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Also hatte das silberhaarige Mädchen, Nephis, in ihrem ersten Albtraum auch einen Wahren Namen erhalten. Um seinen eigenen zu bekommen, musste Sunny sich mit dem Helden und dem Bergkönig auseinandersetzen, während er einen völlig nutzlosen Aspekt besaß - eine anscheinend unmögliche Aufgabe, die dem Zauber sehr zu gefallen schien. 'Ich frage mich, wie sie ihren bekommen hat.' Die im Speisesaal schlafenden Akademiker wurden von diesem Erfolg schockiert. Sie starrten mit Staunen, Furcht und Bewunderung auf den Bildschirm. Als Sunny ihre aufgeregt geflüsterten Kommentare hörte, hatte er den kindischen Drang zu schreien: "Ich auch! Ich habe auch einen!". Aber natürlich, er blieb ruhig. Als er sich umblickte, bemerkte er, dass Caster unentwegt auf den Bildschirm starrte. Eine seltsame, düstere Miene lag auf dem Gesicht des verborgenen jungen Mannes. Aber das Komische daran war, dass Caster, soweit Sunny sagen konnte, nicht auf die Zeile mit dem Wahren Namen starrte. Stattdessen starrte er auf die Zeile des Textes mit "Nephis", als würde der tatsächliche Name des Mädchens für ihn mehr Bedeutung haben als der vom Zauber vergebene. 'Interessant. Kennen sie sich?' Warum sollte ein hochmütiges Vermächtnis jemanden kennen, der in einem Trainingsanzug der Polizeiacademy erscheint? Und wo war Nephis überhaupt? Sunny schaute sich im Speisesaal um und bemerkte bald das silberhaarige Mädchen. Sie saß still in einer Ecke, eine Tasse Kaffee in den Händen. Sie schien sich nicht sehr für das Durcheinander zu interessieren und schien in Gedanken versunken zu sein. Ihre grauen Augen waren ernst und weit entfernt. "Ein Schläfer mit einem Wahren Namen? Das ist unmöglich!" "Technisch gesehen ist es möglich. Smile of Heaven hat ihren Wahren Namen in der Ersten Albtraum bekommen, soviel ich weiß. Aber ja, ich bin skeptisch..." "Vielleicht hat sie uns in dem Interview belogen?" "Bist du dumm? Wenn es so einfach wäre, die Administratoren zu täuschen, wäre der verrückte Perverse vom gestern einfach an erster Stelle!" Sunnys Gesicht verzog sich. Verrückten Trottel, hm... "Nun, warum fragen wir sie nicht selbst?" Plötzlich war es totenstill in der Cafeteria. Bei diesen Vorschlägen hörten die Schlafenden auf zu reden und sahen sich zu Nephis um. Aber niemand schien den Mut zu haben, sie als Erster anzusprechen. Schließlich, bemerking das sie beobachtet wurde, hob sie den Kopf und blickte mit Überraschung auf die Anderen. "Hmm. Was nun?" Selbst das blinde Mädchen, Cassia, drehte sich in Richtung ihrer Stimme. Nach ein paar Momenten ging Caster plötzlich auf sie zu und verbeugte sich leicht. "Dame Nephis. Ich bin Caster vom Han Li Clan. Wie ich sehe, ist dein Versuch gut verlaufen?" Einen Dame? Warum spricht er sie so an? Und er musste sich vorstellen... also, sie kennen sich nicht? Interessant. Nephis schien von der Frage ein wenig verdutzt. Nachdem sie darüber nachgedacht hatte, lächelte sie und zuckte mit den Schultern. "Es ist wie es ist." Caster erwiderte das Lächeln etwas unbeholfen. "Ich sehe. Ich bin sehr froh, dass Sie unversehrt zurückgekehrt sind. Ähm...nicht dass ich an Ihren Fähigkeiten gezweifelt hätte." Nephis nickte. "Danke." Danach kehrte sie zu ihrem Kaffee zurück, was ausdrücklich darauf hindeutet, dass das Gespräch vorbei war oder dass sie sich einfach nicht bewusst war, dass jeder auf sie schaute. Sunny seufzte. 'Wie mysteriös.' Er hatte eine Menge im Kopf. Aber nichts davon konnte ihn von der wichtigsten Sache ablenken ... dem Frühstück. Ein paar Sekunden später hatte er die merkwürdige Dynamik zwischen Caster und Nephis völlig vergessen und verschlang genüsslich sein Essen. *** Der Klassenraum zum Überleben in der Wildnis war geräumig, geschmackvoll dekoriert ... und komplett leer. Sunny dachte sogar einen Moment, er wäre am falschen Ort, aber dann bemerkte er einen finster wirkenden Ausbilder hinter einem massiven Holztisch. Als dieser ihn bemerkte, kam er lebhaft auf. "Komm rein, junger Mann!" Er war ein heiterer alter Mann mit ungekämmten grauen Haaren und wild zuckenden buschigen Augenbrauen. "Ich bin der Erwachte Julius. Du kannst mich Lehrer Julius nennen. Setz dich hin, setz dich hin! Wie ist dein Name?" Sunny setzte sich gehorsam hin. "Mein Name ist Sunless." Julius zog die Augenbrauen hoch. "Ah! Was für ein unheimlicher Name. Aber das ist gut, sehr gut. Schließlich haben wir eine Menge unheilvoller Dinge!" Sunny schaute sich vorsichtig um. "Ähhm ... Entschuldigung, Lehrer. Bin ich zu früh da?" "Nein, nein... du bist genau rechtzeitig da." "Sind die anderen Schüler spät dran?" Der Ausbilder schnaufte verächtlich. "Es kommt sonst niemand. Diese Schläger sind nur daran interessiert, ihre Fäuste und Schwerter zu schwingen. Nur wenige sind so clever wie du und kennen den wahren Wert des Wissens..." Aha. Soviel zu der Unbeliebtheit dieses Kurses. Sunny seufzte innerlich und hoffte, dass er seine Entscheidung, die Kampftraining zu Gunsten dieses Kurses aufzugeben, nicht bereuen würde. "Sag mal, junger Mann... warum hast du dich ausgerechnet für das Überleben in der Wildnis entschieden?" Es hatte keinen Sinn den wahren Grund zu verheimlichen. Nicht dass Sunny dazu in der Lage gewesen wäre... "Der Erwachte, der mich während des ersten Alptraums überwacht hatte, Meister Jet, empfahl mir, vor allem das zu studieren." "Ein sehr kluger Rat! Dieser Meister weiß wirklich, was zählt...Moment. Hast du Jet gesagt?" Seine Augen wurden weit. "Seelenschnitterin Jet? Diese mörderische Wildbahn?! Hm. Wer hätte gedacht, dass eine Barbaram, wie sie, den Wert von komplexem Wissen kennen würde." Seelenschnitterin? Sunnys Neugier war geweckt. "Lehrer, kennen Sie Meister Jet?" Julius hatte einen vorsichtigen Blick hinter sich geworfen, bevor er antwortete: "Wer kennt die Seelenschnitterin nicht? Sie ist vielleicht nicht die mächtigste Erwachte da draußen, aber sie ist sicher eine der Gefürchtetsten. Das liegt daran, dass ihre Aspektfähigkeiten das Fleisch ignorieren und direkt auf die Seelenkerne abzielen. Was bedeutet, dass keine Rüstung, kein Schadenswiderstand und keine physische Schutz dagegen was machen können." Er lehnte sich vor. "Das einzig Gute ist, dass sie jung ist und wahrscheinlich nicht so bald, oder überhaupt jemals, eine Heilige werden wird. Ja, glücklicherweise ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie jemals aufsteigt, sehr gering." Sunny blinzelte. "Wieso?" Juliu schaute ihn an, als versuchte er zu begreifen, wie jemand so unwissend sein könnte. "Weil sie eine problematische Persönlichkeit hat, natürlich! Wer würde einem psychopathischen Mörder helfen wollen, ein Heiliger zu werden? Man braucht ein Team von hervorragenden Kameraden und eine Menge Unterstützung, um den dritten Albtraum zu überwinden. Seelenschnitterin Jet ist nicht... Moment mal!" Plötzlich runzelte Julius die Stirn und lehnte sich zurück. "Warum rede ich überhaupt mit dir? Du bist zu jung, um solche Dinge zu wissen! Noch dazu bin ich nicht die Art von Person, die andere hinter ihrem Rücken schlecht macht." 'Ich würde widersprechen', dachte Sunny sarkastisch, sagte es aber nicht laut. Er hatte bereits einige interessante Informationen von Lehrer Julius erhalten. Vielleicht war es doch die richtige Entscheidung, den Kurs für das Überleben in der Wildnis zu wählen." "Lassen Sie uns zu Ihrem Lehrplan zurückkehren. Was sind Ihre anderen Kurse?" Sunny seufzte. "Keine. In den nächsten vier Wochen werde ich mich voll und ganz auf das Überleben in der Wildnis konzentrieren." Julius starrte ihn eine ganze Minute lang mit einem Gesichtsausdruck an, als könnte er seinen Ohren nicht trauen. Dann trat langsam ein aufgeregter Glanz in seinen Augen auf und schließlich grinste er. "Wunderbar! Das ist wunderbar! Du bist ein kluger junger Mann! Mach dir keine Sorgen. In vier Wochen werde ich dich unsterblich machen... ***- Sunnys Lektionen bei Lehrer Julius begannen ohne viel Spannung und freundlich, aber schon nach einer Stunde fühlte er sich, als würde sein Kopf platzen. Es gab so viele neue Informationen und sie waren alle so seltsam und kontraintuitiv für jemanden, der die abgesperrte, behütete Stadt nie verlassen hatte. Ab und zu staunte Julius über Sunnys Wissenslücken und fehlende Erfahrung. Aber er hatte eine gute Einstellung und war enorm begeistert vom Unterrichten. Immer wenn Sunny stolperte, verlangsamte er geduldig und erlaubte seinem Schüler, wieder aufzuholen. Der von Julius geplante Lehrplan war lächerlich. Es gab eine endlose Menge an theoretischem Wissen zu lernen, praktische Übungen in der virtuellen Realität und der realen Welt, zahlreiche Themen und seltsame Dinge zu untersuchen. Es gab sogar einige Lektionen, die ausschließlich dem Erlernen der Grundlagen einiger toten Sprachen des Traumreichs gewidmet waren! 'Warum muss ich neue Sprachen lernen?' dachte Sunny voller Selbstmitleid. 'Der Zauber übersetzt alles automatisch!' Aber Julius ließ nicht locker. "Der Zauber ist kein Übersetzer! Glaubst du, er hat die Zeit, die Feinigkeiten der menschlichen Sprache zu übersetzten? Nehmen wir an, du suchst Schutz in einer Ruine und findest eine Inschrift, auf der steht: "Vor dir droht der sichere Tod". In der Runensprache gibt es dreißig Wörter für Tod! Allein durch die Kenntnis der Runen kannst du abschätzen, welche Art von Gefahr droht!" Am ersten Tag lernten sie bis kurz vor Sonnenuntergang. Erst dann ließ Julius Sunny gehen. geistig erschöpft und bedauernd, dass er das Mittag- und Abendessen verpasst hatte, beschloss Sunny, seinen Lehrer morgen sanft daran zu erinnern, wie wichtig die Mahlzeiten für die Aufrechterhaltung der Konzentration sind. Nachdem er in sein Zimmer zurückgekehrt war, ließ er sich auf einen Stuhl fallen und starrte eine Weile gedankenverloren ins Leere. Dann, als würde er sich an etwas erinnern, wandte sich Sunny seinem Schatten zu. Richtig. Er hatte noch eine Menge vor dem Abendessen zu erledigen. Er betrachtete den Schatten ein paar Sekunden lang und grinste dann. "Lass uns mal sehen, was du wirklich drauf hast...
Seine Worte verhallten in der Stille. Die Schläfer blickten Sunny mit einer bunten Mischung von Gefühlen an, die von Verwirrung bis hin zu Schock variierten. Der junge Mann mit den humorvollen Augen lächelte nur höflich. Um ehrlich zu sein, war es äußerst selten, während des ersten Alptraums einen aufgestiegenen Aspekt zu erhalten. Er war sicherlich etwas Besonderes, vielleicht sogar herausragend. Trotz ihrer offensichtlichen Unterschiede erinnerte der junge Mann Sunny irgendwie an Hero... Auro der Neun. In ihren Augen lag eine besondere Art von berechnender Kälte verborgen. Er war solchen Leuten schon früher begegnet, meist unter den Veteranen verschiedener Straßenbanden in den Außenbezirken. Sie nannten diese Art von Kälte einfach "Mordmathematik". Es war im Grunde eine Angewohnheit erfahrener Kämpfer - egal wo sie waren oder in welcher Stimmung sie sich befanden, es gab immer einen nüchternen Teil ihres Verstandes, der ständig berechnete, wie man die Person vor ihnen am effizientesten töten konnte, nur für den Fall, dass es notwendig wurde. 'Warum muss ich mich ausgerechnet mit so jemandem anlegen?', dachte er. Aber Sunny hatte wirklich keinen Grund, sich zu beschweren. Schließlich hatte er sich das selbst eingebrockt. Nach einigen Sekunden blinzelte einer der Begleiter des jungen Mannes und sagte: "Äh… Freund, du kennst dich anscheinend nicht gut mit dem Zauber aus. Casters Ergebnisse sind wirklich bemerkenswert." Dann fügte er, mit einem verstohlenen Blick auf den bemerkenswerten Caster, hinzu: "Er ist schließlich ein Erbe." Ein echter, lebender und atmender Nachkomme eines erwachten Clans? Sunny überprüfte seine Meinung über den humorvollen jungen Mann. Erben wurden normalerweise für ihren späteren Eintritt in den Zauber trainiert, bereits vom ersten Moment an, als sie laufen konnten. Für sie war die Infektion eine Gewissheit, anstatt einer Möglichkeit. Sie waren äußerst beeindruckende Menschen. 'Großartig!', dachte er bitter und runzelte die Stirn noch mehr. "Willst du mich veräppeln? Das nennst du bemerkenswert?!" Die Verwirrung in den Augen der Schläfer wich langsam der Feindseligkeit. "Hör zu, Freund. Wenn du nicht denkst, dass ein aufgestiegener Aspekt bemerkenswert ist, dann erzähl uns doch von deinen eigenen erstaunlichen Ergebnissen! Was, um Himmels willen, war deine Beurteilung?" Caster selbst schwieg weiterhin und lächelte. Seine Verteidiger wurden jedoch unruhig. Das war genau das, was Sunny erreichen wollte. Er lächelte voller Verachtung. "Ich würde euch wissen lassen… meine Beurteilung war, äh, sie war "glorreicher"! Ja, glorreich. Und der Aspekt, den ich erworben habe, war von göttlichem Rang." Daraufhin erntete er eine Reihe von seltsamen Blicken. Niemand hatte je zuvor einen göttlichen Aspekt erhalten, daher hielten sie ihn natürlich für einen Verrückten. Aber es gab noch einen winzigen Zweifel... vielleicht war dieser seltsame Kerl ein Nachkomme eines mächtigen Clans? Ein unvergleichliches Wunderkind? Vielleicht war seine Beurteilung tatsächlich glorreich... Sunny musste diesen winzigen Zweifel zerstreuen. "Versteht mich nicht falsch, ich bin kein hochnäsiger Erbe. Pfft! Ich komme aus den Außenbezirken. Ich habe nicht einmal Kampftraining absolviert. So viel Training und er hat nur ein "ausgezeichnet"? Was hat er während des Albtraums gemacht, die ganze Zeit in der Nase gebohrt?" Die Gesichtsausdrücke aller Schläfer, die seine Prahlerei hörten, änderten sich augenblicklich. Eine Außenseiter-Ratte ohne Ausbildung... ja, sicher. Wen wollte er hier täuschen? Schließlich sprach Caster mit demselben höflichen Lächeln: "Glorreich? Das ist interessant. Kannst du uns erzählen, was du im Albtraum erreicht hast?" Sunny grinste. "Sicher, kein Problem! Zuerst habe ich... äh... einen erwachten Tyrannen getötet." Bei jedem "äh" verspürte er ein paar Momente intensiven Schmerzes, ließ sich das aber nicht anmerken. Sein Gesichtsausdruck war weiterhin selbstgefällig und konfrontativ. Schon die bloße Erwähnung eines Tyrannen, geschweige denn eines erwachten Tyrannen, brachte einige Schläfer zum Schmunzeln. "Oh, wirklich? Wie hast du ihn getötet?" Ein arroganter Blick erschien auf Sunnys Gesicht. "Wie? Ich sage dir, ich musste nicht einmal einen Finger rühren. Ich habe nur gespuckt, und er zerbarst in Stücke!" Das stimmte tatsächlich. Sunny hatte einen Mund voll Blut auf den Altar gespuckt, woraufhin der Bergkönig vom Schattengott gnadenlos zerstückelt wurde. Jemand lachte unverhohlen. "Der Typ ist entweder verrückt oder legt sich absichtlich mit uns an. Hör zu, Kleiner. Zeig etwas Anstand, okay? Wer würde so eine Lüge glauben?" Sunny war wirklich wütend. Er wollte etwas erwidern und sagen, dass er nicht klein war. Aber er konnte es nicht. Denn das wäre eine Lüge, verdammt noch mal! Stattdessen knirschte er mit den Zähnen und sagte mit einer von Entrüstung erfüllten Stimme: "Das kann ich nicht beantworten, denn es ist keine Lüge!" "Bestehst du wirklich darauf, dass du einen erwachten Tyrannen getötet hast - einen Tyrannen! - und das auch noch mit ein bisschen Spucke?" Sunny runzelte die Stirn. "Das ist die Wahrheit!" Es folgte weiteres Gelächter. "Verrückter Bastard!" "Er glaubt tatsächlich an seinen eigenen Mist!" "Verrückt, er ist verrückt …" Unvermittelt hielt Caster seine Gefährten zurück. "Leute." Nachdem das Lachen abgeklungen war, fragte er freundlich: "Was habt ihr sonst noch erreicht?" Was denn? War das nicht genug? Sunny hob das Kinn. "Lass mich nachdenken... Oh! Ich habe auch einen erwachten Schwertkämpfer getötet." "Wirklich? Wie hast du das gemacht?" Sunny gab vor, etwas verlegen zu sein, und blickte zu Boden. "Das... eigentlich musste ich dieses Mal einen Finger heben. Ich musste ihn sogar ein paar Mal schütteln. Aber das reichte, um ihn zu töten." Er hielt die silberne Glocke zwischen seinen Fingern, was dazu führte, dass Hero vom Tyrannen angegriffen und schließlich getötet wurde. Technisch gesehen waren also alle seine Aussagen wahr. "Was für ein Spinner!" "Ha! Kannst du diesen Idioten fassen?!" "Armer Bastard. Er ist nicht nur schwach, er hat auch den Verstand verloren …" Caster blickte seine Begleiter lange an und wandte sich dann an Sunny. "Was hast du sonst noch erreicht?" Sunny blinzelte. Zeit für den letzten Schliff... "Sonst noch etwas? Äh … Nun ja. Oh, richtig! Ich habe mit einer Reihe von Göttern kommuniziert, obwohl sie alle tot waren. Ich habe einen von ihnen aufgeweckt. Er gab mir einen Segen! Ich wurde von einem Gott gesegnet, versteht ihr das alle?" Die Schläfer schüttelten stumm den Kopf oder sahen ihn mitleidig an. Caster seufzte. "Ich verstehe. Nun, im Vergleich zu deinen Errungenschaften sehen meine tatsächlich ziemlich durchschnittlich aus. Danke, dass du es mit uns geteilt hast. Ich hoffe, du wirst genauso erfolgreich sein, wenn wir das Traumreich betreten." Sunny lächelte mit einem überlegenen Gesichtsausdruck. "Das kannst du glauben!" Mit diesen Worten drehte er sich um und ging ohne weitere Umschweife davon. 'Ah! Ein Job gut gemacht.' Er war sich ziemlich sicher, dass nach dieser Vorstellung niemand mehr glauben würde, dass er tatsächlich einen mächtigen Aspekt besaß oder irgendetwas Bemerkenswertes während des Alptraums getan hatte. Er erzählte ihnen lediglich die Wahrheit, schaffte es jedoch, sie alle von genau dem Gegenteil zu überzeugen. Welch unglaubliches Gefühl! Was dachten sie jetzt von ihm? Sie hielten ihn für schwach, ungebildet und ohne Training in den Außenbezirken aufgewachsen. Mehr noch, sie hielten ihn entweder für verrückt oder ungemein dumm. Sein Temperament war schrecklich. Ein wahrhaft erbärmlicher und bemitleidenswerter Mensch. Wenn man ihn nun nach seinem Aspekt fragte, konnte er nur ehrlich sagen, dass er göttlichen Ranges war, und man würde ihn auslachen. Sie würden eher glauben, dass es den Zauber nicht mehr gab, als dass er jemand Bemerkenswertes wäre. Er könnte sogar von den Dächern aus über seine Errungenschaften schreien, und niemand würde ihm glauben. Daraus folgte, dass niemand je vermuten würde, dass er einen wahren Namen hatte. 'Wartet nur ab, ihr Narren. Eines Tages werde ich derjenige sein, der lacht.' Als Sunny sich entfernte, hörte er einen der Schläfer zu Caster sprechen: "Warum hast du diesen Verrückten nicht in seine Schranken gewiesen? Er hat dich erniedrigt!" Nach einer kurzen Pause antwortete Caster. Seine Stimme klang tief und sanft. "Der arme Junge muss den Verstand im Albtraum verloren haben. Das passiert oft. Er wird höchstwahrscheinlich bald sterben, also ist Freundlichkeit das Mindeste, was ich tun kann... " An der Mundwinkel von Sunny zuckte es. "Was für ein netter Kerl." Er wusste, dass Casters Worte auf einer falschen Annahme beruhten. Trotzdem lief ihm aus irgendeinem Grund ein kalter Schauer über den Rücken.
Mit seiner Leistung zufrieden, ging Sunny zurück in die verlassene Ecke des Saals. Er fühlte, wie die Menschen ihn mit Spott, Verachtung und Mitleid ansahen. Niemand schien bereit zu sein, in seiner Nähe zu bleiben. Das war auch gut so: er wollte ohnehin nicht gestört werden. Trotzdem, waren ihre Reaktionen nicht ein bisschen übertrieben? Es war nicht so, als würde er eine ansteckende Krankheit verbreiten. Nun, außer dem Zauber. Aber das war keine Krankheit im eigentlichen Sinne, was jeder hier eigentlich schon wissen sollte. Endlich konnte er sich von der Menge losreißen und die Ecke erreichen. Aus irgendeinem Grund wollte niemand dieser Nahe kommen: momentan saß nur ein Mädchen ruhig auf der Bank. Sunny warf ihr einen Blick zu. Das stille Mädchen war fein, bescheiden und sehr hübsch. Ihre Kleider waren ordentlich und sauber. Sie waren nicht besonders teuer, aber dennoch geschmackvoll. Mit ihrem hellblonden Haar, großen blauen Augen und dem exquisiten Gesicht sah sie aus wie eine schöne Porzellanpuppe. Sie war einfach atemberaubend. Dennoch stimmte etwas nicht mit ihr. Sunny runzelte die Stirn, versuchte zu begreifen, was an dem Mädchen ihn unwohl machen ließ. Nachdem er eine Weile darüber nachgedacht hatte, wurde ihm klar, dass ihr leerer, ausdrucksloser Blick ihn an den Bergkönig erinnerte. Erschrocken begriff Sunny, dass das Mädchen blind war. Es dauerte ein paar Sekunden, bis er sich wieder gefasst hatte. 'Was für ein Jammer.' Ein wenig entmutigt setzte er sich vorsichtig auf das andere Ende der Bank. Das Mädchen hätte den Ersten Alptraum nicht überlebt, wenn es vor dem Eintritt in den Zauber blind gewesen wäre. Das bedeutete, dass sie ihr Augenlicht als Folge der Bewertung verloren hatte. Es war ihr Fehler. Plötzlich fühlte Sunny eine große Besorgnis. Ein kaltes Gefühl breitete sich in seiner Brust aus. 'Und ich dachte, mein Fehler wäre schlimm.' Egal welche Fähigkeit das blinde Mädchen als Gegenleistung für ihr Augenlicht erhalten hatte, es war im Grunde ein Todesurteil. Eine blinde Person hatte keinerlei Chancen, im Traumreich zu überleben, zumindest nicht mit einem schlafenden Kern. In gewisser Weise war das Mädchen schon tot. Sie war im Grunde eine wandelnde Leiche. Eine tiefe Unruhe empfindend, wendete Sunny sich ab und betrachtete die Menge der Schlafenden. Jetzt verstand er, warum die Leute versuchten, diese Ecke zu meiden: das Mädchen war von einer unsichtbaren, aber fast greifbaren Todesaura umgeben. Schläfer waren normalerweise nicht besonders abergläubisch, aber jeder würde sich in ihrer Gegenwart unwohl fühlen. Bewaffnet mit diesem Wissen, erkannte Sunny plötzlich ein Muster in der Anordnung der jungen Leute im Saal. Instinktiv versuchten sie alle, in der Nähe von denen zu bleiben, die sich in einer ähnlichen Situation befanden. Am hinteren Ende des Saals, am nächsten zur Bühne, gab es eine oder zwei kleine Gruppen. Die Menschen in diesen Gruppen waren anders als der Rest der Schlafenden. Sie waren alle selbstbewusst, ruhig und wirkten bereit. Sie waren die Erben: Sie waren von Geburt an für den Zauber trainiert worden und hatten die höchsten Überlebenschancen. Insbesondere Caster stach aus der Menge heraus. Neben ihnen befand sich eine größere Anzahl von teuer gekleideten jungen Leuten. Sie waren lebhaft und aufgeregt und nur ein wenig nervös. Sie waren die Nachkommen von reichen und hochrangigen Bürgern. Ihre Ausbildung war ziemlich gut, da solche Familien genügend Mittel hatten, um Privatlehrer einzustellen - sogar erwachte. Ihre Überlebenschancen waren nicht schlecht. Dann gab es noch den größten Teil der Menge, der aus Kindern aus mittelständischen Familien bestand. Sie hatten vielleicht nicht das Privileg, von erwachten Tutoren unterrichtet zu werden, aber ihre Ausbildung war keineswegs schlecht. Die Regierung hatte großen Aufwand betrieben, um das für die potentiellen Schläfer notwendige Wissen und die notwendigen Fähigkeiten in den Schulunterricht zu integrieren. Einige von ihnen könnten zusätzliches Training privat erhalten haben. Um zu überleben, müssten diese Schläfer sich tüchtig anstrengen und auch ein bisschen Glück haben. Aber es war nicht unwahrscheinlich. Dementsprechend waren sie angespannt und nervös. Und zum Schluss waren da noch Sunny und das blinde Mädchen. Die Untoten. Aus Sicht der anderen Schläfer im Saal, waren ihre Überlebenschancen fast gleich Null. 'Wie charmant.' So hatten sich die jungen Schlafenden unterbewusst aufgeteilt. Die einzige Ausnahme von dieser Regel war das silberhaarige Mädchen, das alleine und abseits von allen stand, scheinbar unberührt von der Anspannung und Nervosität, die in der Luft lagen. Sie lehnte mit geschlossenen Augen an einer Wand, während sie weiterhin Musik hörte. Aber unabhängig von ihrer Gruppe und ihrem Ausbildungsstand, waren alle schon des Wartens müde. Wann wird diese verdammte Einführungszeremonie endlich beginnen? Wie auf seine Gedanken antwortend, erschien ein großer Mann in einer dunkelblauen Uniform auf der Bühne. Er war nicht nur groß, er war fast schon riesig. Sunny fragte sich sogar, ob die Mutter des Mannes mit einem Bären... Natürlich war das unmöglich - Bären waren schon lange vor dem Zauber ausgestorben. Aber er hatte einmal Bilder in einem Buch gesehen, und sie sahen irgendwie ähnlich aus. 'Eine bärenartige Albtraumkreatur, dann.' Der Riesenmann hatte breite Schultern, einen athletischen Körper und einen prächtigen, braunen Bart. Seine Augen waren ruhig und ernst. Nachdem er die Mitte der Bühne erreicht hatte, blickte er die Schlafenden lange an. Als sein Blick die verlassene Ecke erreichte, wurde Sunny plötzlich nervös. 'Uh, ich hoffe, er hat keine telepathischen Fähigkeiten. Sonst könnte er mich im Namen seiner Mutter von einem oder zwei Gliedern trennen.' Der Mann schenkte Sunny keine weitere Beachtung und richtete seinen Blick wieder auf die vorderen Reihen der Menge. Schließlich sagte er mit einer tiefen, hallenden Stimme: "Ich bin der Erwachte Fels. Schläfer, willkommen in der Akademie." Alle hörten schweigend zu. "In weniger als einem Monat, werdet ihr ins Traumreich gerufen. Einige von euch mögen denken, dass sie gut vorbereitet sind. Sie irren. Der Zauber ist gnadenlos und hinterlistig. Sobald die Erwachten anfangen, sich zu sehr sicher zu fühlen, sterben sie. Ich habe unzählige Schlafende wie euch ihr Leben verlieren gesehen. Ich habe auch gesehen, wie erfahrene Meister ihres verloren haben. Selbst Heilige sind nicht sicher." 'Danke für die Ermutigung', dachte Sunny sarkastisch. "In den folgenden vier Wochen werden wir alles in unserer Macht Stehende tun, um eure Überlebenschancen zu erhöhen. Ihr werdet von den besten Lehrern der Welt trainiert. Lasst euch aber nicht von ihrem Ruhm täuschen: letztendlich hängt es nur von einer Person ab, ob ihr lebend aus dem Traumreich zurückkehrt - von euch selbst. Die Verantwortung für euer Überleben liegt bei euch, und nur bei euch." Mit Ausnahme der Erben, schauten sich die Schläfer mit wachsender Angst in den Augen an. Der Erwachte Fels fuhr fort: "Ihr seid keine Kinder mehr. Es ist eine Schande, weil ihr es sein solltet. Aber der Zauber hat anders entschieden. Ihr habt den ersten Alptraum bereits erlebt, also wisst ihr, wie es ist. Eure Eltern, eure Lehrer und eure Freunde können euch nicht mehr helfen..." 'Schon lange nicht mehr.' Während er der Rede des Rocks zuhörte, konnte Sunny nicht anders, als sich ein wenig ausgegrenzt zu fühlen. Es war alles alte Neuigkeiten für ihn. Aber er verstand die Absicht des Instruktors: er musste den jungen Schläfern Angst einjagen, weil nur die Angst sie am Leben halten würde. Endlich kam die Rede zum wichtigen Teil. Der Erwachte Fels hielt kurz inne, um den Kindern, die ihm zuhörten, ein paar Momente zum Verdauen seiner Worte zu geben. Dann fuhr er mit einem kurzen Nicken fort: "Jetzt werden wir über den Unterschied zwischen Alpträumen und dem Traumreich sprechen..."
