erleichtern. Nur im Fall einer mangelhaften Erfüllung des Vertrags durch den Verkäufer werden weitere Pflichten vorgesehen, die in manchen Fällen über die vertraglich vorgesehenen Pflichten hinausgehen(<a href="#Footnote7" name="Footref7">7</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point37">37.</a>      Vor allem jedoch bezweckt die Richtlinie nicht, die Verbraucher in eine Lage zu versetzen, die vorteilhafter ist als diejenige, auf die sie nach dem Kaufvertrag Anspruch erheben könnten, sondern soll lediglich die Situation herstellen, die vorgelegen hätte, wenn der Verkäufer von vornherein eine vertragsgemäße Sache geliefert hätte. Insofern ist zu beachten, dass die Richtlinie ein Mindestschutzniveau vorsieht. Die Mitgliedstaaten können strengere Bestimmungen erlassen, dürfen jedoch die vom Unionsgesetzgeber vorgesehenen Garantien nicht unterlaufen(<a href="#Footnote8" name="Footref8">8</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point38">38.</a>      Schließlich ist auch hervorzuheben, dass die Richtlinie ausschließlich verbraucherschutzbezogene Aspekte im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Sache, die nicht vertragsgemäß ist, regelt. Fragestellungen im Zusammenhang mit dem Zustandekommen eines Vertrags zwischen den Parteien, den Mängeln des Vertrags und deren Rechtsfolgen oder anderen Arten der unzulänglichen Vertragserfüllung werden von ihr nicht berührt und unterliegen ausschließlich dem nationalen Recht(<a href="#Footnote9" name="Footref9">9</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point39">39.</a>      Art. 3 der Richtlinie regelt insbesondere die Rechte eines Verbrauchers, dem ein Verbrauchsgut verkauft wurde, das zum Zeitpunkt seiner Lieferung nicht vertragsgemäß ist. In der Bestimmung kommen dieselben Grundsätze wie diejenigen zum Ausdruck, die die Richtlinie insgesamt leiten.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point40">40.</a>      So sieht Art. 3 Abs. 1 vor, dass ein Verkäufer dem Verbraucher für jede Vertragswidrigkeit haftet, die zum Zeitpunkt der Lieferung des Verbrauchsguts besteht. Wird ein vertragswidriges Verbrauchsgut geliefert, hat der Verkäufer seine Verpflichtungen aus dem Kaufvertrag nicht erfüllt und muss daher die Folgen dieser Schlechterfüllung tragen(<a href="#Footnote10" name="Footref10">10</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point41">41.</a>      Nach Art. 3 Abs. 2 hat der Verbraucher in diesem Fall Anspruch entweder auf eine unentgeltliche Nachbesserung oder Ersatzlieferung des Verbrauchsguts oder auf angemessene Minderung des Kaufpreises oder auf Vertragsauflösung in Bezug auf das betreffende Verbrauchsgut. Aus Art. 3 Abs. 5 wird deutlich, dass die Richtlinie der Wahrung der Verpflichtungen aus dem Kaufvertrag den Vorrang gibt. Der Verbraucher muss dem Verkäufer die Gelegenheit zur Nachbesserung oder Nachlieferung des betreffenden Verbrauchsguts geben. Nur wenn der Verkäufer diese nicht wahrnimmt, hat der Verbraucher Anspruch auf Minderung oder Vertragsauflösung(<a href="#Footnote11" name="Footref11">11</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point42">42.</a>      Art. 3 Abs. 3 legt bestimmte Bedingungen für die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsguts durch Nachbesserung oder Ersatzlieferung fest. Die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsguts muss für den Verbraucher unentgeltlich, innerhalb einer angemessenen Frist und ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher erfolgen. Wie der Gerichtshof bereits festgestellt hat, ist dieses dreifache Erfordernis Ausdruck des offenkundigen Willens des Unionsgesetzgebers, einen wirksamen Verbraucherschutz zu gewährleisten(<a href="#Footnote12" name="Footref12">12</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point43">43.</a>      Zugleich berücksichtigt die Richtlinie auch die Interessen des Verkäufers. Zum einen sieht die Richtlinie eine zweijährige Frist für die Geltendmachung von Ansprüchen vor(<a href="#Footnote13" name="Footref13">13</a>). Zum anderen kann der Verkäufer die Nachbesserung oder Ersatzlieferung des Verbrauchsguts ablehnen, wenn die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands unmöglich oder unverhältnismäßig ist(<a href="#Footnote14" name="Footref14">14</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point44">44.</a>      Wie der Gerichtshof im Urteil Gebr. Weber und Putz ausgeführt hat, soll Art. 3 somit einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen des Verbrauchers und denen des Verkäufers herstellen, indem er dem Verbraucher als schwächerer Vertragspartei einen umfassenden und wirksamen Schutz dagegen gewährt, dass der Verkäufer seine vertraglichen Verpflichtungen schlecht erfüllt, und zugleich erlaubt, vom Verkäufer angeführte wirtschaftliche Überlegungen zu berücksichtigen(<a href="#Footnote15" name="Footref15">15</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point45">45.</a>      Wie andere Instrumente des Verbraucherschutzrechts der Union soll die Richtlinie im Verhältnis zwischen Verbraucher und Verkäufer einen Ausgleich wiederherstellen, wodurch der Grundsatz der Vertragsfreiheit der Parteien zum Ausdruck kommt. Die Richtlinie bezweckt dagegen nicht, Verbraucher in eine ausschließlich vorteilhafte Lage zu versetzen(<a href="#Footnote16" name="Footref16">16</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point46">46.</a>      Vor dem Hintergrund dieses der Richtlinie zugrunde liegenden Sinn und Zwecks sind die durch das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen aufgeworfenen Fragestellungen zu betrachten.</p>
<p class="C23Titrenumerote3">2.      <b>Wo sind Verbrauchsgüter zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustands bereitzustellen (Erfüllungsort der Nacherfüllung)?</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point47">47.</a>      Mit seiner ersten, seiner zweiten und seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen den Erfüllungsort für die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsguts (Erfüllungsort der Nacherfüllung) geklärt wissen. Die Antwort hierauf wird maßgebend dafür sein, ob es ausreicht, wenn der Verbraucher das betreffende Verbrauchsgut an dem Ort bereitstellt, an dem es sich befindet (üblicherweise an seinem Wohnsitz), oder ob der Verbraucher das Verbrauchsgut am Geschäftssitz des Verkäufers bereitstellen muss.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point48">48.</a>      Die Beteiligten, die Erklärungen eingereicht haben, haben zu dieser Fragestellung, die den Kern des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens bildet, unterschiedliche Ansichten vertreten.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point49">49.</a>      Während die französische Regierung und die Kommission beide das mit der Richtlinie angestrebte hohe Verbraucherschutzniveau hervorheben, trägt die französische Regierung vor, dass die Erfordernisse an die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands nach Art. 3 der Richtlinie nur erfüllt werden könnten, wenn der Verbraucher das betreffende Verbrauchsgut lediglich an dem Ort, an dem es sich befinde, bereitstellen müsse. Die Kommission vertritt demgegenüber die differenziertere Ansicht, dass der Verbraucher verpflichtet sein könne, das Verbrauchsgut am Geschäftssitz des Verkäufers bereitzustellen, es sei denn, dass darin erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher zu sehen wären.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point50">50.</a>      Die deutsche Regierung ist der Ansicht, dass das Erfordernis, dass die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsguts für den Verbraucher unentgeltlich sein müsse, nicht mit hinreichender Sicherheit darauf hindeute, dass das Verbrauchsgut stets an dem Ort, an dem es sich befinde, bereitgestellt werden müsse. Außerdem ergebe sich aus dem Erfordernis „ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher“, dass dem Verbraucher <i>unerhebliche</i> Unannehmlichkeiten zugemutet werden könnten. Da der mit der Bereitstellung des Verbrauchsguts am Geschäftssitz des Verkäufers verbundene Aufwand unterschiedlich sein könne, solle es von den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalls abhängen, an welchem Ort das Verbrauchsgut zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustands bereitgestellt werden müsse.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point51">51.</a>      In Art. 3 ist nicht ausdrücklich geregelt, an welchem Ort ein vertragswidriges Verbrauchsgut zur Nachbesserung oder Ersatzlieferung bereitgestellt werden muss; nach meiner Kenntnis hat der Gerichtshof sich mit dieser Frage auch noch nicht befasst.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point52">52.</a>      Auch wenn er nicht ausdrücklich regelt, <i>an welchem Ort</i> ein mangelhaftes Verbrauchsgut zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustands bereitgestellt werden muss, stellt Art. 3 dazu doch bestimmte Erfordernisse auf. Wie vorstehend erwähnt, muss die Nachbesserung oder Ersatzlieferung des vertragswidrigen Verbrauchsguts unentgeltlich sein sowie innerhalb einer angemessenen Frist und ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher erfolgen.</p>
<p class="C24Titrenumerote4">a)      <b>Das Erfordernis der Unentgeltlichkeit der Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsguts</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point53">53.</a>      Das Erfordernis, dass die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsguts unentgeltlich erfolgen muss, wird durch Art. 3 Abs. 4 näher konkretisiert, wonach der Begriff „die für die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsgutes notwendigen Kosten, insbesondere Versand-, Arbeits- und Materialkosten“, umfasse.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point54">54.</a>      Der Gerichtshof hat im Urteil Gebr. Weber und Putz festgestellt, dass der Unionsgesetzgeber die Unentgeltlichkeit der Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsguts durch den Verkäufer zu einem wesentlichen Bestandteil des durch die Richtlinie gewährleisteten Verbraucherschutzes machen wollte. Das Erfordernis soll den Verbraucher vor drohenden finanziellen Belastungen schützen, die ihn in Ermangelung eines solchen Schutzes davon abhalten könnten, seine Ansprüche geltend zu machen(<a href="#Footnote17" name="Footref17">17</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point55">55.</a>      Allerdings sieht Art. 3 Abs. 3 auch vor, dass der Verkäufer die unentgeltliche Nachbesserung oder Ersatzlieferung des Verbrauchsguts ablehnen kann, soweit dies unmöglich oder unverhältnismäßig ist. Eine Abhilfe gilt als unverhältnismäßig, wenn sie dem Verkäufer unzumutbare Kosten verursachen würde(<a href="#Footnote18" name="Footref18">18</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point56">56.</a>      In diesem Sinne bezieht die Richtlinie nicht nur den Schutz des Verbrauchers, sondern auch wirtschaftliche Belange des Verkäufers mit ein. Müsste der Verkäufer unverhältnismäßige Kosten für die Nachbesserung oder Ersatzlieferung vertragswidriger Waren tragen, würde dies letztlich zu Preiserhöhungen durch den Verkäufer führen. Die hierdurch entstehenden Kosten würden ferner an die Verbraucher in ihrer Gesamtheit weitergegeben.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point57">57.</a>      Es ist jedoch nicht klar ersichtlich, ob das Erfordernis der Unentgeltlichkeit bedeutet, dass der Verbraucher lediglich Anspruch auf eine Erstattung der Kosten hat, die im Zusammenhang mit der Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsguts anfallen, oder ob er die Abhilfe ohne jede Vorleistung (finanzieller oder sonstiger Art) seinerseits beanspruchen kann.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point58">58.</a>      Meines Erachtens liegt die Antwort auf diese Frage in den beiden weiteren, in Art. 3 der Richtlinie genannten Erfordernissen.</p>
<p class="C24Titrenumerote4">b)      <b>Das Erfordernis der Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsguts innerhalb einer angemessenen Frist</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point59">59.</a>      In Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 3 ist ferner vorgesehen, dass die Nachbesserung oder Ersatzlieferung innerhalb einer angemessenen Frist erfolgen muss. Dieses Erfordernis ergibt sich aus dem Ziel des Unionsgesetzgebers, zwischen dem Verbraucher und dem Verkäufer auftretende Probleme rasch und gütlich zu klären(<a href="#Footnote19" name="Footref19">19</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point60">60.</a>      Wird das Verbrauchsgut am Geschäftssitz des Verkäufers bereitgestellt, könnte dies unter bestimmten Umständen eine rasche Nachbesserung oder Ersatzlieferung gewährleisten. Es könnte unter bestimmten Umständen erhebliche Zeit dauern, bis der Verkäufer eine Untersuchung an dem Ort, an dem das Verbrauchsgut sich befindet, durchführen oder seinen Versand an den Geschäftssitz des Verkäufers veranlassen könnte, insbesondere wenn der Geschäftssitz des Verkäufers sich in einem anderen Land befindet.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point61">61.</a>      Andererseits könnte es dann, wenn der Verkäufer an dem Ort, an dem sich das Verbrauchsgut befindet, bereits über eine Logistikstruktur für die Lieferung des Verbrauchsguts verfügt, für den Verkäufer rascher und kostengünstiger sein, entweder das Verbrauchsgut an dem Ort, an dem es sich befindet, zu untersuchen oder seinen Versand zu veranlassen.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point62">62.</a>      Allein unter dem Aspekt der Zweckmäßigkeit betrachtet, hängt der Ort, an dem ein Verbrauchsgut zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustands bereitgestellt werden muss, dementsprechend offenbar von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab.</p>
<p class="C24Titrenumerote4">c)      <b>Das Erfordernis der Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsguts ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point63">63.</a>      Das dritte Erfordernis in Art. 3 Abs. 3 ist, dass die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsguts ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher erfolgen muss. Bei der Beurteilung, ob erhebliche Unannehmlichkeiten vorliegen, sind die Art des Verbrauchsguts sowie der Zweck, für den der Verbraucher das Verbrauchsgut benötigte, zu berücksichtigen(<a href="#Footnote20" name="Footref20">20</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point64">64.</a>      Die Wahl des Ortes, an dem das Verbrauchsgut zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustands bereitgestellt werden muss (Erfüllungsort der Nacherfüllung), darf nicht zu erheblichen Unannehmlichkeiten für den Verbraucher führen. Im Umkehrschluss könnte somit die Ansicht vertreten werden, dass der Verbraucher unerhebliche oder geringfügige Unannehmlichkeiten bei der Nachbesserung oder Ersatzlieferung des Verbrauchsguts allerdings hinnehmen muss. Nach dem Wortlaut von Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 3 sind bei der Beurteilung der Frage, ob in bestimmten Umständen erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher zu sehen sind, die Art des Verbrauchsguts sowie der Zweck, für den der Verbraucher das Verbrauchsgut benötigte, zu berücksichtigen.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point65">65.</a>      Im Urteil Gebr. Weber und Putz<i/>stellte der Gerichtshof fest, dass angesichts des mit der Richtlinie angestrebten hohen Verbraucherschutzniveaus der Begriff „ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher“ keine enge Auslegung erfahren kann(<a href="#Footnote21" name="Footref21">21</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point66">66.</a>      Auf den ersten Blick könnte diese Aussage etwas widersprüchlich erscheinen. Durch ihre Qualifizierung als <i>erheblich</i> wollte der Unionsgesetzgeber die Art von Unannehmlichkeiten, die der Verbraucher hinzunehmen haben könnte, offenbar auf einem höheren Niveau ansiedeln. Wird die Wendung weit ausgelegt, wird diese Schwelle jedoch abgesenkt.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point67">67.</a>      Meines Erachtens muss bei der Auslegung dieser Wendung das Interesse des Verbraucherschutzes mit dem Interesse in einen Ausgleich gebracht werden, der vom Unionsgesetzgeber eingeführten Einschränkung nicht ihre Wirksamkeit zu nehmen. Auch im Licht der Feststellungen des Gerichtshofs im Urteil Gebr. Weber und Putz kann diese Wendung daher meines Erachtens jedenfalls nicht zu einer Auslegung führen, die ausschließlich den Interessen des Verbrauchers Vorrang einräumt. Dies gilt insbesondere angesichts des Ziels der Richtlinie, einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen des Verbrauchers einerseits und wirtschaftlichen Belangen des Verkäufers andererseits herzustellen.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point68">68.</a>      Demnach liegen meines Erachtens erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher vor, wenn die Belastung solcher Art ist, dass sie den Verbraucher davon abhalten könnte, seine Ansprüche geltend zu machen(<a href="#Footnote22" name="Footref22">22</a>). Ebenso wie bei anderen Instrumenten des Verbraucherschutzrechts der Union kann diese Beurteilung jedoch nicht danach vorgenommen werden, was einen individuellen Verbraucher davon abhalten könnte, seine Ansprüche geltend zu machen. Vielmehr ist als Beurteilungsmaßstab das objektive Maß der Art der Belastung heranzuziehen, die den durchschnittlichen Verbraucher hiervon abhalten würde(<a href="#Footnote23" name="Footref23">23</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point69">69.</a>      Um eine rasche Nachbesserung oder Ersatzlieferung zu gewährleisten, könnte der Durchschnittsverbraucher bereit sein, den Versand des betreffenden Verbrauchsguts an den Geschäftssitz des Verkäufers zu veranlassen oder es an einer nahegelegenen Kundendienstvertretung bereitzustellen. Dies wird jedoch im Allgemeinen von der Art des Verbrauchsguts abhängen. Handelt es sich bei dem betreffenden Verbrauchsgut um eine eher kompakte und mit normaler Post leicht zu versendende Ware, kann angenommen werden, dass die Bereitstellung der Ware am Geschäftssitz des Verkäufers keine erheblichen Unannehmlichkeiten für den Verbraucher verursachen wird. Wenn es sich dagegen bei dem Verbrauchsgut um sperrige Ware handelt oder es anderweitig einer besonderen Handhabung bedarf, wird der Verbraucher weniger geneigt sein, den Versand selbst zu veranlassen.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point70">70.</a>      Der Ort, an dem Verbrauchsgüter bereitgestellt werden müssen, um die Erfordernisse des Art. 3 Abs. 3 zu erfüllen, hängt somit offenbar von den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point71">71.</a>      Diese Erwägungen gelten jedenfalls für im Fernabsatz gekaufte Verbrauchsgüter. Hat der Verbraucher das Verbrauchsgut am Geschäftssitz des Verkäufers gekauft und bedarf es im Übrigen keiner speziellen Installation, kann meines Erachtens angenommen werden, dass in der Bereitstellung des Verbrauchsguts am Geschäftssitz des Verkäufers keine erheblichen Unannehmlichkeiten für den Verbraucher zu sehen sind.</p>
<p class="C24Titrenumerote4">d)      <b>Weitere Bemerkungen</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point72">72.</a>      Es ließe sich die Ansicht vertreten, dass wenig Rechtssicherheit besteht, wenn der Ort, an dem Verbrauchsgüter zur Nachbesserung oder Ersatzlieferung bereitgestellt werden müssen, von einer Einzelfallprüfung abhängig gemacht wird. Es könnte Fälle geben, in denen nicht von vornherein erkennbar ist, an welchem Ort das Verbrauchsgut zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustands bereitzustellen ist.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point73">73.</a>      Die Sicherheit könnte sich jedoch durch Maßnahmen der Verkäufer oder Mitgliedstaaten erhöhen.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point74">74.</a>      Erstens könnten Verkäufer im Interesse der Kundenzufriedenheit sowie einer raschen und gütlichen Klärung von Fragen der Vertragsmäßigkeit freiwillig bestimmte Kundendienstleistungen (wie etwa Untersuchungen mangelhafter Haushaltsgeräte am Wohnsitz des Verbrauchers oder frankierte Rücksendeetiketten) anbieten. Dies ist in der Tat in einigen Rechtsordnungen bereits der Fall.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point75">75.</a>      Zweitens können, da die Richtlinie eine Maßnahme der Mindestharmonisierung darstellt und den Mitgliedstaaten einen gewissen Spielraum lässt, die Letzteren in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften den Ort bestimmen, an dem Verbrauchsgüter zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustands bereitgestellt werden müssen, soweit sie hierbei die Erfordernisse des Art. 3 Abs. 3 beachten. Ferner können die Mitgliedstaaten nach Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie jederzeit strengere Bestimmungen erlassen oder aufrechterhalten, um ein höheres Schutzniveau für die Verbraucher sicherzustellen. Somit können die Mitgliedstaaten im Interesse der Rechtssicherheit konkrete Vorschriften für bestimmte Kategorien von Verbrauchsgütern erlassen.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point76">76.</a>      Als Ergebnis zur ersten, zur zweiten und zur dritten Vorlagefrage schlage ich dem Gerichtshof vor, diese dahin zu beantworten, dass Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 3 der Richtlinie dahin auszulegen ist, dass der Ort, an dem ein Verbraucher ein im Fernabsatz gekauftes Verbrauchsgut einem Unternehmer zur Ermöglichung der Nachbesserung oder Ersatzlieferung bereitstellen muss, vom nationalen Gericht anhand aller relevanten Umstände des ihm unterbreiteten Falls zu bestimmen ist. Insoweit muss der Ort, an dem das Verbrauchsgut zur Verfügung gestellt werden muss, gewährleisten, dass die Nachbesserung oder Ersatzlieferung unentgeltlich, innerhalb einer angemessenen Frist und ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher erfolgt, wobei die Art des Verbrauchsguts sowie der Zweck, für den der Verbraucher das Verbrauchsgut benötigte, zu berücksichtigen sind.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point77">77.</a>      Für den Fall, dass das vorlegende Gericht zu dem Ergebnis kommen sollte, dass im vorliegenden konkreten Fall der Verbraucher das betreffende Verbrauchsgut am Geschäftssitz des Verkäufers bereitstellen muss, wird im Anschluss die Frage erörtert, ob der Verbraucher Anspruch darauf hat, dass ihm ein Vorschuss für ihm etwaig entstehende Transportkosten geleistet wird.</p>
<p class="C23Titrenumerote3">3.      <b>Folgt aus dem Erfordernis der „unentgeltlichen Nachbesserung“, dass der Verbraucher Anspruch auf einen Vorschuss für Versandkosten hat?</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point78">78.</a>      Mit der vierten Vorlagefrage ersucht das nationale Gericht den Gerichtshof um eine Stellungnahme dazu, ob aus dem Erfordernis der „unentgeltlichen Nachbesserung“ folgt, dass der Verkäufer einen Vorschuss für etwaige Versandkosten zu leisten hat, die dem Verbraucher dadurch entstehen könnten, dass er dem Verkäufer das Verbrauchsgut zur Verfügung stellt.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point79">79.</a>      Der Begriff „unentgeltlich“ ist in Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie dahin definiert, dass er „die für die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsgutes notwendigen Kosten, insbesondere Versand-, Arbeits- und Materialkosten“, umfasst. Wie der Gerichtshof im Urteil Quelle bereits festgestellt hat, ergibt sich aus der Verwendung des Adverbs „insbesondere“ durch den Unionsgesetzgeber, dass diese Aufzählung nur Beispiele enthält und nicht abschließend ist(<a href="#Footnote24" name="Footref24">24</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point80">80.</a>      Aus Art. 3 Abs. 4 ergibt sich eindeutig, dass der Verbraucher jedenfalls für die durch den Rücktransport des vertragswidrigen Verbrauchsguts an den Verkäufer anfallenden Kosten nicht einzustehen hat. Wie oben in Nr. 57 angedeutet, ist nach dieser Bestimmung jedoch weniger klar, ob das Erfordernis der „Unentgeltlichkeit“ lediglich den Anspruch des Verbrauchers auf Erstattung der für die Herstellung der Vertragsmäßigkeit des Verbrauchsguts anfallenden Kosten umfasst oder vielmehr, dass vom Verbraucher im Rahmen dieses Vorgangs überhaupt kein finanzieller Beitrag, auch nicht vorübergehend, gefordert werden darf.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point81">81.</a>      Nach dem Urteil Gebr. Weber und Putz hat es den Anschein, dass der Gerichtshof implizit von der letzteren Auslegung ausgeht(<a href="#Footnote25" name="Footref25">25</a>). In diesem Urteil hat der Gerichtshof ausgeführt, dass aus dem Wortlaut der Richtlinie wie auch im Übrigen aus den einschlägigen Vorarbeiten der Richtlinie hervorgehe, dass der Unionsgesetzgeber die Unentgeltlichkeit der Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsguts durch den Verkäufer zu einem wesentlichen Bestandteil des durch die Richtlinie gewährleisteten Verbraucherschutzes machen wollte. Diese dem Verkäufer auferlegte Verpflichtung, die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsguts unentgeltlich zu bewirken, soll den Verbraucher vor drohenden finanziellen Belastungen schützen, die ihn in Ermangelung eines solchen Schutzes davon abhalten könnten, seine Ansprüche geltend zu machen(<a href="#Footnote26" name="Footref26">26</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point82">82.</a>      Hieraus könnte der Schluss gezogen werden, dass dem Verbraucher stets ein Vorschuss auf die Versandkosten zu leisten wäre.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point83">83.</a>      Die Richtlinie soll jedoch nicht nur die Interessen des Verbrauchers schützen. Die Richtlinie soll diese Interessen auch mit den wirtschaftlichen Belangen des Verkäufers in einen Ausgleich bringen. Zudem fördert die Richtlinie eine zügige Klärung von Fragen der Vertragsmäßigkeit.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point84">84.</a>      Ein vom Verkäufer geleisteter Vorschuss für Versandkosten wird den für die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsguts notwendigen Zeitaufwand stets erhöhen. Ferner kann ein Vorschuss für Versandkosten den Verkäufer mit einem unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand belasten. Dies wäre insbesondere dann der Fall, wenn sich bei der Untersuchung herausstellen würde, dass das betreffende Verbrauchsgut gar nicht mangelhaft ist.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point85">85.</a>      Meines Erachtens ist es daher mit dem der Richtlinie zugrunde liegenden Sinn und Zweck vereinbar, dass Verbraucher für die Versandkosten, die für die Untersuchung oder die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsguts am Geschäftssitz des Verkäufers anfallen, in Vorleistung zu treten haben. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs dürfen die Versandkosten jedoch nicht so hoch sein, dass sie eine finanzielle Belastung darstellen, die den Verbraucher von der Geltendmachung seiner Rechte abhält.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point86">86.</a>      Ob diese Schwelle erreicht ist oder nicht, ist meines Erachtens anhand sämtlicher Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen, wobei Faktoren wie etwa die Höhe der Versandkosten, der Wert des Verbrauchsguts oder die im Fall einer vom Verkäufer unterlassenen Erstattung der Vorschusskosten zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe zu berücksichtigen sind.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point87">87.</a>      Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, die vierte Vorlagefrage dahin zu beantworten, dass Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie nicht verbietet, dass ein Verbraucher für die Kosten des Hin- und/oder des Rücktransports in Vorleistung treten muss, solange dies keine finanzielle Belastung darstellt, die den Verbraucher von der Geltendmachung seiner Rechte abhält.</p>
<p class="C23Titrenumerote3">4.      <b>Wann hat der Verbraucher Anspruch auf Vertragsauflösung?</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point88">88.</a>      Die fünfte und die sechste Vorlagefrage betreffen die Umstände, unter denen ein Verbraucher im Fall der Vertragswidrigkeit eines Verbrauchsguts Anspruch auf Vertragsauflösung haben kann. Konkreter geht es um die Frage, ob ein Verbraucher, der dem Verkäufer lediglich angezeigt hat, dass ein Verbrauchsgut nicht vertragsgemäß sei, das Verbrauchsgut jedoch nicht am Geschäftssitz des Verkäufers bereitgestellt oder dies angeboten hat, nach Art. 3 Abs. 5 der Richtlinie Vertragsauflösung verlangen kann.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point89">89.</a>      Nach Art. 3 Abs. 5 der Richtlinie hat der Verbraucher Anspruch auf Minderung oder Vertragsauflösung erstens, wenn die Nachbesserung oder Ersatzlieferung unmöglich ist oder eine unverhältnismäßige Belastung für den Verkäufer darstellen würde, zweitens, wenn der Verkäufer die Nachbesserung oder Ersatzlieferung nicht innerhalb einer angemessenen Frist durchgeführt hat, oder drittens, wenn der Verkäufer nicht ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher Abhilfe geschaffen hat. Ferner ist der Anspruch auf Vertragsauflösung nicht gegeben, wenn lediglich eine geringfügige Vertragswidrigkeit vorliegt(<a href="#Footnote27" name="Footref27">27</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point90">90.</a>      Art. 3 stellt somit eine eindeutige Rangfolge der Arten von Abhilfen vor, auf die der Verbraucher im Fall eines vertragswidrigen Verbrauchsguts Anspruch hat. Innerhalb dieser Rangfolge ist die Vertragsauflösung das letzte Mittel. Die Richtlinie gibt im Interesse beider Vertragsparteien der Erfüllung des Vertrags eindeutig den Vorzug(<a href="#Footnote28" name="Footref28">28</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point91">91.</a>      Daher ist meines Erachtens die Möglichkeit der Vertragsauflösung eng auszulegen.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point92">92.</a>      Da mit der Richtlinie eine gewisse Ausgewogenheit zwischen den Verpflichtungen der Vertragsparteien beibehalten werden soll(<a href="#Footnote29" name="Footref29">29</a>), ergeben sich aus Art. 3 der Richtlinie im Fall eines vertragswidrigen Verbrauchsguts sowohl für den Verbraucher als auch für den Verkäufer bestimmte Verpflichtungen.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point93">93.</a>      Der Verbraucher muss dem Verkäufer hinreichend Gelegenheit zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsguts geben. Hierzu bedarf es eines positiven Handelns seitens des Verbrauchers. Zunächst muss er den Verkäufer über die Vertragswidrigkeit des betreffenden Verbrauchsguts und die von ihm gewählte Art der Abhilfe im Sinne von Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie (Nachbesserung oder Ersatzlieferung) unterrichtet haben. Außerdem muss der Verbraucher dem Verkäufer das vertragswidrige Verbrauchsgut zur Verfügung stellen.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point94">94.</a>      Der Verkäufer dagegen muss die Nachbesserung oder Ersatzlieferung innerhalb einer angemessenen Frist und ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher durchführen. Der Verkäufer kann dies nur ablehnen, wenn dies unmöglich oder unverhältnismäßig ist(<a href="#Footnote30" name="Footref30">30</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point95">95.</a>      Der Verbraucher kann eine Minderung des Kaufpreises oder eine Vertragsauflösung nur verlangen, wenn der Verkäufer seine Verpflichtungen nach Art. 3 nicht erfüllt. Wie oben erwähnt, ist bei einer lediglich geringfügigen Vertragswidrigkeit des betreffenden Verbrauchsguts überhaupt keine Vertragsauflösung möglich.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point96">96.</a>      In der vorliegenden Rechtssache ist das vorlegende Gericht mit der Frage konfrontiert, ob der Verbraucher seine Verpflichtungen nach Art. 3 erfüllt hat und daher Anspruch auf Vertragsauflösung hat, wenn unklar ist, an welchem Ort das Verbrauchsgut zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustands bereitgestellt werden muss.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point97">97.</a>      Dem Vorabentscheidungsersuchen des Amtsgerichts Norderstedt sind nicht alle Einzelheiten der wechselseitigen Vorgänge zwischen dem Verbraucher und dem Verkäufer eindeutig zu entnehmen. Zwischen den Parteien wurde jedoch offenbar nicht darüber gesprochen, an welchem Ort das Verbrauchsgut zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustands zur Verfügung gestellt werden sollte. Aus den Akten geht hervor, dass der Verbraucher lediglich darum bat, dass die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsguts an seinem Wohnsitz erfolgen sollte. Der Verkäufer hat seinerseits erst im Verfahren vor dem vorlegenden Gericht erstmalig vorgetragen, dass das Verbrauchsgut an seinem Geschäftssitz hätte bereitgestellt werden müssen.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point98">98.</a>      Der Verbraucher dürfte damit meines Erachtens seine Verpflichtungen nach Art. 3 erfüllt haben. Wie der Gerichtshof im Urteil Faber festgestellt hat, kann die Verpflichtung des Verbrauchers nicht über die Obliegenheit hinausgehen, den Verkäufer über das Vorliegen einer Vertragswidrigkeit zu unterrichten. Unter Berücksichtigung der Unterlegenheit, in der sich der Verbraucher hinsichtlich des Kenntnisstands über die Eigenschaften dieses Gutes und dessen Zustand im Zeitpunkt des Verkaufs gegenüber dem Verkäufer befindet, kann der Verbraucher auch nicht verpflichtet sein, den genauen Grund für diese Vertragswidrigkeit anzugeben(<a href="#Footnote31" name="Footref31">31</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point99">99.</a>      Dagegen dürfte ausgehend von den Angaben des vorlegenden Gerichts der Verkäufer unter diesen Umständen seine Verpflichtungen nach Art. 3 nicht erfüllt haben. Aus der Verpflichtung, die Abhilfe innerhalb einer angemessenen Frist durchzuführen, folgt meines Erachtens, dass auch alle erforderlichen Schritte zur Durchführung dieser Abhilfe innerhalb einer angemessenen Frist durchgeführt werden müssen, sofern der Verbraucher eindeutig mitgeteilt hat, dass eine Vertragswidrigkeit vorliegt, wozu eine Reihe von Angaben gehören, die sich auf die Art des fraglichen Gutes, den Inhalt des vereinbarten Vertrags und das konkrete Auftreten der behaupteten Vertragswidrigkeit beziehen(<a href="#Footnote32" name="Footref32">32</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point100">100.</a> Unter diesen Umständen ist in dem Fall, dass der Verkäufer lediglich dem Verbraucher gegenüber die Ansicht vertritt, dass das betreffende Verbrauchsgut vertragsgemäß sei, und keine Schritte unternimmt, das Verbrauchsgut zumindest zu untersuchen, meines Erachtens eine völlige Untätigkeit zu sehen, die die Verpflichtungen nach Art. 3 der Richtlinie nicht erfüllen kann. Allermindestens müsste der Verkäufer den Verbraucher innerhalb einer angemessenen Frist darüber unterrichten, an welchem Ort das Verbrauchsgut zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustands bereitzustellen ist. Da der Verkäufer im Rahmen seiner gewerblichen Tätigkeit handelt, wird er mit höherer Wahrscheinlichkeit wissen, an welchem Ort das Verbrauchsgut zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustands bereitgestellt werden muss.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point101">101.</a> Demnach ist in der beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtssache davon auszugehen, dass die Frist, innerhalb derer die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsguts erfolgen muss, begonnen hat.</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point102">102.</a> Eine wesentliche Voraussetzung für die Geltendmachung der Rechte nach Art. 3 der Richtlinie ist jedoch, dass die Vertragswidrigkeit des Verbrauchsguts zum Zeitpunkt der Lieferung besteht. Da nach der Richtlinie eine Vermutung dafür gilt, dass Verbrauchsgüter vertragsgemäß sind(<a href="#Footnote33" name="Footref33">33</a>), hat der Verbraucher indes nur einen Anspruch auf Vertragsauflösung, wenn nachgewiesen wird, dass das Verbrauchsgut tatsächlich nicht vertragsgemäß ist(<a href="#Footnote34" name="Footref34">34</a>).</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point103">103.</a> Infolgedessen sind die fünfte und die sechste Vorlagefrage dahin zu beantworten, dass der Verbraucher zur Auflösung eines Verbrauchsgüterkaufvertrags berechtigt ist, wenn der Verkäufer keine Schritte – einschließlich der Mitteilung, an welchem Ort das Verbrauchsgut zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustands bereitzustellen ist – im Sinne einer der in Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie vorgesehenen Abhilfen unternommen hat, es sei denn, die Vertragswidrigkeit ist lediglich geringfügig oder nicht nachgewiesen.</p>
<p class="C21Titrenumerote1">IV.    <b>Ergebnis</b>
</p>
<p class="C01PointAltN">
<a name="point104">104.</a> Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom Amtsgericht Norderstedt (Deutschland) vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:</p>
<p class="C02AlineaAltA">Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 3 der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter ist dahin auszulegen, dass der Ort, an dem ein Verbraucher ein im Fernabsatz gekauftes Verbrauchsgut einem Unternehmer zur Ermöglichung der Nachbesserung oder Ersatzlieferung bereitstellen muss, vom nationalen Gericht anhand aller relevanten Umstände des ihm unterbreiteten Falls zu bestimmen ist. Insoweit muss der Ort, an dem das Verbrauchsgut zur Verfügung gestellt werden muss, gewährleisten, dass die Nachbesserung oder Ersatzlieferung unentgeltlich, innerhalb einer angemessenen Frist und ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher erfolgt, wobei die Art des Verbrauchsguts sowie der Zweck, für den der Verbraucher das Verbrauchsgut benötigte, zu berücksichtigen sind.</p>
<p class="C02AlineaAltA">Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 1999/44 verbietet nicht, dass ein Verbraucher für die Kosten des Hin- und/oder des Rücktransports in Vorleistung treten muss, solange dies keine finanzielle Belastung darstellt, die den Verbraucher von der Geltendmachung seiner Rechte abhält.</p>
<p class="C02AlineaAltA">Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 3 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 5 zweiter Spiegelstrich der Richtlinie 1999/44 ist dahin auszulegen, dass ein Verbraucher, der dem Verkäufer einen Mangel angezeigt hat, zur Vertragsauflösung berechtigt ist, wenn der Verkäufer keine Schritte – einschließlich der Mitteilung, an welchem Ort das Verbrauchsgut zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustands bereitzustellen ist – im Sinne einer der in Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 1999/44 vorgesehenen Abhilfen unternommen hat, es sei denn die Vertragswidrigkeit ist lediglich geringfügig oder nicht nachgewiesen.</p>
<hr/>
<p class="C40FootnoteLangue">
<a href="#Footref1" name="Footnote1">1</a><sup/>      Originalsprache: Englisch.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref2" name="Footnote2">2</a><sup/>      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 (ABl. 1999, L 171, S. 12). </p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref3" name="Footnote3">3</a><sup/>      Vgl. Urteil vom 16. Juni 2011, Gebr. Weber und Putz (C‑65/09 und C‑87/09, EU:C:2011:396, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung). </p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref4" name="Footnote4">4</a><sup/>      Vgl. Urteil vom 16. Juni 2011, Gebr. Weber und Putz (C‑65/09 und C‑87/09, EU:C:2011:396, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung). </p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref5" name="Footnote5">5</a><sup/>      Vgl. zweiter Erwägungsgrund der Richtlinie sowie den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Verbrauchsgüterkauf und ‑garantien (KOM[95] 520 endg.), S. 1 ff.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref6" name="Footnote6">6</a><sup/>      Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Verbrauchsgüterkauf und ‑garantien, S. 8.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref7" name="Footnote7">7</a><sup/>      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juni 2011, Gebr. Weber und Putz (C‑65/09 und C‑87/09, EU:C:2011:396, Rn. 57 bis 60).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref8" name="Footnote8">8</a><sup/>      Vgl. Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie sowie Urteil vom 16. Juni 2011, Gebr. Weber und Putz (C‑65/09 und C‑87/09, EU:C:2011:396, Rn. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung). </p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref9" name="Footnote9">9</a><sup/>      Vgl. Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie und Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Verbrauchsgüterkauf und ‑garantien, S. 7.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref10" name="Footnote10">10</a><sup/>      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. April 2008, Quelle (C‑404/06, EU:C:2008:231, Rn. 41). </p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref11" name="Footnote11">11</a><sup/>      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juni 2011, Gebr. Weber und Putz (C‑65/09 und C‑87/09, EU:C:2011:396, Rn. 72). </p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref12" name="Footnote12">12</a><sup/>      Vgl. Urteil vom 16. Juni 2011, Gebr. Weber und Putz (C‑65/09 und C‑87/09, EU:C:2011:396, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung). </p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref13" name="Footnote13">13</a><sup/>      Vgl. Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie. </p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref14" name="Footnote14">14</a><sup/>      Vgl. Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 der Richtlinie. </p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref15" name="Footnote15">15</a><sup/>      Urteil vom 16. Juni 2011, Gebr. Weber und Putz (C‑65/09 und C‑87/09, EU:C:2011:396, Rn. 75). </p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref16" name="Footnote16">16</a><sup/>      Vgl. hierzu meine Schlussanträge in der Rechtssache Kásler und Káslerné Rábai (C‑26/13, EU:C:2014:85, Nrn. 27 bis 29 und 105). </p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref17" name="Footnote17">17</a><sup/>      Vgl. Urteil vom 16. Juni 2011, Gebr. Weber und Putz (C‑65/09 und C‑87/09, EU:C:2011:396, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung). </p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref18" name="Footnote18">18</a><sup/>      Vgl. Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 der Richtlinie und in diesem Sinne Urteil vom 17. April 2008, Quelle (C‑404/06, EU:C:2008:231, Rn. 42). Vgl. auch Urteil vom 16. Juni 2011, Gebr. Weber und Putz (C‑65/09 und C‑87/09, EU:C:2011:396, Rn. 58). </p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref19" name="Footnote19">19</a><sup/>      Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Verbrauchsgüterkauf und ‑garantien, S. 16.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref20" name="Footnote20">20</a><sup/>      Vgl. Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 3 der Richtlinie. </p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref21" name="Footnote21">21</a><sup/>      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juni 2011, Gebr. Weber und Putz (C‑65/09 und C‑87/09, EU:C:2011:396, Rn. 53). </p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref22" name="Footnote22">22</a><sup/>      Vgl. Urteil vom 16. Juni 2011, Gebr. Weber und Putz (C‑65/09 und C‑87/09, EU:C:2011:396, Rn. 46). </p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref23" name="Footnote23">23</a><sup/>      Vgl. in diesem Sinne z. B. Urteil vom 25. Juli 2018, Dyson (C‑632/16, EU:C:2018:599, Rn. 56 [zu unlauteren Geschäftspraktiken]), und Urteil vom 20. September 2017, Andriciuc u. a. (C‑186/16, EU:C:2017:703, Rn. 47 [zu missbräuchlichen Vertragsklauseln]).</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref24" name="Footnote24">24</a><sup/>      Vgl. Urteil vom 17. April 2008, Quelle (C‑404/06, EU:C:2008:231, Rn. 31). </p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref25" name="Footnote25">25</a><sup/>      Vgl. Urteil vom 16. Juni 2011, Gebr. Weber und Putz (C‑65/09 und C‑87/09, EU:C:2011:396, Rn. 61). </p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref26" name="Footnote26">26</a><sup/>      Vgl. Urteil vom 16. Juni 2011, Gebr. Weber und Putz (C‑65/09 und C‑87/09, EU:C:2011:396, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung). </p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref27" name="Footnote27">27</a><sup/>      Vgl. Art. 3 Abs. 6 der Richtlinie. </p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref28" name="Footnote28">28</a><sup/>      Vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 16. Juni 2011, Gebr. Weber und Putz (C‑65/09 und C‑87/09, EU:C:2011:396, Rn. 72). </p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref29" name="Footnote29">29</a><sup/>      Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Verbrauchsgüterkauf und ‑garantien, S. 8.</p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref30" name="Footnote30">30</a><sup/>      Vgl. Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie. </p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref31" name="Footnote31">31</a><sup/>      Vgl. in diesem Sinne Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie im Licht des 19. Erwägungsgrundes der Richtlinie. Vgl. auch Urteil vom 4. Juni 2015, Faber (C‑497/13, EU:C:2015:357, Rn. 62 und 63). </p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref32" name="Footnote32">32</a><sup/>      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Juni 2015, Faber (C‑497/13, EU:C:2015:357, Rn. 63). </p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref33" name="Footnote33">33</a><sup/>      Vgl. Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie. </p>
<hr/>
<p class="Cfootnotetext">
<a href="#Footref34" name="Footnote34">34</a><sup/>      Vgl. Urteil vom 4. Juni 2015, Faber (C‑497/13, EU:C:2015:357, Rn. 52). </p>
|
175,049 | eugh-2019-01-15-c-25817 | {
"id": 2,
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<a id="judgment"/>URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)</p>
<p class="sum-title-1">15. Januar 2019 (<span class="note">
<a id="c-ECR_62017CJ0258_DE_01-E0001" href="#t-ECR_62017CJ0258_DE_01-E0001">*1</a>
</span>)</p>
<p class="index">„Vorlage zur Vorabentscheidung – Sozialpolitik – Richtlinie 2000/78/EG – Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf – Art. 2 – Von einem Beamten begangener Versuch der Unzucht mit männlichen Minderjährigen – Im Jahr 1975 erlassene Disziplinarstrafe – Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand unter Kürzung der Ruhebezüge – Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung – Wirkungen der Anwendung der Richtlinie 2000/78/EG auf die Disziplinarstrafe – Methoden zur Berechnung der gezahlten Ruhebezüge“</p>
<p class="normal">In der Rechtssache C‑258/17</p>
<p class="normal">betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Verwaltungsgerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 27. April 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 15. Mai 2017, in dem Verfahren</p>
<p class="normal">
<span class="bold">E.B.</span>
</p>
<p class="pnormal">gegen</p>
<p class="normal">
<span class="bold">Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter BVA</span>
</p>
<p class="normal">erlässt</p>
<p class="normal">DER GERICHTSHOF (Große Kammer)</p>
<p class="normal">unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, der Vizepräsidentin R. Silva de Lapuerta, der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Kammerpräsidenten M. Vilaras, E. Regan und T. von Danwitz, der Kammerpräsidentin K. Jürimäe und des Kammerpräsidenten C. Lycourgos sowie der Richter E. Juhász, M. Ilešič, J. Malenovský, M. Safjan (Berichterstatter) und D. Šváby,</p>
<p class="normal">Generalanwalt: M. Bobek,</p>
<p class="normal">Kanzler: M. Aleksejev, Referatsleiter,</p>
<p class="normal">aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 29. Mai 2018</p>
<p class="normal">unter Berücksichtigung der Erklärungen</p>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">–</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">von E.B., vertreten durch Rechtsanwalt H. Graupner,</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">–</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">der österreichischen Regierung, vertreten durch G. Hesse und J. Schmoll als Bevollmächtigte,</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">–</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von P. Gentili, avvocato dello Stato,</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">–</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">der Europäischen Kommission, vertreten durch D. Martin und B.‑R. Killmann als Bevollmächtigte,</p>
</td>
</tr>
</table>
<p class="normal">nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 5. September 2018</p>
<p class="normal">folgendes</p>
<p class="sum-title-1">
<span class="bold">Urteil</span>
</p>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point1">1</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (<a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=OJ:L:2000:303:TOC" hreflang="de" target="CourtTab">ABl. 2000, L 303, S. 16</a>).</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point2">2</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen E.B. und der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter BVA (Österreich) über die Rechtmäßigkeit und die Wirkungen des 1975 gegen E.B. wegen der versuchten Unzucht mit männlichen Minderjährigen verhängten Disziplinarerkenntnisses.</p>
</td>
</tr>
</table>
<p class="sum-title-1">
<span class="bold">Rechtlicher Rahmen</span>
</p>
<p class="title-grseq-2">
<span class="bold">
<span class="italic">Unionsrecht</span>
</span>
</p>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point3">3</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Die Erwägungsgründe 1 und 11 bis 13 der Richtlinie 2000/78 lauten:</p>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">„(1)</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Nach Artikel 6 Absatz 2 [EUV] beruht die Europäische Union auf den Grundsätzen der Freiheit, der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit; diese Grundsätze sind allen Mitgliedstaaten gemeinsam. Die Union achtet die Grundrechte, wie sie in der [am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten] Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten als allgemeine Grundsätze des [Unions]rechts ergeben.</p>
</td>
</tr>
</table>
<p class="normal">…</p>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">(11)</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Diskriminierungen wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung können die Verwirklichung der im [AEU]-Vertrag festgelegten Ziele unterminieren, insbesondere die Erreichung eines hohen Beschäftigungsniveaus und eines hohen Maßes an sozialem Schutz, die Hebung des Lebensstandards und der Lebensqualität, den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt, die Solidarität sowie die Freizügigkeit.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">(12)</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Daher sollte jede unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in den von der Richtlinie abgedeckten Bereichen [unions]weit untersagt werden. …</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">(13)</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Diese Richtlinie findet weder Anwendung auf die Sozialversicherungs- und Sozialschutzsysteme, deren Leistungen nicht einem Arbeitsentgelt in dem Sinne gleichgestellt werden, der diesem Begriff für die Anwendung des Artikels [157 AEUV] gegeben wurde, noch auf Vergütungen jeder Art seitens des Staates, die den Zugang zu einer Beschäftigung oder die Aufrechterhaltung eines Beschäftigungsverhältnisses zum Ziel haben.“</p>
</td>
</tr>
</table>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point4">4</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Art. 1 („Zweck“) der Richtlinie bestimmt:</p>
<p class="normal">„Zweck dieser Richtlinie ist die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichberechtigung in den Mitgliedstaaten.“</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point5">5</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Art. 2 („Der Begriff ‚Diskriminierung‘“) der Richtlinie sieht in seinen Abs. 1 und 2 vor:</p>
<p class="normal">„(1)   Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet ‚Gleichbehandlungsgrundsatz‘, dass es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe geben darf.</p>
<p class="normal">(2)   Im Sinne des Absatzes 1</p>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">a)</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde;</p>
</td>
</tr>
</table>
<p class="normal">…“</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point6">6</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Art. 3 („Geltungsbereich“) der Richtlinie sieht in seinen Abs. 1 und 3 vor:</p>
<p class="normal">„(1)   „Im Rahmen der auf die [Union] übertragenen Zuständigkeiten gilt diese Richtlinie für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, in Bezug auf</p>
<p class="normal">…</p>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">c)</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Entlassungsbedingungen und des Arbeitsentgelts;</p>
</td>
</tr>
</table>
<p class="normal">…</p>
<p class="normal">(3)   Diese Richtlinie gilt nicht für Leistungen jeder Art seitens der staatlichen Systeme oder der damit gleichgestellten Systeme einschließlich der staatlichen Systeme der sozialen Sicherheit oder des sozialen Schutzes.“</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point7">7</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Gemäß Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 mussten die Mitgliedstaaten grundsätzlich die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen, um dieser Richtlinie spätestens zum 2. Dezember 2003 nachzukommen, oder konnten den Sozialpartnern die Durchführung der Bestimmungen dieser Richtlinie übertragen, die in den Anwendungsbereich von Tarifverträgen fallen, wobei sie zu gewährleisten hatten, dass dies ebenfalls bis zu diesem Datum erfolgte.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point8">8</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Die Richtlinie 2000/78 trat gemäß ihrem Art. 20 am 2. Dezember 2000 in Kraft.</p>
</td>
</tr>
</table>
<p class="title-grseq-2">
<span class="bold">
<span class="italic">Österreichisches Recht</span>
</span>
</p>
<p class="title-grseq-3">
<span class="italic">Strafrecht</span>
</p>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point9">9</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Am 25. Februar 1974 bestimmten die §§ 128 und 129 des Strafgesetzes 1945 jeweils in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 273/1971 (im Folgenden: StG):</p>
<p class="normal">„Schändung</p>
<p class="normal">§ 128. Wer einen Knaben oder ein Mädchen unter vierzehn Jahren … zur Befriedigung seiner Lüste auf eine andere als die im § 127 bezeichnete Weise geschlechtlich missbraucht, begeht das Verbrechen der Schändung … und soll mit schwerem Kerker von einem bis zu fünf Jahren, bei sehr erschwerenden Umständen bis zu zehn, und wenn eine der im § 126 erwähnten Folgen eintritt, bis zu zwanzig Jahren bestraft werden.</p>
<p class="normal">Verbrechen der Unzucht</p>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">I.</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Gleichgeschlechtliche Unzucht mit Jugendlichen</p>
</td>
</tr>
</table>
<p class="normal">§ 129. Als Verbrechen werden auch nachstehende Arten der Unzucht bestraft:</p>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">I.</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Gleichgeschlechtliche Unzucht einer Person männlichen Geschlechtes, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat, mit einer Person, die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat.“</p>
</td>
</tr>
</table>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point10">10</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">§ 129 StG wurde durch § 209 des am 1. Jänner 1975 in Kraft getretenen Strafgesetzbuchs (im Folgenden: StGB) ersetzt. Dieser § 209 lautete wie folgt:</p>
<p class="normal">„Eine Person männlichen Geschlechtes, die nach Vollendung des neunzehnten Lebensjahres mit einer Person, die das vierzehnte, aber noch nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat, gleichgeschlechtliche Unzucht treibt, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.“</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point11">11</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Mit Erkenntnis vom 21. Juni 2002 entschied der Verfassungsgerichtshof (Österreich), dass § 209 StGB verfassungswidrig sei, und hob diese Bestimmung auf.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point12">12</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Mit dem im BGBl I Nr. 134/2002 veröffentlichten Bundesgesetz wurde ab dem 13. August 2002 das StGB geändert und dessen § 209 aufgehoben, bevor die vom Verfassungsgerichtshof (Österreich) ausgesprochene Aufhebung wirksam wurde.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point13">13</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Die Republik Österreich wurde vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte mehrfach im Zusammenhang mit der vor seiner Aufhebung erfolgten Anwendung des § 209 StGB verurteilt (vgl. u. a. EGMR, 9. Januar 2003, L. und V./Österreich, CE:ECHR:2003:0109JUD003939298, EGMR vom 9. Januar 2003, S.L./Österreich, CE:ECHR:2003:0109JUD004533099, sowie EGMR vom 21. Oktober 2004, Woditschka und Wilfling/Österreich, CE:ECHR:2004:1021JUD006975601).</p>
</td>
</tr>
</table>
<p class="title-grseq-3">
<span class="italic">Beamtenrecht</span>
</p>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point14">14</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">In Bezug auf die Ruhegenussansprüche der Beamten in Österreich sah § 13 Abs. 1 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 in der Fassung des im BGBl. I Nr. 119/2002 veröffentlichten Bundesgesetzes vor, dass bis zum 30. Dezember 2016 der Beamte mit Ablauf des 65. Jahres nach dem Jahr seiner Geburt in den Ruhestand tritt.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point15">15</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">§ 24 der Dienstpragmatik in ihrer im RGBl. Nr. 15/1914 veröffentlichten Fassung (im Folgenden: DP), die auf den Polizeidienst anwendbar war, sah in Abs. 1 vor:</p>
<p class="normal">„Der Beamte hat in und außer Dienst das Standesansehen zu wahren, sich stets im Einklang mit den Anforderungen der Disziplin zu verhalten und alles zu vermeiden, was die Achtung und das Vertrauen, die seine Stellung erfordert, schmälern könnte.“</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point16">16</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">§ 87 DP bestimmte:</p>
<p class="normal">„Beamte, welche ihre Standes- und Amtspflichten verletzen, werden unbeschadet ihrer strafgesetzlichen Verantwortlichkeit mit Ordnungs- oder Disziplinarstrafen belegt, je nachdem sich die Pflichtverletzung nur als eine Ordnungswidrigkeit oder mit Rücksicht auf die Schädigung oder die Gefährdung staatlicher Interessen, auf die Art oder die Schwere der Verfehlung, auf die Wiederholung oder auf sonstige erschwerende Umstände als ein Dienstvergehen darstellt.“</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point17">17</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">§ 93 DP sah in Abs. 1 vor:</p>
<p class="normal">„Disziplinarstrafen sind:</p>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">a)</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">der Verweis,</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">b)</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">die Ausschließung von der Vorrückung in höhere Bezüge,</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">c)</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">die Minderung des Monatsbezuges unter Ausschluss der Haushaltszulage,</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">d)</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">die Versetzung in den Ruhestand mit gemindertem Ruhegenuss,</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">e)</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">die Entlassung.“</p>
</td>
</tr>
</table>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point18">18</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Art. 97 DP lautete:</p>
<p class="normal">„(1)   Die strafweise Versetzung in den Ruhestand kann entweder für einen bestimmten Zeitraum oder dauernd erfolgen. Der Abzug von dem normalgemäßen Ruhegenuss (der Abfertigung) ist mit höchstens 25 Prozent festzusetzen.</p>
<p class="normal">(2)   Nach Ablauf des im Erkenntnis bestimmten Zeitraumes ist der Beamte so zu behandeln, als wäre er zur Zeit der Rechtskraft des Disziplinarerkenntnisses auf Grund des § 76 in den zeitlichen Ruhestand versetzt worden.“</p>
</td>
</tr>
</table>
<p class="sum-title-1">
<span class="bold">Ausgangsverfahren und Vorlagefragen</span>
</p>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point19">19</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">E.B. ist männlich, 1942 geboren und Bundesbeamter der Polizei im Ruhestand.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point20">20</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Mit Urteil vom 10. September 1974 verurteilte das Landesgericht für Strafsachen Wien (Österreich) E.B., damals Polizeibeamter des Aktivstandes, auf der Grundlage von § 129 I StG wegen eines am 25. Februar 1974 begangenen Versuchs der gleichgeschlechtlichen Unzucht mit zwei Minderjährigen zu einer Freiheitsstrafe, die unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point21">21</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">E.B. legte gegen dieses Urteil Berufung beim Oberlandesgericht Wien (Österreich) ein, das diese zurückwies.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point22">22</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Mit Erkenntnis vom 10. Juni 1975 (im Folgenden: Disziplinarerkenntnis vom 10. Juni 1975) erkannte die Disziplinarkommission bei der Bundespolizeidirektion Wien (Österreich) E.B. für schuldig, seine Standespflichten dadurch verletzt zu haben, dass er zwei männliche, 14 bzw. 15 Jahre alte Minderjährige aufgefordert habe, sexuelle Handlungen an ihm vorzunehmen, weshalb er wegen des Verbrechens der versuchten gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Jugendlichen nach den §§ 8 und 129 I StG verurteilt worden sei. In diesem Erkenntnis heißt es: „Er hat dadurch ein Dienstvergehen … begangen; es wird deshalb über ihn die Disziplinarstrafe der Versetzung in den dauernden Ruhestand mit gemindertem Ruhegenuss verhängt und der Abzug von dem normalmäßigen Ruhegenuss mit 25 % (fünfundzwanzig Prozent) festgesetzt (§ 93 Abs. 1 lit. d in Verbindung mit § 97 Abs. 1 DP).“</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point23">23</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">E.B. legte gegen dieses Erkenntnis bei der Disziplinaroberkommission beim Bundesministerium für Inneres (Österreich) Berufung ein, die mit Disziplinarerkenntnis vom 24. März 1976 (im Folgenden: bestätigendes Disziplinaranerkenntnis vom 24. März 1976) abgewiesen wurde. Infolgedessen wurde E.B. mit Wirkung vom 1. April 1976 in den Ruhestand versetzt. Nach den Angaben in der Vorlageentscheidung wäre E.B. in Ermangelung dieses Disziplinarerkenntnisses gemäß den österreichischen Rechtsvorschriften zum 1. Jänner 2008 in den Ruhestand getreten.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point24">24</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Mit Bescheid vom 17. Mai 1976 wurde der Ruhebezug von E.B. auf Basis seiner Ruhestandsversetzung mit Wirkung vom 1. April 1976 und unter Berücksichtigung der von der Disziplinarbehörde verfügten 25%igen Kürzung bemessen.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point25">25</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Am 2. Juni 2008 beantragte E.B. bei der Disziplinarbehörde u. a., das Disziplinarerkenntnis vom 10. Juni 1975 aufzuheben und das Disziplinarverfahren gegen ihn einzustellen.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point26">26</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Mit Bescheid vom 17. Juni 2009 wies die Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt (Österreich) diese Anträge zurück.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point27">27</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Mit Erkenntnis vom 26. Jänner 2012 wies der Verwaltungsgerichtshof (Österreich) die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde von E.B. als unbegründet ab.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point28">28</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Zudem stellte E.B. am 11. Februar 2009 an die Pensionsbehörde einen Antrag auf die Bemessung und Nachzahlung von Aktiv- bzw. von höheren Ruhebezügen. Er vertrat in erster Linie die Auffassung, zur Vermeidung der bestehenden Diskriminierung sei er besoldungs- und pensionsrechtlich so zu stellen, als hätte er bis zur Erreichung seines gesetzlichen Pensionsalters Aktivdienst geleistet. Hilfsweise machte er geltend, es stünde ihm zumindest der ungekürzte Ruhegenuss zu.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point29">29</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Mit Bescheid vom 9. Oktober 2013 wies der Bundesminister für Inneres den Antrag von E.B. auf Nachzahlung von Aktivbezügen ab. Er war im Wesentlichen der Auffassung, dass E.B. keinen Schaden erlitten habe, da seine durch den Entfall der Dienstleistung für den Bund in der Privatwirtschaft erzielten Einkünfte höher gewesen seien als die, die er erzielt hätte, wenn er seinen Posten als Bundesbeamter behalten hätte.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point30">30</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Mit Bescheid vom 11. Juni 2015 wies die Versicherungsanstalt öffentlicher Bediensteter die zwischenzeitlich teilweise modifizierten Anträge von E.B. auf Gewährung höherer Ruhebezüge ab.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point31">31</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Mit Erkenntnis vom 25. Mai 2016 wies das Bundesverwaltungsgericht (Österreich) die von E.B. gegen diesen letztgenannten Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet ab.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point32">32</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">E.B. legte gegen dieses Erkenntnis beim Verwaltungsgerichtshof Revision ein. In der Begründung des Antrags auf Zulassung seiner Revision wird u. a. die Frage aufgeworfen, ob die Rechtskraftwirkungen des bestätigenden Disziplinarerkenntnisses vom 24. März 1976 durch das Diskriminierungsverbot gemäß Art. 2 der Richtlinie 2000/78 für die entscheidungsgegenständlichen Ruhebezugsansprüche nicht obsolet geworden seien.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point33">33</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Der Verwaltungsgerichtshof war der Auffassung, dass das von E.B. eingeleitete Revisionsverfahren zulässig sei, da er mit seiner Zulassungsbegründung die Frage nach der Auslegung von Art. 2 der Richtlinie 2000/78 aufwerfe.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point34">34</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Der Verwaltungsgerichtshof geht außerdem von dem Grundsatz aus, dass das Erkenntnis der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 17. Juni 2009 die Frage einer Begrenzung der Rechtskraftwirkung des bestätigenden Disziplinarerkenntnisses vom 24. März 1976 noch nicht mit Bindungswirkung entschieden habe.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point35">35</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts steht fest, dass zum Zeitpunkt des Erlasses des Disziplinarerkenntnisses vom 10. Juni 1975 und des bestätigenden Disziplinarerkenntnisses vom 24. März 1976 keine unionsrechtliche Vorschrift den Sanktionen entgegengestanden habe, die gegen E.B. aus den damals herangezogenen Gründen verhängt worden seien.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point36">36</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Nach dem Inkrafttreten der Richtlinie 2000/78 könne jedoch eine vergleichbare Disziplinarstrafe in Österreich nicht mehr verhängt werden. Es sei nämlich nicht mehr erlaubt, auch für die Zwecke des Disziplinarrechts zwischen der Aufforderung einer mündigen minderjährigen Person zu homosexuellen Handlungen durch Erwachsene und jener zu heterosexuellen oder lesbischen Handlungen durch Erwachsene zu differenzieren. Offensichtlich beruhe das Disziplinarerkenntnis vom 10. Juni 1975 aber auf einer solchen Differenzierung, da es sich im Wesentlichen auf die damalige gerichtliche Strafbarkeit der E.B. wegen ihres gleichgeschlechtlichen Charakters vorgeworfenen Handlungen gestützt habe. Auch wenn nicht ausgeschlossen werden könne, dass eine vergleichbare Aufforderung zu heterosexuellen oder lesbischen Handlungen als damals disziplinär zu ahnende Anstandsverletzung ausgelegt worden wäre, wäre die disziplinarrechtliche Sanktion, die eventuell gegen den der Unzucht für schuldig befundenen Beamten hätte verhängt werden können, in Ermangelung der Verwirklichung des Tatbestands des § 129 I StG ungleich milder ausgefallen. Insbesondere wären die von E.B. begangenen Taten nicht geeignet gewesen, die Versetzung in den Ruhestand als Disziplinarstrafe zu rechtfertigen.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point37">37</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Das Inkrafttreten der Richtlinie 2000/78 könnte jedoch die Rechtslage im Ausgangsverfahren dahin geändert haben, dass für die Zeiträume nach diesem Inkrafttreten der E.B. gezahlte Ruhegenuss diskriminierungsfrei zu berechnen wäre. In diesem Zusammenhang verweist das vorlegende Gericht auf das Urteil des Gerichtshofs vom 29. April 1999, Ciola (<a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A1999%3A212&locale=de" target="CourtTab" type="application/xml;notice=branch" hreflang="de" class="CourtLink">C‑224/97</a>, <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A1999%3A212&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab" target="CourtTab" type="application/pdf" hreflang="de" class="CourtLink">EU:C:1999:212</a>).</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point38">38</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Vor diesem Hintergrund hat der Verwaltungsgerichtshof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:</p>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">1.</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Steht Art. 2 der Richtlinie 2000/78 der Aufrechterhaltung der Rechtsgestaltungswirkung einer nach nationalem Recht in Rechtskraft erwachsenen Verwaltungsentscheidung im Bereich des Beamtendisziplinarrechts (Disziplinarerkenntnis), mit welcher eine Versetzung des Beamten in den Ruhestand unter Kürzung der Ruhebezüge verfügt wurde, entgegen, wenn für die genannte Verwaltungsentscheidung im Zeitpunkt ihrer Erlassung Bestimmungen des Unionsrechts, insbesondere die Richtlinie 2000/78, noch nicht maßgebend waren, jedoch eine (gedachte) gleichartige Entscheidung gegen die Richtlinie verstieße, wenn sie im zeitlichen Geltungsbereich dieser Richtlinie erlassen würde?</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">2.</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Bejahendenfalls, ist es für die Herstellung eines diskriminierungsfreien Zustands</p>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">a)</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">unionsrechtlich erforderlich, den Beamten für Zwecke der Bemessung seines Ruhebezugs so zu stellen, als hätte er sich im Zeitraum zwischen dem Wirksamwerden der Verwaltungsentscheidung und seinem gesetzlichen Pensionsantrittsalter nicht im Ruhestand, sondern im Aktivstand befunden, oder ist es</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">b)</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">hierfür ausreichend, den ungekürzten Ruhebezug, welcher infolge Ruhestandsversetzung zu dem in der Verwaltungsentscheidung genannten Zeitpunkt zusteht, als gebührlich zu erkennen?</p>
</td>
</tr>
</table>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">3.</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Hängt die Beantwortung der Frage 2 davon ab, ob der Beamte die faktische Aufnahme einer aktiven Tätigkeit im Bundesdienst vor Erreichen des Pensionsalters initiativ angestrebt hat?</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">4.</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Falls (allenfalls auch in Abhängigkeit von den in der Frage 3 genannten Umständen) eine Rückgängigmachung der prozentuellen Kürzung des Ruhebezugs als ausreichend angesehen wird:</p>
<p class="normal">Kann das Diskriminierungsverbot der Richtlinie einen vom nationalen Richter bei Bemessung des Ruhebezugs zu beachtenden Anwendungsvorrang vor entgegenstehendem nationalem Recht auch für Bezugsperioden begründen, welche vor Eintritt der unmittelbaren innerstaatlichen Anwendbarkeit der Richtlinie gelegen sind?</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count">5.</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Bei Bejahung der Frage 4: Auf welchen Zeitpunkt bezieht sich eine solche „Rückwirkung“?</p>
</td>
</tr>
</table>
</td>
</tr>
</table>
<p class="sum-title-1">
<span class="bold">Zu den Vorlagefragen</span>
</p>
<p class="title-grseq-2">
<span class="bold">
<span class="italic">Zur ersten Frage</span>
</span>