Der "Sleeper"-Teil des Geländes war relativ klein und befand sich im südlichen Teil der Akademie, umgeben von Trainingsplätzen und Parks auf allen Seiten. Es handelte sich um ein niedriges, modernes Gebäude, das aus verstärkten Materialien gebaut wurde. Wie die meisten Gebäude der Akademie, war es größtenteils unterirdisch, mit nur einigen Etagen darüber. Mit seinen weißen, makellosen Legierungswänden und großen Fenstern, muss es im Sommer wunderschön aussehen, im Kontrast zum grünen Umland. Innen war das Gebäude geräumig und gut beleuchtet. Sunny und das silberhaarige Mädchen wurden zu einem großen Raum gebracht, in dem etwa hundert junge Männer und Frauen – Schläfer mit dem gleichen unglücklichen Timing wie sie – bereits auf den Beginn der Einführungszeremonie warteten. Die meisten von ihnen waren nervös, angespannt und aufgeregt. Die Logistik der Akademie war eine dauernde Kopfschmerzursache für die Verwalter, da das Infektionsrate des Zaubersprüche immer chaotisch war. Es gab keine Möglichkeit, nach einem gemeinsamen Zeitplan eine ordenliche Struktur für Schläfer zu schaffen, die irgendeine Art von standardisierter Bildung durchmachen sollten: Einige hatten ein ganzes Jahr Zeit, um sich auf das Traumreich vorzubereiten, andere nur Monate, manche sogar nur Tage. Deshalb fanden diese Einführungszeremonien zu Beginn des Jahres jeden Monat statt und dann jede Woche, sobald die Wintersonnenwende näher rückte. Einige der Schläfer in der Halle mussten tagelang auf ihre Aufnahme warten, während Sunny Glück hatte und nur wenige Stunden vor der geplanten Veranstaltung in die Akademie gebracht wurde. Als er im Raum ankam, wurde ihm zweierlei klar. Erstens waren alle gut gekleidet und hatten einen Koffer, eine Reisetasche oder zumindest einen Rucksack mit ihren persönlichen Gegenständen. Sie kamen offensichtlich vorbereitet, wahrscheinlich von zu Hause, von ihren Familien geschickt. Also, Sunny und das silberhaarige Mädchen, die mit leeren Händen und einfacher Polizeikleidung kamen, waren nicht die Norm, wie er angenommen hatte, sondern eine auffällige Anomalie. "Richtig. Das ergibt Sinn." Zweitens gab Meister Jet nicht vor, bescheiden zu sein, als sie sich als unterdurchschnittlich im Vergleich zu den Erwachten bezeichnete. Obwohl diese jungen Leute gerade erst ihren Weg als Erwachte begannen, war ihr Aussehen blendend. Alle waren gut aussehend, schön und strahlten Gesundheit aus. Er schluckte. "Trotzdem habe ich das Gefühl, dass keiner von ihnen vergleichbar ist. Sie ist vielleicht nicht so perfekt geformt, aber ... ich weiß nicht ... sie hat eine Präsenz. Es ist, als ob die Schatten tiefer werden und die Temperatur um ein paar Grad sinkt, wenn sie in einem Raum ist." War das der Unterschied zwischen einem Schläfer und einem Meister? Aber all diese Gedanken waren nur sein Versuch, das Unvermeidliche hinauszuzögern. Sunny wusste bereits, dass er sich auf eine wilde Fahrt einlassen würde. Denn er konnte nicht lügen, und all diese aufgeregten Jugendlichen, unabhängig von ihrer Kleidung, ihrem Geschlecht und ihrem Aussehen, wollten nur eines tun. Reden. Jeder von ihnen wollte mit anderen Schläfern sprechen. Sie wollten über ihre Albträume, ihre zukünftige Reise ins Traumland und alles dazwischen sprechen. Sie wollten Fragen stellen. Sie wollten, dass ihnen Fragen gestellt wurden. Sie wollten etwas Wichtiges besprechen oder einfach nur über dumme Dinge plaudern. Jeder wollte etwas mitteilen. "Das ist ein Albtraum!" stöhnte Sunny besorgt und ängstlich. "Ich bin verloren!" Dann knirschte er mit einer gewissen Entschlossenheit mit den Zähnen und atmete langsam aus. "Betrachte es einfach als eine Fortsetzung deiner Prüfung. Du hast den schwarzen Berg überlebt, also kannst du auch dies überleben." Er hatte sich Helden, Schurken, Monstern und sogar Göttern gestellt. Sollte er Angst vor einer Gruppe von Teenagern haben? ...Vielleicht hat er unterschätzt, wie beängstigend Teenager sein können. In einer halben Stunde hassten praktisch alle im Raum ihn. Nach einer kurzen Gesprächsreihe hatte Sunny den Ruf eines unausstehlichen, unflätigen Perversen erworben. Dieser Ruf wurde schnell gefestigt. Er wurde ein paar Mal geohrfeigt und sogar einmal geschlagen. Er entdeckte auch ein paar neue Dinge über sein wahres Selbst – nämlich, dass er im Innersten offenbar unhöflich, arrogant und mehr als nur ein bisschen lüstern war. Die Gespräche verliefen etwa so: "Schau dir all diese jungen Leute an. Wie viele, denkst du, werden aus dem Traumreich zurückkehren? Wie viele werden umkommen? Wie schätzt du unsere eigenen Überlebenschancen ein?" "Ich weiß es nicht, aber ich bin ziemlich sicher, dass ein aufgeblasener Narr wie du als erster sterben wird!" Oder: "Ich habe in meinem Albtraum sogar eine rüstungsähnlichen Erinnerung bekommen. Es ist ein verzaubertes Gewand. Willst du es sehen?" "Eigentlich würde ich dich lieber ohne Gewand sehen..." Oder: "Diese Ganoven haben angefangen, die Leichen auszurauben. Es war widerlich! Sie nahmen sogar ihre Schuhe weg! Welche Art von Entartung nimmt einem Toten die Schuhe weg?" "Ich habe einmal einen Mann getötet und seine Stiefel mitgenommen. Es waren schöne Stiefel." "Was? Du hast jemanden nur wegen eines Paar Stiefel getötet?" "Natürlich nicht! Es gab andere Gründe. Ich habe auch seinen Mantel mitgenommen." Einmal mehr ein Außenseiter, wurde Sunny schließlich allein gelassen. Die Leute schienen ihn zu meiden. Unbeirrt suchte er sich eine ruhige Ecke und blieb dort stehen, froh, dass niemand mehr mit ihm reden wollte. Sein Gesicht schmerzte, und aus seiner Nase tropfte Blut. Aus einer Gruppe ausgeschlossen zu werden, war nicht neu, aber es tat trotzdem weh. Trotzdem lächelte er. Denn im Zuge der Anfeindung der ganzen Gruppe Schläfer gegen sich entdeckte Sunny etwas Entscheidendes. Er lernte, wie man seinen Makel kontrolliert. Sobald ihm eine Frage gestellt wurde, konnte er nicht schweigen. Er konnte auch nicht lügen. Doch nach vielen Versuchen hatte Sunny herausgefunden, dass er mit ein wenig Übung genau beeinflussen konnte, wie die Wahrheit schließlich herauskam. So war es: Nachdem eine Frage gestellt wurde, produzierte sein Verstand automatisch eine wahrheitsgemäße Antwort. Danach zwang ihn der Makel, diese Antwort laut auszusprechen. Wenn er sich weigerte, zu sprechen, baute sich Druck auf, der zu stechenden Schmerzen führte. Je länger er schwieg, desto schlimmer wurden die Schmerzen. Schließlich musste er sich ergeben und die Wahrheit preisgeben. In jenen Momenten zwischen der Frage und der Kapitulation vor dem Schmerz konnte der eigentliche Wortlaut der Antwort geändert werden. Je mehr sie sich von der ursprünglichen Gedanken entfernte, desto mehr Widerstand würde er antreffen – wiederum in Form von Druck, dann Schmerz. Es musste immer noch wahrheitsgemäß sein, aber nicht mehr so krass. Wenn Meister Jet ihn zum Beispiel beim Starren erwischt hätte und ihn gefragt hätte, worauf er schaue, hätte Sunny, anstatt sich zu blamieren, ein wenig Schmerz ertragen und einfach sagen können: "Du." Das wäre immer noch die Wahrheit, aber das Ergebnis wäre ein ganz anderes. Versteckt in der Ecke grinste Sunny, als er die Schläfer beobachtete. "Das ist gut. Das ist großartig. Damit kann ich arbeiten!" Man musste nicht lügen, um jemanden zu täuschen. Manchmal war die Wahrheit das beste Material für eine Täuschung. *** Wenn man sie mit einer gewissen hinterhältigen Intelligenz einsetzt, kann die Wahrheit genauso irreführend sein wie Lügen. In einem seiner früheren Gespräche hatte Sunny zum Beispiel gestanden, dass er einmal einem Toten die Stiefel gestohlen hatte. Der andere Mann war entsetzt und fragte, ob er wirklich jemanden nur für ein Paar Stiefel getötet hätte. Die Antwort, die der Makel ihn zwang zu geben, war, dass es andere Gründe gab und dass er auch den Mantel des Mannes gestohlen hatte. Der wahre Grund für das Töten des erfahrenen Sklavenhändlers war, dass er Sunny ein paar Stunden zuvor ausgepeitscht hatte. Außerdem war er bereits im Sterben begriffen. Der Mantel hatte nichts mit dem Mord selbst zu tun. Die Formulierung der Antwort erweckte jedoch den Eindruck, dass dies der Fall war. Zwei wahrheitsgemäße Aussagen erwecken also eine Wirkung, die einer Lüge gleichkommt. Dies ist nur ein einfaches Beispiel. Durch viel Mühe und intensives Nachdenken könnte Sunny andere Arten von manipulativen Wahrheiten schaffen. Es würde extrem schwierig und riskant sein, aber es ist machbar. Er brauchte nur ein bisschen Glück. Es war an der Zeit, seine Theorie in die Praxis umzusetzen. Sunny vergaß nicht, was sein Hauptziel war – dafür zu sorgen, dass niemand jemals seinen wahren Namen herausfindet. Um das zu erreichen, musste er den Eindruck erwecken, er sei die erbärmlichste, schwächste Person im ganzen Gebäude. Jemand, der niemals eine positive Bewertung erhalten würde, geschweige denn einen göttlichen Aspekt und einen wahren Namen. Da dies jedoch eine Lüge wäre, konnte er es nicht einfach sagen. Wie sollte er also alle davon überzeugen, dass er sicherlich keinen mächtigen Aspekt und keine beeindruckende Erfolgsgeschichte mit dem Zauber hat? Sein Blick fiel auf eine bestimmte Gruppe von Schläfern. Es gab fünf oder sechs von ihnen, die sich um einen großen, selbstbewussten jungen Mann versammelten. Der junge Mann hatte braune Haare und ein sanftes, gut aussehendes Gesicht. Seine Augen waren grün, mit einem Hauch von freundlichem Humor. Seine Haltung, seine Statur und sein aufmerksamer Blick verrieten, dass er eine umfassende Ausbildung absolviert hatte. Alles an diesem jungen Mann strahlte Adel und Stärke aus. Genau in diesem Moment sagte einer seiner Begleiter mit erstauntem Ton: "Aufgestiegen? Du hast einen aufgestiegenen Aspekt erhalten? Was... was war deine Bewertung?!" Der junge Mann lächelte bescheiden. "Oh, es war 'ausgezeichnet'." Sunny blieb vor der Gruppe stehen, als wäre es ein Zufall. Nachdem er die Antwort des jungen Mannes gehört hatte, runzelte er die Stirn und sah ihn verächtlich an. Dann sagte Sunny mit einer Stimme voller Erstaunen: "Aufgestiegen, ausgezeichnet? Das ist alles? Was ist daran so besonders?"
Sunny war sich ziemlich sicher, dass sein Schatten zu viel mehr fähig war, als nur ein stiller Mitläufer zu sein. Immerhin hatte der Zauberspruch ihn als unschätzbaren Helfer beschrieben. Es lag nun an ihm, herauszufinden, wie genau die Schattenkontrolle helfen konnte. Wie in vielen anderen Angelegenheiten, die mit Aspekten zu tun haben, gab es ein gewisses Maß an instinktivem Verständnis, das tief in seinem Unterbewusstsein vergraben war. Dieses Verständnis wurde ihm entweder durch den Zauber verliehen oder war etwas, das jedem Erwachten angeboren war. Sunny musste nur das unterbewusste Wissen spüren und lernen, es in die Praxis umzusetzen. Noch einmal konzentrierte er sich darauf, seinen Körper und seinen Geist zu spüren, dann befahl er dem Schatten, eine Reihe von einfachen Bewegungen auszuführen. Mit jeder dieser Bewegungen wurde er mehr und mehr mit dem Gefühl vertraut, den Schatten zu kontrollieren. Bald war es für ihn so natürlich wie das Atmen und Gehen. Der Schatten fühlte sich wie ein Teil seines Körpers an. Zufrieden mit diesem ersten Ergebnis, gab Sunny ihm vorsichtig einen neuen Befehl. Ohne Pause löste sich der Schatten von den Sohlen seiner Schuhe, ging zum anderen Ende des Raumes, drehte sich um und starrte ihn in leicht spöttischem Schweigen an. Sunny stand ohne Schatten da. Das ist ganz und gar nicht wissenschaftlich", dachte er mit einem amüsierten Lächeln. Die Wissenschaft hat ja nie wirklich etwas mit dem Zauberspruch zu tun gehabt. Als der Schatten sich entfernte, spürte er eine sehr seltsame Spaltung in seinem Geist. Es war, als hätte sich seine Wahrnehmung in zwei verschiedene Quellen aufgeteilt. Die eine war sein Körper, die andere - sein Schatten. Mit etwas Mühe gelang es ihm, sich auf die zweite Quelle zu konzentrieren. Augenblicklich verschwamm seine Sicht. "Whoa!" platzte Sunny überrascht heraus. "Whoa!", hörte der Schatten vom anderen Ende des Raumes. Sunny blinzelte. In seinem Kopf gab es jetzt zwei Bilder. Das eine zeigte die Tür seines Zimmers, vor der ein gleichgültiger Schatten stand. Das andere zeigte einen blassen jungen Mann, der mit großen Augen und verwirrt auf einem Stuhl saß. 'Das bin ich.' Er hob einen Arm und fuchtelte damit in der Luft herum. Gleichzeitig hob der blasse junge Mann seinen und winkte. Ich kann die Welt durch meinen Schatten wahrnehmen? Er saß eine Weile da und dachte nach. Eine solche Fähigkeit eröffnete ihm eine Menge Möglichkeiten. Mit seinem [Kind der Schatten]-Attribut, das ihm erlaubte, in der Dunkelheit zu sehen und sich heimlich zu bewegen, und mit [Schattenkontrolle], das ihm erlaubte, einen hinterhältigen Schatten als Späher auszusenden, war er sozusagen ein perfekter Spion. Ein Spion war jemand, der Informationen sammelte, ohne sich einem großen Risiko auszusetzen. Eine solche Rolle entsprach ganz Sunnys Geschmack. Natürlich waren Spione auch in der Lage, mit tödlicher Präzision aus dem Verborgenen heraus zuzuschlagen. Bewaffnet mit Informationen waren sie meisterhafte Angreifer. Da sie die Schwächen des Gegners kannten, waren ihre Angriffe präzise und tödlich. Aber jede direkte Konfrontation würde bedeuten, sich selbst in Gefahr zu bringen, und deshalb war Sunny nicht besonders scharf darauf, ein Attentäter zu werden. Schließlich fehlten seinem Aspekt noch die Mittel, um seine Kampfkraft direkt zu steigern. Sollen wir es ausprobieren? Er sah den Schatten an und gab ihm einen Befehl. Mit einem übertriebenen Seufzer beugte sich der Schatten hinunter und schlüpfte flink unter der Tür hindurch. Sofort konnte er sowohl das Zimmer als auch den Flur draußen sehen. Sunny schloss die Augen und konzentrierte sich auf das vom Schatten projizierte Bild. Er bewegte sich von einem Schatten zum anderen und glitt den Flur entlang. Mit ein wenig Timing und Überlegung war sein Späher praktisch unsichtbar. Sunny ging an ein paar Schläfern vorbei und lauschte ihrem Gespräch. Da er es nicht sehr interessant fand, ging er weiter. Schließlich blieb der Schatten an einer Ecke stehen. Zu seiner Linken befanden sich die Aufzüge, zu seiner Rechten der Weg zu den Mädchenschlafsälen. Sofort schossen Sunny alle möglichen aufreizenden Bilder durch den Kopf. 'Oh je!', dachte er und wurde rot. Ja, mit dieser Fähigkeit war es auch sehr leicht, in völlige Verderbtheit zu verfallen! Aber nein, nein. Er konnte es nicht tun. Nicht wegen irgendwelcher hoher moralischer Prinzipien... Es war nur so, dass bei seinem Ruf als Perverser die Wahrscheinlichkeit, gefragt zu werden, ob er etwas Unanständiges getan hatte, ziemlich hoch war. Er musste also in der Lage sein, ehrlich mit "Nein" zu antworten. 'Also ... sollte ich es wahrscheinlich nicht tun. Richtig?' Richtig? 'Natürlich hast du Recht! Denk nicht einmal darüber nach!' Zurück in seinem Zimmer seufzte Sunny mit viel Bedauern. Dann wies er seinen Späher an, sich im Schatten eines vorbeigehenden Schläfers zu verstecken und folgte ihm zu den Aufzügen. *** Einige Zeit später versteckte sich Sunnys Schatten in einer Ecke eines großen Dojos. Er beobachtete seine Schläferkollegen, die unter der Leitung von Ausbilder Rock den Einführungskurs in den Kampf durchführten. Heute ging es vor allem darum, ihre allgemeinen Fähigkeiten und Fertigkeiten zu testen. Danach sollten die Schläfer in Gruppen eingeteilt werden, die sich nach ihrem Niveau, wie Anfänger, Fortgeschrittene oder Experten, sowie nach der von ihnen gewählten Waffe richteten. Einige bekamen einen persönlichen Tutor zugewiesen oder wurden zusammengetan. Zurzeit führten die Schläfer abwechselnd ihre stärksten Schläge auf eine breite Platte aus, die an einer speziellen Messmaschine befestigt war. Nach jedem Schlag zeigte die Maschine eine Zahl an, die der Körperkraft des Schläfers entsprach. Theoretisch war es nicht schwer, eine solche Maschine zu bauen. Wenn man jedoch bedenkt, dass viele Schläfer über kampforientierte Aspekte verfügten, die ihre Kraft auf verschiedene Weise verstärkten, war sie ein Wunderwerk der Technik und der Haltbarkeit. Ihre Technik und ihr Training beeinflussten ebenfalls das Endergebnis. Die meisten Leute erreichten Werte zwischen zehn und vierzehn. Das galt als ein gutes Ergebnis, das nur die sportlichsten Menschen erreichen konnten. Viele Schläfer, natürlich diejenigen mit verstärkten Aspekten, konnten jedoch auch fünfzehn oder sogar sechzehn Punkte erreichen. Ich würde wahrscheinlich zehn oder elf erreichen", dachte Sunny und fühlte sich ein wenig gelangweilt. Dann wurde er plötzlich hellhörig und bemerkte, dass Nephis, der Schläfer mit der höchsten Punktzahl, an der Reihe war, die Platte zu schlagen. Das schlanke Mädchen näherte sich der Maschine und versetzte ihr ohne große Vorbereitung einen plötzlichen, vernichtenden Schlag. Sunny war in der Kampfkunst nicht sehr bewandert, aber selbst er war beeindruckt von der makellosen Ökonomie und Geschwindigkeit ihrer Ausführung. Sie hatte eine Menge Training.' Nephis wurde immer interessanter. Was ist ihr eigentlicher Hintergrund? Nach einer kurzen Pause zeigte die Maschine das Ergebnis an: sechzehn. Sunny war ein wenig enttäuscht. 'Nicht so beeindruckend. Ich hatte mehr erwartet.' Immerhin war sie die stolze Trägerin eines Wahren Namens! Danach blieb nur noch Caster übrig. Diesmal konnte Sunny die fliegende Faust nicht einmal sehen - sie war einfach zu schnell. Die Maschine zitterte und ließ sich mehr Zeit mit der Berechnung. Schließlich erschienen zwei Zahlen. Einundzwanzig. Alle starrten fassungslos auf die Anzeige. Mehr als ein paar bewundernde Blicke wurden Caster zugeworfen, der sich einfach verbeugte und einen Schritt zurücktrat. Ausbilder Rock lächelte. "Nicht schlecht. Jetzt werden wir zum Sparring übergehen und euren allgemeinen Trainingsstand bewerten. Ich brauche zwei Freiwillige für den Anfang." Nephis war der erste, der nach vorne trat und in die Mitte des Rings ging. Ein paar Sekunden später folgte ein großer und extrem muskulöser Schläfer und stellte sich ihr gegenüber. "Die Regeln sind einfach. Lass den Rücken deines Gegners den Boden berühren oder wirf ihn aus dem Ring. Setze alle Fähigkeiten und Techniken ein, die du für angemessen hältst." 'Oh, die Show beginnt!' Schläfer gegeneinander kämpfen zu sehen, war nicht nur unterhaltsam, sondern konnte Sunny auch Wissen über ihre Kräfte vermitteln. Zurück im Zimmer lehnte er sich vor und stützte sein Kinn auf seine Handflächen. Los Nephis! Der große Kerl griff an, ohne Zeit zu verlieren. Seine Muskeln bäumten sich auf und drohten, den weichen Stoff seines weißen Doboks zu zerreißen. Er stürmte vor wie ein unaufhaltsamer Berg und ließ einen bösartigen Tritt fliegen. ... Eine Sekunde später lag er mit verblüfftem Gesichtsausdruck auf dem Boden. Nephis änderte nicht einmal ihre Haltung. Ausbilder Rock warf ihr einen fröhlichen Blick zu und grinste. "Der Nächste." Was nun folgte, konnte man nur als Massaker bezeichnen. Einer nach dem anderen gelang es Nephis, fast jeden einzelnen Schläfer im Dojo zu besiegen. Sie schien nicht schneller oder stärker zu sein als sie, aber jedes Mal, wenn jemand den Ring betrat, um gegen sie zu kämpfen, wurde er unweigerlich geschlagen und zu Boden geworfen. Sunny beobachtete das Geschehen mit wachsender Belustigung. Doch irgendwann wurde selbst ihm ein wenig mulmig zumute. Nephis bewegte sich mit der ruhigen Präzision einer Kampfmaschine. Ihre Technik war sauber, anmutig und rücksichtslos. Egal, welche Art von Angriff ihr entgegengeschleudert wurde, sie war in der Lage, ihn entweder vorherzusehen oder sofort darauf zu reagieren und ihn dann mit einem Minimum an Aufwand gegen den Angreifer zu wenden. Dabei spielte es keine Rolle, ob ihr Gegner arm, reich oder ein Erbe war. Jeder würde in Sekundenschnelle erledigt sein. Außerdem änderte sich während des gesamten Prozesses nicht ein einziges Mal der ruhige Ausdruck auf ihrem Gesicht. Es war, als wäre Nephis aus Metall gemacht. Ist... ist sie überhaupt ein Mensch?' dachte Sunny und war plötzlich beunruhigt. Was sollte er tun, wenn sich dieser Veränderliche Stern als sein Feind entpuppte? Das Beste wäre, wegzulaufen. Oder noch besser, er sollte versuchen, sie erst gar nicht zu verärgern. Schließlich war die Sonne auch ein Stern, und Schatten vertragen sich nicht gut mit Sonnenlicht. Schließlich war Caster der letzte Verbliebene - wieder einmal. Das klägliche Scheitern aller anderen Schläfer schien ihn jedoch nicht zu beunruhigen. Mit einem sanften Lächeln auf den Lippen betrat der junge Mann den Ring. Caster und Nephis standen sich gegenüber. Ihre Blicke trafen sich für ein paar Sekunden, dann verbeugte sich Caster leicht. "Lady Nephis. Bitte entschuldigen Sie mich im Voraus." 'Was hat er vor...' ... Einen Moment später öffnete Sunny schockiert die Augen.
Am Tag der Wintersonnenwende erwachte Sunny müde und schläfrig. So sehr er auch versuchte, diese Trägheit abzuschütteln, sie wollte nicht verschwinden. Schließlich blieb er einfach für eine Weile im Bett liegen und hüllte sich in eine Decke. Er kannte dieses Gefühl der endlosen, erdrückenden Schläfrigkeit bereits. Es war das gleiche wie in den Tagen vor seinem ersten Albtraum. Es war auch ähnlich dem, was er erlebt hatte, als er langsam an Unterkühlung starb an den Hängen des Schwarzen Berges. Als er sich an die kalte Umarmung des nahenden Todes erinnerte, konnte Sunny nicht umhin zu zittern. Dies war sein letzter Tag auf der Erde... zumindest für eine Weile. Bei Einbruch der Nacht würde der Bann ihn erneut in die unendlichen Weiten des Traumreichs entführen. Was er damit in dieser zerstörten magischen Welt erwartete? Würde das Glück diesmal auf seiner Seite sein, oder würde es eine weitere Katastrophe geben? Es hatte keinen Sinn zu raten. Er hatte bereits alles in seiner Macht Stehende getan, um sich auf das Unvermeidliche vorzubereiten. Er hatte hart gelernt, hart trainiert und sein Geheimnis bewahrt. Sein Aspekt war besser als bei den meisten, und sein Überlebenswille war durch die harte Realität der Randgebiete und das noch härtere Erlebnis des ersten Albtraums längst gestählt. Alles in allem war er bereit. Mit einem Seufzer stieg Sunny aus dem Bett und ging seiner Morgenroutine nach. Wenn dies seine letzte heiße Dusche für eine lange Zeit sein sollte, würde er sie richtig genießen. Wenn es für eine Weile sein letztes schmackhaftes Frühstück sein sollte... Tatsächlich hatte er keinen Appetit. Die Cafeteria war voller Schläfer, aber niemand sprach. Alle waren niedergeschlagen und schienen ungewöhnlich nachdenklich zu sein. Es gab kein übliches Lachen oder ausgelassenen Gespräche - nur die Nachkommen blieben ruhig und gelassen. Aber auch sie blieben für sich. Sunny dachte an das letzte Mal, als er sich auf den Zauber vorbereitete, und näherte sich mit etwas Angst der Kaffeemaschine. Während seines Aufenthalts in der Akademie hatte er längst festgestellt, dass viele Menschen dazu neigen, Zucker und Milch in ihren Kaffee zu geben. Also beschloss er, es an diesem besonderen Tag noch einmal zu versuchen. Immerhin war es schön, eine Tradition zu haben. Ein paar Minuten später nahm er seinen üblichen Platz neben Cassia, dem blinden Mädchen, ein. Obwohl sie zwangsläufig nebeneinander saßen, hatten sie noch nie miteinander gesprochen, ganz wie zwei Fremde, die durch Umstände, die ihrer Kontrolle entzogen waren, gezwungen waren, denselben Raum zu teilen. Sunny sah heute keinen Grund, daran etwas zu ändern. Aber kaum hatte er den ersten Schluck Kaffee getrunken, drehte Cassia plötzlich den Kopf und starrte ihn mit ihren schönen, blinden blauen Augen an. Erschrocken sah Sunny sich um, um zu überprüfen, ob jemand anderes ihre Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte, und fragte, nachdem er sich vergewissert hatte, dass niemand hinter ihm stand: "W-Was?" Cassia schwieg, als ob sie zögern würde, ob sie antworten sollte, und sagte dann plötzlich: "Alles Gute zum Geburtstag." Sunny runzelte die Stirn und versuchte, die Bedeutung ihrer Worte zu verstehen. Dann erschien ein Anflug von Überraschung in seinem Gesicht. 'Oh, stimmt. Heute ist mein Geburtstag.' Er hatte es völlig vergessen. Er wurde heute siebzehn Jahre alt. 'Aber wie wusste sie das?' Sunny warf dem blinden Mädchen einen seltsamen Blick zu, öffnete den Mund und beschloss dann, die Sache fallen zu lassen. Sie war einfach zu unheimlich. "Äh... danke." Mit einem Nicken wandte sich Cassia wieder ab und schien das Interesse an einem Gespräch erneut verloren zu haben. Das war auch besser so. Sunny widmete sich wieder seinem Kaffee und fand ihn diesmal gar nicht so schlecht. Natürlich trugen Zucker und Sahne den größten Teil dazu bei. Dennoch fühlte er sich nach dem Trinken etwas wacher. 'Siebzehn, hm?' Sunny war sich nie sicher, dass er dieses Alter lebend erreichen würde. Dennoch war es ihm trotz allem gelungen. Das Leben war manchmal wirklich unvorhersehbar. Wenn ihm jemand vor einem Jahr gesagt hätte, dass er seinen siebzehnten Geburtstag mit echtem Kaffee mit echter Milch und Zucker feiern würde, hätte er ihm ins Gesicht gelacht. Aber jetzt war es Realität. Ungewollt erinnerte sich Sunny an all die Menschen, die einst mit ihm Geburtstag gefeiert hatten. Bevor er schlechte Laune bekam, verdrängte er diese Gedanken entschlossen und zwang sich, zu lächeln. 'Das ist nicht schlecht. Lass uns das nächstes Jahr wiederholen, wenn ich schon ein Erweckter bin.' Ermutigt durch diese Gedanken, trank Sunny seinen Kaffee aus und verließ die Cafeteria. Es gab heute keine Klassen, aber er besuchte trotzdem das Wildnisüberleben-Klassenzimmer und verabschiedete sich von Lehrer Julius. Der alte Mann wurde ziemlich emotional, als er sich von ihm verabschiedete. Er gab Sunny ungefähr ein Dutzend Mal hintereinander einen letzten Tipp und versprach ihm sogar, sich um eine Stelle als Forschungsassistent zu bewerben, die frei wurde, nachdem der junge Mann ein Erweckter geworden war. Sunny bedankte sich bei ihm für seine Zeit und Geduld. Danach gab es nicht mehr viel zu tun. Als die Sonne kurz vor dem Untergang stand, versammelte Ausbilder Rock sie im Foyer des Sleeper Centers und führte sie nach draußen. In den verschneiten Parks, die das weiße Gebäude umgaben, führten andere Erweckte ihre eigenen Gruppen von Schläfern zum selben Ziel. Es war das medizinische Zentrum der Akademie. Das Zentrum ähnelte eher einem Schrein als einem Krankenhaus. In seinem Inneren befanden sich sowohl hochmoderne Technologie als auch einige der besten Heiler unter den Erweckten. Während ihrer ersten Reise ins Traumreich würden die Körper der Schläfer in speziell entworfenen Kapseln sicher aufbewahrt und von den magischen Kräften dieser Heiler unterstützt, falls auf der anderen Seite des Zaubers etwas Unglückliches passieren sollte. Ob sie am Ende wieder aufwachen würden, hing natürlich ganz von den Schläfern selbst ab. Zu Sunnys Überraschung führte Ausbilder Rock sie nach dem Betreten des medizinischen Zentrums nicht direkt in den Flügel mit den Schläferkapseln. Stattdessen führte er sie auf eine vergleichsweise einsame Etage und öffnete dann die Türen zu einer geräumigen Galerie, die von den schönen rötlichen Strahlen der untergehenden Sonne hell beleuchtet wurde. Dort sahen sie Reihen und Reihen von Rollstühlen. In jedem Rollstuhl saß eine Person mit einem leeren, seltsam friedlichen Gesichtsausdruck. Alle diese Menschen waren völlig still, unbeweglich und regungslos. Sie zeigten keinerlei Reaktion auf das Erscheinen der Gäste. Sie alle schienen... leer zu sein. In der unheimlichen Stille spürte Sunny, wie sich seine Haare aufstellten und ein schleichender Schrecken tief in sein Herz sickerte. Ausbilder Rock blickte mit ernsten Augen auf die leeren Menschen. "Es gibt einen Grund, warum ich euch alle hierher gebracht habe. Seht gut hin und erinnert euch. Einige von euch wissen vielleicht, wer diese Leute sind... für diejenigen, die es nicht wissen, sie werden Hollow genannt." Er knirschte mit den Zähnen. "Jeder von ihnen war einst entweder ein Schläfer oder ein Erweckter. Einige von ihnen waren schwach, andere stark. Einige waren sogar unglaublich mächtig. Sie alle sind im Traumreich umgekommen." 'Ihre... ihre Seelen sind weg', erkannte Sunny entsetzt. "Wenn du Glück hast, stirbt dein Körper mit deinem Geist, sobald er zerstört ist. Aber wenn nicht, wirst du genau wie sie. Hollow." Ausbilder Rock schaute in die Richtung, in der Caster und Nephis standen, und fügte dann hinzu: "Stirb also nicht da draußen." Eine halbe Stunde später wurden die Schläfer zu ihren persönlichen Räumen geführt und bereiteten sich darauf vor, in die Kapseln zu gehen. In einem der Räume versuchte das blinde Mädchen Cassia verzweifelt, sich in dem ungewohnten Raum zurechtzufinden, indem sie die Wände und die seltsamen Maschinenteile mit ihren Händen berührte. Tränen strömten über ihr schönes, puppenhaftes Gesicht. In einem anderen Raum starrte der stolze Nachkomme Caster lustlos auf den Boden. Seine Lippen bewegten sich und wiederholten einen seltsamen Satz immer und immer wieder. Er zitterte. Irgendwo anders blickte Changing Star Nephis, die letzte Tochter des Clans der Unsterblichen Flamme, auf ihre Hände hinunter. Unter ihrer Haut leuchtete ein sanftes, weißes Licht immer heller. Ihr Gesicht war von entsetzlichen Qualen gezeichnet. Schließlich gab es einen Raum, in dem der Schatten-Sklave Sunless, Lost from Light, sich von der Schlaflade abwandte und auf seinen Schatten hinunterblickte. "Nun? Bist du bereit?" Der Schatten zuckte mit den Schultern und antwortete nicht. Sunny seufzte. "Ja, ich auch." Damit stieg er in die Kapsel. In der weiten, hallenden Dunkelheit hörte er: [Willkommen im Traumreich, Sonnenlos!]