</p>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point39">39</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 2 der Richtlinie 2000/78 dahin auszulegen ist, dass er auf die Rechtsgestaltungswirkung eines in Rechtskraft erwachsenen Disziplinarerkenntnisses, das vor dem Inkrafttreten dieser Richtlinie erlassen wurde und mit dem die Versetzung eines Beamten in den vorzeitigen Ruhestand unter Kürzung seiner Ruhebezüge angeordnet wurde, anwendbar ist.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point40">40</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich sowohl aus dem Titel und den Erwägungsgründen als auch aus dem Inhalt und der Zielsetzung der Richtlinie 2000/78, dass diese einen allgemeinen Rahmen schaffen soll, der gewährleistet, dass jeder „in Beschäftigung und Beruf“ gleich behandelt wird, indem sie dem Betroffenen einen wirksamen Schutz vor Diskriminierungen aus einem der in ihrem Art. 1 genannten Gründe – darunter auch die sexuelle Orientierung – bietet (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 18. Juni 2009, Hütter, <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2009%3A381&locale=de" target="CourtTab" type="application/xml;notice=branch" hreflang="de" class="CourtLink">C‑88/08</a>, <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2009%3A381&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab" target="CourtTab" type="application/pdf" hreflang="de" class="CourtLink">EU:C:2009:381</a>, Rn. <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2009%3A381&lang=DE&format=html&target=CourtTab&anchor=#point33" target="CourtTab" type="application/xhtml+xml" hreflang="de" class="CourtLink">33</a>, und vom 19. September 2018, Bedi, <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2018%3A734&locale=de" target="CourtTab" type="application/xml;notice=branch" hreflang="de" class="CourtLink">C‑312/17</a>, <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2018%3A734&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab" target="CourtTab" type="application/pdf" hreflang="de" class="CourtLink">EU:C:2018:734</a>, Rn. <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2018%3A734&lang=DE&format=html&target=CourtTab&anchor=#point28" target="CourtTab" type="application/xhtml+xml" hreflang="de" class="CourtLink">28</a>).</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point41">41</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Zur Beantwortung der ersten vom vorlegenden Gericht gestellten Frage ist in einem ersten Schritt zu prüfen, ob eine Situation wie die vom Disziplinarerkenntnis vom 10. Juni 1975 geschaffene in den sachlichen Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78 fällt.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point42">42</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Insoweit ergibt sich zunächst aus Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2000/78, dass diese im Rahmen der auf die Union übertragenen Zuständigkeiten „für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen“, u. a. in Bezug auf „die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Entlassungsbedingungen und des Arbeitsentgelts“, gilt (Urteil vom 12. Oktober 2010, Ingeniørforeningen i Danmark, <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2010%3A600&locale=de" target="CourtTab" type="application/xml;notice=branch" hreflang="de" class="CourtLink">C‑499/08</a>, <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2010%3A600&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab" target="CourtTab" type="application/pdf" hreflang="de" class="CourtLink">EU:C:2010:600</a>, Rn. <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2010%3A600&lang=DE&format=html&target=CourtTab&anchor=#point20" target="CourtTab" type="application/xhtml+xml" hreflang="de" class="CourtLink">20</a>, und vom 24. November 2016, Parris, <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2016%3A897&locale=de" target="CourtTab" type="application/xml;notice=branch" hreflang="de" class="CourtLink">C‑443/15</a>, <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2016%3A897&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab" target="CourtTab" type="application/pdf" hreflang="de" class="CourtLink">EU:C:2016:897</a>, Rn. <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2016%3A897&lang=DE&format=html&target=CourtTab&anchor=#point32" target="CourtTab" type="application/xhtml+xml" hreflang="de" class="CourtLink">32</a>).</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point43">43</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Im vorliegenden Fall wurde der Polizeibeamte E.B. aufgrund einer Disziplinarstrafe unter Kürzung seiner Ruhebezüge um 25 % vorzeitig in den Ruhestand versetzt. Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass das Disziplinarerkenntnis vom 10. Juni 1975, da es zu einer vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand geführt hat, seine Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2000/78 beeinträchtigt hat.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point44">44</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Für die Beurteilung, ob Ruhebezüge wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden in den Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78 fallen, ist jedoch darauf hinzuweisen, dass sich dieser Geltungsbereich im Licht ihres Art. 3 Abs. 1 Buchst. c und Abs. 3 unter Berücksichtigung ihres 13. Erwägungsgrundes nicht auf die Systeme der Sozialversicherung und des sozialen Schutzes erstreckt, deren Leistungen nicht einem Arbeitsentgelt in dem Sinne gleichgestellt werden, der diesem Begriff für die Anwendung von Art. 157 Abs. 2 AEUV zugemessen wurde (Urteile vom 6. Dezember 2012, Dittrich u. a., <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2012%3A771&locale=de" target="CourtTab" type="application/xml;notice=branch" hreflang="de" class="CourtLink">C‑124/11, C‑125/11 und C‑143/11</a>, <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2012%3A771&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab" target="CourtTab" type="application/pdf" hreflang="de" class="CourtLink">EU:C:2012:771</a>, Rn. <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2012%3A771&lang=DE&format=html&target=CourtTab&anchor=#point31" target="CourtTab" type="application/xhtml+xml" hreflang="de" class="CourtLink">31</a>, sowie vom 19. September 2018, Bedi, <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2018%3A734&locale=de" target="CourtTab" type="application/xml;notice=branch" hreflang="de" class="CourtLink">C‑312/17</a>, <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2018%3A734&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab" target="CourtTab" type="application/pdf" hreflang="de" class="CourtLink">EU:C:2018:734</a>, Rn. <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2018%3A734&lang=DE&format=html&target=CourtTab&anchor=#point30" target="CourtTab" type="application/xhtml+xml" hreflang="de" class="CourtLink">30</a>).</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point45">45</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Insoweit kann nur das Kriterium, dass das Ruhegehalt dem Arbeitnehmer aufgrund seines Dienstverhältnisses mit seinem früheren Arbeitgeber gezahlt wird, d. h. das aus dem Wortlaut dieses Artikels selbst abgeleitete Kriterium der Beschäftigung, entscheidend sein (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 28. September 1994, Beune, <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A1994%3A350&locale=de" target="CourtTab" type="application/xml;notice=branch" hreflang="de" class="CourtLink">C‑7/93</a>, <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A1994%3A350&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab" target="CourtTab" type="application/pdf" hreflang="de" class="CourtLink">EU:C:1994:350</a>, Rn. <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A1994%3A350&lang=DE&format=html&target=CourtTab&anchor=#point43" target="CourtTab" type="application/xhtml+xml" hreflang="de" class="CourtLink">43</a>, und vom 1. April 2008, Maruko, <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2008%3A179&locale=de" target="CourtTab" type="application/xml;notice=branch" hreflang="de" class="CourtLink">C‑267/06</a>, <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2008%3A179&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab" target="CourtTab" type="application/pdf" hreflang="de" class="CourtLink">EU:C:2008:179</a>, Rn. <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2008%3A179&lang=DE&format=html&target=CourtTab&anchor=#point46" target="CourtTab" type="application/xhtml+xml" hreflang="de" class="CourtLink">46</a> und die dort angeführte Rechtsprechung).</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point46">46</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">In diesem Kontext fällt in den Geltungsbereich dieses Artikels die Rente, die nur für eine besondere Gruppe von Arbeitnehmern gilt und die unmittelbar von der abgeleisteten Dienstzeit abhängt und deren Höhe nach den letzten Bezügen berechnet wird (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 1. April 2008, Maruko, <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2008%3A179&locale=de" target="CourtTab" type="application/xml;notice=branch" hreflang="de" class="CourtLink">C‑267/06</a>, <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2008%3A179&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab" target="CourtTab" type="application/pdf" hreflang="de" class="CourtLink">EU:C:2008:179</a>, Rn. <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2008%3A179&lang=DE&format=html&target=CourtTab&anchor=#point47" target="CourtTab" type="application/xhtml+xml" hreflang="de" class="CourtLink">47</a> und <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2008%3A179&lang=DE&format=html&target=CourtTab&anchor=#point48" target="CourtTab" type="application/xhtml+xml" hreflang="de" class="CourtLink">48</a>, sowie vom 24. November 2016, Parris, <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2016%3A897&locale=de" target="CourtTab" type="application/xml;notice=branch" hreflang="de" class="CourtLink">C‑443/15</a>, <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2016%3A897&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab" target="CourtTab" type="application/pdf" hreflang="de" class="CourtLink">EU:C:2016:897</a>, Rn. <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2016%3A897&lang=DE&format=html&target=CourtTab&anchor=#point35" target="CourtTab" type="application/xhtml+xml" hreflang="de" class="CourtLink">35</a>).</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point47">47</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, anhand dieser Gesichtspunkte zu prüfen, ob die E.B. gezahlten Ruhebezüge in den Geltungsbereich von Art. 157 AEUV fallen, und insbesondere, ob diese Ruhebezüge im nationalen Recht als ein Entgelt angesehen werden, das wie die Versorgungsbezüge, um die es in der Rechtssache ging, in der das Urteil vom 21. Januar 2015, Felber (<a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2015%3A20&locale=de" target="CourtTab" type="application/xml;notice=branch" hreflang="de" class="CourtLink">C‑529/13</a>, <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2015%3A20&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab" target="CourtTab" type="application/pdf" hreflang="de" class="CourtLink">EU:C:2015:20</a>), ergangen ist, im Rahmen eines nach Übertritt des Beamten in den Ruhestand weiter bestehenden Dienstverhältnisses fortgezahlt wird.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point48">48</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen und sofern die E.B. gezahlten Ruhebezüge unter den Begriff „Entgelt“ im Sinne von Art. 157 AEUV und damit der Richtlinie 2000/78 fallen, unterliegt eine Situation wie die vom Disziplinarerkenntnis vom 10. Juni 1975 geschaffene dem sachlichen Geltungsbereich dieser Richtlinie.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point49">49</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob eine solche Situation in den zeitlichen Geltungsbereich dieser Richtlinie fällt.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point50">50</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist eine neue Rechtsnorm ab dem Inkrafttreten des Rechtsakts anwendbar, mit dem sie eingeführt wird; sie ist zwar nicht auf unter dem alten Recht entstandene und endgültig erworbene Rechtspositionen anwendbar, doch findet sie auf deren künftige Wirkungen sowie auf neue Rechtspositionen Anwendung. Etwas anderes gilt nur – und vorbehaltlich des Verbots der Rückwirkung von Rechtsakten –, wenn zusammen mit der Neuregelung besondere Vorschriften getroffen werden, die speziell die Voraussetzungen für ihre zeitliche Geltung regeln (Urteile vom 16. Dezember 2010, Stichting Natuur en Milieu u. a., <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2010%3A779&locale=de" target="CourtTab" type="application/xml;notice=branch" hreflang="de" class="CourtLink">C‑266/09</a>, <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2010%3A779&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab" target="CourtTab" type="application/pdf" hreflang="de" class="CourtLink">EU:C:2010:779</a>, Rn. <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2010%3A779&lang=DE&format=html&target=CourtTab&anchor=#point32" target="CourtTab" type="application/xhtml+xml" hreflang="de" class="CourtLink">32</a>, sowie vom 26. März 2015, Kommission/Moravia Gas Storage, <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2015%3A203&locale=de" target="CourtTab" type="application/xml;notice=branch" hreflang="de" class="CourtLink">C‑596/13 P</a>, <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2015%3A203&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab" target="CourtTab" type="application/pdf" hreflang="de" class="CourtLink">EU:C:2015:203</a>, Rn. <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2015%3A203&lang=DE&format=html&target=CourtTab&anchor=#point32" target="CourtTab" type="application/xhtml+xml" hreflang="de" class="CourtLink">32</a>).</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point51">51</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass das Disziplinarerkenntnis vom 10. Juni 1975 vor der Anwendung der Richtlinie 2000/78 eine endgültige Rechtslage hat entstehen lassen.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point52">52</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Ein Erkenntnis wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende kann daher in Ermangelung besonderer dahin gehender Bestimmungen in der Richtlinie 2000/78 für die Zeit vor Ablauf der Umsetzungsfrist dieser Richtlinie nicht an den Geltungsbereich des Unionsrechts anknüpfen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Mai 2011, Römer, <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2011%3A286&locale=de" target="CourtTab" type="application/xml;notice=branch" hreflang="de" class="CourtLink">C‑147/08</a>, <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2011%3A286&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab" target="CourtTab" type="application/pdf" hreflang="de" class="CourtLink">EU:C:2011:286</a>, Rn. <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2011%3A286&lang=DE&format=html&target=CourtTab&anchor=#point61" target="CourtTab" type="application/xhtml+xml" hreflang="de" class="CourtLink">61</a>).</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point53">53</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Somit hat die Richtlinie 2000/78 erst ab dem Ablauf ihrer Umsetzungsfrist, d. h. dem 3. Dezember 2003, dazu geführt, dass die Wirkungen der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung in den Geltungsbereich des Unionsrechts fallen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Mai 2011, Römer, <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/AUTO/?uri=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2011%3A286&locale=de" target="CourtTab" type="application/xml;notice=branch" hreflang="de" class="CourtLink">C‑147/08</a>, <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2011%3A286&lang=DE&format=pdf&target=CourtTab" target="CourtTab" type="application/pdf" hreflang="de" class="CourtLink">EU:C:2011:286</a>, Rn. <a href="https://eur-lex.europa.eu/legal-content/redirect/?urn=ecli:ECLI%3AEU%3AC%3A2011%3A286&lang=DE&format=html&target=CourtTab&anchor=#point63" target="CourtTab" type="application/xhtml+xml" hreflang="de" class="CourtLink">63</a>).</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point54">54</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Der österreichische Staat hat zwar begonnen, gemäß dem Disziplinarerkenntnis vom 10. Juni 1975 E.B. ab dem Jahr 1976 wiederkehrende Ruhebezüge zu zahlen, er hat jedoch diese Ruhebezüge nach dem Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie 2000/78 fortgezahlt.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point55">55</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Wegen der Fortzahlung der Ruhebezüge von E.B. hat dieses Erkenntnis, auch wenn es zwar vor dem Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie 2000/78 bestandskräftig geworden ist, somit jedoch nicht all seine Rechtswirkungen vor dem Ablauf dieser Frist erschöpft, sondern erzeugt vielmehr nach diesem Ablauf während der gesamten Dauer des Ruhestands des Betroffenen weiterhin wiederkehrend seine Rechtswirkungen.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point56">56</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Infolgedessen stellt in Anbetracht der in Rn. 50 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung die vom Disziplinarerkenntnis vom 10. Juni 1975 geschaffene Situation eine Situation dar, die vor dem Inkrafttreten der Richtlinie 2000/78 entstanden ist, deren zukünftige Wirkungen aber gemäß dem Grundsatz, wonach neue Vorschriften sofort auf solche zukünftigen Wirkungen anwendbar sind, ab dem Ablauf ihrer Umsetzungsfrist von dieser Richtlinie geregelt werden.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point57">57</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 2 der Richtlinie 2000/78 dahin auszulegen ist, dass er nach dem Ablauf der Umsetzungsfrist dieser Richtlinie, d. h. ab dem 3. Dezember 2003, auf die zukünftigen Wirkungen eines in Rechtskraft erwachsenen Disziplinarerkenntnisses, das vor dem Inkrafttreten dieser Richtlinie erlassen wurde und mit dem die Versetzung eines Beamten in den vorzeitigen Ruhestand unter Kürzung seiner Ruhebezüge angeordnet wurde, anwendbar ist.</p>
</td>
</tr>
</table>
<p class="title-grseq-2">
<span class="bold">
<span class="italic">Zu den Fragen 2 bis 5</span>
</span>
</p>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point58">58</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Mit seinen Fragen 2 bis 5, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht in Anbetracht der Antwort auf die erste Frage wissen, ob und inwiefern die Richtlinie 2000/78 dahin auszulegen ist, dass sie das nationale Gericht verpflichtet, die Rechtsgestaltungswirkung des in Rechtskraft erwachsenen Disziplinarerkenntnisses, mit dem die Versetzung eines Beamten in den vorzeitigen Ruhestand unter Kürzung seiner Ruhebezüge angeordnet wurde, zu überprüfen.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point59">59</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Zunächst ist festzustellen, dass die österreichische Regierung geltend macht, dass die auf E.B. anwendbaren Standesregeln, die Beamte zur Wahrung des Standesansehens in und außer Dienst verpflichteten, homosexuelle wie heterosexuelle Personen, die straffällig geworden seien, gleichermaßen betroffen hätten. Diese Regeln hätten daher keine unmittelbare Diskriminierung wegen der sexuellen Orientierung begründet.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point60">60</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Wie jedoch das vorlegende Gericht in seiner Vorlageentscheidung festgestellt hat und wie aus Rn. 36 des vorliegenden Urteils hervorgeht, wurde das Disziplinarerkenntnis vom 10. Juni 1975, das durch das bestätigende Disziplinarerkenntnis vom 24. März 1976 gebilligt wurde, zentral auf die (damalige) gerichtliche Strafbarkeit des E.B. angelasteten Verhaltens gemäß einer Vorschrift des österreichischen Rechts gestützt, die gleichgeschlechtliche Unzucht einer Person männlichen Geschlechts mit einer Person, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, unter Strafe stellte, aber Unzucht durch eine heterosexuelle Person oder durch eine homosexuelle Person weiblichen Geschlechts mit einer Person, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, nicht unter Strafte stellte. Das vorlegende Gericht hebt auch hervor, dass eine allfällige disziplinarrechtliche Sanktion in Ermangelung der Verwirklichung des von dieser Bestimmung des österreichischen Strafrechts vorgesehenen Tatbestands der männlich gleichgeschlechtlichen Unzucht ungleich milder ausgefallen wäre.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point61">61</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Daraus folgt, dass eine Situation wie die aus dem Disziplinarerkenntnis vom 10. Juni 1975 resultierende, die auf einer auf die sexuelle Orientierung gestützten Ungleichbehandlung beruht, eine unmittelbare Diskriminierung im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78 darstellt.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point62">62</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Nach dieser Feststellung ist zu bemerken, dass die Disziplinarstrafe, die darin bestand, E.B. in den vorzeitigen Ruhestand zu versetzen, zum 1. April 1976 wirksam wurde. Diese Sanktion ist vor dem Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie 2000/78 bestandskräftig geworden und hat zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens alle ihre Wirkungen erschöpft. Sie kann daher in Anbetracht der Antwort auf die erste Frage auf der Grundlage dieser Richtlinie nicht mehr in Frage gestellt werden. Die Tatsache, dass das vorlegende Gericht darauf hinweist, dass die Versetzung von E.B. in den Ruhestand als Disziplinarstrafe nicht hätte verhängt werden dürfen, wenn die ihm vorgeworfenen Taten damals nicht strafbar gewesen wären, ändert an dieser Feststellung nichts.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point63">63</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Unter diesen Umständen kann eine Person wie E.B. sich nicht auf die Bestimmungen der Richtlinie 2000/78 berufen, um die Wiederherstellung der beruflichen Laufbahn zu erlangen, die sie gehabt hätte, wenn das Disziplinarerkenntnis vom 10. Juni 1975 nicht erlassen worden wäre.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point64">64</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Daher kann eine Person wie E.B. für die Zwecke der Berechnung der Höhe ihrer Ruhebezüge nicht so angesehen werden, als habe sie sich in der Zeit vom Wirksamwerden des Disziplinarerkenntnisses vom 10. Juni 1975 bis zum Erreichen des gesetzlichen Pensionsantrittsalters in der Situation eines Beamten im Aktivstand befunden. Folglich verlangt das Unionsrecht vom österreichischen Staat nicht die Zahlung eines Entgelts oder die Anerkennung eines Pensionsanspruchs für diesen Zeitraum.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point65">65</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Was hingegen die Sanktion betrifft, die in der Kürzung der Ruhebezüge von E.B. um 25 % auf der Grundlage seiner Versetzung in den Ruhestand ab dem 1. April 1976 besteht, ist hervorzuheben, dass die Wirkungen, die diese Sanktion vor dem Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie 2000/78 hervorgerufen hat, in Anbetracht der Antwort auf die erste Frage auf der Grundlage dieser Richtlinie zwar nicht in Frage gestellt werden können, diese Ruhebezüge jedoch weiterhin regelmäßig an E.B. gezahlt werden. Damit verlangt die Anwendung der Richtlinie 2000/78 ab dem Zeitpunkt des Ablaufs ihrer Umsetzungsfrist gemäß der in Rn. 50 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung, dass ab diesem Zeitpunkt die Kürzung der Ruhebezüge von E.B. überprüft wird, um die Diskriminierung aus Gründen der sexuellen Ausrichtung zu beenden. Die im Rahmen dieser Überprüfung vorzunehmende Berechnung ist auf der Grundlage der Ruhebezüge durchzuführen, auf die E.B. unter Berücksichtigung seiner Versetzung in den Ruhestand ab dem 1. April 1976 Anspruch gehabt hätte.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point66">66</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">In diesem Zusammenhang muss das vorlegende Gericht prüfen, inwiefern gegen einen Beamten, der zur selben Zeit einen dem Verstoß von E.B. vergleichbaren Verstoß gegen seine Standespflichten begangen hat, eine Disziplinarstrafe verhängt worden wäre, wenn der männlich gleichgeschlechtliche Charakter dieses Verstoßes außer Acht gelassen worden wäre.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point67">67</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Im vorliegenden Fall hat das vorlegende Gericht erklärt, dass, auch wenn nicht ausgeschlossen werden könne, dass eine vergleichbare Aufforderung eines Minderjährigen zu heterosexuellen oder lesbischen Handlungen als Verletzung der den Polizeibeamten obliegenden Standespflichten ausgelegt und geahndet worden wäre, die gegen E.B. verhängte Disziplinarstrafe in Ermangelung der Verwirklichung des von der in Rede stehenden Bestimmung des österreichischen Strafrechts vorgesehenen Tatbestands ungleich milder ausgefallen wäre. Unter diesen Umständen obliegt es ihm, zu ermitteln, ob diese Verletzung zu einer Disziplinarstrafe geführt hätte, die zu einer Kürzung der Ruhebezüge geführt hätte, und gegebenenfalls, wie hoch diese Kürzung der Ruhebezüge ausgefallen wäre, die gegen E.B. als Disziplinarstrafe bei Fehlen jeder Diskriminierung aus Gründen der sexuellen Orientierung verhängt worden wäre, wobei eine solche Kürzung gegebenenfalls weniger als 25 % betragen muss.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point68">68</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Im Rahmen der Anwendung der Richtlinie 2000/78 und wenn es darum geht, einer Diskriminierung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden abzuhelfen, indem der maßgebende Prozentsatz der Kürzung der Ruhebezüge von E.B. ermittelt wird, ist unerheblich, ob sich die betreffende Person vor dem Erreichen des gesetzlichen Pensionsantrittsalters spontan darum bemüht hat, eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst aufzunehmen, oder ob sie während ihres Vorruhestands in der Privatwirtschaft gearbeitet hat.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point69">69</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Das vorlegende Gericht muss somit die Höhe der Ruhebezüge ermitteln, die E.B. für die Zeit ab dem 3. Dezember 2003 zu zahlen sind.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point70">70</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Nach alledem ist auf die Fragen 2 bis 5 zu antworten, dass die Richtlinie 2000/78 dahin auszulegen ist, dass sie in einer Situation wie der in Rn. 57 des vorliegenden Urteils beschriebenen das nationale Gericht verpflichtet, für die Zeit ab dem 3. Dezember 2003 zwar nicht die bestandskräftige Disziplinarstrafe, mit der der betreffende Beamte in den vorzeitigen Ruhestand versetzt wurde, aber die Kürzung seiner Ruhebezüge zu überprüfen, um den Betrag zu ermitteln, den er erhalten hätte, wenn er nicht aufgrund der sexuellen Orientierung diskriminiert worden wäre.</p>
</td>
</tr>
</table>
<p class="sum-title-1">
<span class="bold">Kosten</span>
</p>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count" id="point71">71</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top"> </td>
<td valign="top">
<p class="normal">Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:</p>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top"> </td>
<td valign="top">
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count bold">
<span class="bold">1.</span>
</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">
<span class="bold">Art. 2 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ist dahin auszulegen, dass er nach dem Ablauf der Umsetzungsfrist dieser Richtlinie, d. h. ab dem 3. Dezember 2003, auf die zukünftigen Wirkungen einer in Rechtskraft erwachsenen Disziplinarentscheidung, die vor dem Inkrafttreten dieser Richtlinie erlassen wurde und mit der die Versetzung eines Beamten in den vorzeitigen Ruhestand unter Kürzung seiner Ruhebezüge angeordnet wurde, anwendbar ist.</span>
</p>
</td>
</tr>
</table>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top"> </td>
<td valign="top">
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tr>
<td valign="top">
<p class="count bold">
<span class="bold">2.</span>
</p>
</td>
<td valign="top">
<p class="normal">
<span class="bold">Die Richtlinie 2000/78 ist dahin auszulegen, dass sie in einer Situation wie der in Nr. 1 des Tenors des vorliegenden Urteils beschriebenen das nationale Gericht verpflichtet, für die Zeit ab dem 3. Dezember 2003 zwar nicht die bestandskräftige Disziplinarstrafe, mit der der betreffende Beamte in den vorzeitigen Ruhestand versetzt wurde, aber die Kürzung seiner Ruhebezüge zu überprüfen, um den Betrag zu ermitteln, den er erhalten hätte, wenn er nicht aufgrund der sexuellen Orientierung diskriminiert worden wäre.</span>
</p>
</td>
</tr>
</table>
</td>
</tr>
</table>
<table width="100%" border="0" cellspacing="0" cellpadding="0">
<col width="5%"/>
<col width="95%"/>
<tbody>
<tr>
<td> </td>
<td>
<div class="signaturecase">
<div class="signaturecaserow">
<div class="signatory3left">
<p class="normal">Lenaerts</p>
</div>
<div class="signatorycenter">
<p class="normal">Silva de Lapuerta</p>
</div>
<div class="signatory3right">
<p class="normal">Prechal</p>
</div>
</div>
<div class="signaturecaserow">
<div class="signatory3left">
<p class="normal">Vilaras</p>
</div>
<div class="signatorycenter">
<p class="normal">Regan</p>
</div>
<div class="signatory3right">
<p class="normal">von Danwitz</p>
</div>
</div>
<div class="signaturecaserow">
<div class="signatory3left">
<p class="normal">Jürimäe</p>
</div>
<div class="signatorycenter">
<p class="normal">Lycourgos</p>
</div>
<div class="signatory3right">
<p class="normal">Juhász</p>
</div>
</div>
<div class="signaturecaserow">
<div class="signatory2left">
<p class="normal">Ilešič</p>
</div>
<div class="signatory2right">
<p class="normal">Malenovský</p>
</div>
</div>
<div class="signaturecaserow">
<div class="signatory2left">
<p class="normal">Safjan</p>
</div>
<div class="signatory2right">
<p class="normal">Šváby</p>
</div>
</div>
<p class="normal">Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 15. Januar 2019.</p>
<div class="signaturecaserow">
<div class="signatory2left">
<p class="normal">Der Kanzler</p>
<p class="normal">A. Calot Escobar</p>
</div>
<div class="signatory2right">
<p class="normal">Der Präsident</p>
<p class="normal">K. Lenaerts</p>
</div>
</div>
</div>
</td>
</tr>
</tbody>
</table>
<hr class="note"/>
<p class="note">(<span class="note">
<a id="t-ECR_62017CJ0258_DE_01-E0001" href="#c-ECR_62017CJ0258_DE_01-E0001">*1</a>
</span>) Verfahrenssprache: Deutsch.</p>
|
171,261 | vg-koln-2019-01-15-7-k-573216 | {
"id": 844,
"name": "Verwaltungsgericht Köln",
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} | 7 K 5732/16 | 2019-01-15T00:00:00 | 2019-01-29T12:50:34 | 2019-02-12T13:44:30 | Urteil | ECLI:DE:VGK:2019:0115.7K5732.16.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p>Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.</p>
<p>Die Entscheidung ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong>Tatbestand</strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die am 00.00.1978 in Pawlodar (Kasachstan) geborene Klägerin ist russische Staatsangehörige und stellte am 07.11.2014 einen Antrag auf Aufnahme als Spätaussiedlerin und auf Einbeziehung ihres Ehemanns und ihrer zwei Kinder an das Bundesverwaltungsamt. Gleichzeitig stellten der Vater der Klägerin und ihre Schwester O.       einen Aufnahmeantrag.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Ausweislich der vorgelegten Geburtsurkunde vom 06.06.1978 ist sie die Tochter des russischen Volkszugehörigen Q.    E.       und der russischen Volkszugehörigen W.         E1.        . Sie gibt an, sie sei deutsche Volkszugehörige. In ihrem ersten Inlandspass sei die russische Nationalität eingetragen gewesen. In den vorgelegten Urkunden (Inlandspass, Heiratsurkunde, Geburtsurkunden der Kinder) fehlte eine Nationalitätsangabe. Die deutsche Sprache habe sie als Kind von ihrem Vater, Großvater und Onkel W1.        H.         gelernt. Der 1996 verstorbene Großvater väterlicherseits, Q.    Q1.        H1.        , sei ein Deutscher gewesen. Sie könne ein einfaches Gespräch führen. Ein am 16.06.2014 ausgestelltes B1-Zertifikat wurde dem Antrag beigefügt.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Im Verlauf des Verfahrens wurde eine am 20.11.2015 neu ausgestellte Geburtsurkunde der Klägerin vorgelegt, in der der Vater, Q.    Q1.        E.       , nunmehr als Deutscher eingetragen ist. Auf Anforderung der Beklagten übersandte die Klägerin ferner im Dezember 2015 neu ausgestellte Dokumente (Heiratsurkunde, Geburtsurkunden der Kinder), in denen die deutsche Nationalität der Klägerin eingetragen ist.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Mit Bescheid des Bundesverwaltungsamts vom 10.02.2016 wurde der Aufnahmeantrag abgelehnt. Gleichzeitig wurden auch die Aufnahmeanträge des Vaters und der Schwester O.       abgelehnt. In der Begründung wurde angegeben, die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass sie von deutschen Staatsangehörigen oder deutschen Volkszugehörigen abstamme. Insbesondere habe sie nicht belegt, dass der deutsche Volkszugehörigen Q.    Q1.        H1.        (1921 – 1996) ihr Großvater väterlicherseits sei. Zur Begründung wurde auf den Ablehnungsbescheid für den Vater Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Im Ablehnungsbescheid für den Vater, Q.    Q1.        E.       , wurde ausgeführt, dieser habe seine leibliche Abstammung von dem deutschen Volkszugehörigen Q.    Q1.        H1.        , nicht belegt. In der im Geburtsjahr ausgestellten Geburtsurkunde sei der Vater nicht eingetragen gewesen. Der gerichtliche Vaterschaftsfeststellungsbeschluss vom 18.02.2014 könne nicht als Abstammungsnachweis anerkannt werden, weil er lediglich auf Zeugenaussagen und einer Eintragung im Militärausweis des vermeintlichen Vaters beruhe, was nach deutschen Maßstäben nicht ausreichend sei. Auch habe Q.    Q1.        H1.        die Vaterschaft zu Lebzeiten, anders als im Fall des Sohnes W1.        , nie anerkannt.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Gegen den Ablehnungsbescheid im Verfahren der Klägerin wurde am 22.02.2016 durch ihren Prozessbevollmächtigten Widerspruch eingelegt. In der Widerspruchsbegründung wurde vorgetragen, der Vater der Klägerin habe gegen den Ablehnungsbescheid ebenfalls Widerspruch eingelegt und ein Abstammungsgutachten eingereicht. In diesem werde bestätigt, dass der Vater der Klägerin und sein Bruder X.        , der in Deutschland als Spätaussiedler anerkannt sei, Vollgeschwister seien. Damit sei auch die Vaterschaft des Q.    H1.        für den Vater der Klägerin nachgewiesen. Folglich sei Q.    H1.        der Großvater der Klägerin, sodass die deutsche Abstammung gegeben sei.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Mit Widerspruchsbescheiden vom 08.06.2016 wurden die Widersprüche der Klägerin, ihrer Schwester sowie ihres Vaters gegen die Ablehnung der Aufnahme zurückgewiesen. In der Begründung wurde ausgeführt, auch das vorgelegte Abstammungsgutachten könne die gemeinsame Abstammung der Brüder von Q.    Q1.        H1.        nicht beweisen. Denn diese seien einige Jahre vor der Eheschließung der Mutter mit Herrn H1.        im Jahr 1953 nicht ehelich geboren, sodass die Vaterschaft unklar sei.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Auch bei dem als Spätaussiedler anerkannten Bruder des Vaters, X.        H1.        , sei die Vaterschaft des Q.    H.         erst im Jahr 1990, und damit viele Jahre nach der Geburt,  in eine neu ausgestellte Geburtsurkunde eingetragen worden. Die Vaterschaft sei also auch hier zweifelhaft.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Am 01.07.2016 hat die Klägerin gegen den Widerspruchsbescheid Klage erhoben und zunächst die Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung beantragt. Auch im  Verfahren des Vaters und der Schwester wurde Klage erhoben (7 K 5671/16 und 7 K 5733/16).</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Zur Begründung wurde vorgetragen, die Abstammung der Klägerin von ihrem Großvater Q.    Q1.        H1.        sei durch das im Verfahren des Vaters vorgelegte Abstammungsgutachten eindeutig belegt. Die Beklagte könne die Vaterschaft des Q.    H1.        zu X.        H1.        nach dessen Anerkennung als Spätaussiedler nicht mehr in Frage stellen. In dessen Aufnahmeverfahren sei die Vaterschaft von Q.    H1.        bestandskräftig festgestellt worden. Im Übrigen habe Q.    H1.        noch zu Lebzeiten die Vaterschaft zu X.        H1.        offiziell anerkannt. Da der Vater der Klägerin und X.        H1.        Vollgeschwister seien, sei auch die Vaterschaft von Q.    H1.        zum Vater der Klägerin eindeutig nachgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Ergänzend werden Fotokopien von Abschriften von Anmeldungskarten vorgelegt, aus denen sich ergeben soll, dass die Großeltern der Klägerin sowie ihr Vater unter der gemeinsamen Adresse „0.N.    -Straße Haus 00, Wohnung 0“, in Karpinsk gemeldet waren und gemeinsam gelebt haben (Anlagen K9 – K11).</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin berichtigt den Klageantrag mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 16.06.2017 und beantragt nunmehr,</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesverwaltungsamts vom 10.02.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.06.2016 zu verpflichten, der Klägerin einen Aufnahmebescheid zu erteilen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">              die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Sie weist darauf hin, dass eine Klage auf Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung mangels Vorverfahren unzulässig und darüber hinaus unbegründet sei, da die Klägerin ihren Wohnsitz noch in den Aussiedlungsgebieten habe. Im Übrigen sei die Abstammung der Klägerin von Q.    H1.        auch durch die im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen nicht bewiesen worden.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten im vorliegenden Verfahren sowie in den Verfahren des Vaters 7 K 5671/16 (Q.    E.       ) und der Schwester O.       7 K 5733/16 (O.       T.     ) und die in diesen Verfahren vorgelegten Verwaltungsvorgänge und sonstigen Unterlagen Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">                                                        <strong>E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e</strong></p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid des Bundesverwaltungsamts vom 10.02.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.06.2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebescheides nach § 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Rechtsgrundlage für die Erteilung eines Aufnahmebescheides sind die §§ 26 und 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG in der zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts maßgeblichen Fassung des Gesetzes vom 20.11.2015 (BGBl. I S. 2010). Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG wird der Aufnahmebescheid auf Antrag Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten erteilt, die nach Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich des Gesetzes die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllen. Spätaussiedler kann nur ein deutscher Volkszugehöriger sein, § 4 Abs. 1 i.V.m. § 6 Abs. 2 BVFG.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Deutscher Volkszugehöriger ist nach § 6 Abs. 2 BVFG, wer von einem deutschen Staatsangehörigen oder deutschen Volkszugehörigen abstammt und sich bis zum Verlassen der Aussiedlungsgebiete durch eine entsprechende Nationalitätenerklärung oder auf andere Weise zum deutschen Volkstum bekannt oder nach dem Recht des Herkunftsstaates zur deutschen Nationalität gehört hat. Das Bekenntnis auf andere Weise kann auch durch einen Nachweis deutscher Sprachkenntnisse auf dem Niveau B1 oder durch familiär vermittelte Sprachkenntnisse erbracht werden. Es muss bestätigt werden durch den Nachweis der Fähigkeit, zum Zeitpunkt der verwaltungsbehördlichen Entscheidung über den Antrag zumindest ein einfaches Gespräch auf Deutsch führen zu können.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin erfüllt die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG nicht. Es fehlt an einem tragfähigen Nachweis der Abstammung von einem deutschen Volkszugehörigen. Da die Mutter der Klägerin russische Volkszugehörige ist, kann sie die Abstammung von einem deutschen Volkszugehörigen nur von ihrem Vater, Q.    Q1.        E.       herleiten.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Der Vater ist jedoch ebenfalls kein deutscher Volkszugehöriger. Das hat das erkennende Gericht mit Urteil vom heutigen Tag im Klageverfahren des Vaters auf Erteilung eines Aufnahmebescheides – 7 K 5671/16 – entschieden. Der im Jahr 1946 geborene Q.    Q1.        E.       konnte nämlich die gemäß § 6 Abs. 2 BVFG erforderliche Abstammung von einem deutschen Volkszugehörigen nicht nachweisen. Insbesondere kann die deutsche Volkszugehörigkeit nicht von Herrn Q.    Q1.        H1.        abgeleitet werden, der seit 1953 mit der Mutter von Herrn E.       , also der Großmutter der Klägerin verheiratet war. Die Beklagte hat die deutsche Volkszugehörigkeit von Herrn Q.    H1.        nicht in Zweifel gezogen. Die leibliche Abstammung des vor der Eheschließung im  1947 geborenen Vaters der Klägerin von Herrn Q.    H1.        ist aber nicht belegt. Somit konnte auch die Klägerin nicht nachweisen, dass Q.    H1.        ihr Großvater ist.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Das Gericht hat hierzu im Klageverfahren des Vaters mit Urteil vom 15.01.2019 – 7 K 5671/16 – das Folgende ausgeführt:</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">„Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass mit dem Tatbestandsmerkmal der Abstammung in § 6 Abs. 2 BVFG die biologische Abstammung gemeint ist,</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">vgl. BVerwG, Urteil vom 13.11.2003 – 5 C 40/03 – ; OVG NRW, Beschluss vom 04.08.2010 – 12 A 1840/09 - , Beschluss vom 12.05.2010 – 12 A 310/09 – Beschluss vom 23.01.2006 – 12 A 519/05 - , Beschluss vom 18.11.2005 – 12 E 838/05 – .</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die biologische Abstammung wird weder durch beweisgeeignete Urkunden nachgewiesen, noch kann sie auf der Grundlage von hinreichend aussagekräftigen Indizien festgestellt werden.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">In der vorgelegten beglaubigten Kopie der im Geburtsjahr ausgestellten Geburtsurkunde vom 09.04.1947 (Beiakte 4) wird der Kläger mit dem Nachnamen seiner Mutter „E.       “ geführt. Ein Vater ist nicht eingetragen.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Die Eintragung des vermeintlichen Vaters Q.    H1.        wurde auch nicht im zeitlichen Zusammenhang mit der Eheschließung im Jahr 1953 nachgeholt. Bis zu seinem Tod im Jahr 1996 hat Q.    H1.        die Vaterschaft nicht offiziell anerkannt. Der Umstand, dass Q.    H1.        im Jahr 1990 die Vaterschaft des jüngeren Sohnes X.        (geboren 1949), nicht aber die der älteren Kinder P.    (geboren 1945) und Q.    (geboren 1947) anerkannt hat, spricht klar gegen eine biologische Abstammung.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Auch wenn die Anerkennung von X.        im Jahr 1990 vermutlich im Hinblick auf einen beabsichtigten Aufnahmeantrag erfolgt ist, wie der Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung vorträgt, hätte es nahegelegen, die ungeklärte Vaterschaft auch für die Kinder P.    und Q.    aus diesem Anlass offiziell zu bestätigen. Soweit der Kläger sich darauf beruft, eine Anerkennung sei beabsichtigt gewesen, habe wegen des plötzlichen Todes des Vaters im Jahr 1996 aber nicht mehr erfolgen können, ist dies nicht überzeugend. Zwischen der Anerkennung von X.        (1990) und dem Tod von Q.    H1.        (1996) liegen 6 Jahre, also eine für ein Anerkennungsverfahren ausreichende Zeitspanne.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Die Vaterschaft von Q.    H1.        bezüglich des Klägers lässt sich auch nicht aus dem vorgelegten Abstammungsgutachten vom 14.03.2016 ableiten, in dem die Vollgeschwisterschaft von X.        H1.        und Q.    E.       festgestellt wird. Damit ist bewiesen, dass X.        H1.        und der Kläger dieselbe Mutter und denselben Vater haben. Aus dem Umstand, dass die Vaterschaft des Q.    H1.        zu X.        H.         anerkannt und standesamtlich festgestellt ist und im Aufnahmeverfahren des X.        H.         zugrunde gelegt wurde, lässt sich aber nicht der zwingende Schluss ziehen, dass die biologische Vaterschaft von Q.    H1.        zum anerkannten Bruder X.        H1.        feststeht.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Eine bestandskräftige Feststellung der Vaterschaft im Aufnahme- und Spätaussiedlerverfahren von X.        H1.        liegt nicht vor. Die Bestandskraft eines Verwaltungsakts erfasst nicht die einzelnen Tatbestandsmerkmale, die für den Erlass des Verwaltungsakts erforderlich sind, also Vorfragen wie die Abstammung von einem deutschen Volkszugehörigen. In Bestandskraft erwächst nur die Entscheidung selbst, also die Feststellung des Aufnahmeanspruchs und der Spätaussiedlereigenschaft,</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">              vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Aufl. 2015, § 43 Rn. 31.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Auch die Anerkennung der Vaterschaft durch Q.    H1.        für X.        H1.        im Jahr 1990 ist kein Beweis für die biologische Abstammung, sondern eine freiwillige Erklärung, die lediglich zu einer rechtlichen Vaterschaft führt, also zu einer Begründung von Rechten und Pflichten im Verhältnis von Vater und Kind. Sie ist allerdings ein starkes Indiz für eine biologische Abstammung, wenn sie im zeitlichen Zusammenhang mit der Geburt eines nicht-ehelichen Kindes erklärt wird. Diese Indizwirkung ist jedoch hier dadurch entkräftet, dass die Anerkennung 41 Jahre nach der Geburt für ein volljähriges Kind erfolgte und im Zusammenhang mit dem beabsichtigten Aufnahmeverfahren stand. Diese Umstände rechtfertigen die Annahme, dass die Anerkennung möglicherweise nur eine familiäre Gefälligkeit war, die eine Auswanderung ermöglichen sollte, aber keine eindeutigen Rückschlüsse auf eine leibliche Vaterschaft zulässt. Die Vaterschaftsanerkennung für den Bruder X.        schließt demnach nicht aus, dass beide von einem anderen Vater abstammen,</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">vgl. auch VG Köln, Urteil vom 18.04.2018 – 10 K 2454/16 – juris Rn. 24 - 27.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Die Abstammung des Klägers von Q.    H1.        ist auch nicht durch die nachträglich ausgestellte Geburtsurkunde vom 13.08.2014 belegt, in der Q.    H1.        als Vater des Klägers eingetragen ist. Diese Urkunde erbringt keinen Beweis für die biologische Abstammung, weil sie allein auf dem Vaterschaftsfeststellungsbeschluss des Tsentralny Bezirksgerichtes der Stadt Barnaul vom 18.02.2014 beruht.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Dieser Gerichtsbeschluss kann nicht als Nachweis der Vaterschaft anerkannt werden, weil geeignete Feststellungen über die biologische Abstammung nicht getroffen wurden,</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">vgl. auch VG Köln, Urteile vom 08.01.2018 – 7 K 9518/17 – juris, Rn. 19, 23, vom 20.02.2018 – 7 K 118/15 – juris, Rn. 51, vom 24.07.2018 – 7 K 16234/17 – juris Rn. 27, vom 10.08.2018 – 7 K 13452/17 – juris Rn. 20.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Zwar müssen auch in deutschen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren ausländische Entscheidungen in Kindschaftssachen ohne eine Rechtmäßigkeitsprüfung und ohne Durchführung eines besonderen Verfahrens anerkannt werden, § 108 Abs. 1 und § 109 Abs. 5 FamFG. Dies gilt jedoch nicht, wenn ein Anerkennungshindernis vorliegt, insbesondere wenn die Anerkennung der Entscheidung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts (sog. „ordre public“) offensichtlich unvereinbar ist, § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG,</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">vgl. VG Köln, Beschluss vom 17.10.2016 – 7 K 118/15 – ; OVG NRW, Urteil vom 14.07.2016 – 19 A 2/14 – juris Rn. 59 ff.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Das ist hier der Fall. Denn im deutschen Verfahren zur Vaterschaftsfeststellung ist der biologische Vater durch ein genetisches Vaterschaftsgutachten zu ermitteln, §§ 177, 178 FamFG. Nur wenn dies nicht möglich ist, kann auf die Vermutungsregel des § 1600 d Abs. 2 BGB zurückgegriffen werden, wonach als Vater vermutet wird, wer der Mutter im Empfängniszeitraum beigewohnt hat. Zur Beiwohnung im Empfängniszeitraum können die Mutter sowie der fragliche Vater als Zeugen vernommen werden; Zeugenaussagen Dritter vom Hörensagen sind allerdings nicht ausreichend,</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">vgl. VG Köln, Beschluss vom 17.10.2016 – 7 K 118/15 – unter Bezugnahme auf BGH, Beschluss vom 26.08.2009 – XII ZB 169/07 – juris, Rn.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Eine derartige Beweiserhebung hat das Gericht in Barnaul nicht durchgeführt. Ein genetisches Abstammungsgutachten oder eine Zeugenaussage der Eltern konnte nicht eingeholt werden, weil die Eltern im Zeitpunkt des Verfahrens bereits verstorben waren. Das Gericht hat die Vaterschaftsfeststellung daher ausschließlich auf der Grundlage von Angaben des Klägers und Zeugenaussagen seiner Ehefrau und seiner Töchter über das tatsächliche familiäre Zusammenleben der Eheleute E.       /H1.        mit den Kindern P.    , Q.    und X.        in der Zeit von 1943 bis 1996, von Familienfotos und aufgrund von Eintragungen in einem Militärausweis des vermeintlichen Vaters Q.    H1.        aus dem Jahr 1963 getroffen. Diese Indizien sind jedoch zur Feststellung der biologischen Vaterschaft nicht geeignet.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Es ist unstreitig, dass die Mutter des Klägers seit der Eheschließung im Jahr 1953 mit Q.    H1.        und mit den Kindern P.    , Q.    und X.        sowie dem Sohn aus erster Ehe B.        familiär zusammengelebt hat. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass Q.    H1.        auch der leibliche Vater der Kinder ist. Denn auch Stiefväter leben mit den Kindern der Ehefrau zusammen.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Es kann hier offen bleiben, ob in Fällen, in denen eine Beweiserhebung über die biologische Abstammung aufgrund des Todes der Eltern nicht mehr möglich ist, wegen der daraus resultierenden Beweisnot Beweiserleichterungen eingreifen, beispielsweise auch ein erwiesenes Zusammenleben im Zeitpunkt der Empfängnis als Indiz für die Vaterschaft ausreicht. Im vorliegenden Verfahren kann jedoch nicht belegt werden, dass die Mutter des Klägers im Jahr 1946 mit ihrem späteren Ehemann bereits zusammengelebt hat. Soweit der Kläger und seine Familienangehörigen dies bezeugen, hat dieses Zeugnis keine Aussagekraft, weil alle Personen erst nach 1946 geboren sind und daher aus eigener Erkenntnis keine Informationen über die Lebensverhältnisse im Jahr 1946 haben können.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Auch die Eintragungen der Kinder Q.    und X.        in der vorgelegten Personalkarte zum Militärausweis von Q.    H1.        , der im Jahr 1963 ausgestellt wurde, sind nicht geeignet, die biologische Abstammung zu belegen. Zum einen weist der Militärausweis äußere Anzeichen einer späteren Manipulation auf, da die Klebespuren, das Fehlen des Stempels auf dem Foto sowie das weiße Feld auf dem Foto auf ein nachträgliches Einkleben des Passbildes hindeuten. Auch stimmen die Nummer der Personalkarte (0000000) und die Nummer des Ausweises (0000000) nicht überein. Zum anderen wecken die Eintragungen auch inhaltlich Zweifel an der Authentizität. Es ist unklar, warum die „Söhne“ Q.    und X.        mit dem Familiennamen H.         eingetragen sind, obwohl beide im Jahr 1963 den Namen der Mutter „E.       “ geführt haben. Auch fehlt hier die angebliche Tochter P.    . Diese Ungereimtheiten konnten auch in der mündlichen Verhandlung durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht aufgeklärt werden.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Selbst wenn aber die Eintragungen tatsächlich auf einer Erklärung von Q.    H1.        zu seinen Familienangehörigen bei der Ausstellung der Personalkarte beruhen sollten, belegt diese nicht die biologische Abstammung, sondern lediglich den Umstand, dass Q.    H1.        mit den Kindern Q.    und X.        in einer Familie zusammenlebte und diese wie eigene Kinder erzogen und unterhalten hat. Die soziale Vaterrolle schließt aber nicht aus, dass es sich bei den Kindern um Kinder eines anderen biologischen Vaters handelte. Auch diese Erklärung erfolgte in einem großen zeitlichen Abstand zu der Geburt der Kinder (16 bzw. 14 Jahre) und ist auch nicht in einem offiziellen Vaterschaftsanerkennungsverfahren erfolgt. Ein eindeutiges Indiz für die biologische Vaterschaft ergibt sich daraus nicht.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Ein eheähnliches Zusammenleben von W2.    E.       und Q.    H1.        in der Zeit der Empfängnis im Jahr 1946 kann auch durch die im Widerspruchsverfahren vorgelegten Erklärungen der Nachbarn und der Familienangehörigen, die im Gerichtsverfahren eingereichten Anmeldungskarten und die übersandten Archivbescheinigungen nicht nachgewiesen werden. Die Aussagen der Zeugen U.      N.     , S.      U1.      und X.        H.         vom 20.01.2016 und vom 05.02.2016 sind als Beweismittel ungeeignet, weil die Zeugen im maßgeblichen Zeitraum im Jahr 1946 noch nicht geboren oder Kleinkinder waren. Der Nachbar W1.        D.        bestätigt ein Zusammenleben der Eheleute erst ab 1952.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Die Anmeldungskarten (Anlagen K9 und K10) weisen einen gemeinsamen Wohnsitz der Eheleute E.       /H1.        in der 0.N.    -Straße, Haus 00 in Karpinsk im Zeitraum 1968 bis 1973, möglicherweise auch ab 26.07.1956  in der M.----straße Haus 00 nach. Über den Wohnsitz im Zeitraum 1942 bis 1956 sagen die Karten nichts aus.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Die Archivbescheinigungen vom 14.02.1997, vorgelegt im Widerspruchsverfahren, und vom 19.05.2017, vorgelegt im Klageverfahren, enthalten ebenfalls keine Auskünfte über den Aufenthaltsort des vermeintlichen Vaters, Q.    H1.        , in der Zeit von 1942 bis 1950. Daraus ergibt sich lediglich, dass H.         im Mai 1941 in die Sowjetarmee einberufen wurde, im November 1942 in die Kohleindustrie verlegt wurde und 1944 in eine Sondersiedlung umgesiedelt wurde. 1948 erfolgte die Anmeldung in der Sondersiedlung. Von 1950 bis 1952 befand sich P. H.         in Strafhaft. Am 04.04.1952 wurde er aus der Strafhaft in die Sondersiedlung der Stadt Karpinsk entlassen. In welcher Sondersiedlung er sich ab 1942 befand, lässt sich den Bescheinigungen nicht entnehmen.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Soweit die Bescheinigung der Volksrepublik Donezk vom 19.05.2017 noch Angaben zu Familienmitgliedern enthält, die mit H1.        zusammengelebt haben sollen, sind auch diese als Beweis für die biologische Abstammung des Klägers ungeeignet. Sie sind auch als Indizien für eine eheähnliche Gemeinschaft im Jahr 1946 ungeeignet, weil sie keine Daten zum Zeitraum des Zusammenlebens enthalten und im Übrigen teilweise falsch sind. Beispielsweise ist B.        E.       , geb. 1938, der Sohn der Mutter des Klägers aus ihrer ersten Ehe, aber nachweislich nicht der Sohn von Q.    H1.        . Gleichzeitig fehlt in der Aufzählung der später anerkannte Sohn X.        .</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Auch aus der vorgelegten Bescheinigung des Standesamts der Stadt Karpinsk vom 26.04.2018 über die Eintragungen im Heiratsregister des Jahres 1953 lassen sich keine eindeutigen Aussagen über den biologischen Vater des Klägers entnehmen. Zwar wird über den Ehemann, Q.    H1.        , angeblich im Heiratsregister angegeben: „hat 3 Kinder, die erste Ehe“, für die Ehefrau, W2.    E1.        ; „hat 3 Kinder, erste Ehe“. Diese Angaben sind jedoch offensichtlich unzutreffend. Im Jahr 1953 war in den Geburtsurkunden der vorehelich geborenen Kinder P.    , Q.    und X.        ein Vater nicht angegeben. Demzufolge kann dieser auch nicht im  Geburtsregister verzeichnet sein und in das Heiratsregister übernommen worden sein. W2.    E1.        hatte hingegen 4 Kinder, nämlich zusätzlich einen Sohn aus erster Ehe, B.        E.       . Für sie war also die Ehe mit P. H1.        die zweite Ehe.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Ein Nachweis für die biologische Vaterschaft von Q.    H.         ergibt sich auch nicht aus den beigefügten Familienfotos, insbesondere aus dem Portraitfoto von Q.    H.         aus dem Jahr 1972 mit der rückseitigen Aufschrift „An meine lieben Kinder Q.    , X1.     , O1.       von ihrem Vater und Großvater“ und der Unterschrift „P H1.        “.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Selbst wenn man dem beigefügten unvollständigen Schriftgutachten vom 21.05.2018 (Beiakte 4; es fehlen die Fotos 1 und 2) entnehmen könnte, dass die Unterschrift tatsächlich von P. H1.        stammt, würde es sich lediglich um eine Erklärung handeln, die das tatsächliche Zusammenleben in der Familie widerspiegelt. Es ist nicht erkennbar, ob hierdurch nur die soziale Vaterrolle von P. H1.        zum Ausdruck kommt oder ob er von einer leiblichen Vaterschaft ausgeht.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Bei Würdigung aller vorgelegten Unterlagen ergibt sich, dass die Vaterschaft von Q.    Q2.           H1.        für den Kläger zwar nicht ausgeschlossen werden kann. Dafür sprechen die Vatersnamen der Geschwister Q.    Q2.           E.       und X.        Q2.           H1.        und das Zusammenleben der Kinder mit den Eheleuten W2.    E1.        /H1.        ab 1953.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Jedoch verbleiben durchgreifende Zweifel an der biologischen Vaterschaft der vorehelich geborenen Kinder, die auch durch die Anzeichen für nachträgliche Änderungen in den Militärausweisen der Brüder Q.    und X.        sowie die zahlreichen Ungereimtheiten in den vorgelegten Dokumenten gestützt werden. Nachweise für die biologische Abstammung oder eindeutige Indizien liegen nicht vor. Angeforderte Unterlagen, die weiteren Aufschluss über eine eheähnliche Gemeinschaft der Mutter des Klägers mit P. H1.        im Jahr 1946 hätten geben können, wie z.B. Nachweise über die Dauer der ersten Ehe mit J.    E.       oder über den Aufenthaltsort der Mutter ab 1942 in Form des Arbeitsbuches, konnten nicht vorgelegt werden.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Diese Zweifel gehen zu Lasten des beweisbelasteten Klägers, da es sich bei der Abstammung um eine anspruchsbegründende Tatsache handelt. Auch im Fall einer Beweisnot muss der Kläger durch einen vollständigen, schlüssigen Vortrag eine Überzeugung des erkennenden Gerichts von der Tatsache der biologischen Abstammung begründen,</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.12.1999 – 5 B 102.99 – juris, Rn. 6, OVG NRW, Urteil vom 08.04.2010 – 12 A 2782/07 – juris, rn. 71; VG Köln, Urteil vom 18.04.2018 – 10 K 2454/16 – juris Rn. 28.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Diese Überzeugung konnte im vorliegenden Verfahren nicht gewonnen werden.“</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Auf diese Ausführungen wird in vollem Umfang Bezug genommen. Fehlt es somit an der Abstammung der Klägerin von einem deutschen Volkszugehörigen, musste die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abgewiesen werden.</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks"><strong>Rechtsmittelbelehrung</strong></p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn</p>
<span class="absatzRechts">65</span><ul class="absatzLinks"><li><span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,</p>
</li>
<li><span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,</p>
</li>
<li><span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,</p>
</li>
<li><span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">4. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder</p>
</li>
<li><span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">5. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.</p>
</li>
</ul>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, schriftlich zu beantragen. Der Antrag auf Zulassung der Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">Statt in Schriftform kann die Einlegung des Antrags auf Zulassung der Berufung auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">Die Gründe, aus denen die Berufung zugelassen werden soll, sind innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils darzulegen. Die Begründung ist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">Vor dem Oberverwaltungsgericht und bei Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird, muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">Die Antragsschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks"><strong>Beschluss</strong></p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">Der Wert des Streitgegenstandes wird auf</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">5.000,00 €</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">festgesetzt.</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks"><strong>Gründe</strong></p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">Der festgesetzte Streitwert entspricht dem gesetzlichen Auffangstreitwert im Zeitpunkt der Klageerhebung (§ 52 Abs. 2 GKG).</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks"><strong>Rechtsmittelbelehrung</strong></p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">Gegen diesen Beschluss kann schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, Beschwerde bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln eingelegt werden.</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">Statt in Schriftform kann die Einlegung der Beschwerde auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, einzulegen. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.</p>
|
171,260 | vg-koln-2019-01-15-6-k-667618 | {
"id": 844,
"name": "Verwaltungsgericht Köln",
"slug": "vg-koln",
"city": 446,
"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 6 K 6676/18 | 2019-01-15T00:00:00 | 2019-01-29T12:50:34 | 2019-02-12T13:44:30 | Gerichtsbescheid | ECLI:DE:VGK:2019:0115.6K6676.18.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p>Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong>T a t b e s t a n d</strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger wendet sich gegen die Vollstreckung von Rundfunkbeiträgen.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 02.11.2015 ersuchte der Westdeutsche Rundfunk Köln die Beklagte um Vollstreckung von Rundfunkgebühren- bzw. -beitragsforderungen gegen den Kläger für den Zeitraum September 2009 bis November 2014 einschließlich Nebenforderungen in Höhe von insgesamt 1.258,74 Euro.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Unter dem 06.11.2015 kündigte die Beklagte dem Kläger die Vollstreckung dieses Betrages an.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Am 06.03.2018 erließ die Beklagte eine Pfändungs-, Überweisungs- und Einziehungsverfügung über einen Gesamtbetrag von 1.460,11 Euro. Die für den Kläger bestimmte und an ihn adressierte Ausfertigung der Pfändungsverfügung wurde am 14.03.2018 – nach Rücklauf der Urkunde über die Zustellung an die Drittschuldnerin – zur Post gegeben.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Den gegen die Pfändungs- und Überweisungsverfügung erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 06.04.2018, zugestellt am 07.04.2018, zurück.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Am 01.10.2018 hat der Kläger Klage erhoben und einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutzgestellt, den das Gericht mit Beschluss vom 29.10.2018 – 6 L 2228/18 – abgelehnt hat.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der Kläger trägt vor, die Vollstreckung sei rechtswidrig, weil ihm zuvor kein Leistungsbescheid zugestellt worden sei.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 20.11.2018 hat das Gericht den Kläger auf den Ablauf der Klagefrist hingewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 07.12.2018 hat das Gericht die Beteiligten zum Erlass eines Gerichtsbescheides angehört. Der Kläger hat die Annahme dieses Schreibens am 18.12.2018 verweigert.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt sinngemäß,</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">die Pfändungs-, Überweisungs- und Einziehungsverfügung vom 06.03.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.04.2018 aufzuheben.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Sie sieht die Klage bereits als verfristet und im Übrigen auch als unbegründet an, da die Vollstreckungsvoraussetzungen erfüllt seien.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens und des Verfahrens 6 L 2228/18 sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks"><strong>E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e</strong></p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist, § 84 Abs. 1 S. 1 VwGO. Die Beteiligten sind diesbezüglich zuvor angehört worden. Der Kläger konnte eine wirksame Zustellung des Anhörungsschreibens nicht durch Annahmeverweigerung verhindern, da gemäß § 56 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 179 S. 3 ZPO ein Schriftstück mit der Annahmeverweigerung als zugestellt gilt.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist bereits mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Das Erfordernis des allgemeinen Rechtsschutzinteresses soll verhindern, dass prozessuale Rechte missbraucht werden. Das Verbot des Rechtsmissbrauchs wiederum leitet sich aus dem Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben (vgl. § 242 BGB) ab. Dieser beherrscht die gesamte Rechtsordnung und verlangt die Ausübung von Rechten sowie die Erfüllung von Pflichten in einer Weise, auf die die andere Seite vertrauen können muss. Er verpflichtet zur Redlichkeit und zur Rücksichtnahme auf die schutzwürdigen Interessen anderer:</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">„Treu und Glauben gebietet ein Stehen zum gegebenen Wort, verlangt, dass man auch dann beim Zugesagten bleibt, wenn man hernach anderen Sinnes geworden ist; Treu und Glauben verpflichtet zu einem gesinnungsmäßig anständigen Verhalten im gegenseitigen Umgang, verbietet es, fremde Schwächen auszunutzen und den anderen zu täuschen; Treu und Glauben fordert eine Übereinstimmung der Rede mit der Überzeugung, verlangt eine Geradheit und Aufrichtigkeit des Wesens; Treu und Glauben will, dass man dem andern als sittlicher Person vertraut und glaubt, dass er sein Wort halten, dass er in anständiger Gesinnung handeln wird.“</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Baumann, Der Begriff von Treu und Glauben im öffentlichen Recht. Ein Beitrag zur Lehre von den obersten Rechtsgrundsätzen, Zürich 1952, S. 31.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die Rechtsprechung präzisiert diesen Grundsatz anhand von Funktionskreisen und Fallgruppen wie etwa dem allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Vgl. zum Rechtsschutzinteresse: VG Köln, Beschluss vom 23.05.2018 – 6 L 246/18 –, juris, Rz. 4 ff. m.w.N.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Ein Rechtsschutzbedürfnis fehlt demjenigen, der gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens (<em>venire contra factum proprium nemini licet</em>) verstößt, indem er ein Gericht um Rechtsschutz anruft, die Annahme von Schriftstücken dieses Gerichts jedoch verweigert. Wer dem Gericht den Rücken kehrt, ist dort nicht zu hören.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Im Übrigen ist die Klage auch deshalb unzulässig, weil sie verfristet erhoben wurde, § 74 Abs. 1 S. 1 VwGO.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks"><strong>Rechtsmittelbelehrung</strong></p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Gegen diesen Gerichtsbescheid können die Beteiligten innerhalb eines Monats nach Zustellung bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, schriftlich die Zulassung der Berufung beantragen. Über die Zulassung entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Statt in Schriftform kann die Einlegung des Antrags auf Zulassung der Berufung auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn</p>
<span class="absatzRechts">31</span><ul class="absatzLinks"><li><span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Gerichtsbescheids bestehen,</p>
</li>
<li><span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,</p>
</li>
<li><span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,</p>
</li>
<li><span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">4. der Gerichtsbescheid von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senate der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder</p>
</li>
<li><span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">5. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.</p>
</li>
</ul>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Der Antrag auf Zulassung der Berufung muss den angefochtenen Gerichtsbescheid bezeichnen. Die Gründe, aus denen die Berufung zugelassen werden soll, sind innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Gerichtsbescheides darzulegen. Die Begründung ist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Vor dem Oberverwaltungsgericht und bei Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird, muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Die Antragsschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Gegen diesen Gerichtsbescheid können die Beteiligten innerhalb eines Monats nach Zustellung schriftlich, zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, anstelle des Antrags auf Zulassung der Berufung mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht beantragen.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Die Antragsschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks"><strong>Beschluss</strong></p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Der Wert des Streitgegenstandes wird auf</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">1460,11 Euro</span></p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">festgesetzt.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks"><strong>Gründe</strong></p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Der festgesetzte Betrag entspricht der Höhe der streitigen Geldleistung (§ 52 Abs. 3 GKG).</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks"><strong>Rechtsmittelbelehrung</strong></p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Gegen diesen Beschluss kann schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle beim Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Statt in Schriftform kann die Einlegung der Beschwerde auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, einzulegen. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.</p>
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171,259 | vg-dusseldorf-2019-01-15-3-k-1479917 | {
"id": 842,
"name": "Verwaltungsgericht Düsseldorf",
"slug": "vg-dusseldorf",
"city": 413,
"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 3 K 14799/17 | 2019-01-15T00:00:00 | 2019-01-29T12:50:34 | 2019-02-12T13:44:29 | Urteil | ECLI:DE:VGD:2019:0115.3K14799.17.00 | <h2>Tenor</h2>
<p><strong>Die Klage wird abgewiesen.</strong></p>
<p><strong>Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der Beigeladenen.</strong></p>
<p><strong>Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.</strong></p>
<p><strong>Die Berufung wird zugelassen.</strong></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong>Tatbestand:</strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin betreibt auf der G.         -F.     Straße 63 in X.         eine Spielhalle. In einem Abstand von weniger als 350 Meter Luftlinie betreibt die Beigeladene auf der T.------straße 9 in X.         ebenfalls eine Spielhalle.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Nach dem in Nordrhein-Westfalen der Glücksspielstaatsvertrag rückwirkend am 1.7.2012 in Kraft getreten war, bedurfte es gemäß §§ 24 Abs. 1 GlüStV, 16 Abs. 2 AG GlüStV NRW unbeschadet sonstiger Genehmigungserfordernisse für die Errichtung und den Betrieb einer Spielhalle einer Erlaubnis nach dem Staatsvertrag. Nach §  25 Abs. 1 GlüStV ist zwischen Spielhallen ein Mindestabstand einzuhalten, wobei das Nähere Ausführungsbestimmungen der Länder regeln. § 16 Abs. 3 Satz 1 AG GlüStV NRW konkretisiert dies dahingehend, dass die Erteilung für die Erlaubnis einer Spielhalle, die in einem baulichen Verbund mit weiteren Spielhallen steht, ausgeschlossen ist und ein Mindestabstand von 350 Metern Luftlinie zu einer anderen Spielhalle nicht unterschritten werden solle.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">§ 29 Abs. 4 GlüStV enthält auszugsweise folgende Regelung:</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">„ (…)</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">(2) Spielhallen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Staatsvertrags bestehen und für die bis zum 28. Oktober 2011 eine Erlaubnis nach § 33 i Gewerbeordnung erteilt worden ist, deren Geltungsdauer nicht innerhalb von fünf Jahren nach Inkrafttreten dieses Vertrages endet, gelten bis zum Ablauf von fünf Jahren nach Inkrafttreten dieses Vertrags als mit §§ 24 und 25 vereinbar (…)</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">(4) Die für die Erteilung einer Erlaubnis nach § 24 zuständigen Behörden können nach Ablauf des in Satz 2 bestimmten Zeitraums eine Befreiung von der Erfüllung einzelner Anforderungen des § 24 Abs. 2 sowie § 25 für einen angemessenen Zeitraum zulassen, wenn dies zur Vermeidung unbilliger Härten erforderlich ist; hierbei sind der Zeitpunkt der Erteilung der Erlaubnis gemäß § 33 i Gewerbeordnung sowie die Ziele des § 1 zu berücksichtigen (…)“</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Sowohl die Spielhalle der Klägerin als auch die Spielhalle der Beigeladenen fielen unter die Übergangsvorschrift des § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV. Da die in dieser Vorschrift gewährte Übergangsfrist von fünf Jahren im Jahre 2017 ablief, schrieb die Beklagte die Betreiber der betreffenden Spielhallen an und forderte sie auf, die Anträge auf glückspielrechtliche Erlaubnisse bis zum 30.09.2016 einzureichen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Mit Bescheid vom 24.07.2017 erteilte die Beklagte der Beigeladenen eine Erlaubnis gemäß § 16 Abs. AG GlüStV NRW in Verbindung mit § 24 Abs. 1 GlüStV für die Errichtung und den Betrieb einer Spielhalle auf der T.------straße 9 in X.         befristet bis zum 30.06.2021. Die Erteilung der Erlaubnis erfolgte gemäß § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV unter der Befreiung der Einhaltung des Mindestabstandes von 350 Metern zu anderen Spielhallen, da dies zur Vermeidung einer unbilligen Härte erforderlich sei.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Der Bescheid wurde der Klägerin am 31.07.2017 zugestellt.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Mit ihrer fristgerecht erhobenen Klage macht die Klägerin geltend: Die Klage werde vorsorglich erhoben, um die Erfolgsaussichten des Antrages auf Erteilung der beantragten Erlaubnis nicht durch die der Beigeladenen erteilten Erlaubnis zu gefährden.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks"><strong>die der Beigeladenen erteilte Erlaubnis vom 24.07.2017 aufzuheben.</strong></p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks"><strong>die Klage abzuweisen.</strong></p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Sie verweist auf den Inhalt des dem angegriffenen Bescheides zugrundeliegenden Verwaltungsvorgangs.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Beigeladene beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks"><strong>die Klage abzuweisen.</strong></p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Mit Bescheid vom 15.08.2018 hat die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Erlaubnis zur Errichtung und zum Betrieb einer Spielhalle abgelehnt. Hiergegen richtet sich die ebenfalls bei der Kammer erhobene Klage 3 K 7638/18.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks"><strong>Entscheidungsgründe:</strong></p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die Klage hat keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Sie ist nicht zulässig. Der Klägerin fehlt die Befugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO, die der Beigeladenen erteilte glückspielrechtliche Erlaubnis für die Errichtung und den Betrieb einer Spielhalle befristet bis zum 30.06.2021 gemäß § 16 Abs. 2 AG GlüStV NRW in Verbindung mit §§ 24 Abs. 1 und 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV anzufechten.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Gemäß § 42 Abs. 2 VwGO muss ein Kläger geltend machen können, durch den angefochtenen Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines begehrten Verwaltungsakts in seinen Rechten verletzt zu sein. Diese sog. Klagebefugnis ist gegeben, wenn unter Zugrundelegung des Klagevorbringens eine Verletzung des geltend gemachten Rechts möglich erscheint. Daran fehlt es, wenn die vom Kläger geltend gemachte Rechtsposition offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise bestehen oder ihm zustehen kann,</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">st. Rspr. des BVerwG, vgl. etwa Urteile vom 13. Juli 1973 - 7 C 6.72 - BVerwGE 44, 1, 3, und vom 28. Februar 1997 - 1 C 29.95 - BVerwGE 104, 115, 118.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Ist der Kläger nicht selbst Adressat des angegriffenen Bescheides, sondern greift er vielmehr – wie hier – die einem anderen erteilte Genehmigung an,  ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger die Verletzung einer Vorschrift behauptet, die ihn als Dritten zu schützen bestimmt ist,</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">st. Rspr. des BVerwG, vgl. etwa  Urteile. v. 22.02.1994 – BVerwG 1 C 24.92 –, BVerwGE 95, 133,135 f., v. 06.04.2000 – BVerwG 3 C 6.99 –, GewArch 2001, 341 ff. u. v. 25.09.2008 – BVerwG 3 C 35.07 –, BVerwGE 132, 64, m.w.N.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die Entstehung eines solchen subjektiv-öffentlichen Rechts setzt dabei in personeller Hinsicht voraus, dass der Kläger Träger des normativ geschützten Interesses, also vom personellen Schutzzweck der Norm erfasst ist,</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">vgl. Wahl/Schütz, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand 06/2017, § 42 Abs. 2 Rn. 46.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Ein bloßer Rechtsreflex vermag indes ebenso wenig eine Rechtsposition bzw. eine Klagebefugnis zu begründen,</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 18.10.2010 - 1 S 2029/10 -, juris,</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">wie eine rein faktisch ermittelte Betroffenheit,</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">vgl. BayVGH, Beschluss vom 17.09.2015 - 10 CS 15.1435 - NVwZ-RR 2016, 48.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Hiernach ist die Klagebefugnis zu verneinen. Die Klägerin kann nicht geltend machen, die der Beigeladenen erteilte Erlaubnis verstoße gegen eine ihren Schutz bezweckende Norm.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Vorliegend ist der Beigeladenen die angefochtene Erlaubnis gemäß § 16 Abs. 2 AG GlüStV NRW in Verbindung mit § 24 Abs. 1 GlüStV erteilt worden. Diese Vorschriften sehen als solches eine Berücksichtigung von der Interessen anderer Spielhallenbetreiber oder sonstiger Konkurrenten nicht vor.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Dies gilt auch für den hier weiter zur Anwendung erlangten § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV. Nach dieser Vorschrift können die zuständigen Behörden nach Ablauf des in § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV bestimmten Zeitraums von fünf Jahren eine Befreiung von der Erfüllung einzelner Anforderungen des § 24 Abs. 2 sowie § 25 GlüStV für einen angemessenen Zeitraum zulassen, wenn dies zur Vermeidung unbilliger Härten zuzulassen ist; hierbei sind der Zeitpunkt der Erteilung der Erlaubnis gemäß § 33 i Gewerbeordnung sowie die Ziele des § 1 GlüStV zu berücksichtigen. Die Interessen anderer Spielhallenbetreiber sind hierbei nicht zu berücksichtigen.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Vielmehr sollen nach § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV nur atypische, vom Gesetzgeber nicht ausreichend berücksichtigte, besonders gelagerte Fallkonstellationen einer die widerstreiten Interessen abwägenden Einzelfallentscheidung zugeführt werden können. Einen solchen Ausnahmefall können besondere persönliche und wirtschaftliche Umstände bilden, aus denen eine zu kurzfristige Betriebsaufgabe aus von der Berufsfreiheit oder der Eigentumsfreiheit geschützten Gründen im Einzelfall unverhältnismäßig wäre. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber mit der fünfjährigen Übergangsfrist des § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV die regelmäßig eintretenden wirtschaftlichen Nachteile bei den Betreibern von Spielhallen erfassen und diesen innerhalb der großzügig bemessenen Übergangsfrist einen schonenden Übergang zu den strengeren Regelungen des Staatsvertrags und die Entwicklung alternativer Geschäftsmodelle ermöglichen wollte. Eine wirtschaftliche Sonderbelastung i. S. d. § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV kann von vornherein nur dann bejaht werden, wenn es dem betroffenen Spielhallenbetreiber trotz der fünfjährigen Übergangsfrist nicht gelungen ist, die ihn treffenden wirtschaftlichen Folgen der restriktiven Spielhallenregelungen ausnahmsweise trotz entsprechender Bemühungen hinreichend abzufedern.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Vgl. SächsOVG, Beschl. v. 5. Juni 2018 - 3 B 323/17 – und 08.08.2018 – 3 B 351/17 – juris.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Gerade die Entscheidung nach § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV orientiert sich damit neben den Schutzzielen des § 1 GlüStV nur an den Umständen des durch die Genehmigung Begünstigten. Eine Berücksichtigung der Interessen anderer Spielhallenbetreiber oder sonstiger Konkurrenten ist hier nicht vorgesehen,</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">ebenso VG Karlsruhe, Beschluss vom 17.01.2018 – 3 K 11163/17 -, juris.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Weiterhin steht der Klägerin auch nicht unter dem Gesichtspunkt der sog. Konkurrentenverdrängungsklage eine Klagebefugnis zu.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Allerdings ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Anfechtungsklage eines unterlegener Bewerber gegen die einem erfolgreichen Konkurrenten erteilte Genehmigung zulässig sein kann,</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 24.09.2013 – 7 MC 85/13 -, juris, zur Drittanfechtung im Marktzulassungsverfahren; Bay. VGH, Urteil vom 22.04.2013 – 22 BV 12.1722 -, juris, zur Anfechtung einer Bestellung zum Bezirksschornsteinfegermeister, und OVG NRW, Beschluss vom 17.12.2009 – 13 A 3109/08 -, juris, zur Anfechtung der Aufnahme eines Konkurrenten in einen Krankenhausplan.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Eine solche Konkurrentenverdrängungsklage wird aber nur für die Fälle als zulässig erachtet, in welchen der für den erfolgreichen Bewerber begünstigende Verwaltungsakt, also beispielsweise die ihm erteilte Genehmigung, für den unterlegenen Bewerber zwangsläufig gleichzeitig die Ablehnung der eigenen Bewerbung bedeute. In solchen Fällen stellt die Entscheidung zugunsten des erfolgreichen Konkurrenten gleichzeitig eine Entscheidung über den Bewerbungsverfahrensanspruch des unterlegenen Bewerbers dar. Letzterer hat dann die Möglichkeit, neben seinem Verpflichtungsbegehren den seinen Konkurrenten betreffenden begünstigenden Verwaltungsakt anzufechten, weil sein Begehren sonst mangels verfügbarer Kapazität regelmäßig keinen Erfolg haben kann,</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">vgl. OVG Lüneburg, a.a.O.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Dies setzt aber voraus, dass die den ausgewählten Bewerber begünstigende Bestellung in einem unmittelbaren rechtlichen Zusammenhang mit der Entscheidung über die Bewerberauswahl steht. Mit der Auswahl des einen Bewerbers geht dann zwangsläufig die Ablehnung des anderen Bewerbers einher,</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">vgl. Bay. VGH, a.a.O.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat der Beigeladenen die Genehmigung in Anwendung der Vorschrift des § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV erteilt. Eine solche Härtefallerlaubnis hindert die Beklagte nicht daran, der Klägerin im Rahmen der von ihr zu treffenden Auswahlentscheidung unter den verbliebenen Konkurrenten eine Spielhallenerlaubnis unabhängig von den Voraussetzungen des § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV zu erteilen, obwohl der Mindestabstand von 350 Metern von § 16 Abs. 3 Satz 1 AG GlüStV NRW zwischen den beiden Spielhallen unterschritten wird. Die unter Anwendung der Härtefallregelungen des  § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV erteilte Erlaubnis an einen Bewerber bewirkt bei den übrigen in einem Umkreis von 350 Metern liegenden Bewerbern um eine Spielhallenerlaubnis im Rahmen des Auswahlverfahrens nicht die Sperrwirkung des § 16 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 AG GlüStV NRW.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Nach § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV erteilte Erlaubnisse sind von der Beklagten bei der von ihr zu treffenden Auswahlentscheidung zwischen den übrigen Bewerbern um eine Spielhallenerlaubnis nicht zu berücksichtigen. Dies ergibt sich aus dem unterschiedlichen Wesen einer Spielhallenerlaubnis unter Anwendung der Vorschrift des § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV und einer Erlaubnis ohne Anwendung der Härtefallregelung, also einer Erlaubnis, bei der der Erlaubnisnehmer sich in einem vorrangegangenen Auswahlverfahren gegenüber seinen Konkurrenten durchgesetzt hat. Wie oben bereits ausgeführt, dient die Regelung des § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV allein dazu, Spielhallenbetreibern, die unter die Übergangsvorschrift des § 29 Abs. 2 Satz 2 GlüStV fielen, die dort gewährte Übergangsfrist von fünf Jahren zur Abwicklung des Betriebes angemessen zu verlängern, wenn dies zur Vermeidung unbilliger Härten erforderlich ist. Sie berücksichtigt Fälle, bei denen eine zu kurzfristige Betriebsaufgabe im Hinblick auf von der Berufsfreiheit oder der Eigentumsfreiheit geschützten Gründen im Einzelfall unverhältnismäßig wäre. Diese Vorschrift ist von vornherein nicht darauf gerichtet, dem Berechtigten eine dauerhafte oder jedenfalls langfristige Rechtsposition zu verschaffen. Ebenso wie § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV verschafft sie vielmehr nur die Möglichkeit, dass durch die gesetzliche Änderungen beeinträchtigte Vertrauensinteresse zu berücksichtigen und eine etwaige Betriebsaufgabe nicht zu kurzfristig ausfallen zu lassen. Anders verhält es sich dagegen bei den Erlaubnissen, die die Beklagte im Rahmen der Auswahlentscheidung unter den sich um eine Spielhallenerlaubnis ohne Anwendung der Härtefallregelung bewerbenden Konkurrenten treffen muss. Mit dieser Auswahlentscheidung nimmt die Beklagte eine Auswahlentscheidung unter Bewerbern vor, die nicht eine weitere, individuell unterschiedliche Frist zur Verlängerung einer ihnen bereits gewährten gesetzlichen Übergangsfrist begehren, sondern sich um die Erteilung einer dauerhaften, bzw. jedenfalls nicht durch individuelle Gründe des Vertrauensschutzes zeitlich limitierte Genehmigung bewerben. Bei der Auswahl unter diesen Bewerbern nimmt die Beklagte eine langfristige Neuordnung der Spielhallenstandorte in ihrem Gemeindegebiet vor, welche sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Vorgaben einschließlich der Abstandsgebote zu einen künftigen Zeitpunkt eingehalten werden. Unter Anwendung einer Übergangsregelung und damit notwendig temporärere und im Vergleich in der Regel eher kurzfristige Umstände sind bei dieser auf eine langfristige Neuordnung gerichtete Verteilung nicht berücksichtigungsfähig.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Eine andere Betrachtungsweise würde auch zu unbilligen Ergebnissen führen. Dies gilt insbesondere für die Fälle gelten, in denen zunächst ein Auswahlverfahren unter Bewerbern, welche zueinander den Mindestabstand nicht einhalten, durchgeführt und danach einem der unterlegenen Bewerber eine Härtefallerlaubnis erteilt wird. Würde hier die Sperrwirkung des § 16 Abs. 3 Satz 1 AG GlüStV NRW greifen, könnte die Erlaubnis dem erfolgreichen Bewerber nicht erteilt werden bzw. müsste diesem gegenüber widerrufen werden, obwohl er sich im Auswahlverfahren gegen den unterlegenen Bewerber durchgesetzt hat. Dieses Ergebnis wäre umso unbilliger, je kürzer die nach § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV gewährte Übergangsfrist wäre, und würde den Sinn des Auswahlverfahrens letztendlich insgesamt in Frage stellen.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Eine Klagebefugnis ist schließlich auch im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG zu verneinen. Der Schutz des Grundrechts der Berufsfreiheit ist einerseits umfassend angelegt, schützt aber andererseits nur vor solchen Beeinträchtigungen, die gerade auf die berufliche Tätigkeit bezogen sind. Der Schutzbereich ist daher nicht schon dann eröffnet, wenn eine Rechtsnorm, ihre Anwendung oder andere hoheitliche Maßnahmen unter bestimmten Umständen Rückwirkung auf die Berufsfreiheit entfalten. Die Berufsfreiheit ist aber dann berührt, wenn sich die Maßnahmen zwar nicht auf die Berufstätigkeit selbst beziehen, aber die Rahmenbedingungen der Berufsausübung verändern und infolge ihrer Gestaltung in einem so engen Zusammenhang mit der Ausübung des Berufs stehen, dass sie objektiv eine berufsregelnde Tendenz haben. Dabei ist der Grundrechtsschutz nicht auf Eingriffe im herkömmlichen Sinne beschränkt. Vielmehr kann der Abwehrgehalt auch bei faktischen oder mittelbaren Beeinträchtigungen betroffen sein, wenn diese in der Zielsetzung und in ihren Wirkungen Eingriffen gleichkommen. Durch die Wahl eines solchen funktionalen Äquivalents eines Eingriffs entfällt die Grundrechtsbindung nicht. An der für die Grundrechtsbindung maßgeblichen eingriffsgleichen Wirkung einer staatlichen Maßnahme fehlt es jedoch, wenn mittelbare Folgen ein bloßer Reflex einer nicht entsprechend ausgerichteten gesetzlichen Regelung sind,</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">vgl. BVerfG, Beschluss vom 31.08.2009 - 1 BvR 3275/07 - NVwZ 2009, 1486, und  Beschluss vom 14.10.2008 - 1 BvR 928/08 – juris.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Selbst wenn man die Erteilung der Härtefallerlaubnis an die Beigeladene als mittelbare Beeinträchtigung der Klägerin qualifizieren würde, käme diese in ihrer Zielsetzung und in ihrer Wirkung jedoch nicht einem Eingriff im herkömmlichen Sinne gleich,</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">ebenso VGH Baden-Württemberg,a.a.O.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Denn es ist jedenfalls nicht bereits die Erlaubniserteilung an die Beigeladene, die die Rahmenbedingungen der Berufsausübung der Klägerin verändern könnte, sondern es bedarf hierzu vielmehr weiterer Hoheitsakte wie die Ablehnung der Bewerbung der Klägerin, die Ablehnung einer Härtefallerlaubnis für die Klägerin und schließlich einer Untersagungs- und Schließungsverfügung hinsichtlich der Spielhalle der Klägerin.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Vor diesem Hintergrund lässt sich eine Klagebefugnis zugunsten der Klägerin auch nicht aus Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG sowie Art. 56 AEUV herleiten.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Es entspricht der Billigkeit, die Erstattungsfähigkeit der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen auszusprechen, weil sie sich mit der Antragstellung einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m.        § 709 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Die Berufung wird gemäß §§ 124a Abs. 1 in Verbindung mit  124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlichen Bedeutung zugelassen, weil die Rechtsstreitigkeit Fragen aufwirft, die aus Gründen der Rechtseinheit einer Klärung bedürfen.</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks"><strong>Rechtsmittelbelehrung:</strong></p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich Berufung eingelegt werden. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Die Berufung kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) eingelegt werden.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen.</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe).</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">Im Berufungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –).</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Die Berufungsschrift und die Berufungsbegründungsschrift sollen möglichst vierfach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks"><strong>Beschluss:</strong></p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks"><strong>Der Streitwert wird auf 15.000,-- Euro festgesetzt.</strong></p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks"><strong>Gründe:</strong></p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">Die Festsetzung des Streitwertes ist nach § 52 Abs. 1 GKG erfolgt.</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">Die Voraussetzungen für die Zulassung der Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwertes (§ 68 Abs. 1 Satz 2 GKG) liegen nicht vor.</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks"><strong>Rechtsmittelbelehrung:</strong></p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird.</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt.</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerdeschrift soll möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.</p>
|
171,258 | vg-koln-2019-01-15-7-k-92817 | {
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<p>Die Klagen werden abgewiesen.</p>
<p>Die Klägerin trägt die Kosten der Verfahren, für die Gerichtskosten nicht erhoben werden.</p>
<p>Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong>Tatbestand</strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der am 00.00.0000 geborene ledige Beigeladene ist italienischer Staatsangehöriger und seit Januar 1991 bei der Beklagten, einer kommunalen Gebietskörperschaft, als Hilfs- und Gartenarbeiter, seit 2001 als Friedhofspförtner beschäftigt. Wegen einer Sehbehinderung beider Augen ist er mit einem Grad von 50 als Schwerbehinderter anerkannt. Eine Berufsausbildung besitzt er nach eigenen Angaben nicht. Aufgrund des geltenden Tarifvertrages ist der Beigeladene nicht ordentlich kündbar.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Wegen eines Vorfalls am 15.09.2015, bei dem der Beigeladene 2,00 Euro als Trinkgeld für die Kaffeekasse der Pförtner von einer Friedhofsbesucherin annahm,  beantragte die Klägerin am 02.12.2015 die Zustimmung des Integrationsamts des Beklagten zu einer außerordentlichen fristlosen Verdachtskündigung (7 K 928/17) sowie zu einer außerordentlichen Verdachtskündigung mit sozialer Auslauffrist (7 K 1162/17).</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">In den „Richtlinien für das Verbot der Annahme von Vergünstigungen bei der Stadt Köln“ heißt es u.a.:</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">„Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadt .... dürfen in Bezug auf ihr Amt, ihr Dienst- oder Arbeitsverhältnis keine Belohnungen oder Geschenke fordern, sich versprechen lassen oder annehmen. ...Belohnungen und Geschenke sind alle Zuwendungen wirtschaftlicher oder nicht-wirtschaftlicher Art, auf die kein Rechtsanspruch besteht (Vorteil). ...</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Ein Vorteil kann zum Beispiel liegen in der Zahlung von Geld (auch Trinkgelder z.B. aus Dank für geleistete oder zu leistende Diensthandlungen, für die „Kaffeekasse“, Provisionen usw.). ...</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Auf den Wert der Belohnung oder des Geschenks kommt es grundsätzlich nicht an. ... Die Annahme von Bargeld ist immer verboten. ...</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Ein Verstoß gegen das Verbot der Annahme von Belohnungen und Geschenken kann dienst- bzw. arbeitsrechtliche, disziplinarrechtliche und strafrechtliche Folgen nebeneinander nach sich ziehen. ...</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Vorgesetzte, die ihrer Verpflichtung zur Dienst- und Fachaufsicht nicht nachkommen oder entgegen den dargestellten Regelungen die Annahme von Vergünstigungen dulden oder erlauben, begehen ebenfalls ein Dienstvergehen bzw. einen Verstoß gegen ihre arbeitsrechtlichen Pflichten. ...“</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Diese Richtlinie wurde dem Beigeladenen am 16.02.2001 sowie am 30.07.2015 gegen Empfangsbescheinigung ausgehändigt. Anlass für die erneute Übergabe der Richtlinie im Juli 2015 war eine anonyme, telefonische Beschwerde einer Friedhofsbesucherin wegen der Zulassung von Autofahrten auf dem A.friedhof der Stadt Köln gegen Trinkgeld. Bei seiner Anhörung am 30.07.2015 wies der Beigeladene den Vorwurf zurück.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Am 15.09.2015 nahm der Beigeladene im Bereich der Pforte des A.friedhofs im Beisein seines Vorgesetzten, Herrn A.     , sowie eines weiteren Pförtners ein Trinkgeld in Höhe von 2,00 Euro von der Beifahrerin eines Autos, das gerade den Friedhof verließ, durch das geöffnete Autofenster an. Herr A.     meldete den Vorfall sodann der Verwaltungsleitung des für die Friedhöfe zuständigen Amts für Landschaftspflege und Grünflächen. Der Beigeladene informierte am 16.09.2015 den nächsthöheren Vorgesetzten, Herrn X.       , der ihm riet, das Geld mit einer entsprechenden Stellungnahme an ihn abzugeben, um es dann selbst an die Stadtkasse weiterzuleiten.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Am 05.10.2015 fand im Amt für Landschaftspflege und Grünflächen eine Anhörung des Beigeladenen sowie des Vorgesetzten A.     zu dem Vorfall statt. Bei der Anhörung gab es unterschiedliche Aussagen des Beigeladenen und des Vorgesetzten zum konkreten Ablauf. Der Beigeladene erklärte, er habe die Friedhofsbesucherin zunächst darauf hingewiesen, dass er das Geld nicht annehmen dürfe. Erst nachdem der anwesende Vorgesetzte A.     ihm die Annahme des Geldes durch die Bemerkung „Mach‘ schon“ oder „Kannst du machen“ erlaubt habe, habe er das Geldstück entgegengenommen. Der Vorgesetzte A.     erklärte demgegenüber, seine Aussage „Mach‘ schon“ habe sich nicht auf die Annahme des Geldes, sondern auf die Beendigung des Gesprächs mit der Beifahrerin bezogen. Der Beigeladene habe vielmehr schon vor seiner Ankunft an der Pforte mit dem Fahrrad die Hand nach dem Geld ausgestreckt gehabt und habe erst bei seinem Anblick gezögert. Beiden Mitarbeitern wurde bei dem Gespräch mitgeteilt, dass der Vorfall zur Prüfung arbeitsrechtlicher Schritte an die Personalstelle weitergeleitet werde. Bei dieser Gelegenheit gab der Beigeladene das Geld sowie eine gleichlautende schriftliche Stellungnahme an die anwesenden Mitarbeiter des Grünflächenamtes ab.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 14.10.2015, das bei dem Amt für Personal, Organisation und Innovation, am 23.10.2015 einging, informierte das Grünflächenamt die kündigungsberechtigte Stelle der Klägerin über den Vorfall und übersandte das Protokoll vom 05.10.2015 sowie die schriftliche Stellungnahme des Beigeladenen. Das Personalamt (Sachgebiet Personal- und Disziplinarrecht) bat das Grünflächenamt mit e-mail vom 26.10.2015 um weitere Informationen zum Vorfall, insbesondere zu den hierarchischen Verhältnissen, vorangegangenen Informationen über das Verbot der Annahme von Vergünstigungen sowie zu eventuellen früheren Vorfällen. Diese Informationen wurden am 29.10.2015 durch die Dienststelle übermittelt.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Daraufhin wurde der Beigeladene mit Schreiben des Personalamts vom 30.10.2015 zu einer Anhörung am 04.11.2015 eingeladen. Mit Telefax vom 03.11.2015 legte der Prozessbevollmächtigte des Beigeladenen ein ärztliches Attest über eine Arbeitsunfähigkeit des Beigeladenen bis zum 13.11.2015 vor und bat um eine Verlegung des Termins auf einen Zeitpunkt nach dem 16.11.2016. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass der Prozessbevollmächtigte an dem Termin teilnehmen werde und regte eine Terminvereinbarung über sein Büro an. Seit dem 16.11.2016 war der Beigeladene zwar arbeitsfähig, aber wegen einer vorausgegangenen Kündigung in einer anderen Angelegenheit (rassistische Meinungsäußerung in einem privaten Facebook-Account) nicht im Dienst. Nach mehrmaliger telefonischer Rücksprache mit der Kanzlei des Rechtsanwaltes wurde schließlich ein Termin für die Anhörung am 23.11.2015 vereinbart. Diese Anhörung fand wie vereinbart statt.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Am 02.12.2015 gingen beim Integrationsamt des Beklagten die Anträge der Klägerin auf Zustimmung zur außerordentlichen fristlosen Kündigung und auf Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist ein, die beide mit dem Verdacht der Korruption aufgrund des Vorfalls vom 15.09.2015 begründet wurden. Ergänzend wurde ausgeführt, das Vertrauen in die Redlichkeit des Beigeladenen sei durch einen bewussten Verstoß gegen das dienstliche Verbot der Annahme von Trinkgeldern nachhaltig gestört. Diese Pflichtverletzung sei so schwerwiegend, dass vor Ausspruch der Kündigung eine Abmahnung entbehrlich sei.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Mit Bescheiden des Integrationsamts vom 04.12.2015 wurde die Erteilung der Zustimmung zur außerordentlichen fristlosen Kündigung (AZ:                                 ) und zur außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist (AZ:                 ) gemäß § 91 SGB IX abgelehnt. In der Begründung wurde ausgeführt, die Klägerin habe die Frist des § 91 Abs. 2 SGB IX versäumt. Nach dieser Bestimmung könne die Zustimmung zur Kündigung nur innerhalb von 2 Wochen beantragt werden, nachdem der Arbeitgeber von den für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen Kenntnis erlangt habe. Der maßgebliche Sachverhalt sei der zuständigen kündigungsberechtigten Stelle spätestens am 29.10.2015 bekannt geworden. Zu diesem Zeitpunkt habe somit der Lauf der 2-Wochen-Frist für die Antragstellung begonnen. Eine Anhörung des Beigeladenen sei entbehrlich gewesen, weil dieser bereits am 05.10.2015 eine Stellungnahme abgegeben und mit der Rückzahlung des Geldes den Vorfall eingeräumt habe. Der Antrag der Klägerin auf Zustimmung zur Kündigung sei jedoch erst am 02.12.2015, und somit nach Ablauf der 2-Wochen-Frist bei dem Beklagten eingegangen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin legte gegen die am 14.12.2015 eingegangenen Bescheide am 13.01.2016 Widerspruch ein. Zur Begründung trug sie vor, die zweiwöchige Antragsfrist sei nicht versäumt worden. Der Lauf der Frist habe erst mit der Anhörung des Beigeladenen durch die kündigungsberechtigte Stelle, das Amt für Personal, am 23.11.2015 begonnen. Für die beabsichtigte  Verdachtskündigung sei eine Anhörung des Betroffenen durch die kündigungsberechtigte Stelle zwingende Voraussetzung. Das Gespräch in der Dienststelle am 05.10.2015 habe diese Anhörung nicht ersetzen können. Bei einer Kündigung, die sich auf eine Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zwischen den Arbeitsvertragsparteien stütze, sei eine Möglichkeit der Erklärung gegenüber dem Arbeitgeber unumgänglich. Dies sei auch aufgrund der besonderen Fürsorge- und Rücksichtnahmepflicht des öffentlichen Arbeitgebers geboten. Die vorherige Aussage des Beigeladenen habe die Vorteilsannahme nicht endgültig nachweisen können, da sie im Widerspruch zur Aussage des Vorgesetzten gestanden habe.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Außerdem sei das Integrationsamt nicht berechtigt, die Wirksamkeit der Kündigung zu prüfen. Es dürfe die Zustimmung nur in Ausnahmefällen ablehnen. Ein Ausnahmefall sei hier nicht gegeben, da die Kündigung nicht in Zusammenhang mit der Schwerbehinderung des Beigeladenen stehe. Auch sei die Kündigung nicht offensichtlich unwirksam.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte holte mit Schreiben vom 21.01.2016 Stellungnahmen der Gesamtschwerbehindertenvertretung sowie des Personalrates der Klägerin ein.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Durch Widerspruchsbescheide vom 21.12.2016 wies der beim Beklagten eingerichtete Widerspruchsausschuss den Widerspruch gegen die Ablehnung der Zustimmung zu beiden beabsichtigten Kündigungen zurück. In der Begründung wurde daran festgehalten, dass der Antrag auf Zustimmung zur Kündigung nicht fristgerecht gestellt worden sei. Die zweiwöchige Frist für die Antragstellung habe spätestens am 29.10.2015 begonnen. Selbst wenn noch eine Anhörung des Beigeladenen zu den Vorwürfen notwendig gewesen sein sollte, habe die Klägerin die Frist versäumt, weil sie das Anhörungsverfahren nicht mit der gebotenen Eile betrieben habe. Eine derartige Anhörung sei nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in der Regel innerhalb einer Woche durchzuführen. Die Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hemme nicht den Lauf der Frist. Die Klägerin hätte sich durch eine Nachfrage vergewissern müssen, dass der Beigeladene durch die bescheinigte Erkrankung tatsächlich an der Teilnahme an der Anhörung oder an einer schriftlichen Stellungnahme gehindert gewesen sei. Jedenfalls sei die einwöchige Frist für die  Anhörung unter Berücksichtigung der Hemmungswirkung durch die Erkrankung nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit am 16.11.2015 abgelaufen, mit der Folge, dass die zweiwöchige Ausschlussfrist am 17.11.2015 zu laufen begonnen habe und am 01.12.2015 abgelaufen sei. Der am 02.12.2015 eingegangene Zustimmungsantrag sei daher verspätet. Die Widerspruchsbescheide wurde der Klägerin am 27.12.2016 zugestellt.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Hiergegen hat diese am 24.01.2017 Klage erhoben (7 K 928/17 und 7 K 1162/17). Sie ist der Auffassung, die Zustimmung zur Kündigung sei zu erteilen, da diese nicht im Zusammenhang mit der Schwerbehinderung stehe. Der Antrag sei auch nicht gemäß § 91 Abs. 2 SGB IX verfristet. Bei einer Verdachtskündigung sei eine vorherige Anhörung des Arbeitnehmers durch die kündigungsberechtigte Stelle zwingend erforderlich. Erst mit der Anhörung des Beigeladenen am 23.11.2015 seien daher die maßgeblichen Tatsachen für eine Verdachtskündigung der kündigungsberechtigten Stelle bekannt gewesen, sodass die Antragstellung am 02.12.2015 fristgerecht erfolgt sei.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Eine vorherige Anhörung sei nicht entbehrlich gewesen. Eine Kündigung wäre auch nicht evident unwirksam gewesen. Zur Begründung wiederholt die Klägerin im Wesentlichen den Vortrag aus dem Widerspruchverfahren.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Ergänzend trägt sie vor, die Klägerin habe die Genesung des Beigeladenen abwarten dürfen, bevor sie die Anhörung durchgeführt habe. Im Fall einer Erkrankung des Arbeitnehmers dürfe der Arbeitgeber nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Gesundung abwarten, um diesem eine Stellungnahme zu den Vorwürfen zu ermöglichen. In diesem Fall lägen besondere Umstände vor, auf Grund derer der Beginn der Frist des § 626 Abs. 2 BGB entsprechend lange hinausgeschoben werde. Insbesondere, wenn der Arbeitnehmer selbst um eine Fristverlängerung gebeten habe, könne dem Arbeitgeber regelmäßig nicht der Vorwurf gemacht werden, er habe keine hinreichend eilige Aufklärung betrieben. Denn dies diene nicht zuletzt dem Interesse des Arbeitnehmers an der Vermeidung einer vorschnell, ohne Rücksicht auf mögliche Entlastungen erklärten Kündigung.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">den Beklagten unter Aufhebung der Bescheide vom 04.12.2015 (                ) und      in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 21.12.2016 zu verpflichten, die Zustimmung zur außerordentlichen fristlosen Kündigung des Beigeladenen und zur außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist zu erteilen.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">              die Klagen abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Er hält an seiner Rechtsauffassung fest, dass die Anträge auf Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung verfristet seien.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Der Beigeladene stellt keinen Antrag.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Er schließt sich den Ausführungen des Beklagten an, dass der Zustimmungsantrag verspätet eingegangen sei. Die Klägerin habe bereits durch die ausführliche Niederschrift über die Anhörung am 05.10.2015 und die beigefügte schriftliche Stellungnahme des Beigeladenen eine umfängliche Kenntnis der Tatsachen erlangt, die für die beabsichtigte Kündigung erforderlich gewesen seien. Damit habe der Fristlauf bereits mit Eingang dieser Unterlagen beim Personalamt am 23.10.2015 begonnen und sei somit deutlich vor dem Antragseingang abgelaufen. Außerdem lägen ohnehin keine Gründe für eine außerordentliche Kündigung mit oder ohne soziale Auslauffrist vor.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten der Verfahren 7 K 928/17 und 7 K 1162/17 sowie auf die von dem Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">                                                        <strong>E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e</strong></p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Die Klagen sind zulässig, aber unbegründet. Die Bescheide des Integrationsamts vom 04.12.2015 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 21.12.2016 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung der Zustimmung zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung des Beigeladenen oder zu einer außerordentlichen Kündigung des Beigeladenen mit sozialer Auslauffrist.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Entscheidung des Integrationsamts über die Zustimmung zur Kündigung eines schwerbehinderten Menschen ist im Fall der Verpflichtungsklage auf Erteilung einer abgelehnten Zustimmung der Zeitpunkt der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides, hier also der 27.12.2016,</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">              vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.01.1993 – 5 B 80/92 – juris Rn. 2.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Die Rechtmäßigkeit der Ablehnungsbescheide richtet sich also nach den §§ 85 ff. SGB IX in der seinerzeit gültigen Fassung vom 19.06.2001 (BGBl. I S. 1046), im Folgenden SGB IX a.F.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Gemäß § 85 SGB IX a.F.  bedarf die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen der vorherigen Zustimmung des Integrationsamts. Dies gilt gemäß § 91 Abs. 1 SGB IX a.F. auch für die außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist § 91 SGB IX a.F. nicht nur für die außerordentliche fristlose Kündigung, sondern auch für die außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist anwendbar,</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">              vgl. BAG, Urteil vom 22.10.2015 – 2 AZR 381/14 – juris, Rn. 30 ff.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Nach § 91 Abs. 2 SGB IX a.F. kann die Zustimmung zur Kündigung nur innerhalb von 2 Wochen beantragt werden; maßgebend ist der Eingang des Antrages beim Integrationsamt. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt, § 91 Abs. 2 Satz 2 SGB IX. Ist die Frist versäumt, lehnt das Integrationsamt den Antrag ohne weitere Sachprüfung als unzulässig ab, mit der Folge, dass der Arbeitgeber sein Recht zur außerordentlichen Kündigung endgültig verliert,</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">              vgl. BVerwG, Beschluss vom 02.05.1996 – 5 B 186/95 – juris Rn. 2; Verwal-              tungsgericht des Saarlandes, Urteil vom 30.04.2015 – 3 K 860/14 – juris Rn. 30.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Da § 91 Abs. 2 Satz 2 SGB IX a.F. der Vorschrift des § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB über den Beginn der zweiwöchigen Kündigungsfrist bei einer Kündigung aus wichtigen Grund nachgebildet ist, gelten für die Beurteilung der Frage, wann der Arbeitgeber die maßgebenden Kenntnisse erlangt hat, dieselben Erwägungen und Grundsätze, die bei der Einhaltung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu beachten sind,</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">              vgl. BVerwG, Beschluss vom 02.05.1996 – 5 B 186/95 – juris Rn. 2; Verwal-              tungsgericht des Saarlandes, Urteil vom 30.04.2015 – 3 K 860/14 – juris Rn. 31.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Kenntniserlangung bedeutet nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, dass der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige Kenntnis vom Kündigungssachverhalt hat, die ihm die Entscheidung ermöglicht, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist oder nicht. Deswegen gehören bei der Arbeitgeberkündigung auch die für den Arbeitnehmer und gegen eine Kündigung sprechenden Gesichtspunkte zum Kündigungssachverhalt, die regelmäßig ohne eine Anhörung des Arbeitnehmers nicht hinreichend vollständig erfasst werden können. Insbesondere bei einer Verdachtskündigung ist eine vorherige Anhörung des Arbeitnehmers erforderlich, weil es sich um eine Wirksamkeitsvoraussetzung der Kündigung handelt,</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">              vgl. BAG, Urteil vom 20.03.2014 – 2 AZR 1037/12 – juris Rn. 14 und 23.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Diese Anhörung wirkt allerdings nur dann fristhemmend, wenn sie innerhalb kurzer Zeit, die im allgemeinen nicht über eine Woche hinausgehen darf, stattfindet, nachdem der Arbeitgeber den Vorgang kennt, der zur außerordentlichen Kündigung führen könnte. Daran muss sich der Arbeitgeber insbesondere dann halten, wenn es um eine zweite Anhörung geht. Auf die Frage, ob die – zweite – Anhörung tatsächlich zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhaltes geführt hat, kommt es nicht entscheidend an,</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">vgl. BAG, Urteile vom 06.07.19721 – 2 AZR 386/71 – juris und vom 12.02.1973 – 2 AZR 116/72 – juris Rn. 23 und 29, vom 20.03.2014 – 2 AZR 1037/12 – juris Rn. 14.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Liegen besondere Umstände vor, darf die Wochenfrist für die Durchführung der Anhörung auch überschritten werden. Wartet der Arbeitgeber die Gesundung eines Arbeitsnehmers ab, der sich wegen einer Erkrankung nicht, auch nicht schriftlich äußern kann, liegen in der Regel hinreichende Umstände für einen Aufschub des Fristbeginns vor. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitnehmer selbst um eine Fristverlängerung gebeten hat,</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">vgl. BAG, Urteile vom 02.03.2006 – 2 AZR 46/05 – juris Rn. 24, vom 20.03.2014 – 2 AZR 1037/12 – juris Rn. 14 und 27.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Solange der Kündigungsberechtigte die zur Aufklärung des Sachverhalts nach pflichtgemäßem Ermessen notwendig erscheinenden Maßnahmen zügig durchführt, kann die Ausschlussfrist nicht beginnen. Die Frist ist allerdings nur solange gehemmt, wie der Kündigungsberechtigte aus verständigen Gründen mit der gebotenen Eile noch Ermittlungen anstellt, die ihm eine umfassende und zuverlässige Kenntnis des Kündigungssachverhalts verschaffen sollen. Außerdem gehört es zu den vom Kündigungsberechtigten zu ergründenden maßgeblichen Umständen, mögliche Beweismittel für eine ermittelte Pflichtverletzung zu beschaffen und zu sichern. Für weitere Ermittlungen besteht allerdings kein Anlass mehr, wenn der Sachverhalt bereits geklärt ist oder der Gekündigte ihn sogar zugestanden hat,</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">              vgl. BAG, Urteil vom 01.02.2007 – 2 AZR 333/06 – juris Rn. 19.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Für die Einhaltung der Frist ist der Kündigungsberechtigte darlegungs- und beweispflichtig. Er muss die Umstände schildern, aus denen sich ergibt, wann und wodurch er von den maßgebenden Tatsachen erfahren hat. Hat der Kündigungsberechtigte noch Ermittlungen durchgeführt, muss er hierzu weiter darlegen, welche Tatsachenbehauptungen unklar und daher ermittlungsbedürftig waren und welche – aus damaliger Sicht – erforderlichen weiteren Ermittlungen er zur Klärung der Zweifel angestellt hat,</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">              vgl. BAG, Urteil vom 01.02.2007 – 2 AZR 333/06 – juris Rn. 21 ff.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der Auffassung des Beklagten zuzustimmen, dass der Lauf der 2-Wochen-Frist des § 91 Abs. 2 Satz 2 SGB IX a.F. bereits am 29.10.2015 begann und die Frist daher bei Stellung der Zustimmungsanträge am 02.12.2015 bereits abgelaufen war.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Zur Begründung wird gemäß § 117 Abs. 5 VwGO auf die Begründung der angefochtenen Bescheide des Integrationsamts Bezug genommen. Ergänzend wird ausgeführt, dass der kündigungsberechtigten Stelle der Klägerin, dem Amt für Personal, Organisation und Innovation (im Folgenden: Personalamt), am 29.10.2015 alle Informationen vorlagen, die für die Beurteilung der Zumutbarkeit einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderlich waren.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Das Personalamt hatte das Protokoll der ausführlichen Anhörung des Beigeladenen sowie des Vorgesetzten A.     vom 05.10.2015 sowie die beigefügte schriftliche Stellungnahme des Beigeladenen ohne Datum und damit die Kenntnis über die am 15.09.2015 erfolgte Annahme des Trinkgeldes am 23.10.2015 erhalten. Die weiteren Ermittlungen des Sachgebietes Personal- und Disziplinarrecht, die mit e-mail vom 26.10.2015 an die Beschäftigungsdienststelle, das Amt für Landschaftspflege und Grünflächen (im Folgenden: Grünflächenamt) durchgeführt wurden, waren nach pflichtgemäßem Ermessen zur Beurteilung des Ausmaßes und der Schwere des Pflichtverstoßes erforderlich und hemmten daher den Beginn der 2-Wochenfrist. Mit e-mail vom 29.10.2015 übermittelte das Grünflächenamt die angeforderten Informationen. Es schilderte den Vorfall nochmals in Übereinstimmung mit dem Anhörungsprotokoll vom 05.10.2015, erklärte, dass dem Beigeladenen die „Richtlinien über das Verbot der Annahme von Vergünstigungen“ bei der Einstellung am 16.02.2001 und 30.07.2015 ausgehändigt wurden und dieser am 28.08.2014 zusätzlich an einer halbtätigen Fortbildung „Praktische Korruptionsprävention“ teilgenommen habe. Ferner teilte es mit, dass schon des Öfteren der Verdacht bestanden habe, dass die Pförtner auf dem A.friedhof Geld angenommen hätten, und erst am 30.07.2015 deswegen ein Gespräch mit dem Beigeladenen aufgrund einer anonymen Bürgerbeschwerde stattgefunden habe. Ein Beweis hierfür habe aber bisher gefehlt.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Damit verfügte das Personalamt der Klägerin über alle für die Beurteilung einer Verdachtskündigung erforderlichen Informationen. Eine weitere Anhörung des Beigeladenen war daher nicht erforderlich. Die Klägerin hat weder in der schriftlichen Klagebegründung noch in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, welche Tatsachen noch aufklärungsbedürftig waren. Zwar hat sie sich im Widerspruchsverfahren darauf berufen, die Vorteilsannahme sei mit der ersten Anhörung nicht endgültig bewiesen gewesen, da sie im Widerspruch zur Aussage des Vorgesetzten gestanden habe. Dies ist jedoch nicht zutreffend. Der Beigeladene hatte bei der Anhörung am 05.10.2015 und in der schriftlichen Stellungnahme zugegeben, dass er 2,00 Euro von einer Friedhofsbesucherin angenommen hat. Er hat sich zwar damit verteidigt, dass er die Besucherin zunächst darauf hingewiesen habe, dass ihm die Annahme von Trinkgeld für die Kaffeekasse nicht erlaubt sei. Damit hat er aber eingestanden, dass ihm das Verbot bewusst war, und somit den Vorwurf einer vorsätzlichen Pflichtverletzung eingestanden.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Zwar wich die Darstellung des Vorfalls von der Aussage des Vorgesetzten A.     in einigen Details ab. Insbesondere hatte der Beigeladene behauptet, der anwesende Vorgesetzte A.     habe ihm die Annahme des Geldes mit der Bemerkung „ Nun mach‘ schon“ oder „Kannst du ruhig machen“ praktisch erlaubt. Der Vorgesetzte hatte bestritten, eine Einwilligung zur Entgegennahme des Geldes erteilt zu haben. Er habe mit der Bemerkung „Nun mach‘ schon“ nur gemeint, der Beigeladene solle das Gespräch mit der Besucherin beenden, er wolle solange warten. Dies habe der Beigeladene missverstanden. Eine weitere Aufklärung dieses Widerspruchs war jedoch für den Ausspruch einer Verdachtskündigung nicht ausschlaggebend.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">§ 626 Abs. 1 BGB lässt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine Verdachtskündigung zu, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat,</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">              vgl. BAG, Urteil vom 28.11.2007 – 5 AZR 952/06 – juris, Rn. 18.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Diese Voraussetzungen waren aus der Sicht der Klägerin am 29.10.2015 erfüllt. Der Beigeladene hatte eine Annahme des Trinkgeldes zugestanden, obwohl er das Verbot kannte. Unstreitig war dies in Anwesenheit des Vorgesetzten geschehen, der die Entgegennahme des Geldes zumindest geduldet hatte und nicht dagegen eingeschritten war. Die Klägerin hat der strittigen Behauptung des Beigeladenen, er habe mit dem Einverständnis des Vorgesetzten gehandelt, selbst keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen. Denn im Zustimmungsantrag vom 02.12.2015 wurde ausgeführt, dass der Beigeladene auch bei einer Gestattung des Vorgesetzten das Geld nicht habe annehmen dürfen, dass dies in den Richtlinien der Klägerin auch eindeutig geregelt und dem Beigeladenen damit bewusst gewesen sei.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Damit lag ein dringender Tatverdacht der Korruption sowohl gegenüber dem Beigeladenen als auch gegenüber dem Vorgesetzten vor. Ein Korruptionsverdacht ist generell geeignet, die Vertrauensgrundlage eines Arbeitsverhältnisses zu zerstören. Ob dieser Verdacht im vorliegenden Fall die Annahme eines wichtigen Grundes für eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt, kann hier offen bleiben. Für die Kenntnis der Klägerin von den maßgeblichen Umständen ist dies nicht relevant. Die Klägerin hat dem Beigeladenen durch die Anhörung am 05.10.2015 und die Entgegennahme seiner schriftlichen Erklärung hinreichend Gelegenheit gegeben, sich zu dem Tatvorwurf zu äußern.</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat selbst auch keinen Anlass für die Aufklärung der widersprüchlichen Aussagen gesehen. Denn sie hat weder den Vorgesetzten A.     noch den bei dem Vorfall am 15.09.2015 ebenfalls anwesenden weiteren Pförtner zu dem zweiten Anhörungstermin am 04.11.2015 bzw. am 23.11.2015 geladen. Eine Auflösung dieses Widerspruchs war allein bei einer nochmaligen Anhörung des Klägers nicht zu erwarten.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat sich zu Unrecht darauf berufen, die Personalstelle habe den Kläger nochmals anhören müssen, da die erste Anhörung im Grünflächenamt nicht durch die kündigungsberechtigte Stelle erfolgt sei. Zutreffend ist, dass es für den Beginn der Frist auf die Kenntnis der Personalstelle von den kündigungsrelevanten Tatsachen ankam, da sie die kündigungsberechtigte Stelle der Klägerin ist,</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">              vgl. BAG, Urteil vom 28.10.1971 – 2 AZR 32/71 – juris Rn. 22.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Diese Kenntnis lag aber bereits vor, nachdem der Personalstelle die ausführliche mündliche und schriftliche Einlassung des Beigeladenen zu dem Tatvorwurf übermittelt worden war.</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Die Anhörung des Arbeitnehmers bei der Verdachtskündigung dient dazu, dem Kündigenden den erforderlichen umfassenden Wissensstand zu verschaffen und dem Betroffenen die Möglichkeit zu geben, den auf einem konkreten Sachverhalt beruhenden Verdacht durch den Vortrag entlastender Tatsachen zu entkräften,</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">vgl. BAG, Urteil vom 12.02.1973 – 2 AZR 116/72 – juris Rn. 23 und Urteil vom 20.03.2014 – 2 AZR 1037/12 – juris Rn. 24.</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Es ist in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass der Umfang der erforderlichen Anhörung von den Umständen des Einzelfalls abhängig ist. Hierbei kann die Anhörung auch grundsätzlich schriftlich erfolgen. Ein Hinweis auf eine bestehende Kündigungsabsicht ist nicht erforderlich, wenn die Bestandsgefährdung des Arbeitsverhältnisses auch ohne einen derartigen Hinweis erkennbar war.</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">vgl. BAG, Urteil vom 20.03.2014 – 2 AZR 1037/12 – juris Rn. 26, 33, Urteil vom 24.05.2012 – 2 AZR 206/11 – juris Rn. 34 ff.</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">Bereits hieraus ergibt sich, dass eine persönliche und mündliche Anhörung durch das Personalamt der Klägerin nicht erforderlich war. Der Beigeladene hatte aufgrund der Anhörung beim Grünflächenamt hinreichende Gelegenheit, entlastende Umstände mündlich und schriftlich vorzutragen und hat diese auch wahrgenommen. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass darüber hinaus ein persönlicher Eindruck der zuständigen Sachbearbeiter der Personalstelle zur Beurteilung des Verhaltens erforderlich war.</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Dass der Korruptionsverdacht möglicherweise zu einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses führen könnte, war für den Beigeladenen bereits aufgrund der Anhörung beim Grünflächenamt erkennbar. Am Ende der Anhörung war darauf hingewiesen worden, dass eine Weiterleitung der Informationen an die Personalstelle zur Prüfung arbeitsrechtlicher Schritte erfolge. Hinzukommt, dass der Beigeladene schon am 30.07.2015 wegen der unzulässigen Annahme von Trinkgeldern zur Rede gestellt worden war und ihm die Richtlinien der Klägerin über das Verbot der Annahme von Vergünstigungen erneut ausgehändigt worden waren. Daraus ergibt sich, dass ein Verstoß arbeitsrechtliche Folgen nach sich ziehen kann, die auch im Ausspruch einer Kündigung bestehen können (Ziff. 6.2). Demnach genügte die Anhörung beim Grünflächenamt den Anforderungen der Verdachtskündigung.</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">Ein sachlicher Grund für weitere Ermittlungen der Arbeitgeberin, insbesondere für eine zweite Anhörung des Beigeladenen, ist nicht erkennbar. Insbesondere hat die Klägerin auch die erneute Anhörung des Beigeladenen, die letztlich unergiebig war, nicht zum Anlass genommen, weitere Beweise zu erheben oder zu sichern. Die Frist des § 91 Abs. 2 SGB IX begann folglich am 29.10.2015 zu laufen und war bei Antragstellung beim Integrationsamt am 02.12.2015 bereits abgelaufen. Der Beklagte hat die Zustimmung zur Kündigung des Beigeladenen somit zu Recht versagt.</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, da der Beigeladene keinen Antrag gestellt hat und sich somit nicht am Prozessrisiko beteiligt hat, §§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO.</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks"><strong>Rechtsmittelbelehrung</strong></p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn</p>
<span class="absatzRechts">76</span><ul class="absatzLinks"><li><span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,</p>
</li>
<li><span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,</p>
</li>
<li><span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,</p>
</li>
<li><span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">4. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder</p>
</li>
<li><span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">5. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.</p>
</li>
</ul>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, schriftlich zu beantragen. Der Antrag auf Zulassung der Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">Statt in Schriftform kann die Einlegung des Antrags auf Zulassung der Berufung auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">Die Gründe, aus denen die Berufung zugelassen werden soll, sind innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils darzulegen. Die Begründung ist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">Vor dem Oberverwaltungsgericht und bei Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird, muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">Die Antragsschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.</p>
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171,257 | ovgnrw-2019-01-15-6-a-159718 | {
"id": 823,
"name": "Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen",
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"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 6 A 1597/18 | 2019-01-15T00:00:00 | 2019-01-29T12:50:33 | 2019-02-12T13:44:29 | Beschluss | ECLI:DE:OVGNRW:2019:0115.6A1597.18.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Der Antrag wird abgelehnt.</p>
<p>Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.</p>
<p>Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.</p><br style="clear:both">
<h1><span style="text-decoration:underline">G r ü n d e :</span></h1>
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">I. Aus den im Zulassungsverfahren dargelegten Gründen ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Das Verwaltungsgericht hat angenommen, die dienstliche Beurteilung vom 8. Juni 2015 sei formell ordnungsgemäß zustande gekommen und materiell rechtmäßig. Das Beurteilungsgespräch habe am 17. April 2015 stattgefunden. Aus der dienstlichen Beurteilung lasse sich auch erkennen, dass sie sich auf die die Zeit ab dem 8. Januar 2014 beziehe. Die zulässige Höchstprobezeit von fünf Jahren sei nicht überschritten, da der Kläger zwischenzeitlich aufgrund der - später aufgehobenen - sofort vollziehbaren Entlassungsverfügung vom 29. Oktober 2012 aus Rechtsgrün-den an der Diensterbringung gehindert gewesen sei. Die Beurteilungslücke vom 16. April 2011 bis zum 31. August 2011 habe keinen Einfluss auf die Richtigkeit der tatsächlichen Entscheidungsgrundlage des Bewährungsurteils gehabt. Die dienstliche Beurteilung leide nicht an einem Plausibilitäts- oder Schlüssigkeitsdefizit. Die Verletzung allgemeingültiger Beurteilungs- und Wertmaßstäbe lasse sich nicht feststellen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Antragsbegründung zeigt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit dieser näher begründeten Erwägungen auf.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">1. Dies gilt zunächst hinsichtlich der Annahme des Verwaltungsgerichts, das nach Nr. 5.1 der hier noch anwendbaren Richtlinien für die dienstliche Beurteilung der Lehrkräfte sowie der Leiterinnen und Leiter an öffentlichen Schulen und Studienseminaren vom 2. Januar 2003 (im Folgenden: BRL) durchzuführende Beurteilungsgespräch habe am 17. April 2015 und damit vor Erteilung der dienstlichen Beurteilung vom 8. Juni 2015 stattgefunden. Auf die Frage seiner Entbehrlichkeit kommt es damit nicht an. Zwar lag vor dem Gespräch am 17. April 2015 bereits die - später aufgehobene - dienstliche Beurteilung vom 14. April 2015 vor und war dem Beurteiler S.        nach seinen eigenen Angaben in dem Zeitpunkt nicht klar, dass das Beurteilungsgespräch nicht der Erläuterung der Beurteilung, sondern dem Austausch mit dem Beamten vor ihrer Abfassung dient. Gleichwohl hat das Gespräch die ihm nach Nr. 5.1 BRL zukommende Funktion, die Auffassung des Beamten berücksichtigen zu können, im Hinblick auf die nachfolgende streitgegenständliche dienstliche Beurteilung vom 8. Juni 2015 erfüllt. Bei deren Abfassung war dem Beurteiler dieser Zweck bewusst und er hat, wie sich schon aus der Auflistung unter I.2. ergibt, die aus dem Beurteilungsgespräch gewonnenen Erkenntnisse zur Grundlage dieser dienstlichen Beurteilung gemacht. Entgegen der Darstellung des Klägers lässt sich der Aussage des in der mündlichen Verhandlung als Zeugen vernommenen Schulleiters Rimpler auch nicht entnehmen, es sei lediglich das Beurteilungsergebnis bekannt gegeben worden und es habe kein Austausch stattgefunden. Vielmehr zeigen die nach dem Gespräch angefertigte Aktennotiz vom 19./20. April 2015, die Ausführungen in der dienstlichen Stellungnahme des Zeugen vom 5. Juni 2015 (zu 1. und zu 5.) sowie die im anwaltlichen Widerspruchsschreiben vom 20. Mai 2015 enthaltene Stellungnahme des Klägers, dass über verschiedene, zum Inhalt der Beurteilung gemachte Sachverhalte gesprochen worden ist und der Kläger die Gelegenheit hatte, seine Einschätzung vorzutragen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">2. Der Kläger zeigt keine ernstlichen Richtigkeitszweifel in Bezug auf die Annahme des Verwaltungsgerichts auf, aus der dienstlichen Beurteilung vom 8. Juni 2015 selbst lasse sich der Beurteilungszeitraum ermitteln. Wie der Senat bereits im früheren Eilverfahren 6 B 6/16 entschieden hat, betrifft die streitgegenständliche dienstliche Beurteilung den Zeitraum vom 8. Januar 2014 bis zum 8. Juni 2015.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. März 2016 - 6 B 6/16 -, juris Rn. 8.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Dies war auch der Grund dafür, warum der vorläufige Rechtsschutzantrag des Klägers in Bezug auf die Entlassungsverfügung vom 15. Juli 2015 Erfolg hatte und diese nachfolgend vom beklagten Land aufgehoben wurde. Der vorgenannte Beurteilungszeitraum ergibt sich daraus, dass die dienstliche Beurteilung sich allein zur Tätigkeit des Antragstellers an der C. –w.-T.  -Gesamtschule E.        in der verlängerten Probezeit verhält und nur diesbezügliche Erkenntnisse einbezieht. Angesichts dessen rechtfertigt im vorliegenden Fall die Angabe des Datums der letzten Beurteilung vom 15. April 2011 keine andere Betrachtung. Nur wenn es im Einzelfall an hinreichenden objektiven Anhaltspunkten dazu fehlt, wie der der Beurteilung zugrunde liegende Zeitraum eingegrenzt ist, kann die Auslegungsregel greifen, dass zur Vermeidung einer Beurteilungslücke „im Zweifel“ beabsichtigt sein dürfte, unmittelbar an den Zeitraum der letzten Vorbeurteilung anzuknüpfen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 22. Mai 2018 - 6 B 88/18 -, juris Rn. 32 ff., vom 12. Februar 2015 - 6 B 1154/14 -, juris Rn. 7, vom 15. August 2014 - 6 B 600/14 -, juris Rn. 8, vom 23. April 2013 - 6 B 285/13 -, juris Rn. 4, und vom 8. Juni 2012 - 6 B 480/12 -, juris Rn. 7.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">3. Der Hinweis des Klägers auf einen Verstoß gegen Nr. 3.2 BRL, wonach die Beurteilung spätestens drei Monate vor Ablauf der allgemeinen, im Einzelfall festgesetzten oder verlängerten Probezeit abzugeben ist, verhilft dem Zulassungsantrag ebenfalls nicht zum Erfolg. Die Antragsbegründung verhält sich allein zu der Erwägung des Verwaltungsgerichts, diese Bestimmung dürfte durch die Erg.-BRL modifiziert sein. Das Verwaltungsgericht hat aber selbstständig tragend angenommen, dass ein angenommener Verstoß gegen das formelle Erfordernis keinen Einfluss auf die Richtigkeit der tatsächlichen Entscheidungsgrundlage des Bewährungsurteils habe und deshalb unmaßgeblich sei. Diese Erwägung hat der Kläger mit seinem Zulassungsvorbringen nicht in Frage gestellt. Abgesehen davon ist weder dargelegt noch erkennbar, weshalb eine frühere Beurteilung zu einem für den Kläger günstigeren Ergebnis hätte führen sollen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 21. Januar 2011 - 6 A 1392/08 -, juris Rn. 4 ff.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">4. Mit dem Einwand, die Feststellung der Nichtbewährung in der dienstlichen Beurteilung vom 8. Juni 2015 sei wegen Überschreitung der zulässigen Höchstprobezeit von fünf Jahren (vgl. § 10 Satz 1 BeamtStG) materiell rechtsfehlerhaft, legt der Kläger ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils dar. Ob die Probezeit hier länger als fünf Jahre dauerte, weil, wie der Kläger meint, der Zeitraum nicht unberücksichtigt bleiben darf, in dem er aufgrund der - später aufgehobenen - sofort vollziehbaren Entlassungsverfügung vom 29. Oktober 2012 nicht im Dienst war, kann offen bleiben. Das Verwaltungsgericht hat selbstständig tragend darauf abgestellt, dass die Entscheidung des beklagten Landes vom 10. Dezember 2013, die Probezeit bis zum 31. Juli 2015 zu verlängern, in Bestandskraft erwachsen sei. Dazu verhält sich der Zulassungsantrag nicht. Vor diesem Hintergrund bedarf keiner Entscheidung, ob sich überhaupt allein aus der Verlängerung einer Probezeit über das zulässige Maß hinaus auf die Rechtswidrigkeit der dienstlichen Beurteilung über die Nichtbewährung schließen ließe.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">5. Ernstliche Richtigkeitszweifel ergeben sich nicht aus dem Vortrag zu einer angeblichen Beurteilungslücke. Soweit der Kläger rügt, der Zeitraum vom 8. Februar 2011 bis zum 31. August 2011 sei von keiner der dienstlichen Beurteilungen erfasst, genügt dies nicht den Darlegungsanforderungen. Sein Vorbringen geht über diese Behauptung nicht hinaus und entbehrt jeglicher Auseinandersetzung mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts. Überdies legt der Kläger nicht dar, warum sich daraus Rechtsfehler der streitgegenständlichen dienstlichen Beurteilung vom 8. Juni 2015 ergeben sollen. Dem weiteren Vorbringen, diese erfasse den Zeitraum vom 8. Januar 2014 bis 31. Juli 2014 nicht, ist nicht zu folgen. Wie ausgeführt, erstreckt sie sich auf die Zeit vom 8. Januar 2014 bis zum 8. Juni 2015. Für den vom Kläger angeführten Zeitraum ist ein Beurteilungsbeitrag des damaligen Schulleiters Dr. I.      eingeholt worden, der auch in der dienstlichen Beurteilung erwähnt wird. Der vom Kläger erneut angeführte Umstand, dass in der ersten Jahreshälfte 2014 kein Unterrichtsbesuch stattgefunden hat und die unterrichtliche Tätigkeit im Beurteilungsbeitrag insoweit nicht bewertet wurde, begründet nicht die Rechtsfehlerhaftigkeit der dienstlichen Beurteilung. Zur Begründung wird auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts Bezug genommen, die durch das Zulassungsvorbringen nicht substantiiert in Frage gestellt werden. Im Übrigen legt der Kläger nicht dar, welche besonderen Leistungen oder Fähigkeiten er in der ersten Jahreshälfte 2014 gezeigt hat, deren fehlende Berücksichtigung zur Folge hätte, dass die angefochtene Beurteilung seine dienstlichen Leistungen während des ganzen Beurteilungszeitraums möglicherweise nicht hinreichend abbildet.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">6. Der Kläger zeigt mit seiner Antragsbegründung nicht auf, dass die dienstliche Beurteilung vom 8. Juni 2015 entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts an einem Plausibilitätsdefizit leidet oder Beurteilungs- und Wertmaßstäbe verletzt. Dass die Feststellungen in der dienstlichen Beurteilung das Urteil der Nichtbewährung nicht tragen, dieses also nicht plausibel sei, macht der Kläger schon nicht substantiiert geltend. Er wendet sich im Wesentlichen gegen die Bewertung seiner Leistungen und Fähigkeiten, ohne allerdings eine Überschreitung des dem Schulleiter zustehenden Beurteilungsspielraums darzulegen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung des Dienstherrn darüber, ob der Beamte sich in der Probezeit nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bewährt hat, ist ein Akt wertender Erkenntnis seines für die Beurteilung zuständigen Organs. Die Frage, ob sich der Beamte auf Probe in diesem Sinne für das konkret angestrebte Amt bewährt hat, unterliegt nach ständiger verwaltungsgerichtsgerichtlicher Rechtsprechung nur eingeschränkter gerichtlicher Überprüfung. Die Entscheidung über die Bewährung erfordert eine Bewertung des Dienstherrn, der letztlich nur selbst entscheiden kann, welche Anforderungen das angestrebte Amt stellt. Das Gericht ist in diesem Zusammenhang darauf beschränkt zu überprüfen, ob der Dienstherr den angewendeten Begriff der Bewährung und den gesetzlichen Rahmen des Beurteilungsspielraums verkannt hat, ob er von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">St. Rspr., vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2001 - 2 A 5.00 -, ZBR 2002, 184 = juris Rn. 15; OVG NRW, Beschlüsse vom 12. Dezember 2017 - 6 A 2496/16 -, juris Rn. 5, vom 13. April 2017 - 6 A 8/17 -, juris Rn. 4, vom 23. März 2016 - 6 B 6/16 -, juris Rn. 5, vom 26. September 2014 - 6 A 1767/11 -, juris Rn. 9, vom 14. Mai 2014 - 6 A 1366/13 -, juris Rn. 12, und vom 16. Mai 2011 - 1 B 477/11 -, ZBR 2011, 419 = juris Rn. 12 f.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Derartige Fehler zeigt der Kläger nicht auf. Hingegen ist es für die Rechtmäßigkeit der Beurteilung nicht von Belang, dass er seine Leistungen selbst anders einschätzt oder bestimmten Aspekten seiner Tätigkeit eine besondere bzw. abweichende, so in der Beurteilung nicht zum Ausdruck kommende Bedeutung beimisst. Ob die Bewertungen „richtig“ waren, hat das Gericht nicht zu überprüfen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">a. Weder mit der in Bezug genommenen Gegendarstellung vom 20. Mai 2015 noch mit der Antragsbegründung zeigt der Kläger auf, dass die in der dienstlichen Beurteilung enthaltenen Feststellungen zum schulfachlichen Gespräch am 23. März 2015 auf falschen Tatsachen beruhen oder der Schulleiter bei deren Würdigung allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet hat.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Zu Unrecht beruft er sich weiter darauf, dass die Feststellungen zu seinen Fachkenntnissen in der dienstlichen Beurteilung zu allgemein seien und keinen konkreten Bezug auf ein bestimmtes Unterrichtsfach, eine bestimmte Unterrichtsstunde oder Unterrichtssituation erkennen ließen. Abgesehen davon, dass der Beurteiler nicht notwendig zur Substantiierung von Bewertungen durch die Schilderung konkreter Ereignisse in der dienstlichen Beurteilung selbst verpflichtet ist, bezieht dieser sich bei der Bewertung der Fachkenntnisse im Wesentlichen ausdrücklich auf das schulfachliche Gespräch, ergänzend erkennbar auf die bei den Unterrichtsbesuchen in den Fächern Deutsch und Sport gewonnenen Erkenntnisse.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Inwiefern der Kläger auf Unterrichtsmaterialien aus den 1970er Jahren zum Thema Balladen zurückgegriffen hat, bedarf keiner weiteren Vertiefung, weil der Beurteiler darauf nicht abgestellt hat. Er hat sich lediglich in seiner Stellungnahme vom 5. Juni 2015 auf die Äußerung des Klägers bezogen, im Lehrerzimmer habe er lediglich Material aus dem Schuljahr 1976/77 gefunden, und hierzu vertretbar erwidert, dies zeige, der Kläger habe sich nicht ausreichend um andere Materialien bemüht.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Soweit in der dienstlichen Beurteilung ausgeführt wird, dem Kläger fehle der aktuelle Wissensstand in der neueren Schul- und Unterrichtsforschung, wird auch mit dem Zulassungsantrag nicht dargelegt, dass er diesen aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht habe erlangen können. Dass er aktuelles Wissen nur durch die wiederholt von ihm angesprochene Fortbildung für Lions Quest, die sich zudem lediglich auf soziales Lernen bezog, hätte erwerben können, ist weder dargetan noch erkennbar.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">b. Der Kläger zeigt auch hinsichtlich der Ausführungen in der dienstlichen Beurteilung zu seinen Leistungen keine Bewertungsfehler auf.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Welches das sinnvollste Vorgehen hinsichtlich der Sitzordnung ist, hat das Gericht nicht zu entscheiden. Dass die diesbezügliche Bewertung des Schulleiters nach den obigen Maßstäben unvertretbar wäre, wird mit auch mit dem Zulassungsantrag nicht dargelegt. Was die Bewertung der beobachteten Deutsch- und Sportstunde angeht, stellt der Kläger erneut lediglich seine Bewertung der des Beurteilers entgegen („Bewertung unzutreffend“, „Wissensvermitlung gelungen“). Zur Begründung bezieht er sich lediglich auf seine Stellungnahme vom 20. Mai 2015, mit der sich das Verwaltungsgericht bereits im Einzelnen auseinandergesetzt hat. Darauf wird Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Soweit dem Kläger in der angefochtenen dienstlichen Beurteilung deutliche Mängel im erzieherischen Wirken vorgehalten werden, legt er ebenfalls nicht dar, dass das beklagte Land seinen Bewertungsspielraum überschritten hat. Der Kläger macht der Sache nach geltend, in bestimmten Fällen - Sachbeschädigung, Körperverletzung, Bedrohung - hätten erzieherische Maßnahmen nicht gegriffen und sei es dann Aufgabe der Schulleitung gewesen, Ordnungsmaßnahmen zu erlassen, was diese unterlassen habe. Dies verhilft dem Antrag nicht zum Erfolg, weil dem Kläger in der dienstlichen Beurteilung nicht vorgeworfen worden ist, insoweit mit seiner erzieherischen Einwirkung erfolglos geblieben zu sein. Darin ging es vielmehr um das Verhalten der Schülerinnen und Schüler in den besuchten Unterrichtsstunden, in denen diese sich wenig diszipliniert und anstrengungsbereit sowie zu unaufmerksam gezeigt hätten und ein klares Erziehungskonzept des Klägers nicht erkennbar gewesen sei. Der Kläger legt auch mit dem Zulassungsantrag nicht schlüssig dar, inwieweit durch die geforderten Schulordnungsmaßnahmen, die grundsätzlich nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht kommen, Fehlverhalten von Schülerinnen und Schülern im Unterricht effektiv hätte verhindert werden können.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">c. Der Kläger wendet sich weiter gegen die Würdigung des Verwaltungsgerichts in Bezug auf die Ausführungen der dienstlichen Beurteilung vom 8. Juni 2015 zum dienstlichen Verhalten. Auch insoweit ergeben sich aus der Zulassungsbegründung keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit. Die Annahmen des Verwaltungsgerichts zur Nichtteilnahme an der Dienstbesprechung zu den zentralen Prüfungen im 10. Jahrgang werden mit dem Zulassungsvorbringen nicht angegriffen. Hinsichtlich der Dienstbesprechung am 21. Januar 2014 stellt der Kläger die Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht schlüssig in Frage, die Vorgänge hätten keinen Einfluss auf die Bildung des Gesamturteils gehabt. Das Verwaltungsgericht hat hierzu ausgeführt, der Vorfall werde weder in der dienstlichen Beurteilung vom 8. Juni 2015, die allgemein von zwei Konferenzen/Dienstsprechungen spreche, noch in der dienstlichen Stellungnahme des Schulleiters vom 5. Juni 2015 explizit erwähnt. Diese Annahme wird durch die bloße, nicht weiter begründete Behauptung, der Vorgang werden „explizit von dem Schulleiter in der dienstlichen Beurteilung aufgezeigt“, nicht schlüssig in Frage gestellt.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">d. Rechtsfehler der dienstlichen Beurteilung ergeben sich auch nicht aus der wenig substantiierten Behauptung des Klägers, er sei an der Gesamtschule in E.        nicht „willkommen“ gewesen. Zur Begründung wird die Begrüßung durch den Schulleiter Dr. I.      mit dem Hinweis angeführt, der Kläger habe sich in Bezug auf die unterrichtliche Tätigkeit als auch seine dienstlichen Verpflichtungen einwandfrei zu verhalten. Daraus ergeben sich keine tragfähigen Anhaltspunkte für eine Voreingenommenheit des damaligen Schulleiters. Selbst wenn eine solche gegeben gewesen wäre, ist dem Zulassungsvorbringen nicht zu entnehmen, dass und wie sich dies auf die Erstellung der Beurteilung durch den Nachfolger Herrn S1.       , in dessen Dienstzeit der größere Teil der verlängerten Probezeit fiel, ausgewirkt haben soll. Entgegen dem pauschalen Bestreiten des Klägers hat es auch näher bezeichnete Unterstützungsmaßnahmen gegeben, wie sich zweifelsfrei den detaillierten Ausführungen in der E-Mail des Schulleiters S1.       vom 5. Mai 2015 (Beiakte 1, Bl. 4) entnehmen lässt.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">II. Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf. Das wäre nur dann der Fall, wenn die Angriffe des Klägers begründeten Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung gäben, die sich nicht ohne Weiteres im Zulassungsverfahren klären lassen, sondern die Durchführung eines Berufungsverfahrens erfordern; der Ausgang des Rechtstreits muss als offen erscheinen. Dies ist – wie oben ausgeführt – nicht der Fall.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 GKG.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Der Beschluss ist unanfechtbar. Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).</p>
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171,256 | ovgnrw-2019-01-15-6-a-17917 | {
"id": 823,
"name": "Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen",
"slug": "ovgnrw",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 6 A 179/17 | 2019-01-15T00:00:00 | 2019-01-29T12:50:33 | 2019-02-12T13:44:29 | Beschluss | ECLI:DE:OVGNRW:2019:0115.6A179.17.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Das angefochtene Urteil wird geändert.</p>
<p>Das beklagte Land wird unter Aufhebung des Bescheides der Fachhochschule für Öffentliche Verwaltung NRW vom 1. April 2015 und des Widerspruchsbescheides vom 2. November 2015 verpflichtet, die Klausur der Klägerin im Modul HS 1.1 (Delinquenz im öffentlichen Raum und sozialen Nahraum) vom 2. März 2015 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bewerten.</p>
<p>Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen tragen das beklagte Land und die Klägerin jeweils zur Hälfte.</p>
<p>Der Beschluss ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.</p>
<p>Die Revision wird nicht zugelassen.</p>
<p>Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.</p><br style="clear:both">
<h1><span style="text-decoration:underline">Gründe:</span></h1>
<h1>I.                     </h1>
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin war Studierende an der Fachhochschule für Öffentliche Verwaltung NRW ‑ im Folgenden (FHöV NRW) ‑ im Studiengang "Polizeivollzugsdienst" des Einstellungsjahrgangs 2013. Am 2. März 2015 schrieb sie die Wiederholungsklausur in dem Modul 1.1 (Delinquenz im öffentlichen Raum und sozialen Nahraum). Die Klausuraufgabe beinhaltete einen strafrechtlichen sowie einen eingriffsrechtlichen Teil, wobei nach der angegebenen Gewichtung der Aufgabe zum Strafrecht ein Anteil von 40 v.H. und derjenigen zum Eingriffsrecht ein Anteil von 60 v.H. an der Gesamtklausur zukam. Der eingriffsrechtliche Teil der Klausur der Klägerin wurde von PD P.         als Erst- und von KOR U.       als Zweitprüfer, der strafrechtliche Teil von Herrn Q.        als Erstprüfer und Frau I.          als Zweitprüferin bewertet. Für die Leistung der Klägerin vergaben die Prüfer im eingriffsrechtlichen Teil 26 Punkte und im strafrechtlichen Teil 20 Punkte. Die Wiederholungsklausur wurde insgesamt mit "nicht ausreichend" (5,0) bewertet. Durch Bescheid vom 1. April 2015 teilte die FHöV NRW der Klägerin das endgültige Nichtbestehen der Bachelorprüfung mit.</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 8. April 2015 Widerspruch ein. Mit Schreiben vom 26. Mai 2015 trug sie zu dessen Begründung unter anderem vor, die Klausurbewertung sei nicht plausibel, weil weder aus den Randanmerkungen noch aus den Korrekturanmerkungen der Prüfer hervorgehe, wie diese zu den vergebenen Punktzahlen gekommen seien. Es dränge sich der Eindruck auf, dass ihre - der Klägerin - Leistungen nicht vollständig zur Kenntnis genommen worden seien. In Ermangelung weiterer Randbemerkungen sei es auch nicht möglich, die Bewertung des eingriffsrechtlichen Teils näher zu überprüfen. Abgesehen davon hätten im Fach Eingriffsrecht bei der Dozentin Prof. Dr. L.      Mängel in der Lehre vorgelegen, was ihr - der Klägerin - nicht zum Nachteil gereichen dürfe, zumal insoweit die Bedingungen für die Studierenden ungleich gewesen seien.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Aufgrund des Widerspruchs forderte die FHöV NRW sowohl die Prüfer als auch Prof. Dr. L.      zu Stellungnahmen auf. PD P.         nahm unter dem 6. Juni 2015, Herr Q.        mit E-Mail vom 28. August 2015 und Frau I.     mit E-Mail vom 15. September 2015 Stellung; sie blieben jeweils bei ihrer Bewertung. Eine Stellungnahme von KOR U.       befindet sich nicht bei den Verwaltungsvorgängen. Prof. Dr. L.      wies die ihr gegenüber erhobenen Vorwürfe zurück.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die FHöV NRW wies den Widerspruch durch Bescheid vom 2. November 2015 zurück. Zur Begründung führte sie aus, für die Bewertung sei es nicht ausschlaggebend gewesen, ob die jeweils vergebene Punktzahl nachvollziehbar sei, da die Prüfungsleistung in Gänze eine Vielzahl von Fehlern aufweise, die eine bessere als die getroffene Bewertung nicht zulasse. Zudem ergebe sich die Bewertung der Prüfungsleistung aus den inhaltlichen Anmerkungen der Korrektoren sowohl in den Randbemerkungen als auch auf dem Deckblatt. Der Erstkorrektor zum strafrechtlichen Teil habe in seiner Stellungnahme darauf hingewiesen, dass seine Anmerkung zum schlechten Zeitmanagement nicht in die Bewertung eingeflossen sei, aber der Grund dafür sei, dass die Klägerin zu wenig zum strafrechtlichen Teil geschrieben und insbesondere die Ausführungen zu § 113 Abs. 2 Nr. 1 StGB und zu § 250 Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht im geforderten Gutachtenstil erbracht habe. Die Randbemerkungen zum eingriffsrechtlichen Teil legten nachvollziehbar dar, an welcher Stelle es zu Defiziten gekommen sei. Der von der Klägerin dargelegte Eindruck, dass Teile ihrer Klausur nicht korrigiert worden seien, treffe für den Beginn der Lösung insofern zu, als eine nicht vertretbare Maßnahme geprüft worden sei, die nicht zu berücksichtigen gewesen sei. Der Einwand der fehlenden Vermittlung von Lehrinhalten im Grundstudium greife nicht durch.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat am 30. November 2015 die vorliegende Klage erhoben.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Sie hat ergänzend vorgetragen, aus der E-Mail des Prüfers im Strafrecht vom 28. August 2015 gehe hervor, dass ihre Klausur so schlecht bewertet worden sei, weil sie nicht genug geschrieben habe. Dies sei ein unzulässiger Prüfungsmaßstab. Zudem habe Herr P.         in einem Gespräch nach der Bekanntgabe der Prüfungsnote ihr gegenüber in den Raum gestellt, dass für ihre Leistung mehr Punkte hätten vergeben werden können. Das zeige deutlich, dass die Bewertung nicht korrekt sei.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheides vom 1. April 2015 und des Widerspruchsbescheides vom 2. November 2015 zu verpflichten, ihr die Möglichkeit zu geben, die Klausur im Modul HS 1.1 - Delinquenz im öffentlichen Raum und sozialen Nah-raum - zu wiederholen,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">hilfsweise,</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheides vom 1. April 2015 und des Widerspruchsbescheides vom 2. November 2015 zu verpflichten, die Klausur im Modul HS 1.1 - Delinquenz im öffentlichen Raum und sozialen Nahraum - unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bewerten.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Das beklagte Land hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Zur Begründung hat es geltend gemacht, der Korrektor des strafrechtlichen Teils weise ausdrücklich darauf hin, dass nicht das zu wenig Geschriebene den Ausschlag für das "Nichtbestehen" gegeben habe. Vielmehr habe es unter anderem an den mangelhaften, nicht im Gutachtenstil erbrachten Ausführungen zu § 113 Abs. 2 Nr. 1 StGB und zu § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB gelegen. Das beklagte Land hat ferner eine Stellungnahme des PD P.         vorgelegt, wonach dieser es für ausgeschlossen hält, eine Aussage zu einer möglichen höheren Bewertungsprozentzahl gemacht zu haben.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 9. Dezember 2016 abgewiesen. Es hat - zusammengefasst - ausgeführt, der Bescheid der FHöV NRW vom 1. April 2015 und der Widerspruchsbescheid vom 2. November 2015 seien rechtmäßig. Die Klägerin habe weder einen Anspruch auf Wiederholung der Prüfungsleistung noch auf Neubewertung der Klausur. Die Begründung zum eingriffsrechtlichen Teil der Klausur sei nicht zu beanstanden. Die Prüfer hätten hinreichend und nachvollziehbar dargelegt, woraus sich die Bewertung mit 26 Punkten im Verhältnis zur Gesamtpunktzahl von 60 Punkten (= Prozent) ergebe. Die prozentuale Gewichtung der einzelnen Aufgaben lasse sich bereits der Aufgabenstellung entnehmen. Dass sich der Zweitprüfer der Beurteilung der Prüfungsleistung durch den Erstprüfer lediglich angeschlossen habe, begründe keinen Rechtsfehler. Der Klägerin könne auch nicht darin gefolgt werden, dass ihre Leistungen bei der Bearbeitung des eingriffsrechtlichen Teils nicht vollständig zur Kenntnis genommen worden seien. Der Erstprüfer habe nachvollziehbar ausgeführt, dass der Beginn der Lösung insofern nicht wirklich korrigiert worden sei, da die Klägerin eine nicht vertretbare Maßnahme geprüft habe, die nicht zu berücksichtigen gewesen sei. Auch die Rüge der Klägerin, dass der Prüfer bei der Bewertung des strafrechtlichen Teils einen unzulässigen Prüfungsmaßstab angewandt habe, greife nicht durch. Der Prüfer habe nachvollziehbar ausgeführt, dass nicht das Zeitmanagement und somit der Umfang der Bearbeitung für sich zu einem Punktabzug geführt habe, sondern insbesondere die nicht ausreichenden Ausführungen zu § 113 Abs. 2 Nr. 1 und § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB im geforderten Gutachtenstil.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die von der Klägerin gerügten Ausbildungsmängel führten ebenfalls nicht zum Erfolg der Klage. Ein Ausbildungsmangel könne bereits nicht erkannt werden. Zudem fehle ein Zusammenhang zwischen der behaupteten mangelhaften Ausbildung und der hier streitgegenständlichen Prüfungsleistung. Schließlich sei der Einwand prüfungsrechtlich unbeachtlich, weil die Klägerin diesen hätte früher anbringen müssen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Ob der Prüfer P.         tatsächlich nach der Notenbekanntgabe in den Raum gestellt habe, dass für die Leistung der Klägerin mehr Punkte hätten vergeben werden können, könne offen bleiben. Denn diese könne aus diesem Umstand prüfungsrechtlich nichts für sich herleiten. Dementsprechend sei auch dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsbeweisantrag, Herrn P.         sowie die Schwester der Klägerin als Zeugen zu dem Gespräch in den Räumlichkeiten der Fachhochschule zu vernehmen, mangels Entscheidungserheblichkeit nicht nachzugehen gewesen. Dessen Befangenheit sei nicht zu erkennen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands und des Urteils wird auf dieses verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat mit Beschluss vom 9. August 2018, den Beteiligten zugestellt am 14. August 2018, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 9. Dezember 2016 hinsichtlich des Hilfsantrags zugelassen und im Übrigen - hinsichtlich des Hauptantrags - den Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat die Berufung am 13. September 2018 begründet. Sie macht im Wesentlichen geltend, sie habe einen Anspruch auf Neubewertung der streitbefangenen Klausur, weil Bewertungs- und Begründungsmängel vorlägen. Sowohl Erst- als auch Zweitkorrektur seien ungenügend. Die Begründung der Erstkorrektur des eingriffsrechtlichen Teils durch PD P.         versetze sie, die Klägerin, nicht in die Lage, die Benotung mit 26 von 60 Punkten nachvollziehen zu können. Hierzu hat die Klägerin eine zusammenfassende Begründung des Erstprüfers wörtlich zitiert, zu der sie auf gerichtliche Nachfrage mit Schriftsatz vom 9. Januar 2018 mitgeteilt hat, es handele sich um ein Fehlzitat; wiedergegeben worden sei versehentlich die Begründung der Bewertung des Erstversuchs der Klausur. Zudem - so die Berufungsbegründung weiter - befänden sich im Prüfungsteil Eingriffsrecht auf 20 von 29 Seiten überhaupt keine Randbemerkungen. Das lasse nur den Schluss zu, dass der Erstprüfer jene Ausführungen nicht zur Kenntnis genommen habe. Jedenfalls liege aus diesem Grund keine ordnungsgemäße Bewertung der Prüfungsleistung vor. Dies sei auch die Auffassung von Prof. Dr. L.      . Auch im Überdenkensverfahren habe PD P.         nicht die Möglichkeit genutzt, seine überschaubaren Bemerkungen zu ergänzen. Da sich der Zweitkorrektor lediglich angeschlossen habe, sei auch dessen Begründung unzureichend.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Bescheid der FHöV NRW vom 1. April 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. November 2015 aufzuheben und das beklagte Land zu verpflichten, ihre Klausur im Modul HS 1.1 (Delinquenz im öffentlichen Raum und sozialen Nahraum) vom 2. März 2015 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bewerten.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Das beklagte Land beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Es verweist auf seinen vorausgegangenen Sachvortrag.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat die Beteiligten zur Entscheidung nach § 130a VwGO angehört. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.</p>