Sunny hatte erwartet, das Ziel seiner Ankunft im Traumreich zuerst aus der Vogelperspektive zu betrachten, so wie es beim ersten Alptraum der Fall gewesen war. Damals hatte die Zeit sich auf magische Weise rückwärts bewegt und ihm so einen Vorgeschmack auf die kommenden Ereignisse gegeben. Jedoch, kaum hatte er die Begrüßung des Zaubers vernommen, fand sich Sunny blind und ertrinkend wieder. Als er instinktiv versuchte zu schreien, strömte salziges Wasser in seinen Mund und ließ ihn würgen und sich krümmen. Mehr noch, er konnte nichts sehen. Es war nicht so, dass er nicht sehen konnte - es gab einfach keine Lichtquelle. Normalerweise war Dunkelheit für Sunny kein Problem, aber aus irgendeinem Grund funktionierte sein Sehvermögen plötzlich nicht mehr. Vielleicht wurde es durch das Salzwasser, in das er getaucht war, blockiert. Wäre da nicht die besondere Raumwahrnehmung, die ihm seine Affinität zu den Schatten verlieh, er wäre komplett desorientiert gewesen. Mit ihrer Hilfe konnte er jedoch gerade so ausmachen, wo oben und wo unten war. Zum Glück hatte Lehrer Julius ihm das Schwimmen beigebracht. Mit dem Vorsatz, sowohl dem alten Mann als auch Meister Jet zu danken, sobald er wieder zurück war, zwang sich Sunny zur Ruhe und begann nach oben zu schwimmen. Nach einigen angespannten und langen Sekunden durchbrach sein Kopf die Wasseroberfläche. Endlich konnte er tief und heiser Luft holen. 'Atme, atme. Du lebst noch!' Nachdem er genug Luft aufgesogen hatte, um seine brennenden Lungen zu beruhigen und sich ein wenig zu sammeln, begann Sunny vorsichtig, sich im Wasser zu drehen, um seine Umgebung wahrzunehmen. Was er sah, war ein endloses, pechschwarzes Wellenmeer. Darüber ein leerer, schwarzer Himmel. Kein Mond, keine Sterne, nur eine dunkle Leere, die eine beklemmende Ausstrahlung hatte. Sunny blinzelte ein paar Mal, die Kälte kroch ihm ins Herz. 'Ein Meer? Ein Ozean? Bin ich mitten in einem Ozean abgesetzt worden?' Nein, das konnte nicht sein. Irgendwo musste es festen Boden geben! Während ihn ein Moment der Panik erfasste, lenkte ein fernes Geräusch seine Aufmerksamkeit auf sich. Sunny drehte sich und sah eine dreieckige Rückenflosse auf ihn zukommen. Glücklicherweise war sie noch hunderte Meter entfernt. 'Warte … wenn sie so weit weg ist … warum kann ich sie dann so deutlich sehen?' Obwohl er noch unter Wasser war, hatte Sunny das Gefühl, dass sich plötzlich kalter Schweiß auf seinem Körper ausbreitete. Nach seiner Einschätzung war die Rückenflosse mindestens fünf Meter groot. Sie näherte sich mit rasender Geschwindigkeit und wuchs mit jeder Sekunde deutlich an. 'Verflucht seist du, Zauber!' Vor Schreck drehte Sunny sich wieder um und suchte verzweifelt nach irgendetwas, das ihm helfen könnte. Und da, nicht weit entfernt, bemerkte er schließlich eine dunkle Masse, die leicht aus dem Wasser ragte. Ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, begann er mit Armen und Beinen zu rudern und schwamm mit beachtlicher Geschwindigkeit auf die dunkle Masse zu. Doch egal wie schnell er schwamm, der riesige Schatten des unbekannten Wesens näherte sich viel schneller. Trotz der grenzenlosen, urtümlichen Angst, die er empfand, konnte Sunny einen klaren Kopf behalten. Um nicht vollständig in Panik zu geraten, zwang er sich zum Denken und befahl dann seinem eigenen Schatten, sich um seinen Körper zu wickeln. Sofort verdoppelte sich seine Geschwindigkeit. Nur wenige Sekunden, bevor das unbekannte Ungetüm ihn erreichte, erreichte Sunny die dunkle Masse, streckte seine Hände aus und zog sich aus dem Wasser. Er rollte sich von der Kante weg, sein Körper wurde von den unebenen Steinen zerkratzt, und er zuckte zusammen, als die gesamte Oberfläche unter ihm erbebte, als ob etwas Riesiges dagegen gestoßen wäre. Als Sunny sich zurückzog, tauchten schreckenerregende Kiefer aus dem Wasser auf, gefüllt mit Reihen von riesigen Zähnen, die mindestens so lang waren wie er selbst. Mit großen Augen erkannte er, dass der Felsen, auf den er geklettert war, nicht hoch genug war, um ihn vor dem Monster zu schützen. 'Warum versucht es mich zu fressen?! Ich bin viel zu klein, um für so ein riesiges Ding eine sättigende Mahlzeit zu sein!' Aber bevor das Monster zuschnappen konnte, durchbrach plötzlich ein gewaltiger Tentakel die Wasseroberfläche und erhob sich wie ein schwarzer Turm in die Luft. Kurz darauf fiel er wieder herab und wickelte sich um das Monster, bevor es wieder unter die Wasseroberfläche gezogen wurde. Sunny sackte zusammen, das Geühl in seinen Beinen war verschwunden. Sein ganzer Körper zitterte vor Schreck. Einige Sekunden später war das dunkle Meer wieder ruhig, als ob nichts passiert wäre. Die gleichgültigen Wellen bewegten sich still unter dem lichtlosen Himmel. 'Es hat also nicht versucht, mich zu fressen', stellte er fest, wie gelähmt vor Schreck. 'Es hat versucht, wegzulaufen.' *** Einige Minuten später war Sunny sich ziemlich sicher, dass nichts ihn verschlingen würde, zumindest nicht sofort. Mit dieser Gewissheit war er endlich in der Lage, seine Umgebung in Augenschein zu nehmen. Die dunkle Masse, auf die er geklettert war, stellte sich als eine etwa zwölf Meter durchmessende Steinplattform heraus. Die Oberfläche war größtenteils flach, mit Rillen versehen und trocken. Aufgrund der regelmäßigen Ecken und Kanten wirkte es eher wie etwas von Menschen Geschaffenes als eine natürliche Formation. Aber hier im Traumreich war es schwer zu sagen, ob etwas von Menschenhand tatsächlich von Menschen geschaffen wurde... Besser, nicht weiter darüber nachzudenken. Die Plattform war mit nichts verbunden, sie existierte wie eine kleine Insel im Dunkeln. Soweit Sunny sehen konnte, ragte nichts anderes aus dem Wasser heraus. Nachdem er das festgestellt hatte, wurde ihm noch etwas anderes klar. Er war nass, kalt und völlig nackt. 'Hm.' Zu seiner Verteidigung, das Thema Bekleidung stand ganz unten auf der Prioritätenliste, als man versucht, sich vor abyssalen Monstern zu retten. Außerdem war ja niemand hier, um seine Blässe oder seine Genitalien zu begutachten. Trotzdem war es irgendwie kalt. Sunny rief den Mantel des Puppenspielers herbei und beobachtete, wie dunkelgraue Kleidungsstücke seinen Körper bedeckten. Dazu gehörten sogar ein Paar hohe, weich besohlte Lederstiefel. In dem grauen Stoff und dem matten Leder fühlte er sich gleich viel sicherer. Und wärmer. Dann setzte sich Sunny in die Mitte der Plattform, so weit es ging vom Wasser entfernt, und versuchte, sich an die Eigenschaften jeder einzelnen erkundeten Region des Traumreiches zu erinnern. Leider passte keine von ihnen in diese Sternlose, dunkle Leere. 'Natürlich nicht, dachte er mit einem Hauch von Bitterkeit. Selbst wenn einige unglückliche Menschen jemals hierher gekommen sind, zweifele ich daran, dass sie es lebend zurück in die reale Welt geschafft haben.' Nicht mit solchen Dingen, die unter Wasser lauern. Noch nicht verzweifelt genug, die Plattform zu verlassen und auf der Suche nach Land zu schwimmen, beschloss Sunny abzuwarten. Vielleicht würde sich irgendetwas ändern, mit der Zeit. Mit einem leisen Seufzer warf er einen Blick auf seinen Schatten. Doch aufgrund der Dunkelheit, die ihn umgab, konnte er ihn nicht wirklich erkennen. Er konnte seine Präsenz gerade noch spüren. 'Das muss ein Paradies für dich sein, oder? Alles ist so dunkel und es ist kein einziger Stern zu sehen!' Sein Schatten gab natürlich keine Antwort. 'Wie auch immer, danke für deine Hilfe vorhin.' Sunny legte sich hin und benutzte seine Hände als Kissen. Nachdenklich starrte er in den schwarzen Himmel und wartete. Das Geräusch der Wellen war tatsächlich ziemlich entspannend. Nach einer Weile schloss er seine Augen und lauschte. Die Minuten vergingen und wurden zu Stunden. Plötzlich nahm Sunny eine Veränderung im Geräusch des Meeres wahr. Es hörte sich an, als würde sich etwas bewegen. Er öffnete die Augen und sah, wie sich eine Ecke des Himmels langsam aufhellte. Bald konnte man einen blassen Sonnenaufgang am Horizont erkennen. Ein neuer Tag war im sternenlosen Leeren angebrochen. Und mit ihm wogte das dunkle Meer plötzlich auf.
Die Tage vergingen wie im Flug. Sunny hatte nur vier Wochen Zeit, um sich auf die Reise ins Reich der Träume vorzubereiten, deshalb blieb ihm keine einzige Minute zu verlieren. Er war unermüdlich und trieb seinen Körper und seinen Geist bis an die Grenzen, um in dieser kurzen Zeit so viel Wissen und Fähigkeiten wie möglich aufzunehmen. Tagsüber lernte er bei Lehrer Julius, wie er ohne Zivilisation überleben und für sich selbst sorgen konnte. Die Lektionen reichten von vergleichsweise einfachen Dingen wie der Herstellung von Feuer bis hin zu mehr rätselhaften und geheimen Bereichen wie der Himmelsnavigation. Was war so schwierig an der Himmelsnavigation? Nun, wie sich herausstellte, war das Traumreich hinsichtlich der Sternengeografie nicht einheitlich. Verschiedene Regionen hatten unterschiedliche Sterne und Sternbilder sowie eine unterschiedliche Anzahl von Monden. Obwohl die Sonne gleich schien, war ihr Verhalten höchst unberechenbar. Dennoch konnte man mit ausreichendem Wissen Wege finden, den Himmel zu studieren und sich anschließend zu orientieren. Die meisten dieser Lektionen waren angeblich bereits in den verschiedenen Lehrplänen enthalten und den meisten Schläfern bekannt. Aber etwas aus einem Lehrbuch zu lernen und dasselbe von einem Erwachten zu lernen, waren zwei völlig verschiedene Dinge. Lehrer Julius hatte die Angewohnheit, bei seinen Erklärungen viel gründlicher zu sein. Dank dieser zeitaufwendigen Angewohnheit lernte Sunny nicht nur das "Was", sondern erhielt oft auch Einblicke in das "Warum". dieses heranwachsende Verständnis der grundlegenden Prinzipien des Traumreichs-Umfelds ermöglichte es ihm, jeder Situation zumindest mit einer gewissen Bereitschaft zu begegnen. Selbst die Lektionen in den toten Sprachen, die Sunny anfangs für nutzlos gehalten hatte, erwiesen sich als viel interessanter als er es sich je hätte vorstellen können. Das lag größtenteils daran, dass es um den Zauber selbst ging - schließlich kommunizierte der Zauber mit den Menschen in einer dieser toten Sprachen. Indem er die Sprache kannte, konnte er die verschiedenen Äußerungen und Beschreibungen besser verstehen. Das einfachste Beispiel dafür war Nephis und ihr Wahrer Name, "Changing Star". Diese Übersetzung war zwar technisch korrekt, gab aber die genaue Bedeutung nicht richtig wieder. Durch das Verständnis der grammatikalischen Struktur der Runensprache war es einfach zu erkennen, dass die korrektere Übersetzung "Stern der Veränderung" gewesen wäre. Darüber hinaus gab es verschiedene Runen für "Veränderung", jede mit ihrer eigenen Bedeutung. Je nachdem, welche Rune genau verwendet wurde, um die Bedeutung des Namens zu übermitteln, konnte er auch "Ruinöser Stern" oder "Stern des Unglücks" bedeuten. Eine kleine Änderung im Wortlaut und in der Bedeutung konnte im wirklichen Leben einen enormen Unterschied bedeuten. Sunny, der zuvor noch nie ernsthaft studiert hatte, fand den Prozess des Aneignens großer Mengen theoretischen Wissens seltsam, betäubend und anstrengend. In gewisser Weise war es jedoch auch erregend. Schließlich war Wissen etwas, zu dem nur die Privilegierten Zugang hatten. Und es war gerade diese Autorität über das Wissen, die ihnen in ihrer Machtposition hielt und einen Teufelskreis der Ungleichheit schuf. Die Armen hatten keine Möglichkeit zu studieren, und ohne den Vorteil einer guten Ausbildung hatten sie keine Möglichkeit, nicht mehr arm zu sein. Das Seltsamste an all dem war, dass Sunny nun zu diesen Privilegierten gehörte. Er war sogar an der Spitze der sozialen Hierarchie. Er hatte nicht nur Zugang zu einer unbegrenzten Menge an Wissen, sondern auch seine Grundbedürfnisse wie Nahrung und Unterkunft wurden von der Regierung gedeckt, so dass er sich voll und ganz auf sein einziges Ziel, sich als Erwachter zu entwickeln, konzentrieren konnte. Diese plötzliche Verwandlung hätte ihn in einen Strudel philosophischer Überlegungen gestürzt, wenn er Zeit gehabt hätte. Aber die hatte er nicht, denn Lehrer Julius bestand darauf, jeden zweiten Tag praktischen Unterricht abzuhalten. Auch wenn einige Kurse in Virtual-Reality-Simulationen durchgeführt werden mussten, bestand er darauf, Stationen mit verstärktem physischem Feedback zu verwenden. Als Ergebnis war Sunny erschöpft und völlig erschöpft. Das Gute daran war, dass Sunny bei so viel Bewegung und in Verbindung mit seinem neu gestählten Körper in besserer Verfassung als je zuvor war. Selbst ohne Kampftraining spürte er, wie seine Kraft, Ausdauer und Beweglichkeit sprunghaft verbesserten. Grundsätzlich hatte die merkwürdige Wiedergeburt, die er nach Vollendung des Ersten Alptraums erlebt hatte, das angeborene Potenzial seines Körpers verbessert und ihn auf den Gipfel des menschlichen Zustands gebracht. Es lag jedoch an ihm, dieses Potenzial durch Schweiß, Anstrengung und viel harte Arbeit zu verwirklichen. Die praktische Anwendung von Überlebenstechniken in der Wildnis bot ihm die Möglichkeit dazu. Und falls das noch nicht genug wäre, sammelte Sunny heimlich Informationen über andere Schläfer und übte sich jede Nacht in Schattenkontrolle. Sein Schatten war unabhängig genug, um ohne seine direkte Kontrolle auf Erkundungsmissionen geschickt zu werden. Er schlich sich hierhin und dorthin, belauschte die Gespräche und beobachtete die verschiedenen Klassen, in denen die Schläfer ihre Aspektfähigkeiten demonstrierten. Nachdem Sunny sein Abendessen beendet hatte und in sein Zimmer zurückgekehrt war, kam er zurück und berichtete alles, was er während des Tages gehört und gesehen hatte. Das einzige Problem bei dieser Anordnung war, dass sich der Schatten trotz seiner äußerlichen Schärfe als ziemlich naiv erwies. Er verstand nicht ganz, wie die menschliche Welt funktionierte, und konnte daher oft nicht zwischen nützlichen Informationen und sinnlosem Geschwätz unterscheiden. Meistens erhielt Sunny also nichts Wertvolles oder nur saftigen Klatsch anstelle von wichtigen Geheimnissen. So erfuhr er, dass im Sleeper Center Romantik in der Luft lag. Immerhin waren dort hundert schöne junge Menschen in unmittelbarer Nähe zueinander eingesperrt, und über ihren Köpfen schwebte die tödliche Bedrohung. Viele hatten das Gefühl, dass das Leben kurz war und dass sie den Tag nutzen sollten. Im Schatten der nahenden Gefahr erblühte die Leidenschaft. Sunny war natürlich von dieser ganzen Sache ausgeschlossen. Erstens, weil er sich bereits so positioniert hatte, dass er als unsympathischer Verrückter wahrgenommen wurde. Zweitens hatte er einfach keine Zeit für etwas anderes als seinen Unterricht und sein Training. Und zuletzt hütete er sich davor, irgendjemandem zu nahe zu kommen, weil er befürchtete, in eine Situation zu geraten, in der er keine andere Wahl hätte, als seinen Wahren Namen preiszugeben. Neben dem Sammeln von Informationen und dem langsamen Erlernen des Umfangs und der Details verschiedener Aspektfähigkeiten und in geringerem Maße Schwächen, experimentierte er auch mit der Schattenkontrolle. Die Ergebnisse waren sehr vielversprechend. Er fand schnell heraus, dass sein Schatten in der Lage war, nicht nur seinen Körper, sondern auch andere Objekte zu verbessern. Wenn er sich um eine Waffe wickelte, schlug die Waffe härter zu und richtete mehr Schaden an. Wurde er auf eine Rüstung aufgetragen, so wurde diese stabiler und war schwerer zu durchbrechen. Die Verstärkung war auch ziemlich erheblich. Sie war etwa doppelt so hoch wie der ursprüngliche Wert. Insgesamt konnte diese Fähigkeit, wenn richtig eingesetzt, ihn zu einem Kraftpaket unter den Schläfern machen. Viele Kampfaspekte konnten mehr Geschwindigkeit oder Schaden liefern, viele konnten mehr Verteidigung und Schutz bieten, aber keine waren so vielseitig wie der Schattensklave. Mit dem zusätzlichen Nutzen von Schattensicht, Schattenschritt und Schattenspäher war es wirklich unglaublich. So verging Tag für Tag, und aus den Tagen wurden langsam Wochen. Ehe es Sunny bewusst wurde, war schon die Wintersonnenwende angebrochen.
Das schwarze, undurchsichtige Wasser begann plötzlich aufzuwogen und zu brodeln, fast so als ob ein lebendiges Wesen verzweifelt versuchte, dem einfallenden Licht der Morgendämmerung zu entfliehen. Ganz langsam stand Sunny auf und näherte sich nach einigem Nachdenken vorsichtig dem Rand der Steinplattform. Nach unten blickend blinzelte er, dann kniete er hinab um sicherzustellen, dass das, was er sah, keine Illusion war. Es schien, als ob das Meer zurückwich. Erst langsam, und dann immer schneller, sank der Wasserspiegel. Die kreisförmige Steinformation, die er als Zuflucht genutzt hatte, ragte kaum noch aus den Wellen hervor, aber nun lagen viele Meter von nassen Felsen zwischen ihm und der unruhigen Wasseroberfläche. Während die Sonne aufstieg, ging die extreme Ebbe weiter. Bald stand Sunny am Rande einer hohen Klippe, mit einem hundert Meter tiefen Abgrund, der ihn von den wirbelnden Wassern trennte. Unter ihm breitete sich die Felsformation aus und veränderte sich. Allerdings war es von seinem Aussichtspunkt aus schwer zu erkennen, welche Form diese genau annahm. Zu diesem Zeitpunkt begann die dunkle Wasseroberfläche hier und da von scharfen, karmesinroten Klingen durchstoßen zu werden. Als der Wasserspiegel noch weiter sank, schien sich schließlich ein karmesinroter Wald aus der Schwärze der Tiefe zu erheben. Die "Bäume" bestanden aus etwas, das Korallen ähnelte, sie wuchsen chaotisch ineinander und streckten sich gen Himmel. Sie waren riesig und ihre unregelmäßigen Vorsprünge wickelten und verschmolzen miteinander - sie sahen monumentenartig und gespenstisch aus, im schwarz-roten Dasein der sonnenerhellten Leere. Das von diesem sonderbaren Riff gebildete Labyrinth erstreckte sich soweit Sunny sehen konnte, hier und da unterbrochen von hervorstehenden Klippen, plötzlichen Schluchten und entfernten natürlichen Merkmalen. Eine halbe Stunde später blickte Sunny, vollkommen schockiert, nach unten und stellte fest, dass das Meer gänzlich verschwunden war. Wenn nicht die schwarzen Algen, die auf feuchten Felsen hingen, und die scharlachroten Korallensäulen ihm als Beweis dienten, würde er sogar bezweifeln, dass es jemals dagewesen war. Seine kleine, kreisförmige Insel hatte sich in den Gipfel einer merkwürdig geformten, turbinehohen Klippe verwandelt. Als er hinuntersah, schwindelte ihm der Kopf. Zu diesem Zeitpunkt war die Nacht bereits vollkommen zurückgetreten und hatte den Morgen endlich Platz machen lassen. "Ich bilde mir das doch nicht ein, oder?" überlegte Sunny, während er sich kneifte. Welchen Zauber war das? Trotz des plötzlichen Verschwindens des dunklen Meeres und seiner versteckten Monster hatte Sunny es nicht eilig, von seiner kreisförmigen Steinplattform herabzusteigen. Erstens, wenn das Meer so abrupt verschwinden konnte, dann konnte es auch sicherlich genauso schnell wieder auftauchen, und das möglicherweise jeden Moment. Und zweitens wusste er nicht, welche Gefahren das Korallenlabyrinth für ihn bereithielt. Vielleicht gab es dort unten etwas, das noch beängstigender war als der Besitzer des gigantischen Tentakels. Aber das hieß nicht, dass er nicht vorhatte, die Gegend zu erkunden. Er kehrte zu seinem Platz in der Mitte der Plattform zurück, setzte sich nieder und befahl seinem Schatten, sich von seinem Körper zu trennen. Dann kontrollierte er den Schatten, damit dieser sich dem Rand der Plattform nähert und geschickt hinunterrutscht. Er bewegte sich wie gewohnt von einem Schatten zum nächsten, er begann den Abstieg. In diesem Moment war Sunny froh, dass Schatten kein Gewicht hatten und nicht von der Schwerkraft beeinflusst wurden. Als der Schatten gerade mit dem Abstieg beschäftigt war, gähnte Sunny. "Sag mal, glaubst du nicht, dass du einen Namen benötigst?" Obwohl sein Schatten bereits zu weit weg war, um ihn zu hören, konnten sie sich immer noch über ihre gemeinsame Verbindung verständigen. Natürlich, weil der Schatten dazu in der Lage war, hieß das nicht, dass er das auch tun würde. Der Schatten war eher wortkarg, vor allem da er keine Stimmbänder hatte und daher nicht in der Lage war zu sprechen. Außerdem war er auch nicht unbedingt gut gelaunt. "Wie wäre es mit... Schamlos? Nein? Was ist mit... Schattig? Auch nein? Hmm, wie wäre es mit etwas Einfacherem, wie... Was? Hast du denn Vorschläge? Na gut, na gut! Wir vertagen dieses Gespräch auf später." Bis er mit seinem kurzen Monolog fertig war, hatte der Schatten bereits den Fuß der Klippe erreicht. Die Reichweite von "Schattenkontrolle" war nicht grenzenlos, doch gerade so ausreichend, um ihre unmittelbare Umgebung zu erforschen. Als Sunny das Labyrinth betrat, erkannte er, wie verwirrend und kompliziert es doch war. Die Wege zwischen den Korallensäulen waren mal breit, mal schmal. Sie windeten und drehten sich ohne ersichtliche Logik, führten oft in Sackgassen oder brachten ihn sogar an seinen Ausgangspunkt zurück. Darüber hinaus mündeten manche Wege auch im Inneren der "Korallen" Hügel und verwandelten sich in dunkle Tunnel. Das Labyrinth war riesig und vielschichtig, was Sunnys Kopf schmerzen bereitete, nachdem er mehrere erfolglose Versuche unternommen hatte, die Anordnung der nächsten Wege zu merken. Er schickte letztlich den Schatten nach oben und brachte ihn dazu, auf den karmesinroten Wald hinaufzuklettern und von einer spitzen Korallenklinge zur nächsten zu springen, obwohl er wusste, dass er selbst dazu nicht in der Lage sein würde. Schließlich umkreiste er die seltsame Klippe und erstarrte, schockiert von dem, was sich in ihrem Schatten abspielte. Dort lag der Körper des riesigen, haifischähnlichen Kreatur, die ihn in der vergangenen Nacht nur kurz verfolgt hatte, auf dem Boden, die Korallensäulen um ihn herum zerbrochen und gesplittert. Genauer gesagt, lag nur die eine Hälfte dort, mit grotesken Innereien, die aus der entsetzlichen Wunde quollen und sich weit in die Ferne erstreckten. Die andere Hälfte war verschwunden, als hätte es sie nie gegeben. Um den Leichnam herum wimmelte es von Hunderten kleinerer Monster, die Stück für Stück sein Fleisch abrissen und verschlangen. Jedes von ihnen war etwa zweieinhalb Meter groß und sah aus wie eine seltsame Mischung aus einer dämonischen Krabbe, einem Zentaur und einem Alptraum. Sie hatten vier Paar lange segmentierte Beine, die in sichelförmigen Fortsätzen endeten. An der Vorderseite ragte ein menschenähnlicher Torso aus dem Panzer, ebenfalls mit einer dicken Chitinschale bedeckt. Der Kopf, wenn man ihn überhaupt als solchen bezeichnen konnte, befand sich direkt auf dem Torso, ohne erkennbaren Hals dazwischen. Er hatte zwei schmale Augenschlitze und einen gefährlich aussehenden Mund mit mehreren schleimigen Mandibeln. Anstelle von Händen besaß die Kreatur zwei enorme Scheren. Im Moment benutzten alle diese Scheren, um Fleisch von den ausgetrockneten Leichen abzureißen und in ihre Mäuler zu stopfen. Von Zeit zu Zeit entstand ein Kampf um ein besonders saftiges Fleischstück, welcher in einigen Monstern endete, die in Stücke gerissen und von den Siegern rasch verschlungen wurden. Sunny schluckte. Die Aussicht auf schwerbewaffnete, mächtige Monster machte ihn nervös und der Anblick ihrer Fressgelage löste plötzlich einen heftigen Hunger in ihm aus. "Jedes Einzelne von ihnen scheint schrecklich viel Ärger zu bedeuten. Und es gibt Hunderte von ihnen." Sein Glück war, wie immer, schrecklich. "Aber wenigstens muss ich mich nicht fragen, warum sich das Labyrinth so leer anfühlt. Alle Einwohner feiern eine Party!" Mit einem etwas mulmigen Gefühl, ließ Sunny seinen Schatten umdrehen und die Klippe studieren, auf der er Zuflucht gefunden hatte. Irgendetwas daran ließ ihn keine Ruhe. Der Schatten drehte sich um und schaute nach oben, um den Anblick der seltsam geformten Klippe aufzunehmen. Es dauerte ein paar Minuten, bis Sunny seinen Blickwinkel ändern und die Klippe als das erkennen konnte, was sie tatsächlich darstellte. "Das ist... ein Finger, das ist eine Hand, das ist... ein Schwert?" Er blinzelte. "Das ist eine Statue." In der Tat war der Felsen künstlich gemacht. Es war eine antike, riesige Statue von mindestens zweihundert Metern Höhe. Das Ausmaß war so massiv, dass es einem den Verstand raubte. Soweit Sunny sehen konnte, stellte sie einen Ritter dar, der in einer kunstvollen Rüstung steckte, in deren Brustplatte sieben leuchtende Sterne eingemeißelt waren. Der Ritter hielt ein gigantisches Schwert in seinen Händen und richtete es auf den Boden. Das bemerkenswerteste Merkmal der Statue war jedoch, dass dem riesigen Steinritter der Kopf fehlte. Tatsächlich war die ziemlich runde Plattform, auf der Sunny stand, der obere Teil seines Halses. Und nach dem Aussehen zu urteilen, war der Kopf nicht absichtlich fehlend - es sah so aus, als hätte etwas oder jemand diesen in der fernen Vergangenheit gewaltsam abgerissen. Sunny lief um die Plattform herum und schaute von allen Seiten hinunter, konnte aber nirgendwo den Kopf der Statue ausmachen. "Um alles in der Welt, was ist das hier für ein Ort?" Ohne weiter in die Tiefe zu gehen und einer Antwort auf seine Frage näher zu kommen, wies er seinen Schatten zurück zum Hals des Riesen und lehnte sich an den westlichen Rand dieses, um die fressenden Monster zu beobachten. Er bewegte sich nicht, bis die Sonne fast unterging. Genau wie Sunny erwartet hatte, setzte ein ohrenbetäubendes Grollen ein, sobald die Sonne den Horizont berührte, das Geräusch kam von irgendwo unten. Die Monster hörten sofort auf zu fressen und flüchteten, einige versteckten sich in Korallensäulen, andere gruben sich einfach in den weichen Boden ein. Nur wenige Minuten später erschienen die ersten Ströme von schwarzem Wasser im Labyrinth. Ihr Volumen wuchs schnell und bald verschlang die apokalyptische Flut alles um sie herum. Das Meer kehrte mit Anbruch der Nacht zurück. Sunny starrte auf diesen unvorstellbaren Prozess und seine Gedanken überschlugen sich. In einer Stunde war die kreisförmige Plattform das Einzige, was erneut über das dunkle Wasser ragte.
Es schien so, als würde Caster plötzlich aufhören zu existieren. Doch das war nur eine Illusion. Die Realität war, dass er sich einfach so schnell bewegte, dass das menschliche Auge seine Bewegungen nicht mehr folgen konnte. Wenn nicht für die speziellen Eigenschaften des Schattengesichts hätte auch Sunny nichts wahrnehmen können. Auch dann bemerkte er nur eine nebulöse Unschärfe, die durch die Luft schoss. In einem Sekundenbruchteil überbrückte Caster die Distanz zwischen ihm und Nephis und führte einen vernichtenden Schlag aus. Aber trotz seiner erstaunlichen Geschwindigkeit gelang es ihr irgendwie, rechtzeitig und geschickt genug zu reagieren, um den Schlag abzuwehren. Aber es reichte immer noch nicht ganz. Obwohl Nephis es vermied, direkt in ihre Körpermitte getroffen zu werden, landete Casters Faust auf ihrer Schulter und ließ das Mädchen ins Taumeln geraten. Ohne weitere Zeit zu verlieren, verschwand Caster erneut. Sein Plan war simpel: während Nephis immer noch annahm, dass der Feind vor ihr war, würde er seine übernatürliche Geschwindigkeit nutzen, um sie zu umkreisen und von hinten anzugreifen. Der junge Mann tauchte hinter dem ahnungslosen Mädchen auf, bereit, den Kampf mit einem entscheidenden Schlag zu beenden. Genau wie geplant, schien sie sich darauf vorzubereiten, in die Richtung anzugreifen, in der er nur einen Sekundenbruchteil zuvor gesehen worden war. Caster schob sein Gewicht zufrieden auf seine Faust. Doch im letzten Moment änderte Nephis plötzlich ihre Haltung und schleuderte ihren Ellbogen mit erschreckender Kraft zurück. Casters Augen weiteten sich. Es war alles nur ein Bluff! Und jetzt, nachdem er sich zu einem Schlag entschieden hatte, gab es keine einfache Möglichkeit mehr, ihn zu stoppen. Egal wie schnell er war, die Gesetze der Trägheit galten immer noch. Der Ellbogen kam mit einem gewissen Gefühl von Unvermeidlichkeit auf sein Gesicht zu. Und doch gelang es Caster, ihm auszuweichen, wenn auch nur um Haaresbreite. Sein Geschwindigkeitsvorteil war einfach zu groß. Dann brachte er Nephis zu Fall und schob sie weg, sodass sie zu Boden stürzte. Aber kurz bevor sie auf den Matten aufprallte, griff der junge Mann vorsichtig nach dem Kragen ihres Doboks und zog sanft daran, um den Fall zu verlangsamen und Nephis einen sanften Aufprall zu ermöglichen. Auf dem Rücken liegend, blinzelte das Mädchen ein paar Mal und schaute zu ihm hoch. Die gesamte Auseinandersetzung dauerte nicht länger als zwei Sekunden. Zurück in seinem Zimmer riss Sunny schockiert die Augen auf. 'So sieht also ein Aufgestiegener Aspekt aus? Das ist... einfach nicht fair!' Ein Schläfer hatte kein Recht, so schnell zu sein. Die von dem Zauber verliehenen Fähigkeiten sollten sich noch in einer Art Entwicklung befinden. Aber... Caster ist ein sogenanntes Vermächtnis, das sollte man vielleicht auch bedenken. Wer weiß, wie viele Seele-Splitter ihm zugeführt wurden, bevor er an der Akademie aufgenommen wurde? Zurück im Dojo machte Ausbilder Rock ein widerwilliges Grunzen und nickte Caster zu. Nephis erhob sich langsam von dem Boden. Die restlichen Schläfer starrten den jungen Mann mit Ehrfurcht an und flüsterten untereinander gedämpft. Es schien, als hätte sein Auftritt sie nachhaltig beeindruckt. Trotzdem freute sich Caster selbst nicht besonders. Er blickte auf Nephis mit einem undurchschaubaren Gesichtsausdruck. Denn im Gegensatz zu den anderen war ihm eine gewissen Erkenntnis gekommen. Dieses Wissen war nur ihm, Nephis, Ausbilder Rock und Sunny bekannt, der sehr aufmerksam war und solche Dinge schnell begriff. Was die Schläfer nicht bemerkten war, dass Nephis ihren Aspekt nicht benutzt hatte, als sie gegen Caster antrat. Tatsächlich hatte sie ihn während des heutigen Tests gar nicht eingesetzt. Niemand wusste demnach, was ihre Fähigkeit war. Und dennoch hatte Caster, trotz seines mächtigen Aspekts, nur knapp gegen sie gewonnen. 'Was für ein Monster,' dachte Sunny, voller Unruhe. Der Schatten, der sich in einer Ecke des Dojos versteckt hielt, schien ihm voll und ganz zuzustimmen. *** Nach diesem Kampf war der Einführungskurs vorbei. Die Schläfer gingen erschöpft duschen. Sunny wartete noch eine Weile und ließ dann seinen Schatten in die Umkleidekabine der Jungen schleichen. Er hatte nicht wirklich Interesse daran, eine Gruppe Teenager beim Umziehen zu beobachten, aber es bestand eine kleine Möglichkeit, dass Caster entweder seinen Kampf mit Nephis kommentieren oder einige Fragen zu seiner unglaublichen Aspektfähigkeit beantworten würde. Genauso wie erwartet, war der junge Mann von einer Horde neu bekehrter Fans umgeben. Sie gratulierten ihm zu seinem Sieg, voller Bewunderung und Aufregung. Caster hingegen wirkte keineswegs erfreut. Sein Ausdruck war düster und seine Augen waren voller Schwere. Immer dunkler wurde sein Gesichtsausdruck, mit jedem Lob das er bekam. "Caster, das war unglaublich!" "Dein Aspekt ist überwältigend, oder?" "Das Mädchen Nephis hatte gar keine Chance!" "Echter Name? Wer braucht das schon? Sie ist nur ein Trittbrettfahrer!" Schließlich blickte Caster den letzten Jungen, der gesprochen hatte, kalt an. Dieser Junge, genau wie er, war eines der wenigen sogenannten Vermächtnisse in dieser Gruppe von Schläfern. Er runzelte die Stirn, überrascht von Casters Reaktion. "Was ist das?" Caster hielt sichtlich mit der Wut zurück. "Vielleicht hätte ich das von ihnen erwartet, aber du, du solltest es besser wissen." Das andere Vermächtnis hob eine Augenbraue. "Warum? Ist an diesem Bauernmädchen etwas Besonderes?" Casters Augen weiteten sich. "Bauernmädchen … Bauernmädchen? Weißt du wirklich nicht, wer sie ist?" 'Nein!' dachte Sunny genervt. 'Also, sag es doch einfach laut!' Glücklicherweise teilte der arrogante Schläfer diese Einstellung. Caster öffnete einige Male den Mund, als sei er sich nicht sicher, was er sagen sollte. Schließlich schüttelte er den Kopf und antwortete: "Sie ist Nephis vom Clan der Unsterblichen Flamme." Sobald er das sagte, wurde das andere Vermächtnis totenblass. Caster beachtete ihn nicht weiter und fuhr fort. "Ich nehme an ich muss euch nichts über ihren Großvater erzählen. Ihre Eltern waren Smile of Heaven und Broken Sword." Zurück in seinem Raum, fiel Sunny fast vom Stuhl. Auch er wusste, wer die Unsterbliche Flamme und das Gebrochene Schwert waren. Ersterer war der erste Mensch, der den zweiten Albtraum besiegte und ein Meister wurde. Letzterer, der erste, der den dritten Albtraum besiegte und ein Heiliger wurde. Sie und ihre Gefährten gehörten zu den bekanntesten Helden der menschlichen Rasse, sie hatten Geschichte mit ihren eigenen Händen neu geschrieben. Wenn das, was Caster sagte, stimmte, dann war Nephis nicht nur ein Aristokrat ... sie war königlich! Kein Wunder, dass er sie so förmlich ansprach. Warum nannte er sie nicht einfach "Prinzessin"? Aber das Ende macht einfach keinen Sinn! Seine Gedanken wiedergebend, fragte der blass gewordene Schläfer mit zitternder Stimme, "Dann warum … warum ist sie so …" Caster seufzte. "Weil sie alle tot sind. Der Clan der Unsterblichen Flamme existiert nicht mehr." Für einige Augenblicke war es in der Umkleidekabine still. Caster sah zu Boden. "Sie ist die Einzige, die übrig geblieben ist." *** Spät in der Nacht, als alle schon schliefen, ging Sunny heimlich zum Dojo. Er sah sich um, stellte sicher, dass niemand da war, und ging dann neugierig zum Ring, in dem Nephis und die anderen zuvor getestet worden waren. Er blieb in der Mitte des Rings stehen und erinnerte sich ein Weilchen daran, wie sie es mit Dutzenden von Schläfern aus ihrer Gruppe aufgenommen hatte, bevor sie von Caster besiegt wurde. "Monster... beide sind Monster!" murmelte er, bitter und niedergeschlagen. Mit einem Kopfschütteln verließ Sunny den Ring und blickte dann auf seinen Schatten. "Stimmtst du zu?" Der Schatten zögerte ein paar Sekunden und dann riss er seine Brust vor und verschränkte die Arme, um übermütig, verächtlich und unerschütterlich auszusehen. Aber seine Darbietung war nicht sehr überzeugend. "Ja, du hast recht. Genau so ist es! Was ist schon dabei?" Sowohl die Unsterbliche Flamme als auch das Gebrochene Schwert waren Nephis Vater und Großvater und sie waren, was die Macht anging, so monströs wie man nur sein kann. Aber trotzdem konnten sie ihre Familie nicht vor der Ausrottung schützen. Also war Macht am Ende nicht so wichtig. Selbst die königliche Familie war der Grausamkeit der Welt nicht gewachsen. Sunny seufzte und ging dann zur Messmaschine. Er machte eine Faust, schwang sie und führte seinen besten Schlag aus. Die Maschine summte ein paar Sekunden und zeigte dann eine einzelne Zahl an. Neun. "Oh, komm schon! Ich verdiene mindestens eine Zehn!" Empört schlug er erneut zu, fast hätte er sich die Finger verletzt. Aber das Ergebnis blieb das gleiche. "Verdammt noch mal!" Sunny rannte ein wenig herum, um seine Wut zu verstauen. anscheinend war es sein Schicksal, ein Schwächling zu sein. Die Stärke eines Schlages hängt schließlich von Masse und Beschleunigung ab. Beschleunigung kann man mit Technik und Übung optimieren, aber die Masse kann man nicht einfach ändern. Er hatte bereits aufgehört zu wachsen und seine Höhe würde in Zukunft nicht mehr drastisch zunehmen. Egal wie hart Sunny auch trainierte, er würde immer ein Leichtgewicht bleiben. Das ist nicht fair! Auf einmal überkam ihn ein Gefühl der Verbitterung und er schlug erneut auf die Platte, diesmal mit all seiner Frustration. In diesem Moment erwachte ein seltsamer Instinkt in Sunnys Kopf. Diesem Instinkt folgend bewegte sich sein Schatten und umschloss seine Hand, haftete daran wie ein schwarzer Handschuh. Im nächsten Moment traf der Schlag die Platte. Die Maschine zitterte unter der Wucht des Schlages. Sunny stieß einen Schmerzensschrei aus und trat einen Schritt zurück, seine geprellte Faust schmerzte. Nach ein paar weiteren Sekunden wurde das Ergebnis angezeigt. Aber es war keine ne
'Verdammt!' Das war der einzige Gedanke in Sunnys Kopf, als er ungeschickt nach hinten fiel und die Zange mit einem lauten "Klack" direkt vor seinem Gesicht zuschnappen ließ. Die gezackten, chitinhaltigen Klingen waren so nah, dass er deutlich sehen konnte, wie Schlammstücke an ihrer Oberfläche klebten. Sunny landete auf dem Rücken und wich dem unerwarteten Schlag nur knapp aus. Das Gute daran war, dass er es schaffte, nicht verletzt oder sogar getötet zu werden. Das Schlechte war, dass er am Boden lag und nicht in der Lage war, schnell Abstand zwischen sich und seinem Angreifer herzustellen. Die überdimensionale Zange schwebte immer noch bedrohlich über ihm. Eben als Sunny diese Erkenntnis dämmerte, rollte er sich verzweifelt zur Seite. Im nächsten Moment stürzte die Zange nach unten und ließ den Schlamm leicht beben. Hätte er nicht so schnell reagiert, wäre Sunnys Brustkorb von diesem Schlag zertrümmert worden. Er wollte sich gerade aufrichten, als die Zange zur Seite ausholte. Zum Glück war Sunny vorbereitet: Statt den Angriff abzuwehren oder ihm auszuweichen, ging er mit der Bewegung mit, ließ die Zange auf seine ausgestreckten Hände prallen und federte so den Schlag ab. Während seine Arme vor Schmerz aufschrien, nutzte Sunny die Wucht des Schlages, um sich vom Boden abzustoßen und durch die Luft zu fliegen. Auf diese Weise würde er zumindest aus der Reichweite der Zange kommen. Er könnte vielleicht nicht gelernt haben, wie man kämpft, aber eines wusste er sehr gut: wie man fällt! Anstatt sich das Genick zu brechen oder durch die Landung die Luft aus den Lungen gepresst zu bekommen, spannte er seinen Körper an und rollte geschickt ab, bevor er in einiger Entfernung vom lauernden Monster zum Stehen kam. "Das nehme ich zurück!", dachte Sunny, sich an seine sarkastische Kritik an den Kampfrollen von Hero erinnernd. "Rollen ist ein wesentlicher Bestandteil jeder respektablen Monster-Kampftechnik!" Dann richtete er den Blick nach vorne, um die Situation einzuschätzen. Vor ihm hatte sich der Angreifer endlich gezeigt. Er wühlte sich aus dem Schlamm, warf einen riesigen Schatten auf den knienden Sunny. Seine winzigen Augen funkelten vor Wut, Hunger und Bosheit. Es handelte sich um eines der Zangenmonster, die er schon so lange beobachtet hatte. Die riesige Kreatur überragte ihn mit einer Höhe von fast drei Metern, bewegte ihre Mandibeln und stieß ein schrilles, durchdringendes Kreischen aus. "Warum frisst du den riesigen Kadaver nicht mit den anderen, du verdammter Krebs?!" Doch die Antwort auf Sunnys empörten Ausruf lag nahe. Das Monster schien in schlechter Verfassung zu sein: Die Hälfte seiner acht sensenartigen Beine war zerbrochen, und es gab Risse in seinem dicken Panzer, aus denen dickflüssiges, azurblaues Blut quoll. Zudem fehlte ihm einer seiner beiden Zangenarme, der augenscheinlich an der Schulter abgerissen worden war. Wäre es nicht in solch erbärmlichem Zustand gewesen, hätte die Kreatur keinen Grund gehabt, sich im Schlamm zu verstecken, um leicht Beute zu ergattern. Es hätte den anderen Monstern folgen und sich am Festmahl beteiligen können. Sunny hatte einfach das Pech, direkt in deren Hinterhalt zu geraten. Er hatte sich zu sehr auf die Aufklärungsfähigkeit seines Schattens verlassen und dabei vergessen, dass er nicht bedeutend aufmerksamer war als ein erwachter Mensch. Zudem war er schwerelos und lautlos - deswegen hatte das Monster auch nicht reagiert, als der Schatten eine Minute zuvor über seine Falle hinweggegangen war. Andererseits konnte Sunny sich auch glücklich schätzen - nach der gleichen Logik hätte er dem plötzlichen Angriff der Kreatur nicht ausweichen können, wenn diese nicht verkrüppelt und verlangsamt gewesen wäre. Doch das Grübeln über sein Glück konnte auf später warten - im Moment hatte Sunny eine viel wichtigere Aufgabe. Nämlich zu versuchen, zu überleben. "Komm zurück!", befahl er dem Schatten und sprang zur Seite. Im nächsten Augenblick wurde der Platz, den er gerade noch eingenommen hatte, von dem Monster zerrissen. Seine schwere Zange krachte gegen eine Korallensäule und schleuderte karmesinrote Splitter in alle Richtungen. Sunny fing sich und setzte seine Bewegung fort. Er hoffte, dass die massige, stark gepanzerte und verwundete Kreatur nicht mit seiner Geschwindigkeit mithalten konnte, aber leider war sie überraschend flink. Seine sensenartigen Beine durchbohrten den Schlamm hinter ihm, und die Zange flog schon wieder durch die Luft, jeden Moment bereit, den jungen Mann zu enthaupten. Sunny duckte sich, wich der Zange aus und konnte endlich einen Moment durchatmen. Seine Augen huschten umher und suchten verzweifelt nach etwas, das er als Waffe benutzen konnte. Beinahe sofort entdeckte er einen langen, glatten, scharfen Knochen, der von einer unbekannten Kreatur zurückgelassen worden war und aus dem Schlamm ragte. Während er sich in Bewegung hielt, bückte er sich, ergriff den Knochen und zog ihn mit einem kräftigen Ruck heraus. Der Knochen war fast eineinhalb Meter lang und endete in einer schmalen, scharfen Spitze. Es war fast wie ein Speer. Das Problem war jedoch, dass Sunnys Angriffsreichweite trotz der zusätzlichen Länge dieses improvisierten Speers immer noch geringer war als die des Monsters. Er bezweifelte auch, dass dieser den harten Panzer durchbohren konnte. Kurzum, er musste nahe herankommen und auf einen der Risse in der Rüstung der Kreatur zielen. Doch das wagte er nicht. Bei der geringen Entfernung könnten das Monster ihn allein mithilfe seines Gewichts und seines massigen Körpers zu Brei pressen. Eine verrückte Idee kam Sunny in den Sinn. Ein wenig schockiert konnte er sich nicht entscheiden, ob sie aus Kühnheit oder Dummheit entstanden war. Jedenfalls war er nicht verrückt genug, um sie wirklich in Betracht zu ziehen. In diesem Moment holte die Zange erneut aus. Dieses Mal konnte Sunny etwas zu spät ausweichen, und ein scharfer Schmerz durchbohrte sein linkes Bein. Es wurde von der Kante der Zange gestreift. Der Schutz des Puppenspielers hielt Stand und verhinderte, dass das Monster Blut vergoss, aber die Wucht des Aufpralls schleuderte Sunny zu Boden. Es blieb keine Zeit zur Erholung. Als sich seine Augen weit öffneten, verstand Sunny, dass es Zeit war, verrückt zu werden. Anstatt auszuweichen, blieb er stehen und ließ das Monster ihn mit der Zange am Oberkörper packen. Sofort senkte ein schrecklicher Druck sich auf seine Rippen. Sunny hatte das Gefühl, dass er zerschmettert würde, aber seine Rüstung, die er durch den Sieg über den erwachten Tyrannen erhalten hatte, hielt dem erdrückenden Biss der Zange des Monsters stand. Jeder Muskel seines Körpers spannte sich an, um den Moment hinauszuzögern, in dem seine Eingeweide zermalmt würden. Im nächsten Augenblick fiel Sunnys Schatten von oben herab und umhüllte den Schutz des Puppenspielers. Durch die verstärkten Schutzeigenschaften der Rüstung konnte er der pulverisierenden Umarmung der Zange besser widerstehen. Sunny und das Monster schienen in einer Pattsituation zu sein. Der junge Mann konnte sich nicht aus dem Griff des Monsters befreien, während das Monster ihn nicht töten konnte, indem es ihn mit seiner Zange in zwei Teile schnitt. Sie starrten sich gegenseitig an. Dann entflammte ein wahnsinniges Feuer in den Augen der Kreatur. Es schnalzte mit den Mandibeln und hob Sunny in die Luft, um ihn näher an seinen Kiefer zu bringen, offensichtlich mit der Absicht, ihm den Kopf abzubeißen. "Warum versuchen alle, mich zu fressen?! Bin ich wirklich so lecker?!" Sunny wehrte sich nicht, als das Ungeheuer ihn nahe an seine Kiefer heranführte. Er wusste, dass er nur eine Chance hatte zu überleben. Im letzten Moment ließ Sunny den Schatten vom Schutz des Puppenspielers auf den scharfen Knochen fließen, den er noch immer in der Hand hielt. Dann sammelte er all seine Kraft, beugte sich vor und stieß den Knochen mit aller Macht nach vorne. Von seiner Hand geführt, schoss der dunkle Knochenspeer nach vorne und durchbohrte das winzige Auge der Kreatur und drang tief ein. Das andere Auge des Monsters verengte sich. Vor Schmerz in seinen Rippen die Zähne zusammenbeißend, verdrehte Sunny den Knochen, um dem Gehirn der Kreatur so viel Schaden wie möglich zuzufügen. Einige Sekunden lang geschah nichts. Dann spürte er, wie der Druck auf seinen Körper nachließ. Die Zange öffnete sich und ließ Sunny zu Boden fallen. Als er auf den Schlamm fiel, stürzte auch das Ungeheuer nieder. Der Knochenspeer ragte noch immer aus seinem Kopf, gebadet in den Strömen der azurblauen Flüssigkeit. Sunny stöhnte und rang keuchend und schmerzerfüllt nach Luft. [Du hast ein erwachtes Tier getötet, die Panzerfresserin.] [Du hast eine Erinnerung erhalten: Azurblaue Klinge.] [Dein Schatten wird stärker.]
Sunny lag erschöpft im Schlamm und versuchte Atem zu holen. Die leise Stimme des Zaubers hallte in seinen Ohren wieder: [Dein Schatten wird stärker.] Sofort spürte er eine leichte Veränderung. Sein Körper wurde ein wenig kräftiger, seine Sicht ein wenig schärfer und seine Haut ein wenig glatter. Die Veränderung war minimal, aber offensichtlich. 'Was war das?' Er hatte eine Vermutung und es war einfach, diese zu bestätigen. Sunny rief die Runen auf: [Schattenfragmente: 14/1000]. Zuvor hatte er nur zwölf der mysteriösen Schattenfragmente besessen, ohne zu wissen, wie er mehr erwerben konnte. Jetzt schien der Prozess automatisch abzulaufen: Er musste nur einen Feind töten, um einen Teil deren Schatten zu absorbieren und seinen eigenen Kern zu verstärken. Mehr noch, die Anzahl der Fragmente, die er erhalten konnte, war nicht direkt mit der Anzahl der getöteten Feinde verbunden. Nach einigem Nachdenken kam Sunny zu einer vorläufigen Schlussfolgerung: ruhende Seelenkerne gaben ihm ein Fragment, während erwachte Kerne zwei gaben. Allerdings wurden nur Feinde gezählt, die er - mehr oder weniger - direkt besiegte. Das Töten der Bergköniglarve, einer ruhenden Kreatur, hatte ihm ein Schattenfragment eingebracht. Das Besiegen des erfahrenen Sklavenhändlers, eines ruhenden Menschen, brachte ihm ein weiteres Fragment. Der Bergkönig selbst war ein erwachter Tyrann, was bedeutete, dass er fünf erwachte Kerne hatte. Jeder von ihnen gab Sunny zwei Schattenfragmente, sodass er insgesamt zwölf hatte. Und jetzt, nachdem er den Panzer-Aasfresser getötet hatte, hatte er vierzehn. Interessanterweise erhielt er keine Fragmente durch die Todesfälle von Shifty, Scholar und Hero, obwohl sie infolge seiner Bemühungen gestorben waren. Es schien, dass er einen Feind mit seinen eigenen Händen besiegen musste, um einen Teil von dessen Schatten zu absorbieren. Nun, oder zumindest, indem er einen uralten, toten Gott beschwört. Der Prozess ähnelte sehr der Art und Weise, wie normale Erwachte ihre Macht steigerten, wobei der einzige Unterschied darin bestand, dass die Schritte der Extraktion und des Verzehrs des entsprechenden Materials, der Seelensplitter, zugunsten der sofortigen Absorption übersprungen wurden. Das bedeutete, dass Schattenfragmente nicht gelagert und folglich nicht gekauft oder gehandelt werden konnten. Er hätte keine Gelegenheit, sie als Belohnung für das Abschließen von Missionen, das Erbringen von Dienstleistungen oder das Verkaufen von Beute zu erhalten. Wenn Sunny stärker werden wollte, war seine einzige Option, zu kämpfen und zu töten: 'Kein friedliches Leben für mich, I guess.' Früher dachte Sunny, dass er wenigstens die Wahl hätte, einen relativ sicheren Weg zu beschreiten. Viele Erwachte verließen die Grenzen menschlicher Zitadellen nie und stellten sich nie den Alptraumkreaturen entgegen, sondern führten im Traumreich verschiedene Arbeiten durch, genau wie in der realen Welt. Sie erhielten Bezahlungen in Form von Seelensplittern, die gleichzeitig der Treibstoff für ihre Weiterentwicklung und die universelle Währung innerhalb der Zitadellen waren. Sunny war nie darauf aus, ein solches Leben zu führen, aber keine Wahl zu haben, war irgendwie ärgerlich. Zum Glück gab es auch eine gute Seite. Ohne den Bedarf, Seelensplitter zur Stärkung seines Kerns zu verwenden, könnte er alles, was er verdiente, frei und ohne Sorgen ausgeben. Schließlich wäre der Seelensplitter, nachdem er einen Feind getötet und die Schattenfragmente absorbiert hätte, noch da und könnte eingesammelt und gegen etwas eingetauscht werden, das Sunny in der Zukunft benötigen könnte. Das würde ihn in Bezug auf Einnahmen und Ausgaben doppelt so effizient machen, was kein geringer Vorteil war. Dazu kam die Sache mit dem Schattenkern... Da sowohl Sunny als auch sein Schatten damit verbunden waren, würde das Verstärken des Kerns nicht nur Sunnys Kräfte steigern, sondern auch den Schatten verbessern. Wenn er ihn also zur weiteren Selbststärkung einsetzte, würde sich die tatsächliche Wirkung überlagern und zu einer doppelten Erhöhung führen. Das bedeutet, dass Sunny für jedes von ihm gesammelte Schattenfragment tatsächlich doppelt so viel Nutzen ziehen könnte wie ein Erwachter aus einem Seelensplitter. 'Nicht schlecht. Gar nicht so übel!' Ja, die Zukunft schien rosig. Vorausgesetzt natürlich, er überlebte und bekam überhaupt die Gelegenheit, eine Zukunft zu haben. Während er sich aufrichtete, wanderte Sunnys Blick zu den Runen, die seine Erinnerungen beschrieben. Azurblaues Schwert... hatte er endlich eine Waffe bekommen? Erinnerung: [Azurblaues Schwert]. Erinnerungsrang: Erweckt. Erinnerungstyp: Waffe. Erinnerungsbeschreibung: [An diesem vergessenen Ufer erinnert nur Stahl]. 'Hmm. Interessant.' Es war nicht sehr informativ, aber interessant. Sunny beschwor seine neue Waffe, und ein scharfes, leichtes Schwert erschien sofort in seiner Hand. Es war etwa einen Meter lang, einschließlich des Griffs. Die Klinge war gerade und einschneidig, mit einer eckigen Spitze. Sie war aus azurblauem Stahl geschmiedet und zeigte ein wunderschönes Lagenmuster. Tief im Stahl sah man weiße Funken. Die Parierstange war minimalistisch und einfach, der Hände des Trägers kaum Schutz bietend. Wenn Sunny ein Kenner von Klingenwaffen gewesen wäre, hätte er es als Tang Dao bezeichnet. Aber er hatte keine Ahnung von solchen Dingen: Alles, was er herausfinden konnte, war, dass die Klinge einschneidig war, was bedeutete, dass sie wahrscheinlich für Schneiden und Schlagen statt für Durchstechen gedacht war, und dass der Griff lang genug war, um zwei Hände zu halten. Außerdem war das Schwert hübsch. Er beschwor seinen Schatten und ließ diesen sich um das azurblaue Schwert wickeln. Sofort wurde der Stahl bläulich-schwarz und Funken sprühten. Es sah aus wie der nachtblaue, sternenübersäte Himmel. Sunny erhob sich und schwenkte das Schwert mehrmals, um sich an dessen Gewicht zu gewöhnen. Die scharfe Klinge pfiff, als sie durch die Luft schnitt. 'Jetzt sehe ich endlich aus wie ein richtiger Erwachter.' Danach blickte er auf den Leichnam des Panzer-Aasfressers und verzog das Gesicht. Dieser Teil würde nicht angenehm werden. Nach einiger Zeit gelang es ihm, den aufgesprungenen Panzer aufzubrechen und ein paar Streifen zartes, rosafarbenes Fleisch herauszuschneiden. Er vergaß auch nicht, den leuchtenden Kristall aus der Brust der Kreatur zu holen – den Seelensplitter. Ohne große Hoffnung, versuchte er den Splitter zu absorbieren und erinnerte sich daran, wie es geschehen sollte – wie erwartet, passierte nichts. 'Sie sind wirklich für mich nicht nutzbar.' Mit einem Achselzucken steckte Sunny den Splitter und das Fleisch in einen provisorischen Rucksack, den er aus schwarzem Seegras geflochten hatte, und sah auf die Sonne. Der Tag war noch jung. Er hatte noch gute Chancen, den entfernten Hügel zu erreichen, bevor das Meer zurückkehrte. Sein linkes Bein war nach dem Kampf mit der Panzer-Aasfresser-Kreatur jedoch angeschlagen, so dass das Gehen nicht mehr so leicht wie zuvor war. Er biss die Zähne zusammen und begann zu humpeln. Stunden vergingen. Aufgrund seiner Prellungen und wachsamen Vorsicht verlangsamte sich Sunnys Fortschritt erheblich. Er schwitzte und knirschte mit den Zähnen, spürte bei jedem Schritt Schmerz. Schlimmer noch, je weiter er sich in das Gewirr hineinwagte, desto verwirrender und verschlungener wurden die Wege. Selbst mit der Hilfe des Schattens musste er ständig umkehren und Mühe darauf verwenden, sich in die richtige Richtung zu bewegen. 'Verdammt ...' Wenn sich nichts änderte, würde Sunny sein Ziel nicht erreichen. Das bedeutete, dass er von der zurückkehrenden See erdrückt werden würde. Ohne zu sterben zu denken, versuchte Sunny, schneller zu gehen. Er durfte jedoch nicht zu hastig werden: Eine falsche Abzweigung hätte ihm kostbare Minuten gekostet, also musste er seinen Weg sorgfältig auswählen. Überdies konnte es sein Leben beenden, einen weiteren Hinterhalt zu übersehen. 'Verflucht!' Gerade als er verzweifelt wurde, sah sein Schatten plötzlich etwas, das Sunny für einen Moment verwirrte. Ein Stück weiter unten auf dem Pfad, hinter ein paar Kurven, erweiterten sich die Korallen und bildeten eine kleine Lichtung. Und in der Mitte dieser Lichtung bewegte sich jemand über den Schlamm. Das Erste, was Sunny sah, war helle Haut ... viel Haut. Das großgewachsene, schlanke Mädchen trug nur einen provisorischen Rock und einen groben BH, beide aus Seegras. Das schien sie jedoch nicht zu stören. Mit ruhigem Gesicht blieb sie stehen und blickte zurück. Der Wind spielte mit ihrem kurzem silbernem Haar. Es war Nephis, der wandelnde Stern. In einer Hand hielt sie das Ende eines seltsamen goldenen Seils. Und am anderen Ende des Seils folgte Cassia, das blinde Mädchen, vorsichtig.