<h1><span style="text-decoration:underline">II.</span></h1>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Der Senat entscheidet nach Anhörung der Beteiligten über die Berufung der Klägerin durch Beschluss nach § 130a VwGO, weil er sie einstimmig für begründet und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht für erforderlich hält.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die Berufung der Klägerin hat Erfolg. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist nur noch der Antrag, das beklagte Land zu verpflichten, unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide die Wiederholungsklausur der Klägerin im Modul HS 1.1. (Delinquenz im öffentlichen Raum und sozialen Nahraum) vom 2. März 2015 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bewerten. Das Verwaltungsgericht hat die Klage insoweit zu Unrecht abgewiesen. Die Klägerin hat einen Anspruch darauf, dass ihre Prüfungsleistung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu bewertet wird, § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die gerichtliche Überprüfung der Bewertung schriftlicher Leistungen in berufsbezogenen Prüfungen ist eingeschränkt. Derartige Leistungsbewertungen obliegen ausschließlich den dafür bestimmten Prüfern, die diese Aufgabe eigenständig und unabhängig wahrzunehmen haben. Nur die Prüfer, nicht die Prüfungsbehörden üben den prüfungsrechtlichen Bewertungsspielraum aus. Die Prüfertätigkeit lässt sich aufgrund ihrer Komplexität weitgehend nicht durch allgemeingültige Regeln erfassen. Vielmehr nimmt der jeweilige Prüfer die Bewertung anhand von Maßstäben vor, die er in Bezug auf die konkrete Prüfungsaufgabe autonom erstellt. Sie beruhen auf einem Bezugssystem, das vor allem durch seine persönlichen Erfahrungen, Einschätzungen und Vorstellungen gebildet wird. Diese Maßstäbe muss der Prüfer aus Gründen der Chancengleichheit auf die Bewertung aller Bearbeitungen derselben Prüfungsaufgabe anwenden. Auf ihrer Grundlage trifft er eine Vielzahl fachlicher und prüfungsspezifischer Wertungen; diese Wertungen setzt er nach der Bedeutung, die er ihnen aufgabenbezogen beimisst, in ein Verhältnis zueinander. Aufgrund der Gewichtung der einzelnen Vorzüge und Nachteile der Prüfungsleistung und deren Vergleich mit anderen Bearbeitungen vergibt der Prüfer die Note, d.h. er ordnet die Prüfungsleistung in eine normativ vorgegebene Notenskala ein. Die Eigenart dieses Bewertungsvorgangs und die dabei zu beachtenden Anforderungen des Gebots der Chancengleichheit machen es notwendig, den Prüfern einen Bewertungsspielraum zuzuerkennen, dessen Wahrnehmung nur einer zurückgenommenen verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung unterliegt. Der Bewertungsspielraum erstreckt sich jedoch nicht auf fachliche Wertungen des Prüfers, d.h. auf dessen Entscheidungen über die fachliche Richtigkeit konkreter Ausführungen des Prüfungsteilnehmers. Hierbei handelt es sich um Stellungnahmen zu Fachfragen, die einer fachwissenschaftlichen Erörterung zugänglich sind. Deren Bewertung hängt davon ab, ob die vom Prüfungsteilnehmer vertretene Auffassung nach dem Stand der Fachwissenschaft vertretbar ist. Die Verwaltungsgerichte haben nachzuprüfen, ob der Prüfer diesen Maßstab beachtet, d.h. eine fachlich richtige oder doch vertretbare Bemerkung nicht als falsch bewertet hat. Ein derartiger genereller Maßstab fehlt jedoch bei den Wertungen, die sich damit befassen, wie der Prüfungsteilnehmer die Anforderungen der konkreten Prüfungsaufgabe bewältigt hat. Sie beruhen auf dem autonomen Bezugssystem des jeweiligen Prüfers. Solche prüfungsspezifischen Wertungen sind die Bestimmung des Schwierigkeitsgrades der Aufgabe sowie die Bewertung der Überzeugungskraft der Argumente, des Aufbaus der Darstellung und der Folgerichtigkeit des Begründungsgangs. Prüfungsspezifisch sind auch die Gewichtungen der einzelnen fachlichen und prüfungsspezifischen Wertungen, d.h. die Bestimmung ihrer Bedeutung für die Notenvergabe. Hierfür muss sich der Prüfer darüber klar werden, welche durchschnittlichen Anforderungen er an eine Prüfungsleistung stellt. In Bezug auf prüfungsspezifische Wertungen sind die Verwaltungsgerichte darauf beschränkt nachzuprüfen, ob der Prüfer die Prüfungsleistung vollständig und richtig zur Kenntnis genommen hat, sachwidrige Erwägungen in die Bewertung hat einfließen lassen, seine autonomen Bewertungsmaßstäbe einheitlich angewandt und allgemeingültige Bewertungsgrundsätze beachtet hat. Schließlich müssen die prüfungsspezifischen Wertungen und Gewichtungen nachvollziehbar sein; sie dürfen insbesondere keine inhaltlichen Widersprüche enthalten</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">BVerwG, Beschluss vom 5. März 2018 - 6 B 71.17 - u.a., NJW 2018, 2142 = juris Rn. 8 ff.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">1. Ein zu einem Anspruch auf Neubewertung führende Bewertungsfehler ergibt sich danach nicht aus dem Vorbringen der Klägerin, der Erstprüfer des eingriffsrechtlichen Teils der Klausur, PD P.         , habe ihr und ihrer Schwester gegenüber erklärt, "dass noch (gemeint wohl: mehr) Punkte hätten vergeben können oder müssen". Die Behauptung, der Prüfer habe gesagt, es hätten mehr Punkte vergeben werden <em>müssen</em>, ist bereits nicht glaubhaft. Sie ist im Zulassungsverfahren erstmals aufgestellt worden, ohne dass sie aber in irgendeiner Weise erläutert worden wäre. Mit der Berufungsbegründung ist sie nicht mehr aufgegriffen worden. Es kann angesichts dessen nicht davon ausgegangen werden, dass die Aussage überhaupt gefallen ist.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Soweit die Klägerin mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung - entgegen der Darstellung des Prüfers - die Behauptung aufrechterhalten hat, dieser habe erklärt, dass mehr Punkte hätten vergeben <em>können</em>, stellt dies weder eine Zusicherung dar noch ergibt sich daraus eine Befangenheit des Prüfers. Insoweit kann auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts verwiesen werden. Entgegen der Auffassung der Klägerin folgt aus einer solchen Bemerkung - sollte sie tatsächlich gefallen sein - auch nicht zwingend, dass die vorgenommene Bewertung unrichtig oder nicht ordnungsgemäß wäre. Der prüfungsrechtliche Bewertungsspielraum bringt es mit sich, dass es bei einer Prüfungsleistung eine allein "richtige" Bewertung nicht gibt, sondern bei Anlegung eines milderen Maßstabs in aller Regel eine günstigere Punktevergabe möglich ist.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Vgl. näher etwa BVerwG, Beschluss vom 5. März 2018 - 6 B 71.17 -, a.a.O. Rn. 8 ff.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">2. a) Allerdings beanstandet die Klägerin zu Recht die Bewertung des Prüfungsteils "Eingriffsrecht". Sowohl die Erst- als auch die Zweitbewertung verfehlen die insoweit zu stellenden Anforderungen an die Begründung der Bewertung von schriftlichen Prüfungsleistungen. Der Senat hat hierzu bereits im Zulassungsbeschluss ausgeführt:</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">"Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gilt insoweit Folgendes: Der Prüfer hat bei schriftlichen Prüfungsarbeiten die tragenden Erwägungen darzulegen, die zur Bewertung der Prüfungsleistung geführt haben. Die Begründung muss so beschaffen sein, dass der Prüfling die die Bewertung tragenden Gründe der Prüfer in den Grundzügen nachvollziehen kann, d.h. die Kriterien erfährt, die für die Benotung maßgeblich waren, und verstehen kann, wie die Anwendung dieser Kriterien in wesentlichen Punkten zu dem Bewertungsergebnis geführt hat. Es muss zwar nicht in allen Einzelheiten, aber doch in den für das Ergebnis ausschlaggebenden Punkten erkennbar sein, welchen Sachverhalt sowie welche allgemeinen und besonderen Bewertungsmaßstäbe der Prüfer zugrunde gelegt hat und auf welcher wissenschaftlich-fachlichen Annahme des Prüfers die Benotung beruht. Dies schließt nicht aus, dass die Begründung nur kurz ausfällt, vorausgesetzt, die vorstehend dargestellten Kriterien für ein mögliches Nachvollziehen der grundlegenden Gedankengänge der Prüfer sind erfüllt.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Die Begründung muss zudem ihrer Zweckbestimmung gerecht werden, dem Prüfling die effektive Wahrnehmung des zum Schutz seiner Grundrechte durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleisteten Rechtsschutzes zu ermöglichen. Die Begründung muss daher so beschaffen sein, dass das Recht des Prüflings, im Rahmen eines verwaltungsinternen Überdenkensverfahrens Einwände gegen die Bewertung wirksam vorzubringen, ebenso gewährleistet ist wie sein Recht auf wirksame gerichtliche Kontrolle des Prüfungsverfahrens. Im Verwaltungsstreitverfahren muss die Einhaltung des Bewertungsspielraums überprüft werden können, der dem Prüfer im Bereich der prüfungsspezifischen Wertungen verbleibt; dies kann regelmäßig nur anhand der Begründung der Prüfungsbewertung festgestellt werden. Da das verwaltungsinterne Überdenkensverfahren anders als das Verwaltungsstreitverfahren - gerade auch zum Ausgleich der dort insoweit bestehenden Kontrollbeschränkungen - auch den Bereich der prüfungsspezifischen Wertungen einschließt, dürfen auch diese - wenn sie auch an Grenzen der Objektivierbarkeit stoßen - von der Begründung der Prüfungsbewertung nicht gänzlich ausgespart werden. Überdies ist mit der Begründungspflicht auch eine Garantie- und Klarstellungsfunktion für den Prüfer verbunden, dessen Selbstkontrolle sie in besonderem Maße fördert; dies ist bei Bestimmung von Inhalt und Umfang der gebotenen Begründung im Einzelfall gleichfalls zu berücksichtigen.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Zum Ganzen BVerwG, Beschluss vom 8. März 2012 - 6 B 36.11 -, NJW 2012, 2054 = juris Rn. 8 f. m. w. N., sowie Urteil vom 9. Dezember 1992 - 6 C 3.92 -, BVerwGE 91, 262 = juris Rn. 24 ff., insb. 27 ff.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Diesen Maßgaben, die insbesondere bei der Bewertung als nicht ausreichend Bedeutung erlangen, wird die Bewertung des Prüfungsteils "Eingriffsrecht" nicht gerecht. Diese ermöglicht es weder dem Prüfling noch dem Gericht, die sie tragenden Gründe in den Grundzügen nachzuvollziehen und zu verstehen, wie die Anwendung dieser Kriterien in wesentlichen Punkten zu dem Bewertungsergebnis geführt hat.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Dies gilt zunächst für die Erstbewertung. Der Prüfungsteil "Eingriffsrecht" umfasst etwas über 28 der insgesamt 38 Seiten der Prüfungsarbeit. Für ihn hat der Erstprüfer PD P.         26 von insgesamt 60 möglichen Punkten vergeben. Er hat dabei davon abgesehen, diese präzise gefasste Bewertung in einem eigenständigen ausformulierten und die Leistung zusammenfassend würdigenden Votum zu begründen; vielmehr hat er sich hierfür ausschließlich auf Randbemerkungen beschränkt. Es handelt sich dabei um eine eingehende Anmerkung in mehreren Sätzen auf Seite 1 der Klausur und darüber hinaus um insgesamt 16 stichwortartige Bemerkungen, im Einzelnen: "Freiheit der Person + RTS" ?, "?" (Seite 2); "§ 163b I StPO" (Seite 13); "Gutachten", "§ 58 II PolG ?" (Seite 19); "Frucht!" ?, "Festhalten/ Transport?", "FuV/ Ermessen/ ÜV?", "Freiheit" (Seite 20); "Gutachten?" (Seite 24); "Feststellung von Tatsachen!" (Seite 26); "A", "Begründung unzureichend!", "?" (Seite 28); "Gutachten?" (Seite 29). Hieraus ergibt sich zugleich, dass nicht weniger als 20 von 29 Seiten der Bearbeitung ohne jede Prüferbemerkung geblieben sind. Dies betrifft nicht lediglich die auf die Aufgabe 1 entfallenden Darlegungen, bei denen die Klägerin nach Ansicht des Prüfers bereits einen verfehlten Ansatz gewählt hat, sondern auch fünf der rund neun Seiten, die auf Aufgabe 2 entfallen und die - jedenfalls ist das der Begründung nicht zu entnehmen - nicht an einem derartigen Mangel leiden.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Diese wenigen Bemerkungen ermöglichen es auch dann nicht, die Bewertung auch nur in ihren Grundzügen nachvollziehen, wenn - was gleichfalls fraglich ist - zugrunde gelegt wird, dass sie trotz ihres Stichwortcharakters aus sich heraus verständlich sind. Denn der überwiegende Teil der Bearbeitung bleibt gänzlich ohne bewertende Anmerkung, und die vorhandenen Randbemerkungen sind mit Ausnahme der ersten äußerst knapp gehalten. Der Erstprüfer hat auch das Überdenkensverfahren nicht zu der - sich aufdrängenden - Möglichkeit genutzt, seine reduzierten Bemerkungen zu erläutern und anzureichern. Er hat es in seiner Stellungnahme vom 6. Juni 2015 auf den Widerspruch der Klägerin vielmehr dabei bewenden lassen, sich auf den (unzutreffenden) Standpunkt zu stellen, seine Randbemerkungen seien "auch wegen der Strukturbezogenheit völlig ausreichend, um Defizite zu erkennen und Punkt-/Prozentverluste nachvollziehen zu können", und die Richtigkeit seiner Randbemerkungen zu bestätigen. Damit hat er den Begründungsmangel vertieft, statt ihn zu beheben. Die einzige - ansatzweise - inhaltliche Anreicherung seiner Bewertung liegt in dem Hinweis auf die "Strukturbezogenheit". Der Bedeutungsgehalt dieses Hinweises erschließt sich indessen nicht. Unklar ist sowohl, welche Struktur, auf die die Randbemerkungen bezogen sein sollen, gemeint ist, als auch, auf welche Bemerkungen das zutreffen soll. Der überwiegende Teil der Randbemerkungen - so etwa "Freiheit der Person", "§ 163b I StPO", § 58 II PolG?" - bezieht sich, soweit nachvollziehbar, lediglich auf Mängel in den konkret kommentierten Ausführungen der Klägerin und offenbart damit aus sich heraus keine strukturellen Defizite der Bearbeitung.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Die Zweitkorrektur ist, da sich der Zweitprüfer (nach Angabe des beklagten Landes KOR U.       ) darauf beschränkt hat, sich der Erstkorrektur "vollumfänglich" anzuschließen, aus den gleichen Gründen unzureichend wie die Erstkorrektur. Grundsätzlich ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wenn sich der Zweitprüfer der Beurteilung der Prüfungsleistung durch einen anderen Prüfer mit einer kurzen Bemerkung anschließt; einer weiteren, umfangreichen Erläuterung der Gründe der gleichen Bewertung "mit anderen Worten" bedarf es dann nicht. Dies gilt aber nicht, wenn - wie hier - bereits die Bewertung des Erstprüfers den Anforderungen nicht genügt. Es ist zudem nicht einmal erkennbar, dass der Zweitprüfer seine Bewertung überhaupt überdacht hat; eine entsprechende Stellungnahme findet sich im Verwaltungsvorgang nicht. Hierin liegt ein zusätzlicher, mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung allerdings nicht gerügter Mangel des Prüfungsverfahrens.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Der weiteren, der Zulassungsbegründung (noch) zu entnehmenden Beanstandung, ein erheblicher Teil der Klausur sei gar nicht berücksichtigt worden, muss angesichts dessen nicht nachgegangen werden. Angemerkt sei allerdings, dass es zwar grundsätzlich innerhalb des Bewertungsspielraums des Prüfers liegt, wie Folgefehler bewertet werden. Es ist indessen in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass der Prüfer seine Bewertung nicht schon dann abbrechen darf, wenn die Bearbeitung nach einer - seiner Meinung nach - falschen Weichenstellung in eine nicht vorgesehene Richtung verläuft. In solchen Fällen wird sich regelmäßig die Frage stellen, ob die weiteren Ausführungen des Prüflings zumindest folgerichtig sind oder sonst Anhalt dafür geben, dass gewisse Kenntnisse im geprüften Sachgebiet vorhanden sind.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">BVerwG, Beschluss vom 8. August 1994 - 6 B 87.93 -, NVwZ-RR 1995, 146 = juris Rn. 9; Niehues/Fischer/</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Jeremies, a. a. O. (gemeint: 6. Auflage 2014), Rn. 531</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">m. w. N.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Namentlich bei Ausführungen zu einem verfehlten Ansatz, die wie hier einen erheblichen Teil der Gesamtleistung erfassen, liegt es nahe, dass diese Darlegungen zumindest darauf untersucht werden, ob ihnen ungeachtet des verfehlten Ansatzes noch Brauchbares zu entnehmen ist.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Folge des festzustellenden Fehlers ist die Aufhebung der Prüfungsentscheidung und die Verpflichtung zur Neubewertung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Ein Verfahrensfehler führt dann zur Aufhebung der Prüfungsentscheidung, wenn er wesentlich und sein Einfluss auf das Prüfungsergebnis nicht ausgeschlossen ist. Ist die Bewertung einer Aufsichtsarbeit wegen der fehlenden Begründung fehlerhaft, so ist regelmäßig davon auszugehen, dass sich dieser Mangel auch auf die Gesamtbewertung auswirkt.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 1992 - 6 C 3.92 -, a. a. O. Rn. 33.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Abweichendes ist hier nicht anzunehmen. Der Mangel ist auch im gerichtlichen Verfahren nicht behoben worden."</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">An diesen Feststellungen, denen das beklagte Land im Berufungsverfahren auch nichts entgegengesetzt hat, ist festzuhalten. Soweit die Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit der Berufungsbegründung ein zusammenfassendes Votum als Begründung des eingriffsrechtlichen Teils der Klausur wörtlich wiedergegeben haben, haben sie mit Schriftsatz vom 9. Januar 2019 klargestellt, es handele sich um ein Fehlzitat; zitiert worden sei versehentlich die Begründung der ersten Klausur der Klägerin, nicht der streitgegenständlichen Wiederholungsklausur. Es ist daher weiterhin zugrunde zu legen, dass sich die Begründung der Bewertung des eingriffsrechtlichen Teils der Klausur in den oben wiedergegebenen unzureichenden Randbemerkungen erschöpft.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">b) Die Begründung der Bewertung des strafrechtlichen Teils der Klausur hält hingegen der Rechtskontrolle Stand. Der Erstkorrektor hat hier mit der zusammenfassenden Begründung, die er auf dem Deckblatt für die Prüfungsarbeit niedergelegt hat, in Zusammenschau mit seinen vergleichsweise zahlreichen und teils in vollständigen Sätzen gehaltenen Randbemerkungen hinlänglich die Erwägungen verdeutlicht, die für seine Bewertung des strafrechtlichen Teils maßgeblich waren. Den Hinweis auf das schlechte Zeitmanagement hat er in seiner Stellungnahme per E-Mail vom 28. August 2015 dahin erläutert, das Zeitmanagement an sich führe nicht zu Punktabzügen, sei aber der Grund dafür, dass die Klägerin zu wenig zum strafrechtlichen Teil der Klausur geschrieben und insbesondere die Ausführungen zu § 113 Abs. 2 Nr. 1 und zu § 250 Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht im geforderten Gutachtenstil ausformuliert habe. So verstanden als unzureichende Befassung mit den genannten Klausurproblemen unterliegt das Monitum keinen Rechtsbedenken. Ebenso wenig ist zu beanstanden, dass die Zweitprüferin sich der Erstkorrektur lediglich angeschlossen hat.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Auflage 2018, Rn. 711 m. w. N.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">3. Die von der Klägerin geltend gemachten Ausbildungsmängel sind von Vornherein ungeeignet, einen Anspruch auf Neubewertung einer Prüfungsleistung zu begründen.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 154 Abs. 1 und 2 VwGO.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 40, 47 Abs. 1 GKG i.V.m. § 52 Abs.1 und 2 GKG.</p>
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171,255 | ovgnrw-2019-01-15-6-a-155318 | {
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"name": "Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen",
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"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
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} | 6 A 1553/18 | 2019-01-15T00:00:00 | 2019-01-29T12:50:32 | 2019-02-12T13:44:29 | Beschluss | ECLI:DE:OVGNRW:2019:0115.6A1553.18.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Der Antrag wird abgelehnt.</p>
<p>Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.</p>
<p>Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf die Wertstufe bis 25.000 Euro festgesetzt.</p><br style="clear:both">
<h1><span style="text-decoration:underline">G r ü n d e :</span></h1>
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">I. Aus den im Zulassungsverfahren dargelegten Gründen ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Das Verwaltungsgericht hat angenommen, die Entlassungsverfügung vom 6. Oktober 2016 sei rechtmäßig. Der Kläger habe sich ausweislich der dienstlichen Beurteilungen vom 18. Juli 2016 und 8. Juni 2015, die nach den Urteilen in den jeweiligen Klageverfahren rechtlich nicht zu beanstanden seien, in der Probezeit nicht bewährt. Das beklagte Land habe auch die erste dienstliche Beurteilung in der Probezeit vom 15. April 2011 in den Blick nehmen dürfen, nach der die Bewährung noch nicht festgestellt werden konnte. Mit diesbezüglichen Rügen sei der Kläger ausgeschlossen. Angesichts der gravierenden fachlichen Mängel, die während der gesamten Probezeit zu Tage getreten seien, habe das beklagte Land rechtsfehlerfrei entschieden, dass der Kläger sich in der Probezeit nicht bewährt habe. Dass Zeiten, in denen der Kläger aufgrund vorangegangener, für sofort vollziehbar erklärter Entlassungsverfügungen rechtlich an der Dienstausübung gehindert gewesen sei, nicht bewertet werden könnten, liege in der Natur der Sache.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Antragsbegründung zeigt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit dieser näher begründeten Erwägungen auf.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">1. Formelle Fehler werden nicht mit dem Vorbringen dargelegt, angesichts der ausdrücklichen Zustimmung des Personalrats zur Entlassungsverfügung müsse von dessen unzureichender Information ausgegangen werden. Der Kläger meint, die wiederholt rechtswidrigen Beurteilungen des Klägers und darauf gestützten rechtswidrigen Entlassungen hätten den Personalrat und ebenso die Gleichstellungsbeauftragte, wären diese über die Einzelheiten informiert gewesen, zum Handeln aufgerufen. Damit werden keine Rechtsfehler aufgezeigt.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Personalrat und Gleichstellungsbeauftragte sind mit Schreiben vom 15. September 2016 in kurzer und knapper Form - zutreffend - über den Sachverhalt informiert worden. Darin wird, anders als vom Kläger dargestellt, auch die Vorgeschichte erwähnt: Die Vorlage nimmt Bezug auf die früheren Vorlagen vom 5. Mai und 23. Juni 2015 und führt auch das verwaltungsgerichtliche Verfahren hinsichtlich der Entlassungsverfügung vom 15. Juli 2015 an.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Halten der Personalrat oder die Gleichstellungsbeauftragte weitere Informationen für erforderlich, müssen sie diese anfordern. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des beschließenden Senats begründet eine etwaige Verletzung des der Sphäre der Personalvertretung bzw. der Gleichstellungsbeauftragten zuzuordnenden, von ihnen selbst nicht geltend gemachten weitergehenden Informationsanspruchs nicht die Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Maßnahme.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 2004 - 2 B 54.04 -, juris Rn. 5, und Urteil vom 12. Oktober 1989 - 2 C 22.87 -, BVerwGE 82, 356 = juris Rn. 24; OVG NRW, Beschlüsse vom 9. Juli 2018 - 6 B 522/18 -, IÖD 2018, 190 = juris Rn. 8 ff., vom 26. April 2018 ‑ 6 B 68/18 -, juris Rn. 7, vom 29. November 2017 ‑ 6 A 1840/16 -, juris Rn. 4, und vom 29. Juni 2016 ‑ 6 A 2067/14 -, NWVBl. 2017, 114 = juris Rn. 10 ff.; OVG Bremen, Urteil vom 17. März 2004 - 2 A 360/03 -, IÖD 2005, 16 = juris Rn. 61.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">2. Das Vorbringen, die Entlassungsverfügung sei rechtswidrig, weil sie erhebliche Zeiträume der Probezeit nicht berücksichtige, stellt die Richtigkeit des angefochtenen Urteils nicht schlüssig in Frage. Die Zeit seit dem 21. September 2009 ist Gegenstand der dienstlichen Beurteilung vom 15. April 2011, die in der Entlassungsverfügung auch erwähnt wird. Überdies trägt der Kläger nicht vor, wie nach dem dortigen Gesamturteil „noch nicht in vollem Umfang bewährt“ und den diesbezüglichen Feststellungen entgegen den beiden nachfolgenden dienstlichen Beurteilungen eine positive Bewährungsprognose hätte in Betracht kommen können. Der weiter angeführte Zeitraum vom 8. Januar 2014 bis zum 31. Juli 2014 ist Gegenstand der dienstlichen Beurteilung vom 8. Juni 2015. Insoweit wird auf die Gründe des Beschlusses vom heutigen Tage im Verfahren 6 A 1597/18 Bezug genommen. Die geltend gemachte Beurteilungslücke vom 15. April 2011 bis zum 31. August 2011 ist, was der Kläger in seiner Antragsschrift außer Betracht lässt, um die davon erfassten Ferienzeiten (zwei Wochen Osterferien, fünf Wochen Sommerferien) zu reduzieren und beträgt danach nur noch knapp drei Monate. Dass es mit Blick auf diesen kurzen Zeitraum an einer vollständigen Abbildung der Leistungsentwicklung als Grundlage für die Bewährungsentscheidung fehlen soll, legt der Kläger nicht dar. Sein Hinweis im Zusammenhang mit den Angriffen gegen die dienstliche Beurteilung vom 18. Juli 2016, es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Unterrichtserteilung in der Zeit schlecht gewesen sei, wobei er wegen des Zeitablaufs keine Details mehr schildern könne, reicht insoweit nicht aus.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">3. Mit der Rüge, die zulässige Höchstprobezeit von fünf Jahren (vgl. § 10 Satz 1 BeamtStG) sei überschritten worden, werden ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils aufgezeigt. Ob die Probezeit hier länger als fünf Jahre dauerte, weil, wie der Kläger meint, der Zeitraum berücksichtigt werden muss, in dem er aufgrund der - später aufgehobenen - sofort vollziehbaren Entlassungsverfügung vom 29. Oktober 2012 nicht im Dienst war, kann offen bleiben, weil dies für die Rechtmäßigkeit der Entlassungsverfügung ohne Bedeutung ist. Selbst wenn die Probezeit unzulässig verlängert worden wäre, folgt daraus weder ein automatischer Übergang in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit noch ein Anspruch auf Übernahme in ein solches. Im Übrigen erfolgte die Verlängerung der Probezeit bis zum 31. Juli 2015 durch Bescheid vom 10. Dezember 2013 im Interesse des Klägers, der diesen auch hat bestandskräftig werden lassen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">4. Die Einwände gegen die dienstlichen Beurteilungen vom 8. Juni 2015 und 18. Juli 2016 begründen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Insoweit wird, da hier keine neuen Gesichtspunkte vorgebracht werden, auf die Beschlüsse vom heutigen Tage in den diesbezüglichen Verfahren 6 A 1597/18 und 6 A 1554/18 Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">II. Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf. Das wäre nur dann der Fall, wenn die Angriffe des Klägers begründeten Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung gäben, die sich nicht ohne Weiteres im Zulassungsverfahren klären lassen, sondern die Durchführung eines Berufungsverfahrens erfordern; der Ausgang des Rechtstreits muss als offen erscheinen. Dies ist – wie oben ausgeführt – nicht der Fall.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">III. Die Berufung ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zuzulassen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">1. Mit dem Zulassungsantrag wird nicht dargelegt, dass die Ablehnung des in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrags, der sich auf die dienstliche Beurteilung vom 15. April 2011 bezog, im Verfahrensrecht keine Stütze findet. Der Kläger bringt lediglich vor, die Ablehnung sei unzutreffend gewesen. Das genügt nicht den Darlegungsanforderungen. Entsprechendes gilt für die Rüge, das Verwaltungsgericht habe im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes die „Details der dargelegten Beurteilungslücken“ aufklären müssen. Was hier auf welche Weise hätte ermittelt werden müssen, ist der Antragsbegründung nicht zu entnehmen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">2. Ein Verfahrensmangel ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen, das Verwaltungsgericht hätte klären müssen, ob in die Zeit zwischen dem 21. September 2012 und 31. Oktober 2012 besondere Ereignisse fielen, die das Beurteilungsergebnis beeinflusst haben. Wie im Beschluss vom heutigen Tage im Verfahren 6 A 1554/18 ausgeführt, beruhte das für den Kläger negative Beurteilungsergebnis maßgeblich auf den Erkenntnissen aus den Unterrichtsbesuchen zwischen Dezember 2011 und Mai 2012 und fehlten jegliche Anhaltspunkte dafür, dass es zwischen dem 21. September 2012 und dem 31. Oktober 2012 besondere Ereignisse gab, die möglicherweise eine andere Beurteilung erfordert hätten. Angesichts dessen musste das Verwaltungsgericht nicht ins Blaue hinein weitere Sachverhaltsermittlungen anstellen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 und 3 GKG.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Der Beschluss ist unanfechtbar. Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).</p>
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171,254 | ovgnrw-2019-01-15-6-a-155418 | {
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"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 6 A 1554/18 | 2019-01-15T00:00:00 | 2019-01-29T12:50:31 | 2019-02-12T13:44:29 | Beschluss | ECLI:DE:OVGNRW:2019:0115.6A1554.18.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Der Antrag wird abgelehnt.</p>
<p>Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.</p>
<p>Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.</p><br style="clear:both">
<h1><span style="text-decoration:underline">G r ü n d e :</span></h1>
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">I. Aus den im Zulassungsverfahren dargelegten Gründen ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Das Verwaltungsgericht hat angenommen, die dienstliche Beurteilung vom 18. Juli 2016 sei formell ordnungsgemäß zustande gekommen und materiell rechtmäßig. Auf das Beurteilungsgespräch habe die Beurteilerin verzichten dürfen. Der Beurteilungszeitraum lasse sich aus der dienstlichen Beurteilung hinreichend sicher ermitteln. Die Beurteilungslücke vom 16. April 2011 bis zum 31. August 2011 habe keinen Einfluss auf die Richtigkeit der tatsächlichen Entscheidungsgrundlage des Bewährungsurteils gehabt. Die dienstliche Beurteilung leide auch nicht an einem Plausibilitäts- oder Schlüssigkeitsdefizit. Die Verletzung allgemeingültiger Beurteilungs- und Wertmaßstäbe lasse sich nicht feststellen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Antragsbegründung zeigt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit dieser näher begründeten Erwägungen auf.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">1. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, ein Verstoß gegen Nr. 5.1 der hier noch anwendbaren Richtlinien für die dienstliche Beurteilung der Lehrkräfte sowie der Leiterinnen und Leiter an öffentlichen Schulen und Studienseminaren vom 2. Januar 2003 (im Folgenden: BRL) liege nicht vor, wird mit dem Antragsvorbringen nicht schlüssig in Frage gestellt. Nach dieser Bestimmung soll vor der Abfassung der Beurteilung mit dem zu Beurteilenden ein Gespräch geführt werden, um seine eigene Auffassung berücksichtigen zu können (Satz 1). Dieses Gespräch muss stattfinden, wenn die oder der zu Beurteilende es wünscht (Satz 2). Das Verwaltungsgericht hat hierzu ausgeführt, die Beurteilerin habe nach zwei gescheiterten Versuchen, den Kläger dazu einzuladen, auf ein solches verzichten dürfen, da die Voraussetzungen des Satzes 2 nicht vorlägen. Der Antragsbegründung sind keine tragfähigen Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass für die Beurteilerin Gegenteiliges erkennbar war. Zur Zeit des ersten Gesprächstermins am 21. Juni 2016 war der Kläger zwar krankgeschrieben, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wurde aber bereits am 6. Juni 2016 und damit vor Absendung der Einladung am 10. Juni 2016 ausgestellt. Der Kläger hat weder den Gesprächstermin unter Hinweis auf seine Erkrankung abgesagt noch ist vorgetragen oder erkennbar, dass die Erkrankung auch der Teilnahme an einem Beurteilungsgespräch entgegenstand. Zudem hat er das Einschreiben mit der Einladung trotz Benachrichtigung nicht abgeholt, wozu die Antragsbegründung sich nicht verhält. Sprachen schon diese Umstände dafür, dass der Kläger kein Beurteilungsgespräch wünschte, gilt dies erst recht in Bezug auf den zweiten, für den 30. Juni 2016 anberaumten Gesprächstermin. Auch hier hat der Kläger das per Einschreiben erfolgte Einladungsschreiben nicht angenommen. Nachdem die Einladung seinem Prozessbevollmächtigten mit der Bitte um Weiterleitung übersandt worden war, hat der Kläger zwar mit Schreiben vom 28. Juni 2016 abgesagt. Diesem Schreiben, in dem er auf nicht näher konkretisierte gesundheitliche Gründe, einen zu kurzen Vorbereitungszeitraum sowie eine fehlende Strukturierung hinwies, sind aber keinerlei Anhaltspunkte für den Wunsch des Klägers nach einem Beurteilungsgespräch zu entnehmen. Angesichts dieses Sachverhalts rechtfertigen die mit der Antragsbegründung geltend gemachte hohe Bedeutung der dienstlichen Beurteilung für den Verbleib des Klägers im Beamtenverhältnis und der Umstand, dass er dazu auch gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch genommen hatte, keine andere Betrachtung.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">2. Der Kläger zeigt keine ernstlichen Richtigkeitszweifel in Bezug auf die Annahme des Verwaltungsgerichts auf, aus der dienstlichen Beurteilung vom 18. Juli 2016 selbst sei - den Anforderungen des Nr. 4.2 Satz 1 BRL entsprechend - der Beurteilungszeitraum erkennbar. Sie betrifft, wie sich aus den Angaben zur Dienststelle unter I.1. ergibt, den Zeitraum vom 1. September 2011 bis zum 31. Oktober 2012. Auch bezieht die dienstliche Beurteilung lediglich Erkenntnisse aus der Tätigkeit des Klägers an der Städtischen Gesamtschule O.       in N.        ein, die mit der Versetzung dorthin zum 1. September 2011 begann und mit der Entlassung mit Wirkung zum 31. Oktober 2012 endete. Angesichts dessen rechtfertigt im vorliegenden Fall die Angabe des Datums der letzten Beurteilung vom 15. April 2011 keine andere Betrachtung. Nur wenn es im Einzelfall an hinreichenden objektiven Anhaltspunkten dazu fehlt, wie der der Beurteilung zugrunde liegende Zeitraum eingegrenzt ist, kann die Auslegungsregel greifen, dass zur Vermeidung einer Beurteilungslücke „im Zweifel“ beabsichtigt sein dürfte, unmittelbar an den Zeitraum der letzten Vorbeurteilung anzuknüpfen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 22. Mai 2018 - 6 B 88/18 -, juris Rn. 32 ff., vom 12. Februar 2015 - 6 B 1154/14 -, juris Rn. 7, vom 15. August 2014 - 6 B 600/14 -, juris Rn. 8, vom 23. April 2013 - 6 B 285/13 -, juris Rn. 4, und vom 8. Juni 2012 - 6 B 480/12 -, juris Rn. 7.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Dass das Ausstellungsdatum der 18. Juli 2016 ist und damit zeitlich zusammenhängende Termine für Beurteilungsgespräche genannt sind, führt entgegen der Darstellung des Klägers zu keinerlei Unklarheiten, sondern ist die übliche Folge der Aufhebung und anschließenden Neuerstellung einer dienstlichen Beurteilung.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">3. Der Hinweis des Klägers auf einen Verstoß gegen Nr. 3.2 BRL, wonach die Beurteilung spätestens drei Monate vor Ablauf der allgemeinen, im Einzelfall festgesetzten oder verlängerten Probezeit abzugeben ist, verhilft dem Zulassungsantrag ebenfalls nicht zum Erfolg. Hieraus kann er schon deshalb nichts für die Rechtswidrigkeit der dienstlichen Beurteilung ableiten, weil dies zwangsläufige Folge der erfolgreichen Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes gegen die erste dienstliche Beurteilung vom 4. September 2012 ist. Auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts wird Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">4. Dass der Beurteilungszeitraum, der sich aus der streitgegenständlichen dienstlichen Beurteilung ergibt, erst am 31. Oktober 2012 endet und damit über das Ende der allgemeinen, dreijährigen laufbahnrechtlichen Probezeit am 20. September 2012 hinausgeht, führt entgegen dem Zulassungsvorbringen nicht zu ihrer Rechtswidrigkeit. Es ist weder dargelegt noch erkennbar, weshalb eine Beurteilung nur bis zu diesem Zeitpunkt zu einem für den Kläger günstigeren Ergebnis hätte führen können. Das für den Kläger negative Beurteilungsergebnis fußte vielmehr maßgeblich auf den vier als Beurteilungsgrundlagen angeführten Unterrichtsbesuchen, die zwischen Dezember 2011 und Mai 2012 stattfanden. Zudem fielen in die Zeit zwischen dem 21. September und dem 31. Oktober 2012 ein Feiertag (3. Oktober) und zwei Wochen Herbstferien (6. Oktober bis 21. Oktober 2012). Angesichts dessen reicht der pauschale Hinweis des Klägers nicht aus, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass besondere Ereignisse in dieser Zeit das Beurteilungsergebnis beeinflusst hätten.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">5. Mit der Rüge, die zulässige Höchstprobezeit von fünf Jahren (vgl. § 10 Satz 1 BeamtStG) sei überschritten worden, werden ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils aufgezeigt. Ob die Probezeit hier länger als fünf Jahre dauerte, weil, wie der Kläger meint, der Zeitraum berücksichtigt werden muss, in dem er aufgrund der - später aufgehobenen - sofort vollziehbaren Entlassungsverfügung vom 29. Oktober 2012 nicht im Dienst war, kann offen bleiben. Die streitgegenständliche dienstliche Beurteilung bezieht sich auf die Zeit vom 1. September 2011 bis 31. Oktober 2012 - also nicht auf die am 10. Dezember 2013 bis zum 31. Juli 2015 verlängerte Probezeit.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">6. Dem Vorbringen, es fehle an belastbaren Beurteilungsgrundlagen, weil die zugrunde gelegten Unterrichtsbesuche 2011 und 2012 bei Erteilung der dienstlichen Beurteilung am 18. Juli 2016 mehr als vier Jahre zurückgelegen hätten, ist nicht zu folgen. Ob die Unterrichtsbesuche der Schulleiterin am 21. Dezember 2011, 17. März 2012, 14. Mai 2012 und 25. Mai 2012 mit einer mündlichen oder praktischen Prüfung vergleichbar sind, wie der Kläger meint, kann offen bleiben. Anders als mit der Antragsbegründung dargestellt, steht im Streitfall nicht die Neubewertung der Unterrichtsbesuche in Rede, sondern die erneute Abfassung einer dienstlichen Beurteilung für einen Teil der Probezeit des Klägers, die sich aus zahlreichen Erkenntnisgrundlagen zusammensetzt. Diese war erforderlich geworden, nachdem die zeitnah erstellte dienstliche Beurteilung vom 4. September 2012 durch Urteil des Verwaltungsgerichts vom 29. Oktober 2013 - 2 K 8394/12 - aufgehoben worden war und der Senat mit Beschluss vom 23. März 2016 - 6 B 6/16 - entschieden hatte, dass es an einer dienstlichen Beurteilung fehle, die diese ersetze. Inwieweit die vom Kläger geforderten aktuellen Unterrichtsbesuche vor Abfassung der dienstlichen Beurteilung im Jahr 2016, die überdies nicht möglich gewesen wären, weil der Kläger längerfristig dienstunfähig erkrankt war, Aufschluss über in der Zeit von 2011 bis 2012 erbrachte Leistungen und gezeigte Fähigkeiten geben sollen, erschließt sich dem Senat überdies nicht.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">7. Ernstliche Richtigkeitszweifel ergeben sich nicht aus dem Vortrag zu einer angeblichen Beurteilungslücke. Die Rüge des Klägers betrifft den Zeitraum vom 10. Februar 2011 bis zum 31. August 2011, der vor dem Beurteilungszeitraum der streitgegenständlichen Beurteilung liegt. Mit der Antragsbegründung wird zwar zutreffend ausgeführt, dass dienstliche Beurteilungen nicht nur den jeweils aktuellen Leistungsstand eines Beamten darstellen, sondern im Verein mit älteren Beurteilungen die Leistungsentwicklung grundsätzlich vollständig abbilden sollen. Der Kläger legt aber nicht dar, warum sich aus der angeblichen Beurteilungslücke die Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen dienstlichen Beurteilung ergeben soll. Ob die dienstliche Beurteilung vom 15. April 2011 fehlerhaft ist, weil sie, wie der Kläger wohl meint, lediglich Erkenntnisse bis zum 10. Februar 2011 einbeziehe, ist hier nicht zu beurteilen; mit diesbezüglichen Einwendungen dürfte der Kläger im Übrigen zwischenzeitlich wegen Verwirkung ausgeschlossen sein. In den danach verbleibenden Zeitraum von viereinhalb Monaten (16. April bis 31. August 2011) fallen, wie das zutreffend Verwaltungsgericht angeführt hat, zwei Wochen Osterferien und fünf Wochen Sommerferien. Dass es mit Blick auf den kurzen Zeitraum von danach weniger als drei Monaten gleichwohl an einer vollständigen - möglicherweise ein anderes Gesamturteil rechtfertigenden - Abbildung der Leistungsentwicklung fehlen soll, legt der Kläger nicht dar. Der Hinweis des Klägers, es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Unterrichtserteilung in der Zeit schlecht gewesen sei, wegen des Zeitablaufs seitdem könne er keine Details mehr schildern, reicht insoweit nicht aus.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">8. Der Kläger zeigt mit seiner Antragsbegründung nicht auf, dass die dienstliche Beurteilung vom 18. Juli 2016 entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts an einem Plausibilitätsdefizit leidet oder Beurteilungs- und Wertmaßstäbe verletzt. Dass die Feststellungen in der dienstlichen Beurteilung das Urteil der Nichtbewährung nicht tragen, dieses also nicht plausibel sei, macht der Kläger schon nicht substantiiert geltend. Er wendet sich im Wesentlichen gegen die Bewertung seiner Leistungen und Fähigkeiten, ohne allerdings eine Überschreitung des der Schulleiterin zustehenden Beurteilungsspielraums darzulegen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung des Dienstherrn darüber, ob der Beamte sich in der Probezeit nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bewährt hat, ist ein Akt wertender Erkenntnis seines für die Beurteilung zuständigen Organs. Die Frage, ob sich der Beamte auf Probe in diesem Sinne für das konkret angestrebte Amt bewährt hat, unterliegt nach ständiger verwaltungsgerichtsgerichtlicher Rechtsprechung nur eingeschränkter gerichtlicher Überprüfung. Die Entscheidung über die Bewährung erfordert eine Bewertung des Dienstherrn, der letztlich nur selbst entscheiden kann, welche Anforderungen das angestrebte Amt stellt. Das Gericht ist in diesem Zusammenhang darauf beschränkt zu überprüfen, ob der Dienstherr den angewendeten Begriff der Bewährung und den gesetzlichen Rahmen des Beurteilungsspielraums verkannt hat, ob er von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">St. Rspr., vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2001 - 2 A 5.00 -, ZBR 2002, 184 = juris Rn. 15; OVG NRW, Beschlüsse vom 12. Dezember 2017 - 6 A 2496/16 -, juris Rn. 5, vom 13. April 2017 - 6 A 8/17 -, juris Rn. 4, vom 23. März 2016 - 6 B 6/16 -, juris Rn. 5, vom 26. September 2014 - 6 A 1767/11 -, juris Rn. 9, vom 14. Mai 2014 - 6 A 1366/13 -, juris Rn. 12, und vom 16. Mai 2011 - 1 B 477/11 -, ZBR 2011, 419 = juris Rn. 12 f.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Derartige Fehler zeigt der Kläger nicht auf. Hingegen ist es für die Rechtmäßigkeit der Beurteilung nicht von Belang, dass er seine Leistungen selbst anders einschätzt oder bestimmten Aspekten seiner Tätigkeit eine besondere bzw. abweichende, so in der Beurteilung nicht zum Ausdruck kommende Bedeutung beimisst. Ob die Bewertungen „richtig“ waren, hat das Gericht nicht zu überprüfen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, die Ausführungen in der dienstlichen Beurteilung seien zu pauschal und phrasenhaft, es fehle an konkreten Bezügen zu Ereignissen im Schulalltag oder zu Unterrichtsbesuchen und damit an Belegen und Begründungen für die getroffenen Bewertungen. Daraus ergibt sich nicht die Rechtsfehlerhaftigkeit der dienstlichen Beurteilung.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Es obliegt grundsätzlich der Entscheidung des Dienstherrn, wie er die ihm aufgegebene Aussage zu den einzelnen Beurteilungsmerkmalen gestalten und begründen will. Tatsächliche Grundlagen, auf denen Werturteile beruhen, sind dabei nicht notwendig in die dienstliche Beurteilung aufzunehmen. Der Dienstherr darf sich auf die Angabe zusammenfassender Werturteile aufgrund einer unbestimmten Vielzahl nicht benannter Einzeleindrücke und Einzelbeobachtungen während des Beurteilungszeitraums beschränken.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Urteile vom 26. Juni 1980 - 2 C 8.78 -, BVerwGE 60, 245 = juris Rn. 20, und vom 17. September 2015 - 2 C 27.14 -, BVerwGE 153, 48 = juris Rn. 15 ff.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Das Verwaltungsgericht kann deshalb nicht die Darlegung und den Nachweis der einzelnen „Tatsachen“ verlangen, die diesen Werturteilen in ihrem Ursprung zugrunde liegen, in ihnen selbst aber - entsprechend der dem Dienstherrn insoweit zustehenden Gestaltungsfreiheit - nicht in bestimmbarer, dem Beweis zugänglicher Weise enthalten sind. Ein solches Verlangen ließe außer Acht, dass die einem Werturteil zugrundeliegenden einzelnen tatsächlichen Vorgänge in der - zusammenfassenden und wertenden - persönlichen Beobachtung des Urteilenden verschmolzen und als solche nicht mehr feststellbar sind. Der Dienstherr muss die Werturteile lediglich auf substantiierte Einwendungen des Betroffenen erläutern, konkretisieren und dadurch plausibel machen, damit sie für diesen nachvollziehbar werden. Solche Darlegungen können noch bis in das verwaltungsgerichtliche Verfahren hinein erfolgen.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Urteil vom 1. März 2018 - 2 A 10.17 -, IÖD 2018, 122 = juris Rn. 32 ff., m. w. N.; OVG NRW, Beschluss vom 28. Juni 2018 - 6 B 1180/17 -, juris Rn. 29, m. w. N.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass der Kläger zur angefochtenen dienstlichen Beurteilung vom 18. Juli 2016 im Klageverfahren keine konkreten Einwendungen erhoben hat, sondern lediglich auf seine Rügen zur dienstlichen Beurteilung vom 4. September 2012 Bezug genommen hat. Soweit er mit dem Zulassungsvorbringen geltend macht, die dienstliche Beurteilung vom 18. Juli 2016 entspreche im Wesentlichen der aufgehobenen dienstlichen Beurteilung vom 4. September 2012, sind die darin enthaltenen Bewertungen bereits in früheren Stellungnahmen des beklagten Landes erläutert und auch gerichtlich überprüft worden. Dies hat das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil im Einzelnen näher ausgeführt, ohne dass der Kläger dem substantiiert entgegengetreten wäre.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Hinsichtlich der erstmals mit der Antragsbegründung angegriffenen geänderten Formulierungen in der dienstlichen Beurteilung vom 18. Juli 2016 werden keine die Zulassung der Berufung rechtfertigenden Einwendungen erhoben. Dass die Schulleiterin keine Fachlehrerin für Deutsch, Sport und Literatur ist, ist unerheblich, weil sie sich als zuständige Beurteilerin Kenntnisse für die Bewertung der Fachdidaktik verschaffen kann und muss. Aus dem weiter angeführten Umstand, dass der Kläger einen Lektürevorschlag für den 11. Jahrgang gemacht hat, der von den Kolleginnen angenommen wurde, lässt sich nicht schließen, es sei ihm entgegen der Annahme in der dienstlichen Beurteilung gelungen, selbständig mit anderen Lehrkräften in einen nachhaltigen Austausch zu treten. Die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil, damit sei nach den Erläuterungen der Beurteilerin - zulässigerweise - die gemeinsame Planung und Reflektion von Unterricht gemeint, greift der Kläger im Zulassungsverfahren nicht an. Die dienstliche Beurteilung ist auch nicht deshalb lückenhaft, da das Fach Literatur, wie der Kläger meint, „überhaupt nicht bewertet wurde“. Dieses wird bei den unterrichtlichen Tätigkeiten erwähnt. Die Beurteilung der Leistungen als Lehrer bezieht sich überdies auf alle Unterrichtsfächer, was der Kläger auch an anderer Stelle - als Kritikpunkt - anführt.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Im Übrigen erhebt der Kläger mit der Antragsbegründung zu den geänderten Formulierungen in der angefochtenen dienstlichen Beurteilung keine substantiierten Einwendungen, sondern macht lediglich geltend, die getroffenen Feststellungen seien pauschal und generalisierend, würden in der dienstlichen Beurteilung nicht erläutert sowie an Belegen aus dem Schulalltag oder aus Unterrichtsbesuchen festgemacht und es bleibe im Dunkeln, was die Beurteilerin damit gemeint habe. Dies reicht nach den obigen Ausführungen nicht aus, zumal die den Bewertungen zugrunde liegenden Tatsachen bereits im Zusammenhang mit der - später aufgehobenen - dienstlichen Beurteilung vom 3. September 2012 erläutert worden sind. Ob es, wie vom Kläger geltend gemacht, zur Verwaltungspraxis des beklagten Landes gehört, die im Rahmen der Probezeit eingesehenen Unterrichtsstunden unter dem Punkt „Unterrichten“ dezidiert zu bewerten, kann offen bleiben. Dass dies in der Beurteilung selbst geschieht, kann der Kläger, wie ausgeführt, nicht beanspruchen.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">II. Die Berufung ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zuzulassen. Der Kläger meint, das Verwaltungsgericht hätte aufklären müssen, ob in die Zeit zwischen dem 21. September 2012 und 31. Oktober 2012 besondere Ereignisse fielen, die das Beurteilungsergebnis beeinflusst haben. Wie oben ausgeführt, beruhte das für den Kläger negative Beurteilungsergebnis  maßgeblich auf den Erkenntnissen aus den Unterrichtsbesuchen zwischen Dezember 2011 und Mai 2012 und fehlten jegliche Anhaltspunkte dafür, dass es zwischen dem 21. September 2012 und dem 31. Oktober 2012 besondere Ereignisse gab, die möglicherweise eine andere Beurteilung erfordert hätten. Angesichts dessen musste das Verwaltungsgericht nicht ins Blaue hinein weitere Sachverhaltsermittlungen anstellen, die der Kläger zudem weder näher bezeichnet noch mit einem Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung eingefordert hat.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 GKG.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Der Beschluss ist unanfechtbar. Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).</p>
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<p>für Recht erkannt:</p>
<p>Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p>Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.</p>
<p>Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrages leistet.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">Tatbestand</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin studierte an der beklagten Universität Zahnmedizin. Sie beantragte am 20. Juli 2009 die Einleitung und Durchführung des Verfahrens zur Erlangung eines Doktorgrades. Dazu fertigte sie eine Dissertation mit dem Thema „The effects of somatostatin on spreading depression in rat neocortical tissues“ an. Dabei gab sie eine Erklärung ab, dass sie die Arbeit unter anderem selbstständig und nur unter Benutzung der im Literaturverzeichnis angegebenen Literatur angefertigt habe. Erstgutachter der Arbeit war Q.    . E.  . H.       , Zweitgutachter Q.    . E.  . H1.     . Die Arbeit wurde mit dem Gesamtergebnis „magna cum laude“ bewertet und der Klägerin wurde am 7. Oktober 2009 der Doktorgrad verliehen.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Am 13. Mai 2014 wiesen Mitarbeiter der Internetplattform W.         X.    die Beklagte darauf hin, dass die Dissertation zum Teil „zusammenkopiert“ sei. Die Beklagte leitete daraufhin eine Überprüfung der Arbeit ein, informierte die Klägerin mit Schreiben vom 4. Juni 2014 hierüber und gab dieser Gelegenheit, Stellung zu den Vorwürfen zu nehmen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Erstgutachter Q.    . E.  . H.       wies mit Schreiben vom 25. Juni 2014 auf die selbstständige experimentelle Arbeit und den Gewinn neuer Forschungsergebnisse hin. Experimente in dieser Art seien bisher noch nie durchgeführt worden. Auch würde eine Publikation der Ergebnisse unmittelbar bevorstehen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin wies mit Schreiben vom 6. Juli 2014 die Vorwürfe zurück und führte im Wesentlichen aus, dass sie alle Experimente persönlich unter Anleitung und Kontrolle ihres Doktorvaters durchgeführt habe. Die Aufgabenstellung sei eine Idee von Q.    . E.  . H.       gewesen. Vor dem Abfassen der Dissertationsschrift habe sie Q.    . E.  . H.       und Q.    . E.  . H1.     hinsichtlich der Literatur befragt. Die zitierten Textstellen seien sachgerecht gekennzeichnet worden. Die Analyse von W.         sei unvollständig. Die Untersuchung sei von der Klägerin weltweit erstmalig durchgeführt worden. Als Beweis für die Originalität der Dissertation verwies sie auf die bevorstehende Publikation eines Artikels in einer Fachzeitschrift.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Eine eingerichtete Untersuchungskommission der Beklagten stellte fest, dass große Teile der Dissertation Entsprechungen in anderen, früher erschienenen Veröffentlichungen aufwiesen. Mit Schreiben vom 22. April 2015 teilte die Beklagte der Klägerin das Ergebnis der Untersuchung mit und teilte mit, dass sie beabsichtige, dem Fachbereichsrat vorzuschlagen, die Dissertation für ungültig zu erklären und die Verleihung des Doktorgrades zurückzunehmen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nahm mit Schreiben vom 16. Juni 2015 Stellung zu den Vorwürfen und trug im Wesentlichen vor, dass die Klägerin selbstständig wissenschaftlich-experimentell gearbeitet habe. Übereinstimmungen mit anderen Texten seien der Thematik, einem Spezialgebiet der Hirnforschung, geschuldet. Es gebe lediglich Stellen unkorrekter Zitierung im Bereich der Einleitung und der Diskussion. Beide Berichterstatter kannten darüber hinaus die verwendeten Texte. Die Maßnahme der Beklagten sei nicht verhältnismäßig.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der Fachbereichsrat beschloss auf Antrag des Dekans am 12. April 2016 mit vierzehn Ja-Stimmen und einer Enthaltung, die Promotionsleistung für ungültig zu erklären und die Verleihung des Doktorgrades zurückzunehmen. Mit Bescheid vom 30. Mai 2016 erklärte der Dekan die Promotionsleistung für ungültig und nahm die Verleihung des Doktorgrades zurück. Zur Begründung verwies die Beklagte auf die umfangreichen und gravierenden Textübernahmen. Die Klägerin habe getäuscht, weil sie erklärt habe, die Dissertation selbstständig angefertigt zu haben. Dadurch habe sie einen Irrtum erzeugt. Der Umfang der Textübernahmen spreche für eine vorsätzliche Täuschung.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat am 9. Juni 2016 Klage erhoben. Zur Begründung verweist sie auf Ihre Ausführungen im Verwaltungsverfahren und trägt ergänzend und vertiefend vor, dass ihre Arbeit im Wesentlichen auf eigenständiger Forschungsarbeit im Labor beruhe. Diese Forschungsarbeit bilde den Schwerpunkt ihrer Arbeit und stelle den eigentlichen wissenschaftlichen Wert dar. Sie verweist auch auf die Stellungnahme von Q.    . E.  . T.       , welcher lediglich eine Rüge mit anschließender Korrektur empfohlen habe. Die Arbeit stelle trotz Vernachlässigung der gebotenen Zitierweise eine Bereicherung des (zahn-)ärztlichen Wissens dar, welche der Verleihung des Doktorgrades würdig sei. Die partielle Vernachlässigung der wissenschaftlichen Zitierweise stelle keine Täuschungshandlung dar. Ebenfalls liege kein Irrtum bei Q.    . E.  . H.       oder bei Q.    . E.  . H1.     vor. Die anderen am Promotionsverfahren beteiligten Stellen würden nur auf Grundlage der Gutachten entscheiden und seien keinem Irrtum unterlegen, welcher kausal für die Verleihung gewesen sei. Die vorgebildete Leserschaft sei ebenfalls keinem Irrtum erlegen. Auch liege kein Täuschungsvorsatz der Klägerin vor. Außerdem sei es fraglich, ob die Täuschung überhaupt ursächlich für die Verleihung des Doktorgrades gewesen sei. Der Bescheid sei auch deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt habe. Die Beklagte hätte mildere Mittel wie eine Nachbesserung in Betracht ziehen müssen. Auch hätte die Beklagte Vertrauensschutzgesichtspunkte berücksichtigen müssen. Überschneidungen lägen darüber hinaus in der Natur der Sache, weil es sich um ein sehr enges Fachgebiet handele. Die Beklagte müsse sich das Wissen und Handeln von Q.    . E.  . H.       und Q.    . E.  . H1.     zurechnen lassen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Sie beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid der Beklagten vom   00.00.0000, mit dem die Beklagte die Promotionsleistung der Klägerin für ungültig erklärt sowie die Verleihung des Doktorgrades an die Klägerin mit Datum vom      00.00.0000 zurücknimmt, aufzuheben.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Zur Begründung bezieht sie sich auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheides. Sie trägt ergänzend und vertiefend vor, dass die Plagiate im vorliegenden Fall die Bagatellgrenze überschritten hätten. Sie seien qualitativ und quantitativ erheblich. Nur weil der Schwerpunkt der Arbeit auf der eigenen Forschung liege, bedeute dies nicht, dass die Anforderungen an das wissenschaftliche Arbeiten in anderen Teilen geringer seien. Die Klägerin habe getäuscht und einen Irrtum hervorgerufen. Das Ermessen sei fehlerfrei ausgeübt worden.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">Entscheidungsgründe</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO) ist unbegründet, weil der Bescheid vom 30. Mai 2016 rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">I. Rechtsgrundlage für die Entscheidung, die Promotionsleistung für ungültig zu erklären, ist § 19 Abs. 1 Satz 1 der Promotionsordnung des Fachbereiches 5 Medizinische Fakultät vom       00.00.0000, zuletzt geändert durch Beschluss des Fachbereichsrates vom       00.00.0000 (PromO). Danach ist die Promotionsleistung für ungültig zu erklären, wenn sich ergibt, dass der/die Doktorand/-in beim Erbringen der Leistung sich einer Täuschung schuldig gemacht hat.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">1. Die Rechtsgrundlage ist wirksam. Die einer Entziehung eines Doktorgrades vorgelagerte Frage, ob die Prüfungsleistungen angesichts einer Täuschung noch als eine eigenständige wissenschaftliche Leistung zu qualifizieren sind, muss nicht als Ermessensnorm ausgestaltet werden.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 4. Januar 2018 - 14 A 610/17 -, juris, Rn. 27 ff.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">2. Der Bescheid ist formell rechtmäßig. Der Fachbereichsrat hat mit der erforderlichen Mehrheit beschlossen, die Promotionsleistung für ungültig zu erklären, § 19 Abs. 1 Satz 2 PromO.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">3. Der Bescheid ist materiell rechtmäßig. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Rechtsgrundlage liegen vor. Die Klägerin hat über die Eigenständigkeit der erbrachten wissenschaftlichen Leistungen getäuscht.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">a. Eine Dissertation stellt in ihrer Gesamtheit keine eigenständige wissenschaftliche Leistung dar, wenn sie quantitativ, qualitativ oder durch eine Gesamtschau von beiden Kriterien durch Plagiate geprägt ist.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2017 - 6 C 3/16 -, juris, Rn. 44; OVG NRW, Urteil vom 4. Januar 2018 - 14 A 610/17 -, juris, Rn. 36.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">aa. Sie ist quantitativ von Plagiaten geprägt, wenn die Anzahl der Plagiatsstellen angesichts des Gesamtumfanges der Arbeit überhand nehmen.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2017 - 6 C 3/16 -, juris, Rn. 44.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Dies ist hier der Fall, weil auf weit mehr als der Hälfte der Seiten der Arbeit Plagiate zu finden sind. Dabei bestehen die Einleitung und der Diskussionsteil der Arbeit in erheblichem Maße aus Plagiaten. In den anderen beiden Kapiteln finden sich wenige bis gar keine Plagiate. Für die genaue Auflistung der Plagiatsstellen wird auf die zutreffende und von der Klägerin nicht bestrittene Synopse der Beklagten verwiesen (Bl. 1 ff. Beiakte Heft 6).</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">bb. Die Plagiate sind qualitativ erheblich. Bei dieser Prüfung ist die Bedeutung der Plagiatsstellen für die wissenschaftliche Aussagekraft der Arbeit zu würdigen. Eine qualitative Prägung ist anzunehmen, wenn die restliche Dissertation den inhaltlichen Anforderungen an eine beachtliche wissenschaftliche Leistung nicht mehr genügt.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2017 - 6 C 3/16 -, juris, Rn. 44.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Dies ist hier der Fall. Denn die Durchführung eines wissenschaftlichen Experiments ist nicht allein ausreichend für die Annahme der geforderten promotionswürdigen Prüfungsleistung. Vielmehr muss in der Dissertation als eine schriftliche Leistung das wissenschaftliche Problem und die experimentelle Lösung selbstständig bearbeitet und unter Berücksichtigung der Literatur verständlich dargestellt werden.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 4. Januar 2018 - 14 A 610/17 -, juris, Rn. 38.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Dabei setzt die Fähigkeit zu selbstständiger wissenschaftlicher Arbeit voraus, dass in einer schriftlichen Arbeit eigene und fremde intellektuelle Leistungen voneinander unterschieden und die fremden Leistungen durch Nachweise kenntlich gemacht werden. Der Promovend darf nicht fremde Beiträge als eigene ausgeben.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Vgl. VG Braunschweig, Urteil vom 12 Juni 2018 - 6 A 102/16 -, juris, Rn. 93 m. w. N.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Die gefundenen Ergebnisse müssen eigenständig im Kontext des Standes der Wissenschaft reflektiert, in Verbindung zu anderen Forschungsergebnissen gesetzt und eingeordnet werden. An einer solchen schriftlichen wissenschaftlichen Leistung fehlt es hier.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Der Einleitungsteil der Arbeit ist nicht als wissenschaftliche Eigenleistung der Klägerin zu bewerten, weil dieser nahezu ausschließlich auf Plagiaten beruht. Dabei hat die Einleitung wissenschaftliche Aussagekraft, weil sie das Fundament der Arbeit bildet. Sie erklärt das Ziel der Arbeit, legt die Grundlage für das Verständnis der Arbeit und führt auf die Versuche der Klägerin hin. Die Klägerin erläutert in diesem Teil, was eine „spreading depression“ (deutsch: Streudepolarisierung, im Folgenden: SD) ist, wie sie entsteht, zeichnet die historische Entwicklung der Forschung nach und zeigt auf, wie eine SD untersucht und reproduziert werden kann. Nahezu die gesamte Einleitung beruht auf Plagiaten. Plagiatsfrei sind im Wesentlichen die Abschnitte, in welchen die Klägerin die näheren Einzelheiten von Somatostatin beschreibt, welche therapeutischen Wirkungen Somatostatin bei Erkrankungen (insbesondere bei Epilepsie) hat sowie Einzelheiten zum konkreten Versuch. Das Gericht verweist an dieser Stelle auf die von der Beklagten erstellte Synopse, welche die Klägerin nicht angegriffen hat. Darüber hinaus hat die Klägerin im gerichtlichen Verfahren selber vorgetragen, dass ihr Textmaterial von Q.    . E.  . H.       zur Verfügung gestellt worden sei.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Bei einem einführenden "allgemeinen Teil" sind keine minderen Ansprüche an die Wissenschaftlichkeit einer Dissertation zu stellen. Denn eine Dissertation, die den Leser ausführlich in die Problematik einführt, hat weitaus bessere Chancen, im Wissenschaftsbetrieb und der Fachöffentlichkeit wahrgenommen und rezipiert zu werden, als eine solche, deren Gegenstand sich der Leser praktisch erst selbst erarbeiten muss.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Im anschließenden Kapitel beschreibt die Klägerin das verwendete Material sowie die konkrete Versuchsdurchführung. Auch in diesem Kapitel befindet sich eine große Anzahl an Plagiaten. Auf Plagiaten beruhen dabei im Wesentlichen die Beschreibung der Versuchsdurchführung, der Ableitung der Feldpotentialen sowie der Langzeit-Potenzierung. Plagiatsfrei sind die Beschreibung, wie eine SD induziert wurde sowie die Angaben zu den Versuchsprotokollen und der statistischen Analyse der Ergebnisse.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Das sich daran anschließende Kapitel „S.       “ ist eine eigenständige Leistung der Klägerin. Hier findet sich nur ein Plagiat.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Dagegen weist der Diskussionsteil der Arbeit wieder eine überwiegende Anzahl an Plagiaten auf und ist nicht als eine eigenständige wissenschaftliche Arbeit anzusehen. In diesem Teil fasst die Klägerin die gefundenen Ergebnisse zusammen und berichtet über die genauere Bedeutung von Somatostatin. So konnte die Klägerin eine dosisabhängige Unterdrückung der Amplituden der neokortikalen SD in Gegenwart von Somatostatin  feststellen. Somatostatin sei bei der Initiierung einer neokortikalen SD beteiligt. Die Klägerin geht dabei auch auf den Zusammenhang zwischen Epilepsie und Somatostatin ein. Dabei beruhen unter anderem die genauen Einzelheiten zu Somatostatin wie dessen Wirkungsweisen und dessen Verbindung zu Epilepsie sowie die Beschreibung der Grundlagen der Ischämie und LTP auf Plagiaten. Die gefundenen Ergebnisse basieren zwar auf eigenhändiger Laborarbeit, die Herausarbeitung der genauen Bedeutung und Relevanz der Ergebnisse basieren jedoch auf Plagiaten. Der Diskussionsteil der Arbeit hat die Aufgabe, die gefundenen Ergebnisse in den wissenschaftlichen Kontext einzuordnen und die Ergebnisse zu bewerten. Damit handelt es sich um einen zentralen wissenschaftlichen Bestandteil einer Dissertation. Gerade weil das reflektierte Einordnen und Arbeiten mit den Ergebnissen ein zentraler Teil des wissenschaftlichen Gehalts der Arbeit ist, wiegt die Täuschung an dieser Stelle besonders schwer. Damit wird der Klägerin nicht abgesprochen, selbstständig eigene Arbeiten im Labor durchgeführt zu haben und das (zahn-)wissenschaftliche Wissen bereichert zu haben. Entscheidendes Merkmal einer Dissertation ist jedoch (auch) die eigenständige geistige Durchdringung der zum Thema bereits existierenden Quellen und die eigenständige sprachliche Darstellung der selbstständig gezogenen Schlussfolgerungen.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Vgl. VG Münster, Urteil vom 20. Februar 2009 - 10 K 1212/07 -, juris, Rn. 25.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Dies gilt auch für eine experimentelle Dissertation, weil andernfalls solche Arbeiten im Vergleich zu nicht experimentellen Arbeiten privilegiert werden würden. Allein die Tatsache, dass selbstständig im Labor gearbeitet wurde, kann nicht dazu führen, dass allgemeine Zitieregeln nicht mehr beachtet werden müssen. Dies ist weder mit dem Wert, den ein Doktortitel als hoher akademischer Grad besitzt, noch mit dem allgemeingültigen Gebot der wissenschaftlichen Redlichkeit zu vereinbaren.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Entgegen dem klägerischen Vorbringen kann auch die wissenschaftliche Relevanz der Thematik - hier ausgewiesen durch einen Artikel in einer Fachzeitschrift - keine Herabsetzung der handwerklichen Anforderungen an die Promotion rechtfertigen. Denn die wissenschaftliche Relevanz hat keinerlei Aussagekraft, ob die Dissertation Plagiate enthält oder nicht. Maßgeblich für die vorliegende Prüfung ist allein der Promotionstext selbst.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Der klägerische Vortrag, wonach es zu Überschneidungen gekommen sei, weil es sich um ein sehr spezielles Fachgebiet handele, verfängt nicht, weil dies nicht dazu führen kann, dass wissenschaftlich anerkannte Zitierregeln nicht mehr zu beachten seien. Gerade in einem solchen Fall ist das sorgfältige Zitieren besonders wichtig.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">b. Über die fehlende Eigenständigkeit der wissenschaftlichen Leistung hat die Klägerin getäuscht, das heißt eine Fehlvorstellung hervorgerufen, wobei es nicht erforderlich ist, dass die Täuschung kausal zu einem Irrtum geführt hat.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 4. Januar 2018 - 14 A 610/17 -, juris, Rn. 50.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Denn durch die Abgabe der Erklärung, dass sie die Arbeit eigenständig und nur unter Benutzung der im Literaturverzeichnis angegebenen Literatur angefertigt hat, ist zumindest ein allgemeines Bewusstsein bei den Entscheidungsträgern aufgekommen, dass die Arbeit eigenständig von der Klägerin erstellt worden sei. Dass der Erst- sowie der Zweitgutachter von der unrichtigen Zitierung gewusst haben, ist unerheblich, weil diese nicht über die Annahme der Arbeit entschieden haben. Diese beurteilen die Arbeit lediglich und schlagen eine Benotung vor, § 6 Abs. 1 PromO. Die Entscheidung über die Annahme und Benotung wird durch den Dekan bzw. den Promotionsausschuss getroffen, § 7 PromO. Im vorliegenden Fall lag bei dem Dekan und den promovierten Fachbereichsmitgliedern eine Fehlvorstellung über die Eigenständigkeit der Arbeit vor. Denn diese mussten angesichts der abgegebenen Erklärung der Klägerin davon ausgehen, dass die Arbeit selbstständig von der Klägerin verfasst wurde. Der klägerische Vortrag, wonach sich die Beklagte das Wissen und Handeln von Q.    . E.  . H.       und von Q.    . E.  . H1.     voll zurechnen lassen müsse, geht daher ins Leere.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Ein etwaiges Fehlverhalten Dritter, wie es die Klägerin geltend gemacht hat, ist bereits nach dem Wortlaut der Norm unerheblich. Abzustellen ist allein auf die Täuschung über die Eigenständigkeit der wissenschaftlichen Leistungen. Es widerspricht darüber hinaus dem Sinn und Zweck der normativen Grundlagen, ein etwaiges Fehlverhalten Dritter zu berücksichtigen. Denn ein Bewerber um den Doktorgrad, der den Nachweis der Befähigung zu selbstständiger wissenschaftlicher Arbeit zu erbringen hat, ist für die Einhaltung der wissenschaftlichen Standards selbst verantwortlich. Wenn ein Bewerber fehlerhaften Vorgaben des Betreuers zu den Grundsätzen wissenschaftlicher Arbeit Folge leistet, erweist er sich gerade nicht fähig, selbstständig wissenschaftlich zu arbeiten.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Vgl. VG Braunschweig, Urteil vom 12 Juni 2018 - 6 A 102/16 -, juris, Rn. 146.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Entgegen dem klägerischen Vorbringen kann auch angesichts der Zurverfügungstellung von Textmaterial durch Q.    . E.  . H.       nicht angenommen werden, dass die Klägerin nicht getäuscht habe. Denn durch diesen Vortrag zeigt die Klägerin gerade, dass sie an dieser Stelle keine eigenständige Leistung erbracht hat. Stattdessen hat sie fremdes Textmaterial verwendet. Der Täuschungsvorwurf wird durch diesen Vortrag nur verstärkt.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Auch der klägerische Vortrag, dass die Autoren der verwendeten Texte wie bspw. Q.    . E.  . H1.     mit der Verwendung der Texte ohne ordnungsgemäße Zitierung einverstanden gewesen seien, verfängt nicht. Denn die Pflicht, fremde Texte ordnungsgemäß zu zitieren kann nicht durch den jeweiligen Verfasser eines betroffenen Textes suspendiert werden. Sonst wäre die Funktionsfähigkeit des Wissenschaftsprozesses nicht mehr sicherzustellen.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Vgl. VG Braunschweig, Urteil vom 12 Juni 2018 - 6 A 102/16 -, juris, Rn. 109.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">c. Angesichts des Umfangs der Plagiatsstellen und der Tatsache, dass diese systematisch in zwei Teilen der Arbeit besonders ausgeprägt sind, ist ein Zufall auszuschließen und davon auszugehen, dass die Klägerin zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt hat.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10. Dezember 2015 - 19 A 354/13 -, juris, Rn. 104; VG Hannover, Urteil vom 3. November 2016 - 6 A 6114/13 -, juris, Rn. 37</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Für einen Vorsatz spricht darüber hinaus, dass die Klägerin selber vorgetragen hat, dass Q.    . E.  . H.       Textmaterial zur Verfügung gestellt hat. Damit wusste sie, dass dieses nicht ihre eigene Leistung ist.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">II. Daneben ist auch die Voraussetzung des § 19 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 PromO erfüllt. § 19 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 PromO sieht vor, dass die Promotionsleistung für ungültig erklärt wird, wenn wesentliche Voraussetzungen für die Zulassung der Promotion irrigerweise angenommen worden sind. Auch dies ist hier der Fall, weil gemäß §§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 4 Abs. 1 Satz 1 PromO Voraussetzung für die Zulassung die Einreichung einer selbstständig bearbeiteten wissenschaftlichen Arbeit ist. Eine solche liegt aber - wie oben geprüft - nicht vor.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">III. Rechtsgrundlage für die Entziehung des Doktorgrades ist § 48 Abs.1 VwVfG NRW. Danach kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise zurückgenommen werden. Auf diese Norm kann zurückgegriffen werden, weil § 19 Abs. 2 PromO keine abschließende Regelung über die Entziehung eines Doktorgrades darstellt.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 4. Januar 2018 - 14 A 610/17 -, juris, Rn. 55.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Die Verleihung des Doktorgrades war rechtswidrig, weil sie nicht aufgrund einer selbstständigen wissenschaftlichen Eigenleistung der Klägerin erfolgte (s. o.).</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung, den Doktortitel zu entziehen, traf der Fachbereichsrat mit der erforderlichen Mehrheit. Dies gilt selbst für den Fall, wenn die Regelung des § 19 Abs. 2 Satz 2 PromO anzuwenden ist.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Ansicht der Klägerin hat die Beklagte die gesetzlichen Grenzen ihrer Ermessensausübung nicht überschritten, § 114 Satz 1 VwGO. Das Gericht ist bei der Prüfung, ob die Beklagte ihr Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt hat, auf eine Rechtmäßigkeitskontrolle beschränkt. Es kann lediglich Ermessensfehler feststellen.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Vgl. Stuhlfauth in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth u.a., Verwaltungsgerichtsordnung, 6. Aufl. 2014, § 114 Rn. 1 ff.</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Weder werden Zweck noch Grenzen der Ermessensgrundlage überschritten. Entgegen der Ansicht der Klägerin hat die Beklagte nicht verkannt, dass die Klägerin in ihrer Arbeit eigenständige wissenschaftliche Versuche durchgeführt hat, der experimentelle Kern weitestgehend frei von Plagiaten ist und dass die Klägerin einen wichtigen Beitrag für die Wissenschaft geleistet hat. Vielmehr hat die Beklagte umfassend die negativen Folgen der Entscheidung sowohl in privater, beruflicher, finanzieller und gesellschaftlicher Hinsicht berücksichtigt und ermessensfehlerfrei angesichts des Umfanges der Plagiate auf die hohe Bedeutung der Redlichkeit der Wissenschaft  und des Vertrauens in die Wissenschaft insgesamt abgestellt. Die Ermessensauswahl stellt sich auch nicht als fehlerhaft dar, weil die Beklagte keine milderen Mittel ausgewählt hat. Denn bei dem Umfang der hier vorliegenden Plagiate ist die Entziehung indiziert.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 4. Januar 2018 - 14 A 610/17 -, juris, 69 f.</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">IV. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die Vollstreckbarkeit der Kosten beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.</p>
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171,252 | vg-munster-2019-01-15-4-k-64716 | {
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} | 4 K 647/16 | 2019-01-15T00:00:00 | 2019-01-29T12:50:31 | 2019-02-12T13:44:28 | Urteil | ECLI:DE:VGMS:2019:0115.4K647.16.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p>Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.</p>