Der restliche Weg zum hohen Hügel dauerte nicht lange. Mit Nephis, die den Weg führte und an allen richtigen Stellen abbog, mussten sie das Labyrinth nicht weiter erkunden oder nach Sackgassen zurückkehren. Außerdem gab es keine Aasfresser in der Nähe. Sie hätten noch schneller gehen können, wenn es nicht Cassia gewesen wäre, die trotz ihrer Schützenhilfe durch den Stab langsam marschierte. Durch das goldene Seil geführt, untersuchte sie vorsichtig den Boden, bevor sie jeden Schritt machte. Die unebenen Pfade des karminroten Walds waren alles andere als ideal für einen blinden Wanderer. Sunny sagte nicht viel und warf nur ab und zu einen ungläubigen Blick auf das seltsame Paar. Egal, wie er es ansah, Cassia schien eine zusätzliche Last zu sein. Es war vielleicht schlimm, das zu sagen, aber in der schonungslosen Welt des Traumreichs war ungezielter Gutherzigkeit ein sicherer Weg in den Tod. Bevor er die beiden Mädchen traf und beobachtete, hatte er noch gehofft, dass sich hinter Cassias schlimmem Fehler ein unerwarteter und mächtiger Aspekt verbergen würde. Aber nach dem, was er sah, war das nicht der Fall. Wenn sie nicht einmal richtig laufen konnte, welche Kraft konnte sie dann verbergen? Nichts konnte die gnadenlose Tatsache aufwiegen, dass das blinde Mädchen sich nicht selbst schützen konnte und somit ihre Begleiter nur belasten würde. Entweder man war ein Narr, oder man liebte das Leben nicht genug, um das zuzulassen. Also… welche Beschreibung passte zu Nephis? Irgendwie hatte er das Gefühl, dass keine von beiden passte. Der Sonnenuntergang war nicht mehr weit entfernt, als sie den Hügel erreichten. Nachdem sie ihn erklommen und sich der massiven Koralle genähert hatten, löste Nephis das goldene Seil und rief es sofort wieder herbei. Dadurch wurde es losgebunden und erschien in ihren Händen als ordentlicher Stapel. 'Ah, es ist also eine Erinnerung.' Sunny fragte sich, welche Eigenschaften das magische Seil hatte. Bald wurde seine Neugierde befriedigt: Direkt vor seinen überraschten Augen begann das Seil plötzlich zu wachsen. Bald war es dreimal so lang wie zuvor. Nephis knüpfte ganz gelassen die beiden Enden des Seils zu Schlaufen und warf eine davon in die Luft. Sie wickelte sie präzise um eine hervorstehende Stelle nahe der Spitze der Korallenpfeilerin. Dann prüfte sie, ob das Seil hielt, kletterte geschwind hinauf und winkte von oben, um Sunny das Signal zum Folgen zu geben. Nach kurzem Zögern ging Sunny auf das Seil zu und griff es. Er konnte nicht anders, als zu denken, dass dies die perfekte Gelegenheit wäre, ihn zu enthaupten. Mit ihm beim Klettern hilflos und Nephis auf der Spitze des Pfeilers… die lebhafte Vorstellung bildete sich in seinem Kopf. 'Hör auf, paranoid zu sein!' dachte Sunny und versuchte, sich zu beruhigen. Es war nicht so, dass er Nephis' einwandfreie moralische Qualitäten sicher kannte. Er war jedoch sicher, dass, wenn Nephis ihn wirklich hätte töten wollen, sie nicht auf eine Gelegenheit hätte warten müssen. Sie hätte jederzeit einfach ihn in Stücke schneiden können. Dieser Gedanke versetzte ihn gleichzeitig in Angst und beruhigte ihn. Sunny kletterte flink hinauf und gesellte sich zu Nephis auf der Spitze des Korallenbezirks. Er drehte sich dann um und schaute neugierig zu, wie Cassia zu ihnen gelangen würde. Das blinde Mädchen entließ den Holzstab und nährte sich dem Seil. Sie packte es mit der Hand, verfolgte es bis zur Schlaufe am Ende und stellte ihren Fuß hinein. Sobald sie fertig war, ergriff Nephis das Seil und begann zu ziehen, wobei sie Cassia peu à peu hochhob, bis sie oben angekommen war. Sie musste nur noch Nephis' Hand ergreifen und einen Schritt machen, um sich ihnen anzuschließen. 'Hmm, effizient.' Der Korallenhügel war viel größer als die kreisförmige steinerne Plattform des Riesenritterhalses. Tatsächlich war es fast wie eine kleine Insel. Am höchsten Punkt der Insel, versteckt hinter einigen Korallenblättern, hatten die Mädchen ein kleines Lager aufgeschlagen. Es gab Haufen von Seetang zum Schlafen, Streifen von Aasfresserfleisch, die in der Sonne getrocknet wurden, und eine Feuergrube. Sunny wies auf die improvisierte Feuergrube. "Seid ihr das gewesen, die da vor zwei Nächten dieses orangefarbene Licht in der Ferne hatten?" Cassias Gesicht verdüsterte sich. "Ja, das war das erste Mal, dass wir ein Feuer gemacht haben. Aber das stellte sich als großer Fehler heraus." Nephis seufzte. Sunny hob überrascht die Augenbraue. "Warum?" Das blinde Mädchen berührte ihre Haare und wandte den Kopf Nephis zu. "In der Nacht zieht jedes Licht Monster an. Zuerst wurden wir von Aasfressern angegriffen. Und dann... dann…" Sie erbleichte und brach ab. Aber sie musste es nicht beenden: Die Erinnerung an den kolossalen Tentakel war noch frisch in Sunnys Gedächtnis. Es schien, als wäre er zum richtigen Zeitpunkt auf die beiden gestoßen. Wenn er sie nicht getroffen hätte, hätte er heute Abend wahrscheinlich ein Feuer angezündet, um etwas Aasfresserfleisch zu braten. "Ah, ich verstehe." Nephis blickte in den Himmel und räusperte sich. "Alles sollte jetzt in Ordnung sein. Wir haben noch Zeit, bis die Sonne untergeht." Daraufhin machte sie sich daran, das Feuer zu entfachen. Cassia setzte sich einfach auf einen Haufen Seetang und wartete. Ohne zu wissen, was er tun sollte, ließ sich Sunny auf den Boden nieder und ließ seinen müden, lädierten Körper ausruhen. Nach einer Weile sagte er: "Ich habe frisches Fleisch in meinem Rucksack. Hast du Wasser?" Cassia lächelte. "Ja!" Sie streckte den Arm nach ihm aus. Eine Sekunde später erschien in ihrer Hand eine schöne Flasche aus gemustertem blauem Glas. "Das ist eine Erinnerung, die ich habe. Sie ist immer voll." Sunny nahm die Glasflasche und betrachtete sie neidisch. 'Eine unendliche Wasserversorgung, hm? Sicherlich besser als meine super laute Glocke!' "Danke." Er führte die Flasche an seine Lippen und trank gierig das kühle, köstliche Wasser. Tatsächlich, egal wie viel er trank, die Wassermenge schien nicht abzunehmen. "Es ist wirklich endlos?" Cassia berührte wieder ihr Haar. "Nun... nicht wirklich. Wenn man es umdreht und das Wasser ausfließen lässt, hört es in etwa einer halben Stunde oder so auf. Aber dann füllt es sich auch schon bald wieder auf." Zu diesem Zeitpunkt hatte Nephis das Feuer bereits entzündet. Ohne aufzusehen, nahm sie Sunnys Rucksack, öffnete ihn und lies den Seelensplitter herausrollen. Das große Mädchen betrachtete ihn und schaute dann Sunny an. Dann steckte sie den Splitter zurück und holte das Fleisch heraus. Sunny spannte sich an und bereitete eine irreführende Antwort vor. Aber Nephis fragte nicht. So tat er so, als ob nichts passiert wäre, und setzte sein Gespräch mit Cassia fort. "Das ist trotzdem eine großartige Erinnerung. Es ist nicht einfach, trinkbares Wasser zu bekommen!" Cassia nickte und lächelte, erfreut über seine Worte. Bald durchzog der Duft von gebratenem Fleisch die Luft. Gleichzeitig ging die Sonne dem Horizont entgegen, es grollte laut von unten, und zwischen den purpurnen Wänden des Labyrinths zeigten sich erste Spuren des schwarzen Wassers. Sunny schaute nach Osten, wo sich der Himmel bereits verdunkelte. Dann bewegte er sich unbehaglich. "Kommen die Aasfresser hier oben her?" Nephis drehte das Fleisch und nickte. "Ja. Aber... nur nachts. Tagsüber scheinen die meisten von ihnen zu verschwinden." Sunny grinste und hatte eine Idee, warum es tagsüber nicht viele Monster im Labyrinth gab. "Das liegt daran, dass sie sich alle in der Nähe des Ortes versammeln, an dem ich kürzlich meine Zeit verbracht habe. Ihr hättet ihn sehen sollen - den hohen Felsen westlich von hier. Nun, eigentlich ist es eine Statue." Cassia öffnete ihre Augen weit. "Eine... eine Statue? Aber damit du überlebst, sollte sie..." "Ja, es ist eine riesige Statue eines Ritters, mindestens zweihundert Meter hoch. Ihm fehlt der Kopf, also habe ich mich oben auf dem Hals versteckt. Wie auch immer... am Tag, als wir hierher geschickt wurden, kämpften zwei Meerestiere in der Nähe dieser Statue gegeneinander. Als das Wasser zurückging, sah ich dort einen riesigen Kadaver liegen, der von Hunderten Aasfressern langsam in Stücke gerissen wurde." Nephis nickte. "Das würde das Fehlen der Albtraumkreatur am Tag erklären. Wie lange?" Sunny blinzelte. "Wie lange was?" Changing Star starrte ihn ein paar Sekunden lang an, sodass alle sich unwohl fühlten. "Wie lange... bis sie den Kadaver vollständig gefressen haben?" "Oh, noch einen Tag, höchstens zwei." Nephis wandte sich ab, nahm das Fleisch vom Feuer und löschte es schnell. "Mit dem Mädchen stimmt auf jeden Fall etwas nicht!" Die drei aßen im Dämmerlicht. Das Fleisch war saftig, zart und unglaublich lecker. Es war besser als alles, was Sunny jemals gekostet hatte, sogar im Vergleich zur Kantine der Akademie. Natürlich spielte dabei sein quälender Hunger eine Rolle. Von Zeit zu Zeit reichten sie sich gegenseitig die Glasflasche. Als sie mit dem Essen fertig waren, war das dunkle Meer zurück, und die Nacht legte sich auf sie. Alles wurde von absoluter Dunkelheit verschlungen. Sicher, Sunny konnte Nephis und Cassia gut sehen. In der Nacht blieb Changing Star ziemlich gleich. Das blinde Mädchen hingegen zeigte ihre wahren Gefühle, da sie dachte, dass niemand sie sehen würde. Sie wirkte viel verlorener, einsamer und ängstlicher als am Tag. Als ob sie versuchte, diesen Gefühlen zu widerstehen, sagte Cassia mit leuchtender Stimme, "Wie wäre es, wenn wir uns richtig vorstellen? Ich heiße Cassie." Nephis warf einen Blick in ihre Richtung und zuckte mit den Schultern. "Neph." Jetzt war Sunny an der Reihe. Er atmete aus und freute sich, dass sie ihn nicht direkt nach seinem Namen gefragt hatten. Wahrscheinlich hätte er trotzdem seinen menschlichen Namen nennen können - aber das hätte auch von der Fragestellung abhängen können. Erleichtert lächelte er und antwortete: "Ich bin Sunless. Aber ihr könnt mich Sunny nennen."
Sunny fand langsam Gefallen daran, Gespräche im Dunkeln zu führen. Ohne die Last des Lichts waren die Menschen entspannter und ehrlicher. Es erinnerte ihn an die häufigen Stromausfälle in der Stadt, als er noch ein kleines Kind war. Seine Familie hatte keine andere Wahl, als sich zusammenzuraufen und ein paar Stunden lang nichts anderes zu tun, als miteinander zu reden. Jetzt waren diese dunklen Stunden zu einigen seiner wertvollsten Erinnerungen geworden. Er schwieg einige Augenblicke und sagte dann: "Da wir aufeinander angewiesen sein werden, sollten wir die Fähigkeiten und Erinnerungen, die uns zur Verfügung stehen, miteinander teilen?" Das war ein logischer Vorschlag. Wenn sie Seite an Seite kämpfen wollten, war es mehr oder weniger wichtig, die Stärken des anderen zu kennen. Dennoch bemerkte er, wie Nephis mit einem vorsichtigen Gesichtsausdruck in seine Richtung blickte. Glücklicherweise war er von der Dunkelheit verdeckt. "Ich fange an," sagte Sunny, um seine Aufrichtigkeit zu zeigen und gleichzeitig Informationen über sich selbst auf kontrollierte Weise preiszugeben. Wenn er die Initiative zum Reden ergriff, musste er trotzdem die Wahrheit sagen, aber wie viel und in welchem Ausmaß, blieb ihm überlassen. Wenn sie jedoch fragen würden und er antworten müsste... würden die Dinge unvorhersehbar werden. "Meine Eigenschaften geben mir eine Affinität zu Schatten. Ich habe auch eine leichte Affinität zur Göttlichkeit. Und schließlich neige ich dazu, mich in unwahrscheinlichen Situationen wiederzufinden." Cassie hörte aufmerksam zu und senkte dann den Kopf, als wäre es ihr peinlich. "Ähm... er sagt die Wahrheit. Nicht, dass wir an deiner Ehrlichkeit gezweifelt hätten!" 'Warum nicht? Ich habe so viel Zeit damit verbracht, mir den Ruf eines pathologischen Lügners zu erwerben!' Sunny räusperte sich und lächelte, um seine Nervosität zu verbergen: "Wirklich? Das ist gut zu wissen. Aber... warum bist du dir so sicher, dass ich ehrlich bin?" Das blinde Mädchen bewegte sich ein wenig. "Oh! Das ist meine Fähigkeit. Ich kann 'die Eigenschaften der Menschen sehen'. Manchmal empfange ich auch Visionen. Sie können sich auf die Zukunft oder die Vergangenheit beziehen. Ich meine, das ist es, was ich denke... es ist nur ein paar Mal passiert." Sunny schluckte, entspannte sich dann aber. 'Sie ist also so etwas wie ein Orakel. Zum Glück beschränkt sich ihre Einsicht auf Attribute... sonst hätte ich wirklich Probleme. Trotzdem werde ich in ihrer Nähe vorsichtig sein müssen.' Endlich wurde ihm klar, wie das blinde Mädchen von seinem Geburtstag gewusst hatte. Die Frage war, ob sie ihn in einer Vision der Zukunft oder in einer Vision der Vergangenheit gesehen hatte. Wenn es Ersteres war, konnte er dann davon ausgehen, dass er mit Sicherheit noch mindestens einen weiteren Geburtstag feiern würde? Oder hat das Wissen um die Zukunft diese tatsächlich beeinflusst und verändert? Nachdem er zum Beispiel erfahren hatte, dass er auf jeden Fall überleben würde, hätte sich Sunny ganz natürlich entspannen und seine Wachsamkeit verringern können. Und dann würde er als Folge davon sterben. Das schien doch möglich, oder? Vorausgesetzt, man könnte die Zukunft ändern. Aber vielleicht war sie das nicht? Dann... Sunny spürte, wie sein Kopf schmerzte, und beschloss, diesen Gedankengang erst einmal zu vermeiden. Stattdessen verbarg er seine innere Unruhe und sagte in einem freundlichen Ton: "Das ist eine gute Fähigkeit. Apropos Fähigkeiten: Du hast meine bereits gesehen. Mein Schatten kann sich unabhängig bewegen und erkunden. Er kann die materielle Welt nicht beeinflussen, aber wir sehen und hören gemeinsam. Auf diese Weise kann ich Gefahren erkennen, bevor ich ihnen begegne. Der Schatten ist schnell und heimlich: Er kann überall hingehen und ist fast unbemerkt. Oh, ich kann auch im Dunkeln sehen." Er lächelte und erwartete, dass die Mädchen den Nutzen seines Shadow Scout verstehen und zu schätzen wissen würden. Ihre Reaktion war jedoch ein wenig seltsam: Nephis drehte langsam den Kopf in seine Richtung, während Cassie etwas blass wurde und die Hände vor der Brust verschränkte. "Ähm... was?" Nephis runzelte die Stirn und sagte in einem flachen Ton: "Hast du deine Fähigkeit jemals in der Akademie eingesetzt?" Sunny blinzelte. 'Was für eine seltsame Frage!' "In der Akademie? Sicher, natürlich. Warum?" Oh, richtig... sie denken, dass ich pervers bin... So ein Mist! Bevor die Mädchen etwas sagen konnten, hob er eilig die Hand und platzte damit heraus: "Aber ich habe es nie benutzt, um etwas Unanständiges zu tun! Ihr müsst mir glauben!" Zum Glück war das die ehrliche Wahrheit. Doch sowohl Nephis als auch Cassie schauten skeptisch. Sunny biss die Zähne zusammen. "Ich hatte wichtigere Dinge zu tun als... als das, woran ihr gerade denkt! Ich habe fast jede wache Stunde damit verbracht, zu lernen, wie man überlebt!" Nephis hob eine Augenbraue. "Ich habe dich nicht im Unterricht gesehen... nicht ein einziges Mal." Sunny gluckste. "Natürlich hast du das nicht. Während du damit beschäftigt warst, den Boden mit anderen Schläfern zu wischen, habe ich das Überleben in der Wildnis gelernt." Jetzt war Changing Star an der Reihe zu blinzeln. "Wildnis... was? Gibt es so einen Kurs?" Cassie schien ebenso verwirrt zu sein. "Ja, den gibt es. Für die meisten Leute mag es wie eine Nebensächlichkeit erscheinen, aber für ein Kind aus der Peripherie wie mich, das nie auf eine teure Schule ging oder einen Privatlehrer sah, ist das Lernen, wie man in der Wildnis überlebt, der Unterschied zwischen Leben und Tod. Ohne sie wäre ich in dem Moment ertrunken, in dem wir ins Traumreich geschickt wurden." Bei einer seltenen Gelegenheit sah Nephis völlig verwirrt aus. Sie rieb sich die Handgelenke und starrte nachdenklich in seine Richtung. "Ich verstehe. Das wusste ich nicht." Sunny zog eine Grimasse und bemühte sich, das Gift nicht in seine Stimme sickern zu lassen. Als er schließlich sprach, war sein Ton leicht und freundlich. "Das ist in Ordnung. Es ist ganz normal, dass jemand mit deinem Status nichts weiß..." Als er ihren Status erwähnte, erschien ein seltsames Lächeln auf dem Gesicht des Wechselnden Sterns. Aber schließlich antwortete sie nicht. Sunny fuhr fort: "Wie auch immer, das ist meine Fähigkeit. Was die Erinnerungen angeht, so habe ich drei. Eine ist eine Rüstung, eine ist ein Schwert und die letzte ist eine wirklich laute Glocke." Jetzt waren sie an der Reihe, zu erzählen. Nach einer kurzen Pause sprach Nephis: "Meine Attribute geben mir eine Affinität zu Licht und Feuer, sowie eine starke Zugehörigkeit zur Göttlichkeit. Ich habe zwei Erinnerungen: ein Seil..." Während sie sprach, sah Sunny Cassie an und versuchte, ihren Gesichtsausdruck zu lesen. Nach dem, was er sah, sagte Nephis die Wahrheit - aber auch nicht die ganze Wahrheit. Und danach zu urteilen, wie sehr sich das blinde Mädchen bemühte, ihre wahren Gefühle zu verbergen, war das Geheimnis, das sich unter den Attributen von Changing Star verbarg, alles andere als trivial. 'Interessant.' "...und ein Schwert. Das Seil ist sehr stabil und kann seine Länge verändern. Das Schwert ist sehr scharf und kann seinen Träger bis zu einem gewissen Grad vor Seelenangriffen schützen. Meine Fähigkeit... kann zum Heilen verwendet werden." Sunny war die Formulierung des letzten Teils nicht entgangen. "Kann zum Heilen verwendet werden"... bedeutet das, dass sein Hauptzweck etwas anderes war? Er war sich ziemlich sicher, dass Nephis nicht alle ihre Karten aufdecken würde, genau wie er. Allerdings waren Heilfähigkeiten extrem selten. Eine, die heilen konnte, sich aber nicht auf das Heilen beschränkte - das wäre einfach unerhört. Andererseits war sie Changing Star - einer der wenigen Menschen in der Geschichte, die im ersten Alptraum einen wahren Namen erhalten hatten. Wenn Sunny seine eigene Aspekt-Fähigkeit betrachtete, schien nichts unmöglich. 'Ich frage mich, wie hoch ihr Aspekt-Rang ist.' Äußerlich tat er so, als wäre er aufgeregt. "Du bist eine Heilerin? Das ist ja großartig! Eine Heilerin unter uns zu haben, ist ein unglaubliches Glück!" Cassie nickte und lächelte. "Neph ist auch eine erstaunliche Kämpferin! Ihr hättet sehen sollen, wie sie mit diesen Aasfressern fertig geworden ist. Nun... ich habe es auch nicht wirklich gesehen. Aber es hörte sich sehr beängstigend an." Sunny brauchte niemanden, der ihm sagte, wie beeindruckend Nephis als Kriegerin war. Er hatte es mit eigenen Augen gesehen. Mehr oder weniger. Eigentlich waren es die Augen seines Schattens. Nun... was auch immer er anstelle von Augen hatte. Währenddessen seufzte Cassie. "Ich bin dran? Ähm... meine Eigenschaften sind nichts Besonderes. Ich schätze, ich habe eine Affinität zu Enthüllungen und Schicksal. Meine Fähigkeit ist so, wie ich es euch schon gesagt habe. Sie ist nicht sehr nützlich. Was meine Erinnerungen angeht, so habe ich drei: die Flasche, den Holzstab und diese Rüstung. Das mit der Flasche wisst ihr bereits. Der Stab kann Wind erzeugen. Die Rüstung ist tatsächlich vom Rang eines Erwachten... äh, Neph gab sie mir, als wir uns trafen. Sie hat einen sehr mächtigen Schutzzauber." 'Sie trägt also nicht nur Cassie auf ihrem Rücken, sie hat sogar ihre einzige Kleidung weggegeben? Und dann auch noch eine Rüstung vom Rang eines Erwachten? Was... was hat Nephis vor?' Das blinde Mädchen wandte sich ab und fügte nach einer Weile hinzu: "Ich war mal eine ziemlich gute Fechterin... früher. Jetzt kann ich nicht mehr richtig fechten." Die letzten beiden Sätze bezogen sich offensichtlich auf ihren Makel. Sunny und Nephis zogen es jedoch vor, ihre Fehler geheim zu halten. Obwohl es für die Zusammenarbeit und die gegenseitige Rückendeckung wichtig war, den Makel des Partners zu kennen, erforderte das Teilen eines solchen Makels ein sehr hohes Maß an Vertrauen. Im Moment gab es kein Vertrauen zwischen ihnen. Und selbst wenn, hatte
Mit einem leeren Magen und einem Kopf voller Gedanken kehrte Sunny in die Mitte der Plattform zurück und setzte sich. Nach einer Weile winkte er seinem Schatten zu und sagte: "Weck mich auf, wenn etwas passiert." Dann schloss er die Augen und versuchte einzuschlafen. Sein Bewusstsein glitt schnell in die süße Umarmung der Dunkelheit, die Sunny die dringend benötigte Ruhe verschaffte. In der Nacht, allerdings weckte ihn ein plötzlicher Impuls. Sunny sprang auf, sein verschlafener Kopf voller angespannter Besorgnis. Er fürchtete, dass der Besitzer des riesigen Tentakels zurückgekommen war, um den Job zu beenden. Oder aber irgendein anderes Schrecken aus der Tiefe hatte ihn bemerkt und sich entschieden, Menschenfleisch zu fressen. Jedoch war das Meer ruhig und still. Er hörte keine Auffälligkeiten in der Nähe der Ritterstatue. "Was ist los?" flüsterte Sunny und wandte sich an den Schatten. Der Schatten zeigte ihm schweigend in eine bestimmte Richtung. Sunny drehte seinen Kopf und kniff die Augen zusammen. Er verstand schnell, warum es eine gute Idee war aufzuwachen. Andernfalls hätte er nicht in der Lage gewesen, das zu sehen... In der Ferne, einige Kilometer entfernt, schimmerte ein kleines orangefarbenes Licht im Dunkeln. Die Reflexionen stiegen und fielen mit den Wellen. Es war zu weit weg, um Einzelheiten auszumachen, also starrte Sunny eine Weile darauf. Schon bald verschwand das Licht. "Die anderen Schläfer? Ein natürlicher Vorgang? Oder ein Monster, das eine Falle stellt?" Erinnerungen an albtraumhafte Tiefseekreaturen kamen sofort in den Sinn. Sunny schüttelte den Kopf, legte sich wieder hin und versuchte, wieder einzuschlafen. Dieses Mal entkam ihm der Schlaf jedoch. Der Hunger war immer noch nicht unerträglich, aber wurde langsam immer stärker. Durstig war schlimmer. Letztendlich blieb er bis zum Sonnenaufgang wach, als das dunkle Meer zurückgedrängt wurde. *** Sobald der Morgen anbrach, kamen die Zangenmonster aus ihren Verstecken und eilten zum riesigen Kadaver, um ihr Fest fortzusetzen. Sunny beobachtete sie eine Weile und ging dann auf die gegenüberliegende Seite der Plattform, um in die Richtung zu blicken, in der er das geheimnisvolle Licht in der vergangenen Nacht gesehen hatte. In einiger Entfernung von der kopflosen Statue, fünf oder sechs Kilometer entfernt, erhob sich das Land natürlich und bildete einen Hügel ähnlichen Berg. Auf der Spitze dieses Hügels ragte ein besonders massiver Korallenpfeiler in den Himmel. Es sah so aus, als wären seine oberen Äste gerade hoch genug, um in der Nacht über Wasser zu bleiben. Verschiedene Ideen schossen durch Sunnys Kopf, aber am Ende waren nur zwei Fragen wirklich wichtig. Erstens - würde er den Weg durch das Labyrinth finden und die Strecke tagsüber zurücklegen können? Und noch wichtiger, sollte er es überhaupt versuchen? Schließlich gab es keinen Hinweis darauf, dass die Quelle des mysteriösen Lichts etwas Nützliches statt etwas Schreckliches und Tödliches war. Da er nicht genügend Informationen hatte, um eine Entscheidung zu treffen, konzentrierte sich Sunny darauf, die Monster zu beobachten. Er schickte jedoch seinen Schatten in das Labyrinth, soweit es die Reichweite der Schattenkontrolle zuließ, um zumindest den Anfang des Weges zu finden, der ihn möglicherweise zu diesem Hügel führen könnte. Logischerweise war die kopflose Statue so sicher, wie es in diesem seltsamen Ort wahrscheinlich sein könnte. Das einzige Problem war jedoch, dass er bald an Durst oder Hunger sterben würde. Beide Probleme wären lösbar, wenn er sich hinunterwagen würde. Er könnte das Meerwasser auf verschiedene Arten entsalzen, die ihm Lehrer Julius beigebracht hatte, mit Materialien, die im Traumreich praktisch überall vorhanden sind. Er könnte auch Fallen aufstellen und ein Zangenmonster zum Essen jagen. Aufgrund ihrer enormen Größe würde eines von ihnen ausreichen, um ihn wochenlang zu ernähren. Er konnte sich leicht eine solche Routine vorstellen: am Tag jagen und bei Anbruch der Nacht zur Statue zurückkehren. Das wäre wahrscheinlich seine sicherste Option. Doch dieser Ansatz fehlte ein entscheidendes Element: die Möglichkeit sich zu verbessern. Es war gut geeignet, um Sunny am Leben zu erhalten, aber es gab ihm keine Hoffnung. Wenn er dazu bestimmt war, den Rest seines Lebens in diesem kleinen Gebiet um die kopflose Statue zu verbringen, Monster zu fressen und nachts in Angst zu zittern, könnte ihm etwas Größeres zu fressen geben... Nun, dann würde er lieber jetzt einfach hinunterspringen und es beenden. Das bedeutete im Grunde, dass ihm keine andere Wahl blieb, als zu versuchen, die Quelle des orangefarbenen Lichts zu erreichen. Und wenn Sunny es wirklich versuchen wollte, musste er es tun, bevor die Zangenmonster den riesigen Kadaver vollständig verzehrt hatten. Auf diese Weise würde zumindest der umliegende Teil des Labyrinths von ihnen befreit sein. Sunny fasste den Entschluss, die kopflose Statue am nächsten Morgen zu verlassen. Er würde den Rest des Tages damit verbringen, Pfade im Labyrinth zu erkunden und sich mental vorzubereiten. Dabei schloss er seine Augen und konzentrierte seine Wahrnehmung auf den sich bewegenden Schatten. *** In der Nacht zog plötzlich ein Sturm über das dunkle Meer. Der Schatten weckte Sunny rechtzeitig, damit er sich auf den starken Wind und den prasselnden Regen vorbereiten konnte. Normalerweise verärgerte Regen ihn immer. Aber dieses Mal war er zu durstig, um an etwas anderes als Frischwasser zu denken. Indem er sich tiefduckte, damit er nicht über den Rand der Plattform geblasen wurde, hielt Sunny seine Hände unter das fallende Wasser und wartete, bis sie sich mit Regenwasser gefüllt hatten. Dann hob er sie an den Mund und trank gierig. Blitze erleuchteten alles über dem tobenden Meer. Wenn jemand Sunny jetzt sehen würde, würde er ein breites Grinsen auf seinem Gesicht erkennen. Der Sturm wütete mehrere Stunden lang. Sunny hockte in der Mitte der Plattform und ertrug die Wut des Sturms. Mehrmals schlugen hohe Wellen gegen den Hals des kopflosen Ritters und drohten, ihn fortzuspülen. Sunny hielt sich aber fest an den tiefen Rillen der Steinplatte fest und klebte daran wie Leim. Bis zum Morgen, als der Sturm endlich nachließ, waren alle seine Muskeln schmerzhaft angespannt. Aber es gab keine Zeit zu verlieren. Kaum kehrten die Monster zum Kadaver zurück und einige Nachzügler folgten schnell, glitt Sunny über den Rand der Plattform und begann geschickt hinunterzuklettern. Wieder konnte Sunny der Wildnisüberlebensklasse danken, denn auch in der Kunst des Felskletterns hatte er geschult wurde. Lehrer Julius bestand darauf, seinen Schülern einen Crashkurs in allen möglichen Fortbewegungsarten zu geben. Zudem hatte Sunny bereits den besten Weg nach unten erkundet und die besten Griffe und Vertiefungen eingeprägt, um sich mit Hilfe seines Schattens festzuhalten. Schon bald berührten seine Füße endlich den Boden. Obwohl das Verlassen der Sicherheit der kopflosen Statue ihn in erheblicher Gefahr brachte, spürte Sunny, wie sich seine Stimmung sofort besserte. Die Passivität der letzten Tage passte nicht zu seinem Charakter. Nun, auch wenn sein Plan scheitern sollte, würde er zumindest etwas tun, wozu er sich entschlossen hatte. Es ist besser, zu versuchen und zu scheitern, als überhaupt nicht zu versuchen. Der schwarze Schlamm war tief genug, um ihn zu verlangsamen, aber nicht so sehr, wie er befürchtet hatte. Mit etwas Übung konnte Sunny bald mit akzeptabler Geschwindigkeit laufen. Solange er sich an den Schatten hielt, waren seine Schritte leicht und leise, so dass der Schlamm keine matschigen Geräusche verursachte. Er steuerte auf einen Pfad zu, der ihn zu dem entfernten Hügel führen sollte und betrat den kühlen Schatten des karminroten Labyrinths. Sofort überkam ihn ein seltsames Gefühl. Es war, als gäbe es die Welt jenseits des Labyrinths nicht mehr und alles was übrig blieb, waren seine verworrenen, dunklen Pfade. 'Dieses Ding scheint fast endlos zu sein.' Sunny schüttelte den Kopf, schickte den Schatten voraus, um jede verborgene Gefahr rechtzeitig zu erkennen, und machte sich auf den Weg. Sein Leben hing jetzt davon ab, ob er den fernen Hügel erreichen würde, bevor die Sonne unterging oder nicht. Er wollte gar nicht darüber nachdenken, was passieren würde, wenn er immer noch im Labyrinth wäre, sobald das dunkle Meer in einer unaufhaltsamen Flut zurückkehrte. Der Schatten bewegte sich vor ihm her, ohne auf Hindernisse zu stoßen. Manchmal kletterte er hoch, um die Richtung verschiedener Wege auszuspähen, sodass Sunny die meiste Zeit den optimalen Weg wählen konnte. Trotzdem musste er einmal oder zweimal eine beträchtliche Strecke zurückgehen, weil er entweder in einer Sackgasse landete oder auf einem Weg in die falsche Richtung. Trotzdem schien alles reibungslos zu verlaufen. Sunny hatte sogar Zeit, das Innere des Labyrinths eingehend zu erkunden, wobei ihm mehr Details seiner Zusammensetzung auffielen, sowie eine erschreckende Menge nicht identifizierbarer Knochen, die im Schlamm unter seinen Füßen verborgen lagen. Da die Dinge so gut liefen, ließ er seine Wachsamkeit ein wenig nach. Auch seine Arroganz war daran schuld - mit seinen gründlichen Vorbereitungen und seiner geschickten Kontrolle der Schattenkundschafter gab sich Sunny unbewusst selbst einen Schulterklopfer und nahm an, dass alles gut gehen würde. Deshalb reagierte er eine Sekunde zu spät, als sich der Schlamm direkt vor ihm zu bewegen begann. Im nächsten Moment schoss eine riesige Zange aus dem Boden und riss durch die Luft, die drohte, Sunnys Körper mit einem einzigen, zerstörerischen Schlag zu zerreißen.