<p>Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrages leistet.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">Tatbestand</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin studierte an der beklagten Universität Zahnmedizin. Sie beantragte am 16. September 2010 die Einleitung und Durchführung des Verfahrens zur Erlangung eines Doktorgrades. Dazu fertigte sie eine Dissertation mit dem Thema „Propagation of spreading depression between the neocortex and the hippocampus: the barrier of the entorhinal cortex“ an. Dabei gab sie eine Erklärung ab, dass sie die Arbeit unter anderem selbstständig und nur unter Benutzung der im Literaturverzeichnis angegebenen Literatur angefertigt habe. Erstgutachter der Arbeit war Q.    . E.  . H.     , Zweitgutachter Q.    . E.  . H1.       . Die Arbeit wurde mit dem Gesamtergebnis „magna cum laude“ bewertet und der Klägerin wurde am 11. April 2011 der Doktorgrad verliehen.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Am 29. April 2014 wiesen Mitarbeiter der Internetplattform W.         X.    die Beklagte darauf hin, dass die Dissertation zum Teil „zusammenkopiert“ sei. Die Beklagte leitete daraufhin eine Überprüfung der Arbeit ein, informierte die Klägerin mit Schreiben vom 4. Juni 2014 hierüber und gab dieser Gelegenheit, Stellung zu den Vorwürfen zu nehmen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin wies mit Schreiben vom 27. Juni 2014 die Vorwürfe zurück und führte im Wesentlichen aus, dass sie alle Experimente persönlich unter Anleitung und Kontrolle ihres Doktorvaters durchgeführt habe. Als Beweis für die Originalität der Dissertation verwies sie auf die bevorstehende Publikation eines Artikels in der Fachzeitschrift „T.       “, der auf ihrer Dissertation beruhe. Sie habe insgesamt mehr als 500 Experimente durchgeführt und mehr als 20.000 Daten wissenschaftlich ausgewertet. Das Ergebnis sei eine einzigartige Studie. Die Plagiatsvorwürfe auf W.         weist die Klägerin zurück und verweist insbesondere darauf, dass die von ihr als Grundlage genutzten Arbeiten mehrmals von anderen Dissertationen zitiert worden seien. Die eingesetzten Wirkstoffe und die Methodik der Experimente seien wissenschaftlicher Standard und würden weltweit benutzt werden. Dieser Teil der Arbeit müsse daher zwangsläufig Parallelen zu anderen wissenschaftlichen Arbeiten aufweisen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Sowohl der Erst- als auch der Zweitgutachter sind um eine Stellungnahme gebeten worden. Der Erstgutachter Q.    . E.  . H.     führte mit Schreiben vom 30. Juni 2014 aus, dass seiner Ansicht nach sämtliche plagiatsverdächtige Textpassagen mit entsprechenden Quellenangaben versehen worden seien. Der Zweitgutachter Q.    . E.  . H1.       führte in seiner Stellungnahme vom 23. September 2014 aus, dass er die Textübereinstimmungen gekannt habe. Seiner Meinung nach sei die wissenschaftlich experimentelle Leistung der Klägerin zu sehr aus dem Fokus geraten.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Eine eingerichtete Untersuchungskommission der Beklagten stellte fest, dass große Teile der Dissertation Entsprechungen in anderen, früher erschienenen Veröffentlichungen aufwiesen. Mit Schreiben vom 24. Juli 2014 teilte die Beklagte der Klägerin das Ergebnis der Untersuchung mit und teilte mit, dass sie beabsichtige, dem Fachbereichsrat vorzuschlagen, die Dissertation für ungültig zu erklären und die Verleihung des Doktorgrades zurückzunehmen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin nahm mit Schreiben vom 2. September 2014 hierzu Stellung. Sie kritisierte, dass die Beklagte weder ihre Laborjournale noch die Publikation ihres Artikels in der Zeitschrift „T.       “ berücksichtigt habe. Auch sei das Gutachten der Beklagten fehlerhaft und stelle eine Kopie von W.         dar. Eine Täuschung von Q.    . E.  . H1.       sei darüber hinaus auszuschließen, weil dieser als Spezialist in dem entsprechenden Fachgebiet kaum zu täuschen sei. Außerdem verstehe sie nicht, dass der Arbeit kein wissenschaftlicher Wert beizumessen sei, wenn doch ihr Artikel in der Zeitschrift „T.       “ ein wissenschaftlicher Wert von 95,5 % sowie sein Neuigkeitswert mit 4,6 von 5 Punkten eingeräumt worden sei.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nahm mit Schreiben vom 2. Oktober 2014 und vom 19. Februar 2015 Stellung zu den Vorwürfen und trug im Wesentlichen vor, dass der Plagiatsvorwurf bei einer Gesamtbetrachtung der Arbeit nicht haltbar sei. Die Klägerin habe zwar nicht in allen Fällen mit der zu wünschenden Klarheit Zitate gekennzeichnet, dies rechtfertige aber nicht den Entzug eines akademischen Grades.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Der Fachbereichsrat beschloss auf Antrag des Dekans am 9. Februar 2016 einstimmig, die Promotionsleistung für ungültig zu erklären und die Verleihung des Doktorgrades zurückzunehmen. Mit Bescheid vom 16. Februar 2016 erklärte der Dekan die Promotionsleistung für ungültig und nahm die Verleihung des Doktorgrades zurück. Zur Begründung verwies die Beklagte auf die umfangreichen und gravierenden Textübernahmen. Die Klägerin habe getäuscht, weil sie erklärt habe, die Dissertation selbstständig angefertigt zu haben. Dadurch habe sie bei ihrem Doktorvater einen Irrtum erzeugt. Der Umfang der Textübernahmen spreche für eine vorsätzliche Täuschung.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat am 11. März 2016 Klage erhoben. Zur Begründung verweist sie auf Ihre Ausführungen im Verwaltungsverfahren und trägt ergänzend und vertiefend vor, dass ihre Arbeit im Wesentlichen auf eigenständiger Forschungsarbeit im Labor beruhe. Diese Forschungsarbeit bilde den Schwerpunkt ihrer Arbeit. Die Arbeit stelle trotz Vernachlässigung der gebotenen Zitierweise eine Bereicherung der wissenschaftlichen Erkenntnisse dar. Eine Täuschungshandlung sei nicht zu ermitteln. Ebenfalls liege kein Irrtum bei Q.    . E.  . H.     oder bei Q.    . E.  . H1.       vor. Die anderen am Promotionsverfahren beteiligten Stellen würden nur auf Grundlage der Gutachten entschieden. Ein Irrtum könne deshalb ebenfalls nicht angenommen werden. Plagiate und Überschneidungen lägen darüber hinaus in der Natur der Sache, weil es sich um ein enges Fachgebiet handele. Der Bescheid sei auch deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt habe. Die Beklagte hätte mildere Mittel wie eine Nachbesserung in Betracht ziehen müssen. Die wörtlichen Übereinstimmungen im Bereich der Einleitung lägen nur deshalb vor, weil Q.    . E.  . H.     den Einleitungstext vorgegeben habe. Dabei habe er den Hinweis gegeben, dass der Kern ihrer Arbeit lediglich die Ergebnisse seien. Es fehle daher an einer Täuschung und an einer Täuschungsabsicht. Sie habe nicht gewusst, dass Q.    . E.  . H.     den Text auch anderen zur Verfügung gestellt habe. Sinn und Zweck der Promotion sei die Weiterbringung der Medizin.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid der Beklagten vom 18. Februar 2016, mit dem die Beklagte die Promotionsleistung der Klägerin für ungültig erklärt sowie die Verleihung des Doktorgrades an die Klägerin mit Datum vom 11. April 2011 zurücknimmt, aufzuheben.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Zur Begründung bezieht sie sich auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheides. Sie trägt ergänzend und vertiefend vor, dass die Plagiate im vorliegenden Fall die Bagatellgrenze überschritten hätten. Sie seien qualitativ und quantitativ erheblich. Nur weil der Schwerpunkt der Arbeit auf der eigenen Forschung liege, bedeute dies nicht, dass die Anforderungen an das wissenschaftliche Arbeiten in anderen Teilen geringer seien.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">Entscheidungsgründe</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO) ist unbegründet, weil der Bescheid vom 18. Februar 2016 rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">I. Rechtsgrundlage für die Entscheidung, die Promotionsleistung für ungültig zu erklären ist § 19 Abs. 1 Satz 1 der Promotionsordnung des Fachbereiches 5 Medizinische Fakultät vom 23. Oktober 2008 zuletzt geändert durch Beschluss des Fachbereichsrates vom 14. Februar 2014 (PromO). Danach ist die Promotionsleistung für ungültig zu erklären, wenn sich ergibt, dass der/die Doktorand/-in beim Erbringen der Leistung sich einer Täuschung schuldig gemacht hat.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">1. Die Rechtsgrundlage ist wirksam. Die einer Entziehung eines Doktorgrades vorgelagerte Frage, ob die Prüfungsleistungen angesichts einer Täuschung noch als eine eigenständige wissenschaftliche Leistung zu qualifizieren sind, muss nicht als Ermessensnorm ausgestaltet werden.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 4. Januar 2018 - 14 A 610/17 -, juris, Rn. 27 ff.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">2. Der Bescheid ist formell rechtmäßig. Der Fachbereichsrat hat einstimmig und daher mit der erforderlichen Mehrheit, beschlossen die Promotionsleistung für ungültig zu erklären, § 19 Abs. 1 Satz 2 PromO.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">3. Der Bescheid ist materiell rechtmäßig. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Rechtsgrundlage liegen vor. Die Klägerin hat über die Eigenständigkeit der erbrachten wissenschaftlichen Leistungen getäuscht.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">a. Eine Dissertation stellt in ihrer Gesamtheit keine eigenständige wissenschaftliche Leistung dar, wenn sie quantitativ, qualitativ oder durch eine Gesamtschau von beiden Kriterien durch Plagiate geprägt ist.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2017 - 6 C 3/16 -, juris, Rn. 44; OVG NRW, Urteil vom 4. Januar 2018 - 14 A 610/17 -, juris, Rn. 36.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">aa. Sie ist quantitativ von Plagiaten geprägt, wenn die Anzahl der Plagiatsstellen angesichts des Gesamtumfanges der Arbeit überhand nehmen.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2017 - 6 C 3/16 -, juris, Rn. 44.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Dies ist hier der Fall, weil auf fast der Hälfte der Seiten der Arbeit Plagiate zu finden sind. Dabei bestehen die Einleitung und der Disskussionsteil der Arbeit in erheblichem Maße aus Plagiaten. In dem anderen Kapitel „S.       “ finden sich keine Plagiate. Für die genaue Auflistung der Plagiatsstellen wird auf die zutreffende und von der Klägerin nicht bestrittene T1.       der Beklagten verwiesen (Bl. 1 ff. Beiakte Heft 5).</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">bb. Die Plagiate sind qualitativ erheblich. Bei dieser Prüfung ist die Bedeutung der Plagiatsstellen für die wissenschaftliche Aussagekraft der Arbeit zu würdigen. Eine qualitative Prägung ist anzunehmen, wenn die restliche Dissertation den inhaltlichen Anforderungen an eine beachtliche wissenschaftliche Leistung nicht mehr genügt.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2017 - 6 C 3/16 -, juris, Rn. 44.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Dies ist hier der Fall. Denn die Durchführung eines wissenschaftlichen Experimentes ist nicht allein ausreichend für die Annahme der geforderten promotionswürdigen Prüfungsleistung. Vielmehr muss in der Dissertation als eine schriftliche Leistung das wissenschaftliche Problem und die experimentelle Lösung selbstständig bearbeitet und unter Berücksichtigung der Literatur verständlich dargestellt werden.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 4. Januar 2018 - 14 A 610/17 -, juris, Rn. 38.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Dabei setzt die Fähigkeit zu selbstständiger wissenschaftlicher Arbeit voraus, dass in einer schriftlichen Arbeit eigene und fremde intellektuelle Leistungen voneinander unterschieden und die fremden Leistungen durch Nachweise kenntlich gemacht werden. Der Promovend darf nicht fremde Beiträge als eigene ausgeben.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Vgl. VG Braunschweig, Urteil vom 12 Juni 2018 - 6 A 102/16 -, juris, Rn. 93 m. w. N.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Die gefundenen Ergebnisse müssen eigenständig im Kontext des Standes der Wissenschaft reflektiert, in Verbindung zu anderen Forschungsergebnissen gesetzt und eingeordnet werden.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">An einer solchen schriftlichen wissenschaftlichen Leistung fehlt es hier. Der Einleitungsteil der Arbeit ist nicht als wissenschaftliche Eigenleistung der Klägerin zu bewerten, weil dieser nahezu ausschließlich auf Plagiaten beruht. Dabei hat die Einleitung wissenschaftliche Aussagekraft, weil sie das Fundament der Arbeit bildet. Sie erklärt das Ziel der Arbeit, legt die Grundlage für das Verständnis der Arbeit und führt auf die Versuche der Klägerin hin. Die Klägerin erläutert in diesem Teil, was eine „spreading depression“ (deutsch: Streudepolarisierung, im Folgenden: SD) ist, zeichnet die historische Entwicklung der Forschung nach und zeigt auf, wie eine SD untersucht und reproduziert werden kann. Auf S. 5 ff. stellt die Klägerin dar, bei welchen neurologischen Erkrankungen eine SD unter anderem auftritt. Ab S. 12 ff. beschreibt sie, wie sich eine SD vermutlich ausbreitet und was der Grund für diese Ausbreitung ist. Daran anschließend erläutert sie, welches Material und welche Methoden sie bei ihrer Forschung angewandt hat. Sie beschreibt ihren Forschungsaufbau und die genaue Versuchsdurchführung. Plagiatsfrei sind in dem Einleitungsteil lediglich die Aussage, dass verschiedene kortikale Schichten auf verschiedene Weisen von den SD-Wellen durchdrungen werden und dass sich eine SD einfacher in horizontaler Richtung verbreitet sowie Einzelheiten der konkreten Versuchsdurchführung, welche jedoch nicht den relevanten Teil einer promotionswürdigen Leistung darstellen. Das Gericht verweist an dieser Stelle auf die von der Beklagten erstellten T1.       , welche die Klägerin nicht angegriffen hat. Darüber hinaus hat die Klägerin im gerichtlichen Verfahren selber eingestanden, dass die Einleitung größtenteils von Q.    . E.  . H.     vorgegeben wurde und nicht von ihr stammt.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">An einen einführenden "allgemeinen Teil" sind keine minderen Ansprüche an die Wissenschaftlichkeit einer Dissertation zu stellen. Denn eine Dissertation, die den Leser ausführlich in die Problematik einführt, hat weitaus bessere Chancen, im Wissenschaftsbetrieb und der Fachöffentlichkeit wahrgenommen und rezipiert zu werden, als eine solche, deren Gegenstand sich der Leser praktisch erst selbst erarbeiten muss.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Das anschließende Kapitel „S.       “ ist eine eigenständige Leistung der Klägerin. Hier finden sich keine Plagiate.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Dagegen weist der Diskussionsteil der Arbeit wieder eine überwiegende Anzahl an Plagiaten auf und ist nicht als eine eigenständige wissenschaftliche Arbeit anzusehen. In diesem Teil fasst die Klägerin die gefundenen Ergebnisse zusammen und berichtet, unter welchen Bedingungen eine SD verbessert oder gehemmt wurde. Sie erläutert die Aufgaben und die Funktionen des entorhinalen Cortex sowie des Hippocampus. Eigenständig sind dabei im Wesentlichen nur die Passagen, in welchen die Klägerin ihre gefunden Ergebnisse zusammenfasst und diese näher beschreibt wie z. B. die Aussagen, welche Substanzen zu einer Hemmung der SD führen und warum dies der Fall sein könnte. Der Diskussionsteil der Arbeit hat die Aufgabe, die gefundenen Ergebnisse in den wissenschaftlichen Kontext einzuordnen und die Ergebnisse zu bewerten. Damit handelt es sich um einen zentralen wissenschaftlichen Bestandteil einer Dissertation. Gerade weil das reflektierte Einordnen und Arbeiten mit den Ergebnissen ein zentraler Teil des wissenschaftlichen Gehalts der Arbeit ist, wiegt die Täuschung an dieser Stelle besonders schwer. Damit wird der Klägerin nicht abgesprochen, selbstständig eigene Arbeiten im Labor durchgeführt zu haben und das (zahn-)wissenschaftliche Wissen bereichert zu haben. Entscheidendes Merkmal einer Dissertation ist jedoch auch die eigenständige geistige Durchdringung der zum Thema bereits existierenden Quellen und die eigenständige sprachliche Darstellung der selbstständig gezogenen Schlussfolgerungen.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Vgl. VG Münster, Urteil vom 20. Februar 2009 - 10 K 1212/07 -, juris, Rn. 25.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Dies gilt auch für eine experimentelle Dissertation, weil andernfalls solche Arbeiten im Vergleich zu nicht experimentellen Arbeiten privilegiert werden würden. Allein die Tatsache, dass selbstständig im Labor gearbeitet wurde, kann nicht dazu führen, dass allgemeine Zitieregeln nicht mehr beachtet werden müssen. Dies ist weder mit dem Wert, den ein Doktortitel als hoher akademischer Grad besitzt, noch mit dem allgemeingültigen Gebot der wissenschaftlichen Redlichkeit zu vereinbaren. Unbeachtlich ist daher auch der klägerische Vortrag, wonach Q.    . E.  . H.     mitgeteilt habe, dass für ihn die Ergebnisse den Kern der Arbeit ausmachen würden. Denn dabei handelt es sich allein um eine subjektive Ansicht von Q.    . E.  . H.     . Er mag für sich der Meinung sein, dass eine Einleitung zu vernachlässigen sei. Eine solche Ansicht steht aber im Widerspruch zu den normativen Grundlagen und dem allgemeinen Verständnis einer Dissertation. Dabei ist davon auszugehen, dass auch die Klägerin wusste, dass eine Dissertation eine schriftliche Leistung darstellt, welche eigenständig erbracht werden muss.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Entgegen dem klägerischen Vorbringen kann auch die wissenschaftliche Relevanz der Thematik - hier ausgewiesen durch einen Artikel in einer Fachzeitschrift - keine Herabsetzung der handwerklichen Anforderungen an die Promotion rechtfertigen. Denn die wissenschaftliche Relevanz des Artikels hat keinerlei Aussagekraft, ob die Dissertation Plagiate enthält oder nicht. Maßgeblich für die vorliegende Prüfung ist allein die Promotion selbst.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Der klägerische Vortrag, wonach es nur zu „Überschneidungen“ gekommen sei, weil es sich um ein sehr spezielles Fachgebiet handele, verfängt nicht, weil dies nicht dazu führen kann, dass wissenschaftlich anerkannte Zitierregeln nicht mehr zu beachten seien. Gerade in einem solchen Fall ist das sorgfältige Zitieren besonders wichtig.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">b. Über die fehlende Eigenständigkeit der wissenschaftlichen Leistung hat die Klägerin getäuscht, das heißt eine Fehlvorstellung hervorgerufen, wobei es nicht erforderlich ist, dass die Täuschung kausal zu einem Irrtum geführt hat.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 4. Januar 2018 - 14 A 610/17 -, juris, Rn. 50.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Denn durch die Abgabe der Erklärung, dass sie die Arbeit eigenständig und nur unter Benutzung der im Literaturverzeichnis angegebenen Literatur angefertigt hat, ist zumindest ein allgemeines Bewusstsein bei den Entscheidungsträgern aufgekommen, dass die Arbeit eigenständig von der Klägerin erstellt wurde. Dass der Erst- sowie der Zweitgutachter von der unrichtigen Zitierung gewusst haben, ist unerheblich, weil diese nicht allein über die Annahme der Arbeit entschieden haben. Diese beurteilen die Arbeit lediglich und schlagen eine Benotung vor, § 6 Abs. 1 PromO. Die Entscheidung über die Annahme und Benotung wird durch den Dekan bzw. den Promotionsausschuss getroffen, § 7 PromO. Im vorliegenden Fall lag bei dem Dekan und den promovierten Fachbereichsmitgliedern eine Fehlvorstellung über die Eigenständigkeit der Arbeit vor. Denn diese mussten angesichts der abgegebenen Erklärung der Klägerin davon ausgehen, dass die Arbeit selbstständig von der Klägerin verfasst wurde.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Ein etwaiges Fehlverhalten Dritter, wie es die Klägerin geltend gemacht hat, ist bereits nach dem Wortlaut der Norm unerheblich. Abzustellen ist allein auf die Täuschung über die Eigenständigkeit der wissenschaftlichen Leistungen. Es widerspricht darüber hinaus dem Sinn und Zweck der normativen Grundlagen, ein etwaiges Fehlverhalten Dritter zu berücksichtigen. Denn ein Bewerber um den Doktorgrad, der den Nachweis der Befähigung zu selbstständiger wissenschaftlicher Arbeit zu erbringen hat, ist für die Einhaltung der wissenschaftlichen Standards selbst verantwortlich. Wenn ein Bewerber fehlerhaften Vorgaben des Betreuers zu den Grundsätzen wissenschaftlicher Arbeit Folge leistet, erweist er sich gerade nicht fähig, selbstständig wissenschaftlich zu arbeiten.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Vgl. VG Braunschweig, Urteil vom 12 Juni 2018 - 6 A 102/16 -, juris, Rn. 146.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Entgegen dem klägerischen Vorbringen kann auch angesichts der Zurverfügungstellung des Einleitungstextes durch Q.    . E.  . H.     nicht angenommen werden, dass die Klägerin nicht getäuscht habe. Denn durch diesen Vortrag zeigt die Klägerin gerade, dass sie keine eigenständige Leistung erbracht hat. Stattdessen hat sie einen Text, den ein Fremder erstellt hat, als ihre eigene Leistung ausgegeben. Der Täuschungsvorwurf wird durch diesen Vortrag nur verstärkt.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Auch der klägerische Vortrag, dass insbesondere Q.    . E.  . H.     mit der Verwendung seiner Texte einverstanden gewesen sei, verfängt nicht. Denn die Pflicht, fremde Texte ordnungsgemäß zu zitieren kann nicht durch den Verfasser eines betroffenen Textes suspendiert werden. Sonst wäre die Funktionsfähigkeit des Wissenschaftsprozesses nicht mehr sicherzustellen.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Vgl. VG Braunschweig, Urteil vom 12 Juni 2018 - 6 A 102/16 -, juris, Rn. 109.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">c. Angesichts dieses Vortrags, des Umfangs der Plagiatsstellen und der Tatsache, dass diese systematisch in zwei Teilen der Arbeit besonders ausgeprägt sind, ist ein Zufall auszuschließen und davon auszugehen, dass die Klägerin zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt hat.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10. Dezember 2015 - 19 A 354/13 -, juris, Rn. 104; VG Hannover, Urteil vom 3. November 2016 - 6 A 6114/13 -, juris, Rn. 37</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">II. Daneben ist auch die Voraussetzung des § 19 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 PromO erfüllt. § 19 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 PromO sieht vor, dass die Promotionsleistung für ungültig erklärt wird, wenn wesentliche Voraussetzungen für die Zulassung der Promotion irrigerweise angenommen worden sind. Auch dies ist hier der Fall, weil gemäß §§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 4 Abs. 1 Satz 1 PromO Voraussetzung für die Zulassung die Einreichung einer selbstständig bearbeiteten wissenschaftlichen Arbeit ist. Eine solche liegt aber - wie oben geprüft - nicht vor.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">III. Rechtsgrundlage für die Entziehung des Doktorgrades ist § 48 Abs.1 VwVfG NRW. Danach kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise zurückgenommen werden. Auf diese Norm kann zurückgegriffen werden, weil § 19 Abs. 2 PromO keine abschließende Regelung über die Entziehung eines Doktorgrades darstellt.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 4. Januar 2018 - 14 A 610/17 -, juris, Rn. 55.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Die Verleihung des Doktorgrades war rechtswidrig, weil sie nicht auf Grund einer selbstständigen wissenschaftlichen Eigenleistung der Klägerin erfolgte (s. o.).</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung, den Doktortitel zu entziehen, traf der Fachbereichsrat einstimmig und daher mit der erforderlichen Mehrheit. Dies gilt selbst für den Fall, wenn die Regelung des § 19 Abs. 2 Satz 2 PromO anzuwenden ist.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Ansicht der Klägerin hat die Beklagte die gesetzlichen Grenzen ihrer Ermessensausübung nicht überschritten, § 114 Satz 1 VwGO. Das Gericht ist bei der Prüfung, ob die Beklagte ihr Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt hat, auf eine Rechtmäßigkeitskontrolle beschränkt. Es kann lediglich Ermessensfehler feststellen.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Vgl. Stuhlfauth in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth u.a., Verwaltungsgerichtsordnung, 6. Aufl. 2014, § 114 Rn. 1ff.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Weder werden Zweck noch Grenzen der Ermessensgrundlage überschritten. Entgegen der Ansicht der Klägerin hat die Beklagte nicht verkannt, dass die Klägerin in ihrer Arbeit eigenständige wissenschaftliche Versuche durchgeführt hat, der experimentelle Kern weitestgehend frei von Plagiaten ist und dass die Klägerin einen wichtigen Beitrag für die Wissenschaft geleistet hat. Vielmehr hat die Beklagte umfassend die negativen Folgen der Entscheidung sowohl in privater, beruflicher, finanzieller und gesellschaftlicher Hinsicht berücksichtigt und ermessensfehlerfrei angesichts des Umfanges der Plagiate auf die hohe Bedeutung der Redlichkeit der Wissenschaft  und des Vertrauens in die Wissenschaft insgesamt abgestellt. Die Ermessensauswahl stellt sich auch nicht als fehlerhaft dar, weil die Beklagte keine milderen Mittel ausgewählt hat. Denn bei dem Umfang der hier vorliegenden Plagiate ist die Entziehung indiziert.</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 4. Januar 2018 - 14 A 610/17 -, juris, 69 f.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die Vollstreckbarkeit der Kosten beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.</p>
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} | 7 K 5671/16 | 2019-01-15T00:00:00 | 2019-01-29T12:50:31 | 2019-02-12T13:44:28 | Urteil | ECLI:DE:VGK:2019:0115.7K5671.16.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p>Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.</p>
<p>Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong>Tatbestand</strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der am 00.00.1947 in der Stadt L.        (Gebiet Swerdlowsk, ehemalige UdSSR, heute: Russische Föderation) geborene Kläger, Q.    Q1.        E.       , ist russischer Staatsangehöriger. Er beantragte am 07.11.2014 seine Aufnahme als Spätaussiedler und die Einbeziehung seiner Ehefrau in den Aufnahmebescheid beim Bundesverwaltungsamt. Die Töchter O.       T.     und J.    L1.      beantragten ebenfalls die Aufnahme als Spätaussiedlerinnen.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Im Aufnahmeantrag gab der Kläger an, seine Eltern seien die russische Volkszugehörige W.    E1.        und der deutsche Volkszugehörige Q.    Q1.        H.        , geb. 00.00.1921. Diese hätten 1953 die Ehe geschlossen, der Vater sei 1996, die Mutter 1999 verstorben. Die Großeltern väterlicherseits seien die deutschen Volkszugehörigen Q.    H1.          H.        und P.    H.        , geb. T1.         . Diese seien 1941 zwangsumgesiedelt worden. Eine notariell beglaubigte Kopie einer Geburtsurkunde des vermeintlichen Vaters Q.    H.        vom 00.00.1949, in der die Eltern mit deutscher Volkszugehörigkeit eingetragen sind, wurde vorgelegt. Die Eheschließung der Eltern des Klägers wurde ebenfalls mit einer notariell beglaubigten Fotokopie einer am 24.01.1953 ausgestellten Heiratsurkunde belegt. Sterbeurkunden der genannten Eltern und Großeltern des Klägers väterlicherseits waren beigefügt.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Zum Nachweis der Abstammung von einem deutschen Volkszugehörigen legte der Kläger eine am 13.08.2014 ausgestellte Geburtsurkunde vor, in der der oben genannte Q.    H.        als Vater eingetragen ist und er selbst mit dem Namen Q.    E.       geführt wird. Die Eintragung von Q.    H.        in die nachträglich ausgestellte Geburtsurkunde des Klägers beruhte auf einem Beschluss des Tsentralny Bezirksgerichts der Stadt Barnaul vom 18.02.2014. In diesem Beschluss wurde die Vaterschaft des Q.    H.        aufgrund eines Antrages des Klägers festgestellt. Die Feststellung beruhte auf einer Eintragung des Klägers als Sohn des Q.    H.        in dessen Wehrpass (Personalkarteikarte), auf Zeugenaussagen der Ehefrau und Töchter des Klägers sowie auf privaten Fotos. In diesem Verfahren wurde vorgetragen, die Eltern des Klägers hätten von 1943 bis 1996 als Eheleute zusammengelebt. Der Kläger sei zusammen mit seinen Geschwistern in dieser Familie aufgewachsen, erzogen und unterhalten worden. Notariell beglaubigte Fotokopien des Gerichtsbeschlusses, der Personalkarteikarte zum Wehrpass und ein persönlicher „Erläuterungsbericht in Bezug auf die Vaterschaft“ wurden vorgelegt.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Im weiteren Verlauf des Verfahrens übersandte der Kläger eine am 21.10.2015 neu ausgestellte Urkunde über die Eheschließung am 05.09.1969, in der der Kläger nunmehr mit deutscher Nationalität eingetragen ist. In neu ausgestellten Geburtsurkunden der Töchter ist der Kläger ebenfalls mit deutscher Nationalität geführt.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Ferner reichte der Kläger eine Geburtsurkunde seines 1949 geborenen Bruders X.        H.        vom 15.09.1990 ein, in der als Vater ebenfalls Q.    H.        eingetragen ist. Der Kläger, sein Bruder X.        und Nachbarn der Familie bestätigten in schriftlichen Erklärungen, dass Q.    H.        seit 1942 (bzw. 1944 bzw. 1952) mit der Mutter, W.    N.           E1.        , zusammengelebt und mit dieser 3 Kinder gehabt habe (P.    , Q.    – der Kläger –  und X.        ), die gemeinsam erzogen worden seien. Darüber hinaus wurden gemeinsame Familienfotos sowie eine Archivbescheinigung des Innenministeriums der Ukraine vom 14.02.1997 über die  Anmeldung von Q.    H.        in der Sondersiedlung der Stadt L.        übersandt.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Bei einem Sprachtest in der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Nowosibirsk am 15.10.2015 wurde festgestellt, dass der Kläger nur über unzureichende deutsche Sprachkenntnisse verfügte.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Mit Bescheid vom 10.02.2016 wurde der Aufnahmeantrag des Klägers abgelehnt. In der Begründung wurde ausgeführt, der Kläger habe keinen Nachweis darüber geführt, dass der deutsche Volkszugehörige Q.    H.        sein leiblicher Vater sei. Der gerichtliche Vaterschaftsfeststellungsbeschluss des Barnauler Bezirksgerichts vom 18.02.2014 könne nicht als Abstammungsnachweis anerkannt werden. Dieser beruhe lediglich auf Zeugenaussagen und einer Eintragung im Militärausweis des vermeintlichen Vaters, was nach deutschen Maßstäben für die Feststellung der leiblichen Vaterschaft nicht ausreichend sei. Auch sprächen die Gesamtumstände gegen die Vaterschaft.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 16.02.2016 am 18.02.2016 Widerspruch ein, der mit Schreiben vom 31.03.2016 begründet wurde. In der Begründung wurde ausgeführt, die leibliche Abstammung des Klägers von Q.    H.        sei durch die Aussagen des Bruders und der Nachbarn belegt. Außerdem sei der Bruder X.        in Deutschland als Spätaussiedler anerkannt. Die Vaterschaft von Q.    H.        zu X.        H.        stehe zweifelsfrei fest und sei vom Bundesverwaltungsamt anerkannt worden. Das beigefügte genetische Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Mainz vom 14.03.2016 bestätige die Vollgeschwisterschaft zwischen X.        H.        und dem Kläger. Demnach stehe auch die leibliche Vaterschaft des Q.    H.        zum Kläger fest.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Durch Widerspruchsbescheid vom 08.06.2016 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung wurde erneut mitgeteilt, die leibliche Abstammung des Klägers von einem deutschen Volkszugehörigen sei nicht durch Urkunden belegt. Die gerichtliche Vaterschaftsfeststellung sei 67 Jahre nach der Geburt des Klägers und nach dem Tod der Eltern allein aufgrund von Zeugenaussagen erfolgt und bilde daher kein tragfähiges Beweismittel.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Auch die Feststellung der genetischen Vollgeschwisterschaft zwischen dem Kläger und seinem Bruder X.        erbringe keinen belastbaren Beweis für die Vaterschaft, da beide Geburten vor der Eheschließung der vermeintlichen Eltern im Jahr 1953 stattgefunden hätten. Auch die Geburt des Bruders X.        im Jahr 1949 sei nicht durch eine im Geburtsjahr oder zeitnah zur Eheschließung der Eltern ausgestellte Geburtsurkunde belegt. Die für X.        vorgelegte Geburtsurkunde stamme vom 15.09.1990. Daher bestünden auch Zweifel an der Vaterschaft von Q.    H.        zu X.        H.        . Es könne daher nicht festgestellt werden, dass Q.    H.        der gemeinsame Vater des Klägers und seines Bruders X.        sei. Im Übrigen habe der Kläger bisher keine ausreichenden Deutschkenntnisse nachgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Aufnahmeanträge der Töchter J.    und O.       wurden ebenfalls mit der Begründung abgelehnt, es sei die Abstammung von ihrem vermeintlichen Großvater Q.    H.        nicht belegt.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Am 29.06.2016 hat der Kläger hiergegen Klage erhoben, mit der er weiterhin die Erteilung eines Aufnahmebescheides begehrt. Zur Begründung bezieht er sich auf den bisherigen Vortrag und die eingereichten Unterlagen. Er führt ergänzend aus, die Beklagte könne die Vaterschaft des Q.    H.        zu X.        H.        nach dessen Anerkennung als Spätaussiedler nicht mehr in Frage stellen. In dessen Aufnahmeverfahren sei die Vaterschaft bestandskräftig festgestellt worden. Im Übrigen habe  Q.    H.        noch zu Lebzeiten die Vaterschaft zu X.        H.        offiziell anerkannt. Wenn dies im Aufnahmeverfahren des Bruders zur Feststellung der Abstammung ausgereicht habe, könne im Verfahren des Klägers nicht anderes gelten. Daher sei auch die Abstammung des Klägers im Hinblick auf die nachgewiesene Vollgeschwisterschaft eindeutig belegt.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Außerdem habe Q.    H.        die Vaterschaft durch die freiwillige Eintragung des Klägers in die bereits vorgelegte Personalkarte zum Militärausweis zu Lebzeiten anerkannt.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Zur Begründung der Abstammung werden im Klageverfahren weitere Unterlagen vorgelegt. Darunter befinden sich Abschriften von Meldedaten, aus denen sich ergeben soll, dass die Mutter des Klägers und Q.    H.        unter der Adresse „0.-N1.    -Straße, Haus 00, Wohnung 0 in L.        gemeldet gewesen seien und dort gemeinsam gelebt hätten (Anlagen K9 – K11). Außerdem werden weitere Archivbescheinigungen über die Erfassung des Q.    H.        und seiner Familie in der Sondersiedlung der Stadt L.        (Bl. 34 ff. Gerichtsakte) sowie eine Bescheinigung über die Feststellung der Vaterschaft des Q.    H.        für den Bruder des Klägers X.        vom 17.08.2017 (Bl. 45 Gerichtsakte) eingereicht.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Auf Anforderung des Gerichts übersandte der Prozessbevollmächtigte des Klägers weitere Dokumente und Unterlagen (Beiakte 4), die nach Rüge bestimmter Unstimmigkeiten durch die Beklagte durch geänderte Bescheinigungen berichtigt wurden (Beiakte 5).</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Schließlich legte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Module „Lesen“ und „Sprechen“ des Goethe-Zertifikates B1 für den Kläger im Original (Beiakte 6) sowie das Modul „Schreiben“ in Fotokopie vor (Bl. 61 Gerichtsakte).</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Töchter des Klägers haben ebenfalls gegen die Ablehnung ihrer Aufnahmeanträge Klage erhoben (7 K 5732/16: J.    L1.      und 7 K 5733/16: O.       T.     ).</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">O.       T.     hat die Klage in der mündlichen Verhandlung am 15.01.2019 zurückgenommen, da sie inzwischen aufgrund einer Eheschließung mit einem deutschen Staatsangehörigen in Deutschland lebt.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Klage der Tochter J.    wurde mit Urteil vom heutigen Tag abgewiesen, da sie das Merkmal der Abstammung von einem deutschen Volkszugehörigen nicht erfüllt.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesverwaltungsamts vom 10.02.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.06.2016 zu verpflichten, ihm einen Aufnahmebescheid zu erteilen.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">              die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Sie bezieht sich auf die Begründung der ablehnenden Bescheide und trägt ergänzend vor, dass auch die neu vorgelegten Unterlagen keinen Beweis für die biologische Abstammung des Klägers erbrächten.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Auch bei den im Verfahren des Bruders eingereichten Unterlagen ergäben sich Zweifel an deren inhaltlicher Richtigkeit. Beispielsweise sei der Bruder in seinem 1968 ausgestellten Militärpass mit deutscher Nationalität und dem Namen „H2.         “ eingetragen, obwohl er erst 1990 nach Anerkennung der Vaterschaft den Namen H2.         angenommen habe und damit Bezug zu einer deutschen Volkszugehörigkeit gehabt habe. Bei seiner Geburt habe dieser den Namen seiner russischen Mutter „E.       “ erhalten.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Soweit der Kläger sich auf die Aufnahme seines Bruders als Spätaussiedler berufe, sei darauf hinzuweisen, dass es im deutschen Recht keine Gleichbehandlung im Unrecht gebe. Die biologische Abstammung des Bruders von Q.    H.        sei nicht nachgewiesen. Somit könne auch durch das Abstammungsgutachten, das die Vollgeschwisterschaft belege, keine biologische Abstammung belegt werden.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Auch die neu übersandten Dokumente seien nicht beweisgeeignet, weil sie mit den bisher vorgelegten Unterlagen in Teilen nicht übereinstimmten. Wenn der Kläger nunmehr korrigierte Dokumente vorlege,  erwecke dies den Verdacht, dass die für das Verfahren benötigten Unterlagen jeweils „auf Bestellung“ von den zuständigen Behörden ausgestellt würden. Das Abstammungserfordernis sei im Hinblick auf die beachtlichen Ungereimtheiten nach wie vor nicht erfüllt.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge des Klägers sowie seines Bruders X.        H2.         (Beiakten 2 und 3) sowie auf die vom Kläger vorgelegten Unterlagen (Beiakten 1, 4, 5 und 6) Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">                                                        <strong>E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e</strong></p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid des Bundesverwaltungsamts vom 10.02.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.06.2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebescheides.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Rechtsgrundlage für die Erteilung eines Aufnahmebescheides sind die §§ 26 und 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG in der zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts maßgeblichen Fassung des Gesetzes vom 20.11.2015 (BGBl. I S. 2010). Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG wird der Aufnahmebescheid auf Antrag Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten erteilt, die nach Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich des Gesetzes die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllen. Spätaussiedler kann nur ein deutscher Volkszugehöriger sein, § 4 Abs. 1 i.V.m. § 6 Abs. 2 BVFG.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Deutscher Volkszugehöriger ist nach § 6 Abs. 2 BVFG, wer von einem deutschen Staatsangehörigen oder deutschen Volkszugehörigen abstammt und sich bis zum Verlassen der Aussiedlungsgebiete durch eine entsprechende Nationalitätenerklärung oder auf andere Weise zum deutschen Volkstum bekannt oder nach dem Recht des Herkunftsstaates zur deutschen Nationalität gehört hat. Das Bekenntnis auf andere Weise kann auch durch einen Nachweis deutscher Sprachkenntnisse auf dem Niveau B1 oder durch familiär vermittelte Sprachkenntnisse erbracht werden. Es muss bestätigt werden durch den Nachweis der Fähigkeit, zum Zeitpunkt der verwaltungsbehördlichen Entscheidung über den Antrag zumindest ein einfaches Gespräch auf Deutsch führen zu können.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Der Kläger erfüllt die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG nicht. Es fehlt an einem tragfähigen Nachweis der Abstammung von einem deutschen Volkszugehörigen. Da die Mutter des Klägers russische Volkszugehörige ist, kann der Kläger die Abstammung von einem deutschen Volkszugehörigen nur von Herrn Q.    H.        ableiten, der seit 1953 mit seiner Mutter verheiratet war. Die Beklagte hat die deutsche Volkszugehörigkeit des Ehemanns der Mutter nicht in Zweifel gezogen. Die leibliche Abstammung des vor der Eheschließung im  1947 geborenen Klägers von Herrn Q.    H.        ist aber nicht belegt.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass mit dem Tatbestandsmerkmal der Abstammung in § 6 Abs. 2 BVFG die biologische Abstammung gemeint ist,</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">vgl. BVerwG, Urteil vom 13.11.2003 – 5 C 40/03 – ; OVG NRW, Beschluss vom 04.08.2010 – 12 A 1840/09 - , Beschluss vom 12.05.2010 – 12 A 310/09 – Beschluss vom 23.01.2006 – 12 A 519/05 - , Beschluss vom 18.11.2005 – 12 E 838/05 – .</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Die biologische Abstammung wird weder durch beweisgeeignete Urkunden nachgewiesen, noch kann sie auf der Grundlage von hinreichend aussagekräftigen Indizien festgestellt werden.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">In der vorgelegten beglaubigten Kopie der im Geburtsjahr ausgestellten Geburtsurkunde vom 00.00.1947 (Beiakte 4) wird der Kläger mit dem Nachnamen seiner Mutter „E.       “ geführt. Ein Vater ist nicht eingetragen.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Die Eintragung des vermeintlichen Vaters Q.    H.        wurde auch nicht im zeitlichen Zusammenhang mit der Eheschließung im Jahr 1953 nachgeholt. Bis zu seinem Tod im Jahr 1996 hat Q.    H.        die Vaterschaft nicht offiziell anerkannt. Der Umstand, dass Q.    H.        im Jahr 1990 die Vaterschaft des jüngeren Sohnes X.        (geboren 1949), nicht aber die der älteren Kinder P.    (geboren 1945) und Q.    (geboren 1947) anerkannt hat, spricht klar gegen eine biologische Abstammung.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Auch wenn die Anerkennung von X.        im Jahr 1990 vermutlich im Hinblick auf einen beabsichtigten Aufnahmeantrag erfolgt ist, wie der Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung vorträgt, hätte es nahegelegen, die ungeklärte Vaterschaft auch für die Kinder P.    und Q.    aus diesem Anlass offiziell zu bestätigen. Soweit der Kläger sich darauf beruft, eine Anerkennung sei beabsichtigt gewesen, habe wegen des plötzlichen Todes des Vaters im Jahr 1996 aber nicht mehr erfolgen können, ist dies nicht überzeugend. Zwischen der Anerkennung von X.        (1990) und dem Tod von Q.    H.        (1996) liegen 6 Jahre, also eine für ein Anerkennungsverfahren ausreichende Zeitspanne.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Die Vaterschaft von Q.    H.        bezüglich des Klägers lässt sich auch nicht aus dem vorgelegten Abstammungsgutachten vom 14.03.2016 ableiten, in dem die Vollgeschwisterschaft von X.        H.        und Q.    E.       festgestellt wird. Damit ist bewiesen, dass X.        H.        und der Kläger dieselbe Mutter und denselben Vater haben. Aus dem Umstand, dass die Vaterschaft des Q.    H.        zu X.        H2.         anerkannt und standesamtlich festgestellt ist und im Aufnahmeverfahren des X.        H2.         zugrunde gelegt wurde, lässt sich aber nicht der zwingende Schluss ziehen, dass die biologische Vaterschaft von Q.    H.        zum anerkannten Bruder X.        H.        feststeht.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Eine bestandskräftige Feststellung der Vaterschaft im Aufnahme- und Spätaussiedlerverfahren von X.        H.        liegt nicht vor. Die Bestandskraft eines Verwaltungsakts erfasst nicht die einzelnen Tatbestandsmerkmale, die für den Erlass des Verwaltungsakts erforderlich sind, also Vorfragen wie die Abstammung von einem deutschen Volkszugehörigen. In Bestandskraft erwächst nur die Entscheidung selbst, also die Feststellung des Aufnahmeanspruchs und der Spätaussiedlereigenschaft,</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">              vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Aufl. 2015, § 43 Rn. 31.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Auch die Anerkennung der Vaterschaft durch Q.    H.        für X.        H.        im Jahr 1990 ist kein Beweis für die biologische Abstammung, sondern eine freiwillige Erklärung, die lediglich zu einer rechtlichen Vaterschaft führt, also zu einer Begründung von Rechten und Pflichten im Verhältnis von Vater und Kind. Sie ist allerdings ein starkes Indiz für eine biologische Abstammung, wenn sie im zeitlichen Zusammenhang mit der Geburt eines nicht-ehelichen Kindes erklärt wird. Diese Indizwirkung ist jedoch hier dadurch entkräftet, dass die Anerkennung 41 Jahre nach der Geburt für ein volljähriges Kind erfolgte und im Zusammenhang mit dem beabsichtigten Aufnahmeverfahren stand. Diese Umstände rechtfertigen die Annahme, dass die Anerkennung möglicherweise nur eine familiäre Gefälligkeit war, die eine Auswanderung ermöglichen sollte, aber keine eindeutigen Rückschlüsse auf eine leibliche Vaterschaft zulässt. Die Vaterschaftsanerkennung für den Bruder X.        schließt demnach nicht aus, dass beide von einem anderen Vater abstammen,</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">vgl. auch VG Köln, Urteil vom 18.04.2018 – 10 K 2454/16 – juris Rn. 24 - 27.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Die Abstammung des Klägers von Q.    H.        ist auch nicht durch die nachträglich ausgestellte Geburtsurkunde vom 13.08.2014 belegt, in der Q.    H.        als Vater des Klägers eingetragen ist. Diese Urkunde erbringt keinen Beweis für die biologische Abstammung, weil sie allein auf dem Vaterschaftsfeststellungsbeschluss des Tsentralny Bezirksgerichtes der Stadt Barnaul vom 18.02.2014 beruht.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Dieser Gerichtsbeschluss kann nicht als Nachweis der Vaterschaft anerkannt werden, weil geeignete Feststellungen über die biologische Abstammung nicht getroffen wurden,</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">vgl. auch VG Köln, Urteile vom 08.01.2018 – 7 K 9518/17 – juris, Rn. 19, 23, vom 20.02.2018 – 7 K 118/15 – juris, Rn. 51, vom 24.07.2018 – 7 K 16234/17 – juris Rn. 27, vom 10.08.2018 – 7 K 13452/17 – juris Rn. 20.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Zwar müssen auch in deutschen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren ausländische Entscheidungen in Kindschaftssachen ohne eine Rechtmäßigkeitsprüfung und ohne Durchführung eines besonderen Verfahrens anerkannt werden, § 108 Abs. 1 und § 109 Abs. 5 FamFG. Dies gilt jedoch nicht, wenn ein Anerkennungshindernis vorliegt, insbesondere wenn die Anerkennung der Entscheidung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts (sog. „ordre public“) offensichtlich unvereinbar ist, § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG,</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">vgl. VG Köln, Beschluss vom 17.10.2016 – 7 K 118/15 – ; OVG NRW, Urteil vom 14.07.2016 – 19 A 2/14 – juris Rn. 59 ff.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Das ist hier der Fall. Denn im deutschen Verfahren zur Vaterschaftsfeststellung ist der biologische Vater durch ein genetisches Vaterschaftsgutachten zu ermitteln, §§ 177, 178 FamFG. Nur wenn dies nicht möglich ist, kann auf die Vermutungsregel des § 1600 d Abs. 2 BGB zurückgegriffen werden, wonach als Vater vermutet wird, wer der Mutter im Empfängniszeitraum beigewohnt hat. Zur Beiwohnung im Empfängniszeitraum können die Mutter sowie der fragliche Vater als Zeugen vernommen werden; Zeugenaussagen Dritter vom Hörensagen sind allerdings nicht ausreichend,</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">vgl. VG Köln, Beschluss vom 17.10.2016 – 7 K 118/15 – unter Bezugnahme auf BGH, Beschluss vom 26.08.2009 – XII ZB 169/07 – juris, Rn.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Eine derartige Beweiserhebung hat das Gericht in Barnaul nicht durchgeführt. Ein genetisches Abstammungsgutachten oder eine Zeugenaussage der Eltern konnte nicht eingeholt werden, weil die Eltern im Zeitpunkt des Verfahrens bereits verstorben waren. Das Gericht hat die Vaterschaftsfeststellung daher ausschließlich auf der Grundlage von Angaben des Klägers und Zeugenaussagen seiner Ehefrau und seiner Töchter über das tatsächliche familiäre Zusammenleben der Eheleute E.       /H.        mit den Kindern P.    , Q.    und X.        in der Zeit von 1943 bis 1996, von Familienfotos und aufgrund von Eintragungen in einem Militärausweis des vermeintlichen Vaters Q.    H2.         aus dem Jahr 1963 getroffen. Diese Indizien sind jedoch zur Feststellung der biologischen Vaterschaft nicht geeignet.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Es ist unstreitig, dass die Mutter des Klägers seit der Eheschließung im Jahr 1953 mit Q.    H.        und mit den Kindern P.    , Q.    und X.        sowie dem Sohn aus erster Ehe B.        familiär zusammengelebt hat. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass Q.    H.        auch der leibliche Vater der Kinder ist. Denn auch Stiefväter leben mit den Kindern der Ehefrau zusammen.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Es kann hier offen bleiben, ob in Fällen, in denen eine Beweiserhebung über die biologische Abstammung aufgrund des Todes der Eltern nicht mehr möglich ist, wegen der daraus resultierenden Beweisnot Beweiserleichterungen eingreifen, beispielsweise auch ein erwiesenes Zusammenleben im Zeitpunkt der Empfängnis als Indiz für die Vaterschaft ausreicht. Im vorliegenden Verfahren kann jedoch nicht belegt werden, dass die Mutter des Klägers im Jahr 1946 mit ihrem späteren Ehemann bereits zusammengelebt hat. Soweit der Kläger und seine Familienangehörigen dies bezeugen, hat dieses Zeugnis keine Aussagekraft, weil alle Personen erst nach 1946 geboren sind und daher aus eigener Erkenntnis keine Informationen über die Lebensverhältnisse im Jahr 1946 haben können.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Auch die Eintragungen der Kinder Q.    und X.        in der vorgelegten Personalkarte zum Militärausweis von Q.    H2.         , der im Jahr 1963 ausgestellt wurde, sind nicht geeignet, die biologische Abstammung zu belegen. Zum einen weist der Militärausweis äußere Anzeichen einer späteren Manipulation auf, da die Klebespuren, das Fehlen des Stempels auf dem Foto sowie das weiße Feld auf dem Foto auf ein nachträgliches Einkleben des Passbildes hindeuten. Auch stimmen die Nummer der Personalkarte (0000000) und die Nummer des Ausweises (0000000) nicht überein. Zum anderen wecken die Eintragungen auch inhaltlich Zweifel an der Authentizität. Es ist unklar, warum die „Söhne“ Q.    und X.        mit dem Familiennamen H2.         eingetragen sind, obwohl beide im Jahr 1963 den Namen der Mutter „E.       “ geführt haben. Auch fehlt hier die angebliche Tochter P.    . Diese Ungereimtheiten konnten auch in der mündlichen Verhandlung durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht aufgeklärt werden.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Selbst wenn aber die Eintragungen tatsächlich auf einer Erklärung von Q.    H2.         zu seinen Familienangehörigen bei der Ausstellung der Personalkarte beruhen sollten, belegt diese nicht die biologische Abstammung, sondern lediglich den Umstand, dass Q.    H.        mit den Kindern Q.    und X.        in einer Familie zusammenlebte und diese wie eigene Kinder erzogen und unterhalten hat. Die soziale Vaterrolle schließt aber nicht aus, dass es sich bei den Kindern um Kinder eines anderen biologischen Vaters handelte. Auch diese Erklärung erfolgte in einem großen zeitlichen Abstand zu der Geburt der Kinder (16 bzw. 14 Jahre) und ist auch nicht in einem offiziellen Vaterschaftsanerkennungsverfahren erfolgt. Ein eindeutiges Indiz für die biologische Vaterschaft ergibt sich daraus nicht.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Ein eheähnliches Zusammenleben von W.    E.       und Q.    H.        in der Zeit der Empfängnis im Jahr 1946 kann auch durch die im Widerspruchsverfahren vorgelegten Erklärungen der Nachbarn und der Familienangehörigen, die im Gerichtsverfahren eingereichten Anmeldungskarten und die übersandten Archivbescheinigungen nicht nachgewiesen werden. Die Aussagen der Zeugen U.      N2.     , S.      U1.      und X.        H2.         vom 20.01.2016 und vom 05.02.2016 sind als Beweismittel ungeeignet, weil die Zeugen im maßgeblichen Zeitraum im Jahr 1946 noch nicht geboren oder Kleinkinder waren. Der Nachbar W1.        D.        bestätigt ein Zusammenleben der Eheleute erst ab 1952.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Die Anmeldungskarten (Anlagen K9 und K10) weisen einen gemeinsamen Wohnsitz der Eheleute E.       /H.        in der 0.N1.    -Straße, Haus 00 in L.        im Zeitraum 1968 bis 1973, möglicherweise auch ab 26.07.1956  in der M.----straße Haus 00 nach. Über den Wohnsitz im Zeitraum 1942 bis 1956 sagen die Karten nichts aus.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Die Archivbescheinigungen vom 14.02.1997, vorgelegt im Widerspruchsverfahren, und vom 19.05.2017, vorgelegt im Klageverfahren, enthalten ebenfalls keine Auskünfte über den Aufenthaltsort des vermeintlichen Vaters, Q.    H.        , in der Zeit von 1942 bis 1950. Daraus ergibt sich lediglich, dass P. H.        im Mai 1941 in die Sowjetarmee einberufen wurde, im November 1942 in die Kohleindustrie verlegt wurde und 1944 in eine Sondersiedlung umgesiedelt wurde. 1948 erfolgte die Anmeldung in der Sondersiedlung. Von 1950 bis 1952 befand sich P. H.        in Strafhaft. Am 04.04.1952 wurde er aus der Strafhaft in die Sondersiedlung der Stadt L.        entlassen. In welcher Sondersiedlung er sich ab 1942 befand, lässt sich den Bescheinigungen nicht entnehmen.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Soweit die Bescheinigung der Volksrepublik Donezk vom 19.05.2017 noch Angaben zu Familienmitgliedern enthält, die mit P. H.        zusammengelebt haben sollen, sind auch diese als Beweis für die biologische Abstammung des Klägers ungeeignet. Sie sind auch als Indizien für eine eheähnliche Gemeinschaft im Jahr 1946 ungeeignet, weil sie keine Daten zum Zeitraum des Zusammenlebens enthalten und im Übrigen teilweise falsch sind. Beispielsweise ist B.        E.       , geb. 1938, der Sohn der Mutter des Klägers aus ihrer ersten Ehe, aber nachweislich nicht der Sohn von P. H.        . Gleichzeitig fehlt in der Aufzählung der später anerkannte Sohn X.        .</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Auch aus der vorgelegten Bescheinigung des Standesamts der Stadt L.        vom 26.04.2018 über die Eintragungen im Heiratsregister des Jahres 1953 lassen sich keine eindeutigen Aussagen über den biologischen Vater des Klägers entnehmen. Zwar wird über den Ehemann, Q.    H.        , angeblich im Heiratsregister angegeben: „hat 3 Kinder, die erste Ehe“, für die Ehefrau, W.    E1.        ; „hat 3 Kinder, erste Ehe“. Diese Angaben sind jedoch offensichtlich unzutreffend. Im Jahr 1953 war in den Geburtsurkunden der vorehelich geborenen Kinder P.    , Q.    und X.        ein Vater nicht angegeben. Demzufolge kann dieser auch nicht im  Geburtsregister verzeichnet sein und in das Heiratsregister übernommen worden sein. W.    E1.        hatte hingegen 4 Kinder, nämlich zusätzlich einen Sohn aus erster Ehe, B.        E.       . Für sie war also die Ehe mit P. H.        die zweite Ehe.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Ein Nachweis für die biologische Vaterschaft von Q.    H2.         ergibt sich auch nicht aus den beigefügten Familienfotos, insbesondere aus dem Portraitfoto von Q.    H.        aus dem Jahr 1972 mit der rückseitigen Aufschrift „An meine lieben Kinder Q.    , X1.     , O1.       von ihrem Vater und Großvater“ und der Unterschrift „P H.        “.</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Selbst wenn man dem beigefügten unvollständigen Schriftgutachten vom 21.05.2018 (Beiakte 4; es fehlen die Fotos 1 und 2) entnehmen könnte, dass die Unterschrift tatsächlich von P. H.        stammt, würde es sich lediglich um eine Erklärung handeln, die das tatsächliche Zusammenleben in der Familie widerspiegelt. Es ist nicht erkennbar, ob hierdurch nur die soziale Vaterrolle von P. H.        zum Ausdruck kommt oder ob er von einer leiblichen Vaterschaft ausgeht.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Bei Würdigung aller vorgelegten Unterlagen ergibt sich, dass die Vaterschaft von Q.    Q2.           H.        für den Kläger zwar nicht ausgeschlossen werden kann. Dafür sprechen die Vatersnamen der Geschwister Q.    Q2.           E.       und X.        Q2.           H.        und das Zusammenleben der Kinder mit den Eheleuten W.    E1.        /H.        ab 1953.</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Jedoch verbleiben durchgreifende Zweifel an der biologischen Vaterschaft der vorehelich geborenen Kinder, die auch durch die Anzeichen für nachträgliche Änderungen in den Militärausweisen der Brüder Q.    und X.        sowie die zahlreichen Ungereimtheiten in den vorgelegten Dokumenten gestützt werden. Nachweise für die biologische Abstammung oder eindeutige Indizien liegen nicht vor. Angeforderte Unterlagen, die weiteren Aufschluss über eine eheähnliche Gemeinschaft der Mutter des Klägers mit P. H.        im Jahr 1946 hätten geben können, wie z.B. Nachweise über die Dauer der ersten Ehe mit J1.    E.       oder über den Aufenthaltsort der Mutter ab 1942 in Form des Arbeitsbuches, konnten nicht vorgelegt werden.</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">Diese Zweifel gehen zu Lasten des beweisbelasteten Klägers, da es sich bei der Abstammung um eine anspruchsbegründende Tatsache handelt. Auch im Fall einer Beweisnot muss der Kläger durch einen vollständigen, schlüssigen Vortrag eine Überzeugung des erkennenden Gerichts von der Tatsache der biologischen Abstammung begründen,</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.12.1999 – 5 B 102.99 – juris, Rn. 6, OVG NRW, Urteil vom 08.04.2010 – 12 A 2782/07 – juris, rn. 71; VG Köln, Urteil vom 18.04.2018 – 10 K 2454/16 – juris Rn. 28.</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">Diese Überzeugung konnte im vorliegenden Verfahren nicht gewonnen werden.</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks"><strong>Rechtsmittelbelehrung</strong></p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn</p>
<span class="absatzRechts">73</span><ul class="absatzLinks"><li><span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,</p>
</li>
<li><span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,</p>
</li>
<li><span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,</p>
</li>
<li><span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">4. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder</p>
</li>
<li><span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">5. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.</p>
</li>
</ul>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, schriftlich zu beantragen. Der Antrag auf Zulassung der Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">Statt in Schriftform kann die Einlegung des Antrags auf Zulassung der Berufung auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">Die Gründe, aus denen die Berufung zugelassen werden soll, sind innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils darzulegen. Die Begründung ist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">Vor dem Oberverwaltungsgericht und bei Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird, muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">Die Antragsschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks"><strong>Beschluss</strong></p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">Der Wert des Streitgegenstandes wird auf</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">5.000,00 €</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">festgesetzt.</p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks"><strong>Gründe</strong></p>
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks">Der festgesetzte Streitwert entspricht dem gesetzlichen Auffangstreitwert im Zeitpunkt der Klageerhebung (§ 52 Abs. 2 GKG).</p>
<span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks"><strong>Rechtsmittelbelehrung</strong></p>
<span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks">Gegen diesen Beschluss kann schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, Beschwerde bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln eingelegt werden.</p>
<span class="absatzRechts">92</span><p class="absatzLinks">Statt in Schriftform kann die Einlegung der Beschwerde auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.</p>
<span class="absatzRechts">93</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, einzulegen. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.</p>
<span class="absatzRechts">94</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.</p>
<span class="absatzRechts">95</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.</p>
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171,250 | olgk-2019-01-15-17-w-17318 | {
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"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
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"jurisdiction": null,
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} | 17 W 173/18 | 2019-01-15T00:00:00 | 2019-01-29T12:50:30 | 2019-02-12T13:44:28 | Beschluss | ECLI:DE:OLGK:2019:0115.17W173.18.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 2. August 2018 wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin der 1. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 26. Juli 2018 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 7. September 2018 – 1 O 199/17 – folgendermaßen abgeändert:</p>
<p>Auf Grund des Beschlusses (Vergleichs) des Landgerichts Aachen vom 1. Juni 2018 – 1 O 199/17 – sind von der Klägerin <strong>1.207,46 €</strong> - eintausendzweihundertundsieben Euro und sechsundvierzig Cent – (statt 1.532,36 €) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. Juni 2018 an die Beklagte zu erstatten.</p>
<p>Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beschwerdegegnerin zu tragen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">G r ü n d e :</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den am 30. Juli 2018 zugestellten Beschluss ist gemäß §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 ff. ZPO, 11 Abs. 1 RPflG zulässig. Sie hat auch in der Sache selbst in vollem Umfang Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin weist völlig zu Recht darauf hin, dass es sich bei den „nicht ermäßigten“ Gerichtskosten nicht um Kosten der Säumnis im Sinne von § 344 ZPO handelt. Insoweit vermag der Senat der – auch vom Bezirksrevisor angeführten – Ansicht des AG Hannover (AGS 2010, 305 f.; zustimmend Zöller/Herget, 32. Aufl., § 344 ZPO Rn 4) nicht zu folgen, wie er bereits in seinem Beschluss vom 13. November 2017 – 17 W 210/17 – (AGS 2018, 101 ff. = juris Rn 13 mwN) entschieden hat. Die drei Gerichtsgebühren nach Nr. 1210 KV zu § 3 Abs. 2 GKG für das Verfahren im Allgemeinen sind bereits mit Eingang der Anspruchsbegründung am 29. Juni 2017 nach dem Widerspruch der Beklagten gegen den Mahnbescheid angefallen. Daran hat sich weder durch den Erlass des Versäumnisurteils vom 11. Januar 2018 gegen die Klägerin noch durch die Feststellung des zwischen den Parteien geschlossenen Vergleichs mit dem Beschluss vom 1. Juni 2018 etwas geändert. Es ist auch allgemein bekannt und anerkannt, dass trotz Beendigung des gesamten Verfahrens durch Vergleich eine Ermäßigung nach Nr. 1211 Nummer 3 KV ausscheidet, wenn ein anderes Urteil als die in Nr. 2 dieser Vorschrift genannten (Anerkenntnis- und Verzichtsurteil sowie eines nach § 313a Abs. 2 ZPO) vorausgegangen ist, also insbesondere nach einem Versäumnisurteil (§§ 313b, 330 ZPO). Der Erlass des Versäumnisurteils hat keinerlei Einfluss auf die Höhe der von Anfang an in Höhe von 3,0 entstandenen und später nicht ermäßigten Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen (vgl. Hansens, RVGReport 2018, 71, 73 aE).</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Parteien haben in dem Vergleich die Kostenfrage so geregelt, dass die Klägerin „vorab“ die „Mehrkosten der Säumnis im Termin am 11.01.2018“ trägt. Danach lautet die Kostenvereinbarung, dass „die übrigen Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs“ die Klägerin zu 70% und die Beklagte zu 30% tragen. Durch die Säumnis der Klägerin haben sich die Gerichtskosten nicht „vermehrt“; es handelt sich nicht um neue Kosten im Sinne von § 344 ZPO (Schneider, JurBüro 2018, 561, 564). Eine „durch die Versäumnis veranlasste“ Verhinderung von Ersparnissen bei dem Monate später geschlossenen Vergleich ist dem Entstehen von neuen Kosten nicht gleichzustellen (Touissant in Beck-OK/ZPO, Stand 01.12.2018, § 344 ZPO Rn 3.2 unter Hinweis auf OLG Bremen, OLGR 2005, 563 f. = juris Rn 12). Wenn die Parteien dies gewollt hätten, hätten sie dies deutlich machen und ausdrücklich vereinbaren können und müssen. Für eine entgegenstehende „Auslegung“ des Vergleichs (vgl. KG, KGR 2006, 924 = juris Rn 5 ff.) bieten weder der Wortlaut der Kostenregelung noch der Sachvortrag der Parteien irgendwelche Anhaltspunkte. Umgekehrt spricht alles dafür, dass allein die auf der Seite der Beklagten entstandenen Mehrkosten durch die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung vom 11. Januar 2018 (insbesondere die von ihr geltend gemachten Fahrtkosten und das Abwesenheitsgeld, insgesamt 57,40 €) gemeint waren.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat demnach 30% der im Rechtsstreit insgesamt angefallenen gerichtlichen Kosten von 1.638 €, also 491,40 € an die Klägerin zu erstatten. Dieser Betrag ist von dem (sonstigen) Erstattungsanspruch der Beklagten gegen die Klägerin – betreffend die außergerichtlichen Kosten – in Höhe von 1.641,46 € abzuziehen. Damit verbleibt insoweit ein Anspruch in Höhe von 1.150,06 €. Zusätzlich hat die Klägerin aber noch die Kosten der Säumnis in Höhe von 57,40 € zu tragen. Damit beträgt die gesamte Kostenerstattung 1.207,46 €, wie dies die Klägerin in ihrer sofortigen Beschwerde auch berechnet hat.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.</p>
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171,249 | vg-aachen-2019-01-15-3-l-171518a | {
"id": 840,
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"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
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} | 3 L 1715/18.A | 2019-01-15T00:00:00 | 2019-01-29T12:50:30 | 2019-02-12T13:44:28 | Beschluss | ECLI:DE:VGAC:2019:0115.3L1715.18A.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die aufschiebende Wirkung der Klage gleichen Rubrums (3 K 3996/18.A) gegen die in Ziffer 5 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 6. November 2018 enthaltene Abschiebungsandrohung nach Ghana wird angeordnet.</p>
<p>Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Gründe:</span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Asylrechtsschutzes ist die Kammer zur Entscheidung berufen. Mit Beschluss vom 10. Januar 2019 hat der Einzelrichter das Verfahren wegen grundsätzlicher Bedeutung auf die Kammer übertragen, vgl. § 76 Abs. 4 S. 2 des Asylgesetzes (AsylG).</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der - sinngemäß gestellte - einstweilige Rechtschutzantrag,</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">die aufschiebende Wirkung der unter dem Aktenzeichen 3 K 3996/18.A erhobenen Klage gleichen Rubrums gegen die in Ziffer 5 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 6. November 2018 enthaltene Abschiebungsandrohung nach Ghana anzuordnen,</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">hat Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Antrag ist zulässig.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die in der Hauptsache erhobene Klage ist, soweit sie sich gegen Ziffer 5 des angegriffenen Bescheids richtet, als Anfechtungsklage statthaft. Der Antragsteller begehrt insoweit die Aufhebung eines zur Durchsetzung seiner Ausreise erlassenen Verwaltungsakts, vgl. § 42 Abs. 1, 1. Fall der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i. V. m. § 35 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG). So droht die Antragsgegnerin dem Antragsteller für den Fall, dass dieser die Bundesrepublik Deutschland nicht innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der negativen Asyl- und Abschiebungsschutzentscheidung (Ziffern 1 bis 4 des Bescheids) verlässt, die Abschiebung in sein Herkunftsland Ghana an.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der statthaften Anfechtungsklage fehlt die aufschiebende Wirkung. Die mit ihr angegriffene Abschiebungsandrohung ist nach dem deutschen Asylgesetz sofort vollziehbar, weil in Ziffern 1 bis 3 des angegriffenen Bescheids der Asylantrag des Antragstellers insgesamt als „offensichtlich unbegründet“ ablehnt wird, vgl. §§ 75 Abs. 1, 36 AsylG.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Der zulässige Antrag ist begründet.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die nach § 80 Abs. 5 VwGO i. V. m. § 36 Abs. 3 AsylG gebotene Abwägung der gegenläufigen Vollziehungsinteressen geht zu Lasten der Antragsgegnerin aus. Nach Maßgabe übergeordneten Unionsrechts setzt sich das private Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung der Abschiebungsandrohung gegenüber dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Aufenthaltsbeendigung durch.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Das besondere Gewicht des privaten Aussetzungsinteresses ergibt sich bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes allein möglichen summarischen Prüfung daraus, dass das Bundesamt die Abschiebungsandrohung entsprechend der Sollvorschrift in § 34 Abs. 2 S. 1 AsylG mit der Ablehnung des Antrags auf internationalen Schutz in einem Asylbescheid verbunden hat, ohne die für diesen Fall geltenden unionsrechtlichen Verfahrensgarantien zu beachten.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Zwar hat der deutsche Asylgesetzgeber im Fall der Ablehnung von Asylbegehren als offensichtlich unbegründet den in § 80 Abs. 1 VwGO verankerten Grundsatz der aufschiebenden Wirkung von Anfechtungsklagen mit der Regelung in § 36 AsylG ausdrücklich durchbrochen und geht damit auch bei einer gemeinsamen Entscheidung über Asylablehnung und Abschiebungsandrohung von der sofortigen Vollziehbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahmen aus.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Der Antragsteller kann sich aber nach Auffassung der Kammer zur Durchsetzung seines Aussetzungsbegehrens mit Erfolg auf das im primären Unionsrecht verankerte Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf in Verbindung mit dem Grundsatz der Nichtzurückweisung berufen, vgl. Art. 47 sowie Art. 18 und 19 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GR-Charta).</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Dies folgt aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Die Kammer stützt sich insbesondere auf die Entscheidungsgründe, mit denen der Europäische Gerichtshof (Große Kammer) mit Urteil vom 19. Juni 2018 - C-181/16 - in der Rechtssache „Gnandi“ die einschlägigen Verfahrensgarantien des Unionsrechts für den flüchtlingsrechtlichen Eilrechtsschutz verbindlich ausgelegt hat.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Dabei ist zunächst klarzustellen, dass es sich bei der hier angegriffenen asylrechtlichen Abschiebungsandrohung mit einwöchiger Ausreisefrist (§§ 34, 36 Abs. 1 AsylG) um eine Rückkehrentscheidung i. S. d. Art. 3 Nr. 4 der Richtlinie 2008/115/EG vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (Rückführungsrichtlinie - RRL -) handelt, nämlich um eine behördliche Entscheidung mit welcher der illegale Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen festgestellt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt oder festgestellt wird,</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">vgl.              Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 21. August 2018 - 1 C 21.17 - juris, Rn. 18; Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 18. Dezember 2018 - 11 S 2125/18 - juris, Rn. 10.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Nach Art. 6 Abs. 6 RRL haben die Mitgliedstaaten entsprechend ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften die Möglichkeit, wie im vorliegenden Fall geschehen (§ 34 Abs. 2 Satz 1 AsylG), mit einer einzigen behördlichen oder richterlichen Entscheidung eine Entscheidung über die Beendigung eines legalen Aufenthalts sowie eine Rückkehrentscheidung zu erlassen. Diese Möglichkeit besteht jedoch unbeschadet der nach Kapitel III RRL und nach anderen einschlägigen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts und des einzelstaatlichen Rechts verfügbaren Verfahrensgarantien,</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">vgl. Europäischer Gerichtshof (Große Kammer), Urteil vom 19. Juni 2018 - C-181/16 - juris, Rn. 60; Urteil vom 5. Juli 2018 - C-269/18 PPU - juris, Rn. 49.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Der Europäische Gerichtshof betont in diesem Zusammenhang die Bedeutung des Rechts auf Nichtzurückweisung aus Art. 18 und 19 Abs. 2 GR-Charta, der gemäß Art. 18 GR-Charta und Art. 78 Abs. 1 AEUV zu beachtenden Genfer Flüchtlingskonvention und des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf gemäß Art. 47 GR-Charta,</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">vgl. Europäischer Gerichtshof (Große Kammer), Urteil vom 19. Juni 2018 - C-181/16 - juris, Rn. 53.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Danach steht die RRL dem Erlass einer Rückkehrentscheidung gegen einen Drittstaatsangehörigen, die mit der ablehnenden Entscheidung über dessen Asylantrag verbunden wird und die damit vor der Entscheidung über den Rechtsbehelf gegen die Ablehnung ergeht, nur dann nicht entgegen, sofern der betreffende Mitgliedstaat die durch den Gerichtshof im Einzelnen bestimmten Vorgaben erfüllt.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Danach müssen die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass der Rechtsbehelf gegen die Ablehnung des Antrags auf internationalen Schutz seine volle Wirksamkeit entfaltet, wobei der Grundsatz der Waffengleichheit zu wahren ist. Es genügt nicht, dass der betroffene Mitgliedstaat davon absieht, die Rückkehrentscheidung zwangsweise umzusetzen. Es sind alle Rechtswirkungen der Rückkehrentscheidung sowohl während der Frist für die Einlegung eines Rechtsbehelfs, als auch - für den Fall, dass er eingelegt wird - bis zur Entscheidung über ihn, auszusetzen,</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">vgl. Europäischer Gerichtshof (Große Kammer), Urteil vom 19. Juni 2018 - C-181/16 - juris, Rn. 61 f.; Urteil vom 5. Juli 2018 - C-269/18 PPU - juris, Rn. 50; bestätigt auch durch Urteile vom 26. September 2018 - C-175/17 - juris, Rn. 33 und - C-180/17 - juris, Rn. 29.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Insbesondere darf die in Art. 7 RRL vorgesehene Frist für die freiwillige Ausreise nicht zu laufen beginnen, solange der Betroffene ein Bleiberecht hat. Insgesamt ist es Aufgabe der Mitgliedstaaten, ein faires und transparentes Rückkehrverfahren zu gewährleisten. Dazu haben die Mitgliedstaaten dafür Sorge zu tragen, dass in transparenter Weise über die Einhaltung der Garantien informiert wird, die sich aus dem Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs im Einzelnen ergeben,</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">vgl. Europäischer Gerichtshof (Große Kammer), Urteil vom 19. Juni 2018 - C-181/16 - juris, Rn. 65.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die vorgenannten Grundsätze hat der Europäische Gerichtshof auch auf Drittstaatsangehörige übertragen, deren Antrag auf internationalen Schutz - wie im Falle des Antragstellers - im Einklang mit Art. 32 Abs. 2 der Richtlinie 2013/32/EU vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Verfahrensrichtlinie - VRL -) als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde,</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">vgl.              Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 5. Juli 2018 - C-269/18 PPU - juris, Rn. 52.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Zwar trifft es in diesem Fall zu, dass der Betroffene nach Art. 46 Abs. 5 und 6 VRL kein volles Bleiberecht im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaates bis zur Entscheidung über seinen Rechtsbehelf hat. Er muss jedoch im Einklang mit den Anforderungen des Art. 46 Abs. 6 VRL ein Gericht anrufen können, das darüber zu entscheiden hat, ob er in diesem Hoheitsgebiet verbleiben darf. Nach Art. 46 Abs. 8 VRL muss der betreffende Mitgliedstaat dem Antragsteller gestatten, bis zur Entscheidung über sein Bleiberecht in diesem Verfahren in seinem Hoheitsgebiet zu verbleiben,</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">vgl.              Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 5. Juli 2018 - C-269/18 PPU - juris, Rn. 53.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Gemessen daran spricht Überwiegendes dafür, dass die deutsche Ausgestaltung des einstweiligen Rechtschutzverfahrens gegen die Abschiebungsandrohung im Falle der Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet nicht in jeder Hinsicht unionsrechtskonform ist,</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">              im Ergebnis ebenso: Verwaltungsgericht Arnsberg, Beschluss vom 17. Dezember 2018 - 3 L 1935/18.A - juris; vereinzelten Anpassungsbedarf sieht auch Wittkopp, Abschiebung abgelehnter Asylbewerber im Einklang mit Unionsrecht - Das Urteil „Gnandi“ des EuGH, in: ZAR 2018, 325; zu weitgehend jedoch: Hruschka, Umfassender Rechtschutz im Asylverfahren, in: Asylmagazin 2018, 290.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Problematisch erscheint die in Ziffer 5 des angegriffenen Asylbescheids gewählte Formulierung zur Festsetzung der einwöchigen Ausreisefrist. Diese lautet: „Der Antragsteller wird aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen“.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Danach entsteht für den Antragsteller als Adressaten des Bescheids der Eindruck, dass die gesetzte Ausreisefrist von einer Woche mit Bekanntgabe der Entscheidung in Gang gesetzt werde und damit parallel zur einwöchigen Rechtsbehelfsfrist laufe. Ein Hinweis dazu, ob der Lauf der Ausreisefrist durch das Einleiten eines einstweiligen Rechtschutzverfahrens gehemmt wird oder ob die Ausreisefrist nach dem Abschluss dieses Verfahrens von neuem beginnt, erfolgt nicht.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Dieser Mangel an Transparenz über den Lauf der Ausreisefrist wirkt insoweit fort, als im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung unklar bleibt, ob die Antragsgegnerin dem Antragsteller nach negativem Abschluss des einstweiligen Rechtschutzverfahrens noch eine Frist zur freiwilligen Ausreise gewähren wird und - wenn ja - in welcher Länge. Sie setzt den Betroffenen faktisch unter Abschiebungsdruck, und zwar schon ab Bekanntgabe der ablehnenden Asylbehördenentscheidung und nicht erst - wie nach den vorgenannten Rechtsschutzgarantien des Unionsrechts erforderlich - ab Zustellung der ablehnenden gerichtlichen Entscheidung über den einstweiligen Rechtschutzantrag.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Dem kann nicht durch einen Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu §§ 10 und 11 AsylVfG a. F. begegnet werden, derzufolge einem Asylbewerber nach dem Ende der Aussetzung der Abschiebung nicht nochmals eine Ausreisefrist gewährt werden muss,</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">vgl.              Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 16. Mai 1986 - 1 C 16.85 - juris, Rn. 21 f.; Funke-Kaiser, in: GK-AsylG, § 36 AsylG, Rn. 48.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Sie dürfte überholt sein, weil sie zu einer Asylrechtslage ergangen ist, welche die hier maßgeblichen Vorgaben des Unionsrechts noch nicht enthielt,</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">vgl. Wittkopp, Abschiebung abgelehnter Asylbewerber im Einklang mit Unionsrecht - Das Urteil „Gnandi“ des EuGH, in: ZAR 2018, 325 (328).</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Auch eine unionsrechtskonforme Auslegung der geltenden Rechtslage,</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">vgl. für eine derartige unionsrechtliche Korrektur der gesetzten Frist zur freiwilligen Ausreise: Verwaltungsgericht Stuttgart, Beschluss vom 11. Dezember 2018 - A 2 K 10728/18 - juris, Rn. 5 unter Verweis auf Verwaltungsgericht Freiburg, Beschluss vom 23. Oktober 2018 - A 3 K 799/18 -; Verwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 30. November 2018 - 31 L 682/18.A - juris, Rn. 27,</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">vermag den im vorliegenden Verfahren festzustellenden Mangel an Transparenz nach Ansicht der Kammer nicht zu beseitigen. Die den Antragsteller belastende Unklarheit über den Lauf der ihm gesetzten Ausreisepflicht geht nicht vorrangig auf das Asylgesetz zurück, sondern auf die konkrete Formulierung, welche die Antragsgegnerin dazu in Ziffer 5 ihres Bescheids gewählt hat.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Zudem lässt sich diese Intransparenz nicht durch die Gestaltung des gerichtlichen Asyleilverfahrens unionsrechtskonform ausgleichen. Dazu mag der Hinweis genügen, dass der Gedanke der Verfahrensbeschleunigung im gerichtlichen Aussetzungsverfahren nach § 36 Abs. 3 AsylG prägend ist. Danach soll die Entscheidung im schriftlichen Verfahren innerhalb einer Woche ab Ablauf der Ausreisefrist ergehen, vgl. § 36 Abs. 3 S. 5 AsylG. Eine mündliche Verhandlung, in der zugleich über die Klage verhandelt wird, ist unzulässig, vgl. § 36 Abs. 3 S. 4 AsylG.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Schließlich hält es die Kammer nicht für zulässig, auf die Unklarheit hinsichtlich des Laufs der behördlich gesetzten Ausreisefrist dadurch zu reagieren, dass die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers für die Dauer von einer Woche angeordnet wird,</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">              ebenso ablehnend: Verwaltungsgericht Arnsberg, Beschluss vom 17. Dezember 2018 - 3 L 1935/18.A - juris, Rn. 29 ff.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Eine derartige Eilentscheidung zur „Behebung eines behördlichen Fehlers“ dürfte schon deshalb ausgeschlossen sein, weil sie den Streitgegenstand des Aussetzungsverfahrens überschreitet. So ist der Antrag des Antragstellers auf Aussetzung der Vollziehung des ihn belastenden Verwaltungsakts „Abschiebungsandrohung mit einwöchiger Ausreisefrist“ gerichtet. Diese Rechtschutzform beruht wie die zugehörige Anfechtungsklage auf einem Aufhebungsverlangen. Nach Auffassung der Kammer ist es nicht Aufgabe des Gerichts, durch eine „passgenaue“ Aussetzung der Vollziehung faktisch diejenige  Ausreisefrist zu schaffen, die die zuständige Behörde hätte gewähren müssen.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Keine Zweifel hat die Kammer, dass sich der Antragsteller auf die Defizite bei der Umsetzung der unionsrechtlichen Transparenzvorgaben im vorliegenden Aussetzungsverfahren berufen kann, da ihm insoweit subjektiv-öffentliche Rechtspositionen zustehen. Dies ergibt sich daraus, dass der Europäische Gerichtshof die vorgenannten Gewährleistungen der EU-Grundrechtecharta entnimmt, die Individualrechte vermittelt.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Nach alledem kommt es nicht mehr darauf an, ob die unionsrechtlich verlangte Belehrung über die vorgenannten Verfahrensgarantien nicht ordnungsgemäß erfolgte,</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">vgl.              dazu Wittkopp, Abschiebung abgelehnter Asylbewerber im Einklang mit Unionsrecht - Das Urteil „Gnandi“ des EuGH, in: ZAR 2018, 325, 329; Rechtsbehelfsbelehrung ausreichend: Verwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 30. November 2018 - 31 L 682.18 A - juris, Rn. 29,</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">und ob ggf. deshalb gegenüber der Abschiebungsandrohung Rechtschutz zu gewähren ist,</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">vgl.              zweifelnd: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 18. Dezember 2018 - 11 S 2125/18 - juris, Rn. 22.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Die vom angerufenen Gericht vorgenommene Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat gemäß § 37 Abs. 2 AsylG zur Folge, dass die Ausreisefrist für den Antragsteller, wie unionsrechtlich zulässig, erst mit dem unanfechtbaren Abschluss des Asyl(klage)verfahrens beginnt und sich auf 30 Tage verlängert.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens, vgl. §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83b AsylG.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Der Beschluss ist unanfechtbar.</p>
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} | 15 Nc 89/18 | 2019-01-15T00:00:00 | 2019-01-29T12:50:30 | 2019-02-12T13:44:28 | Beschluss | ECLI:DE:VGD:2019:0115.15NC89.18.00 | <h2>Tenor</h2>
<p><strong>Der Antrag wird abgelehnt.</strong></p>
<p><strong>Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.</strong></p>
<p><strong>Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.</strong></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong>Gründe:</strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Das vorläufige Rechtsschutzgesuch mit dem sinngemäßen Ziel,</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks"><strong>die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Antragstellerin nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2018/2019 nach Maßgabe eines gerichtlich angeordneten Losverfahrens über die Vergabe zusätzlicher Studienplätze zum Studium der Humanmedizin im 1. klinischen Fachsemester, hilfsweise in einem niedrigeren Fachsemester vorläufig zuzulassen,</strong></p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">hat keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Unbeschadet etwaiger Bedenken gegen seine Zulässigkeit ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung jedenfalls unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Gemäß § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Diese Voraussetzungen sind hier schon mangels eines glaubhaft gemachten Anordnungsanspruchs nicht erfüllt (§§ 123 Abs. 3 VwGO, 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO).</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Der geltend gemachte Anspruch auf vorläufige Zulassung zum Hochschulstudium bzw. auf Beteiligung an einem gerichtlich anzuordnenden Vergabeverfahren zur Verteilung solcher Studienplätze, der auf Art. 12 Abs. 1 GG i. V. m. dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Sozialstaatsprinzip beruht, ist nicht gegeben. Die tatsächlich bestehende Ausbildungskapazität der Antragsgegnerin im 1. klinischen Fachsemester des Studiengangs Humanmedizin ist erschöpft.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Wissenschaftsverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen hat die Zahl der Studienplätze für den Studiengang Humanmedizin an der Antragsgegnerin für das Wintersemester 2018/2019 – auf der Grundlage der von der Antragsgegnerin durchgeführten Kapazitätsberechnung – durch die Verordnung über die Festsetzung von Zulassungszahlen und die Vergabe von Studienplätzen in höheren Fachsemestern an den Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen zum Studienjahr 2018/2019 vom 14. August 2018 (GV. NRW. S. 468) ausgehend von einer errechneten jährlichen Kapazität von 315 Studienplätzen für das 1. klinische Fachsemester auf 158 festgelegt.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Tatsächlich ergibt sich auf der Basis der von der Antragsgegnerin vorgelegten Unterlagen für das Wintersemester 2018/2019 jedoch eine jährliche Ausbildungskapazität von 380 Studienplätzen. Die aufgrund dessen auf das Wintersemester 2018/2019 entfallende Kapazität von 190 Studienplätzen ist aber durch die von der Antragsgegnerin vorgenommenen Rückmeldungen bzw. Immatrikulationen (338) ebenfalls erschöpft.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Der Kapazitätsberechnung für das Studienjahr 2018/2019 sind für Studiengänge, deren Plätze – wie hier im Studiengang Humanmedizin – in einem zentralen Vergabeverfahren vergeben werden, gemäß § 12 der Verordnung zur Ermittlung der Aufnahmekapazität an Hochschulen in Nordrhein-Westfalen für Studiengänge außerhalb des zentralen Vergabeverfahrens (Kapazitätsverordnung NRW 2017) vom 8. Mai 2017 (GV. NRW. S. 591) weiterhin die Vorschriften der zuletzt durch die Verordnung vom 12. August 2003 (GV. NRW. S. 544) geänderten Fassung der Verordnung über die Kapazitätsermittlung, die Curricularnormwerte und die Festsetzung von Zulassungszahlen (KapVO) vom 25. August 1994 (GV. NRW. S. 732) zu Grunde zu legen und damit auch die nach § 5 Abs. 1 und Abs. 3 KapVO gemäß den Kapazitätserlassen der Wissenschaftsverwaltung vom 22. Januar 2018 und von August 2018 zum Berechnungsstichtag 1. März 2018 erhobenen und zum 15. September 2018 überprüften Daten.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Dies begegnet keinen Bedenken. Zwar wird das Medizinstudium an der Antragsgegnerin für Studierende, die sich seit dem Wintersemester 2013/2014 für den Studiengang Humanmedizin mit dem Abschluss Staatsexamen für das 1. Fachsemester eingeschrieben haben bzw. einschreiben, nicht mehr als Regelstudiengang mit der klassischen Aufteilung in vorklinischen und klinischen Studienabschnitt, sondern als Modellstudiengang durchgeführt (§§ 1 ff., 40 der Studien- und Prüfungsordnung für den Modellstudiengang Medizin an der Antragsgegnerin vom 7. Oktober 2013, Amtl. Bekanntmachungen Nr. 24/2013 vom 21. Oktober 2013, in der Fassung der Ersten Ordnung zur Änderung der Studien- und Prüfungsordnung vom 11. April 2016, Amtl. Bekanntmachungen Nr. 13/2016 vom 28. April 2016, verfügbar auf www.hhu.de). Die Ausbildung im Modellstudiengang unterscheidet sich in Struktur, Ausbildungsinhalten, Ausbildungsformen (Veranstaltungsarten) und Dauer grundlegend vom Regelstudiengang (§ 41 der Approbationsordnung für Ärzte vom 27. Juni 2002 (BGBl. I S. 2405), zuletzt geändert durch Art. 5 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2581), – nachfolgend: ÄApprO –).</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Gemäß §§ 1 Abs. 2 Satz 1, 21 KapVO, Art. 6 Abs. 2 Satz 2 des Staatsvertrages über die Errichtung einer gemeinsamen Einrichtung für die Hochschulzulassung vom 5. Juni 2008, GV.NRW. 2010 S. 280, § 41 ÄApprO darf bei der Erprobung eines neuen Studiengangs die Ausbildungskapazität jedoch losgelöst von den Regelungen des Zweiten Abschnitts der Kapazitätsverordnung festgesetzt werden. Das danach bestehende Ermessen muss die Wissenschaftsverwaltung unter Berücksichtigung der Grundrechte der Hochschule und der Hochschullehrer aus Art. 5 Abs. 3 GG, der Grundrechte der Studienbewerber aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG und der eingeschriebenen Studierenden aus Art. 12 Abs. 1 GG sowie des öffentlichen Interesses an der Reform der ärztlichen Ausbildung ausüben. Hiervon ausgehend ist es nicht ermessensfehlerhaft, wenn in der Umstellungs- und Erprobungsphase des Modellstudiengangs die Kapazität nach dem früheren Regelstudiengang berechnet wird, um dem Orientierungs- und Neuordnungsprozess Zeit zu geben. Etwas anderes müsste nur dann gelten, wenn diese Art der Kapazitätsberechnung die wahre Ausbildungskapazität erkennbar verfehlte. Dafür fehlen aber jegliche Anhaltspunkte; im Gegenteil gibt es Erkenntnisse, dass die fiktive Berechnung kapazitätsfreundlich ist.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Vgl. zum Ganzen OVG NRW, Beschluss vom 12. September 2014 – 13 B 776/14 –, NRWE = juris Rdnr. 5, und Beschlüsse vom 31. März 2004 - 13 C 20/04 - und vom 28. Mai 2004 - 13 C 20/04 -, jeweils juris.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Der Modellstudiengang an der Antragsgegnerin befindet sich nach wie vor in der Erprobungsphase (vgl. §§ 4, 5 Abs. 1 der Studienordnung für den Modellstudiengang Humanmedizin). Er ist mit Verfügung des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen vom 6. Juli 2017 unter der Bedingung laufender wie auch abschließender Evaluation bis zum 30. September 2023 verlängert worden.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 KapVO ist die jährliche Aufnahmekapazität aufgrund der personellen Ausstattung der Lehreinheit nach den Vorschriften des Zweiten Abschnitts der Kapazitätsverordnung (§ 6 bis 13 KapVO) zu berechnen und anschließend das Ergebnis anhand der weiteren kapazitätsbestimmenden Kriterien nach den Vorschriften des Dritten Abschnitts der Kapazitätsverordnung (§§ 14 bis 21 KapVO) zu überprüfen. Gemäß § 22 Abs. 2 KapVO gelten diese Regelungen entsprechend für die Festsetzung von Zulassungszahlen für höhere Fachsemester.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Für die Berechnung der personellen Ausstattung der Lehreinheit klinisch-praktische Medizin anhand der ihr zuzuordnenden Lehrpersonen und deren Lehrdeputaten ist die Antragsgegnerin ausweislich der von ihr vorgelegten Datensätze von 881,29 Planstellen ausgegangen. Unter Berücksichtigung eines Personalbedarfs für die stationäre Krankenversorgung in Höhe von 187,73 Stellen, für die ambulante Krankenversorgung in Höhe von 181,67 Stellen und für das praktische Jahr in Höhe von 21,25 Stellen resultieren daraus 490,64 Stellen für die Lehre. Hieraus folgt bei einem durchschnittlichen Lehrdeputat von 5,43 Deputatstunden (DS) ein Deputatstundenangebot aus den Stellen der Lehreinheit von (490,64 x 5,43 =) 2.664,18 DS. Bei einem Ansatz von 49,73 Lehrauftragsstunden sowie Dienstleistungsexporten (je Semester) in Höhe von 49,05 DS ergibt sich damit ein bereinigtes Lehrangebot je Semester von (2.664,18 DS + 49,73 – 49,05 =) 2.664,86 DS. Aus diesem bereinigten Lehrangebot errechnet sich unter Berücksichtigung des Curriculareigenanteils (Ca<sub>p</sub>) von hier 4,77 gemäß der Formel 5 der Anlage 1 zur KapVO die jährliche Aufnahmekapazität, die hier bei [(2.664,86 x 2) : 4,77 =] 1.117,3417 und somit gerundet bei 1.117 Studienplätzen liegt.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Aufgrund der gemäß § 14 Abs. 3 Nr. 3 KapVO durchzuführenden Überprüfung des Berechnungsergebnisses erhöht sich die Zahl der Studienplätze nicht. Der mit 1,00 (1/1,00) in die Überprüfung eingestellte Schwundfaktor begegnet bei summarischer Überprüfung auch ohne weitere Sachaufklärung keinen durchgreifenden Bedenken. Seine Berechnung ist mangels normativer Vorgaben sachangemessen nach dem die Grundprinzipien der Kapazitätsverordnung wahrenden „Hamburger Modell“ erfolgt,</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">vgl. zum Hamburger Modell im Zusammenhang mit der Vorklinik OVG NRW, Beschluss vom 4. November 2013 – 13 A 455/13 –, NRWE = juris Rdnr. 5 ff., und Beschluss vom 5. Februar 2013 ‑ 13 B 1446/12 –, NRWE = juris Rdnr. 3 ff.,</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">und schließt in Bezug auf den klinischen Teil des Studiengangs Medizin eine Betrachtung der Studierendenzahlen bis zum sechsten (klinischen) Semester mit ein. Dass der anhand der amtlichen Statistik zu errechnende Schwundausgleichsfaktor die semesterliche Verbleibequote entgegen den tatsächlichen Gegebenheiten und damit unzutreffend wiedergibt, ist weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich. Dabei fehlt einem in die Berechnung eingestellten Schwundfaktor von 1,00 nicht schon per se die innere Plausibilität, weil in dessen Berechnung etwa aus Anlass von Studienabbrechern bzw. Fach- und Hochschulwechseln semesterliche Übergangsquoten eingestellt sind, die über 1 liegen. Ist wegen einer die Zahl der Abgänge (z.B. Studienabbrecher, Ortswechsler) überwiegenden Zahl an Zugängen (z.B. Höherstufungen, Fachwechsel) in höheren (klinischen) Fachsemestern keine Entlastung in der Lehrnachfrage zu verzeichnen, ist dies gemäß § 14 Abs. 3 Nr. 3 KapVO zu berücksichtigen.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Vgl. hierzu für die Vorklinik: OVG NRW, Beschluss vom 1. März 2006 – 13 C 38/06 –, NRWE = juris Rdnr. 17, und Beschluss vom 27. Februar 2008 – 13 C 5/08 –, NRWE = juris Rdnr. 6 ff.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Dass die Antragsgegnerin ausweislich der Erkenntnisse der Kammer aus den Kapazitätsverfahren zum Wintersemester 2016/2017 ihrer Schwundberechnung Studierendenzahlen zu Grunde legt, welche nur die im jeweiligen Fachsemester zurückgemeldeten Studierenden, demnach nicht die beurlaubten Studierenden abbilden, ist jedenfalls nicht kapazitätsunfreundlich.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Zwar ist es kapazitätsrechtlich nicht geboten, beurlaubte Studierende im Rahmen der Schwundberechnung der Hochschule als keine Lehrkapazität Nachfragende zu behandeln. Beurlaubungen fallen vielmehr nicht unter die Kategorie des Schwundes nach §§ 14 Abs. 3 Nr. 3, 16 KapVO, da Beurlaubte die Lehrveranstaltungen lediglich zu einem späteren Zeitpunkt in Anspruch nehmen und keine echte Schwundentlastung der Lehreinheit bei der studentischen Nachfrage darstellen.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. März 2016 – 13 C 20/16 –, juris, Rdnr. 23, Beschluss vom 15. April 2010 – 13 C 133/10 –, NRWE = juris Rdnr. 29, m.w.N., und Beschluss vom 1. März 2006 ‑ 13 C 38/06 –, NRWE = juris Rdnr. 19.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Wird jedoch die Zeit der Beurlaubung als Schwund behandelt, ist dies als solches kapazitätsfreundlicher, da eine – tatsächlich nicht gegebene – Entlastung der Lehreinheit der Schwundberechnung zu Grunde gelegt wird. Ob die so in Abweichung von § 16 KapVO ermittelten Schwundquoten immer auch im Ergebnis kapazitätsgünstiger als bei verordnungskonformer Berechnung sein werden, kann dahinstehen.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Vgl. BayVGH, Beschluss vom 5. August 2015 – 7 CE 15.10118 –, juris, Rdnr. 22, und OVG Sachsen, Beschluss vom 20. Februar 2013 – NC 2 B 62/12 –, juris, Rdnr. 10: (nicht gebotene) Berechnung ohne Beurlaubte ist kapazitätsgünstiger.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Sie sind jedenfalls nicht kapazitätsunfreundlicher.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Vgl. auch Beschluss der Kammer vom 1. Dezember 2016 – 15 Nc 25/16 –, juris Rdnr. 122 ff.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Das Berechnungsergebnis nach der personellen Kapazität (1.117 Studienplätze jährlich) ist gemäß § 17 Abs. 1 KapVO anhand der patientenbezogenen Einflussfaktoren zu überprüfen.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Sachlich und damit auch verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist es, für die Bestimmung der Ausbildungskapazität nach §§ 14 Abs. 2 Nr. 4, 17 KapVO an die zu Ausbildungszwecken zur Verfügung stehende Zahl an Patienten anzuknüpfen. Die Ausbildung am Patienten dient im Studiengang Humanmedizin in der klinisch-praktischen Ausbildung dazu, den Studierenden die für die Ausbildung zum Arzt erforderlichen Anschauungen zu vermitteln und bestimmte ärztliche Techniken einzuüben.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Vgl. Bahro, Das Hochschulzulassungsrecht in der Bundesrepublik Deutschland, 4. Aufl. 2003, Rdnr. 1 zu § 17 KapVO.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Es ist deshalb kapazitätsrechtlich auch nicht zu beanstanden, wenn die nach der patientenbezogenen Ausbildungskapazität ermittelte Zahl an Studienplätzen nur einen Teil der errechneten personellen Kapazität ausschöpft. Eine Verpflichtung der Universität, zur Anpassung der ausstattungsbezogenen Kapazität an die personelle Kapazität andere Kliniken als Lehrkrankenhäuser zu gewinnen und einzubinden, besteht in diesem Zusammenhang nicht.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">OVG NRW, Beschluss vom 19. Dezember 2013 – 13 C 107/13 u.a. –, juris, Rdnr. 5 ff.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Als patientenbezogene jährliche Aufnahmekapazität für den Studienabschnitt zwischen dem Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung und dem Beginn des Praktischen Jahres sind gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KapVO 15,5 vom Hundert der Gesamtzahl der tagesbelegten Betten des Klinikums anzusetzen.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">In die Ermittlung des genannten Parameters eingeflossen sind die Eignungswahrscheinlichkeit von Patienten für die Ausbildung, deren Belastbarkeit, die Zahl der Studenten je Patient, die Anzahl der Semesterwochenstunden für den Unterricht am Krankenbett gemäß Studienplan, die Zahl der Planbetten und der durchschnittliche Auslastungsgrad eines Fachs.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Vgl. Zimmerling/Brehm, Hochschulkapazitätsrecht: Verfassungsrechtliche Grundlagen – Materielles Kapazitätsrecht, 2013, Seite 350; Bahro/Berlin, Das Hochschulzulassungsrecht in der Bundesrepublik Deutschland, 4. Auflage 2003, § 17 KapVO, Rdnr. 5.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Weder substantiiert dargetan noch sonst ersichtlich ist, dass diese Eingangsgrößen an sich für die Ermittlung der patientenbezogenen stationären Kapazität nicht (mehr) sachgerecht sein könnten.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Die Kammer sieht vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen momentan keinen Anlass, den Wert von 15,5 % gerichtlich zu korrigieren. Zwar hat die im Mai 2016 durch die Stiftung für Hochschulzulassung gegründete „Arbeitsgruppe Modellstudiengänge Medizin“ eine empirische Untersuchung an sechs Hochschulstandorten, darunter auch dem der Antragsgegnerin, in Auftrag gegeben mit dem Ziel einer Überprüfung der in den Kapazitätsverordnungen normierten Parameter der patientenbezogenen Kapazitätsberechnung. Auch hat das von der genannten Arbeitsgruppe beauftragte „C.         Centrum für empirische Studien“ (C1.     ) bereits im Februar 2018 die Ergebnisse der empirischen Erhebungen vorgelegt, ohne dass die Arbeitsgruppe bzw. die Stiftung für Hochschulzulassung über das Ergebnis der Untersuchung bislang abschließend beraten hätte.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Vgl. Begründung zur Siebenundzwanzigsten Verordnung zur Änderung der Kapazitätsverordnung des Landes Berlin vom 19. Juni 2018, vorgelegt von Antragstellerseite im Verfahren 15 Nc 98/18.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Es ist jedoch zunächst eine allein dem Verordnungsgeber vorbehaltene Entscheidung, ob bzw. inwieweit sich aus den von der Firma C1.     erhobenen Daten das Erfordernis einer Anpassung der Kapazitätsverordnung ergibt.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Für die Annahme, der nordrhein-westfälische Verordnungsgeber habe den ihm im Rahmen seiner Obliegenheit zur Beobachtung und gegebenenfalls Nachbesserung der KapVO zustehenden Spielraum in zeitlicher Hinsicht bereits überschritten,</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR 2628/10 –, juris, Rdnr. 121 m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 23. März 2011 – 6 CN 3.10 –, juris, Rdnr. 40,</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">besteht kein Anlass. Auch wenn der Verordnungsgeber des Landes Berlin bereits mit Wirkung zum 1. Juli 2018 den Parameter von 15,5% auf 17,1% angehoben hat (§ 17a Nr. 1 der Verordnung über die Kapazitätsermittlung, die Curricularnormwerte und die Festsetzung von Zulassungszahlen des Landes Berlin in der Fassung vom 19. Juni 2018), ohne das Ergebnis der Beratungen innerhalb der Stiftung für Hochschulzulassung abzuwarten, lässt dies nicht den Schluss zu, es sei im aktuellen Zeitpunkt verfassungsrechtlich geboten, den Faktor von 15,5% unter Übergehen des nordrhein-westfälischen Verordnungsgebers gerichtlich zu korrigieren.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Einer – teilweise angemahnten – weiteren Aufklärung des Inhalts der Erhebungen der C1.     , ggfs. allein bezogen auf den Standort der Antragsgegnerin, bedarf es damit nicht.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Die Art und Weise der Ermittlung der Anzahl der tagesbelegten Betten durch die Antragsgegnerin auf der Basis der sog. Mitternachtsstatistik ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Die hiermit einhergehende Nichtberücksichtigung von nur teilstationär aufgenommenen Patienten (ohne Aufnahme des Patienten über Nacht erfolgte stationäre Behandlung, z.B. Betten in Tageskliniken) ist kapazitätsrechtlich unbedenklich. Bei der Berechnung der tagesbelegten Betten im Sinne von § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KapVO ist es im Hinblick auf die insoweit maßgebliche Frage der Eignung der Patienten für die Ausbildung folgerichtig und sachgerecht, an den Begriff des „Übernachtungspatienten“ anzuknüpfen und deren Zahl im Wege der sog. „Mitternachtsstatistik“ zu erheben.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">OVG NRW, Beschlüsse vom 7. Mai 2018 – 13 C 20/18 –, juris, Rdnr. 9 ff., und vom 7. Dezember 2015 – 13 C 18/15 –, juris, Rdnr. 8 ff.; ebenso OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. September 2016 – OVG NC 52.16 –, juris, Rdnr. 11; BayVGH, Beschluss vom 11. November 2016 – 7 CE 16.10314 u.a. –, juris, Rdnr. 9.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Soweit eingewendet worden ist, die durchschnittliche Verweildauer der Patienten in deutschen Krankenhäusern habe sich seit 1991 – aus mehreren Gründen – von zwei Wochen auf nur noch 7,4 Tage im Jahr 2015 verringert, vermag dies die Rechtmäßigkeit der Anknüpfung an die Mitternachtszählung nicht in Frage zu stellen. Die damit auf Antragstellerseite einhergehende Behauptung, diese kürzere Verweildauer habe zu einer erheblichen Verringerung der patientenbezogenen Aufnahmekapazität geführt, ist schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil Angaben dazu fehlen, wie sich zugleich die (absolute) Zahl der stationär behandelten Patienten entwickelt hat. Jedenfalls für den Bereich der Antragsgegnerin kann festgestellt werden, dass sich die Anzahl der – in die Kapazitätsberechnung eingestellten – tagesbelegten Betten trotz des Rückgangs der durchschnittlichen Verweildauer der Patienten seit 1991 nicht verringert hat. So sind der Kapazitätsberechnung für den klinischen Studienabschnitt des Studiengangs Humanmedizin für das Wintersemester 1991/1992 insgesamt 403.327 Pflegetage im Universitätsklinikum und in der Psychiatrie zu Grunde gelegt worden.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Vgl. Beschluss der Kammer vom 13. Dezember 1991 – 15 Nc 467/91.HM –, n.v.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Für den aktuellen Berechnungszeitraum hat die Antragsgegnerin in ihrer Kapazitätsberechnung aber eine Zahl von 493.341 tagesbelegten Betten berücksichtigt.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Dem von Antragstellerseite erhobenen Einwand, am Wochenende, jedenfalls am Sonntag, finde am Krankenbett keine Ausbildung statt, so dass in die Berechnung der ausbildungsbezogenen Kapazität nur die im Zeitraum von Montag bis Freitag bzw. bis Samstag belegten Betten einzubeziehen seien, ist nicht weiter nachzugehen. Im Hinblick darauf, dass an den Wochenendtagen eine Ausbildung am Patienten bereits zum Zeitpunkt der Schaffung der Kapazitätsverordnung wohl nicht üblich war, ist davon auszugehen, dass die Tatsache der fehlenden Ausbildungsrelevanz des auf das Wochenende entfallenden Anteils der tagesbelegten (= im Durchschnitt pro Tag belegten) Betten bereits Eingang in den u.a. die Wahrscheinlichkeit der Eignung der Patienten für die Ausbildung abbildenden Parameter von 15,5 % gefunden hat.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Die Antragsgegnerin hat allerdings die Gesamtzahl der tagesbelegten Betten nicht zutreffend ermittelt.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Sie hat ihrer Berechnung – ausgehend vom Geschäftsjahr 2017 – zwar rechtlich zutreffend nicht nur die auf Kassenpatienten entfallenden stationären Pflegetage, sondern auch diejenigen Pflegetage zu Grunde gelegt, die in Bezug auf Patienten angefallen sind, die – als Privatversicherte, als Kassenpatienten mit privater Zusatzversicherung oder als Selbstzahler – vertraglich die Erbringung wahlärztlicher Leistungen (sog. Chefarztbehandlung, vgl. auch § 17 KHEntgG) durch diejenigen Abteilungen (Kliniken) des Universitätsklinikums in Anspruch genommen haben (sog. Privatpatienten), deren Abteilungsleiter (Chefärzte) aufgrund ihrer mit dem Universitätsklinikum geschlossenen Vereinbarungen (vgl. § 15 der Rechtsverordnung für die Universitätskliniken B.      , C2.    , E.          , F.     L.    und N.       vom 20. Dezember 2007, GV. NRW. S. 744, zuletzt geändert durch Verordnung vom 22. Mai 2013, GV. NRW. S. 278) nicht berechtigt sind, die gesondert berechenbaren wahlärztlichen (stationären) Leistungen selbst zu liquidieren (sog. Neuvertragler).</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Vgl. hierzu im Einzelnen Beschluss der Kammer vom 3. Januar 2018 – 15 Nc 91/17 –, juris, Rdnr. 42 ff.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Unerheblich ist demgegenüber, ob sich – wie teilweise gerügt – nach Abschluss des Geschäftsjahrs 2017, aber noch vor dem Stichtag zur Überprüfung der der Kapazitätsberechnung zu Grunde liegenden Daten, dem 15. September 2018, personelle Änderungen in der Leitung von Abteilungen (Kliniken) des Universitätsklinikums, welche bislang von Chefärzten mit dem Recht zur Privatliquidation geleitet worden waren, ergeben haben. Maßgeblich für die Berechnung der patientenbezogenen Kapazität nach § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KapVO ist diejenige Zahl an Betten, die im Klinikum durchschnittlich täglich mit Übernachtungspatienten belegt sind. Um zu vermeiden, dass saisonale Effekte der Belegung der Betten eines Klinikums sich auf die Kapazitätsberechnung über Gebühr auswirken, ist es – wie dies der Kapazitätserlass vom 22. Januar 2018 vorgibt – gerechtfertigt, den Durchschnitt der tagesbelegten Betten allein auf der Grundlage der im Zeitraum vom 1. Januar 2017 bis 31. Dezember 2017 belegten Betten zu ermitteln. Dafür dass im Geschäftsjahr 2017 einmalige Sondereffekte zu einer deutlichen und kapazitätsrechtlich nicht zu berücksichtigenden Abweichung der durchschnittlichen Belegungszahl von dem Durchschnitt der Vorjahre geführt hätten, ist weder etwas vorgetragen noch sonst ersichtlich.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Vgl. hierzu OVG Lüneburg, Beschluss vom 27. Februar 2009 – 2 NB 154/08 –, juris, Rdnr. 11; Zimmerling/Brehm, Hochschulkapazitätsrecht – Band 2, 2. Auflage 2013, Rdnr. 746.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Keiner weiteren Aufklärung bedürfen entgegen vereinzelter Rüge im Hinblick auf die Zahl der Pflegetage mit Wahlarztabschlag die Beschäftigungsverhältnisse des Personals in den einzelnen Kliniken des Universitätsklinikums. Mit Blick auf die von der Antragsgegnerin vorgelegte Klinikliste sowie die im Internet, u.a. auf der Seite des Universitätsklinikums zu den Direktoren der auf dieser Klinikliste farblich markierten Kliniken verfügbaren Informationen hat die Kammer keinen Anlass an der Angabe der Antragsgegnerin zu zweifeln, dass die Abteilungsleiter bzw. Chefärzte der Kliniken Allgem- / Visceralchirurgie, Gastro- / Infektiologie, Hämatologie / Onkologie, MKG-Chirurgie, Neurochirurgie, Neurologie und Orthopädie weiterhin das Recht besitzen, die Behandlung von Privatpatienten selbst zu liquidieren (sog. Altvertragler). Da das Recht, Privatpatienten auf eigene Rechnung behandeln zu dürfen, allenfalls Abteilungsleitern zustehen kann, kann es ferner auf die konkreten Verträge des untergeordneten Personals schon aus diesem Grunde nicht ankommen.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Nicht zu beanstanden ist zudem, dass die Antragsgegnerin die Anzahl der für das Universitätsklinikum zu berücksichtigenden Pflegetage mit Wahlarztabschlag allein danach bestimmt hat, in welcher Klinik der Patient stationär aufgenommen worden ist. Diese Methode ergibt eine hinreichend belastbare Aussage darüber, wie viele Betten dem Universitätsklinikum in der Summe dem Grunde nach zu Ausbildungszwecken zur Verfügung stehen. Zwar bleiben damit wahlärztliche Leistungen unberücksichtigt, die Neuvertragler aufgrund der vertraglichen Vereinbarung zwischen Universitätsklinikum und Privatpatient (vgl. § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG, sog. Wahlarztkette) gegenüber einem Patienten erbracht haben, der in der Klinik eines Altvertraglers aufgenommenen ist. Zugleich werden jedoch diejenigen Pflegetage eines in der Klinik eines Neuvertraglers aufgenommenen Patienten kapazitätserhöhend berücksichtigt, an welchen der Patient durch einen Altvertragler behandelt worden ist. Die mit dieser strikt klinikbezogenen Betrachtung notwendig verbundene Pauschalierung ist kapazitätsrechtlich unbedenklich.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Des Weiteren hat die Antragsgegnerin – aufgrund entsprechender Verträge mit der L1.              E1.        , dem F1.             Klinikum O.           gGmbH und den Kliniken des Verbundes L2.            Kliniken E.          gGmbH – pro Tag 300 zusätzliche Betten in außeruniversitären Lehrkrankenhäusern als tagesbelegte Betten berücksichtigt.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Die Kapazitätsermittlung der Antragsgegnerin ist jedoch zu beanstanden, soweit sie die dem Fachbereich Medizin durch das M.   -Klinikum in E.          vermittelte Kapazität für die klinische Ausbildung der Studierenden lediglich mit 40.150 Pflegetagen bzw. 110 stationär belegten Betten täglich und nicht die Gesamtzahl der dort im Jahr 2017 angefallenen Pflegetage berücksichtigt hat. Träger des genannten Klinikums ist zwar nicht das Universitätsklinikum E.          , sondern der Landschaftsverband S.         (M.   ), was zur Folge, hat, dass § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KapVO nicht unmittelbar Anwendung findet. Das M.   -Klinikum ist jedoch auf der Grundlage der vorliegenden Verträge sowie der jahrelangen kapazitätsrechtlichen Praxis der Antragsgegnerin im Ergebnis ‑ ungeachtet der Frage, ob insoweit § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KapVO entsprechend oder § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 KapVO Anwendung findet ‑ so zu behandeln, als wäre es eine Klinik des Universitätsklinikums.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Denn das M.   -Klinikum dient in vergleichbarer Weise wie die Kliniken des Universitätsklinikums (vgl. § 31a Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen (HG NRW) vom 16. September 2014, GV.NRW. S. 547, zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. Oktober 2017, GV.NRW. S. 806) der Medizinischen Fakultät der Antragsgegnerin zur Erfüllung ihrer Aufgaben in Forschung und Lehre. Es unterscheidet sich damit strukturell grundlegend von denjenigen Krankenhäusern, mit denen die Antragsgegnerin Verträge über ihre Inanspruchnahme als Lehrkrankenhaus geschlossen hat.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Das genannte Klinikum des M.   führt nicht nur gemäß § 1 Abs. 2 der Betriebssatzung für die M.   -Kliniken des Landschaftsverbandes S.         vom 28. August 2009 den Namen „M.   -Klinikum E.          – Kliniken der I.        -I1.     -Universität“. Auch der bestehende Vertrag zwischen dem M.   und der Antragsgegnerin über die Nutzung des M.   -Klinikums für Zwecke der Forschung und Lehre lässt unter Berücksichtigung der jahrelangen Auslegung dieser Vereinbarung durch die Antragsgegnerin nur den Schluss zu, dass das M.   -Klinikum der Medizinischen Fakultät in vollem Umfang zur klinischen Ausbildung der Studierenden, also am Patienten, zur Verfügung steht.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Die seit Jahrzehnten bestehende Kooperation zwischen der Antragsgegnerin und dem M.   -Klinikum zum Zwecke der Ausbildung von Studierenden der Humanmedizin beruht aktuell auf der zuletzt am 6. April 2016 / 9. Mai 2016 neu geschlossenen „Vereinbarung über die Nutzung des M.   -Klinikums E.          als klinische Ausbildungs- und Forschungsstätte der Medizinischen Fakultät der I.        -I1.     -Universität E.          “ zwischen der Antragsgegnerin und dem M.   (im Folgenden: NutzungsV). Nach § 1 Abs. 1 NutzungsV wird das M.   -Klinikum im stationären, teilstationären und ambulanten Versorgungsangebot zur Mitbenutzung durch die medizinische Fakultät der Antragsgegnerin für Zwecke der Lehre und Forschung zur Verfügung gestellt. Insbesondere soll damit der Ausbildungsbedarf für die Fachgebiete Psychiatrie und Psychotherapie, Kinder- und Jugendpsychiatrie und ‑psychotherapie sowie psychosomatische Medizin und Psychotherapie des klinischen und vorklinischen Studiums abgedeckt werden (§ 1 Abs. 1 Satz 2 NutzungsV). Nach § 1 Abs. 2 NutzungsV werden die Ausbildungsplätze insoweit zur Verfügung gestellt, als es nach der Approbationsordnung für die vorklinische und klinische Ausbildung der an der Antragsgegnerin eingeschriebenen Medizinstudierenden erforderlich ist. Die medizinische Fakultät trägt die personellen und sächlichen Kosten, die mit der Inanspruchnahme durch Lehre und Forschung im Rahmen der Vereinbarung entstehen (§ 1 Abs. 5 NutzungsV). Die Medizinische Fakultät stellt in diesem Rahmen gemäß § 4 Abs. 1 NutzungsV jeweils eine W3-Professur für „Psychiatrie und Psychotherapie“ sowie für „Psychosomatische Medizin und Psychotherapie“ an der Antragsgegnerin zur Verfügung, deren Inhaberinnen und Inhaber grundsätzlich in einem Angestelltenverhältnis zum M.   und zur Antragsgegnerin stehen. In ihrer Eigenschaft als berufene Professoren der Universität nehmen sie Aufgaben einer Universitätsprofessorin / eines Universitätsprofessors in Forschung und Lehre wahr (§ 4 Abs. 2 Satz 3 NutzungsV). Aktuell sind die Lehrstuhlinhaber jeweils Leiter der im M.   -Klinikum existierenden zwei Abteilungen, nämlich der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie und der Klinik (bzw. des Instituts) für Psychosomatik und Psychotherapie. Darüber hinaus wird eine W2-Professur mit dem Schwerpunkt Psychiatrie und Psychotherapie zur Wahrnehmung der Funktion eines Oberarztes eingerichtet (§ 4 Abs. 3 NutzungsV).</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Auf der Grundlage dieser Vereinbarung – wie auch der in den dargestellten Eckdaten vergleichbaren Vorgängervereinbarung vom 15. Juni 2000 / 3. August 2000 zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen und dem M.   – hat die Antragsgegnerin in den vergangenen Jahren das M.   -Klinikum kapazitätsrechtlich wie jede andere Klinik des Universitätsklinikums E.          behandelt und die in ihm im jeweils maßgeblichen Jahreszeitraum angefallenen Pflegetage nach § 17 Nr. 1 KapVO ebenso wie die Fallzahlen in der ambulanten Krankenversorgung gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 2 KapVO ihrer Kapazitätsermittlung zu Grunde gelegt.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Gründe, die geeignet sein könnten, die Abweichung von dieser, nach den der Kammer aus den Vorjahren vorliegenden Unterlagen zumindest seit der Berechnung für das Studienjahr 2010/2011 geübten Praxis kapazitätsrechtlich zu rechtfertigen, hat die Antragsgegnerin substantiiert nicht dargetan. Hierzu ist sie jedoch verpflichtet.</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Die Änderung der Praxis in der Kapazitätsermittlung durch die Antragsgegnerin führt – obwohl sie dies bestreitet – zu einer deutlichen Verminderung ihrer rechnerischen Ausbildungskapazität. Dies ist selbst dann offenkundig, wenn man lediglich die in den letzten drei Jahren durch Verordnung festgesetzten Zulassungszahlen betrachtet, und außer Betracht lässt, dass die Kammer im Vorjahr,</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Beschluss vom 3. Januar 2018 – 15 Nc 91/17 u.a., bestätigt durch Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 7. Mai 2018 – 13 C 20/18 –, beide juris,</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">die für das Studienjahr 2017/2018 für den klinischen Abschnitt des Medizinstudiums festgesetzte Zulassungszahl von 357 Studienplätzen für (um 21 Studienplätze) zu niedrig erachtet hat. Denn während für das Studienjahr 2015/2016 insgesamt eine Zahl von (182 + 181 =) 363 Studienplätzen, für das Studienjahr 2016/2017 eine Zahl von (176 + 176 =) 352 Studienplätzen und für das Studienjahr 2017/2018 eine Zahl von (179 + 178 =) 357 Studienplätzen festgesetzt worden ist,</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">vgl. die maßgeblichen Zulassungszahlenverordnungen für die genannten Studienjahre, GV.NRW. 2016 S. 37, GV.NRW. 2017 S. 574, GV.NRW 2018 S. 189,</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">ist nunmehr für das hier maßgebliche Studienjahr eine jährliche Ausbildungskapazität von nur noch (158 + 157 =) 315 Studienplätzen errechnet und festgesetzt worden.</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">Verursachen universitäre Organisationsmaßnahmen, deren Durchführung grundsätzlich in das Ermessen der Hochschule gestellt ist, Kapazitätseinbußen, ist besonders sorgfältig zu beachten, dass nach ständiger Rechtsprechung Zulassungsbeschränkungen nur statthaft sind, soweit sie zum Schutz eines überragend wichtigen Gemeinschaftsguts - Funktionsfähigkeit der Hochschule in Wahrnehmung ihrer Aufgaben in Forschung und Lehre - und in den Grenzen des unbedingt Erforderlichen unter erschöpfender Nutzung der vorhandenen, mit öffentlichen Mitteln geschaffenen Ausbildungskapazitäten angeordnet werden. Das Gebot schließt die Pflicht ein, die im Rahmen einer Strukturreform gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten verfassungskonform in kapazitätsfreundlichem Sinne zu nutzen und die Unvermeidbarkeit gleichwohl eintretender Kapazitätsverluste - soweit dies strittig ist - unter Berücksichtigung der gesetzlich vorgeschriebenen Berichtspflichten nachprüfbar zu begründen.</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Februar 1984 – 1 BvR 580/83 –, BVerfGE 66, 155-190 = juris, Rdnr. 59, m.w.N.</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Ausgehend hiervon hat die Antragsgegnerin nicht nachvollziehbar dargetan, dass die Kapazitätsminderung, die mit der im Gegensatz zu den Vorjahren reduzierten Berücksichtigung der im M.   -Klinikum in dem dem Berechnungszeitraum vorangegangenen Kalenderjahr angefallenen Pflegetage einhergeht, erforderlich und sachlich gerechtfertigt ist.</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">Insbesondere lässt sich das geänderte Vorgehen nicht auf die – mit der Absicht der "Konkretisierung" der Regelungen in § 1 Abs. 1 bis 3 NutzungsV geschlossene – Zusatzvereinbarung zwischen der Antragsgegnerin und dem M.   vom 30. August 2018 stützen. Nach jener ist das M.   -Klinikum verpflichtet, in jeder Woche der Vorlesungszeit eines Semesters 33 Studierende praktisch auszubilden und hierfür 110 Betten zur Verfügung zu stellen. Soweit die Antragsgegnerin die Auffassung vertritt, diese Vereinbarung stelle den Inhalt der Nutzungsvereinbarung aus dem Jahr 2016 lediglich klar, beschränke also die aufgrund der Nutzungsvereinbarung bestehenden Rechte der Medizinischen Fakultät, stationäre und ambulante Patienten des M.   -Klinikums zur klinischen Ausbildung heranzuziehen, nicht, ist dies vor dem Hintergrund der fortbestehenden Regelungen in §§ 1 Abs. 1, 2 und 5, 4 NutzungsV und ihrer jahrelangen Praxis der Kapazitätsberechnung unter Einbeziehung der ambulanten und stationären Patienten des M.   -Klinikums schon in sich unschlüssig.</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">Eine Beschränkung der Nutzung des M.   -Klinikums durch die Medizinische Fakultät verursacht die Zusatzvereinbarung zudem schon insoweit offensichtlich, als nach ihr seit dem 1. April 2018 nur noch stationäre Patienten zu Ausbildungszwecken herangezogen werden können. Nach § 1 Abs. 1 NutzungsV steht jedoch auch der teilstationäre und ambulante Versorgungsbereich des M.   -Klinikums der Medizinischen Fakultät für Ausbildungszwecke zur Verfügung.</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">Aber auch mit Blick allein auf die stationär anfallenden Pflegetage lässt sich die Zusatzvereinbarung wohl nicht in der von der Antragsgegnerin favorisierten Weise als bloße Konkretisierung der Vereinbarung in § 1 Abs. 2 der NutzungsV interpretieren. Zwar werden nach § 1 Abs. 2 NutzungsV Ausbildungsplätze durch das M.   -Klinikum nur insoweit zur Verfügung gestellt, als dies nach der Approbationsordnung für die vorklinische und klinische Ausbildung der an der Antragsgegnerin eingeschriebenen Studierenden der Medizin „erforderlich“ ist. Aus dem systematischen Zusammenhang mit den Vereinbarungen über die Personalkostenerstattung der NutzungsV lässt sich jedoch ableiten, dass die vom M.   nach § 1 Abs. 2 NutzungsV zur Verfügung zu stellende „erforderliche“ Ausbildungskapazität sich nach dem Willen der Vertragspartner nicht etwa danach bestimmt, wie viele Studierende die Antragsgegnerin meint, auf der Grundlage der ihr im Übrigen zur Verfügung stehenden klinischen Kapazitäten - also des Universitätsklinikums und der Lehrkrankenhäuser - ausbilden zu können. Ausgehend von § 9 Abs. 1 NutzungsV ist vielmehr anzunehmen, dass Grundlage der Vereinbarungen über den Umfang der „erforderlichen“ Nutzung des M.   -Klinikums diejenigen Studierendenzahlen waren, die in der Vergangenheit unter vollständiger Berücksichtigung der stationären und ambulanten Patienten des M.   -Klinikums nach der KapVO errechnet worden waren. So bestimmt § 9 Abs. 1 NutzungsV, dass der Ermittlung der Personalstellen, die im Sinne des § 8 Abs. 1 NutzungsV für Forschung und Lehre benötigt werden, die „derzeit“ gültige Approbationsordnung, die KapVO, die Studienordnung der Medizinischen Fakultät, der Umfang der poliklinischen Fallzahlen sowie die Studierendenzahlen im ersten Studienjahr des klinischen Studienabschnitts und im Praktischen Jahr zu Grunde liegen.</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">Soweit die medizinische Fakultät – wiedergegeben im Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 12. Dezember 2018 – offenbar auf dem Standpunkt steht, die hergebrachte Berechnung der klinischen Ausbildungskapazität unter Berücksichtigung aller Betten des M.   -Klinikums habe nie der Lehr-Wirklichkeit entsprochen, vermag dies in dieser Pauschalität die nunmehr abweichende Berechnungsweise nicht zu begründen. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Umstand, dass einzelne Fachbereiche und damit auch einzelne Kliniken eines Universitätsklinikums nach den Ausbildungsvorgaben der Approbationsordnung und der Studienordnung in unterschiedlich starkem Ausmaß zur klinischen Ausbildung der Studierenden beitragen können bzw. müssen, in dem nach der Ermittlung der Gesamtzahl der tagesbelegten Betten anzuwendenden Faktor von 15,5% Berücksichtigung findet. Das weitere Argument der Medizinischen Fakultät, ohne die Zusatzvereinbarung hätte „durch die Berücksichtigung zusätzlicher Betten ab Sommersemester 2018 sich die Zahl der in E.          auszubildenden Studierenden“ erheblich erhöht und eine Ausbildung in 19 von 21 Fächern der Medizin sei damit nicht mehr gewährleistet, geht ebenfalls fehl. Für den Zeitraum bis einschließlich des Studienjahres 2017/2018 ist zu keinem Zeitpunkt vorgetragen oder sonst erkennbar geworden, dass die unter Einbeziehung sämtlicher Pflegetage des M.   -Klinikums wie auch der Kliniken des Universitätsklinikums – allerdings ohne die Pflegetage mit Wahlarztabschlag – errechnete klinische Ausbildungskapazität die der Medizinischen Fakultät tatsächlich zur Verfügung stehende Ausbildungskapazität nicht zutreffend abbilden würde. Vielmehr sind die aufgrund dieser Berechnungen bzw. der nachfolgend ergangenen Zulassungszahlenverordnungen aufgenommenen Studierenden in den vergangenen Jahren offenbar sämtlich ausgebildet worden, ohne dass es zu Funktionsstörungen im Bereich der Medizinischen Fakultät gekommen ist. Hiervon ausgehend lässt sich eine Ausbildungs-Überlast der Medizinischen Fakultät nicht damit begründen, dass sich aufgrund der seit dem Wintersemester 2017/2018 von der Kammer geforderten Berücksichtigung der von Privatpatienten der „Neuvertragler“ belegten Betten als tagesbelegte Betten im Sinne von § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KapVO die der Antragsgegnerin für eine Ausbildung von Studierenden am Krankenbett zur Verfügung stehenden Kapazitäten – sowohl im M.   -Klinikum als auch im Universitätsklinikum – deutlich erhöht haben. Denn nach wie vor liegt – wie noch zu zeigen sein wird – die klinische Ausbildungskapazität deutlich unter derjenigen, die sich bei der Berechnung aufgrund der personellen Ausstattung der Medizinischen Fakultät errechnet.</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">Der Frage, ob sich daraus, dass die seit dem Wintersemester 2013/2014 neu aufgenommenen Studierenden sämtlich im Modellstudiengang und nicht mehr in dem der hier streitgegenständlichen Kapazitätsberechnung zu Grunde liegenden Regelstudiengang ausgebildet werden, etwas anderes ergeben mag, muss die Kammer nicht weiter nachgehen. Es wäre Aufgabe der Antragsgegnerin, insoweit eine nachvollziehbare, an der Studien- und Prüfungsordnung für den Modellstudiengang Medizin orientierte und ggfs. eine niedrigere klinische Ausbildungskapazität nachweisende Alternativberechnung vorzulegen.</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">Zu der von der Antragsgegnerin der Berechnung zu Grunde gelegten Zahl von 493.341 Pflegetagen sind nach alledem – da beide im M.   -Klinikum beschäftigten Chefärzte kein Recht zur Privatliquidation haben – für den Bereich des M.   -Klinikums (143.663 – 40.150 =) 103.513 Pflegetage hinzuzuzählen.</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">Ausgehend von einer Gesamtzahl an Pflegetagen in Höhe von (493.341 + 103.513 =) 596.854 ergeben sich damit für das Jahr 2017 (596.854 : 365 =) 1.635,2164 tagesbelegte Betten. Ausgehend von dieser Zahl an tagesbelegten Betten errechnet sich unter Berücksichtigung des nach § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KapVO maßgeblichen Faktors eine patientenbezogene Aufnahmekapazität von (1.635,2164 x 0,155 =) 253,45855, gerundet 253 Studienplätzen. Da dieses Ergebnis niedriger liegt als die Berechnung der Kapazität aufgrund der personellen Ausstattung, erhöht es sich gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KapVO je 1000 poliklinische Neuzugänge im Jahr um die Zahl Eins, höchstens jedoch um 50 vom Hundert der patientenbezogenen Aufnahmekapazität. Zu den von der Antragsgegnerin allein berücksichtigten poliklinischen Neuzugängen des Universitätsklinikums (218.000) sind diejenigen des M.   -Klinikums hinzuzusetzen. Denn auch insoweit fehlt es an einem nachvollziehbaren Grund dafür, das M.   -Klinikum kapazitätsrechtlich anders als in den Vorjahren zu behandeln. Die Zahl der poliklinischen Neuzugänge des M.   -Klinikums beläuft sich auf (17 + 22.900 + 4609 =) 27.526 zuzüglich des von der Antragsgegnerin regelmäßig berücksichtigten Zuschlages für „interne Überweisungen“ von 15%, also (27.526 x 0,15 =) 4128,90. Bei einer Gesamtzahl an poliklinischen Neuzugängen in Höhe von (218.000 + 27.526 + 4128,90 =) 249.654,90 war damit die Studienplatzzahl von 253 um 50 % von 253, das heißt (253 x 0,5 =) 126,5, gerundet 127 zu erhöhen. Die sich hiernach ergebende jährliche Aufnahmekapazität von 380 Plätzen bleibt unter Berücksichtigung des anzusetzenden Schwundfaktors von 1,00 unverändert.</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">Unterschreitet die patientenbezogene Ausbildungskapazität mit 380 demnach die jährliche personelle Ausbildungskapazität (1.117 Studienplätze), ist sie für die Zahl der zur Verfügung stehenden Studienplätze maßgeblich (§ 17 Abs. 2 Satz 1 KapVO). Da das Studium der Medizin im klinischen Abschnitt an der Antragsgegnerin sowohl zum Wintersemester als auch zum Sommersemester aufgenommen werden kann, ist die jährliche Aufnahmekapazität auf diese beiden Vergabetermine aufzuteilen (§ 2 Abs. 2 Satz 2 KapVO). Diese Aufteilung ist auf Vorschlag der Antragsgegnerin nach der ständigen Praxis der Wissenschaftsverwaltung bislang hälftig erfolgt, so dass sich für das Wintersemester 2018/2019 und für das Sommersemester 2019 eine Aufnahmekapazität von jeweils 190 Studierenden ergibt.</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">Die danach formal auf das Wintersemester 2018/2019 entfallenden 190 Studienplätze sind jedoch besetzt und stehen für eine gerichtliche Vergabe nicht zur Verfügung.</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">Ausweislich der von der Antragsgegnerin vorgelegten dienstlichen Erklärung vom 26. Oktober 2018 waren zu diesem Zeitpunkt im 1. klinischen Fachsemester 338 Studierende (ohne Beurlaubte) immatrikuliert. Dem klinischen Studienabschnitt als Immatrikulierte zugeordnet sind dabei auf der Grundlage des Beschlusses des Dekanats der Medizinischen Fakultät vom 16. Juli 2018 diejenigen, die entweder – als Studierende des Regelstudiengangs – den ersten Abschnitt der ärztlichen Prüfung abgelegt haben oder sich als Studierende des Modellstudiengangs – nach Bestehen der hierfür erforderlichen Prüfungsleistungen – im 3. oder einem höheren Studienjahr befinden.</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">Die Tatsache, dass die Antragsgegnerin zum Wintersemester 2018/2019 eine Zahl von 338 und damit deutlich mehr als 190 Studienplätzen im 1. klinischen Fachsemester vergeben hat, führt nicht zu der Annahme, es gebe noch über die jährliche Zahl von 380 Studienplätzen hinaus verdeckte Ausbildungskapazität. Die Vergabe von 338 Studienplätzen und damit fast 90% der jährlichen Aufnahmekapazität schon zum Wintersemester beruht auf einer entsprechend hohen Anzahl an Studierenden, die mit dem Ende des Sommersemesters ihren vorklinischen Studienabschnitt bzw. das 2. Studienjahr im Modellstudiengang erfolgreich beendet haben. Die Aufnahme des Medizinstudiums im 1. Fachsemester an der Antragsgegnerin ist nämlich seit vielen Jahren nur zum Wintersemester möglich, wobei die für das 1. Fachsemester festgesetzte Zulassungszahl – und in etwa korrespondierend die Zahl der neu Immatrikulierten – zuletzt in der Regel um die 400 betrug. Rechtlich nicht zu beanstanden ist, dass die Antragsgegnerin mit diesem Vorgehen denjenigen, die die ersten beiden Studienjahre – sei es im Regelstudiengang oder im Modellstudiengang – mit Erfolg absolviert haben, die unmittelbare Fortsetzung des Studiums gewährleistet (zu dieser Verpflichtung vgl. § 18 KapVO). Eine Pflicht der Antragsgegnerin, zum Wintersemester 2018/2019 bereits die gesamte jährliche Kapazität von 380 Studienplätzen zu vergeben, was die Berücksichtigung von Quereinsteigern bzw. Ortswechslern ermöglichen würde, besteht nicht. Es ist vielmehr kapazitätsrechtlich gerechtfertigt, die restlichen 42 Studienplätze erst zum Sommersemester und damit auf der Grundlage von § 26 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung über die Vergabe von Studienplätzen in Nordrhein-Westfalen vom 15. Mai 2008, GV.NRW. S. 386, zuletzt geändert durch Verordnung vom 9. April 2018, GV.NRW. S. 198, vorrangig mit denjenigen zu besetzen, die ihre ersten beiden Studienjahre an der Antragsgegnerin nicht innerhalb der Regelstudienzeit absolvieren konnten und deshalb erst zum Sommersemester 2019 ihr Studium im klinischen Abschnitt bzw. im 3. Studienjahr fortsetzen werden.</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">Die begehrte hilfsweise Zulassung in ein niedrigeres (vorklinisches) Semester bleibt ebenfalls erfolglos. Für dieses Begehren fehlt es im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens an einem Rechtsschutzbedürfnis bzw. einem Anordnungsgrund.</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">Das aus Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz und dem Sozialstaatsprinzip abgeleitet Recht auf Teilhabe an vorhandenen Ausbildungsmöglichkeiten korrespondiert mit der im Grundsatz bestehenden gleichen Berechtigung zahlreicher anderer Zulassungsbewerber im Studiengang Humanmedizin, dieselbe Ausbildung beginnen zu können. Daraus ergibt sich konsequenterweise eine Beschränkung der Berechtigung, zu dieser Ausbildung vorläufig erneut zugelassen zu werden, bei denjenigen, die – wie der/die Antragsteller/in – eine angestrebte Ausbildung bereits teilweise absolviert haben. Ihnen steht ein solches Recht nicht zu. Ein Bedürfnis für eine Sicherung oder Regelung eines Ausbildungsanspruchs im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO besteht in einem solchen Fall erst recht nicht.</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. Februar 2008 – 13 C 57/08 –, n.v.</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1, 45 Abs. 1 Satz 3 GKG und berücksichtigt die Streitwertpraxis des OVG NRW, nach der auch im vorläufigen Rechtschutzverfahren betreffend die Zulassung zum Studium angesichts des weitestgehend auf die Vorwegnahme der Hauptsache gerichteten Rechtsschutzzieles der für das Hauptsacheverfahren maßgebliche Streitwertbetrag von 5.000,00 Euro anzusetzen ist.</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. März 2009 – 13 C 1/09 – NRWE = juris Rdnr. 33 ff., zuletzt Beschluss vom 18. Dezember 2017 – 13 B 824/17 –, NRWE = juris.</p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks"><strong>Rechtsmittelbelehrung:</strong></p>
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks">(1)       Gegen die Entscheidung über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet.</p>
<span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) eingelegt werden.</p>
<span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) eingeht.</p>
<span class="absatzRechts">92</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.</p>
<span class="absatzRechts">93</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründungsschrift sind durch einen Prozessbevollmächtigten einzureichen. Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –).</p>
<span class="absatzRechts">94</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründungsschrift sollen möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.</p>
<span class="absatzRechts">95</span><p class="absatzLinks">(2)       Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird.</p>
<span class="absatzRechts">96</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.</p>
<span class="absatzRechts">97</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.</p>
<span class="absatzRechts">98</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt.</p>
<span class="absatzRechts">99</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerdeschrift soll möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.</p>
<span class="absatzRechts">100</span><p class="absatzLinks">War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.</p>
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} | 9 Nc 25/18 | 2019-01-15T00:00:00 | 2019-01-29T12:50:30 | 2019-02-12T13:44:28 | Beschluss | ECLI:DE:VGMS:2019:0115.9NC25.18.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Der Antrag wird abgelehnt.</p>
<p>Der Antragsteller/Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.</p>
<p>Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">G r ü n d e</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks"><strong>I.</strong></p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Antragsteller/Die Antragstellerin begehrt im Verfahren der einstweiligen Anordnung die vorläufige Zulassung zum Studium der Medizin an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU Münster) zum 1. klinischen – ggf. hilfsweise zu einem niedrigeren vorklinischen – Fachsemester (Fs.) nach den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen des Wintersemesters (WS) 2018/2019 außerhalb der jeweils festgesetzten Aufnahmekapazität.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen (MKW NRW) hat durch die „Verordnung über die Festsetzung von Zulassungszahlen und die Vergabe von Studienplätzen in höheren Fachsemestern an den Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen zum Studienjahr 2018/2019“ vom 14. August 2018 (GV. NRW. 2018, 468, 507) die Zahl der zum WS 2018/2019 in den klinischen Fachsemestern jeweils aufzunehmenden Studierenden wie folgt festgesetzt:</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">1. bis 4. klin. Fs.: <strong>jeweils 126</strong>,</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">5. und 6. klin. Fs.: <strong>insg</strong>. <strong>252</strong>                            (Soll-Summe über alle klin. Fs.: <strong>756</strong>)</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Diesen Soll-Zahlen stehen nach Mitteilung der Antragsgegnerin (abschließende Belegungsmitteilung des Studierendensekretariats der Hochschule vom 9. Oktober 2018 zu eben diesem Zeitpunkt, einen Tag nach dem Vorlesungsbeginn  und Vorliegen sämtlicher „Physikumsergebnisse“) im Verfahren 9 Nc 27/18 die folgenden tatsächlichen Einschreibungszahlen gegenüber:</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">1. klin. Fs.: <strong>133</strong>,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">2. klin. Fs.: <strong>134</strong>,</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">3. klin. Fs.: <strong>135</strong>,</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">4. klin. Fs.: <strong>117</strong>,</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">5. klin. Fs.: <strong>139</strong> und</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">6. klin. Fs.: <strong>125</strong>.                                          (Ist-Summe über alle klin. Fs.: <strong>783</strong>)</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Antragsgegnerin hat erläuternd darauf hingewiesen, dass im 4. und 6. klin. Fs. wegen Saldierung keine weitere Studienplatzvergabe erfolge.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten dieses und der weiteren gleichgerichtet anhängig gemachten Eilverfahren des WS 2018/2019 sowie die von der Antragsgegnerin im Verfahren 9 Nc 27/18 vorgelegten und erläuterten Kapazitätsunterlagen und sonstigen Vorgänge, betreffend den Studiengang Medizin (klinischer Abschnitt) für das Studienjahr 2018/2019 verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks"><strong>II</strong>.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Der Antrag des Antragstellers/der Antragstellerin hat jedenfalls mangels glaubhaft gemachten Anordnungsanspruchs keinen Erfolg, § 123 Abs. 1 und 3 VwGO, §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks"><strong>1. klinische Fachsemester</strong></p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Das Gericht hat keinen Anlass daran zu zweifeln, dass zum WS 2018/2019 die klinischen Fachsemester des Studiengangs Medizin an der WWU Münster entsprechend den von der Antragsgegnerin bezogen auf den Stand 9. Oktober 2018 (= Zeitpunkt des Vorlesungsbeginns nach Beendigung der „Physikumsprüfungen“ und Ablauf der Einschreibungs- bzw. Rückmeldefrist),</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">zum Anspruch der an der WWU Münster im vorklinischen Teil des Studiums der Medizin eingeschriebenen Studierenden auf Fortsetzung ihres Studiums an dieser Hochschule nach Bestehen des ersten Abschnitts der ärztlichen Prüfung vgl. § 3 der bereits genannten ZZahlenVO höh. Fs. zum StJ 2018/2019 vom 14. August 2018, a.a.O.,</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">mitgeteilten Einschreibungs- bzw. Rückmeldungszahlen besetzt sind. Aus diesen Besetzungszahlen, in die nach der ständigen Handhabung der Antragsgegnerin keine beurlaubten Studierenden einbezogen worden sind,</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">vgl. zur kapazitätsdeckenden Wirkung auch von eingeschriebenen und beurlaubten Studierenden allerdings OVG NRW, Beschluss vom 7. Mai 2018 - 13 C 20/18 u. a. -, nrwe,</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">und an deren kapazitätsdeckenden Wirkung kein Zweifel veranlasst ist, folgt eine Zahl von insgesamt 783 tatsächlich in Anspruch genommener klinischer Studienplätze an der WWU Münster zum WS 2018/2019. Damit überschreitet diese Ist-Zahl die Summe der normierten Zulassungszahlen aller klinischen Fachsemester (=756) um <strong>27</strong> (= gerundet 3,57 v. H.). Bezogen auf das 1. klinische Fachsemester in isolierter Sicht sind 133 Studierende tatsächlich eingeschrieben. Hier überschreitet die Ist-Zahl dieses Fachsemesters die Sollzahl (126) um 7 (= gerundet 5,56 v. H.).</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Bei dieser Sachlage ist es, zumal die tatsächlichen Einschreibungszahlen in den klinischen Fachsemestern des Studiengangs Medizin nach ständiger Rechtsprechung untereinander, und zwar auch unter Einschluss des 1. klinischen Fachsemesters, saldierungsfähig sind,</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">vgl. Beschlüsse des Gerichts vom 1. Juni 2018 - 9 Nc 9/18 - (Medizin, klin. Fs., SS 2018) und vom 13. März 2018 - 9 Nc 38/17 - (Medizin. klin. Fs. WS 2017/2018) m.w.N., nrwe und juris, und die gleichgerichtete Rechtsprechung des OVG NRW, etwa Beschluss vom 26. Mai 2015 - 13 C 15/15 -,</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">schon im Ausgangspunkt fernliegend, dass über die vergebenen Studienplätze hinaus für die klinischen Fachsemester, insbesondere auch für das hier streitbetroffene 1. klinische Fachsemester, zum WS 2018/2019 noch weitere „verschwiegene“ Studienplätze gerichtlich feststellbar wären, die durch gerichtliche Entscheidung vorläufig vergeben werden könnten. Dies setzte nämlich voraus, dass nach gerichtlicher Überprüfung der auf das WS 2018/2019 entfallende Teil der Jahresaufnahmekapazität 2018/2019 der Lehreinheit „Klinisch-praktische Medizin“ an der WWU Münster zumindest bei (126 [normiertes Soll 1. Fs.] + 27 [Saldierungssumme] + 1 =) <strong>154</strong> Studienplätzen für das 1. klinische Fachsemester läge. Dies ist nach der hier patientenbezogen zu berechnenden Aufnahmekapazität (§§ 14 Abs. 2 Nr. 4, 17 Abs. 1 KapVO) keinesfalls erkennbar und deshalb nicht glaubhaft gemacht.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Das Gericht hat im Übrigen die Aufnahmekapazität der Lehreinheit „Klinisch-Praktische Medizin“ an der WWU Münster für das Studienjahr 2018/2019 und damit für das WS 2018/2019 überprüft und keine zusätzliche, über die tatsächlich vergebenen Plätze hinausgehende Aufnahmekapazität für die klinischen Fachsemester feststellen können.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Hierzu gilt Folgendes:</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Maßgeblich für die jährliche Aufnahmekapazität im klinischen Teil des Studiengangs Medizin sind hier die als Überprüfungstatbestand zu der Aufnahmekapazität nach dem Zweiten Abschnitt der KapVO ausgebildeten Regelungen des § 17 KapVO zu den sog. patientenbezogenen Einflußfaktoren. Dabei sind zunächst gem. § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KapVO 15,5 v. H. der Gesamtzahl der tagesbelegten Betten des Klinikums der betreffenden Hochschule anzusetzen. Gem. Nr. 2 des § 17 Abs. 1 Satz 2 KapVO erhöht sich sodann die nach Nr. 1 errechnete Zahl je 1000 poliklinische Neuzugänge (PNZ) im Jahr um die Zahl 1, falls – wie hier – die Zahl nach Nr. 1 niedriger liegt als das Berechnungsergebnis des 2. Abschnitts der KapVO. Die Zahl nach Nr. 1 wird dabei jedoch höchstens um 50 v. H. erhöht. Schließlich kann sich die patientenbezogene Ausbildungskapazität nach Nr. 3 des § 17 Abs. 1 Satz 2 KapVO durch Einbindung von außeruniversitären Krankenanstalten bei den auf den klinischen Teil des Studiums bezogenen Lehrveranstaltungen der Hochschule erhöhen.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Ausweislich der vorgelegten Unterlagen aus dem Kapazitätsberechnungsverfahren durch das Ministerium und der hierzu ergänzend im gerichtlichen Verfahren auf Anforderung nachgebrachten Unterlagen, basierend auf der Auswertung des sog. digitalen Patientenmanagementsystems der Hochschule, sind von der Antragsgegnerin, ihr folgend vom Ministerium, insgesamt 394.577 Pflegetage in sämtlichen dem Klinikum als zugehörend angesehenen Fachabteilungen (Kliniken und Zentren) einschließlich des bettenführenden Bereichs der Abteilung Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie eingestellt worden. Dabei ist klargestellt und durch ein entsprechendes Tabellenwerk belegt worden, dass hiermit die Belegung aller bettenführenden Abteilungen des Universitätsklinikums Münster nach der sog. Mitternachtszählung in dem dem letzten Berechnungsstichtag für das Studienjahr 2018/2019 (= 15. September 2018/2019) vorausgehenden vollständigen Kalenderjahr 2017 berücksichtigt worden ist, und zwar ohne Ansatz der insgesamt 24.540 Pflegetage, die auf diejenigen Privatpatienten/Selbstzahler entfallen, die im Referenzzeitraum 2017 wahlärztliche Leistungen von Klinikdirektoren „alten Nebentätigkeitsrechts“ (sog. Altvertragler) in Anspruch genommen haben. Die Zahl dieser auf sog. Altvertragler entfallenden Pflegetage ist im gerichtlichen Verfahren unter Beischluss entsprechender Erläuterungen und tabellarischer Übersichten der medizinischen Fakultät vom 3. Dezember 2018 im Einzelnen nach Pflegetagen mit Namensnennung und Angabe des jeweiligen Beschäftigungsendes einzelner Klinikdirektoren detailliert offengelegt worden. Das Beschäftigungsende von drei namentlich benannten Klinikdirektoren, das entweder erst in das Jahr 2018 oder in den Verlauf des Jahres 2017 fiel, ist eingemerkt worden. Bezogen auf einen Klinikdirektor alten Rechts, dessen Beschäftigungsverhältnis im Juli 2017 endete, sind die Pflegetage mit Wahlarztleistungen des Jahres 2017 dieser Klinik (5.074) anteilig mit 7/12 (= 2.960) herausgerechnet worden.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Das Gericht hat die von der Antragsgegnerin aufgeführten „Altvertragler“ des Jahres 2017 mit den für drei vormalige Direktoren angegebenen Zeitpunkten ihres Beschäftigungsendes ungeachtet der hierauf bezogenen dienstlichen Versicherung des Studiendekans in seiner Stellungnahme vom 3. Dezember 2018 durch entsprechende Recherchen etwa in der in das Internet eingestellten Presseberichterstattung über den Wechsel in der Klinikleitung überprüft. Anhaltspunkte dafür, dass einzelne „Altvertragler“ bereits zu einem früheren als dem von der Hochschule angegebenen Zeitpunkt ihr Dienstverhältnis als Klinikdirektoren beendet hätten, sind dabei nicht hervorgetreten. Die weiter angeführten Direktoren alten Rechts sind nach den im Internet abrufbaren Verlautbarungen der Hochschule und der jeweiligen Klinik auch zur Zeit im Dienst, damit erst recht im Jahre 2017.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Aus dieser Zahl von 394.577 Pflegetagen im Jahre 2017 ohne Privatpatienten von „Altvertraglern“ ergibt sich nach Division durch 365 die Zahl von 1081,03 tagesbelegte Betten (TBB). 15,5 v. H. dieser TBB ergibt sodann eine patientenbezogene jährliche Aufnahmekapazität von 167,56, gerundet 168 Studienplätzen nach § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KapVO.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Diese Aufnahmekapazität von 168 ist gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KapVO (PNZ-Zuschlag) um 50 v. H., mithin um 84 erhöht worden, was eine jährliche Aufnahmekapazität von <strong>252</strong> Studierenden für den klinisch-praktischen Teil des Studiengangs Medizin an der WWU Münster ergibt.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Diese Zahl ist - wie in den vorausgegangenen Berechnungszeiträumen -,</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">vgl. Beschlüsse des Gerichts vom 13. September 2017 - 9 Nc 17/17 - und vom 1. Juni 2018 - 9 Nc 9/18 -, jeweils juris und nrwe,</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">nicht gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 KapVO zu erhöhen. Die Antragsgegnerin hat hierzu auf gerichtliche Nachfrage ausdrücklich durch den Studiendekan versichert, dass weiterhin keine für das Studium der Medizin in diesem Abschnitt relevanten Lehrveranstaltungen durch außeruniversitäre Krankenanstalten (Klinken und Lehrkrankenhäuser) im Sinne dieser Vorschrift durchgeführt wurden.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Wegen des schließlich anzusetzenden Schwundausgleichsfaktors, den die Antragsgegnerin entsprechend dem sog. Hamburger Modell konkret zahlenförmig mit 1,0 beziffert und abgeleitet hat, ist es bei dieser jährlichen Aufnahmekapazität von <strong>252</strong> Studienplätzen verblieben. Sie ist sodann gleichmäßig mit jeweils <strong>126</strong> Studienplätzen des 1. klinischen Fachsemesters auf das WS 2018/2019 und das SS 2019 verteilt worden. Für den gesamten klinisch-praktischen Studienabschnitt ergibt sich damit für das WS 2018/2019 eine Aufnahmekapazität von (6 X 126 =) 756 als Gesamt-Sollzahl. Die Zulassungszahlenverordnung hat dies entsprechend normativ bestimmt.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Das Gericht hält die vorstehend dargestellte Kapazitätsberechnung mit sämtlichen dort eingestellten kapazitätsbestimmenden Parametern in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des OVG NRW,</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Beschluss vom 7. Mai 2018 - 13 C 20/18 -, juris,</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">weiterhin für tatsächlich und rechtlich beanstandungsfrei. Die von einzelnen Antragstellern/Antragstellerinnen angebrachte Kritik, etwa zu dem maßgeblichen Berechnungszeitraum für die Pflegetage, zur Mitternachtszählung, zum normativ bestimmten Prozentsatz i. H. v. 15,5 gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KapVO und zur Frage der kapazitären Relevanz von Pflegetagen, die im Referenzzeitraum auf Wahlarztpatienten von Klinikdirektoren mit für diese noch maßgeblichem „altem“ Nebentätigkeitsrecht entfielen, gibt dem Gericht nach erneuter Prüfung keine Veranlassung, von seinen bisherigen Beurteilungen abzuweichen.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks"><strong>2. niedrigere vorklinische Fachsemester</strong></p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Soweit der Antragsteller/die Antragstellerin hilfsweise eine vorläufige Zulassung zu einem vorklinischen Fachsemester begehrt, fehlt ihm/ihr - unabhängig davon, ob hierauf bezogen eine fristgerechte innerkapazitäre Bewerbung erfolgt ist (§ 29 Abs. 1 VergabeVO NRW) - das Rechtsschutzbedürfnis, da er/sie bereits den Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung bestanden hat und deshalb tatsächlich nicht mehr in einem vorklinischen Fachsemester studieren will. Allein das möglicherweise verfolgte Ziel, in dem Folgesemester aufgrund der Fortführungsgarantie in das 1. klinische Fachsemester an der WWU Münster aufrücken zu wollen, reicht insoweit nicht. Im Übrigen hat das Gericht bereits entschieden, dass in den vorklinischen Fachsemestern zum WS 2018/2019 keine vergabefähigen Studienplätze mehr vorhanden sind.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Vgl. Beschlüsse vom 14. November 2018 - 9 Nc 27/18 u. a. -, juris und nrwe.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Darauf, ob die sonstigen auf den Anordnungsgrund oder den Anordnungsanspruch bezogenen Voraussetzungen, die mit der gerichtlichen Eingangsbestätigung mitgeteilt wurden, sämtlich glaubhaft gemacht worden sind, kommt es nicht mehr an.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Streitwertfestsetzung nach Maßgabe der §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG entspricht der ständigen gerichtlichen Handhabung.</p>
|
171,246 | vg-koln-2019-01-15-2-k-1292117 | {
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} | 2 K 12921/17 | 2019-01-15T00:00:00 | 2019-01-29T12:50:29 | 2019-02-12T13:44:27 | Urteil | ECLI:DE:VGK:2019:0115.2K12921.17.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Soweit die Klägerin und die Beklagte den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.</p>
<p>Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.</p>
<p>Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 2/3 und die Beklagte zu 1/3. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.</p>
<p>Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die jeweilige Vollstreckungsschuldnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die jeweilige Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong>T a t b e s t a n d</strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin ist Eigentümerin des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Gemarkung X.        , Flur 0, Flurstück 0000 (früher 0000) (I.       -M.    -Straße 0 in 00000 T.        ). Die Beigeladene ist Eigentümerin des mit einem Wohn- und Geschäftshaus bebauten Grundstücks Gemarkung X.        , Flur 0, Flurstück 0000 (L.        Straße 00-00 in 00000 T.        ). Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Löschung einer Stellplatzbaulast, die zu Gunsten des Grundstücks der Beigeladenen auf dem klägerischen Grundstück im Baulastenverzeichnis der Beklagten eingetragen ist.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte erteilte der Beigeladenen durch Bescheid vom 22. Dezember 1997 die Baugenehmigung zum Umbau des Wohn- und Geschäftshauses auf dem Grundstück L.        Straße 00-00. Nach Ziffer 14 der beigefügten Nebenbestimmungen forderte die Beklagte die Anlage von 18 Einstellplätzen für Pkw, wovon nach Ziffer 15 der Nebenbestimmungen 8 Stellplätze auf dem Grundstück Gemarkung X.        , Flur 0, Flurstück 0000 zu stellen seien. Insoweit hatte die Voreigentümerin des Flurstücks 0000, Frau V.   Q.         , unter dem 22. Dezember 1997 eine Verpflichtungserklärung abgegeben, auf diesem Flurstück 0 Stellplätze für PKW zu Gunsten des Grundstücks L.        Straße 00, Flurstück 0000, ständig freizuhalten und den Benutzern zugänglich zu machen. Die Eintragung einer entsprechenden Baulast in das Baulastenverzeichnis der Beklagten (Baulastenblatt Nr. 0000/97) erfolgte unter dem 22. Dezember 1997. Die Lage der Stellplätze ist in einem der Baulasteintragung beigefügten Lageplan im Einzelnen zeichnerisch dargestellt. 4 Stellplätze (Nr. 8, 9, 10, 11) liegen unmittelbar vor dem Wohnhaus an der I.       -M.    -Straße, 4 weitere Stellplätze (Nummer 12, 13, 14 und 15) sind im rückwärtigen Bereich des Grundstücks hinter dem Wohnhaus angeordnet.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Im Jahr 2007 wurde das Flurstück 0000 in die Flurstücke 0000 und 0000 geteilt, um im rückwärtigen Bereich des Grundstücksareals eine Wohnbebauung (I.       -M.    -Straße 0 bzw. 0) zu ermöglichen. Zur Sicherung der Erschließung dieser beiden Wohngrundstücke wurden zwei Zuwegungsbaulasten auf dem Grundstück der Klägerin und auf dem nördlich angrenzenden Grundstück I.       -M.    -Straße 0 eingetragen. Dies hatte zur Folge, dass die Stellplätze Nr. 12 und 13 nicht mehr benutzt werden konnten, da diese Grundstücksflächen für die Erschließung des Hinterliegergrundstücks benötigt wurden. Die Eigentümerin des Grundstücks I.       -M.    -Straße 0(Gemarkung X.        , Flur 0, Flurstück 0000) gab unter dem 12. Februar 2007 die Verpflichtungserklärung ab, die Fläche, die im beiliegenden Lageplan grün gekennzeichnet und schraffiert ist, als Stellplätze anstelle der unter Baulast–Nr. 0000/97 durch Löschung entfallenden zwei Stellplätze freizuhalten und den Benutzern zugänglich zu machen. Diese Stellflächen sind im Lageplan mit den laufenden Nummern 1 und 2 versehen. Die Beklagte nahm die entsprechende Eintragung in ihrem Baulastenverzeichnis (Baulastenblatt Nr. 0000/07) unter dem 12. Februar 2007 vor. Die Löschung der Stellplätze Nr. 12 und 13 im Baulastenblatt Nr. 0000/97 erfolgte am gleichen Tag.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 21. Juni 2017 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Löschung der im Baulastenverzeichnis unter dem Baulastenblatt Nr. 0000/97 eingetragenen Stellplatzbaulast und führte zur Begründung aus, sie benötige diese Stellplätze selbst. Die Beklagte informierte die Beigeladene mit Schreiben vom 19. Juli 2017 über dieses Löschungsbegehren und teilte der Beigeladenen mit, eine Löschung der Baulast käme aus ihrer Sicht nur in Betracht, wenn die gesicherten sechs Stellplätze auf einem anderen Grundstück nachgewiesen werden könnten. Sie bat darum, ihr bis zum 18. August 2017 schriftlich mitzuteilen, wo die auf dem Flurstück 0000 gesicherten sechs Stellplätze zukünftig nachgewiesen werden könnten. Mit Schreiben vom 24. Juli 2017 teilte die Beigeladene der Beklagten mit, sie stimme der beantragten Baulastlöschung nicht zu, sie benötige für ein von ihr eingereichtes Nutzungsänderungsvorhaben auf dem Grundstück L.        Straße 00-00 insgesamt 17 Stellplätze.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Mit Bescheid vom 23. August 2017 lehnte die Beklagte den Löschungsantrag der Klägerin ab. Zur Begründung führte sie aus, es bestehe weiterhin ein öffentliches Interesse am Erhalt der Baulast. Auf die Stellplätze für das Objekt L.        Straße 00-00 könne aus bauordnungsrechtlicher Sicht nicht verzichtet werden, da die Genehmigung zum Umbau des Wohn- und Geschäftshauses im Jahr 1997 nur unter der Voraussetzung der Baulasteintragung erteilt worden sei. Eine Löschung der Baulast käme nur in Betracht, wenn die entfallenden Stellplätze auf einem anderen Grundstück nachgewiesen werden könnten. Dies sei aber nicht der Fall, wie eine Rückmeldung der Beigeladenen ergeben habe.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 28. August 2017 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, sie habe festgestellt, dass die auf dem Grundstück der Klägerin gesicherten sechs Stellplätze derzeit alle nicht genutzt werden könnten. Sie bitte darum, die durch Baulast gesicherten Flächen so zu verändern, dass künftig alle sechs Stellplätze wieder benutzbar seien. Anderenfalls sei sie gezwungen, die Baulast zu Gunsten des Grundstücks der Beigeladenen zwangsweise durchzusetzen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat am 19. September 2017 Klage erhoben, mit der sie ihr Löschungsbegehren weiterverfolgt.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Sie macht geltend, es handele sich um ungeeignete Stellplatzflächen. Die beiden hinter ihrem Haus liegenden Stellplätze könnten wegen einer errichteten Einfriedung nicht angefahren werden. Drei zur Straße gelegene Stellplätze könnten nur errichtet werden, wenn insoweit der Vorgarten ihres Grundstücks beseitigt werde, was ihr nicht zuzumuten sei. Ein öffentliches Interesse an der Sicherung der Stellplätze sei nicht gegeben, da in der näheren Umgebung eine Vielzahl alternativer Parkmöglichkeiten vorhanden sei. Stellplätze gebe es in ausreichender Zahl auf dem Grundstück der VR-Bank, auf dem Grundstück des REWE- Marktes sowie vor dem Bürgerhaus. Die hinter ihrem Wohnhaus gelegenen beiden Stellplätze seien weiterhin deshalb nicht nutzbar, weil es sich um gefangene Stellplätze handele. Der damaligen Eigentümerin des Grundstücks sei zudem bei Abgabe ihrer Verplichtungserklärung die Bedeutung der Eintragung einer Baulast vollkommen unklar gewesen, sie habe eine solche Eintragung für eine bloße Formalie gehalten. Die Zahl der notwendigen Stellplätze für das Vorhaben der Beigeladenen sei ferner unrichtig bestimmt worden. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass die Belastung ihres Grundstücks mit mehreren Stellplatzflächen für sie mit einem hohen Wertverlust von weit über 17.000 € verbunden sei. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 12. Oktober 2017, 19. Oktober 2017, 6. Februar 2018 und vom 22. November 2018 verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Nachdem die Beklagte sich mit Schriftsatz vom 17. Dezember 2018 bereit erklärt hat, die Stellplätze Nr. 14 und 15 im Baulastenblatt Nr. 0000/97 zu löschen, haben die Klägerin und die Beklagte den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung insoweit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">die Beklagte unter teilweiser Aufhebung ihres Bescheides vom 23. August 2017 zu verpflichten, die im Baulastenverzeichnis der Beklagten (Baulastenblatt Nr. 0000/97) zu Lasten des Grundstücks Gemarkung X.        , Flur 0, Flurstück 0000 (heute 0000) eingetragenen Stellplätze mit den Nummern 8, 9, 10 und 11 zu löschen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Zur Begründung führt sie aus, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Löschung, da die Baulast insoweit wirksam begründet worden sei. Auf die Stellplätze Nr. 8-11 könne auch nicht verzichtet werden. Es handele sich um notwendige Stellplätze, ohne die sie der Beigeladenen die Änderungsgenehmigung vom 9. Oktober 2017 für den Umbau und die Nutzungsänderung des Erdgeschosses des Gebäudes L.        Str. 00-00 nicht habe erteilen können.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Beigeladene stellt keinen Antrag.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Sie schließt sich im Wesentlichen den Ausführungen der Beklagten an und führt ergänzend aus, die von der Klägerin benannten weiteren Stellplätze auf anderen Grundstücken in der Umgebung des Grundstücks der Beigeladenen begründeten schon deshalb keinen Anspruch auf Löschung, weil diese Stellplätze keinen adäquaten Ersatz im Rechtssinne darstellen würden. Sie seien nämlich nicht durch Baulast öffentlich-rechtlich gesichert und könnten deshalb nicht als Nachweis für erforderliche notwendige Stellplätze auf ihrem Grundstück dienen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Das Gericht hat die Örtlichkeit in Augenschein genommen. Insoweit wird auf die Niederschrift vom 30. Oktober 2018 Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Weiteren der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte dieses Verfahrens sowie des Verfahrens 2 K 12922/17 und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks"><strong>E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e</strong></p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Soweit die Klägerin und die Beklagte den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren einzustellen (§ 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO analog). Im Übrigen hat das Klagebegehren der Klägerin keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist zulässig, insbesondere als Verpflichtungsklage statthaft, da die Klägerin im Sinne von § 42 Abs. 1 VwGO den Erlass eines abgelehnten Verwaltungsakts begehrt. Die Löschung einer Baulast stellt ebenso wie deren Eintragung einen Verwaltungsakt dar. Das gilt auch dann, wenn die Löschung der Baulast im Falle von deren unwirksamer Bestellung keine konstitutive Wirkung hat, da dann zumindest der Rechtsschein einer bestehenden Baulast beseitigt wird.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Vgl. nur OVG NRW, Urteil vom 9. Mai 1995 – 11 A 4010/92 –, BRS 57 Nr. 204; Urteil vom 10. Oktober 1996 – 7 A 4185/95 – juris; Boeddinghaus/ Hahn/Schulte/Radeisen, Kommentar zur Bauordnung NRW,      § 83 (Stand Februar 2018) Rndnr. 88 m.w.N.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist aber nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Löschung der im Baulastenverzeichnis der Beklagten, Baulastenblatt Nr. 1111/97, eingetragenen Baulast im noch von ihr begehrten Umfang. Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 23. August 2017 ist insoweit im Ergebnis rechtmäßig und verletzt die Klägerin deshalb nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">1. Der geltend gemachte Löschungsanspruch der Klägerin ergibt sich zunächst nicht aus Art. 14 Abs. 1 GG. Ein auf diese Norm gestützter Löschungsanspruch zielt auf Beseitigung einer Eigentumsbeeinträchtigung, die darin besteht, dass das Grundstück des Anspruchstellers ausweislich des bei der Bauaufsichtsbehörde geführten Baulastenverzeichnisses (vgl. § 85 Abs. 4 Satz 1 BauO NRW 2018) rechtwidrigen öffentlich-rechtlichen Beschränkungen unterliegt, die für den Rechts- und insbesondere für den Grundstücksverkehr von erheblicher Bedeutung sein können.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. Juli 1995 – 11 A 11/94 –; Urteil vom 10. Oktober 1996, a.a.O.; Schönenbroicher/Kamp, Kommentar zur Bauordnung Nordrhein-Westfalen, § 83 Rndnr. 119.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die Voraussetzungen für einen Löschungsanspruch sind hier allerdings nicht gegeben. Denn das Baulastenblatt Nr. 1111/97 ist, soweit es die dort verzeichneten Stellplätze 8, 9, 10 und 11 betrifft, nicht unrichtig. Ein Baulastenverzeichnis ist nur dann unrichtig, wenn und soweit darin eine Baulast eingetragen ist, die entweder von vornherein nicht entstanden ist oder nicht mehr besteht.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Vgl. Boeddinghaus/Hahn/Schulte/Radeisen, a.a.O., § 83 Rndnr. 86.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Keine dieser Fallgestaltungen ist hier gegeben. Die Stellplatzbaulast ist, soweit sie hier noch in Streit steht, wirksam zu Lasten des klägerischen Grundstücks begründet worden. Eine entsprechende Erklärung im Sinne von § 83 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW a.F. hat die Voreigentümerin des Grundstücks I.       -M.    -Straße 0 am 22. Dezember 1997 gegenüber der Beklagten abgegeben. Als Eigentümerin des Grundstücks war sie zum damaligen Zeitpunkt zu einer derartigen Erklärung befugt. Die Erklärung der Voreigentümerin war auch formwirksam. Die Erklärung wahrt das Schriftformerfordernis des § 83 Abs. 2 1. Halbsatz BauO NRW a. F. und wurde „vor“ der Bauaufsichtsbehörde geleistet (vgl. § 83 Abs. 2 2. Halbsatz BauO NRW a. F.).</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Die am 22. Dezember 1997 vorgenommene Eintragung in das Baulastenverzeichnis der Beklagten ist im hier noch streitigen Umfang auch nicht aus sonstigen Gründen unwirksam. Als Verwaltungsakt muss die Eintragung insbesondere inhaltlich hinreichend bestimmt sein (vgl. § 37 Abs. 1 VwVfG NRW). Diesen Anforderungen genügt die Eintragung im Baulastenverzeichnis der Beklagten, soweit sie hier noch in Streit steht. Aus einer Baulasteintragung muss sich im Verhältnis zu dem jeweiligen Eigentümer hinreichend genau entnehmen lassen, in welcher Weise und in welchem Umfang er die Inanspruchnahme seines Grundeigentums dulden muss. Diesen Anforderungen wird hier genügt. Die Lage der 4 Stellplatzflächen lässt sich dem der Eintragung beigefügten Lageplan (Beiakte 1, Blatt 3) mit hinreichender Bestimmtheit entnehmen. Die Zufahrt zu diesen Stellplätzen ist unproblematisch, weil diese direkt an einer öffentlichen Verkehrsfläche, der I.       -M.    -Straße liegen. Die Kenntnis des Namens der begünstigten Bauherrin ist nicht relevant. Entscheidend ist allein, dass die betroffenen 4 Grundstücksflächen als notwendige Stellplätze für ein konkretes Bauvorhaben dienen. Dieses Vorhaben ergibt sich mit hinreichender Klarheit aus dem Text der Eintragung nebst beigefügtem Lageplan und der Verpflichtungserklärung der Voreigentümerin. Dass der Lageplan nicht allen Anforderungen von § 18 BauPrüfVO in der damals geltenden Fassung genügt hat, führt ebenfalls nicht zur Unwirksamkeit der Eintragung. Es handelt sich insoweit um einen nur formellen Mangel, der sich nicht inhaltlich auswirkt, in jedem Falle nicht zur Nichtigkeit der Eintragung führt.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Vgl. nur OVG NRW, Beschluss vom 30. Oktober 2013 – 2 A 2554/12, BRS 81 Nr. 146.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Ist die Baulast, soweit sie hier noch in Streit steht, nach allem mit der Eintragung in das Baulastenverzeichnis der Beklagten wirksam geworden, so entfaltet sie heute ihre Rechtswirkungen auch gegenüber der Klägerin als Rechtsnachfolgerin der Voreigentümerin (§ 85 Abs. 1 Satz 3 BauO NRW 2018).</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin kann die Rechtswirkungen der Baulast auch nicht beseitigen. Eine Anfechtung der Verpflichtungserklärung der Voreigentümerin wegen Inhalts- oder Erklärungsirrtum auf der Grundlage von §§ 119 ff. BGB kommt nicht in Betracht. Das muss jedenfalls dann gelten, wenn die Baulast – wie hier – zur Erteilung einer Baugenehmigung geführt hat und diese vom Bauherrn (hier der Beigeladenen) “ins Werk gesetzt“ worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Vgl. nur Schönenbroicher/Kamp, a.a.O., § 83 Rndnr. 53 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Insoweit kommt es im vorliegenden Fall auch nicht darauf an, ob die Voreigentümerin – wie die Klägerin vorgetragen hat – angeblich keinerlei Vorstellungen über die Bedeutung von Baulasten gehabt hat und deren Bestellung für eine reine Formalie gehalten haben soll.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">2. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch gegen die Beklagte, dass diese auf die Stellplatzbaulast, soweit sie hier noch in Streit steht, verzichtet. Nach § 85 Abs. 3 Satz 1 BauO NRW 2018 geht die Baulast durch schriftlichen Verzicht der Bauaufsichtsbehörde unter. Der Verzicht ist zu erklären, wenn ein öffentliches Interesse an der Baulast nicht mehr besteht. Vor dem Verzicht sollen der Verpflichtete und die durch Baulast Begünstigten angehört werden. Der Verzicht wird mit der Löschung der Baulast im Baulastenverzeichnis wirksam (vgl. § 85 Abs. 3 Sätze 2 bis 4 BauO NRW 2018).</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Die Voraussetzungen für die Abgabe einer Verzichtserklärung sind hier im entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht gegeben. Die Beklagte ist zu Recht weiterhin der Auffassung, dass ein öffentliches Interesse am Fortbestehen der im Baulastenblatt Nr. 0000/97 eingetragenen Stellplätze 8, 9, 10 und 11 auf dem Flurstück 0000 gegeben ist. Ein öffentliches Interesse an einer Baulast besteht nicht mehr, wenn die durch Eintragung der Baulast geschaffenen bauaufsichtlichen Befugnisse nicht mehr sicherungsfähig oder sicherungsbedürftig sind; baurechtswidrige Zustände dürfen durch den Verzicht nicht geschaffen werden. Ein Fortfall des öffentlichen Interesses kann sich zum einen wegen einer Änderung der rechtlichen Verhältnisse ergeben. Zum anderen können sich aber auch die tatsächlichen Verhältnisse, die die Baulast ausgelöst haben, so geändert haben, dass der Sicherungszweck entfallen ist.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Zum Ganzen vgl. nur OVG NRW, Beschluss vom 2. Juni 2006 – 7 A 281/06 –; Boeddinghaus/Hahn/Schulte/Radeisen, a.a.O., § 83 Rndnr. 99, 100; Schönenbroicher/Kamp, a.a.O., § 83 Rndnr. 127, 128; Wenzel in Gädtke/Czepuck/Johlen/Plietz/Wenzel, Kommentar zur BauO NRW, 12. Aufl. 2011, § 83 Rndnr. 60, 61 jeweils mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Gemessen daran kann die Klägerin hier nicht die Abgabe einer Verzichtserklärung von der Beklagten verlangen. Durch das Inkrafttreten der neuen Bauordnung mit Wirkung vom 1. Januar 2019 hat sich aus Sicht des Gerichts keine erhebliche Änderung der rechtlichen Verhältnisse ergeben. An der gesetzlichen Stellplatzpflicht hält der Landesgesetzgeber ausdrücklich fest, wie § 48 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW 2018 verdeutlicht. Der Landesgesetzgeber hat zudem die Unterscheidung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Änderungen von baulichen Anlagen und ihrer Nutzung (vgl. § 51 Abs. 2 BauO NRW a. F.) aufgegeben. § 48 Abs. 1 Satz 3 BauO NRW 2018 umfasst nunmehr jegliche Änderungen. Soll die Stellplatzpflicht auf wesentliche Änderungen beschränkt werden, weil dies in der betroffenen Kommune für sinnvoll erachtet wird, bedürfte es dazu einer kommunalen Satzung auf der Grundlage von §§ 48 Abs. 3 und 89 Abs. 1 Nr. 4 BauO NRW 2018.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Ausgehend von diesem Befund sind auch heute Stellplätze oder Garagen in ausreichender Zahl und Größe und in geeigneter Beschaffenheit herzustellen, wenn Anlagen errichtet werden, bei denen ein Zu– oder Abfahrtsverkehr zu erwarten sind. Bei Änderungen oder Nutzungsänderungen von Anlagen sind Stellplätze solcher Zahl und Größe herzustellen, dass sie die durch die Änderung zusätzlich zu erwartenden Kraftfahrzeuge aufnehmen können (vgl. § 48 Abs. 1 Satz 1 und § 48 Absatz 1 Satz 3 BauO NRW 2018). Die Beklagte hat hier für das Änderungsvorhaben der Beigeladenen ausweislich der erteilten Änderungsgenehmigung vom 9. Oktober 2017 (Beiakte 3, Blatt 1 ff.) 17 Einstellplätze für notwendig erachtet. Von diesem ermittelten Bedarf entfallen zwei Einstellplätze, nachdem die Beklagte sich zu deren Löschung im Baulastenverzeichnis verbindlich (vgl. ihren Schriftsatz vom 17. Dezember 2018) bereit erklärt hat. Für das Änderungsvorhaben der Beigeladenen stehen danach noch 15 notwendige Einstellplätze für Pkw zur Verfügung. Es ist nicht im Ansatz ersichtlich und wird von der Klägerin im Übrigen auch in keiner Weise näher dargelegt, dass diese verbleibende Anzahl an Stellplätzen den Bedarf an notwendigen Stellplätzen für das Änderungsvorhaben der Beigeladenen übertrifft und deshalb auf weitere Einstellplätze auf dem klägerischen Grundstück verzichtet werden kann.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Schließlich ist auch nicht erkennbar, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse, die zur Bestellung der Stellplatzbaulast geführt haben, derart geändert haben, dass es der Sicherung des Stellplatzbedarfs durch Baulast nicht länger bedarf. Die Klägerin führt insoweit eine Vielzahl von aus ihrer Sicht geeigneten alternativen Abstellmöglichkeiten für Kraftfahrzeuge in der näheren Umgebung des Grundstücks der Beigeladenen an. Mit dieser Argumentation lässt sich der Wegfall des öffentlichen Interesses indessen nicht begründen. Die Klägerin verkennt den Stellplatzbegriff der nordrhein-westfälischen Bauordnung. Nach § 2 Abs. 8 Satz 1 BauO NRW 2018 sind Stellplätze Flächen, die dem Abstellen von Kraftfahrzeugen und Fahrrädern außerhalb der öffentlichen Verkehrsflächen dienen. Die von Klägerseite angeführten Flächen auf privaten Parkflächen wie dem Grundstück der VR-Bank oder auf dem Grundstück des REWE-Marktes sind gemessen daran keine Stellplätze im Sinne der nordrhein-westfälischen Bauordnung. Ergänzend nimmt das Gericht insoweit auf die zutreffenden Ausführungen der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 19. April 2018 Bezug.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 155 Abs. 1 Satz 1 und 161 Abs. 2 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, die Beklagte insoweit mit Verfahrenskosten zu belasten, als sie sich bereit erklärt hat, die Stellplätze Nr. 14 und 15 im Baulastenblatt Nr. 0000/97 zu löschen. Denn die Klägerin hätte insoweit obsiegt. Die Baulast ist insoweit nicht wirksam begründet worden, weil es an der Eintragung der erforderlichen Zufahrtsbaulast mangelte. Betrifft eine Stellplatzbaulast – wie hier – sogenannte gefangene Stellplätze, die keinen direkten Kontakt zur öffentlichen Verkehrsfläche besitzen, muss die Stellplatzbaulast zugleich eine Zufahrtsbaulast einschließen. Dafür muss sie nicht nur ein Zu- und Abfahrtsrecht gewähren, sondern hinreichend bestimmt regeln, wo sich die freizuhaltenden Zufahrts- bzw. Abfahrtsflächen befinden. Dies kann etwa durch eine textliche Beschreibung der Flächen oder durch eine zeichnerische Darstellung (vgl. § 18 BauPrüfVO NRW) erfolgen.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8. August 2013 - 7 A 3001/11 – juris; Johlen in Gädtke/Czepuk/Johlen/Plietz/Wenzel, a.a.O., § 51 Rndnr. 64.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Hieran fehlte es, soweit es die Stellplätze 14 und 15 betrifft. Die Baulasteintragung bestimmt nur, dass Einstellplätze “ständig freizuhalten und den Benutzern zugänglich zu machen sind“. Wo sich die Zufahrts- bzw. Abfahrtsfläche zu beiden Stellplätzen genau auf dem Flurstück 4763 (früher 2938) befindet, lässt sich der Eintragung hingegen nicht entnehmen. Der Hinweis der Beklagten auf eine angeblich tatsächlich vorhandene Fahrgasse hilft insoweit nicht weiter. Einmal ist deren exakte Lage im Raum vollkommen unklar. Im Übrigen vernachlässigt die Beklagte, dass sich die bauliche Situation auf dem belasteten Flurstück auch ändern kann.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Der weitere Kostenausspruch ergibt sich aus § 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, weil sie keinen Sachantrag gestellt und sich damit auch keinem Kostenrisiko (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO) ausgesetzt hat.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m.    §§ 708 Nr. 11 und 711 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks"><strong>Rechtsmittelbelehrung</strong></p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn</p>