Oben grauer Himmel, unten schwarzer Schlamm, dazwischen ein endloses Meer aus Karmesin. Vor dieser traumhaften Kulisse schritten zwei wunderschöne Mädchen durch das Labyrinth. Die eine war zart und zerbrechlich, mit blondem Haar und azurblauen, ziellosen Augen. Sie trug eine einfache Tunika, Ledersandalen an den Füßen und einen Mantel in der Farbe von Meereswellen um die Schultern. Die andere war groß und geschmeidig. Sie hatte seidiges, silbernes Haar und klare, graue Augen. Ihre freizügige Kleidung war grob aus schwarzem Seetang gefertigt und ließ ihre helle Haut und ihren athletischen Körperbau frei. Sie war selbstsicher, aufmerksam und barfuß. Ein goldenes Seil verband zwei Mädchen miteinander. Wow. Was für ein Anblick...', dachte Sunny. Er bedauerte plötzlich, dass er kein Künstler war. Das Bild schrie geradezu danach, in ein Gemälde verwandelt zu werden. 'Moment... warum denke ich darüber nach? Menschen! Ich habe Menschen gefunden!' Sein Herz setzte einen Schlag aus. Wenn Nephis und Cassia hier waren, dann hatte das orangefarbene Licht von vorhin höchstwahrscheinlich etwas mit ihnen zu tun. Das bedeutete, dass sie wussten, wie man zu dem hohen Hügel kam. Was bedeutete, dass Sunny nicht von der Flut erdrückt werden musste! 'Äh... und was mache ich jetzt?' Er war nicht der Beste darin, sich bei anderen Leuten einzuschmeicheln. Eigentlich war er das genaue Gegenteil - die Leute gingen ihm normalerweise instinktiv aus dem Weg. Und das war unter normalen Umständen der Fall. Diesmal aber hatte er ganze vier Wochen damit verbracht, dafür zu sorgen, dass jeder in der Akademie ihn hasste... 'Gute Arbeit, Sunny!' Trotzdem war er wenigstens nützlich. In dieser Situation war ein zusätzlicher Körper schon ein großer Segen, wenn man hungrigen Monstern gegenüberstand. Und er war nicht irgendwer: Allein seine Fähigkeit, die Lage zu erkunden, war viel wert. Das werden sie doch sicher verstehen... oder? Mit einem schweren Seufzer trat Sunny in den Schatten und eilte auf die Lichtung zu. Er erreichte sie in etwa einer Minute, versteckte sich und beobachtete die beiden Mädchen, bevor er eine endgültige Entscheidung traf. Mit dem Holzstab in der Hand näherte sich die blinde Cassia langsam der Mitte der Lichtung, streckte ihre Hand aus, fand Nephis und berührte sie an der Schulter. "Warum bist du stehen geblieben?" Nephis stützte das blinde Mädchen und blickte in den Himmel. "Es ist schon spät. " Eine unangenehme Pause entstand zwischen den beiden Mädchen. Nach einiger Zeit fragte Cassia: "Du meinst also, wir sollten umkehren?" Nephis blinzelte und räusperte sich. "Ja." Sunny amüsierte sich ein wenig über den Austausch der beiden. Was ist sie, ein starker, schweigsamer Typ? Dann kehrte er zu seinem Dilemma zurück und schnitt eine Grimasse. Wie soll ich sie ansprechen? Verdammt, warum ist das so schwer! Es ist ja nicht so, dass ich sie zu einem Date einladen will. Ich meine, mit einem von ihnen... mit beiden? Was denke ich mir nur dabei?! Geh einfach hin und sag Hallo!' Aber wenn er plötzlich aus dem Schatten auftauchte... ganz und gar nicht wie ein Fiesling... wie groß war dann die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich erschreckten und ihn angriffen, bevor sie merkten, dass er kein Monster war? Moment, warum sollten sie... ach, zum Teufel damit! Sunny entschied sich für die sicherste Vorgehensweise und befahl seinem Schatten, sein Versteck zu verlassen und sich an einen Ort zu begeben, an dem Nephis ihn deutlich sehen konnte. Er konnte deutlich spüren, wie der Schatten mit den Augen rollte, als er den Befehl befolgte. Sobald der Schatten sich zu bewegen begann, schnippte Nephis plötzlich mit der Hand zur Seite. Sofort erschien in ihr ein langes Schwert, das die Luft durchschnitt, während es eine Verteidigungsposition einnahm. Bevor der Schatten auch nur zwei Schritte aus seinem Versteck machen konnte, wurde er bereits von den grauen Augen von Changing Star durchbohrt. Der Schatten erstarrte. Er schien ein wenig erschrocken zu sein. Cassia wich einen Schritt zurück. "Neph? Was ist los?" Nephis antwortete nicht sofort, sondern beobachtete den Schatten aufmerksam. Dann sagte sie einfach: "Da ist ein Schatten." Cassias puppenhaftes Gesicht verblasste. "Ein Schatten? Aasfresser?" Das große Mädchen legte den Kopf ein wenig schief. "Nein. Es ist ein menschlicher Schatten." Das war eindeutig nicht das, was Cassia zu hören erwartet hatte. Mit einem Ausdruck der Überraschung fragte sie: "Ein menschlicher Schatten? Was... was macht er?" Nephis zögerte. Nach einer Weile antwortete sie in einem flachen Ton: "...Er winkt uns zu." *** Nach einer ganzen Minute des Schweigens fand Cassia endlich die Worte, um zu reagieren. "Was?" "Ich sagte: es winkt..." "Ja, ich weiß! Ich meine... warum macht es das?" Nephis öffnete den Mund, dann schloss sie ihn wieder. "Ich weiß es nicht. Vielleicht ist es ein Ablenkungsmanöver, um uns in eine Falle zu locken" An diesem Punkt beschloss Sunny, dass es an der Zeit war, zu reden. Er atmete tief ein und sagte dann in einem freundlichen Ton: "Eigentlich habe ich es nur vorausgeschickt, um sicherzugehen, dass du mich nicht mit dem Schwert abstichst, bevor du merkst, dass ich ein Mensch bin." Sofort drehte Nephis ihren Kopf und peilte genau die Stelle an, an der sich Sunny in einem Schattenfleck versteckte. Ihr Schwert bewegte sich leicht und zielte auf die neue Bedrohung. "Wenn du ein Mensch bist, warum versteckst du dich dann in den Schatten wie ein Fiesling?" 'Verdammt noch mal! Ich bin kein Fiesling!' schimpfte Sunny. Aber sein Makel war unbarmherzig: Er musste eine Antwort geben, und zwar eine wahrheitsgemäße. "Ich meine, du bist Changing Star Nephis. Um ehrlich zu sein, habe ich ein wenig Angst" Nephis antwortete nicht. Aufgrund ihres schwer lesbaren Gesichts war es fast unmöglich zu erkennen, ob sie ihm glaubte oder nicht. Allerdings hatte er ihren Wahren Namen aus einem bestimmten Grund in seine Antwort aufgenommen: Wäre er ein Monster, das sich als Mensch ausgab, hätte er ihn nicht erfahren. Glücklicherweise war Cassia etwas ausdrucksstärker. "Bist du der Junge, der mit mir in der Cafeteria saß?" Sunny lächelte. Nephis warf derweil einen Blick auf das blinde Mädchen. "Kennst du ihn?" Cassia nickte. "Ich erkenne seine Stimme. Sein Name ist Sunless. Er war auf dem vorletzten Platz in der Rangliste, direkt über mir" Das große Mädchen runzelte die Stirn, als würde sie versuchen, sich zu erinnern. Dann fragte sie: "Der Perverse?" Das Lächeln verschwand aus Sunnys Gesicht und wurde durch Verärgerung ersetzt. 'Ach, komm schon! Cassia zögerte und antwortete nicht. "Hey! Ich bin nicht wirklich pervers, weißt du! Ich habe nur ... ähm ... ein paar Dinge gesagt. Zu ein paar Mädchen. Es war alles ein Missverständnis." Nephis schwieg ein paar Sekunden lang und ließ dann schließlich ihr Schwert fallen. "Okay. Du kannst rauskommen." Sunny humpelte aus dem Schatten und beschwor seinen eigenen Rücken herauf. Er floss zu seinen Füßen und richtete sich wieder auf, sichtlich zitternd. Der Bastard lachte über ihn... Er blieb ein paar Meter von Nephis entfernt stehen und hob die Hände, um zu zeigen, dass er den Mädchen nichts Böses wollte. Changing Star warf ihm einen fragenden Blick zu. "Was ist mit dir passiert?" Sie bezog sich auf sein Hinken, seine blauen Flecken und sein insgesamt ramponiertes Aussehen. Sunny seufzte. "Carapace Scavenger." Nephis hob eine Augenbraue: "Du hast es geschafft, lebend davonzukommen?" 'Und ob ich das habe! Sunny richtete unbewusst seinen Rücken auf. "Ich bin nicht entkommen. Ich habe ihn umgebracht." Um das zu beweisen, deutete er auf seinen Rucksack, der mit köstlichem Monsterfleisch gefüllt war. Nephis sah ihn wieder an und überprüfte ihre Meinung über ihn. Jetzt war ein Hauch von Zustimmung in ihren Augen zu sehen. Carapace Scavenger waren zwar nur Bestien, aber sie waren immer noch erweckt. Mit ihrem mächtigen Körperbau und ihrer natürlichen Panzerung war es für jeden Schläfer, der einen schlafenden Kern hatte, nicht leicht, einen zu besiegen. Ganz zu schweigen von jemandem, der ganz unten auf der Rangliste stand. Wenn ich es mir recht überlege, war es sogar ein bisschen zu außergewöhnlich. Sunny senkte den Blick. "Eh... es war schon verwundet." Nephis zuckte mit den Schultern. "Ein Kill ist ein Kill. Das hast du gut gemacht." Danach schwieg sie, als ob sie nicht vorhatte, noch etwas zu sagen. Auch Sunny war sich nicht sicher, was sie sagen sollte. Zum Glück kam Cassia zu Hilfe. "Sind Sie ernsthaft verletzt?" Er schüttelte den Kopf. "Nein, nur meine Rippen und mein Bein sind geprellt - in ein oder zwei Tagen bin ich wieder fit. Meine Rüstung ist ziemlich widerstandsfähig." Er machte sich keine Sorgen, dass sie versucht sein könnten, ihn zu töten, um das Leichentuch des Puppenspielers zu bekommen. Das lag daran, dass Erinnerungen im Moment des Todes ihres Besitzers zerstört wurden. Sie konnten also nur von einer lebenden Person freiwillig übertragen werden. Nun, es gab immer die Möglichkeit der Folter und der Erpressung. Aber er bezweifelte, dass eines der beiden schönen Mädchen sich dazu herablassen würde. Sunny räusperte sich. "Bevor ich über den Scavenger stolperte, war ich auf dem Weg zu dem hohen Hügel mit der massiven Korallensäule auf der Spitze. Aber nach dem Kampf hat sich meine Geschwindigkeit verringert. Jetzt mache ich mir Sorgen, dass ich es nicht mehr rechtzeitig schaffe. Wisst Ihr vielleicht den Weg?" Cassia lächelte. "Eigentlich haben wir die letzten Tage auf diesem Hügel verbracht. Wir wollten gerade zurückgehen." Nephis sagte nichts und schaute in den Himmel. Sunny leckte sich die Lippen. "Nun... kann ich mit euch kommen?" 'Sie werden doch nicht "nein" sagen, oder?' Das blinde Mädchen drehte den Kopf zu ihrer Begleiterin, eine klare Frage stand auf ihrem Gesicht. "Neph? " Nephis senkte ihren Blick und starrte Sunny an. Nach einer Weile sagte sie dann: "Nein..." 'Was?!' "...Problem." Kein Problem. 'Was ist los mit dir, Prinzessin?! Kannst du nicht schneller sprechen?!' Sunny spürte, wie sein Herz wie wild in seiner Brust klopfte, und lächelte. "Nun. Also gut..."
Nephis sah ihn an und dachte nach. Diesmal schwieg sie länger als sonst. Sunny fühlte sich unter ihrem Blick etwas nervös, da er wusste, dass er eingeschätzt wurde. Bei Changing Stars Fähigkeiten und Einsichten war es nicht schwer sich vorzustellen, was sie aus seiner Kampfleistung herausgelesen hatte. Sowohl sein derzeitiges Niveau als auch sein zukünftiges Potenzial mussten ihr ziemlich deutlich vor Augen geführt worden sein. War das genug, um ihm das Unterrichten ihrer wertvollen Zeit wert zu machen? Nach einer Weile nahm sie die Seelensplitter entgegen und nickte. "Okay." Sunny lächelte und gratulierte sich selbst zu einem erfolgreichen Geschäft. Er hatte nicht nur viel für wenig bekommen, sondern es auch geschafft, einen guten Eindruck bei Nephis und Cassie zu hinterlassen. Was seine Performance anging, war das ein großer Erfolg. "Wann fangen wir an?" Nephis zuckte mit den Schultern. "Jetzt." Jetzt? Sunny blickte auf die Sonne, die schon fast verschwunden war. War es wirklich geplant, im Dunkeln zu trainieren? Das war für ihn kein wirkliches Hindernis. Changing Star hingegen... "Wir werden mit ein paar Worten beginnen. Das genügt für heute." Nach kurzem Zögern fügte sie hinzu: "Cassie, du solltest auch zuhören." Sunny und Cassia sahen Nephis an, hörten ihr aufmerksam wie zwei folgsame Schüler zu. Obwohl sie vom Alter her etwa gleich waren, wussten beide, dass ihre Kameradin in Bezug auf Kampfkünste eine Autorität hatte, die so weit über ihrer stand, wie die Macht eines Drachen über der eines Wurms. Nephis dachte eine Weile nach und sagte dann: "Die Meisterschaft im Kampf lässt sich in zwei Aspekte unterteilen. Einer ist Körper, der andere Geist. Den Körper zu trainieren ist nicht leicht, aber eher einfach. Das einzige, was benötigt wird, sind Wiederholungen und Erfahrung. In einem Kampf geschehen Dinge zu schnell, um jedes Detail sofort beachten zu können. Deshalb müssen deine Techniken in deinen Muskeln und Knochen verwurzelt sein, sodass sie fast instinktiv handeln." Sie machte eine Pause. "Erste Ergebnisse werden durch Wiederholungen erreicht. Danach müssen sie durch Erfahrungen verfestigt werden. Je mehr Kampferfahrung du hast, desto tiefer wird die Technik in deinem Körper integriert. Es gibt keinen anderen Weg. Tausend Stunden Training sind nicht so wirkungsvoll wie ein einziger wahrer Kampf. Nur wer zahllose Kämpfe überlebt, kann seinen Körper wirklich beherrschen." Das machte gleichzeitig Sinn und doch überhaupt keinen. Auf der einen Seite war das Prinzip der Verbesserung durch Übung logisch. Andererseits bedeuteten die Aussagen von Changing Star, dass die erhabenen Vermächtnisse mit jahrelangem Training im Endergebnis nichts weiter als hilflose Kinder waren. Schließlich hatten sie keine echte Kampferfahrung, egal, wie gut ihre Lehrer waren. Andererseits hatte sie mit jedem von ihnen – abgesehen von Caster – den Boden ohne offensichtliche Schwierigkeiten aufgewischt. Vielleicht war ihre Aussage also wahr. Das wirft jedoch eine ganz eigene Frage auf: Welche Art von Leben musste Nephis geführt haben, um mit nur achtzehn Jahren solch reiche Kampferfahrung zu besitzen? 'Sollte ich aufhören, sie "Prinzessin" zu nennen? Währenddessen fuhr Nephis fort: "Den Geist jedoch zu trainieren ist alles andere als einfach. Denn wenn man es auf ein gewisses Niveau bringt, findet der wahre Kampf im Inneren statt. Das Ergebnis steht oft schon fest, bevor der Körper sich bewegt. Um den Geist zu meistern, muss man zuerst die Essenz des Kampfes verstehen. Das gelingt jedoch nur sehr wenigen." Sie schaute sie an und fragte: "Was glaubt ihr, ist die Essenz des Kampfes?" Sunny zögerte. Die Essenz des Kampfes? Was könnte das sein? Wäre es irgendein anderes Vermächtnis gewesen, hätte er versucht etwas wie "Ehre", "Tapferkeit" oder "Pflicht" zu sagen. Aber er hatte bereits festgestellt, dass Nephis nicht in das Bild einer edlen Aristokratin passte, das er im Kopf hatte. Sie war nicht jemand, der leeren Worten folgte. Nach einer Minute oder so antwortete Cassie schließlich: "Sieg." Fast zur gleichen Zeit sagte Sunny: "Überleben." Changing Star schüttelte den Kopf. "Nein." Dann rieb sie ihren Nacken und sah sie mit einem kalten, grimmigen Blick an: "Die Essenz des Kampfes ist Mord." Cassie zuckte zusammen und riss ihre Augen weit auf. Sunny runzelte ein wenig die Stirn. Nephis jedoch war unbeeindruckt. In demselben ruhigen Ton setzte sie fort: "Im Grunde ist es nur das: Du versuchst, deinen Gegner zu töten, und er versucht, dich zu töten. Am Ende wird einer sterben, und der andere wird zum Mörder. Alles andere ist nur Lärm." Ihre Worte drangen tief in Sunnys Herz und ließen etwas in ihm erklingen und erwachen. "Stil ist unwichtig. Waffen auch. Ausschlaggebend ist, am Ende der Letzte zu sein, der noch steht. Alles, was man im Kampf tut, muss einem von zwei Zielen dienen: entweder den Feind zu töten oder sich selbst vor dem Feind zu schützen." Nephis senkte den Blick. "Wenn du das verstanden hast, wirst du genug Klarheit besitzen, um den Geist zu beherrschen." *** Danach konnte Sunny lange nicht einschlafen. Er lag auf dem kalten Stein, blickte in die Dunkelheit und sinnierte über das, was Nephis ihnen gelehrt hatte. 'Wiederholung, Erfahrung, Klarheit.' Das waren die drei Schlüssel, um ein furchteinflößender Krieger zu werden. Alle drei waren wichtig, aber der letzte war der schwierigste. War es wirklich so, wie Changing Star es gesagt hatte? War das Herz eines Kriegers nichts weiter als ein kalter Wunsch zu töten? Intuitiv spürte er, dass es tatsächlich so war. Diese rücksichtslose Wahrheit war in gewisser Weise die Zusammenfassung all seiner Lebenserfahrungen. Schließlich bestand das Leben für jemanden wie ihn aus einem ständigen Kampf ums Überleben. Jemand gewinnt immer und jemand verliert immer. Die Gewinner durften noch ein paar Tage leben, die Verlierer... niemand kümmerte sich darum, was aus ihnen wurde. Natürlich war das Leben das Leben und der Kampf der Kampf. Für die meisten Menschen waren sie nicht eins und dasselbe. Aber wie sah es mit den Erwachten aus? Der einzige Lebenszweck der Erwachten bestand darin, gegen Alptraumkreaturen zu kämpfen. Nur wenigen gelang es, diesem Schicksal zu entkommen. Nachdem er zur Akademie gekommen war, hatte Sunny sich eingeredet, dass er dem Schicksal des ständigen Überlebenskampfes entkommen war. Jetzt aber schien es, als hätte er einfach nur einen Kampf gegen einen anderen eingetauscht. Das war ein unangenehmer Gedanke. Aber wenn er es aus einem anderen Blickwinkel betrachtete... hatte er nicht vielleicht immer einen entscheidenden Vorteil? Die meisten von denen, die von dem Zauber ausgewählt wurden, waren gezwungen, sich irgendwie an dieses gnadenlose Leben anzupassen. Aber für ihn war dies schon immer Normalität gewesen. War er tatsächlich einer der Wenigen, die perfekt dafür geeignet waren, ein Erwachter zu sein? Mit diesem Gedanken schlief Sunny schließlich ein. ... Am frühen Morgen wurde er von einem durchdringenden Schrei geweckt.
In der darauffolgenden Stille verschwand das Lächeln langsam aus Cassies Gesicht und wurde durch Verwirrung ersetzt. Als sie die plötzliche Anspannung spürte, fragte sie: "Äh... was ist los?" Sunny seufzte. "Nein, es ist alles in Ordnung. Es ist nur so, dass diese Richtung diejenige ist, die wir vermeiden wollten." Nach einigem Nachdenken fügte er hinzu: "Von dort bin ich gestern gekommen. Da unten gibt es eine Menge Aasfresser." Das Gesicht des blinden Mädchens fiel. "Oh." Nephis, die ihnen schweigend zugehört hatte, warf ihm einen unergründlichen Blick zu und sprach schließlich: "Erzähl uns mehr über das Schloss." Ein Hauch der früheren Aufregung kehrte in Cassies Augen zurück. Mit einem ernsten Nicken begann sie, ihre Vision zu beschreiben. "Ich träumte von einer riesigen, verfallenen Stadt aus verwittertem Stein. Sie war von hohen, uneinnehmbaren Mauern umgeben. In den engen Gassen wimmelte es von Monstern. In der Mitte der Stadt gab es einen Hügel, und auf diesem Hügel stand ein prächtiges Schloss." Sie lächelte. "Aber es gab keine Monster im Schloss! Stattdessen war es voller Menschen. Ich denke... nein, ich bin mir sicher, dass sie Erwachte waren. Einige bewachten die Mauern, andere gingen unbeschwert ihrem Leben nach. Es gab Essen, Sicherheit und Gelächter!" 'Nun, das klingt großartig.' Wenn dieses Schloss wirklich existierte, dann wären alle ihre Probleme gelöst. Sunny räusperte sich. "Hast du noch etwas anderes gesehen?" Cassie runzelte die Stirn und versuchte sich zu erinnern. Dann hellte sich ihr Gesicht auf. "Ja! Ich sah Sunny, der mich durch die Tore des Schlosses führte! Das bedeutet, dass wir es schaffen werden!" Ein strahlendes Lächeln erschien auf ihrem puppenhaften Gesicht und strahlte so viel Freude aus, dass Sunny nicht anders konnte, als seine Lippen zu kräuseln. In seinem Inneren jedoch blieb er an einem bestimmten Detail von Cassies Vision hängen. Als das blinde Mädchen darüber sprach, das Schloss zu erreichen, erwähnte sie nur die beiden. Hatte das irgendeine Bedeutung? Sunny drehte seinen Kopf ein wenig und warf einen heimlichen Blick auf Nephis, um herauszufinden, ob sie diesen kleinen Widerspruch auch bemerkt hatte. Changing Star war jedoch so enigmatisch wie immer. Ohne viel Emotion zu zeigen, dachte sie eine Weile nach und nickte dann langsam. "Okay. Dann gehen wir nach Westen." *** Während sich das Meer noch zurückzog, frühstückten sie und verbrachten dann einige Zeit damit, die Reise zu planen und das provisorische Lager abzubrechen. Dabei hatte Sunny die Gelegenheit, die Mädchen besser kennenzulernen. Er kam zu einer plötzlichen Erkenntnis, die seinen Kopf vor Verblüffung fast explodieren ließ. Diese verblüffende Erkenntnis hatte mit Nephis zu tun. Als sie sich das erste Mal vor den Toren der Akademie getroffen hatten, hatte Sunny einen bestimmten Eindruck von dem selbstbewussten, distanzierten Mädchen gewonnen. Später hatten ihr Verhalten und die verschiedenen Enthüllungen über Changing Stars Vergangenheit diesen Eindruck nur noch verstärkt. Nephis schien ein wenig abseits der Welt zu existieren. Sie war geheimnisvoll, unnahbar und ziemlich kühl. Ihr wortkarger Charakter und ihre seltsamen Sprachmuster führten dazu, dass sich die Menschen, die mit ihr interagierten, verunsichert und beunruhigt fühlten und oft mehr preisgaben, als sie beabsichtigten. Je weniger sie redete, desto mehr schien sie zu wissen. Diese stille, gleichgültige Selbstsicherheit war fesselnd und manchmal sogar bedrückend. Aber dieser Eindruck erwies sich als völlig falsch! Die eigentliche Wahrheit dahinter hatte nichts mit Kühle und Unnahbarkeit zu tun. Nachdem er sich ein wenig mit ihr unterhalten und ihre Interaktionen mit Cassie beobachtet hatte, stellte Sunny fast schockiert fest, dass Nephis einfach eine unglaublich, lächerlich... schmerzhaft ungeschickte Person war. Es war, als hätte sie keine Ahnung, wie man mit Menschen spricht. Jedes Mal, wenn sie versuchte, etwas zu vermitteln, benutzte sie entweder die falschen Worte oder stolperte mitten im Satz und verstummte. Ihr Ton passte nie zu dem, was sie zu sagen versuchte. Oft vergaß sie, die richtige Betonung in ihre Rede einzubauen, wodurch Fragen wie Aussagen klangen oder umgekehrt. Hinzu kam, dass Nephis, wie viele introvertierte Menschen, nicht die Angewohnheit hatte, ihre Emotionen offen zu zeigen. Es war nicht so, dass sie keine Gefühle hatte: Sie war einfach sehr schlecht darin, sie auszudrücken! Daher wirkte ihr Gesicht immer kalt und neutral. Deshalb zog sie es meistens vor, so wenig wie möglich oder gar nicht zu sprechen. All das summierte sich und wurde durch ihre allgemeine Seltsamkeit noch verstärkt, was letztendlich das falsche Bild einer mysteriösen, unzugänglichen Eisprinzessin schuf. Tatsächlich war sie jedoch nur schüchtern und völlig unfähig, mit Menschen zu kommunizieren! Nachdem er diese Erkenntnis gewonnen hatte, versuchte Sunny vergeblich, sich davon abzuhalten, Nephis mit großen Augen anzustarren. Er schaffte es gerade noch, seinen Kiefer nicht herunterklappen zu lassen. 'Was zum Teufel? Das entspricht nicht dem, was ein Protagonist sein sollte!' In seiner Vorstellung war Nephis definitiv die Art von Person, die die Hauptrolle in jeder Geschichte einnahm. Selbstbewusste, starke Menschen wie sie und Caster standen immer im Mittelpunkt. Personen wie er und Cassie hingegen wurden in den Hintergrund gedrängt. Aber jetzt... Nein, diese Gedanken waren ebenfalls falsch. Die Tatsache, dass Changing Star Probleme beim Ausdrücken ihrer Selbst und mangelnde soziale Fähigkeiten hatte, bedeutete nicht, dass sie nicht stark war. Vielleicht war es sogar das Gegenteil. Sie hatte trotzdem alles erreicht, was sie erreicht hatte, und das bei zusätzlichen Schwierigkeiten. Sie war trotzdem gefährlich. In diesem Moment bemerkte Nephis endlich, dass Sunny sie anstarrte. Sie sah ihn an und fragte nach einer langen Pause in emotionlosem Ton: "...Was?" Er blinzelte, um sich aus diesem plötzlichen Gedankenstrom zu befreien, und räusperte sich. "Äh, nichts. Ich wollte nur fragen, wann wir aufbrechen." Nephis schien nachzudenken. Nach einer Weile wandte sie sich ab und sagte: "Bald." 'Kannst du wirklich nicht mehr als ein Wort sagen?' Völlig verwirrt, verbarg Sunny seine Gefühle und lächelte. "Aha. Also gut." *** Im grauen Licht des Morgens verließen sie den hohen Hügel und machten sich auf den Weg gen Westen, wobei sie ihre Schritte vom Vortag zurückverfolgten. Da sie den Weg kannten, kamen sie schnell voran. Nephis ging voran, ihren Schwertarm jederzeit zum Schlag bereit. Ein Stück hinter ihr war Sunny. Diesmal wurde ihm die Verantwortung übertragen, das goldene Seil zu halten und Cassie zu führen. Die eigentliche Person... Kreatur..., die sie führte, war natürlich sein Schatten. Er spähte voraus und beobachtete das Labyrinth sorgfältig auf Anzeichen von Gefahr. Das Labyrinth war wie zuvor verwirrend und scheinbar endlos. Karminrote "Korallen"klingen ragten aus dem schwarzen Schlamm auf und bildeten einen riesigen, verworrenen Wald. Doch heute fühlte sich etwas anders an. Es dauerte nicht lange, bis der Schatten auf eine Gruppe massiger, hungriger Aasfresser stieß...
"Halt! " flüsterte Sunny und beobachtete die Gruppe der Aasfresser durch seinen Schatten. Sobald das Wort seine Lippen verließ, beschwor Nephis sofort ihr Schwert. Nachdem sie eine Sekunde lang die Umgebung studiert hatte, drehte sie den Kopf und sah ihn mit einer Frage in den Augen an. Cassia blieb derweil wie erstarrt stehen und hob zögernd ihren Stab. Sunny zählte die Monster: eins, zwei, drei ... fünf ... 'Flüche!' Die massigen Biester schienen die Verlierer des Rudels zu sein, ähnlich wie das, das er getötet hatte. Allerdings waren ihre Wunden nicht so ausgeprägt und schrecklich. Jeder von ihnen war eine viel größere Bedrohung als der verstümmelte von vorhin, und es waren mindestens ein halbes Dutzend von ihnen. "Es sind Aasfresser auf dem Weg vor uns, sechs an der Zahl. Sie bewegen sich langsam in unsere Richtung" Nephis warf einen Blick nach vorne. Auf ihrem Gesicht lag ein berechnender Ausdruck. "Sie sind mit dem Kadaver fertig?" Sunny dachte einen Moment lang nach und schüttelte dann den Kopf. "Nein, das glaube ich nicht. Aber vielleicht ist nicht mehr genug Fleisch für alle da, so dass einige Nachzügler keine andere Wahl hatten, als mit leerem Magen zu gehen; Nephis nickte und deutete auf einen abzweigenden Weg in der Nähe. "Wir werden sie umrunden." Die drei Schläfer bewegten sich eilig vorwärts, wechselten den Weg und machten einen großen Bogen um die Gruppe von Monstern. Angespannt und grimmig setzten sie ihren Weg fort und versuchten, auf dem Weg zu bleiben und sich nicht im Labyrinth zu verirren. In der nächsten Stunde mussten sie jedoch immer wieder in eine zufällige Richtung abbiegen, um anderen Aasfressern auszuweichen. Der Abstand zwischen ihnen und der riesigen Statue verringerte sich überhaupt nicht. Irgendwann verschnauften sie in der Nähe einer der zahlreichen Sackgassen des purpurnen Labyrinths. Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als zu warten, denn eine große Anzahl von Kreaturen bewegte sich an ihrem Versteck vorbei, das durch einen langen, gewundenen Korallengang von ihnen getrennt war. Sunny seufzte und schüttelte den Kopf. "So können wir nicht weitermachen. Wenn wir so weitermachen, schaffen wir es nie vor Sonnenuntergang in Sicherheit " Cassie war die erste, die reagierte. "Vielleicht... vielleicht sollten wir umkehren?" Das war ein vernünftiger Vorschlag. Sunny stimmte jedoch nur widerwillig zu. Nephis teilte seine Gedanken. Mit einem leeren Blick sagte sie: "Morgen wird es nur noch schwieriger werden." Sie hatte Recht. Morgen würden noch mehr Aasfresser das Labyrinth überschwemmen. "Was sollen wir dann tun?" Changing Star legte ihren Kopf schief und dachte nach. Nach einer Weile wandte sie sich an Sunny. "Kämpfen." Kämpfen? Gegen Dutzende von diesen Monstrositäten kämpfen? War sie verrückt? Sunny versuchte, seinen Spott zu verbergen, als er sprach: "Ich weiß, dass du geschickt mit dem Schwert bist, aber hast du vergessen, dass jedes dieser Dinger einen ganzen Rang über uns steht? Wir würden in einem Kampf gegen viele nicht überleben" Nephis nickte. "Wir meiden große Gruppen. Kleinere machen wir nieder." Nach einem Moment fügte sie hinzu: "Wenn es ein oder zwei von ihnen sind, haben wir eine Chance." Sunny wollte etwas erwidern, konnte aber keinen guten Grund finden. Schließlich gab er auf. "Gut." Nephis starrte ihn eine Weile lang an. Dann fragte sie plötzlich: "Hast du die Leiche des Aasfressers untersucht, den du getötet hast?" Was sollte das bedeuten? Ein wenig überrascht schüttelte Sunny den Kopf. "Nein." Er war zu sehr damit beschäftigt, Schmerzen zu haben und zu versuchen, sich in Sicherheit zu bringen, bevor das Meer zurückkehrte. Und warum sollte er eine Leiche studieren? Warte. Ich glaube, Lehrer Julius hat etwas erwähnt... Nach einer kurzen Pause sprach Nephis: "Aasfresser haben drei Schwachstellen an ihrem Körper. Der erste ist offensichtlich: Es sind ihre Gelenke. Alles, was beweglich sein muss, darf nicht zu starr sein. Also gibt es Lücken in der Panzerung über den Gelenken. Indem man auf die Gelenke zielt, kann man ihre Beweglichkeit und Angriffskapazität verringern" Oh... also kann man durch das Studium eines toten Monsters seine Stärken und Schwächen besser verstehen. Diese Idee war so naheliegend, dass Sunny sich selbst ermahnte, dass er sie nicht früher erkannt hatte. Währenddessen fuhr Nephis fort: "Der zweite ist derselbe. Das ist die Stelle, an der ihr Torso mit dem Panzer verbunden ist. Wenn du es schaffst, diese Stelle genau zu treffen, kannst du einen Aasfresser schwer verletzen und seinem Körper schweren Schaden zufügen. Solange es dir nicht gelingt, die Wirbelsäule zu durchtrennen, ist die Wunde jedoch nicht tödlich. Er wird noch eine Weile kämpfen können." Sunny konnte nicht umhin zu bemerken, dass die Unbeholfenheit von Changing Star zu verschwinden schien, wenn sie über Dinge sprach, bei denen sie sich sicher fühlte, wie alte Helden. Oder das Töten von Dingen. Seltsam. "Die letzte Schwachstelle befindet sich auf ihrem Rücken, ungefähr auf der Höhe der Augen. Dort ist eine leicht konkave, verfärbte Vertiefung in ihrer Rüstung. Dort sind mehrere Panzerplatten miteinander verbunden. Das Chitin dort ist vergleichsweise dünn. Wenn du es durchstoßen kannst, kannst du das Gehirn direkt zerstören. Das wäre ein tödlicher Schlag" 'Das ist gut zu wissen. Allerdings war diese Schwachstelle zu hoch, um von einem Menschen getroffen zu werden - immerhin waren Aasfresser mehr als zwei Meter groß!' Als hätte er seine Gedanken gelesen, fügte Nephis hinzu: "Diese Schwachstelle ist sehr schwer zu treffen. Einen Aasfresser zu umkreisen ist aufgrund seiner Größe, seiner Geschwindigkeit und der Reichweite seiner Zangen fast unmöglich" Sie sah ihn an und sagte ruhig: "Wenn wir über einen einzelnen Aasfresser stolpern, werde ich der Köder sein. Meine Aufgabe wird es sein, ihn dazu zu bringen, sich umzudrehen und ihn dann festzuhalten, um die dritte Schwachstelle aufzudecken. Deine Aufgabe wird es sein, ihn zu töten." Sunny schluckte. "Was ist, wenn es zwei von ihnen sind?" Wie üblich machte Nephis eine Pause, bevor er antwortete. "Stirb nicht." *** Es dauerte nicht lange, bis sie keine andere Wahl mehr hatten, als den Kampf gegen einen Aasfresser aufzunehmen. Hinter ihnen lag ein langer Abschnitt des Labyrinths ohne geeignete Abzweigungen, in die sie hätten einbiegen können. Vor ihnen befand sich eine kleine Lichtung, aus der nur ein weiterer Gang herausführte. Nicht weit von diesem Durchgang entfernt bewegte sich ein riesiger Aasfresser langsam in ihre Richtung. Sunny beschrieb schnell die Situation und wartete auf die Rückmeldung von Changing Star. Ohne lange zu warten, nickte sie ihm zu. "Wir kämpfen auf der Lichtung." Danach führte Nephis Cassie behutsam an die Wand des Labyrinths und half ihr, einen Platz zum Sitzen zu finden. "Warte hier. Wir kommen wieder zurück." Nach einigem Nachdenken fügte sie hinzu. "Bald." Als Nephis sich bewegte, um wegzugehen, ergriff Cassie ihre Hand. Ihr Gesicht war blass und angespannt. "Neph, du... sei vorsichtig, okay?" Nephis blinzelte und legte den Kopf ein wenig schief. Dann lächelte sie. "Äh. Sicher." Mit diesen Worten machten sie und Sunny sich eilig auf den Weg zur Lichtung. Als sie dort ankamen, war der Aasfresser nur noch Sekunden von seinem Erscheinen entfernt. Sunnys Schatten flog aus dem Gang und heftete sich wieder an seine Füße. Ohne sich mit Nephis absprechen zu müssen, versteckte er sich schnell im Schatten und wartete dort auf eine Gelegenheit zum Angriff. Nephis hingegen schlenderte in die Mitte der Lichtung und blieb dort ruhig stehen, die Schultern entspannt und den Rücken gerade. In ihren Händen erschien ein elegantes Langschwert, das sie achtlos auf den Boden richtete. Da sie nicht wusste, was sie sonst tun sollte, wiederholte Sunny leise ihre Worte: 'Stirb nicht'. Eine Sekunde später betrat der Aasfresser die Lichtung. Als seine winzigen Augen Nephis erblickten, flammte ein böses Licht in ihnen auf. Ohne auch nur eine Sekunde zu verschwenden, kreischte das riesige Monster und stürzte sich auf den Angriff. Seine riesige Zange schoss mit beängstigender Geschwindigkeit vorwärts und zerriss die Luft auf seinem Weg. Nephis wich der Zange schnell aus und sprang dann nach hinten, um sich aus dem Weg zu machen, den das Ungeheuer nahm. Gleichzeitig blitzte ihr Schwert in der Luft auf und schnitt tief in das Gelenk eines der Vorderbeine des Aasfressers. Azurblaues Blut spritzte auf den Boden. Natürlich war diese kleine Wunde zu unbedeutend, um den Aasfresser zu bremsen. Mit überraschender Wendigkeit drehte er sich und versetzte ihm einen vernichtenden Seitwärtshieb. Nephis, die gerade noch auf den Füßen landete, hatte keine andere Wahl, als den Schlag mit ihrem Schwert abzuwehren. Es gelang ihr, den größten Teil des Aufpralls abzufangen, indem sie die Klinge im richtigen Winkel hielt, aber die verbleibende Kraft reichte aus, um sie aus dem Gleichgewicht zu bringen. In diesem Moment kam die zweite Zange herunter. Anstatt zu versuchen, ihr Gleichgewicht wiederzufinden, machte Changing Star einen Salto über eine Hand und entfernte sich so ein wenig von dem Monster. Ihr Schwert holte erneut aus. Der Folgeangriff folgte fast sofort. Doch Sunny kümmerte sich nicht mehr um die Details. Das Einzige, was ihn interessierte, war, dass es Nephis durch diese riskante Serie von Ausweichmanövern und Sprüngen gelungen war, die gegenüberliegende Seite der Lichtung zu umrunden und den Aasfresser zu zwingen, dem Schatten, in dem er sich versteckte, den Rücken zuzuwenden. 'Jetzt oder nie!' Zähneknirschend stürzte sich Sunny auf ihn. Bevor Changing Star ihr letztes Ausweichmanöver beenden konnte... Bevor die Zange des Aasfressers von oben auf sie einschlug... Bevor Sunny Zeit hatte, sich zu erschrecken... Er verringerte den Abstand zwischen sich und dem Monster, sprang mit aller Kraft und landete auf dem Panzer des Ungeheuers. Dann setzte er sein ganzes Gewicht ein, um eine Hand nach vorne zu stoßen. Die Azurblaue Klinge schimmerte in seinem Griff und wurde sofort von dem Schatten verschluckt. Einen Atemzug später traf die dunkle Klinge genau in die konkave, verfärbte Vertiefung im Panzer des Aasfressers. Mit einem Knacken brach das Chitin und ließ die Schwertspitze tief in den Körper des Aasfressers eindringen. Das Monster zitterte und fiel dann schwer zu Boden. Sunny wurde von seinem Panzer geschleudert und landete mit einer Rolle im Schlamm. So... so einfach? Es war schon vorbei? Wie um ihm zu antworten, ertönte die Stimme des Zaubers in der Luft: [Du hast eine erwachte Bestie erschlagen, Carapace Scavenger.] [Dein Schatten wird stärker.]
Sunny lag im Schlamm und starrte in den Himmel. Er musste nicht einmal Luft holen, denn der ganze Kampf dauerte von Anfang bis Ende weniger als zehn Sekunden. Niemand war tot, verwundet oder auch nur gequetscht... nun, mit Ausnahme des Plünderers. Das lag völlig außerhalb seiner Erwartungen. Er warf einen Blick auf den Leichnam des Monsters, um sich zu vergewissern, dass es tatsächlich tot war, dann rief er die Runen auf und warf einen Blick auf die Anzahl der Schattenfragmente in seinem Besitz. [Schattenfragmente: 16/1000]. Es war tatsächlich wahr. Die mächtige erwachte Bestie war einfach so umgekommen. Und obwohl Nephis die meiste Arbeit geleistet hatte, war er derjenige, der ihr den Todesstoß versetzte. Warum kann es nicht immer so einfach sein? Sunny kam wieder auf die Beine und ließ die Azurblaue Klinge fallen. Dann erinnerte er sich an die Worte, die Meister Jet ihm einmal gesagt hatte: "Niemand kann im Traumreich allein überleben." Damals hatte er ihren Rat beherzigt, aber nicht wirklich daran geglaubt. Schließlich hatte er immer danach gestrebt, unabhängig zu sein und sich von niemandem abhängig zu machen. In Sunnys Augen war dies die wahre Bedeutung von Stärke. Doch nun begann er zu ahnen, dass diese Logik fehlerhaft war. Jemanden zu haben, mit dem man seine Last teilen konnte, bedeutete hier im Traumreich den Unterschied zwischen Himmel und Hölle. Wäre er allein gewesen, hätte der Kampf gegen einen einzigen Aasfresser sein Ende bedeuten können. Auch wenn Nephis weitaus geschickter war als Sunny, wäre es für sie äußerst schwierig gewesen, das gepanzerte Monster allein zu besiegen, da sein schwächster Punkt außerhalb ihrer Reichweite lag. Aber zusammen hatten sie es mit relativer Leichtigkeit geschafft. Das Ganze war größer als die Summe der Teile. Mit anderen Worten, die Stärke der Gruppe übertraf die Stärke des Einzelnen. In diesem Sinne war es kein Zeichen von Schwäche, sich auf eine Gruppe verlassen zu können, sondern ganz im Gegenteil eine wichtige Facette persönlicher Stärke. Einsame Wölfe würden immer im Nachteil sein. Das war eine weitere Lektion, die es zu lernen galt. Es ist ja nicht so, als hätte ich eine große Wahl gehabt. Er ging zu Nephis hinüber und prüfte, ob es ihr gut ging. Abgesehen von einer leichten Beschädigung ihrer notdürftigen Seetangkleidung schien alles in Ordnung zu sein. Sie blickte zu Sunny. "Gedächtnis?" Er schüttelte den Kopf. Nephis seufzte. Es schien, als sei sie ein wenig ungeduldig, sich eine eigene Rüstung zuzulegen. Wenn Sunny ein Gentleman wäre, hätte er ihr vorgeschlagen, ihr das Puppenspielerhemd für eine Weile zu leihen... aber leider war er das nicht. Diese Rüstung war äußerst wertvoll und hatte ihn viel gekostet. Außerdem wäre das Bild von Sunny, die nur einen Lendenschurz aus Seetang trug, im Gegensatz zu Changing Star eher störend als ästhetisch ansprechend gewesen. Also sagte er nichts. Währenddessen ging Nephis auf den toten Aasfresser zu und sagte, ohne den Kopf zu drehen: "Bring Cassie mit." Mit einem Seufzer drehte sich Sunny um und verließ die Lichtung. Bald näherte er sich der Stelle, an der das blinde Mädchen geduldig auf ihre Rückkehr wartete. Als sie seine Schritte hörte, zuckte sie zusammen und hob den Kopf: "S-Sunny?" 'Wie hat sie mich erkannt? Ah... das muss an meinem Gang liegen.' "Ja, ich bin's. Alles ist vorbei. Komm, ich bringe dich zu Nephis." Mit dem Holzstab stand Cassie auf und drehte sich zu ihm um. "Seid ihr... seid ihr in Ordnung?" Sunny lächelte. "Aber natürlich! Wir haben das Viech im Handumdrehen erledigt. Es hat nicht einmal einen Kratzer abbekommen." Cassie lächelte sichtlich erleichtert. "Gut, das ist gut. Oh, richtig, das Seil..." Sunny nahm das Seil und führte das blinde Mädchen zurück auf die Lichtung. Auf dem Weg dorthin fühlte er sich ein wenig seltsam. Als das zierliche Mädchen hinter ihm lief, musste er an seine kleine Schwester denken. Als Kleinkind war sie auch immer hinter ihm hergelaufen, als wären sie aneinander geklebt. Als der vertraute Schmerz ihn ins Herz stach, biss Sunny die Zähne zusammen und versuchte, an etwas anderes zu denken. Es war sowieso alles Vergangenheit. Zurück auf der Lichtung war Nephis damit fertig, den Panzer des Aasfressers zu zerlegen. Der schimmernde Seelensplitter lag bereits in ihrer Hand. Ohne etwas zu sagen, warf sie ihn Sunny zu. Er fing den Kristall auf und sah sie überrascht an. "Warum gibst du ihn mir?" Nephis blinzelte und schwieg ein paar Sekunden lang. Dann sagte sie ganz sachlich: "Ich habe keine Taschen." "Oh." Noch immer etwas verwirrt, steckte Sunny den Seelensplitter in seinen Rucksack. 'Aber warum sollte sie ihn nicht einfach absorbieren?' Er öffnete den Mund, um die Frage zu stellen, aber sie schien etwas zu merken und fügte hinzu: "Wir werden die Beute später teilen." "Ah. In Ordnung." Nephis wandte sich unterdessen an Cassie und sagte nach einigem Überlegen: "Ich war vorsichtig." Dann lächelte sie. *** [Dein Schatten wird stärker.] [Dein Schatten wird stärker.] [Dein Schatten wird stärker.] Sunny fühlte sich irgendwo zwischen Ekstase und Verärgerung. Im Laufe des Tages schafften sie es, drei weitere Aasfresser zu töten, jedes Mal ohne großes Risiko für irgendjemanden, außer für Nephis. Die Vorgehensweise war weitgehend dieselbe: Nachdem sie das Monster entdeckt hatten, versteckte es sich in den Schatten, während Nephis als Köder diente. Dann, wenn die Zeit reif war, näherte sich Sunny heimlich und beendete den Kampf mit einem präzisen Hieb der Azurblauen Klinge. Er fragte sich, ob es sich so anfühlte, in der Gruppe des Haupthelden zu sein. Für jeden anderen, vielleicht mit Ausnahme von Caster, wäre es eine große Aufgabe gewesen, um eine tödlich erwachte Bestie herumzutanzen, die höchstwahrscheinlich mit dem Tod des Tänzers geendet hätte. Nephis jedoch hatte es immer wieder geschafft, scheinbar ohne allzu große Anstrengung. Darüber hinaus beruhte ihre Leistung ausschließlich auf ihrem Können, ohne dass eine Aspektfähigkeit im Spiel war. In dieser Hinsicht hätte es selbst Caster nicht besser machen können. Sie war flink, ruhig und präzise. Jede Bewegung, die sie machte, war kalkuliert und perfekt getimt. Sie schien von Natur aus den Ablauf und die Logik des Kampfes zu verstehen, was sie in die Lage versetzte, grob vorherzusagen, welche Aktionen die geistlosen Bestien in den nächsten Sekunden ausführen würden. Dann war es nur noch eine Frage der körperlichen Geschicklichkeit, ihnen auszuweichen und sie sogar bis zu einem gewissen Grad zu manipulieren. Sunny hatte schon immer gewusst, dass Geschicklichkeit und Erfahrung wichtiger waren als rohe Kraft, aber als er Nephis beobachtete, wurde ihm klar, wie groß der Unterschied zwischen ihnen war. Auch wenn sein göttlicher Aspekt es Sunny ermöglichte, mehr Kraft und Schnelligkeit als Changing Star einzusetzen, hätte er in einem echten Kampf keine Chance. Natürlich war er auch ein wichtiger Teil jeder Begegnung. Seine Rolle als Vollstrecker war nicht trivial, und nicht jeder wäre in der Lage gewesen, vier Kills mit vier Schlägen zu erzielen. Auch wenn Sunny keine ausgefeilten Techniken beigebracht wurden, war er doch ein recht erfahrener Kämpfer. Er verfügte über eine gute körperliche Koordination, Kampfintuition und - was am wichtigsten war - einen kühlen Kopf. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass sie die Aasfresser nur deshalb so effektiv aus dem Hinterhalt angreifen konnten, weil sein Schatten sie im Voraus ausspähte. Alles in allem war es eine fast gleichberechtigte Zusammenarbeit. Trotzdem war es ernüchternd, Nephis beim Kampf zuzusehen. Sunny versuchte, sich nicht zu sehr entmutigen zu lassen, und beschwor die Runen. [Schattenfragmente: 22/1000]. Acht Fragmente heute. Ziemlich gut.' Im Moment warteten sie am Rande des Labyrinthpfades, der direkt zu der riesigen Statue des kopflosen Ritters führte. Zwischen ihnen und der Statue befand sich eine Gruppe von Aasfressern, die sich ohne Eile vorbeibewegten. Der Sonnenuntergang war nahe, aber sie hatten noch Zeit. Langsam verstrichen die Minuten. Irgendwann gab Nephis das Kommando zum Aufbruch. Sunny half Cassie und folgte Changing Star und überquerte schnell den offenen Raum zwischen dem Labyrinth und der Statue. Jetzt mussten sie nur noch auf die Statue klettern. Doch das war gar nicht so einfach. Das zweihundert Meter hohe Monument zu erklimmen, wäre schon unter normalen Umständen schwierig gewesen, aber jetzt mussten sie auch noch Cassie irgendwie hochziehen. Sie zurückzulassen, bis sie oben angekommen waren, wäre nicht sicher gewesen. Schließlich wechselten sich Nephis und Sunny etwa alle zwanzig Meter mit dem Ziehen am Seil ab. Cassie hielt sich an den Felsen fest und wartete, bis sie höher kletterten, und dann wiederholte sich der Vorgang. Es war langsam und quälend, und am Ende waren Sunnys Muskeln wund und brannten fast. Aber sie schafften es, sich in Sicherheit zu bringen, bevor das dunkle Wasser sie wegspülte. Als die Nacht hereinbrach, setzten sich die drei Schläfer in die Mitte der runden Steinplattform und ruhten sich aus. Da sie kein Material zum Feuermachen mitgebracht hatten und es bereits zu spät war, gab es keine Möglichkeit, Essen zu kochen. So kauten sie auf den Streifen getrockneten Fleisches und reichten die Flasche mit dem grenzenlosen Wasser herum. Nach einiger Zeit gab Nephis Sunny ein Zeichen, die Beute der heutigen Reise herauszunehmen. Er nahm die vier schimmernden Seelensplitter heraus und legte sie auf den Boden. Ohne zu diskutieren, schob Changing Star zwei Kristalle in seine Richtung und nahm zwei für sich selbst. Dann gab sie einen ihrer Kristalle an Cassia weiter. Sunny beobachtete das Ganze schweigend. Als Nephis und Cassie ihre Seelensplitter absorbiert hatten, machte er immer noch keine Anstalten, seinen zu nehmen. Nach einer Weile nahm er einen weiteren Kristall aus dem Rucksack und brachte alle drei zu Nephis. Das silberhaarige Mädchen schaute ihn überrascht an. "Willst du nicht... stärker werden?" Sunny grinste. "Doch, natürlich will ich das. Aber die werden mir im Moment nicht viel nützen. Es ist kein Geheimnis, dass du die Hauptkampfkraft unserer Gruppe bist." Er seufzte. "Je stärker du bist, desto größer sind unsere Überlebenschancen. Außerdem ist es kein Geschenk. Es ist ein Handel." Nephis hob eine Augenbraue. "Ein ... Handel? Was wollt ihr?" Sunny überlegte ein paar Sekunden lang, bevor sie antwortete. "Es ist ziemlich einfach. Ich gebe dir diese Seelensplitter und alle anderen Seelensplitter, die ich auf dem Weg zu diesem Schloss verdiene..." Dann schaute er ihr in die Augen und sagte: "Im Gegenzug wirst du mir beibringen, wie man kämpft."
Der Schlaf mied Sunny. Eine Zeit lang saß er schweigend in der Dunkelheit und lauschte dem beruhigenden Rauschen der Wellen. In diesem seltenen Moment der Ruhe kamen ihm die Erinnerungen an die vergangenen Tage in den Sinn. Doch er war zu müde, um ernsthaft über irgendetwas nachzudenken. Er war warm, satt und relativ sicher. Für den Moment war das mehr als genug. Bald änderte sich der Atemrhythmus von Cassia, was darauf hindeutete, dass sie eingeschlafen war. Nephis bewachte das Lager, regungslos und wie immer ein wenig distanziert. Mit ihrem silbernen Haar und ihrer hellen Haut sah sie aus wie eine Alabasterstatue. Sunny seufzte. Er kämpfte eine Weile und sagte dann leise: "Hey. Kann ich dich etwas fragen?" Nephis blickte ihn an und zuckte mit den Schultern. Das Ausbleiben einer hörbaren Antwort zeigte deutlich, dass sie sich an seine Fähigkeit, im Dunkeln zu sehen, erinnerte. "Sicher." 'Wäre es zu persönlich? Sunny zögerte. "Ich dachte, ihr Vermächtnisnehmer kommt mit einem ganzen Arsenal an Erinnerungen in den Zauberspruch. Ich meine, das sollte doch euer Hauptvorteil sein. Wie kommt es, dass du nur drei hattest?" Nephis schwieg einen Moment lang. "Eigentlich hatte ich nur zwei. Das Seil kam von Cassie." Er hob eine Augenbraue. "Oh. Ich verstehe." Als Nephis merkte, dass ihre Antwort nicht wirklich eine Antwort war, dachte sie eine Weile nach und fügte dann hinzu: "Als mein Vater starb, haben wir die meisten unserer Erinnerungen verloren. Die verbliebenen wurden im Laufe der Jahre nach und nach verkauft, um die Familie über Wasser zu halten. Dieses Schwert und diese Rüstung stammten aus meinem ersten Albtraum" Und so war es dann auch. Sunny erkannte, dass der Untergang des Clans der Unsterblichen Flamme vielleicht gründlicher war, als er gedacht hatte. Aber irgendetwas daran ergab keinen Sinn. Bei dem Ruf und dem Ansehen eures Clans gab es doch sicher auch andere Möglichkeiten, Geld zu verdienen" Ohne eine starke Reaktion sagte Nephis einfach: "Es gab andere Gründe." Dann drehte sie unerwartet ihren Kopf in seine Richtung. "Darf ich Ihnen im Gegenzug eine Frage stellen?" Sunny schluckte. "Ja, schieß los." Nephis legte den Kopf schief. "Woher wussten Sie, dass ich ein Vermächtnis bin?" 'Was? Das war's?' "Ganz einfach. Ich hörte Caster es erwähnen. Er schimpfte mit den anderen Schläfern, damit sie dich mit Respekt behandeln" Sie nickte ihm zu und wandte sich ab. Welche Gedanken sich hinter ihren ruhigen grauen Augen verbargen, wusste Sunny nicht. Es verging einige Zeit, bis er den Mut aufbrachte, die Frage zu stellen, die er eigentlich stellen wollte. Bevor er es tat, vergewisserte er sich jedoch, dass Cassie fest schlief und senkte seine Stimme. "Darf ich noch eine Frage stellen?" Ohne eine negative Antwort zu erhalten, fuhr er fort: "Warum belästigst du dich mit ihr?" Ein Mundwinkel von Changing Star kräuselte sich leicht nach oben. "Warum? Würdest du das nicht tun?" Sunny biss die Zähne zusammen und spürte, wie der Makel die wahrheitsgemäße Antwort aus seinem Mund verdrängte. "Nein." Um ehrlich zu sein, wollte er bis zum letzten Moment glauben, dass die Antwort "ja" lauten würde. Aber eines der Dinge, die er nach dem Alptraum verloren hatte, war die Fähigkeit, sich selbst zu belügen. Die Wahrheit war unbarmherzig. Es ist nicht so, dass Sunny kein Mitleid mit dem blinden Mädchen hatte oder ihr nicht helfen wollte. Er wusste nur mit Sicherheit, dass er das nicht tun konnte. Er war kaum in der Lage, sich selbst zu retten, geschweige denn eine hilflose Person durch das Traumreich zu tragen. Wenn er es versuchte, würden sie einfach zusammen sterben. Trotzdem konnte er nicht umhin, ein wenig enttäuscht von sich selbst zu sein. Nephis jedoch schien ihn nicht zu verurteilen. Sie zeigte überhaupt keine Reaktion. Nach ein paar Augenblicken sagte sie einfach: "Weil ich es will." 'Weil ... sie will?' Das war nicht die Antwort, die Sunny erwartet hatte. Er war sich ziemlich sicher, dass sie ihm entweder einen Vortrag über Tugend und Mitgefühl halten oder ihm irgendeinen obskuren Weg aufzeigen würde, wie Cassies scheinbar schwache Fähigkeiten unglaublich nützlich sein konnten. Doch sie tat nichts von beidem. Nephis erwartete von ihm, dass er glaubte, sie würde ihr Leben in Gefahr bringen und sogar eine erwachte Erinnerung vom Typ Rüstung opfern, weil sie das einfach tun wollte. 'Lächerlich!' Im ersten Moment tat er ihre Antwort als Nicht-Antwort ab. Aber je mehr er darüber nachdachte, desto beunruhigter wurde er. Denn vielleicht entsprach sie tatsächlich der Wahrheit. Aufgrund der Umstände in seinem Leben hatte Sunny nie wirklich etwas getan, weil er es wollte. Die meiste Zeit tat er sie, weil er sie tun musste. Es war nie eine Frage von "wollen"... es war immer eine Frage von "müssen". Für ihn war dies eine Grundregel des Lebens. Aber war es das wirklich? Oder war es nur eine Frage der Perspektive? Nephis hatte gewisse Vorteile in ihrer Erziehung, aber sie waren nicht so umfangreich, wie er es sich vorgestellt hatte. Sie besaß weder Reichtum noch ein Arsenal an Reliquien, die ihr Kraft verliehen. Allerdings hatte sie eine andere Mentalität als Sunny. Es war nicht unmöglich, dass sie die Kühnheit besaß, Bedürfnisse zu ignorieren und Dinge zu tun, die ein normaler Mensch wie Sunny nie tun würde, um etwas so Frivoles wie Lust zu befriedigen. Wie zum Beispiel einem blinden Mädchen zu helfen, einfach weil es das war, was Nephis tun wollte. Vielleicht war diese Mentalität der größte Vorteil von allen. Vielleicht war das die wirkliche Barriere, die die Legaten von den anderen trennte. Das war eine Menge zum Nachdenken. Doch bevor Sunny seine Gedanken sammeln konnte, ergriff Nephis plötzlich wieder das Wort. "Ich bin dran." Äh... meint sie damit, dass sie an der Reihe ist, eine Frage zu stellen? Ja, das meinte sie in der Tat. Changing Star wandte sich wieder an Sunny und fragte nach einer langen Pause plötzlich: "Kennst du die Legende von Odysseus?" 'Einen was... wen? Was ist denn das für eine komische Frage?!' Verwirrt schüttelte Sunny den Kopf. Dann erinnerte er sich daran, dass sie ihn nicht sehen konnte, und sagte: "Nein." Nephis seufzte und wandte sich ab. Ein paar Augenblicke später sagte sie leise: "Odysseus war ein Held in einem alten Krieg. In den Legenden hatten einige Menschen damals Kräfte, die denen der Erwachten ähnelten. Achilles mit dem Aspekt des unzerstörbaren Körpers, Diomedes, der so wild war, dass sogar der Kriegsgott sich vor ihm fürchtete, Ajax, der so stark war wie ein Riese. Odysseus war nicht der Stärkste und auch nicht der Tapferste. Aber er war der Gerissenste." Sunny blinzelte und starrte das silberhaarige Mädchen an. 'Was? Wo kommt das denn her? Warum ist sie plötzlich so wortgewandt?' Währenddessen fuhr Nephis fort: "Am Ende beendete Odysseus' List den Krieg, und er bereitete sich darauf vor, nach Hause zu segeln. Doch die Götter verfluchten ihn dazu, endlos über die Meere zu ziehen und niemals zurückzukehren. Im Laufe der Jahre überlebte er einen Schrecken nach dem anderen und verlor alle seine Gefährten. Dann erlitt er Schiffbruch und fand sich auf einer Insel wieder, auf der die schöne Fee Calypso lebte; Die ätherische, seltsam wehmütige Stimme von Changing Star ertönte in der Dunkelheit und schuf eine fesselnde Atmosphäre. Sunny konnte nicht anders, als ihr mit größter Aufmerksamkeit zuzuhören. "Calypso verliebte sich in Odysseus und lud ihn in ihren Palast ein. Viele Jahre lang lebten sie in Harmonie zusammen. Die Insel war wie ein Paradies, gefüllt mit allen möglichen Wundern, Köstlichkeiten und Freuden. Solange die liebende Calypso an seiner Seite war, war Odysseus sogar unsterblich. Aber... je länger er blieb, desto mehr Zeit verbrachte er damit, am Ufer zu sitzen und mit trüben Augen auf das Meer zu blicken." Nephis lächelte. "Schließlich baute Odysseus ein provisorisches Boot und verließ die Insel, wobei er all ihre Freuden, die schöne Fee und sogar seine Unsterblichkeit zurückließ. Meine Frage ist also... warum ist er gegangen?" Sunny blinzelte. 'Was?' Was für ein Gedankenspiel war das denn? Er dachte sogar, dass Nephis ihn verhöhnte, aber das schien nicht der Fall zu sein. Es sah so aus, als wäre sie aufrichtig an der Antwort interessiert. Spinnerin! Er dachte eine Weile nach und sagte dann ohne allzu große Überzeugung: "Vielleicht lag es daran, dass er weit weg von zu Hause war?" Ein flüchtiges Lächeln erschien auf Nephis' Gesicht. "Weit weg... von zu Hause. Hm. In Ordnung." Danach wandte sie sich ab, senkte den Kopf und wurde wieder wie eine Statue. Es schien, als sei ihr Gespräch beendet. Innerlich grummelnd legte sich Sunny hin und versuchte einzuschlafen. Doch das Bild des Odysseus mit den trüben Augen tauchte immer wieder in seinem Kopf auf. Nach einer Weile flüsterte er: "Nun? Hat er es nach Hause geschafft?" Bald darauf antwortete Nephis. "Ja. Er kehrte zu seiner Frau und seinem Sohn zurück, und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage." Zufrieden lächelte Sunny und drehte sich auf die Seite. Als er bereits im Halbschlaf war, hörte er erneut die leise Stimme von Changing Star. Diesmal war sie kaum hörbar und ziellos, als ob sie an niemanden gerichtet wäre. "Odysseus war der erste Mensch, der den Willen der Götter brach." *** Am Morgen waren Sunny und Nephis die ersten, die aufstanden. Während die Sonne aufging und das Meer sich zurückzog, machten sie ein Feuer und begannen, ein einfaches Frühstück zuzubereiten. Da Cassia noch schlief, sprachen sie nicht viel miteinander. Es war, als hätte das Gespräch der letzten Nacht nicht stattgefunden. Doch nach einiger Zeit kamen sie irgendwie dazu, den Plan für die nächsten Tage zu besprechen. Nephis hatte einige Ideen. "Nach dem, was du uns über die Aasfresser erzählt hast, die sich im Westen drängen, wäre es logisch, dass wir uns so schnell wie möglich nach Osten bewegen. Natürlich sind auch der Norden und der Süden akzeptabel, aber das wird nicht so viel Platz zwischen uns und dem Feind schaffen" Sunny nickte und stimmte mit dieser Logik überein. "Wir haben den Osten ein wenig erkundet, aber nicht genug, um es in einem Tag sicher zum nächsten Höhepunkt zu schaffen. Deshalb wäre es am besten, wenn wir heute einen Weg zu der Felsengruppe dort drüben auskundschaften und das Lager morgen verlegen würden." Er seufzte. "Habt ihr eine Ahnung, wo wir sind? Könnte es im Osten eine menschliche Zitadelle geben?" Nephis schüttelte den Kopf. "Ich habe noch nie von einer Region gehört, auf die die Merkmale dieses Ortes zutreffen. Auf jeden Fall müssen wir weiterziehen, um mehr herauszufinden. Entweder finden wir eine Zitadelle, stoßen auf ein unbesiegtes Tor ... oder wir sterben. Osten ist so gut wie jede andere Richtung. Außerdem ist es dort am sichersten, denn im Westen wimmelt es von Monstern" An diesem Punkt setzte sich Cassie plötzlich aufrecht hin. Ihre Augen waren weit aufgerissen, und ihr Gesicht war ein wenig blass. Sie sah nervös und aufgeregt aus. Nephis runzelte die Stirn. "Cassie? Was ist denn los?" Das blinde Mädchen drehte sich zu ihnen um und lächelte. "Eine... eine Vision! Ich hatte eine Vision!" 'Wie... ein prophetischer Traum?' dachte Sunny und versuchte, sich mit der neuen Realität abzufinden, dass jemand in die Zukunft sehen konnte. Oder die Vergangenheit. Währenddessen streckte Changing Star ihre Hand aus, als wolle sie ihr Schwert beschwören. "Sind wir in Gefahr?" Cassie schüttelte energisch den Kopf. "Nein, das ist es nicht! Menschen... Ich habe ein Schloss voller Menschen gesehen!" Sie lächelte und deutete mit ihrem Finger. "Ich weiß nicht, wie weit es entfernt ist, aber ich bin sicher, dass es in dieser Richtung liegt!" Sunny und Nephis sahen sich an und wussten nicht, ob sie sich freuen oder versteinert sein sollten. Cassies kleiner, zierlicher Finger deutete zuversichtlich nach Westen.