<span class="absatzRechts">49</span><ul class="absatzLinks"><li><span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,</p>
</li>
<li><span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,</p>
</li>
<li><span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,</p>
</li>
<li><span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">4. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder</p>
</li>
<li><span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">5. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.</p>
</li>
</ul>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, schriftlich zu beantragen. Der Antrag auf Zulassung der Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Statt in Schriftform kann die Einlegung des Antrags auf Zulassung der Berufung auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Die Gründe, aus denen die Berufung zugelassen werden soll, sind innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils darzulegen. Die Begründung ist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Vor dem Oberverwaltungsgericht und bei Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird, muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Die Antragsschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks"><strong>Beschluss</strong></p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Der Wert des Streitgegenstandes wird bis zur teilweisen Erledigungserklärung auf</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">9.000,00 €</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">und ab dann auf</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">6.000,00 €</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">festgesetzt.</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks"><strong>Gründe</strong></p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 1 GKG. Das Gericht hat das Interesse der Klägerin an der Löschung der Baulast mit 1500,00 € je Stellplatz bemessen. Mit Blick auf ursprünglich sechs streitige Stellplätze und nach Abgabe der teilweisen Erledigungserklärung noch vier streitige Stellplätze ergibt sich der jeweils festgesetzte Betrag.</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks"><strong>Rechtsmittelbelehrung</strong></p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">Gegen diesen Beschluss kann schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, Beschwerde bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln eingelegt werden.</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">Statt in Schriftform kann die Einlegung der Beschwerde auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, einzulegen. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.</p>
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171,245 | ovgnrw-2019-01-15-4-a-7819a | {
"id": 823,
"name": "Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen",
"slug": "ovgnrw",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 4 A 78/19.A | 2019-01-15T00:00:00 | 2019-01-29T12:50:29 | 2019-02-12T13:44:27 | Beschluss | ECLI:DE:OVGNRW:2019:0115.4A78.19A.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das auf die mündliche Verhandlung vom 23.11.2018 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf wird abgelehnt.</p>
<p>Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">G r ü n d e :</span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist nicht wegen einer allein geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung zuzulassen (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG). Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht beantwortete Rechtsfrage oder eine im Bereich der Tatsachenfeststellung bisher obergerichtlich nicht geklärte Frage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die sich in dem angestrebten Berufungsverfahren stellen würde und die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts berufungsgerichtlicher Klärung bedarf. Für die Darlegung dieser Voraussetzungen ist neben der Formulierung einer Rechts- oder Tatsachenfrage erforderlich, dass der Zulassungsantrag konkret auf die Klärungsbedürftigkeit und -fähigkeit der Rechts- bzw. Tatsachenfrage sowie ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingeht.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29.1.2016 – 4 A 2103/15.A –, juris, Rn. 2 f., m. w. N.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Diesen Darlegungsanforderungen genügt die Antragsbegründung nicht. Der Kläger formuliert schon keine fallübergreifende Frage. Eine solche wird durch das einzelfallbezogene Zulassungsvorbringen auch nicht sinngemäß aufgeworfen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Soweit der Kläger die Richtigkeit des angefochtenen Urteils in Zweifel zieht, führt dies nicht auf einen Zulassungsgrund gemäß § 78 Abs. 3 AsylG. Dies gilt auch insoweit, als er sich gegen die Sachverhaltswürdigung des Verwaltungsgerichts wendet, die dem sachlichen Recht zuzuordnen ist.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.</p>
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171,244 | ovgnrw-2019-01-15-13-b-158718 | {
"id": 823,
"name": "Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen",
"slug": "ovgnrw",
"city": null,
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"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 13 B 1587/18 | 2019-01-15T00:00:00 | 2019-01-29T12:50:29 | 2019-02-12T13:44:27 | Beschluss | ECLI:DE:OVGNRW:2019:0115.13B1587.18.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 15. Oktober 2018 wird zurückgewiesen.</p>
<p>Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.</p>
<p>Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 € festgesetzt.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">G r ü n d e:</span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die durch die Antragsgegnerin mit der Beschwerde dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, geben keinen Anlass, den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts zu ändern.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Das Verwaltungsgericht hat der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 15. Oktober 2018 mittels einstweiliger Anordnung untersagt, die sich aus dem Schreiben vom 4. Oktober 2018 ergebenden Informationen – nämlich die Angaben</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Produktbezeichnung: Kulturheidelbeeren</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Produktart: Heidelbeere</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Los-/Chargennummer: L.Nr. 0133/03257</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Hersteller/Importeur/Inverkehrbringen/ Verantwortlicher für die Kennzeichnung: C.      G.       GmbH, N.     -C1.       -Ring 39, N1.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Grund der Veröffentlichung: analysierter Stoff / Parameter: DEET</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Analyseergebnis: 0,017 mg/kg</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Grenzwert/Höchstgehalt/Höchstmenge: 0,01 mg/kg</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Rechtsvorschrift: RHmV</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">zuständige Behörde: Stadt N1.               –</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">ab dem 16. Oktober 2018 auf der Internetplattform „lebensmitteltransparenz.nrw.de“ zu veröffentlichen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Zur Begründung der einstweiligen Anordnung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt: Die von der Antragsgegnerin geplante Veröffentlichung sei auf der Grundlage von § 40 Abs. 1a LFGB grundsätzlich zulässig, aber ohne weitere Ergänzungen unzureichend. Die Vorschrift sei nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21. März 2018,</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">vgl. 1 BvF 1/13 – juris –,</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">mangels gesetzlicher Befristung der Veröffentlichung zwar verfassungswidrig, aber bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens bis zum 30. April 2019 weiter anzuwenden. Allerdings sei eine verfassungskonforme Anwendung geboten, wonach die Behörden weitere Vorkehrungen träfen, um sicherzustellen, dass § 40 Abs. 1a LFGB zur Erreichung des Informationszwecks geeignet sei. So müssten die zuständigen Behörden die Information mit der Mitteilung verbinden, ob und wann ein Verstoß behoben worden sei. Die von der Antragsgegnerin zur Veröffentlichung vorgesehenen Informationen seien für sich nicht zur Erreichung des Informationszwecks geeignet. Vielmehr könnten durch sie für eventuelle Verbraucherentscheidungen maßgebliche Fehlvorstellungen über das betroffene Lebensmittel sowie über den Verstoß der – das Produkt nicht herstellenden, sondern lediglich importierenden – Antragstellerin entstehen. Schließlich habe die Antragsgegnerin es unterlassen, in ihrem Schreiben vom 4. Oktober 2018 mitzuteilen, wann der betreffende Eintrag gelöscht werde. Die der Antragsgegnerin im Erlasswege mitgeteilte automatische Löschung könne die in der Übergangszeit erforderliche einzelfallbezogene Entscheidung der Antragsgegnerin und deren Mitteilung an die Antragstellerin nicht ersetzen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Mit der Beschwerde wird nicht durchgreifend in Frage gestellt, dass die Voraussetzungen des § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO für den Erlass der von der Antragstellerin begehrten einstweiligen Anordnung vorgelegen haben.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Der Anordnungsanspruch auf Unterlassung folgt daraus, dass sich die von der Antragsgegnerin beabsichtigte Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a Nr. 1 LFGB – auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens – als unverhältnismäßig und damit rechtswidrig erweist. Die Veröffentlichung verletzt die Antragstellerin in ihrer Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1, Art. 19 Abs. 3 GG).</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Veröffentlichungen nach § 40 Abs. 1a Nr. 1 LFGB sind an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen, weil sie, als administrative Maßnahmen, direkt auf die Marktbedingungen individualisierter Unternehmen zielen, das Konsumverhalten von Verbraucherinnen und Verbrauchern beeinflussen und auf diese Weise mittelbar-faktisch die Markt- und Wettbewerbssituation zum wirtschaftlichen Nachteil der betroffenen Unternehmen verändern.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. März 2018 – 1 BvF 1/13 –, juris, Rn. 25.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die Information nach § 40 Abs. 1a LFGB dient nicht der Abwehr einer konkreten Gesundheitsgefährdung der Verbraucher. Ihr Sinn und Zweck ist – anders als bei der Information nach § 40 Abs. 1 Satz 1 LFGB – nicht unmittelbar auf die Abwehr von Gesundheitsgefahren durch Lebensmittel oder Futtermittel gerichtet. Vielmehr soll die Information in erster Linie eine hinreichende Grundlage für eigenverantwortliche Konsumentscheidungen der Verbraucher schaffen sowie – nachrangig – (quasi erzieherisch) zur Einhaltung der Bestimmungen des Lebensmittel- und Futtermittelrechts beitragen. Der drohende Nachteil der Informationsverbreitung soll das einzelne Unternehmen dazu veranlassen, den Betrieb im Einklang mit den lebensmittel- und futtermittelrechtlichen Bestimmungen zu betreiben.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Vgl. BT-Drs. 17/7374, S. 2; BT-Drs. 17/12299, S. 7; BVerfG, Beschluss vom 21. März 2018 – 1 BvF 1/13 –, juris, Rn. 32.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die Information zielt also direkt auf eine Veränderung der Marktbedingungen konkret adressierter Unternehmen. Diese Veränderungen sind für die betroffenen Unternehmen nicht bloßer Reflex einer nicht auf sie ausgerichteten gesetzlichen Regelung. Die informationellen Grundlagen von Konsumentscheidungen zu verändern, ist vielmehr der originäre Zweck der Regelung.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Vgl. BT-Drs. 17/7374, S. 2; BVerfG, Beschluss vom 21. März 2018 – 1 BvF 1/13 –, juris, Rn. 29.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Am Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG gemessen, erweist sich § 40 Abs. 1a LFGB insofern unverhältnismäßig im engeren Sinne, als eine zeitliche Begrenzung der Informationsverbreitung im Gesetz fehlt. Die zeitliche Begrenzung muss durch Gesetz geregelt werden und kann nicht allein durch Behördenpraxis oder Rechtsprechung erfolgen. Für die konkrete Ausgestaltung der Befristung sind unterschiedliche, jeweils bedeutende Belange und Parameter zu gewichten und gegeneinander abzuwägen, was ebenfalls gesetzlicher Regelung vorbehalten ist.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. März 2018 – 1 BvF 1/13 –, juris, Rn. 56, 60.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens aber bis zum 30. April 2019, ist</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">§ 40 Abs. 1a LFGB, wie auch das Verwaltungsgericht angenommen hat, weiter anzuwenden. Aufgrund der bisherigen Behördenpraxis, die Veröffentlichung im Erlasswege auf höchstens zwölf Monate zu befristen, ist nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21. März 2018 zu erwarten, dass die zuständigen Behörden § 40 Abs. 1a LFGB in der Übergangszeit im Einklang mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen anwenden.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. März 2018 – 1 BvF 1/13 –, juris, Rn. 64.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">a) Mit Blick auf den vorstehend zitierten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21. März 2018 hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass die verfassungskonforme Anwendung der Norm (auch) in der Übergangszeit einer einzelfallbezogenen Befristungsentscheidung der zuständigen Behörde bedarf, die nicht durch die der Antragsgegnerin im Erlasswege mitgeteilte automatische Löschung spätestens zum 30. April 2019 ersetzt wird.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Dagegen wendet die Antragsgegnerin ein, mit der automatisch zum 30. April 2019 eintretenden Löschung sei eine Regelung über die Dauer der Veröffentlichung getroffen. Mehr verlange der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht. Das Bundesverfassungsgericht halte eine Löschungsfrist von 12 Monaten für angemessen. Der Antragstellerin müsse die Dauer der Veröffentlichung nicht mitgeteilt werden. Dieser Vortrag verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg. Zum einen nennt und billigt das Bundesverfassungsgericht eine Veröffentlichungsdauer von 12 Monaten im Beschluss vom 21. März 2018 als bisher von den Behörden im Erlasswege höchstens bestimmte Frist. Damit hat es lediglich zum Ausdruck gebracht, dass eine 12 Monate überschreitende Veröffentlichungsdauer nicht in Betracht kommt, aber nicht erklärt, dass jede diesen zeitlichen Rahmen einhaltende Veröffentlichungsdauer auch in jedem Einzelfall angemessen ist. Zum anderen ist nicht erkennbar, dass der aufgrund des von der Antragsgegnerin angeführten Erlasses eintretenden automatischen Löschung die vom Bundesverfassungsgericht für erforderlich gehaltene Gewichtung und Abwägung der jeweils bedeutenden Belange und Parameter zu Grunde liegt.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">b) Auch soweit die Antragsgegnerin geltend macht, die beabsichtigte Veröffentlichung als solche sei verhältnismäßig, verhilft dies ihrer Beschwerde nicht zum Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Unabhängig von der Frage der Befristung ist § 40 Abs. 1a LFGB, wie das Verwaltungsgericht angenommen hat, verfassungskonform auszulegen und anzuwenden, um die Verhältnismäßigkeit der Veröffentlichung im Einzelfall zu gewährleisten.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. März 2018 – 1 BvF 1/13 –, juris, Rn. 39 ff.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">aa) So ist nur die Verbreitung richtiger Informationen zur Erreichung des Informationszwecks geeignet. Die zuständigen Behörden haben bei der Rechtsanwendung von Verfassungs wegen Vorkehrungen zu treffen, um die Richtigkeit der Information zu sichern und Fehlvorstellungen der Verbraucher zu vermeiden. Sie müssen die Mitteilung mit der Information verbinden, ob und wann ein Verstoß behoben wurde.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. März 2018 – 1 BvF 1/13 –, juris, Rn. 39 f.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Soweit die Antragsgegnerin rügt, dass es einer Abhilfemitteilung im vorliegenden Fall nicht bedürfe, weil eine solche nur bei Verstößen sinnvoll sei, die sich – wie etwa Verstöße gegen Hygienevorschriften und anders als die eine bestimmte Charge betreffende Höchstmengenüberschreitung – auf eine bestimmte zeitliche Dauer erstreckten und behoben werden könnten, kommt es darauf nicht an. Eine solche Mitteilung hat das Verwaltungsgericht nicht verlangt.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Vielmehr ist es zu Recht davon ausgegangen, dass sich die von der Antragsgegnerin beabsichtigte Veröffentlichung als unverhältnismäßig erweist, weil die vorgesehenen Informationen nicht geeignet sind, die Erfüllung des gesetzlichen Informationszwecks zu gewährleisten und Fehlvorstellungen der Verbraucher zu vermeiden. Die beabsichtigten Angaben sind nicht hinreichend bestimmt.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Zwar dürfte das betroffene Lebensmittel – wie die Antragsgegnerin mit der Beschwerde geltend gemacht hat – mit den beabsichtigten Angaben der auch auf dem Verpackungsetikett genannten Produktbezeichnung (Kulturheidelbeeren), der Produktart (Heidelbeeren) und der ebenfalls auf dem Verpackungsetikett genannten Los-/Chargennummer (L.Nr. 0133/03257) in hinreichender Weise bezeichnet sein.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Durch die Los- oder Chargennummer wird das von dem bekanntgemachten Verstoß betroffene Lebensmittel konkretisiert. Ein Los oder eine Charge umfasst alle Verkaufseinheiten eines Lebensmittels, die unter praktisch gleichen Bedingungen erzeugt, hergestellt oder verpackt wurden. Sie dient gerade der schnellen Identifizierung etwa beim Rückruf eines Produktes.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Vgl. die Information der Verbraucherzentralen unter: https://www.lebensmittelklarheit.de/forum/code-auf-der-verpackung, abgerufen am 7. Januar 2019.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Die Los- oder Chargennummer erlaubt dem Verbraucher über das Verpackungsetikett eine eindeutige Zuordnung und wirkt einer etwaigen Fehlvorstellung der Verbraucher, die Beanstandung beziehe sich auf Heidelbeeren ganz allgemein, gerade entgegen. Weitere Angaben wie das Herkunftsland (Polen), das Einfuhrdatum (11. August 2018), das Datum der Probenahme (15. August 2018) oder der Feststellung der Höchstmengenüberschreitungen (5. September 2018) tragen darüber hinaus nicht zu einer genaueren Identifizierung des betroffenen Produktes bei. Die Angabe des Herkunftslandes führt zu keiner nennenswerten Präzisierung, denn von der in Rede stehenden Höchstmengenüberschreitung sind nicht alle polnischen Heidelbeeren, sondern lediglich die der genannten Charge betroffen. Die Daten der Einfuhr, der Probenahme und des die Höchstmengenüberschreitung feststellenden Gutachtens erlauben lediglich eine Zuordnung, in welchem Zeitfenster sich die betroffenen Heidelbeeren im Verkauf befunden haben, aber – anders als die Los- oder Chargennummer – keine konkrete Identifizierung des Produkts.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Die von der Antragsgegnerin beabsichtigten Angaben betreffend das Unternehmen der Antragstellerin sind aber nicht in einer Weise bestimmt, die dem Zweck der Information gerecht wird.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Die mit der Angabe „Hersteller/Importeur/Inverkehrbringer/Verantwortlicher für die Kennzeichnung“ versehene Nennung des Betriebs der Antragstellerin lässt keinen Rückschluss darauf zu, in welcher dieser Rollen die Antragstellerin auf dem Markt tätig und für die veröffentlichte Höchstmengenüberschreitung verantwortlich ist. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist diese Angabe nicht unerheblich, sondern für den Zweck der Information, die Verbraucher in die Lage zu versetzen, ihre Konsumentscheidung in Kenntnis der veröffentlichten Missstände zu treffen und gegebenenfalls vom Vertragsschluss mit dem benannten Unternehmen abzusehen, von Bedeutung. Während bei einem Erzeuger naheliegt, dass er den veröffentlichten Höchstmengenverstoß durch den Einsatz entsprechender Substanzen selbst verursacht hat, ist dem Importeur – wie das Verwaltungsgericht ausgeführt hat – keine unmittelbare Verursachung vorzuhalten. Dabei ist die Frage nach der Rolle des Unternehmens auf dem Markt für die Konsumentscheidung des Verbrauchers – unabhängig von einem etwaigen Unwerturteil – jedenfalls insofern von Bedeutung, als bei einem unmittelbar verantwortlichen Hersteller die größere Wahrscheinlichkeit besteht, dass auch weitere Chargen von der veröffentlichten Höchstmengenüberschreitung betroffen sein können. Während bei dem unmittelbar verantwortlichen Hersteller naheliegen kann, dass er seine Produkte einheitlich mit der in der genommenen Probe in zu hoher Menge nachgewiesenen Substanz behandelt hat, sodass auch weitere Chargen betroffen sein werden, ist die Wahrscheinlichkeit weiterer Grenzwertüberschreitungen bei einem Importeur, der typischerweise über mehrere Bezugsquellen verfügt, erheblich geringer.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">bb) Darüber hinaus erweist sich die von der Antragsgegnerin beabsichtigte Veröffentlichung auch deshalb als unverhältnismäßig, weil sie – unabhängig von der unzureichenden Bestimmtheit der zu veröffentlichten Angaben – zur Erreichung der oben genannten gesetzlichen Zwecke nur (noch) wenig geeignet ist, sodass das öffentliche Interesse an der Veröffentlichung hinter dem Interesse der Antragstellerin an deren Unterbleiben zurücktritt.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Die Saison für die von der Antragstellerin aus Polen eingeführten Kulturheidelbeeren ist beendet und wird während der längst möglichen Veröffentlichungsdauer bis zum 30. April 2019 nicht wiederbeginnen. Entsprechende Konsumentscheidungen der Verbraucher, für die die Information eine Entscheidungsgrundlage liefern könnte, sind im Veröffentlichungszeitraum nicht mehr zu erwarten. Die Eignung der Information zur Erreichung ihres primären Zwecks ist damit allenfalls gering. Die mit der Veröffentlichung neben der Entscheidungsgrundlage für die Verbraucher beabsichtigte erzieherische Wirkung für das betroffene Unternehmen ist durch den behördlichen Nachweis der Höchstmengenüberschreitung und das Anhörungsverfahren zumindest weitgehend bereits eingetreten. Die Antragstellerin hat sich mit dem Produzenten der belasteten Charge in Verbindung gesetzt, um die Ursache aufzuklären und diesen auf die Belastung und die Notwendigkeit, eine solche künftig zu vermeiden, hinzuweisen. Eine darüberhinausgehende erzieherische Wirkung durch die Veröffentlichung wäre ebenfalls als gering anzusehen. Besonderes Gewicht kommt dem öffentlichen Interesse an der von der Antragsgegnerin beabsichtigten Veröffentlichung damit bezüglich keines der beiden gesetzlichen Zwecke zu. Der für die Antragstellerin mit der Veröffentlichung verbundene Eingriff wiegt dagegen schwerer. Die weithin einsehbare und leicht zugängliche Veröffentlichung des Missstands im Internet kann zu einem erheblichen Reputationsverlust ihres Unternehmens und zu Umsatzeinbußen führen. Angesichts dieser Eingriffsintensität vermag das lediglich geringe öffentliche Interesse an der Information der Öffentlichkeit diese nicht zu rechtfertigen.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 2, 47 Abs. 1 GKG. Da der Entscheidung angesichts der bereits im einstweiligen Rechtsschutzverfahren betroffenen wirtschaftlichen Interessen der Antragstellerin keine nur vorläufige Regelungswirkung zukommt, ist eine Halbierung des Auffangstreitwerts nicht angezeigt.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Dieser Beschluss ist unanfechtbar.</p>
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<a name="focuspoint"><!--BeginnDoc--></a><div id="bsentscheidung"><div>
<h4 class="doc">Tenor</h4>
<div><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p style="margin-left:36pt">1. Die Bescheide des Beklagten vom 21. Dezember 2016 in der Gestalt der jeweiligen Widerspruchsbescheide vom 27. April 2018 werden aufgehoben.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p style="margin-left:36pt">2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p style="margin-left:36pt">3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der Vollstreckungsschuld abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.</p></dd>
</dl>
</div></div>
<h4 class="doc">Tatbestand</h4>
<div><div>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_1">1</a></dt>
<dd><p>Die Beteiligten streiten um die Heranziehung zu Anschlussbeiträgen Schmutzwasser.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_2">2</a></dt>
<dd><p>Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks G 1 welches sie im Jahr 2010 erworben hat. Das Grundstück liegt innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils. Zum Zeitpunkt des Erwerbes war das Grundstück auf einer kleinen Teilfläche mit einem eingeschossigen Gebäude bebaut. Das eingeschossige Gebäude wurde im Jahr 2012 abgerissen. Die Klägerin errichtete dann ein viergeschossiges Gebäude mit 11 Ferienwohnungen, welches im Jahr 2013 fertiggestellt wurde. In diesem Zusammenhang erfolgte im Jahr 2013 erstmals die Herstellung eines Grundstücksanschlusses mit einem Kontrollschacht. Die Aufteilung in Wohneigentum wurde am 16. Oktober 2015 im Grundbuch eingetragen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_3">3</a></dt>
<dd><p>Bereits mit Bescheid vom 25. Mai 2009 hatte der Beklagte die vormalige Eigentümerin des Grundstücks zu einem Anschlussbeitrag Schmutzwasser in Höhe von 953,93 Euro herangezogen. Der Berechnung lagen die gesamte Grundstücksfläche von 790 m² und ein Vollgeschoss zugrunde.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_4">4</a></dt>
<dd><p>Mit Bescheiden vom 21. Dezember 2016 zog der Beklagte die Klägerin entsprechend den jeweiligen Miteigentumsanteilen zu einem Anschlussbeitrag zwischen 109 Euro und 243 Euro heran. Dabei wurde der ermittelte Anschlussbeitrag für das Grundstück um den durch die Voreigentümerin geleisteten Betrag in Höhe von 953,93 Euro reduziert. Der Berechnung liegen die gesamte Grundstücksfläche und eine maßgebliche Zahl der Vollgeschosse von 4 zugrunde. Die dagegen eingelegten Widersprüche wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 27. April 2018, zugestellt am 28. April 2018, zurück.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_5">5</a></dt>
<dd><p>Die Klägerin hat am 28. Mai 2018 Klage erhoben. Sie ist der Ansicht, dass die Heranziehung unzulässig sei. Die Nacherhebung widerspreche dem Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung. Darüber hinaus sei die Beitragserhebung verjährt, da die erste wirksame Satzung im Jahr 2011 bestanden habe.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_6">6</a></dt>
<dd><p>Die Klägerin beantragt,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_7">7</a></dt>
<dd><p style="margin-left:36pt"><strong>die Bescheide des Beklagten vom 21. Dezember 2016 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 27. April 2018 aufzuheben.</strong></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_8">8</a></dt>
<dd><p>Der Beklagte beantragt,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_9">9</a></dt>
<dd><p style="margin-left:36pt"><strong>die Klage abzuweisen.</strong></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_10">10</a></dt>
<dd><p>Zur Begründung nimmt er auf seine Bescheide Bezug.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_11">11</a></dt>
<dd><p>Die Klägerin hat sich mit Schreiben vom 12. Juli 2018 und der Beklagte mit Schreiben vom 4. Dezember 2018 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_12">12</a></dt>
<dd><p>Das Gericht hat mit Beschluss vom 14. Januar 2019 den Rechtsstreit zur Entscheidung auf die Berichterstatterin als Einzelrichterin übertragen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_13">13</a></dt>
<dd><p>Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die bei der Entscheidung vorgelegen haben, Bezug genommen.</p></dd>
</dl>
</div></div>
<h4 class="doc">Entscheidungsgründe</h4>
<div><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p style="margin-left:90pt">I.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_14">14</a></dt>
<dd><p>Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung –VwGO).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p style="margin-left:90pt">II.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_15">15</a></dt>
<dd><p>1. Die zulässige Klage ist begründet. Die Bescheide des Beklagten in der Gestalt des jeweiligen Widerspruchsbescheides sind rechtswidrig und verletzten die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_16">16</a></dt>
<dd><p>Die nochmalige Heranziehung der Klägerin zu Anschlussbeiträgen für die öffentliche Abwasserbeseitigung, zusätzlich zu dem durch Anschlussbeitragsbescheid vom 25. Mai 2009 ursprünglich festgesetzten und bezahlten Beitrag in Höhe von 953,93 Euro, findet seine Rechtsgrundlage nicht in der Satzung über die Erhebung von Beiträgen für die Abwasserbeseitigung des Zweckverbands Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung Insel Usedom vom 19. Oktober 2011 in der Fassung der 1. Änderungssatzung vom 13. Dezember 2012 (Beitragssatzung 2012). Dies gilt unabhängig davon, dass die Satzung nach jetziger Erkenntnis wirksam ist (so OVG Greifswald, Urt. v. 06.09.2016 – 1 L 212/13 –, juris Rn. 56 ff. zur im Wesentlichen inhaltsgleichen Satzung über die Erhebung von Beiträgen für die Abwasserbeseitigung des Zweckverbandes Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung – Insel Usedom vom 18. März 2005 in der Fassung der 7. Änderungssatzung vom 16. Mai 2011). Denn eine Nacherhebung ist entgegen dem Vorbringen des Beklagten unter den vorliegenden Sachverhaltsgegebenheiten unzulässig. Der Heranziehung der Klägerin steht der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung entgegen, da der Beklagte den Beitrag für das klägerische Grundstück bereits mit Bescheid vom 25. Mai 2009 voll ausgeschöpft hat.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_17">17</a></dt>
<dd><table class="Rsp">
<tr><th colspan="1" rowspan="1"></th></tr>
<tr><td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="text-align:left"> a. Der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung und das hieraus folgende Verbot der Doppelbelastung besagen, dass die sachliche Beitragspflicht für ein Grundstück bezogen auf eine beitragsfähige Ausbaumaßnahme einer bestimmten Anlage nur einmal und endgültig in Höhe des nach Maßgabe der Satzung abzugeltenden Vorteils entsteht und dass der entsprechende Aufwand durch einen einmaligen Beitrag in der entstandenen Höhe gedeckt wird. Ist die sachliche Beitragspflicht aufgrund einer wirksamen Satzung entstanden und der Beitragstatbestand erfüllt, ist die erneute Entstehung einer Beitragspflicht im Grundsatz gesperrt (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 15.12.2009 – 1 L 323/06 –, juris Rn. 49 m.w.N.). Die Einmaligkeit der Leistung des Anschlussbeitrags folgt aus dem Wesen des Beitrags, der an einen bestimmten Zustand ("Möglichkeit der Inanspruchnahme") anknüpft und der den bei Verwirklichung des Zustands gebotenen wirtschaftlichen Vorteil insgesamt abgelten soll. Der Grundstückseigentümer erbringt die "Gegenleistung" für den ihm durch die Anschlussmöglichkeit gebotenen wirtschaftlichen Vorteil, der der Natur der Sache nach mit der Anschlussmöglichkeit entsteht und auch in der Zukunft in der Regel nicht verändert wird. Die Einmaligkeit der Beitragserhebung ist auch Folge des aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Vertrauensschutzgedankens (vgl. VGH München, Urt. v. 15.04.1999 - 23 B 97.1108 -, juris; vgl. zum Ganzen OVG Greifswald, Beschl. v. 25.05.2009 - 1 M 157/08 -, juris).<br>Nach Maßgabe von § 9 Abs. 3 Satz 1 Kommunalabgabengesetz (KAG M-V) (vgl. auch § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a.F. und die dazu ergangene Rspr. des OVG Greifswald, etwa Beschl. v. 21.07.2006 - 1 M 60/06 -, juris) und der entsprechenden satzungsrechtlichen Regelung des § 4 Abs. 1 Beitragssatzung 2012 entsteht die sachliche Beitragspflicht, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung. Mit dem Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung geht das Landesrecht und in Folge dessen auch das Satzungsrecht des Beklagten davon aus, dass der beitragsrelevante Vorteil mit der Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung bereits vollständig ausgebildet ist und die Erhebung des Beitrags in voller Höhe rechtfertigt. Auch die Höhe des Beitrags, mit dem das bevorteilte Grundstück zu den Herstellungskosten herangezogen wird, steht auf der Grundlage der - wirksamen - Beitragssatzung zu diesem Zeitpunkt endgültig fest. Der Beitrag ruht - in Höhe der sachlichen Beitragspflicht - als öffentliche Last auf dem Grundstück (§ 7 Abs. 6 KAG M-V).<br>Ist der beitragsrelevante Vorteil bereits mit der Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung vollständig ausgebildet, ist es grundsätzlich unzulässig, einen zusätzlichen Beitrag für dasselbe Grundstück zu erheben, wenn sich nach dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht die tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse auf dem Grundstück verändert haben und nunmehr eine erhöhte Ausnutzbarkeit des Grundstücks möglich ist, z.B. durch nachträgliche Erhöhung des zulässigen baulichen Nutzungsmaßes, intensivere Bebauung durch Gebäudeaufstockung oder Neubau nach Abriss (sogenannte Ergänzungsbeiträge) (vgl. Petermann in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand 09/2015, § 8 Rn. 1480 zur vergleichbaren Rechtslage in Thüringen m.w.N.). Insoweit sieht auch schon die Beitragssatzung 2012 des Beklagten keine entsprechende Regelung vor. Eine solche wäre auch unwirksam, da sie keine gesetzliche Grundlage im Kommunalabgabengesetz M-V findet. Eine gesetzliche Bestimmung, die für die Fälle einer nachträglichen intensiveren Grundstücksnutzung eine (zusätzliche) Beitragspflicht entstehen lässt, sieht das Kommunalabgabenrecht M-V nur in den Fällen des § 9 Abs. 7 KAG M-V vor (vgl. Aussprung in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Stand 11/2015, § 9 Anm. 12). Danach kann ein zusätzlicher Beitrag erhoben werden, wenn sich im Fall der Beitragsbemessung nach Absatz 4 oder Absatz 5 die für die Beitragsbemessung maßgebenden Umstände nachträglich ändern und sich dadurch der Vorteil erhöht. Eine weitergehende Regelung, wie etwa das bayrische Kommunalabgabengesetz in Artikel 5 Abs. 2a, nachdem ein zusätzliche Beitrag entsteht, wenn sich die für die Beitragsbemessung maßgeblichen Umstände nachträglich ändern und sich dadurch der Vorteil erhöht, enthält das Kommunalabgabengesetz dagegen nicht. Nacherhebungstatbestände in einer Beitragssatzung, die eine zusätzliche Beitragspflicht für dasselbe Grundstück daran knüpfen, dass sich nach dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht die tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse auf dem Grundstück verändert haben, sind damit grundsätzlich unzulässig (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 15.12.2009 – 1 L 323/06 –, juris Rn. 50; ebenso zur Rechtslage in Thüringen OVG Weimar, Beschl. v. 29.04.2008 - 4 ZKO 610/07 -, juris). Auch das Innenministerium führt in seinen Erwägungen in dem Einführungserlass vom 14. Juni 2005 (Az.: II 330 - 179.00.06), Ziffer 6.4.3, Seite 19f. aus:</p></td></tr>
</table></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_18">18</a></dt>
<dd><p>„Ist bereits eine Anschlussbeitragserhebung ohne Regelungen im Sinne von § 9 Abs. 4 und 5 KAG M-V erfolgt, kann Absatz 7 grundsätzlich nicht angewandt werden; hier bleiben Nachveranlagungen z.B. wegen Vergrößerung des Gebäudes nach wie vor ausgeschlossen. Etwas anderes gilt insoweit lediglich im Zusammenhang mit einer schlichten Tiefenbegrenzungsregelung, wenn danach beitragsfrei gebliebene Grundstücksteile nachträglich in die Beitragspflicht „hineinwachsen“.“</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_19">19</a></dt>
<dd><table class="Rsp">
<tr><th colspan="1" rowspan="1"></th></tr>
<tr><td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="text-align:left"> Demgegenüber ist – unter dem Blickwinkel des Grundsatzes der Einmaligkeit der Beitragserhebung – eine Nacherhebung prinzipiell zulässig, wenn der erste Beitragsbescheid die sachliche Beitragspflicht für ein bestimmtes Grundstück noch nicht vollständig ausgeschöpft hat. Dies ist etwa der Fall, wenn die Beitragsfestsetzung wegen eines Rechenfehlers zu niedrig war bzw. nunmehr bebaubare Grundstücksflächen, die zuvor nicht Gegenstand der Beitragserhebung waren, herangezogen werden. Der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung ist nicht gleichbedeutend mit einem Grundsatz der Einmaligkeit des Beitragsbescheides (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 15.12.2009 – 1 L 323/06 –, juris Rn. 51f.; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 27.05.2013 – OVG 9 S 75.12 -, juris Rn. 20). Denn das Beitragsschuldverhältnis entsteht entsprechend § 38 Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 12 Abs. 1 KAG M-V mit der Verwirklichung des Beitragstatbestandes und erlischt nicht mit einer bestandskräftigen Beitragsfestsetzung, sondern entsprechend § 47 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 KAG M-V insbesondere durch Zahlung, Aufrechnung, Erlass oder Verjährung.</p></td></tr>
</table></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_20">20</a></dt>
<dd><p>b. Unter Beachtung dieser Maßgaben handelt es sich vorliegend nicht um eine zulässige Nachveranlagung des auf dem klägerischen Grundstück ruhenden Beitrages, sondern um einen sogenannten Ergänzungsbeitrag. Denn bereits mit Beitragsbescheid vom 25. Mai 2009 wurde die später entstandene – davon sogleich – sachliche Beitragspflicht voll ausgeschöpft.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_21">21</a></dt>
<dd><p>Die sachliche Beitragspflicht ist für das klägerische Grundstück mit Inkrafttreten der ersten wirksamen Beitragssatzung im Juni 2011 entstanden. Die Satzung über die Erhebung von Beiträgen für die Abwasserbeseitigung des Zweckverbandes Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung – Insel Usedom – vom 18. März 2005 in der Fassung der 7. Änderungssatzung vom 16. Mai 2011 (Beitragssatzung 2011) stellt die erste wirksame Satzung des Beklagten dar (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 06.09.2016 – 1 L 212/13 –, juris Rn. 56 ff.). Der Wirksamkeit der Satzung steht nicht entgegen, dass das Kommunalabgabengesetz zu diesem Zeitpunkt keine Regelung einer zeitlichen Obergrenze für eine Verjährung eines Abschlussbeitrages vorsah (sog. Verflüchtigungsrechtsstreit). Denn die Problematik der fehlenden Regelung einer Verflüchtigungsobergrenze hatte keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Satzung, sondern stellte lediglich ein Erhebungshindernis dar. Das OVG Greifswald (Urt. v. 06.09.2016 – 1 L 212/13 –, juris Rn. 83) hat in diesen Zusammenhang ausgeführt: „Gegenstand des Rechtsstreits um das Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit („Verflüchtigungsrechtsstreit“) war nicht etwa eine gesetzliche Regelung, die verfassungswidrig sei, sondern die Tatsache, dass eine Gesetzeslücke gesehen wurde, die die Anwendung des im Übrigen verfassungsgemäßen KAG M-V ab einem gewissen vom Gesetzgeber festzulegenden Stichtag verfassungswidrig machen würde“. Zwischenzeitlich wurde der Rechtsmangel mit Inkrafttreten des Ersten Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 14. Juli 2016 (GOVBl. M-V S. 584) geheilt. § 12 Abs. 2 Nr. 1 KAG M-V enthält nunmehr eine Höchstfrist für die Beitragsfestsetzung. Mit dieser Regelung genügt das Landesrecht den vom Bundesverfassungsgericht (Beschl. v. 05.03.2013 – 1 BvR 2457/08 –, BVerfGE 133, 143) aufgestellten Anforderungen an die zeitliche Begrenzung der Festsetzung vorteilsausgleichender kommunaler Abgaben (OVG Greifswald, Urt. v. 06.09.2016 - 1 L 212/13 -, juris Rn. 68 ff.; OVG Greifswald, Beschl. v. 17.12.2017 – 1 LZ 557/17 –, juris Rn. 18).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_22">22</a></dt>
<dd><p>Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Beitragssatzung 2011 bestand für das klägerische Grundstück auch die Möglichkeit der Anschlussnahme. Zu diesem Zeitpunkt war das Grundstück mit einem eingeschossigen Gebäude bebaut und lag mit seiner gesamten Grundstücksfläche im unbeplanten Innenbereich. Die Veranlagung erfolgte demnach mit Bescheid vom 25. Mai 2009 gegenüber der vormaligen Eigentümerin des Grundstücks im Hinblick auf die Art der Nutzung nach § 5 Abs. 1 Buchst. c) Beitragssatzung 2011 und im Hinblick auf das Maß der baulichen Nutzung nach § 5 Abs. 3 Buchst. d) Beitragssatzung 2011. Danach gilt als Grundstücksfläche bei Grundstücken, für die kein Bebauungsplan besteht und die ganz oder teilweise innerhalb eines im Zusammenhang gebauten Ortsteils liegen, die Fläche, die sich innerhalb des im Zusammenhang bebauten Ortsteils befindet. Als Zahl der Vollgeschosse nach Absatz 2 gilt, soweit kein Bebauungsplan besteht, bei bebauten Grundstücken die höchste Zahl der tatsächlich vorhandenen Vollgeschosse. Bei der Berechnung des Beitrages wurde somit in nicht zu beanstandender Weise die gesamte Grundstücksfläche mit einer eingeschossigen Bebauung berücksichtigt, so dass sich ein Anschlussbeitrag für die Anlage der öffentlichen Abwasserbeseitigung in Höhe von 953,93 Euro ergab. Mit Erlass des Bescheides wurde damit das abstrakte Beitragsschuldverhältnis konkretisiert. Auch wenn dem Bescheid zum Zeitpunkt seines Erlasses keine wirksame Beitragssatzung zugrunde lag, wurde dieser Fehler mit dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung im Jahr 2011 geheilt (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 06.09.2016 – 1 L 212/13 –, juris Rn. 53), so dass die sachliche Beitragspflicht in diesem Moment entstanden ist. Der Beklagte hat damit mit Beitragsbescheid vom 25. Mai 2009 den Beitrag voll ausgeschöpft.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_23">23</a></dt>
<dd><p>c. Da der Bescheid schon aufgrund der o.g. Erwägungen rechtswidrig ist, kommt es auf die von der Klägerin aufgeworfene Frage des Ablaufes der Festsetzungsfrist nicht mehr entscheidungserheblich an.</p></dd>
</dl>
</div></div>
</div></div>
<a name="DocInhaltEnde"><!--emptyTag--></a>
</div>
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171,191 | lsgmv-2019-01-15-l-8-as-25118-b-er | {
"id": 477,
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} | L 8 AS 251/18 B ER | 2019-01-15T00:00:00 | 2019-01-29T12:49:48 | 2019-02-12T13:44:18 | Beschluss | <div id="dokument" class="documentscroll">
<a name="focuspoint"><!--BeginnDoc--></a><div id="bsentscheidung"><div>
<h4 class="doc">Tenor</h4>
<div><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p style="margin-left:36pt"><strong>Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stralsund vom 3. Mai 2018 wird zurückgewiesen.</strong></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p style="margin-left:36pt"><strong>Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.</strong></p></dd>
</dl>
</div></div>
<h4 class="doc">Gründe</h4>
<div><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p style="margin-left:90pt"><strong>I.</strong></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_1">1</a></dt>
<dd><p>Der Antragsteller begehrt in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren Arbeitslosengeld II für die Zeit ab März 2018.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_2">2</a></dt>
<dd><p>Der 1964 geborene Antragsteller bewohnte seit Ende 2006 in A-Stadt in der A-Straße eine Mietwohnung, für die ab Februar 2018 monatlich eine Gesamtmiete i.H.v. 302,29 € sowie ein Abschlag auf die Trink- und Schmutzwassergebühren i.H.v. 25 € zu zahlen waren.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_3">3</a></dt>
<dd><p>Seit Ende 2006 bezog der Antragsteller als Alleinstehender von dem Antragsgegner Arbeitslosengeld II. Zuletzt wurde ihm mit Bescheid vom 5. April 2017 vorläufig Arbeitslosengeld II für die Zeit von Mai 2017 bis April 2018 bewilligt, wobei die vorläufige Bewilligung für März und April 2018 in Höhe von monatlich 720 € mit den weiteren Änderungsbescheiden vom 25. November 2017 und 13. Februar 2018 für März 2018 – unter Anrechnung eines Guthabens aus der Trink- und Schmutzwasserabrechnung – auf 492,67 € (416 € Regelbedarf + 76,67 € KdU) abgesenkt und für April 2018 auf 743,20 € (416 € Regelbedarf + 327,20 € KdU) erhöht wurde.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_4">4</a></dt>
<dd><p>Am 22. Januar 2018 teilte der Antragsteller dem Antragsgegner per Faxschreiben mit, dass er für die Versorgung seiner Mutter aufgrund ihrer Pflegebedürftigkeit mit dem Pflegegrad 2 weiterhin ehrenamtlich tätig sei. Die Versorgung über einen Pflegedienst sei nicht möglich, sodass seine Anwesenheit bei der Mutter ganztags erforderlich sei. Als derzeitige Erreichbarkeitsadresse gab er die Adresse der Mutter in der M.-Allee 78 in C-Stadt an.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_5">5</a></dt>
<dd><p>Darauf hob der Antragsgegner mit Bescheid vom 16. Februar 2018 die zuvor ergangenen Bescheide vom 5. April 2017, 25. November 2017 und 13. Februar 2018 ab 1. März 2018 ganz auf. Da der Antragsteller sich nach seiner Mitteilung zur ganztägigen Pflege seiner Mutter in C-Stadt aufhalte, sei die Zuständigkeit des Antragsgegners nicht mehr gegeben. Der Antragsgegner sei nach § 36 SGB II nur insoweit zuständig, als der erwerbsfähige Leistungsberechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bezirk des Jobcenters habe. Der Antragsteller werde aufgefordert, umgehend Leistungen beim zuständigen Jobcenter in C-Stadt zu beantragen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_6">6</a></dt>
<dd><p>Am 28. Februar 2018 legte der Antragsteller hiergegen Widerspruch ein und stellte bei dem Antragsgegner einen Weiterbewilligungsantrag für die Zeit ab 1. Mai 2018 – hilfsweise ab 1. März 2018 – sowie mit handschriftlichem Fax-Schreiben bei dem beigeladenen Jobcenter Berlin Lichtenberg. vorsorglich einen Leistungsantrag ab 1. März 2018 mit der Bitte um Zusendung der Antragsunterlagen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_7">7</a></dt>
<dd><p>Ebenfalls am 28. Februar 2018 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Stralsund den vorliegend streitigen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt und zur Begründung ausgeführt, er habe einen neuen gewöhnlichen Aufenthaltsort nicht begründet und beabsichtige dies auch nicht. Ebenso wenig habe er seinen bisherigen Aufenthaltsort aufgegeben und beabsichtige dies auch nicht. Er pflege seine Mutter seit Juli 2017 jeden Tag der Woche ganztägig. Insoweit hat der Antragsteller zwei Bescheinigungen der Pflegekasse vom 4. Januar 2018 vorgelegt, wonach seine Mutter seit 17. Juni 2017 einen Anspruch auf Pflegeleistungen nach dem Pflegegrad 2 habe und dass er sie ehrenamtlich an 112 Stunden pro Woche pflege. Ferner hat der Antragsteller dargelegt, dass es sich bei seiner Pflegetätigkeit um eine vorübergehende Notversorgung handele. Da kein Pflegedienst oder eine andere Versorgungsmöglichkeit zur Verfügung stehe, sei er weiterhin vorübergehend ehrenamtlich tätig. Sobald eine anderweitige Versorgungsmöglichkeit oder Ähnliches möglich sei, werde er sich wieder in A-Stadt aufhalten. Zwar zahle die Pflegekasse monatlich 689 €. Jedoch erhalte er von seiner Mutter keine finanzielle Unterstützung zum Lebensunterhalt. Eine entsprechende handschriftliche Erklärung seiner Mutter vom 9. April 2018 hat der Antragsteller abgereicht. Der Leistungsausschluss nach § 7 Absatz 4a SGB II greife nicht ein, da nach dem Bundessozialgericht die Vermittlung in Arbeit bei Pflege von Angehörigen unzumutbar sei. Wegen Unmöglichkeit der Ablösung der Sicherstellung der Pflege könne er kaum weg. Er sei im November 2017 an einem Tag, im Dezember 2017 an vier Tagen sowie im Januar und April 2018 jeweils an einem Tag nach A-Stadt gefahren.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_8">8</a></dt>
<dd><p>Der Antragsteller hat beantragt,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_9">9</a></dt>
<dd><p style="margin-left:36pt">den Aufhebungsbescheid vom 16. Februar 2018 und die Zahlungseinstellung ab 1. März 2018 aufzuheben und Recht zu schaffen,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_10">10</a></dt>
<dd><p style="margin-left:36pt">hilfsweise den Antragsgegner zu verpflichten, Leistungen nach dem Weiterbewilligungsantrag vom 28. Februar 2018 ab 1. März 2018 zu bewilligen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_11">11</a></dt>
<dd><p>Der Antragsgegner hat beantragt,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_12">12</a></dt>
<dd><p style="margin-left:36pt">den Antrag abzulehnen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_13">13</a></dt>
<dd><p>Der Antragsgegner hat angeregt, das Verfahren an das örtlich zuständige Sozialgericht Berlin zu verweisen, und ergänzend ausgeführt, dass die Hilfebedürftigkeit des Antragstellers bezweifelt werde, da er seine finanzielle Situation nicht glaubhaft gemacht habe. So seien die zuletzt eingereichten Unterlagen gut ein Jahr alt. Darüber hinaus sei der Antragsteller ohne Genehmigung ortsabwesend, sodass auch unter diesem Gesichtspunkt kein Leistungsanspruch bestehe.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_14">14</a></dt>
<dd><p>Das Jobcenter Berlin Lichtenberg, das von dem Sozialgericht mit Beschluss vom 12. April 2018 beigeladen worden ist, hat dem Antragsteller auf dessen Antrag vom 28. Februar 2018 die Antragsunterlagen mit Schreiben vom 7. März 2018 übersandt und ihn aufgefordert, sich zu deren Abgabe am 26. März 2018 persönlich zu melden. Diesen Termin hat der Antragsteller per Fax am 26. März 2018 wegen der Pflege seiner Mutter abgesagt. Auch in der Folgezeit hat der Antragsteller keine Antragsunterlagen bei dem Beigeladenen eingereicht. Der Beigeladene hat den Antrag bislang nicht beschieden.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_15">15</a></dt>
<dd><p>Der Beigeladene hat die Auffassung vertreten, dass er unzuständig sei bzw. nur der Antragsgegner vorläufig verpflichtet werden könne.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_16">16</a></dt>
<dd><p>Auf die Aufforderung des Sozialgerichts mit Schreiben vom 10. April 2018, Kontoauszüge der letzten drei Monate vorzulegen, hat der Antragsteller mit Schreiben vom 9. und 26. April 2018 für den Zeitraum vom 26. November 2017 bis 26. April 2018 lückenlose Kontoauszüge für sein Girokonto bei der Sparkasse Vorpommern vorgelegt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_17">17</a></dt>
<dd><p>Mit Beschluss vom 3. Mai 2018 hat das Sozialgericht den Antrag auf einstweilige Anordnung zurückgewiesen und zur Begründung zusammengefasst ausgeführt, dass die Voraussetzungen für einen Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG nicht vorlägen. Der Antragsteller habe seine Hilfebedürftigkeit nicht glaubhaft machen können. Entgegen der Aufforderung des Sozialgerichts habe der Antragsteller Kontoauszüge nur für den Zeitraum von Dezember bis Februar 2018 eingereicht. Es fehlten die Kontoauszüge für die Zeit vom 27. Februar 2018 bis 9. April 2018. Aus den Kontoauszügen für Januar und Februar ergäben sich als Ausgaben nur die Mietzahlung sowie kleinere Überweisungen an einzelne Personen sowie an die Telekom, aber keine Abhebungen. Es sei nicht ersichtlich, wie der Antragsteller tatsächlich gelebt habe. Am 25. April seien dann rund 1.100 € weniger auf dem Konto des Antragstellers gewesen, wobei die dazwischen liegenden Bewegungen nicht hätten überprüft werden können. Als Mindestgrundsicherung hätte der Antragsteller jedoch monatlich 743,20 € verbrauchen müssen, mithin 1.486,40 €. Warum er knapp 400 € weniger verbraucht habe, bleibe unklar. Darüber hinaus seien vom 10. bis 25. April nur 50 € abgehoben worden. Dass der Antragsteller tatsächlich nur von 50 € in zwei Wochen gelebt haben solle, widerspreche jeder Lebenswahrscheinlichkeit. Vielmehr sei anzunehmen, dass der Antragsteller tatsächlich andere Einnahmen oder finanziellen Möglichkeiten habe, um seinen laufenden Lebensbedarf zu decken.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_18">18</a></dt>
<dd><p>Im Übrigen werde aufgrund der Angaben des Antragstellers zu seinen Anwesenheitszeiten in C-Stadt bzw. A-Stadt davon ausgegangen, dass er seinen gewöhnlichen Aufenthalt gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 30 Abs. 3 S. 2 SGB I inzwischen in C-Stadt habe. Nach seinen Angaben halte er sich ganz überwiegend bereits seit Juli 2017 bei der Mutter in C-Stadt auf. Daher könne nicht mehr davon ausgegangen werden, dass der Aufenthalt dort nur vorübergehend sei bzw. die Wohnung in A-Stadt für den Antragsteller zu Lasten des Steuerzahlers gesichert werden müsste.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_19">19</a></dt>
<dd><p>Gegen den am 5. Mai 2018 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 4. Juni 2018 Beschwerde eingelegt und zur Begründung zusammengefasst ausgeführt, er habe die von dem Sozialgericht angeforderten Kontoauszüge vollständig vorgelegt. Im Übrigen obliege es seiner Entscheidung, wie oft und in welcher Höhe er Barabhebungen von seinem Konto vornehme und damit seinen Lebensunterhalt bestreite. Er komme in seiner derzeitigen Situation wenig aus der Wohnung. Die regelmäßigen Wege seien überwiegend zu Lebensmittelgeschäften in naher Umgebung. Er habe keine Einnahmen. Das Pflegegeld seiner Mutter sei zur Sicherstellung möglicher Pflegesachleistungen vorgesehen. Von März bis Mai habe er seinen Lebensunterhalt von dem Guthaben auf seinem Konto sichern können. Sein gewöhnlicher Aufenthalt am Wohnsitz sei nicht aufgegeben worden und werde nicht aufgegeben. Er werde aufgrund der persönlichen Situation bei der Mutter in C-Stadt daran gehindert, sich in A-Stadt aufzuhalten. Da er sozusagen eine ehrenamtliche Tätigkeit ausübe, die vom Gesetz gewollt und geschützt sei, könne auf der anderen Seite demjenigen nicht mit erheblichen Nachteilen als Strafe das bisherige Wohnrecht und die Kostenübernahme entzogen werden. Wenn „irrerweise“ der gewöhnliche Aufenthalt verpflichtend nach C-Stadt festgelegt werde, dann müssten auch die Wohnkosten der bisher und weiterhin bestehenden Wohnung in A-Stadt übernommen werden. Demgegenüber habe er ja auch keine Wohnkosten in C-Stadt. Laut Bundessozialgericht sei der gewöhnliche Aufenthalt erst aufgegeben, wenn auch kein Rückkehrwille mehr bestehe. Sein Rückkehrwille bestehe weiterhin. Er werde nur daran gehindert, zu Hause zu sein, obwohl er nach Hause wolle.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_20">20</a></dt>
<dd><p>Der Antragsteller beantragt,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_21">21</a></dt>
<dd><p style="margin-left:36pt">den Beschluss des Sozialgerichts Stralsund vom 3. Mai 2018 und den Aufhebungsbescheid vom 16. Februar 2018 und die Zahlungseinstellung ab 1. März 2018 aufzuheben und Recht zu schaffen – hilfsweise – den Antragsgegner zu verpflichten, Leistungen nach dem Weiterbewilligungsantrag vom 28. Februar 2018 ab 1. März 2018 zu bewilligen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_22">22</a></dt>
<dd><p>Der Antragsgegner beantragt,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_23">23</a></dt>
<dd><p style="margin-left:36pt">die Beschwerde zurückzuweisen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_24">24</a></dt>
<dd><p>Er hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend und führt ergänzend aus, dass der Antragsteller weiterhin Leistungen für einen Umzug nach C-Stadt begehre. Insoweit führe er insgesamt zwei Berufungsverfahren vor dem erkennenden Senat sowie ein weiteres, welches ihm ebenfalls einen Wegzug aus A-Stadt ermöglichen solle. Dies spreche gegen seine Behauptung, nach A-Stadt zurückzukehren.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_25">25</a></dt>
<dd><p>Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und auf sein bisheriges Vorbringen Bezug genommen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_26">26</a></dt>
<dd><p>Mit Schreiben vom 5. Juli 2018 hat der Antragsteller gerügt, dass das Beschwerdegericht seit dem Eingang der Beschwerde untätig gewesen sei. Dies werde wegen Verletzung rechtlichen Gehörs gerügt. Aufgrund der Befangenheit und Befangenheitsentscheidung des Sozialgerichts Stralsund werde nun davon ausgegangen, dass das Landessozialgericht ebenfalls befangen sei. Der Umstand der Untätigkeit im einstweiligen Rechtsschutz sei dazu geeignet, die Befangenheit anzunehmen. Daher werde der Befangenheitsantrag gestellt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_27">27</a></dt>
<dd><p>Mit Widerspruchsbescheid vom 6. Juli 2018 hat der Antragsgegner den Widerspruch gegen den Aufhebungsbescheid vom 16. Februar 2018 zurückgewiesen und in der Rechtsbehelfsbelehrung angegeben, dass gegen die Entscheidung beim Sozialgericht Berlin Klage erhoben werden könne. Der Antragsteller hat insoweit am 10. August 2018 Klage bei dem Sozialgericht Stralsund – S 8 AS 577/18 – erhoben.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p style="margin-left:90pt"><strong>II.</strong></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_28">28</a></dt>
<dd><p>Der Senat war nicht aufgrund des Befangenheitsantrags des Antragstellers gehindert, in seiner geschäftsplanmäßigen Besetzung zu entscheiden, da das gegen das Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern gerichtete Ablehnungsgesuch rechtsmissbräuchlich ist. Dies ist dann der Fall, wenn – wie hier – pauschal alle Richter eines Gerichts abgelehnt werden (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 18. Dezember 2007 – 1 BvR 1273/07 –, juris, Rn. 19). Eine förmliche Bescheidung ist dann nicht erforderlich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Dezember 1986 – 2 BvE 1/86 –, juris, Rn. 16).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_29">29</a></dt>
<dd><p>Die Beschwerde hat keinen Erfolg.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_30">30</a></dt>
<dd><p>Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere steht der Zulässigkeit eine örtliche Unzuständigkeit des Sozialgerichts Stralsund nicht entgegen. Zwar leitet sich aus der zwischen den Beteiligten streitigen Frage, ob der Antragsteller seinen Wohnsitz bzw. seinen Aufenthalt in A-Stadt oder C-Stadt hat, gemäß § 57 SGG ab, ob das Sozialgericht in Stralsund oder in Berlin für die Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 6. Juli 2018 örtlich zuständig ist und ob es damit als Gericht der Hauptsache auch für das vorliegende vorläufige Rechtsschutzverfahren nach § 86b SGG zuständig gewesen wäre. Jedoch folgt aus § 98 SGG i.V.m. § 17a Abs. 5 GVG, dass das erkennende Landessozialgericht als Rechtsmittelgericht seine örtliche Zuständigkeit nicht zu prüfen hat.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_31">31</a></dt>
<dd><p>Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_32">32</a></dt>
<dd><p>Das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers ist gegenüber dem Antragsgegner als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der bei dem Sozialgericht Stralsund erhobenen Klage – S 8 AS 577/18 – gegen den Aufhebungsbescheid vom 16. Februar 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juli 2018 nach § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG auszulegen. Denn im Erfolgsfalle hätte der Antragsgegner die für März und April 2018 vorläufig bewilligten Leistungen an den Antragsteller auszuzahlen. Damit ist der streitgegenständliche Zeitraum zugleich auf März und April 2018 beschränkt, da nach der ständigen Rechtsprechung des Senats der einstweilige Rechtsschutz nicht weiter als im Hauptsacheverfahren reichen kann.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_33">33</a></dt>
<dd><p>Nach § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage – wie hier gemäß § 39 Nr. 1 SGB II die vorgenannte Klage – keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Hierbei hat das Gericht das Interesse des Antragsgegners, den streitigen Bescheid zu vollziehen, und das Interesse des hierdurch belasteten Antragstellers, die Vollziehung vorläufig auszusetzen, gegeneinander abzuwägen. Die aufschiebende Wirkung wird insbesondere dann nicht angeordnet, wenn der angefochtene Verwaltungsakt rechtmäßig und die Klage daher ohne Erfolgsaussichten sein dürfte.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_34">34</a></dt>
<dd><p>Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung schied aus, weil sich die streitige Aufhebungsentscheidung als rechtmäßig erweist.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_35">35</a></dt>
<dd><p>Der Aufhebungsentscheidung ist formell rechtmäßig.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_36">36</a></dt>
<dd><p>Die nach § 24 SGB X erforderliche Anhörung des Antragstellers ist gemäß § 41 Abs. 1 SGB X nachgeholt worden. Während des Widerspruchsverfahrens hat der Antragsgegner darauf hingewiesen, dass die streitige Entscheidung auch auf die nicht genehmigte Ortsabwesenheit nach § 7 Abs. 4a SGB II gestützt werde. Hierzu hat der Antragsteller vor Erlass des Widerspruchsbescheids Stellung genommen. Auch war der Antragsgegner für die Aufhebungsentscheidung zuständig. Auch wenn die örtliche Zuständigkeit des Antragsgegners für Leistungen zu Gunsten des Antragstellers nach § 36 SGB II entfallen war (siehe unten), greift die Zuständigkeitsregelung für das Rücknahmeverfahren gemäß §§ 44 Abs. 3, 45 Abs. 5 bzw. § 48 Abs. 4 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 1 SGB II nicht ein. Danach entscheidet die zuständige Behörde auch dann über die Rücknahme, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist. Hiervon abweichend bleibt dagegen ein Jobcenter für die Rücknahme eines von ihm erlassenen Verwaltungsakts auch dann zuständig, wenn ein anderes Jobcenter für die leistungsberechtigte Person örtlich zuständig geworden ist (vgl. BSG, Urteil vom 23. Mai 2012 – B 14 AS 133/11 R –, juris, für die Zeit vor August 2006; von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. A., § 44 Rn. 37a).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_37">37</a></dt>
<dd><p>Der streitige Aufhebungsverwaltungsakt ist auch materiell rechtmäßig.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_38">38</a></dt>
<dd><p>Rechtsgrundlage für die Aufhebungsentscheidung ist § 41a Abs. 2 S. 4 SGB II. Danach ist die vorläufige Entscheidung nach § 41a Abs. 1 SGB II, soweit sie rechtswidrig ist, für die Zukunft zurückzunehmen. Hierbei findet § 45 Abs. 2 SGB X keine Anwendung (§ 41a Abs. 2 S. 5 SGB II). Daraus folgt, dass die Aufhebung, soweit sie wegen anfänglicher Rechtswidrigkeit des aufgehobenen Bescheides nach § 45 SGB X zu erfolgen hat, zwingend, nur mit Wirkung für die Zukunft und ohne Berücksichtigung von Vertrauensschutz zu ergehen hat (vgl. Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl., § 41a Rn. 29 und 30). Gleiches gilt gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X bei nachträglich eingetretener Rechtswidrigkeit einer vorläufigen Bewilligung, sodass eine vorläufige Entscheidung für die Zukunft sowohl bei anfänglicher als auch nachträglicher Rechtswidrigkeit ohne Vertrauensschutz aufzuheben ist.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_39">39</a></dt>
<dd><p>Nachdem der Antragsgegner dem Antragsteller mit Bescheid vom 5. April 2017 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 25. November 2017 und 13. Februar 2018 gemäß § 41a Abs. 1 SGB II vorläufig Arbeitslosengeld II für den Zeitraum von Mai 2017 bis April 2018 bewilligt hatte, hat der Antragsgegner mit dem streitigen Aufhebungsbescheid vom 16. Februar 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juli 2018 zu Recht die vorgenannten vorläufigen Bewilligungsbescheide für die Zeit ab 1. März 2018 und damit für die Zukunft ganz aufgehoben.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_40">40</a></dt>
<dd><p>Denn der ursprüngliche Bewilligungsbescheid vom 5. April 2017 wurde durch eine wesentliche Änderung gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X nachträglich rechtswidrig. Die Änderungsbescheide vom 25. November 2017 und 13. Februar 2018 waren dagegen im Sinne von § 45 SGB X von Anfang an rechtswidrig. Die wesentliche Änderung ist hingegen nicht dadurch eingetreten, dass die örtliche Zuständigkeit des Antragsgegners nach § 36 SGB II entfallen war. Dies ist nicht der Fall, weil die Leistungsverpflichtung gegenüber dem Antragsteller grundsätzlich nach § 2 Abs. 3 SGB X fortbestand. Vielmehr greift der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4a SGB II ein.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_41">41</a></dt>
<dd><p>Der Antragsgegner ist der zutreffenden Auffassung, dass er für den Antragsteller zumindest ab 1. März 2018 nicht mehr gemäß § 36 SGB II örtlich zuständig ist, weil dieser seit Sommer 2017 seinen gewöhnlichen Aufenthalt in C-Stadt hat. Örtlich zuständiger Leistungsträger ist nach § 36 SGB II derjenige, in dessen Bezirk die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Gemäß § 30 Abs. 3 S. 2 SGB I hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Maßgebend für die Beurteilung eines gewöhnlichen Aufenthaltes sind ein zeitliches Element ("nicht nur vorübergehend"), der Wille der Person als subjektives Element und die objektiven Gegebenheiten ("unter Umständen") mit einer vorausschauenden Betrachtung künftiger Entwicklungen, die eine gewisse Stetigkeit und Regelmäßigkeit des Aufenthaltes erfordern, nicht jedoch eine Lückenlosigkeit (vgl. BSG, Urteil vom 23. Mai 2012 – B 14 AS 133/11 R – juris, Rn. 21). Maßgeblich sind dabei die näheren Umstände des Einzelfalles im Hinblick auf Unterkunft und Aufenthalt sowie die Qualität und Quantität der am Aufenthaltsort entstandenen persönlichen Bindungen. Ein zeitlich unbedeutender Aufenthalt von Stunden oder Tagen reicht für die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts daher regelmäßig nicht aus. Unerheblich ist auch, ob die Person über einen Wohnsitz verfügt oder in einer Gemeinde ordnungsbehördlich angemeldet ist (vgl. Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl., § 36 Rn. 30-34). Nach diesen Vorgaben hat der Senat keine Zweifel, dass der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt in C-Stadt am Wohnsitz seiner Mutter hat. Seit Mitte 2017 pflegt er sie dort ganztägig und wohnt bei ihr. Dies will er auch auf unbestimmte Dauer fortsetzen, nämlich solange, wie es die Pflege seiner Mutter erfordert. Damit hat er seinen dauerhaften Lebensmittelpunkt in C-Stadt begründet. Dass der Antragsteller geltend macht, er habe weiterhin seine Mietwohnung in A-Stadt, halte sich dort an wenigen Tagen im Jahr auf und beabsichtige nach Beendigung der Pflege seiner Mutter wieder dorthin zurückzukehren, führt zu keinem anderen Ergebnis. Es belegt lediglich, dass sich der Antragsteller neben seinem gewöhnlichen Aufenthalt in C-Stadt auch besuchsweise in A-Stadt aufhält und die Absicht hat, möglicherweise seinen Lebensmittelpunkt zukünftig von C-Stadt nach A-Stadt zurück zu verlagern.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_42">42</a></dt>
<dd><p>Unabhängig vom Wechsel der örtlichen Zuständigkeit bleibt der Antragsgegner grundsätzlich dennoch gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 SGB X zur weiteren Leistungserbringung für März und April 2018 verpflichtet. Nach dieser Norm muss die bisher zuständige Behörde, wenn die örtliche Zuständigkeit gewechselt hat, die Leistungen noch so lange erbringen, bis sie von der nunmehr zuständigen Behörde fortgesetzt werden.Die Norm gewährt damit dem Leistungsempfänger einen Anspruch gegen den unzuständig gewordenen Leistungsträger (vgl. jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017, § 2 SGB X, Rn. 22). Die Voraussetzungen nach § 2 Abs. 3 Satz 1 SGB X liegen auch vor, weil der Beigeladene über den dort gestellten Leistungsantrag des Antragstellers vom 28. Februar 2018 bislang nicht entschieden hat. Allerdings besteht der Anspruch gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 SGB X nur insoweit, als die bisherige Leistung auch rechtmäßig war (vgl. wie vor).Da sich nur der Zuständigkeitswechsel vorerst nicht auf die Leistungen auswirken soll, kann die bisherige und nach der Übernahme erst recht die neue Behörde die Leistungen „einstellen“, wenn anspruchsbegründende Umstände entfallen oder anspruchsausschließende Umstände hinzutreten (vgl. wie vor). Von „Leistungen“ i.S.d. § 2 Abs. 3 Satz 1 SGB X kann unabhängig vom Wechsel der Behördenzuständigkeit nämlich nur beim Fortbestehen des Leistungsanspruchs und der notwendigen Leistungsvoraussetzungen die Rede sein (vgl. wie vor). Außerdem bezweckt der Fortzahlungsanspruch die Sicherung der Leistung, nicht aber die Schaffung eines Anspruchs eigener Art, welcher materiell-rechtlich sogar ausgeschlossen wäre (vgl. wie vor).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_43">43</a></dt>
<dd><p>Eine wesentliche Änderung ist jedoch dadurch eingetreten, dass die Voraussetzungen des § 7 Abs. 4a SGB II vorgelegen haben. Diese Norm hat die Funktion eines Leistungsausschlusses (vgl. BSG, Urteil vom 16. Mai 2012 – B 4 AS 166/11 R –, juris, Rn. 24). Nach der Übergangsregelung des § 77 Abs. 1 SGB II ist § 7 Abs. 4a SGB II in der bis zum 31. März 2011 geltenden Fassung anzuwenden, da bislang eine Rechtsverordnung zu § 7 Abs. 4a SGB II noch nicht gemäß § 13 Abs. 3 SGB II erlassen und in Kraft getreten ist. § 7 Abs. 4a SGB II alter Fassung (a. F.) lautet: Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer sich ohne Zustimmung des persönlichen Ansprechpartners außerhalb des in der Erreichbarkeits-Anordnung (EAO) vom 23. Oktober 1997 (ANBA 1997, 1685), geändert durch die Anordnung vom 16. November 2001 (ANBA 2001, 1476), definierten zeit- und ortsnahen Bereiches aufhält; die übrigen Bestimmungen dieser Anordnung gelten entsprechend.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_44">44</a></dt>
<dd><p>Zum Nahbereich gehören nach § 2 Satz 2 EAO alle Orte in der Umgebung des Arbeitsamtes, von denen aus der Arbeitslose erforderlichenfalls in der Lage wäre, das Arbeitsamt täglich ohne unzumutbaren Aufwand zu erreichen. § 3 Abs. 1 EAO regelt sinngemäß, dass ein Aufenthalt außerhalb des Nahbereichs der Verfügbarkeit des Arbeitslosen bis zu drei Wochen im Kalenderjahr nicht entgegensteht, wenn das Arbeitsamt vorher seine Zustimmung erteilt hat.Die Zustimmung darf jeweils nur erteilt werden, wenn durch die Zeit der Abwesenheit die berufliche Eingliederung nicht beeinträchtigt wird. Gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 3 EAO ist Abs. 1 bei Ausübung einer ehrenamtlichen Tätigkeit entsprechend anzuwenden.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_45">45</a></dt>
<dd><p>Danach greift der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4a SGB II a. F. vorliegend ein. Der Antragsteller hielt sich seit Mitte 2017 und damit auch im März und April 2018 im von A-Stadt ca. 200 km entfernten C-Stadt auf. C-Stadt liegt offenkundig nicht im Nahbereich der Geschäftsstelle des Antragsgegners in A-Stadt, sodass eine vorherige Zustimmung zur Ortsabwesenheit erforderlich war. Nur eine Zustimmung, die erteilt wurde, bevor sich der Betroffene aus dem Nahbereich entfernt hat, steht einem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4a SGB II a. F. entgegen (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 14. Juli 2010 – L 3 AS 3552/09 –, Rn. 29, juris). Der Antragsgegner hat der Ortsabwesenheit des Antragstellers nicht zugestimmt. Auch wenn das Schreiben des Antragstellers vom 22. Januar 2018 als Antrag auf Zustimmung zur Ortsabwesenheit auslegt wird, schied eine Zustimmung bereits deswegen aus, weil sie erst nach Beginn der Ortsabwesenheit beantragt wurde. Am 22. Januar 2018 hielt sich der Antragsteller bereits in C-Stadt auf.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_46">46</a></dt>
<dd><p>Es liegt auch kein Fall vor, dass § 7 Abs. 4a SGB II a. F. nicht anzuwenden ist. Nach dessen Wortlaut werden alle leistungsberechtigten Personen nach dem SGB II unabhängig davon erfasst, ob sie erwerbsfähig sind und ihnen eine Erwerbstätigkeit zugemutet werden kann. Im Hinblick darauf, dass § 7 Abs. 4a SGB II a. F. ortsabwesende Hilfebedürftige auf Grund des Leistungsausschlusses zu einer Rückkehr und zur aktiven Mitwirkung an der Eingliederung in den Arbeitsmarkt bewegt werden sollen und insbesondere Auslandsaufenthalte bei aufrechterhaltenem gewöhnlichem Aufenthalt im Inland vermieden werden sollen (vgl. BT-Drucksache 16/1696, S. 26), ist einschränkend vertreten worden, dass von der Regelung nur erwerbsfähige Leistungsberechtigte erfasst seien, nicht hingegen Personen, denen eine Erwerbstätigkeit nicht möglich sei oder nicht zugemutet werden könne, etwa weil sie erwerbsgemindert seien oder ihnen eine Erwerbstätigkeit aus den in § 10 SGB II aufgezählten Gründen nicht zuzumuten sei.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_47">47</a></dt>
<dd><p>So soll § 7 Abs. 4a SGB II auf nicht erwerbsfähige Bezieher von Sozialgeld keine Anwendung finden (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 14. Juli 2010 – L 3 AS 3552/09 –, juris). Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat entschieden, aufgrund der klarstellenden Änderung des § 7 Abs. 4a SGB II ab 1. April 2011 gelte der Leistungsausschluss nur für „erwerbsfähige Leistungsberechtigte" und nicht für sonstige leistungsberechtigte Personen nach § 7 Abs. 2 SGB II (vgl. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 14. November 2017 – L 7 AS 934/17 B ER –, juris, Rn. 30). Der Leistungsausschluss soll bei einem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nicht eingreifen, dem eine Erwerbstätigkeit nach § 10 SGB II nicht zumutbar ist wie in dem dortigen Fall einer alleinerziehenden hilfebedürftigen Person in Elternzeit gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 SGB II (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15. August 2013 – L 34 AS 1030/11 –, juris, Rn. 24 f.; ebenso Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 17. September 2012 – L 5 AS 378/10 B ER –, juris; wohl ablehnend Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 14. November 2017 – L 7 AS 934/17 B ER–, juris, Rn. 31).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_48">48</a></dt>
<dd><p>Vorliegend könnte zu Gunsten des Antragstellers § 10 Abs. 1 Nr. 4 SGB II eingreifen. Danach ist eine Arbeit unzumutbar, wenn deren Ausübung mit der Pflege einer oder eines Angehörigen nicht vereinbar wäre und die Pflege nicht auf andere Weise sichergestellt werden kann. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, kann jedoch dahin stehen. Denn die Befreiung vom Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4a SGB II a. F. kann nicht auf einen Tatbestand im Sinne von § 10 SGB II gestützt werden, wenn diese Umstände gleichzeitig einen anderen Ausschlussgrund erfüllen. Dies ist vorliegend der Fall, weil der Antragsteller mit der Aufnahme der Pflege seiner Mutter in C-Stadt – wie oben ausgeführt – zugleich seinen gewöhnlichen Aufenthalt nach C-Stadt verlagert hat, sodass die örtliche Zuständigkeit des Antragsgegners nach § 36 SGB II entfallen ist.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_49">49</a></dt>
<dd><p>Der gegen den Antragsgegner gerichtete Hilfsantrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG ist für den Zeitraum März und April 2018 unzulässig. § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG sieht den Erlass einer einstweiligen Anordnung nur vor, soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt. Das vorläufige Rechtsschutzbegehren des Antragstellers richtet sich jedoch insoweit – wie bereits oben ausgeführt – nach § 86b Abs. 1 SGG. Für den Zeitraum ab 1. Mai 2018 ist der Antrag gemäß § 86b Abs. 2 S. 2 SGG dagegen unbegründet, da mit dem Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 4a SGB II a. F. ein Anordnungsanspruch nicht gegeben ist.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_50">50</a></dt>
<dd><p>Schließlich scheidet auch der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG auf vorläufige Leistungsverpflichtung des Beigeladenen für die Zeit ab März 2018 aus. Der Antragsteller hat unstreitig das Vorliegen der Voraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II und damit einen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Der Antragsteller hat bei dem Beigeladenen lediglich am 28. Februar 2018 einen formlosen Leistungsantrag gestellt, ohne bislang die von dem Beigeladenen angeforderten weiteren Angaben zu machen bzw. die Antragsformulare ausgefüllt zurückzusenden. Auch hat der Antragsteller diese Angaben im vorliegenden Verfahren nicht nachgeholt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_51">51</a></dt>
<dd><p>Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_52">52</a></dt>
<dd><p>Der Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.</p></dd>
</dl>
</div></div>
</div></div>
<a name="DocInhaltEnde"><!--emptyTag--></a>
</div>
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188,479 | olgham-2019-01-14-2-uf-18717 | {
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"name": "Oberlandesgericht Hamm",
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} | 2 UF 187/17 | 2019-01-14T00:00:00 | 2019-02-11T11:04:05 | 2019-02-12T13:55:08 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:2019:0114.2UF187.17.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Gegenvorstellungen der Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten gegen den am 06.07.2018 erlassenen Verfahrenswertbeschluss des Senats werden zurückgewiesen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">Gründe</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Gegenvorstellungen der Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten, mit welchen sie sich dagegen wenden, dass der Senat im vorliegenden Verfahren auf Geltendmachung von nachehelichem Unterhalt den Wert für den Vergleich nicht höher festgesetzt hat als den Wert für das Beschwerdeverfahren, obwohl die Beteiligten in dem Vergleich wechselseitig auf jeglichen weiteren Nachscheidungsunterhalt verzichtet haben, sind nicht begründet.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Gegenvorstellungen verkennen, dass der Wert des Vergleichsgegenstandes sich nach dem Wert der Ansprüche oder Rechtsverhältnisse richtet, die durch den Vergleich erledigt werden sollen, nicht aber nach dem Wert der Leistung, die ein Beteiligter im Vergleich übernimmt (einhellige Meinung in Rechtsprechung und Literatur, vgl. etwa Oestreich/Trenkle, GKG/FamGKG, Mai 2014, Anhang Verfahrenswert, Stichwort Vergleich, Rn. 3 m.w.N.; Schneider/Kurpat, Streitwertkommentar für Zivilprozess und FamFG-Verfahren, 14. Aufl., Stichwort Vergleich, Rn. 5485 m.w.N.; OLG Hamm, Beschluss vom 27.04.2012, Az. 20 W 13/12, VersR 2013, 920).</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Dem entsprechend führt eine Vereinbarung über den Verzicht auf künftigen Unterhalt nicht zu einer Erhöhung des Verfahrenswerts, wenn die Unterhaltsforderungen bereits Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens sind. Vielmehr richtet sich der Wert des Vergleichs in einem solchen Fall nach dem Wert der anhängigen Unterhaltsforderungen. Der Wert eines Unterhaltsverzichts kann nur im Falle eines Vergleichs über nicht anhängigen Unterhalt eine Rolle spielen (Oestreich/Trenkle a.a.O., Stichwort Unterhaltsverzicht, Rn. 1 m.w.N.; Schneider/Thiel, Streitwertkommentar für Zivilprozess und FamFG-Verfahren, 14. Aufl., Stichwort Vergleich, Rn. 8681 m.w.N.; Schneider/Volpert/Fölsch, FamGKG, § 51 Rn. 196 m.w.N.; OLG Stuttgart, Beschluss vom 16.08.2013, Az. 11 WF 181 / 13, FamRZ 2014, 1810).</p>
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} | 8 W 51/18 | 2019-01-14T00:00:00 | 2019-02-07T14:18:43 | 2019-02-12T13:33:29 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:2019:0114.8W51.18.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>  Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg vom 29.10.2018 wird zurückgewiesen.</p>
<p>              Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt nach einem Beschwerdewert von 13.450,- € der Antragsteller.</p><br style="clear:both">
<h2><strong><span style="text-decoration:underline">G r ü n d e :</span></strong></h2>
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Antragsteller begehrt den Erlass eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontopfändung sowie zur Einholung von Konteninformationen über ein von dem Antragsgegner in M geführtes Konto gemäß der Verordnung (EU) Nr. ###/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.05.2014 zur Einführung eines Verfahrens für einen Europäischen Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung im Hinblick auf die Erleichterung der grenzüberschreitenden Eintreibung von Forderungen in Zivil- und Handelssachen (EuKoPfVO).</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Durch rechtskräftiges Anerkenntnis-Vorbehaltsurteil des Landgerichts Arnsberg vom 14.03.2018 (Az. I-4 O 376/17) wurde der Antragsgegner zur Zahlung von 40.347,70 € nebst Zinsen an den Antragsteller verurteilt. Ausweislich der Vermögensauskunft des Antragsgegners vom 30.08.2018 verfügt dieser über ein Kreditkartenkonto bei der B Bank S.A. in M. Zum Kontostand ist angegeben „5.257,46 € Soll“. Eine Pfändung seines Arbeitseinkommens und eines Girokontos in Deutschland hat zu keiner Befriedigung des Antragstellers geführt.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Antragsteller meint, dass eine Gefahr der Vollstreckungsvereitelung oder -erschwerung gegeben sei. Durch die Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses sei der Antragsgegner über die Vollstreckung informiert. Es bestehe die Gefahr, dass er sein Vermögen auf dem m- Konto zur Seite schaffe, um zu vermeiden, dass auch dieses Vermögen gepfändet werde. Ohne den Erlass eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontopfändung sei es für ihn, den Antragsteller, erheblich erschwert, auf das m- Konto zuzugreifen. An die Voraussetzung der Gefahr zur Vollstreckungsvereitelung oder -erschwerung seien keine hohen Anforderungen zu stellen, da ansonsten der Zweck der EuKoPfVO nicht erreicht werden könne. Hinsichtlich des Antrages auf Einholung von Konteninformationen sei nicht ausgeschlossen, dass vom Antragsgegner auch weitere Konten in M geführt würden.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat die Anträge des Antragstellers durch den angegriffenen Beschluss vom 29.10.2018 zurückgewiesen. Hinsichtlich der Begründung wird auf die Ausführungen zu Ziff. II des Beschlusses verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Antragsteller wehrt sich hiergegen mit seiner sofortigen Beschwerde, mit der er seine Anträge weiterverfolgt.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründung vom 05.12.2018 Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, aber unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die sofortige Beschwerde ist form- und fristgerecht gemäß § 953 Abs. 1, 2 ZPO i.V.m. Art. 21 Abs. 2 EuKoPfVO innerhalb von 30 Tagen nach Zustellung des landgerichtlichen Beschlusses (am 31.10.2018) beim Oberlandesgericht (§ 569 S. 1 ZPO) eingelegt worden (am 27.11.2018).</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Antragsgegner ist in diesem besonderen ex-parte-Verfahren nach Art. 21 Abs. 3, 28 EuKoPfVO, um den Erfolg etwaiger Sicherungsmaßnahmen nicht zu gefährden, nicht zu beteiligen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Soweit eine Abhilfeentscheidung durch das Landgericht nach §§ 953 Abs. 1, 567 ff., 572 ZPO nicht erfolgt ist (das Verfahren richtet sich im Übrigen nach dem mitgliedschaftlichen Recht; vgl. MünchKomm.-Hilbig-Lugani, ZPO, 5. Aufl. 2017, § 953 Rn. 2), ist jedenfalls wegen der Eilbedürftigkeit der Sache eine eigene zeitnahe Entscheidung durch das Beschwerdegericht gerechtfertigt. Eine ordnungsgemäße Durchführung des Abhilfeverfahrens ist nicht Verfahrensvoraussetzung für das Beschwerdeverfahren (Zöller-Heßler, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 572 Rn. 4).</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die sofortige Beschwerde des Antragstellers hat in der Sache keinen Erfolg. Die zulässigen Anträge nach Art. 7 Abs. 1 und 14 Abs. 1, 2 EuKoPfVO sind unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontopfändung zu Recht zurückgewiesen. Es ist nicht überwiegend wahrscheinlich dargetan und feststellbar (zum Beweismaß vgl. MünchKomm.-Hilbig-Lugani, ZPO, 5. Aufl. 2017, EuKoPfVO Art. 7 Rn. 5), dass i.S.v. Art. 7 EuKoPfVO eine tatsächliche Gefahr besteht, dass ohne diese Maßnahme die spätere Vollstreckung der Forderung des Antragstellers gegenüber dem Antragsgegner unmöglich oder sehr erschwert wird.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidungskriterien der Verordnung entsprechen in etwa denen eines Arrestverfahrens (Weimann/Heukamp, MDR 2017, 673, 675). Ohne den Beschluss zur vorläufigen Pfändung müsste die Vollstreckung unmöglich oder sehr bzw. erheblich erschwert sein. Ein auf die Vereitelung oder Erschwerung abzielendes Verhalten des Schuldners begründet eine Vermutung für die Dringlichkeit, etwa wenn der Schuldner seine Vermögenswerte aufbraucht, verschleiert oder vernichtet oder aber unter Wert oder in einem unüblichen Ausmaß oder durch unübliche Handlungen veräußert. Es reicht nicht aus, dass der Schuldner sein Kontoguthaben von einem Mitgliedstaat in einen anderen transferiert (Erwägungsgrund 14 UAbs. 3; MünchKomm.-Hilbig-Lugani, a.a.O., EuKoPfVO Art. 7 Rn. 8).</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Wahrscheinlichkeit einer derartigen erheblichen Erschwerung oder Verhinderung der Vollstreckung hat der Antragsteller vorliegend nicht konkretisiert und belegt. Diese ergibt sich weder aus dem bloßen Bestehen eines im Ausland befindlichen Kontos noch daraus, dass bisherige Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Antragsgegner erfolglos waren. Abgesehen davon, dass schon nicht ersichtlich ist, dass der Antragsgegner gemäß seiner Vermögensauskunft vom 30.08.2018 über ein „Guthaben“ in Höhe von 5.257,46 € bei der B1 Bank in M verfügt, das dort später nicht mehr zur Verfügung stehen könnte, rechtfertigt weder das gegen ihn eingeleitete Strafverfahren wegen Untreue und Betruges noch die Erwägung des Antragstellers, dass vermeintlich der einzig erfolgsversprechende Ansatz für die Titelvollstreckung das Kontoguthaben des Antragsgegners auf dem N Konto sei, diese Beurteilung. Konkretisierte und tragfähige Anzeichen dahin, dass eine Vollstreckungserschwerung oder -verhinderung durch den Antragsgegner erfolgt ist, sind nicht vorgebracht.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Eine teleologische Reduktion des Beschlusserfordernisses, wie der Antragsteller meint, dahin, dass keine hohen Anforderungen an den Erlassgrund nach Art. 7 Abs. 1 EuKoPfVO zu stellen seien und dass die Vollstreckung der Forderung bereits gefährdet werde, wenn bereits ein letztlich beliebiger Transfer von Kontoguthaben auf ein ausländisches Konto erfolgt, kommt nicht in Betracht. Dies ist mit dem Verordnungszweck, dass verhindert werden soll, dass die spätere Vollstreckung der Forderung gegenüber dem Schuldner ohne eine solche Maßnahme von ihm unmöglich gemacht oder erheblich erschwert werden soll, nicht zu vereinbaren, etwa wenn unabhängig hiervon bereits ausländisches Kontoguthaben bestand. Dabei ergibt sich auch nicht, wie der Antragsteller meint, aus Art. 8 Abs. 3 EuKoPfVO, dass bei Vorliegen eines gerichtlichen Titels keine weitere Prüfung des Erlassgrundes mehr erfolgen solle. In diesem Fall entfällt gegebenenfalls lediglich die Prüfung des Erlassanspruchs. Das Gericht kann sich auf die Prüfung des Erlassgrundes beschränken (MünchKomm.-Hilbig-Lugani, a.a.O., EuKoPfVO Art. 7 Rn. 14). Dass die Anforderungen an den Grund nunmehr geringer zu fassen sind, kann, auch wenn zwischen Anspruch und Grund gegebenenfalls Wechselwirkungen bestehen können, in solcher Allgemeinheit nicht zugrunde gelegt werden. Zudem ist im Streitfall nicht einmal ersichtlich, dass der Antragsgegner sein Bankguthaben abgehoben, vermeintlich 5.257,46 € auf ein anderes Konto im Ausland, nämlich in M, überwiesen und hierdurch dann die spätere Vollstreckung gefährdet hat.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Der Antrag auf Einholung von Kundeninformationen gemäß Art. 14 Abs. 1 - 3 EuKoPfVO ist ebenfalls unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Hiernach kann der Gläubiger, wenn er bereits einen vollstreckbaren Titel hat, zusammen mit dem Antrag auf Erlass eines Pfändungsbeschlusses die Einholung von fehlenden Kontodaten beantragen, wenn ihm weder der Name noch die Anschrift der Bank noch die IBAN oder BIC oder eine andere Banknummer bekannt ist, welche die Identifizierung der Bank ermöglicht (Art. 14 Abs. 1 EuKoPfVO).</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Es bestehen an dieser Stelle bereits Zweifel, ob dieser zugeordnete Antrag isoliert Erfolg haben kann, wenn der Antrag nach Art. 7 Abs. 1 EuKoPFVO nicht erfolgreich ist, was zu verneinen sein dürfte. Gelangt das Gericht zu dem Schluss, dass bereits der Antrag auf Erlass eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung nicht begründet ist, so enthält die Ablehnung dieses Antrags gleichsam die Ablehnung des Antrags auf Einholung von Kontoinformationen (MünchKomm.-Hilbig-Lugani, a.a.O., EuKoPfVO Art 14 Rn. 7, 8). Letztlich kann dies dahinstehen, da auch die Begründetheitsvoraussetzungen des Art. 14 EuKoPfVO nicht erfüllt sind.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Es muss Grund zu der Annahme bestehen, dass der Schuldner ein oder mehrere Konten bei einer Bank in einem bestimmten Mitgliedsstaat unterhält, deren Identifizierung ermöglicht werden soll. Der Gläubiger hat zu begründen, warum der Schuldner seiner Auffassung nach ein oder mehrere Konten bei einer Bank in einem bestimmten Mitgliedsstaat unterhält (Art. 14 Abs. 2 S. 2 EuKoPfVO). Dabei kann genügen, dass der Schuldner in diesem Mitgliedstaat arbeitet oder einer beruflichen Tätigkeit nachgeht oder über Eigentum verfügt (Erwägungsgründe 20 UAbs. 2 S. 2). Auch wenn die Gründe hierfür recht alltäglich sein können, muss dies vom Gläubiger gebührend begründet werden (Erwägungsgründe 20 UAbs. 2 S. 2). Die Darlegung darf nicht pauschal und nur generell geraten (MünchKomm.-Hilbig-Lugani, a.a.O., EuKoPfVO Art 14 Rn. 4).</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Letzteres ist hier der Fall. Eine Begründung dafür, dass der Antragsgegner eine nähere Verbindung nach M unterhält, wird ebenso wenig gegeben, wie ein Anhaltspunkt dafür aufgezeigt wird, dass von ihm noch ein weiteres Konto oder weitere Konten in M existieren. Der Umstand, dass nicht ausgeschlossen ist, dass er dort weitere Konten haben könnte, ist im Kern nichtssagend und von daher nicht tragend. Die Informationseinholung dient, anders als der Antragsteller meint, losgelöst von den aufgezeigten Antragsvoraussetzungen nicht abstrakt dazu, die vermeintlich bestmöglichen Chancen zu gewährleisten, seine Forderung zu realisieren. Eine solche Beurteilung ist auch nicht deshalb angezeigt, weil das gegen den Antragsgegner laufende Strafverfahren Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Antragsgegners begründen könnte.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">III.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO analog.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Der Beschwerdewert ist im Streitfall für beide Anträge mit 13.450,- € (1/3 des Vollstreckungsbetrages) sach- und interessengerecht bemessen.</p>
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} | 1 B 193/18 | 2019-01-14T00:00:00 | 2019-01-29T12:51:16 | 2019-02-12T13:44:44 | Beschluss | <h2>Tenor</h2>
<p/><p>Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 23. Mai 2018 - 1 L 161/18 - wird zurückgewiesen.</p><p>Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen dem Antragsteller zur Last.</p><p>Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 18.000,00 EUR festgesetzt.</p>
<h2>Gründe</h2>
<p/><p>I.</p><p><rd nr="1"/>Der Antragsteller betreibt in M Ortsteil B die „schule“, eine vom Antragsgegner mit Erlass vom 25.6.2008 (Amtsblatt 2008, Seite 1149) mit Wirkung vom 1.8.2008 als Ersatzschule nach dem Privatschulgesetz genehmigte und durch Finanzhilfen geförderte private Grundschule. Daneben hält der Antragsteller als Schulträger eine Freiwillige Ganztagsschule mit Mittagsverpflegung und Nachmittagsbetreuung der teilnehmenden Schüler vor. Hierfür erhielt der Antragsteller vom Antragsgegner bis zum Schuljahr 2016/2017 Zuwendungen aus dem Förderprogramm Freiwillige Ganztagsschulen im Saarland (Förderprogramm FGTS) gemäß den Richtlinien über die Gewährung von Zuwendungen für Freiwillige Ganztagsschulen im Saarland (Richtlinien FGTS).</p><p><rd nr="2"/>Eine Gewährung von Zuwendungen für die Freiwillige Ganztagsschule ab dem Schuljahr 2017/2018 lehnt der Antragsgegner, der nach entsprechender Antragstellung etliche Beanstandungen betreffend die Wirksamkeit, die Richtigkeit und die Vollständigkeit des Antrags erhob und darüber hinaus hinsichtlich der Schuljahre 2011/2012, 2012/2013, 2013/2014, 2014/2015, 2015/2016 und 2016/2017 (Teil-)Widerrufs- und Rückforderungsbescheide in einer Gesamthöhe von 147.078,07 EUR wegen fehlenden Verwendungsnachweises bzw. nicht zweckentsprechender Verwendung erließ – die Bescheide sind jeweils Gegenstand verschiedener beim Verwaltungsgericht anhängiger Verfahren – bislang ab. Ein ablehnender Bescheid ist insoweit nicht ergangen.</p><p><rd nr="3"/>Den verfahrensgegenständlichen Eilrechtsschutzantrag, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig, längstens jedoch bis zur Entscheidung in der Hauptsache, zu verpflichten, dem Antragsteller einen staatlichen Zuschuss zu den Personal- und Sachkosten der von ihm betriebenen Freiwilligen Ganztagsschule in Höhe von monatlich 3.000,00 EUR zu gewähren, hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 23. Mai 2018 – 1 L 161/18 – zurückgewiesen.</p><p><rd nr="4"/>Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers.</p><p>II.</p><p><rd nr="5"/>Die am 7.6.2018 beim Verwaltungsgericht eingegangene und mit – entgegen § 146 Abs. 4 Satz 2 VwGO – an das Verwaltungsgericht gerichtetem, dort am 15.6.2018 eingegangenem und am 18.6.2018 an das Oberverwaltungsgericht weitergeleitetem Schriftsatz begründete Beschwerde des Antragstellers gegen den im Tenor bezeichneten, dem Antragsteller am 24.5.2018 zugestellten Beschluss des Verwaltungsgerichts ist zulässig(zur Wahrung der Beschwerdebegründungsfrist durch Weiterleitung an das OVG: Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 146 Rdnr. 39; siehe auch Stuhlfauth in Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 6. Aufl., § 146 Rdnr. 25) aber unbegründet.</p><p><rd nr="6"/>Mit Blick auf die vom Antragsteller in zeitlicher Hinsicht lediglich durch eine verwaltungsgerichtliche Entscheidung in der – fallbezogen noch nicht anhängigen – Hauptsache begrenzte Antragstellung geht der Senat davon aus, dass Gegenstand des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens allein die für das Schuljahr 2017/2018 beantragte Zuwendung nach den Richtlinien FGTS ist. Diesbezüglich ist zu sehen, dass die vom Antragsteller begehrte Zuwendung zur Förderung der von ihm betriebenen Freiwilligen Ganztagsschule gemäß Tz. 6.2.1 bis zum 15. April eines jeden Jahres für das jeweils folgende Schuljahr zu beantragen ist, der Förderungszeitraum also mit dem jeweiligen Schuljahr identisch ist und mit dessen Ablauf ebenfalls endet. Das den verfahrensgegenständlichen Förderungsantrag betreffende Schuljahr 2017/2018 ist mit Ablauf des 31.7.2018 zu Ende gegangen. Für eine Förderung über diesen Zeitraum hinaus, also für das laufende Schuljahr 2018/2019, bedurfte es eines bis zum 15. April 2018 gestellten neuen Antrags, der nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist. Demgemäß kann sich das den vorliegenden Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes in zeitlicher Hinsicht einschränkende Hauptsacheverfahren auch nur auf den das Schuljahr 2017/2018 betreffenden Förderungsantrag beziehen.</p><p><rd nr="7"/>Ob dem Erfolg der Beschwerde hinsichtlich des so verstandenen Antragsbegehrens bereits das Fehlen der für den beantragten Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO vorausgesetzten Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes entgegensteht, wobei zu sehen ist, dass einerseits die vom Antragsteller beantragte einstweilige Anordnung für einen bereits vergangenen Förderungszeitraum angesichts der von ihm selbst vorgetragenen prekären Finanzlage auf eine regelmäßig nicht zulässige Vorwegnahme der Hauptsache hinauslaufen dürfte, eine solche andererseits unter dem Gesichtspunkt effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG ausnahmsweise dann angezeigt sein kann, wenn ohne die beantragte einstweilige Anordnung die Existenz des Antragstellers gefährdet wäre(zur Problematik: Kopp/Schenke a.a.O., § 123 Rdnr. 14), kann letztlich ebenso dahinstehen wie die Frage, ob nach Ablauf des verfahrensgegenständlichen Schuljahres die – vom Förderungsempfänger durch Erbringung eines Verwendungsnachweises zu belegende – Erreichung des Zwecks der für dieses Schuljahr begehrten Zuwendung überhaupt noch möglich ist und – verneinendenfalls – welche materiell-rechtlichen und prozessualen Folgerungen sich hieraus fallbezogen ergeben. Im Ergebnis zutreffend ist das Verwaltungsgericht nämlich davon ausgegangen, dass aus sonstigen Gründen bezogen auf den verfahrensgegenständlichen Förderungszeitraum ein Anordnungsanspruch auf die begehrte Zuwendung nicht glaubhaft gemacht ist.</p><p><rd nr="8"/>Seine fehlende Bereitschaft zur Gewährung der für das Schuljahr 2017/2018 begehrten Zuwendung begründet der Antragsgegner wie folgt:</p><p><rd nr="9"/>In rechtlicher Hinsicht(siehe hierzu Schriftsatz des Antragsgegners vom 28.2.2018 in dem Verwaltungsrechtsstreit 1 K 2073/17 betreffend den Widerruf und die Rückforderung von Zuwendungen für die Freiwillige Ganztagsschule im Schuljahr 2015/2016, vom Antragsgegner im vorliegenden Verfahren in Bezug genommen) sei davon auszugehen, dass es sich bei der verfahrensgegenständlichen Förderung der Freiwilligen Ganztagsschule des Antragstellers um eine freiwillige Leistung des Landes nach §§ 23, 44 der Landeshaushaltsordnung (LHO) handele, auf die – anders als dies im Rahmen der Privatschulfinanzierung der Fall sei – kein gesetzlicher Anspruch bestehe. Dies komme auch in Tz. 1 der Richtlinien FGTS zum Ausdruck. Die Förderung erfolge gemäß Tz. 4.2 der Richtlinien FGTS in Form einer Teilfinanzierung der zuwendungsfähigen Ausgaben im Wege der Fehlbedarfsfinanzierung. Als zuwendungsfähige Ausgaben würden Personalkosten des Trägers für das in der Einrichtung eingesetzte Personal anerkannt, soweit dies den Anforderungen des Förderprogramms Freiwillige Ganztagsschulen im Saarland entspreche. Bis zu 10 % der Personalkosten könnten gemäß Tz. 4.4.2 der Richtlinien FGTS als Ausgaben für Gemeinkosten pauschal geltend gemacht werden.</p><p><rd nr="10"/>Der Gang des vom Antragsteller eingeleiteten Antragsverfahrens – diesen hat der Antragsgegner in seinem Schriftsatz vom 7.3.2018 (Blatt 114 der Akte) ausführlich beschrieben – belege, dass eine Bewilligung der begehrten Zuwendung auf der vorstehend dargelegten Grundlage nicht habe erfolgen können.</p><p><rd nr="11"/>Zur Begründung seines den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zurückweisenden Beschlusses vom 23.5.2018 hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, in dem vom Antragsteller eingereichten Zuwendungsantrag vom 13.4.2017 seien als zuwendungsfähige Ausgaben Personalkosten in Höhe von 51.200 EUR und Gemeinkosten von 5.120 EUR (10 % der Personalkosten) angegeben. Dieser Zuwendungsantrag sei nicht mehr aktuell, weshalb der Antragsteller aufgefordert worden sei, einen den aktuellen Verhältnissen angepassten und unterzeichneten Zuwendungsantrag vorzulegen. Daraufhin habe der Antragsteller auf seinen Verwaltungsantrag vom 7.9.2017 verwiesen, in dem als zuwendungsfähige Ausgaben Personalkosten in Höhe von 46.150 EUR und Gemeinkosten in Höhe von 4.615 EUR aufgeführt sei-en. Der Antragsteller räume selbst ein, dass auch diese Personalkosten nicht zutreffend beziffert seien. Insbesondere fehle ein nicht unerheblicher Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung (ca. 5.000 EUR) bezüglich des Beschäftigten K. Dass der Antragsgegner die Gewährung der beantragten Zuwendung davon abhängig mache, dass ihm ein zutreffender Maßnahmeantrag vorgelegt wird, sei rechtlich nicht zu beanstanden. Der Zuwendungsantrag lasse mehr als ein Zehntel der voraussichtlichen zuwendungsfähigen Kosten unberücksichtigt. Damit liege nicht bloß eine im Hinblick auf Personalkosten hinnehmbare geringfügige Abweichung vor, sondern es seien bewusst Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung in nicht unerheblicher Höhe außer Acht gelassen worden. Dies stehe der beantragten einstweiligen Anordnung entgegen. Das Bestehen auf einer zutreffenden Darstellung der Personalkosten sei auch nicht willkürlich, sei doch unter dem Aktenzeichen 1 K 2073/17 ein Verwaltungsrechtsstreit wegen eines Teilwiderrufs und der teilweisen Rückforderung der für das Schuljahr 2015/2016 gewährten Zuwendung zur Freiwilligen Ganztagsschule anhängig. Auch die Interessenabwägung im Übrigen führe zur Zurückweisung des einstweiligen Rechtsschutzbegehrens. Die Rückforderung einer vorläufig gewährten Zuwendung sei zwar rechtlich möglich, aber voraussichtlich tatsächlich nicht Erfolg versprechend. Es sei nicht ersichtlich, wie der Antragsteller, der sich zur Begründung des Anordnungsgrundes darauf berufe, ohne die Fördermittel in Liquiditätsschwierigkeiten zu geraten, in der Lage sein sollte, unter dem Vorbehalt der Vorläufigkeit gezahlte, aber sodann verbrauchte Gelder zurückzuzahlen. Demgegenüber habe der Antragsteller sich von Anfang an darauf einstellen müssen, wegen fehlerhafter Verwaltungsanträge die von ihm begonnene Maßnahme zwischenfinanzieren zu müssen.</p><p><rd nr="12"/>Die mit der Beschwerde hiergegen vorgebrachten Einwände verfangen nicht, weil sich die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis, wenn auch aus anderen als in der Entscheidung dargelegten Gründen, als richtig erweist.</p><p><rd nr="13"/>Auszugehen ist zunächst davon, dass die vom Antragsteller begehrte Zuwendung ihre Rechtsgrundlage in den §§ 23 und 44 Abs. 1 der Landeshaushaltsordnung – LHO – in Verbindung mit dem entsprechenden Haushaltsansatz findet, die Mittelvergabe selbst aber im Ermessen der Bewilligungsbehörde – hier des Antragsgeg-ners – steht.(OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 8.12.2008 – 13 A 2091/07 –, NWVBl 2009, 320, zitiert nach juris, juris-Rdnr. 6, unter Hinweis auf BVerwG, Urteile vom 18.7.2002 – 3 C 54.01 –, DVBl 2003, 139, und vom 8.4.1997 – 3 C 6.95 –, BVerwGE 104, 220) Soweit die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Zuwendung und die Ausgestaltung des konkreten Zuwendungsverhältnisses durch Richtlinien festgeschrieben sind, ist die Behörde grundsätzlich an diese Vorgaben gebunden. Zwar stellen derartige Verwaltungsvorschriften keine Rechtsnormen dar, sie entfalten jedoch eine ermessenslenkende Wirkung, da die nachgeordneten Behörden sich zwecks Erreichung einer gleichmäßigen Verwaltungspraxis nach ihnen zu richten haben und Abweichungen vor dem Hintergrund des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG der Rechtfertigung bedürfen.(OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 8.12.2008 – 13 A 2091/07 –, a.a.O., juris-Rdnr. 12, unter Hinweis auf BVerwG, Urteile vom 21.8.2003 – 3 C 49.02 –, BVerwGE 118, 379, und vom 23.4.2003 – 3 C 25.02 –, DVBl 2004, 126)</p><p><rd nr="14"/>Maßgeblich sind demnach hier die Richtlinien über die Gewährung von Zuwendungen für Freiwillige Ganztagsschulen im Saarland (Richtlinien FGTS) vom 30. Januar 2013 (Amtsblatt II, Seite 139), geändert durch Erlass vom 16. Februar 2016 (Amtsblatt I, Seite 146), in Verbindung mit dem Förderprogramm Freiwillige Ganztagsschulen im Saarland (Förderprogramm FGTS) vom 30. Januar 2013 (Amtsblatt II, Seite 131), geändert durch Erlass vom 16. Februar 2016 (Amtsblatt II, Seite 146).</p><p><rd nr="15"/>Demgemäß kann dem vom Antragsteller geltend gemachten Anspruch nicht bereits der Umstand entgegengehalten werden, dass nach Tz. 1 der Richtlinien FGTS grundsätzlich ein Anspruch auf Gewährung der Förderung nicht besteht. Die Richtlinien FGTS sehen für den Fall, dass die Zuwendungsvoraussetzungen erfüllt und entsprechende Haushaltsmittel verfügbar sind, eine Zuwendungsgewährung vor (Tz. 3) mit der Folge, dass das dem Antragsgegner zustehende pflichtgemäßen Ermessen in diesen Fällen durch die Richtlinien FGTS im Sinne eines Förderungsanspruchs auf Null reduziert ist.</p><p><rd nr="16"/>Fallbezogen fehlt es indes an wesentlichen Zuwendungsvoraussetzungen.</p><p><rd nr="17"/>Fraglich erscheint allerdings, ob dies – worauf das Verwaltungsgericht entscheidungstragend abstellt – mit einer fehlerhaften Darstellung der im Schuljahr 2017/2018 anstehenden Personalkosten begründet werden kann. Das Verwaltungs-gericht führt insoweit an, dass im Zuwendungsantrag hinsichtlich des Beschäftigten K der Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung in Höhe von rund 5.000 EUR nicht berücksichtigt worden sei. Der diesbezügliche Einwand des Antragstellers, dass sich hierdurch die zuwendungsfähigen Ausgaben (Personalkosten) zu seinen Lasten mindern und demgemäß nicht zu einer rechtswidrig überhöhten Förderung führen können, ist nicht von der Hand zu weisen.</p><p><rd nr="18"/>Soweit der Antragsgegner dem geltend gemachten Zuwendungsanspruch darüber hinaus fehlerhafte Angaben zu den Personalkosten des Antragstellers in der „Anlage I a“ zu dem Zuwendungsantrag entgegenhält, überzeugt dies ebenfalls nicht. Im Ansatz trifft zwar zu, dass nach Tz. 6.2.1 Zuwendungsanträge nach dem von der Schulaufsichtsbehörde zur Verfügung gestellten Muster unter Beifügung der dort aufgeführten Unterlagen bei der Bewilligungsbehörde einzureichen sind und hierzu auch die Anlage I a gehört, in der die im Schuljahr anstehenden Personalkosten und nicht die – in der vom Antragsteller zuletzt vorgelegten Anlage aufgeführten – tatsächlich aufgewendeten Personalkosten, die zum Zeitpunkt der regelmäßigen Antragstellung (15. April vor Schuljahresbeginn) naturgemäß nicht feststehen, anzugeben sind.</p><p><rd nr="19"/>Angesichts des Umstandes, dass dem Antragsgegner hinsichtlich der von ihm beanstandeten Personalkostenangaben die Arbeitsverträge sowohl des Beschäftigten K als auch der Beschäftigten C vorliegen und er – wie sich aus dem Schriftsatz des Antragsgegners vom 25.10.2018 ergibt – ohne weiteres in der Lage war, auf der Grundlage dieser Arbeitsverträge die insoweit anfallenden Personalkosten zu berechnen, ist aber schwerlich nachzuvollziehen, aus welchen Gründen der Antragsgegner seiner Entscheidung über den Zuwendungsantrag des Antragstellers nicht seinerseits die sich hieraus ergebenden Soll-Personalkosten zugrunde gelegt hat.</p><p><rd nr="20"/>Es fehlt indes an der Glaubhaftmachung anderer wesentlicher Förderungsvoraussetzungen, deren Fehlen einem Anordnungsanspruch betreffend die vom Antragsteller begehrte Zuwendung entgegensteht.</p><p><rd nr="21"/>Die Förderung durch Zuwendungen aus dem Förderprogramm Freiwillige Ganztagsschulen im Saarland (Förderprogramm FGTS) in Verbindung mit den Richtlinien über die Gewährung von Zuwendungen für Freiwillige Ganztagsschulen im Saarland (Richtlinien FGTS) dient – dies ergibt sich bereits aus der amtlichen Bezeichnung der vorgenannten Rechtsgrundlagen sowie aus der Zielsetzung (Tz. 1. Förderprogramm FGTS) und dem Zuwendungszweck (Tz. 1. Richtlinien FGTS) – der Förderung saarländischer Schülerinnen und Schüler durch hochwertige ganztägige Bildungs- und Betreuungsangebote sowie – zugunsten der Eltern – der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Förderungswürdig nach dem Förderprogramm FGTS – dies versteht sich vor dem Hintergrund des föderalistischen Bildungssystems in Deutschland von selbst – sind nur saarländische Freiwillige Ganztagsschulen. Hiermit ist es nicht zu vereinbaren, dass der Antragsteller ausweislich seiner Satzung vom 18.12.2017(Blatt 86 der Akten) die staatliche Genehmigung einer schule in B-Stadt anstrebt (Ziffer 2 der Präambel) und der Vereinszweck gemäß III 1 Satz 2 der Satzung insbesondere „durch den Betrieb der schule B-Stadt“ verwirklicht wird. Hierauf wurde der Antragsteller mit Schreiben des Antragsgegners vom 30.4.2018(Blatt 290 ff. der Akten) hingewiesen und zur Anpassung seiner Vereinssatzung aufgefordert. Es ist weder vorgetragen noch sonst erkennbar, dass der Antragsteller dieser Aufforderung nachgekommen ist. Besondere Bedeutung gewinnt dieser Umstand vor dem Hintergrund der Tatsache, dass der ehemalige – in B-Stadt wohnhafte und vom Antragsgegner als unzuverlässig eingestufte – Vorstand des Antragstellers jedenfalls noch bis zum Jahreswechsel 2017/2018 Vorstand des Vereins F. Schule e.V. war, über dessen Konto, auf das der nachfolgende Vorstand des Antragstellers zunächst keinen Zugriff hatte, Schulgeld für die private Ersatzschule, Elternbeiträge für die Freiwillige Ganztagsschule und teilweise auch Löhne für Mitarbeiter der Freiwilligen Ganztagsschule gezahlt wurden.(Verwaltungsakte, Blatt 229) Angesichts dieser Sachlage war eine zweckentsprechende Verwendung von Zuwendungen nach den Richtlinien FGTS zugunsten der Freiwilligen Ganztagsschule A-Stadt-B über einen nicht unerheblichen Teilzeitraum des Schuljahres 2017/2018 alles andere als sichergestellt und kollidiert auch derzeit noch mit dem in der Satzung des Antragstellers festgelegten Vereinszweck.</p><p><rd nr="22"/>Überdies dürfen nach Tz. 1.2 Satz 1 der Verwaltungsvorschriften zu § 44 LHO, an die der Antragsgegner im Rahmen des ihm eingeräumten Zuwendungsermessens gebunden ist, Zuwendungen nur solchen Empfängern bewilligt werden, bei denen eine ordnungsgemäße Geschäftsführung gesichert erscheint und die in der Lage sind, die Verwendung der Mittel bestimmungsgemäß nachzuweisen. Hiervon ausgehend war der Antragsgegner nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, den Antragsteller zwecks Überprüfung der Zuverlässigkeit des aktuellen Vereinsvorstandes, Frau K, zur Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses aufzufordern(Blatt 124 der Akten) und des Weiteren mit Blick auf gegen den Antragsteller eingeleitete Ermittlungen der Steuerfahndung Aufklärung über das Ergebnis dieser Ermittlungen und die Vorlage einer Unbedenklichkeitsbescheinigung zu verlangen.</p><p><rd nr="23"/>Ein Führungszeugnis des derzeitigen Vorstands des Antragstellers liegt nicht vor. Des Weiteren hat der Antragsteller anlässlich einer Besprechung vom 28.9.2018 nach den insoweit unbestrittenen Angaben des Antragsgegners eingeräumt, eine aktuelle steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung nicht erhalten zu können.(Blatt 365 und Blatt 373 der Akten) Von einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung durch den Antragsteller kann aus den genannten Gründen derzeit nicht ausgegangen werden, ohne dass diesbezüglich auf die zwischenzeitlich gegen den Antragsteller ergangenen Widerrufs- und Erstattungsbescheide(Blatt 367 bis Blatt 413 der Akte) abgestellt werden muss, die sich nach den Angaben des Antragsgegners auf einen Gesamtbetrag von 147.078,07 EUR belaufen und die Gegenstand mehrerer, beim Verwaltungsgericht anhängiger Verwaltungsstreitverfahren sind, über die allerdings noch nicht entschieden ist.</p><p><rd nr="24"/>Die Beschwerde unterliegt nach alldem der Zurückweisung.</p><p><rd nr="25"/>Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.</p><p><rd nr="26"/>Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 63 Abs. 2, 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG.</p><p><rd nr="27"/>Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.</p> |
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171,271 | ovgnrw-2019-01-14-10-a-152417 | {
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} | 10 A 1524/17 | 2019-01-14T00:00:00 | 2019-01-29T12:50:37 | 2019-02-12T13:44:31 | Beschluss | ECLI:DE:OVGNRW:2019:0114.10A1524.17.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Der Antrag wird abgelehnt.</p>
<p>Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens.</p>
<p>Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Gründe:</span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der zulässige Antrag ist unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Aus den innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegten Gründen ergeben sich weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten (Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) oder ein der Beurteilung des Senats unterliegender Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts beruhen kann (Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Stützt der Rechtsmittelführer seinen Zulassungsantrag auf den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzen. Dabei muss er den tragenden Rechtssatz oder die Feststellungen tatsächlicher Art, die er mit seinem Antrag angreifen will, bezeichnen und mit schlüssigen Gegenargumenten infrage stellen. Daran fehlt es hier.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen die Stilllegungsverfügung des Beklagten vom 23. März 2015 abgewiesen. Die Voraussetzungen des § 61 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW lägen vor, weil die bereits ins Werk gesetzten Arbeiten formell illegal seien und sich das bauaufsichtliche Einschreiten dagegen als verhältnismäßig darstelle.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Kläger machen insoweit ohne Erfolg geltend, dass das Verwaltungsgericht seinem Urteil falsche Tatsachen zugrunde gelegt habe. Es hat nicht etwa, wie die Kläger meinen, angenommen, dass der Bestandsschutz für das in Rede stehende Gebäude erloschen sei, sondern zutreffend ausgeführt, dass die den Klägern erteilte Baugenehmigung vom 4. Februar 2013 das tatsächlich errichtete Gebäude nicht legalisiere, weil es in mehrfacher Hinsicht von der Baugenehmigung abweiche. Insoweit geht der Vortrag zum vermeintlichen Erlöschen des Bestandsschutzes im Wesentlichen ins Leere und ist insgesamt nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung darzulegen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Das Verwaltungsgericht hat hierzu im Einzelnen ausgeführt, dass die Baugenehmigung nicht nur die Beibehaltung der tragenden Stahlrahmenkonstruktion des Gebäudes, sondern auch die eines Großteils der Außenwände aus Kalksandstein sowie der Dachkonstruktion vorgesehen habe. Die Kläger hätten jedoch letztlich allein die Stahlrahmenkonstruktion erhalten. Die früheren Kalksandsteinwände seien entgegen den zur Baugenehmigung gehörenden Bauvorlagen vollständig entfernt und durch Porotonsteine ersetzt sowie die bestehende Dachkonstruktion aus Koppelfetten sei gegen ein Sparrendach ausgetauscht worden.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Soweit die Kläger dem entgegenhalten, sie hätten nur Teile der ehemaligen Außenwände ersetzt, stellen sie damit ein Abweichen von der Baugenehmigung nicht in Abrede. Sie können sich auch nicht darauf berufen, dass die Ersetzung einzelner nichttragender oder nichtaussteifender Bauteile nach § 65 Abs. 1 Nr. 8 BauO NRW 2000 keiner Baugenehmigung bedurfte, weil hier das genehmigungspflichtige Bauvorhaben insgesamt zu beurteilen ist.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Auf den Vortrag der Kläger, das Sparrendach sei von der Baugenehmigung gedeckt, kommt es nicht mehr an, weil bereits wegen des jedenfalls zum Teil ersetzten Außenmauerwerks das tatsächlich ausgeführte Gebäude formell illegal ist.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Der Einwand der Kläger, ihnen sei die Durchführung eines neuen Baugenehmigungsverfahrens nicht zuzumuten, weil der Beklagte mehrfach bekräftigt habe, dass das Vorhaben nicht genehmigungsfähig sei, ist unzutreffend. Sie verkennen, dass ihre Klage nur Erfolg hätte, wenn die Ordnungsverfügung unter den im angefochtenen Urteil im Einzelnen dargestellten Voraussetzungen unverhältnismäßig wäre. Ob ihr Vorhaben genehmigungsfähig ist, müssen sie dagegen wie jeder gesetzestreue Bauherr grundsätzlich vor Beginn der Bauausführung in einem Baugenehmigungsverfahren und gegebenenfalls in einem Verwaltungsrechtsstreit klären. Soweit die Kläger auf die wirtschaftliche Bedeutung ihres Bauvorhabens und den Umfang der ins Werk gesetzten Baumaßnahmen verweisen, fallen diese Auswirkungen in ihren Verantwortungsbereich.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Rechtssache weist auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Angriffe der Kläger gegen die Tatsachenfeststellungen oder die rechtlichen Würdigungen, auf denen das angefochtene Urteil beruht, begründeten Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung gäben, die sich nicht ohne weiteres im Zulassungsverfahren klären ließen, sondern die Durchführung eines Berufungsverfahrens erfordern würden. Dass der Ausgang des Rechtsstreits in diesem Sinne offen ist, lässt sich auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens nicht feststellen, wie sich aus vorstehenden Ausführungen ergibt.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Es liegt schließlich auch kein der Beurteilung des Senats unterliegender Verfahrensmangel vor, auf dem das angegriffene Urteil beruhen kann.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Kläger rügen ohne Erfolg, dass Gericht habe entgegen § 101 Abs. 1 beziehungsweise § 112 VwGO ohne Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung durch den Richter am Sozialgericht N. als Einzelrichter entschieden.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Ein Verstoß gegen § 112 VwGO scheidet schon deshalb aus, weil das angefochtene Urteil nicht aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19. August 2016 ergangen ist, sondern gemäß § 101 Abs. 2 VwGO am 29. Mai 2017, weil die Beteiligten auf eine weitere mündliche Verhandlung verzichtet hatten. Soweit die Kläger vortragen, ihre Verzichtserklärung sei nur auf eine Entscheidung durch die Richterin am Verwaltungsgericht I. bezogen gewesen, ergeben sich aus der von ihnen abgegebenen Erklärung dafür keine Anhaltspunkte. Es kann daher offenbleiben, ob eine entsprechende Einschränkung der Verzichtserklärung überhaupt zulässig wäre. Im Übrigen ist die Übertragung der Sache auf den Einzelrichter nicht an die Person gebunden, die zum Zeitpunkt der Übertragung nach der Geschäftsverteilung für die Sache zuständig ist, sondern erfolgt auf den jeweils zuständigen Richter. Selbst wenn der Name des Richters genannt würde, wäre dies insoweit nur als Hinweis auf den zum Zeitpunkt der Übertragung zuständigen Richter zu verstehen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 19. November 1992  – 10 TE 1371/92 –, juris, Rn. 6; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 11. Juli 2000 – A 6 S 704/00 –, juris, Rn. 5.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Das von den Klägern angeführte Urteil des Bundesfinanzhofs vom 9. August 1996      – VI R 37/96 –, juris, Rn. 13, verhält sich zu einer anderen Frage, nämlich ob der vor der Übertragung auf den Einzelrichter erklärte Verzicht auf mündliche Verhandlung auch für die Entscheidung durch den Einzelrichter gilt.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 40, 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Sätze 1 und 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags ist das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).</p>
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<p>Die Anhörungsrüge des Antragstellers gegen den die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren ablehnenden Beschluss des Senats vom 18.12.2018 wird zurückgewiesen.</p>
<p>Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Die Anhörungsrüge ist jedenfalls unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Sie ist bereits nicht innerhalb der Zwei-Wochen-Frist nach § 152a Abs. 2 Satz 1 VwGO erhoben. Der angegriffene Beschluss ist dem Antragsteller am 20.12.2018 durch Einlegung in seinen Wohnungsbriefkasten zugestellt und damit zur Kenntnis gegeben worden. Am 3.1.2019, dem letzten Tag der Frist, ist die Anhörungsrüge ohne Unterschrift des Antragstellers und damit nicht in der gesetzlichen Form bei Gericht eingegangen, worauf dieser mit der Eingangsverfügung hingewiesen worden ist. Erst am 7.1.2019, also verspätet, ging per Post das vom Antragsteller unterschriebene Begleitschreiben bei Gericht ein.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Ungeachtet dessen hat die Anhörungsrüge in der Sache keinen Erfolg. Denn der Antragsteller hat entgegen § 152a Abs. 2 Satz 6 VwGO nicht dargelegt, dass der Senat in dem Beschluss vom 18.12.2018 – 4 E 666/18 – seinen Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Seine Rüge, ihm sei von der Berichterstatterin der von ihr angeforderte Übertragungserlass des Bundesministeriums der Justiz vom 2.1.2007 nicht vor einer Entscheidung mit der Gelegenheit zur Stellungnahme übersandt worden, greift nicht durch. Der Senat hat die Ablehnung der Beschwerde durch Beschluss vom 18.12.2018 – 4 E 666/18 – nicht entgegen dem auf Beschlüsse entsprechend anwendbaren § 108 Abs. 2 VwGO,</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">vgl. Stuhlfauth, in: Bader/Funke-Kaier/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 7. Aufl. 2018, § 122 Rn. 5; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 27.2.2014 – 8 S 2146/13 –, VBlBW 2015, 78 = juris, Rn. 12,</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">auf Umstände gestützt, zu denen sich der Antragsteller nicht äußern konnte. Nachdem bereits das Verwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 18.6.2018 auf die Übertragung der Befugnis zur Entscheidung nach §§ 58 f. BHO auf das Bundesamt für Justiz durch den Übertragungserlass vom 2.1.2007 unter Angabe des Aktenzeichens abgestellt hatte, hatte der Antragsteller bis zur Entscheidung des Senats im Dezember 2018 ausreichend Gelegenheit, sich hierzu zu äußern, ggf. nach Anforderung des Erlasses beim Bundesamt für Justiz, beim Verwaltungsgericht oder beim Senat. Hiervon hat er keinen Gebrauch gemacht.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Im Übrigen hat der Senat die Ablehnung der Beschwerde durch Beschluss vom 18.12.2018 – 4 E 666/18 – nicht auf den Übertragungserlass gestützt und auch deshalb keine Überraschungsentscheidung getroffen, sondern den Anordnungsanspruch nach § 59 BHO bereits als vom Antragsteller nicht glaubhaft gemacht angesehen. Hieran hätte sich unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt etwas geändert, wenn der Antragsteller zu dem angeforderten Übertragungserlass nochmals gesondert hätte Stellung nehmen können. Denn aus ihm ergibt sich lediglich die Zuständigkeit des Bundesamts für Entscheidungen nach § 59 BHO, von der sowohl der Antragsteller als auch das Verwaltungsgericht ohnehin ausgegangen sind und auf der das vom Senat zu bewertende Vorbringen des Antragstellers beruht. Der Antragsteller hat eine Entscheidung des Bundesamts für Justiz begehrt und auf Anfrage des Verwaltungsgerichts vom 2.3.2018, wie das Begehren zu verstehen sei, klargestellt, er begehre Stundung bzw. Erlass des Gebührenbescheids des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.3.2017. Auch ohne auf den Übertragungserlass abstellen zu müssen, ergeben sich aus den Gründen des Beschlusses vom 18.12.2018 keine hinreichenden Erfolgsaussichten bezogen auf dieses gegen die Antragsgegnerin, endvertreten durch das Bundesamt für Justiz, gerichtete Begehren. Das Vorbringen des Rechtssuchenden ist danach zu beurteilen, ob es gemessen am geltenden Recht, hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Dies war bezogen auf das Vorbringen des Antragstellers weder aus der maßgeblichen ex-ante-Sicht, noch nach Aufklärung des Verwaltungsgerichts über die Verwaltungspraxis des Bundesamts der Fall. Insbesondere aus der Kleinbetragsregelung in Nr. 7.3.2 der Verwaltungsvorschriften zu § 59 BHO, auf die sich der Antragsteller bereits bei Bewilligungsreife des Antrags auf Prozesskostenhilfe berufen hatte, ergibt sich, worauf der Senat im angegriffenen Beschluss abgestellt hat, schon im Ansatz keine Grundlage für einen Anspruch auf den begehrten Erlass oder eine Stundung. Abgesehen davon ist dem bei Bewilligungsreife vorliegenden Vorbringen des Antragstellers weder zu entnehmen, dass die Antragsgegnerin ‒ schon mit Blick auf Nr. 7.6.2 der Verwaltungsvorschriften zu § 59 BHO in vergleichbaren Fällen in ihrer insofern maßgeblichen Verwaltungspraxis tatsächlich von weiteren Vollstreckungsmaßnahmen absieht oder jede abweichende Handhabung willkürlich wäre.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Ebenfalls ohne Erfolg wendet der Antragsteller ein, er habe die anspruchsbegründenden Tatsachen erst auf Verlangen des Gerichts glaubhaft machen müssen. Insoweit übersieht er, dass das Verwaltungsgericht bereits am 2.3.2018 auf das sich aus § 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO ergebende Erfordernis hingewiesen hat, einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft zu machen. Abgesehen davon ist es keine Frage der Verletzung rechtlichen Gehörs, dass der Antragsteller die angegriffene Entscheidung in der Sache für unrichtig hält.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Auf die weiteren Ausführungen des Antragstellers zur Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung, insbesondere unter Hinweis auf die Unpfändbarkeit seiner Sozialleistungen, musste der Senat schon deshalb nicht weiter eingehen, weil es hierauf im Rahmen des vom Antragsteller auf Anfrage des Verwaltungsgerichts klargestellten Streitgegenstands ‒ Stundung bzw. Erlass eines Gerichtsgebührenbescheids ‒ nicht entscheidungserheblich ankam. Ohnehin können, worauf schon das Verwaltungsgericht und die Antragsgegnerin den Antragsteller hingewiesen hatten, derartige Einwände außerhalb des bereits abgeschlossenen Erinnerungsverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht im Verwaltungsrechtsweg geprüft werden. Über Einwände gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung entscheidet nach § 6 JBeitrG i. V. m. §§ 766, 764 ZPO das zuständige Amtsgericht als Vollstreckungsgericht, das auch über Einwände nach § 765a ZPO zu befinden hat.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).</p>
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<p>1. Der Antrag wird abgelehnt.</p>
<p>Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.</p>
<p>2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.500,- Euro festgesetzt.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong>Gründe</strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Antrag,</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">die aufschiebende Wirkung der Klage 7 K 8100/18 gegen die Verfügung des Antragsgegners vom 03.12.2018 wiederherzustellen,</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">bleibt ohne Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Anordnung des Sofortvollzugs in der angegriffenen Verfügung entspricht zunächst in formeller Hinsicht den Anforderungen aus § 80 Abs. 3 VwGO. Die danach erforderliche Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung soll vorrangig die Behörde zwingen, sich des Ausnahmecharakters der Vollziehungsanordnung bewusst zu werden. Der Antragsgegner hat sich bei der Anordnung des Sofortvollzugs davon leiten lassen, dass durch die weitere berufliche Tätigkeit des als ungeeignet und unzuverlässig erachteten Antragstellers eine Gefahr gesundheitlicher Schäden für seine Patienten drohe. Er sah sich durch die besonders hohe Bedeutung des Rechtsguts der Gesundheit der Bevölkerung veranlasst, eine Schutzmaßnahme mit sofortiger Wirkung zu ergreifen. Diesen Ausführungen lässt sich entnehmen, dass der Antragsgegner sich des Ausnahmecharakters des Sofortvollzugs bewusst ist. Dabei ist unschädlich, dass sich diese im Wesentlichen mit den Erwägungen decken, die für die berufsrechtliche Maßnahme selbst entscheidungstragend waren. Gerade im Bereich der Gefahrenabwehr können die Gründe für den Sofortvollzug mit den Gründen des Verwaltungsakts identisch sein. Zudem verlangt § 80 Abs. 3 VwGO nicht, dass die für das besondere Vollzugsinteresse angeführten Gründe die getroffene Maßnahme inhaltlich rechtfertigen,</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25.08.2016 - 13 B 790/16 - m.w.N.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist auch materiell nicht zu beanstanden.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - kann das Gericht die aufschiebende Wirkung einer Klage gegen einen belastenden Verwaltungsakt wiederherstellen bzw. anordnen, wenn bei einer Interessenabwägung das private Interesse des Antragstellers, von der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts bis zur endgültigen Entscheidung über seine Rechtmäßigkeit verschont zu bleiben, gegenüber dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt. Unter Berücksichtigung der besonderen grundrechtlichen Anforderungen, denen die Zulässigkeit des Sofortvollzugs einer berufsrechtlichen Maßnahme unterliegt</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">- vgl. Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschluss vom 08.04.2010 - 1 BvR 2709/09,</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">fällt die Interessenabwägung zu Lasten des Antragstellers aus.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Dabei sind in die Interessenabwägung zunächst die Erfolgsaussichten in der Hauptsache einzustellen. Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand unterliegt die angegriffene Verfügung bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Widerruf der Erlaubnis, die Berufsbezeichnung „Physiotherapeut“ zu führen, findet seine Ermächtigungsgrundlage in § 49 Abs. 2 Nr. 3 Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG -. Danach kann ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt widerrufen werden, wenn die Behörde aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet wäre.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Hier führt eine Änderung der Sachlage dazu, dass der Antragsgegner berechtigt wäre, die Erlaubnis zu versagen, weil der Antragsteller die nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes über die Berufe in der Physiotherapie - MPhG - erforderliche Zuverlässigkeit zur Ausübung des Berufs nicht besitzt. Unzuverlässig als Physiotherapeut ist, wer nicht die Gewähr für die ordnungsgemäße Ausübung seines Berufs bietet. Der Begriff der Unzuverlässigkeit wird durch eine Zukunftsprognose charakterisiert, die auf der Basis des bisherigen Verhaltens und der Lebensumstände des Betroffenen zu treffen ist.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Im Anschluss an die Erlaubniserteilung ist es zu einem erneuten Rückfall des Antragstellers in eine langjährige Abhängigkeit von harten Drogen und zu Verurteilungen wegen Betäubungsmittelstraftaten gekommen. Der Antragsteller wurde durch Urteil des Amtsgerichts T.        vom 07.12.2007 wegen Einfuhr und Handeltreibens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 13 Fällen zu einer zweijährigen, auf Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe verurteilt. Am 17.01.2018 verurteilte ihn das Amtsgericht Aachen u.a. wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten, die ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Amtsgericht T.        verhängte schließlich mit Urteil vom 03.07.2018 eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten wegen unerlaubten Handeltreibens in Tateinheit mit unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in einer nicht geringen Menge. Dieser Verurteilung lag ein Erwerb von knapp 200 Gramm Heroinzubereitung sowie knapp 25 Gramm Kokainzubereitung zugrunde. Nach den Feststellungen des Gerichts wurde der Antragsteller, der bereits in den neunziger Jahren Heroin konsumiert hatte, im Jahr 2012 rückfällig. Sein Konsum lag bis zu seiner Verhaftung bei zwei bis vier Gramm Heroin täglich, in 2016 oder 2017 kam auch Kokain hinzu.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Bei diesen Umständen, die der Antragsteller eingestanden bzw. nicht in Abrede gestellt hat, handelt es sich um nachträglich eingetretene Tatsachen. Daran ändert es nichts, dass dem Antragsgegner bei Erlaubniserteilung im Jahr 2003 bekannt gewesen war, dass der Antragsteller bereits in den 1990er Jahren heroinsüchtig gewesen und strafrechtlich wegen Betäubungsmitteldelikten in Erscheinung getreten war. Die Behörde hatte damals - mehr als fünf Jahre nach der letzten geahndeten Straftat - basierend auf einer sorgfältigen Prüfung den Eindruck gewonnen, der Antragsteller habe in der Haft zu einer veränderten Haltung gefunden und ihm sei es während einer im Anschluss regulär durchlaufenen Langzeittherapie gelungen, seine Suchterkrankung zu überwinden sowie einen drogen- und straffreien Lebensweg einzuschlagen; hierfür sprach aus Sicht der Behörde neben der ärztlichen Bescheinigung, dass eine Drogensucht bei dem Antragsteller nicht bestehe, insbesondere auch die im Anschluss an die Therapie absolvierte Bachelorausbildung zum Physiotherapeuten, die der Antragsteller in 2003 erfolgreich abgeschlossen hatte. Die damalige positive Prognose ist durch die seit 2007 begangenen Straftaten und den Rückfall enttäuscht worden.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Diese Umstände hat der Antragsgegner zutreffend zum Anlass genommen, die Frage der Zuverlässigkeit des Antragstellers nun abweichend zu beurteilen. Da der Antragsteller zumindest seit 2012 bis zu seiner Verhaftung in 2018 Heroinkonsument war, muss er in den letzten sechs Jahren unter ständigem Einfluss dieser harten Droge berufstätig gewesen sein. Die Verurteilung wegen Btm-Einfuhr und –handels in 13 Fällen in 2007 spricht erheblich dafür, dass der Drogenkonsum sich auch auf einen davorliegenden Zeitraum erstreckt, der Antragsteller also einen Großteil seiner in 2003 aufgenommenen Tätigkeit als Physiotherapeut unter Einwirkung von Rauschgift ausgeübt hat. Ganz allgemein wird der einer Sucht unterworfene Angehörige eines Heilberufs seiner Berufspflicht zum Schutz der Gesundheit seiner Patienten nicht gerecht, weil ständig zu besorgen ist, dass er seinen Dienst unter dem Einfluss des Suchtmittels ausübt. Wer - wie der Antragsteller bis zu seiner Verhaftung - als Heroinabhängiger nicht in der Lage ist, auf den <span style="text-decoration:underline">täglichen</span> Gebrauch dieser Droge zu verzichten, sich dadurch bei der Ausübung des Berufs unentwegt pflichtwidrig verhält und sich zudem gezwungen sieht, durch Rauschgifthandel die immensen Kosten des Drogenkonsums aufzubringen, bietet augenscheinlich nicht die Gewähr für eine ordnungsgemäße Berufsausübung als Physiotherapeut. Die mit dem Gebrauch dieser Droge einhergehenden psychischen Wirkungen wie Euphorie, Sedierung</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">- vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 258. Auflage, S.652 –</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">und Gleichgültigkeit sind geeignet, die im Rahmen therapeutischer Behandlungen unabdingbare Urteils- und Handlungsfähigkeit negativ zu beeinflussen. Versucht sich der Süchtige dagegen abstinent zu halten, setzen unmittelbar schwere körperliche Entzugserscheinungen ein. Es liegt auf der Hand, dass während derartiger Funktionseinschränkungen eine physiotherapeutische Behandlung nicht möglich ist. Ein Physiotherapeut muss, um eine ordnungsgemäße und sachgerechte Behandlung seiner Patienten zu gewährleisten, wie jeder Angehörige eines Heilberufs ständig im Vollbesitz seiner geistigen und körperlichen Kräfte und in jeder Hinsicht „präsent“ sein,</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">vgl. für den ärztlichen Beruf OVG NRW, Beschluss vom 11.02.2004 - 13 B 2435/03 -.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Hinzu tritt, dass der Heroinabhängige, der seinen Drogenkonsum durch Rauschgifthandel (mit-)finanziert, die Drogensucht anderer Menschen initiiert bzw. fördert und so massiv deren Gesundheit zerstört. Wer aufgrund seiner Sucht nicht die Steuerungsfähigkeit besitzt, von einem solchen schädigenden Verhalten Abstand zu nehmen, bietet auch nicht die Gewähr, bei seiner beruflichen Tätigkeit als Physiotherapeut die gesundheitlichen Belange seiner Patienten den eigenen Bedürfnissen voranzustellen. Es besteht die Gefahr, dass er das auf einem besonderen Vertrauen gründende Verhältnis zu Patienten, insbesondere auch zu Jugendlichen und Heranwachsenden, suchtbestimmt als Einnahmequelle zu missbrauchen sucht. Da Heroinsucht mit einer besonders gravierenden körperlichen und psychischen Abhängigkeit einhergeht, ist nicht auszuschließen, dass der heroinsuchtkranke Physiotherapeut, der dealt, in Ermangelung sonstiger rascher Absatzmöglichkeiten zwanghaft in eine Situation gerät, in der er - insbesondere jungen - Patienten Drogen anbietet. Nicht ohne Grund ist dem Antragsteller als gesetzlich eingetretene Nebenfolge seiner Verurteilung wegen Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz im Januar 2018 (wie bereits im Dezember 2007) für die Dauer von fünf Jahren untersagt, Jugendliche zu beschäftigen und auszubilden. Ein vergleichbares Schutzbedürfnis besteht auch in Bezug auf Patienten, die ihm zur therapeutischen Behandlung anvertraut sind.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Das langjährige Verhalten des Antragstellers zeigt, dass es ihm trotz der bei Aufnahme der Tätigkeit gegebenen günstigen Faktoren nicht gelungen ist, seine Suchterkrankung nachhaltig in den Griff zu bekommen. Gleichzeitig konnte er nicht das Verantwortungsbewusstsein dafür aufbringen, dass er bei Einnahme von Drogen mit Rücksicht auf die Belange seiner Patienten nicht therapeutisch tätig sein darf. Diese Umstände lassen ernstlich befürchten, dass der Antragsteller sich auch in Zukunft nicht nachhaltig von seiner Drogensucht wird befreien können und die Tätigkeit als Physiotherapeut unter Einwirkung von Drogen fortsetzen wird. An dieser Einschätzung ändert es nichts, dass sich der Antragsteller im Rahmen einer Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG wegen seiner Abhängigkeit in eine Rehabilitationsbehandlung begeben will. Denn in der Vergangenheit haben bereits zwei Therapien nicht dazu geführt, dass sich der Antragsteller auf lange Sicht vom Drogenkonsum abwenden konnte.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Ist danach bei Belassung der Erlaubnis die Fortsetzung der Tätigkeit unter Verletzung von Berufspflichten zu besorgen, die dem Gesundheitsschutz der Bevölkerung dienen, wäre ohne den Widerruf das öffentliche Interesse im Sinne des § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG gefährdet.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die getroffene Ermessensentscheidung begegnet auch unter Berücksichtigung ihrer berufsgrundrechtlichen Auswirkungen und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit keinen Bedenken. Allerdings bewirkt der Widerruf ein Berufsverbot, das schwerwiegend in das Grundrecht des Antragstellers aus Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz – GG – einwirkt. Der Widerruf ist jedoch zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter geboten. Das Interesse der Allgemeinheit an einer ordnungsgemäßen Gesundheitsversorgung überwiegt das Interesse des Antragstellers an der Ausübung seines Berufs. Der Schutz der Bevölkerung verlangt es, einen Physiotherapeuten, der sich aufgrund langjähriger Berufstätigkeit unter dem ständigen Einfluss von Rauschmitteln und mehrfachen Drogenhandels als unzuverlässig zeigt, von der Berufsausübung fernzuhalten. Ein milderes, gleich geeignetes Mittel ist nicht erkennbar. Die Erteilung einer Erlaubnis unter Widerrufsvorbehalt, der an den Fall einer Haftstrafenverbüßung anknüpfen soll, wie sie der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers angeregt hat, würde die Fortsetzung der Tätigkeit eines aktuell unzuverlässigen Angehörigen eines Gesundheitsberufs ermöglichen. Dies lässt sich aber mit dem hohen Stellenwert des Gesundheitsschutzes der Patienten und dem Vertrauen, das Patienten für die Behandlung in die Tätigkeit eines Physiotherapeuten setzen müssen, nicht in Einklang bringen. Zu berücksichtigen ist auch, dass nach Erledigung von zwei Dritteln der Reststrafe, auf die die Therapiezeit anzurechnen ist, der weitere Strafrest zur Bewährung ausgesetzt wird. Eine Haftstrafenverbüßung droht daher schon in Kürze allenfalls, wenn der Antragsteller erneut bei der Begehung von Straftaten auffällt. Dies erscheint angesichts der bisher immer wieder aufgetretenen Rückfälle in den Drogenkonsum nicht ausreichend, um den übergeordneten Belangen des Gesundheitsschutzes Rechnung zu tragen. Im Übrigen wird dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dadurch Rechnung getragen, dass der Antragsteller nach Ablauf von einigen Jahren einen Antrag auf Wiedererteilung der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Physiotherapeut“ stellen und versuchen kann, eine nachhaltige Abstandnahme vom Drogengebrauch - etwa durch engmaschige Drogenscreenings - darzutun. Die Behörde wird dann die zwischenzeitliche Lebensführung des Antragstellers zu würdigen haben um festzustellen, ob er prognostisch die Gewähr für eine ordnungsgemäße Berufsausübung bietet.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die besonderen Anforderungen, die unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten an die Notwendigkeit eines Sofortvollzugs zu stellen sind, sind erfüllt.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Die Anordnung der sofortigen Vollziehung stellt einen selbständigen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Freiheit der Berufsausübung und –wahl dar, der in seinen Wirkungen über diejenigen des Widerrufs noch hinausgeht. Sie erfordert daher eine eigenständige Prüfung am Maßstab dieser Verfassungsnorm. Zwar lässt Art. 12 Abs. 1 GG einen Eingriff in die Berufsfreiheit schon vor Rechtskraft des Hauptsacheverfahrens als Präventivmaßnahme zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter zu. Wegen der gesteigerten Eingriffsintensität beim Sofortvollzug einer berufsrechtlichen Maßnahme sind hierfür jedoch nur solche Gründe ausreichend, die in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des Eingriffs stehen und die ein Zuwarten bis zur Rechtskraft des Hauptsacheverfahrens ausschließen. Der Sofortvollzug muss daher zur Abwehr von Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter erforderlich sein, die bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens konkret zu erwarten sind,</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 27.12.2004 - 13 B 2314/04 - und vom 03.08.2018 - 13 B 826/18 -.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Ein solches Gefährdungsrisiko ist bei dem Antragsteller anzunehmen. Der Sofortvollzug ist erforderlich, um während des Hauptsacheverfahrens weitere ernsthafte Verstöße der Antragstellers gegen seine Berufspflichten und damit verbundene Gefahren für die Gesundheit seiner Kunden zu vermeiden. Verlässliche Anhaltspunkte, dafür, dass der Antragsteller unter dem Druck der letzten strafgerichtlichen Verurteilung und des verwaltungsgerichtlichen Hauptsacheverfahrens zu einer ordnungsgemäßen, nicht gefährdenden Berufsausübung finden wird, hat die Kammer nicht. Denn der Antragsteller hat in der Vergangenheit erkennen lassen, dass ihm im Hinblick auf seine Suchterkrankung die Steuerungsfähigkeit fehlt, sein Verhalten an die Erfordernisse einer ordnungsgemäßen Berufsausübung anzupassen und in Verantwortung für die gesundheitlichen Belange seiner Patienten zu handeln.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Vor allem aber sieht die Kammer eine konkrete Gefährdung von gesundheitlichen Belangen der Patienten, weil erhebliche Anzeichen dafür bestehen, dass sich der Drogenkonsum des Antragstellers zuletzt offenbar noch weiter dynamisiert hat. Neben eine langjährige Heroinabhängigkeit ist nach wiederholtem Rückfall der Gebrauch von Kokain hinzugetreten. Die Dichte der strafrechtlichen Verurteilungen - so ist die (letzte) Tat, die Grundlage des Strafurteils vom 03.07.2018 war, im Februar 2018 und damit nur einen Monat nach dem vorangegangenen Strafurteil vom 17.01.2018 begangen worden - hat zugenommen. Die Drogenmenge, die der Antragsteller nach den Feststellungen des Amtsgerichts T.        im Urteil vom 03.07.2018 zuletzt erworben sowie in Besitz hatte - die Grenze zur nicht geringen Menge war bei dem geahndeten Drogenerwerb im Februar 2018 um das 45-fache überschritten – übersteigt diejenige aus früheren strafrichterlichen Feststellungen. Dies weist zusätzlich darauf hin, dass der Drogenkonsum in jüngerer Zeit weiter außer Kontrolle geraten ist. Dies erhöht die Gefahr, dass über die Verletzung von Berufspflichten hinaus tatsächlich im Rahmen des Behandlungsverhältnisses unter dem Einfluss von Heroin/Kokain auch ein Schadenseintritt in Bezug auf die körperliche Unversehrtheit seiner Patienten erfolgt.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Das öffentliche Interesse an einer zwingend auszuschließenden Patientengefährdung ist höher zu bewerten als das Interesse des Antragstellers, seinen Beruf als Physiotherapeut vorläufig weiter auszuüben. Der Sofortvollzug schließt eine selbständige Existenzsicherung des Antragstellers nicht aus. Nach derzeitiger Sachlage kann er sein Fitnessstudio unter einstweiligem Verzicht auf die therapeutische Tätigkeit fortführen. Familienangehörige sind auf ein Erwerbseinkommen des Antragstellers nicht angewiesen.  Ungeachtet dessen sind die Wirkungen des Sofortvollzugs im Falle eines Obsiegens im Hauptsacheverfahren für den Antragsteller weitgehend reparabel, da er wieder als Physiotherapeut tätig werden könnte; realisieren sich hingegen die Gesundheitsgefahren für Patienten, sind eingetretene Schäden nur schwer wieder gutzumachen,</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25.08.2016 - 13 B 790/16 -.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Die in Ziffer 2 des angefochtenen Bescheides enthaltene Aufforderung, dem Antragsgegner die Erlaubnisurkunde auszuhändigen, begegnet wegen der Rechtmäßigkeit des Widerrufs ebenfalls keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Ermächtigungsgrundlage für das Herausgabeverlangen ist § 52 Sätze 1 und 2 VwVfG NRW. Hiernach kann die Behörde eine Urkunde zurückfordern, die aufgrund eines widerrufenen Verwaltungsaktes erteilt worden ist. Eine auf § 52 VwVfG gestützte Rückforderung von Urkunden ist auch dann möglich, wenn der die Wirksamkeit des Verwaltungsakts aufhebende Bescheid noch nicht unanfechtbar, wohl aber sofort vollziehbar ist,</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">vgl. OVG NRW, Urteil vom 15.05.1990 - 5 A 1692/89 -.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Auf der Rechtsfolgenseite hat der Antragsgegner das ihm eingeräumte Ermessen erkannt und hiervon in zweckentsprechender Weise Gebrauch gemacht. Zutreffend begründet er die Aufforderung zur Herausgabe damit, dass im Interesse des Patientenschutzes sichergestellt werden muss, dass der Antragsteller die Urkunde nicht zu einer der weiteren Ausübung des Berufes nutzt.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Auch die in Ziffer 4 des angefochtenen Bescheides enthaltene Zwangsgeldandrohung ist rechtmäßig. Die Voraussetzungen der insoweit maßgeblichen Rechtsgrundlagen des § 63 Abs. 1 bis 3, 5, 6 Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen sind erfüllt.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs.1 VwGO.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs.1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Mit Rücksicht auf den vorläufigen Charakter des Verfahrens ist die Hälfte des im Hauptsacheverfahren anzusetzenden Streitwerts zugrunde gelegt worden.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks"><strong>Rechtsmittelbelehrung</strong></p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Statt in Schriftform kann die Einlegung der Beschwerde auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der  Frist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO  und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Die Beteiligten müssen sich bei der Einlegung und der Begründung der Beschwerde durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist schriftlich, zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO  und der ERVV bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.</p>
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