Sunny war auf den Beinen, noch bevor er vollständig aufgewacht war. Irgendwie war Azure Blade bereits in seiner Hand. Sein Schatten schwebte neben ihm, bereit, sich entweder um das Schwert zu wickeln, falls er angreifen wollte, oder um seinen Körper, falls es dafür schon zu spät war. Er versuchte zu verstehen, was hier vor sich ging. Nephis war in der Nähe, ihr Langschwert in Verteidigungshaltung erhoben. Cassie... 'Wo ist Cassie?' Aus Angst vor dem, was er sehen könnte - riesige Tentakel, die aus der Dunkelheit nach ihnen griffen - sah er sich um. Am östlichen Horizont zeichneten sich gerade die ersten Anzeichen der Morgendämmerung ab und fügten der Schwärze der Welt einen winzigen Grauton hinzu. In dieser Schwärze gab es keine Anzeichen von Gefahr. Schließlich sah er Cassie. Das blinde Mädchen stolperte am Rande des Bahnsteigs mit einem entsetzten Gesichtsausdruck. Mit ihren blonden Haaren streckte sie ihre Hände aus, offensichtlich verloren im Raum. Natürlich gab es keine Wände, die sie hätte finden können. Die Plattform war den Elementen ausgesetzt, und das Einzige, was auf Cassie wartete, war ein Sturz in die dunklen, stürmischen Gewässer... Bevor Sunny wusste, was er tat, war er bereits auf der Flucht. Das war nicht sehr klug - schließlich wusste er nicht, was Cassia zu ihrem Schrei veranlasst hatte und ob eine versteckte Gefahr in der Nähe war. Außerdem war es für Nephis noch zu dunkel, um etwas zu sehen. Sein plötzlicher Vorstoß hätte sie dazu bringen können, mit dem Schwert zuzuschlagen, bevor sie Fragen stellte... All das waren gute Gründe, erst einmal abzuwarten und zu beobachten, aber in einer untypischen und völlig irrationalen Weise handelte Sunny, bevor er nachdachte. Er erwischte Cassie, kurz bevor sie einen Schritt von der Plattform machte, hielt sie fest in seinen Armen und zog das blinde Mädchen zurück. "Ich habe sie!" brüllte Sunny und ließ Changing Star wissen, dass es nicht nötig war, ihn mit einem Schwert zu erstechen. Und dann sagte er mit ruhiger Stimme zu Cassie: "Ich habe dich. Es ist alles in Ordnung. Alles ist in Ordnung. Beruhige dich..." Er spürte, wie der Körper des Mädchens zitterte, und schaute sich noch einmal um, um zu verstehen, was sie so sehr erschreckt hatte. Aber da war nichts. Nephis lauschte aus demselben Grund dem Meer. Nach ein paar Sekunden fragte sie: "Siehst du etwas?" Sunny schüttelte hilflos den Kopf. "Nein." Er half Cassie, sich in die Mitte der Plattform zu setzen. Während Nephis über ihnen Wache hielt, untersuchte er das blinde Mädchen, um sicherzugehen, dass sie keine Wunden am Körper hatte. Es schien alles in Ordnung zu sein. "Sie ist nirgendwo verletzt." Changing Star blickte zu Boden. Obwohl ihr Gesicht gleichgültig blieb, konnte er erkennen, dass sie ein wenig aufgeregt war. Nach ein oder zwei Sekunden fragte sie in einem Ton, der ihre Version eines beruhigenden Tons gewesen sein könnte. Es hörte sich ziemlich genau so an wie sonst auch: "Cassie? Was ist passiert?" Auf magische Weise schien dies das blinde Mädchen ein wenig zu beruhigen. Zumindest so weit, dass sie mit zitternder Stimme sprechen konnte. Cassie streckte eine Hand aus und deutete nach unten. "D-Der Kopf ... ich habe ... oh Götter!" Sunny runzelte die Stirn und sah Nephis an. "Hat sie eine Vision gesehen? Die Vergangenheit?" Das große Mädchen schwieg einen Moment lang. "Ich weiß es nicht. Es ist noch nie passiert." Beide drehten sich zu Cassie um und wussten nicht, was sie tun sollten. Da keine offensichtliche Gefahr in der Nähe war, versuchten sie abwechselnd, das entsetzte Mädchen zu beruhigen. Doch nach diesem einen Satz verstummte sie und weigerte sich, wieder zu sprechen. Nichts schien zu helfen. Nach einer Weile seufzte Nephis. "Lassen wir... sie erst einmal in Ruhe. Vielleicht braucht sie Zeit." Sunny wollte etwas erwidern, aber um ehrlich zu sein, hatte er auch keine Idee. Am Ende nickte er nur. "Okay. Ich werde sie im Auge behalten." Changing Star jedoch hatte andere Vorstellungen. *** Als die Sonne aufging und die Brandung zurückging, beschloss Nephis, Cassie etwas Freiraum zu lassen, und führte Sunny an den Rand der Plattform. Sie achtete jedoch darauf, das blinde Mädchen immer im Blickfeld zu haben. Cassia saß an ihre Knie gepresst. Ihre Augen waren geschlossen, aber kleine Zuckungen, die regelmäßig durch ihren Körper liefen, verrieten, dass sie wach war. Sunnys Auge zuckte. "Bist du sicher, dass es in Ordnung ist, sie so zu lassen?" Nephis warf ihm einen komplizierten Blick zu. "Ja." Dann, nach einigem Nachdenken, fügte sie hinzu: "Cassie ist stark." Sunny war sich nicht sicher, was er darauf antworten sollte. Wenn Changing Star jemanden für stark hielt, dann war er es höchstwahrscheinlich auch. Aber "stark" war das letzte Wort, das ihm in den Sinn kam, wenn er an das zarte, schöne, blinde Mädchen dachte. War sie nicht jemand, der ständig ihre Hilfe brauchte? Aber auch hier gab es verschiedene Arten von Stärke. Cassia war trotz ihres lähmenden Makels noch am Leben und zurechnungsfähig. Wie viele Menschen hätten das auch geschafft? "Wenn du es sagst." Dann ließ Nephis ihn die Azurblaue Klinge beschwören. Nachdem sie es eine Weile studiert hatte, nickte sie und nahm ihr Langschwert aus der Luft. Trotz seiner Größe war es eine elegante Waffe. Die schmale, zweischneidige Klinge war viel länger als die der Azurblauen Klinge und hatte eine unglaublich scharfe, symmetrische Spitze. Die gesamte Klinge sowie der einfache, kreuzförmige Griff und der Knauf schienen aus Silber zu sein und reflektierten das fahle Morgenlicht. Der Griff war fest mit schwarzem Leder umwickelt. Nephis legte die beiden Schwerter nebeneinander und sprach: "Dein Schwert kann mit einer Hand geführt werden, aber sein wahres Potenzial entfaltet sich erst, wenn man es mit beiden Händen hält. Es ist in erster Linie zum Schneiden und Trennen gedacht, daher der höhere Schwerpunkt. Aber es kann auch stechen." Dann gestikulierte sie zu ihrem Schwert: "Mein Schwert ist ein bisschen vielseitiger. Es ist sowohl zum Schneiden als auch zum Stoßen gedacht und hat eine doppelte Schneide. Das Prinzip, wie man diese beiden Schwerter führt, ist jedoch dasselbe." Sie nahm das Schwert in beide Hände und legte eine in die Nähe der Parierstange und die andere in die Nähe des Knaufs. Dann führte sie einen Hieb nach unten aus. "Es sind beides Hebelwaffen. Wenn sie mit zwei Händen gehalten werden, drückt eine Hand", sie drückte das Schwert mit der Hand in der Nähe der Parierstange nach unten. "Und die andere Hand zieht." Die Hand in der Nähe des Knaufs zog gleichzeitig den Griff nach oben, wodurch die Klinge einen enormen Geschwindigkeitsschub erhielt. "So erzeugt man Kraft und führt mächtige Schläge aus. Jetzt bist du dran." Sunny blickte auf sein Schwert und umklammerte es mit beiden Händen, wobei er Nephis' Haltung nachahmte. Dann hob er es und schlug zu, wobei er darauf achtete, die Kraft des Schlages mit seiner unteren Hand zu verstärken. Changing Star beobachtete ihn. "Du musst verstehen, dass ein Schlag nicht von den Händen kommt. Er kommt aus deinem ganzen Körper. Die Kraft kommt aus den Füßen, der Hüfte, der Körpermitte, den Schultern und wird erst dann auf die Hände übertragen. Genau so." Sie demonstrierte wieder den Abwärtshieb. Diesmal achtete Sunny auf die gesamte Haltung und die Bewegungen jedes Körperteils von Changing Star, nicht nur auf das Schwert. Er war kein Neuling im Kämpfen: Instinktiv wusste er bereits, wie man richtig zuschlägt ... auch wenn er vorher nicht viel Kraft in seinem Körper hatte. Die Prinzipien des Schlagens mit dem Schwert waren weitgehend die gleichen, so dass Sunny das Gesamtkonzept schnell verstand. Er führte den einfachen Abwärtshieb noch ein paar Mal aus. Nach jedem Mal gab Nephis ihm Hinweise und korrigierte seine Fehler. Einige Zeit später war sie schließlich mit seiner Form zufrieden. "Gut." Sunny lächelte, stolz auf seine Leistung. Nephis sah ihn nachdenklich an und nickte. "Und jetzt mach das noch tausend Mal." Das Lächeln auf Sunnys Gesicht gefror. 'T... tausend? Hat sie tausend gesagt?!' Er blinzelte. "Äh ... Entschuldigung. Wie viele Male?" Changing Star legte den Kopf schief und dachte eine Weile nach. "Nun ... wir haben heute nicht viel Zeit. Also, ja. Nur eintausend." 'Ha. Ha-ha. 'Nur' tausend, was?' Sunny zwang sich, höflich zu klingen. "Ich verstehe. Also gut." Als Nephis zurückging, um sich zu Cassie zu setzen, wandte er sich dem Meer zu und hob sein Schwert. 'Eins'. Die Azurblaue Klinge pfiff, als sie die Luft schnitt. Er hob es erneut. 'Zwei.' Schieben und ziehen. So erzeugt man Kraft. 'Drei.' Schlage mit deinem ganzen Körper zu, nicht nur mit den Händen. 'Vier.' Als Sunny sein Schwert hob und immer wieder zuschlug, blieb ihm schließlich nur noch ein Gedanke im Kopf: 'Wiederholung, Erfahrung, Klarheit. Wiederholung...' Als er mit tausend Schlägen fertig war, war Cassie endlich bereit zu sprechen.
Wegen der Schattenfragmente, die Sunny in den letzten Tagen aufgenommen hatte, hatte sich die Reichweite der Schattenkontrolle etwas vergrößert. Sie reichte jedoch bei weitem nicht aus, um tief in das Labyrinth vorzudringen. Er konnte nur die allgemeine Richtung erkennen, in die die beiden großen Monster sich bewegten. Sie zogen nach Westen. Nachdem er dies Nephis mitgeteilt hatte, gab es für ihn nicht mehr viel zu tun. Letztendlich entschied sich Sunny, sich einfach auszuruhen - der bevorstehende Tag versprach voller Strapazen und Gefahren zu sein, es lag also in seinem eigenen Interesse, seinen Körper so weit wie möglich erholen zu lassen. Einige Zeit später lag Sunny auf dem Rücken und starrte in den grauen Himmel. Cassie saß neben ihm, in Gedanken versunken. Nephis meditierte - zumindest sah es danach aus. Sie hätte genauso gut schlafen können, soviel wusste Sunny. Nach einer Weile wandte sich Cassie an ihn. "Sunny?" Er drehte den Kopf, um sie anzusehen. "Ja?" Das blinde Mädchen zögerte. "Glaubst du... werden wir jemals nach Hause zurückkehren können?" Sunny schaute sie an und zog die Brauen zusammen. Ein paar Sekunden später wandte er sich ab und sah wieder in den Himmel. "Sicher." Cassie lächelte: "Glaubst du das wirklich? Warum?" 'Was sind das alles für Fragen?' Er seufzte und suchte nach den richtigen Worten. "Wegen ihr." Er deutete auf Nephis, wissend, dass Cassie es nicht sehen konnte. Doch außer ihnen beiden war niemand auf der steinernen Plattform, also war es ziemlich eindeutig, wer gemeint war. "Ich bin auch nicht jemand, der leicht stirbt. Tatsächlich bin ich bereit zu wetten, dass du kein besseres Duo von Schlafenden hättest finden können, um dich durch das Traumreich zu begleiten. Wenn es jemand schaffen kann, das hier zu überleben, dann sind wir es. Ja, ich denke, dass unsere Chancen, es zurück zu schaffen, ziemlich hoch sind." Cassie kicherte plötzlich. "Bist du nicht ein bisschen zu selbstsicher? Du warst nur auf dem vorletzten Platz!" Sunny zuckte mit den Schultern. "Das lag nur daran, dass mir jemand Kluges geraten hat, ein niedriges Profil zu wahren. Andernfalls wäre ich höher platziert gewesen." Dann fügte er grinsend hinzu: "Viel höher! Mindestens drittletzter!" Das blinde Mädchen konnte nicht anders, als zu lachen. Der melodische Klang ihres Gelächters verbesserte Sunnys Laune erheblich - er hatte so etwas seit seiner Ankunft im Traumreich nicht mehr gehört. Es war schön zu sehen, dass die Menschen an diesem höllischen Ort noch einen Hauch von Heiterkeit bewahren konnten. Jetzt, wo er darüber nachdachte, war dies das erste Mal, dass er Cassie überhaupt lachen hörte. In der Akademie war sie immer reserviert und düster. Nach dieser spontanen Ausgelassenheit wurde Cassias Mimik langsam melancholisch. Ein paar Sekunden später fragte sie: "Was vermisst du am meisten zu Hause?" Sunny versuchte, sich etwas einfallen zu lassen, scheiterte jedoch. Er war sich nicht sicher, ob er in der echten Welt überhaupt ein Zuhause hatte - das kleine Zimmer, das er zuvor gemietet hatte, war nichts anderes als ein provisorischer Regenschutz. Was die echte Welt im Ganzen betrifft, so war sein dortiges Leben auch nicht besonders angenehm. Schließlich antwortete er: "Ich vermisse tatsächlich nichts Besonderes." Cassie war sehr überrascht. "Wirklich? Vermisst du nicht deine Familie?" Sunny lächelte. "Ich habe keine Familie. Naja ... ich glaube, ich habe irgendwo eine Schwester. Aber wir haben uns seit vielen Jahren nicht mehr gesehen." "Oh." Das blinde Mädchen schwieg. Ein paar Sekunden später sagte sie leise: "Ich vermisse meine Familie am meisten." In ihrer Stimme schwang Sehnsucht und Traurigkeit mit. Sunny wusste nicht, was er sagen sollte, also blieb er still. "Meine Mutter und mein Vater machen sich sicher große Sorgen um mich. Nein... nein, sie würden sich nicht sorgen, sie wären am Boden zerstört. Sie müssen glauben, dass ich schon so gut wie tot bin." Sunny blickte sie an und seufzte. "Du scheinst dich sehr um sie zu sorgen." Cassie wandte sich verwirrt an ihn. "Natürlich mache ich das. Ist das nicht normal?" Sunny starrte in den grauen Himmel. Der Wind roch nach Regen. Nach einer Weile sagte er: "Ich kann das nicht sagen." *** Am Abend ließ Nephis Sunny erneut die tausend Schläge durchführen. Danach aßen sie die letzten Streifen getrockneten Aasfleisch und wechselten sich beim Schlafen ab, damit immer jemand ein Auge auf Cassie werfen konnte. Glücklicherweise passierte in der Nacht nichts. Als der Morgen kam und das dunkle Meer sich zurückzog, bereiteten sie sich darauf vor, die riesige Statue zu verlassen. Nephis war die Erste, die hinunterkletterte. Bevor sie das tat, hatte sie noch ein paar Worte zu sagen: "Heute wird es anders sein als zuvor. Es wird viel mehr Aasfresser im Labyrinth geben. Wir könnten nicht in der Lage sein, einen Hinterhalt zu legen oder den Kampf gegen mehrere auf einmal zu vermeiden." Sie schaute Sunny an: "Wenn etwas passiert, ist deine Aufgabe, Cassie in Sicherheit zu bringen. Wir können uns zurückziehen, indem wir Passagen benutzen, die für die Aasfresser zu eng sind. Wenn wir getrennt werden, macht euch selbstständig auf den Weg zum höchsten Punkt. Wartet nicht auf mich. Verstanden?" Sunny nickte mit ernstem Gesichtszug. Nephis erwiderte das Nicken. "Gut. Die Zeit drängt, also lasst uns gehen." Damit begann sie den Abstieg. Nachdem Nephis einen Punkt etwa zwanzig Meter unter ihnen erreicht hatte, fand sie Halt und wartete. Mit dem goldenen Seil ließ Sunny Cassie hinunter. Genau wie beim Aufstieg, halfen sie dem blinden Mädchen abwechselnd. Glücklicherweise war das Hinunterklettern der Statue viel einfacher. Bald erreichten sie den Boden. Nachdem sie in das Labyrinth eintraten, bewegte sich das Trio schnell vorwärts. Der Schatten war ihnen voraus und suchte nach Monstern und dem besten Weg. Trotzdem war ihr Fortschritt langsam und chaotisch. Sie mussten ständig die Richtung ändern, um Gruppen von Aasfressern auszuweichen, und landeten oft in Sackgassen oder entfernten sich immer weiter von ihrem Ziel. Sunny, der die Rolle des Spähers und Navigators spielte, fühlte, wie sein Kopf langsam anfing zu kochen. Irgendwann kamen sie jedoch unweigerlich in eine Situation, in der ein Kampf unvermeidlich war. Eine große Gruppe Aasfressern hing ihnen an den Fersen und ein Paar von ihnen blockierte den Weg vor ihnen. Keine der beiden Gruppen hatte die Schläfer bisher bemerkt; aber da es keine anderen Gänge gab, in die sie abbiegen konnten, war es nur eine Frage der Zeit. Nephis überlegte ein paar Sekunden lang ihre Möglichkeiten. Ein finsterer Blick lag auf ihrem Gesicht. Schließlich sagte sie: "Wenn es nur zwei sind, schaffen wir das." Sunny sah sie unsicher an. "Aber wir haben keine Zeit, einen Hinterhalt zu legen." Er war sich nicht ganz sicher, ob sie tatsächlich gegen zwei Aasfresser auf einmal kämpfen können. Obwohl sich Nephis als eine ausgezeichnete Lehrerin erwiesen hatte, hatte er nur einen Tag lang das Schwerttraining geübt. Allein gegen einen Aasfresser zu kämpfen, war riskant. Nephis zuckte die Schultern. "Es ist dasselbe. Ich werde zuerst angreifen. Du folgst mir im Schatten und erledigst einen, sobald sie sich umdrehen. Dann töten wir den zweiten zusammen." Der gesamte Plan basierte auf der Annahme, dass Nephis den Doppelangriff der Aasfresser überleben konnte. Sunnys Respekt vor ihr war stark, aber er war sich unsicher, ob das möglich war. Es war sehr wahrscheinlich, dass Nephis sterben würde. Er erinnerte sich immer noch daran, dass sie in Cassies erster Vision nicht da war. Aber was konnten sie sonst tun? Ein wenig verunsichert knirschte er mit den Zähnen. "Einverstanden." Nach einer kurzen Pause beschwor Nephis ihr Schwert. Dann trat sie vor.
"Wir müssen jetzt los." Als Nephis sich zu ihm umdrehte, packte Sunny Cassie und half ihr aufzustehen. Sein Gesicht war noch blasser als sonst, und in seinen Augen lag ein panischer Ausdruck. "Jetzt! Hilf mir, sie wieder auf den Scavenger zu bringen!" Das silberhaarige Mädchen hob den Kopf und sah in den Himmel. Bald verfinsterte sich ihre Miene. Ohne etwas zu sagen, tat sie, worum er sie gebeten hatte. Cassie schien ein wenig verwirrt zu sein. Sie griff nach den Zügeln und drehte sich hilflos zu ihrer Freundin um: "Neph? Was ist hier los?" Changing Star blickte sie an. Als sie schließlich sprach, klang ihre Stimme schwer. "Ein Sturm zieht auf." In der Zwischenzeit ließ Sunny seinen Schatten auf eine hohe Korallensäule klettern und schaute nach vorne, um zu sehen, wie weit die Klippen entfernt waren, auf die sie zusteuerten. So wie es aussah, war es noch eine beträchtliche Strecke bis dorthin. Aber die riesige Statue war schon viel weiter weg. Jetzt umzukehren wäre Selbstmord gewesen. Er wandte sich an Nephis: "Wir sind etwa drei oder vier Kilometer von den Klippen entfernt. Meinst du, wir können es schaffen?" Sie runzelte die Stirn. "Wenn wir den direktesten Weg nehmen. Vielleicht." Sunny zögerte, dann fragte sie: "Was ist mit den Monstern?" Changing Star blickte nach vorn und biss die Zähne zusammen. "Da müssen wir uns durchschlagen." 'Das ist alles? Das ist der Plan?' Während er vergeblich versuchte, sich einen hinterhältigen Trick auszudenken, um sie zu retten, drehte Nephis den Kopf und sah ihn verwirrt an. "Worauf wartest du noch? Lauf!" *** Als sie nach vorne stürmten, fielen bereits schwere Regentropfen auf den Boden. Starke Winde heulten zwischen den Korallenblättern und ließen Schlamm und Seetang umherfliegen. Am Himmel zogen Gewitterwolken auf, das Sonnenlicht verdunkelte sich, und ein kaltes Zwielicht senkte sich über das Labyrinth. Sunny rannte mit aller Kraft, als würde sein Leben davon abhängen - denn das tat es tatsächlich. Er führte ihre kleine Gruppe an und wählte mit Hilfe seines Schattens den geradesten Weg zu den Klippen. Nephis war einen Schritt hinter ihm. Der Aasfresser, der Cassie trug, stapfte mit seinen acht Beinen auf dem Rücken durch den Schlamm. Ohne die Notwendigkeit, Monstern und dem Tod im Nacken auszuweichen, bewegten sie sich mit erstaunlicher Geschwindigkeit. Seitengänge und purpurne Wände zogen blitzschnell an ihnen vorbei. Es gab keinen Grund, sich zurückzuhalten und Kräfte für den langen Weg zu sparen - wenn sie die Klippen nur eine Minute zu spät erreichten, war ihr Leben vorbei. Sie mussten ihr Bestes geben. Sunny war bereit, sich auf dem ganzen Weg eine Reihe blutiger Scharmützel zu liefern, aber zu seiner Überraschung bereiteten ihnen die Bewohner des Labyrinths keine großen Schwierigkeiten. Die Aasfresser schienen ebenso in Panik zu sein wie sie selbst. Die massigen Biester waren damit beschäftigt, sich in den Korallenhügeln zu verstecken oder unter der Erde zu wühlen. In den seltenen Fällen, in denen eines von ihnen Aggression zeigte, genügte ein schneller Hieb mit dem Schwert oder ein drohendes Klacken einer Zange, um das Monster umzustimmen. Doch egal, wie schnell sie sich bewegten, der Sturm war schneller. Der Regen verwandelte sich schnell in einen Wolkenbruch, jeder Tropfen wurde zu einem Sturzbach. Der Wind wurde immer stärker und schlug mit einer solchen Wucht gegen ihre Körper, dass sie strauchelten. Das Licht wurde immer schwächer und die Sichtweite ging gegen Null. Schließlich durchschlug ein gleißender Blitz die Dunkelheit, fast unmittelbar gefolgt von einem ohrenbetäubenden Donnerschlag. Im nächsten Moment erbebte der Boden unter Sunnys Füßen, so dass er das Gleichgewicht verlor und stürzte. Er wälzte sich im Schlamm und versuchte aufzustehen, aber er rutschte aus und fiel erneut. Jemand packte ihn an der Schulter und half ihm aufzustehen. In der Dunkelheit des Sturms sah Sunny das Gesicht von Changing Star. Sie öffnete ihren Mund und schrie: "Bleib nicht stehen! Lauft!" Er konnte sie hinter dem tosenden Wind und Regen fast nicht hören. Als Sunny sich zu bewegen begann, stand ihm das dunkle, salzige Wasser bereits bis zu den Schienbeinen. Er knirschte mit den Zähnen. Das Meer kam zurück. Er konnte nicht feststellen, woher das Wasser kam, aber mit jeder Minute stieg es höher. Bald stand es ihm bis zu den Knien, dann bis zur Taille, was das Laufen fast unmöglich machte. Das Tempo der Gruppe verlangsamte sich erheblich. Dann sahen sie in einem plötzlichen Blitzlichtgewitter eine dunkle Steinmasse vor sich. Sie hatten es bis zu den Klippen geschafft. Fast gleichzeitig ertönte ein schreckliches Grollen aus den Tiefen des Labyrinths. Als Sunny sich umdrehte, sah sie einen kolossalen, zermalmenden Strom aus schwarzem Wasser durch den purpurnen Wald rauschen. In einiger Entfernung wurde ein verspäteter Aasfresser von ihm erfasst und gegen die Korallenwände geschleudert. Der unzerbrechliche Panzer der mächtigen Kreatur zerbrach und platzte auf wie ein faules Ei. 'Verflucht!' Er wandte sich an Nephis: "Die Zeit ist um! Fang an zu klettern!' Sie packte ihn am Arm. "Lass dein Echo verschwinden!" Sunny wusste nicht, ob der Scavenger die Klippe erklimmen konnte. Cassie hätte sich auf jeden Fall nicht festhalten können, wenn es so wäre. Er half dem blinden Mädchen hinunter und schickte das Monster dann zurück ins Seelenmeer. Nephis ließ sich herab, damit Cassie auf ihren Rücken klettern konnte, und band sie dann mit dem goldenen Seil zusammen. Ohne Zeit zu verlieren, biss sie die Zähne zusammen und trat vor, um sich an den nassen Felsen der Klippenwand festzuhalten. Sie begannen mit dem Aufstieg und beeilten sich, so hoch wie möglich zu kommen, bevor die schwarze Flut kam. Einige Zeit später schrie Sunny auf: "Festhalten!" Im nächsten Moment schlug eine Wand aus dunklem Wasser nur wenige Meter unter ihren Füßen auf die Felsen. Während Sunny sich festhielt, erbebte die ganze Klippe. Ein paar Felsbrocken fielen von irgendwo hoch oben herab und verfehlten nur zufällig seinen Kopf. Irgendwie waren sie alle drei noch am Leben. Doch die Sache war noch lange nicht vorbei. Das schwarze Wasser stieg immer noch, jetzt mit beängstigender Geschwindigkeit, und drohte, sie jeden Moment zu verschlucken. Sie mussten weiter klettern, und sie mussten schneller sein als das wogende Meer. Sunny fluchte, als er nach dem nächsten Halt suchte, an dem er sich festhalten konnte. Um zu überleben, musste er die Felswand mit irrer Geschwindigkeit erklimmen. Doch das hastige Klettern auf nassen Felsen war ein Rezept für eine Katastrophe: Ein Ausrutscher, und er würde nach unten stürzen und an den Klippen zerschmettert werden, ertrinken oder von einem riesigen Monster gefressen werden. Der sintflutartige Regen und der stürmische Wind machten alles noch schlimmer. Und doch hatte er keine andere Wahl. Verzweifelt kletterte er weiter und riss sich an den scharfen Felsen die Haut auf. Jeder Muskel in seinem Körper war eine Qual. Ohne den Schatten, der sich fest um seinen Körper gewickelt hatte, wäre Sunny längst tot gewesen. Aber auch mit seiner Hilfe kam das dunkle Wasser immer näher. "Verdammt! Verflucht sei alles!" So sehr sich Sunny auch anstrengte, er konnte keinen Abstand zurückgewinnen. Bald lag ihm das Wasser zu Füßen. Das Meer verschluckte langsam seine Beine, dann seinen Oberkörper. Er kletterte weiter, kämpfte jetzt gegen das Gewicht des Wassers und die Kraft der Flut, die ihn von der Klippe wegreißen wollte. Aber es war letztlich zwecklos. Als das Wasser seine Schultern bedeckte, spürte er, wie seine Finger von den nassen Felsen abrutschten. Sunny versuchte, sich festzuhalten, aber die Strömung war zu stark. Er wurde weggestoßen wie ein schwereloses Spielzeug, das jeden Halt verliert... 'Nein!' ...In letzter Sekunde fiel ein goldenes Seil neben ihm ins Wasser. Erschüttert griff Sunny danach und hielt es mit aller Kraft fest. Das Seil zog sich fest und hob ihn aus dem Wasser. Seine Füße berührten wieder die Klippenwand. Ohne Zeit zu verlieren, kletterte er mit Hilfe des Seils weiter. Schließlich packte ihn eine starke Hand von oben und zerrte ihn über den Rand der Klippe. Sunny fiel auf den Boden und rang nach Luft. Nach einiger Zeit blickte er zu Nephis, die in ähnlicher Position zu seiner Rechten lag und ebenso ausgelaugt war. Sie umklammerte immer noch das goldene Seil in ihrer Hand. Cassie saß ein paar Schritte von ihnen entfernt. Er wollte lachen, aber er hatte keine Kraft dazu. Sie hatten überlebt.
"Echo... es ist ein Echo..." Sunny konnte seinen Augen nicht trauen. Echos waren eine extrem seltene Art von Belohnung, die Erwachte erhalten konnten, nachdem sie Alptraumkreaturen erlegt hatten. Die Chancen, eines zu bekommen, waren sehr gering. In der realen Welt konnte ein Echo für unvorstellbare Summen verkauft werden. Das lag daran, dass sie viel wertvoller waren als Erinnerungen. Ohne länger zu zögern, tauchte er in sein Meer der Seele ein. Dort hatte sich nur wenig verändert: Eine einsame schwarze Sonne schwebte noch immer über dem ruhigen, stillen Wasser. Sie wurde von Lichtkugeln umkreist, die seine Erinnerungen darstellten. Diesmal waren es drei. Genau wie zuvor wurde Sunny das Gefühl nicht los, dass sich etwas am Rande seiner Sichtweite heimlich bewegte. Doch dieses Mal schenkte er dem keine Beachtung. Er wollte sein Echo sehen. Auch es wurde durch eine Lichtkugel dargestellt. Allerdings war diese Kugel viel größer und schwebte weiter vom Schattenkern entfernt. Mit einem Gedanken befahl er ihr, herabzusteigen. Die Kugel schwebte langsam herab und berührte das dunkle Wasser. Als Sunny näher kam und auf der Oberfläche des Meeres wandelte, verblasste ihr Glanz langsam und enthüllte das Monster in ihrem Inneren. Ein riesiger, bedrohlicher Panzer-Aasfresser stand ruhig vor ihm. In seinen Augen war kein Wahnsinn zu erkennen... oder überhaupt ein Gefühl. Schließlich war er nicht wirklich lebendig. Er war nur ein Echo. Leuchtende Runen erschienen in der Luft um den Aasfresser. Echo: [Panzer-Aasfresser]. Echo-Typ: Bestie. Echo-Kern: Erwacht. Echo-Attribute: [Stark], [Gepanzert]. Echo-Beschreibung: [Ein verfluchter Soldat der gefallenen Legion]. Ehe Sunny sich versah, erschien ein breites Grinsen auf seinem Gesicht. Dieser Aasfresser gehörte jetzt ihm: Er konnte beschworen und zum Kampf gegen seine Feinde, zum Transport schwerer Lasten oder für andere Aufgaben eingesetzt werden. Außerdem stand er einen ganzen Rang über seinem Meister, was bedeutete, dass er viel stärker, widerstandsfähiger und furchterregender war, als es ein Träumer mit einem schlafenden Kern normalerweise sein sollte. Mit diesem Echo an ihrer Seite würden viele Dinge einfacher werden. Getrieben von einem Impuls, hob Sunny eine Hand und strich sie über das kalte, schwarze Chitin. Er wollte einfach nur seinen neuen Besitz berühren... Doch in dem Moment, als seine Handfläche den Aasfresser berührte, geschah etwas Seltsames. Das Meer der Seele brandete plötzlich auf, und eine neue Reihe von Runen erschien: [Das Echo in einen Schatten verwandeln?] Sunny zuckte zusammen und riss seine Hand zurück. 'Was zum Teufel soll das bedeuten?' Er hatte noch nie etwas davon gehört, dass man Echos in etwas anderes verwandeln konnte, geschweige denn in "Schatten". Andererseits hatte er auch noch nie von Schattenkernen und -fragmenten gehört. 'Es scheint, als hätte mein Aspekt mehr Geheimnisse, als ich dachte.' Sunny leckte sich über die Lippen und zögerte. Dann sagte er vorsichtig: "Ja." Doch es geschah nichts. Einen Moment später veränderten sich die Runen: [Nicht genug Schattenfragmente, um eine Verwandlung durchzuführen]. [Benötigte Schattenfragmente: 24/100.] Er runzelte enttäuscht die Stirn. 'So, es gibt also noch eine andere Verwendung für die Fragmente. Sie können entweder meinen eigenen Kern verstärken oder etwas Seltsames mit Echos anstellen. Wie soll ich wissen, welche Anwendung vorteilhafter ist, wenn ich nicht weiß, was eine Verwandlung wirklich bewirkt?' Ein Echo war für sich genommen schon sehr nützlich. Sunny beschloss, sich vorerst auf seine eigene Stärkung zu konzentrieren. 'Später werde ich damit experimentieren.' Mit diesen Worten verließ er das Meer der Seele. Da er eine Weile abwesend gewesen war, schaute Nephis ihn mit einer Fragen in den Augen an. Sunny grinste: "Ich habe ein Echo." Ihre Pupillen weiteten sich leicht. Cassie hingegen war ausdrucksstärker: "Ein Echo? Du hast wirklich ein Echo?!" "Ja." Da die größere Gruppe von Monstern nur noch Minuten entfernt war, sie einzuholen, verschwendete Sunny keine Zeit und rief den Aasfresser. Das riesige Ungetüm erschien sofort vor ihm, aus winzigen Lichtfunken zusammengenäht. Schon bald wurde sein schwarzes Chitin vollkommen körperlich. Auf Sunnys Befehl hin bewegte es sich ein wenig und hob seine mächtigen Zangen. Nephis beobachtete das Echo mit unleserlichem Gesichtsausdruck. Dann zuckten ihre Lippen leicht nach oben. "Gut." Sunny sah sie mit einem Lächeln an. "Ich denke, wir können es damit beauftragen, Cassie zu transportieren. Außerhalb der Kämpfe wird es uns am meisten helfen." Dem blinden Mädchen blieb der Mund offen stehen. "Mich tragen? Wie... wie ein Reittier?" Er kicherte und klopfte dem Aasfresser auf seinen Panzer. "Dieses Ungetüm kann ein zierliches Mädchen wie dich ohne Probleme tragen. Vertrau mir! In den letzten Tagen bin ich viel auf diesen Dingen herumgeklettert. Es ist eigentlich ziemlich geräumig auf ihnen, vor allem, wenn sie nicht versuchen, dich umzubringen." Cassie zögerte. "Nun... okay. Wenn du meinst, dass es am besten so ist." Sunny und Nephis halfen dem blinden Mädchen, auf das Echo zu klettern. Dann benutzten sie ein goldenes Seil, um provisorische Zügel anzufertigen, an denen Cassie sich festhalten konnte. Nachdem sie schnell die Seelensplitter der toten Aasfresser eingesammelt hatten, verließen die Schläfer hastig den Gang und entgingen so knapp einem weiteren Kampf. *** Da Cassie bequem auf dem Aasfresser ritt, erhöhte sich ihr Tempo drastisch. Sunny und Nephis joggten an der Spitze, in der Hoffnung, die in der ersten Tageshälfte verlorene Zeit wieder aufzuholen und den höchsten Punkt mit ein oder zwei Stunden Vorsprung zu erreichen. Manchmal mussten sie Umwege nehmen, um Kämpfen mit Gruppen von gepanzerten Monstern auszuweichen. Aber mit einem eigenen Monster an ihrer Seite waren Stimmung und Geisteszustand der drei Schläfer weitaus besser. Zum ersten Mal seit ihrer Ankunft an diesem Ort fühlte sich Sunny einigermaßen ruhig. Natürlich hielt diese Ruhe nicht lange an. Irgendwann bemerkte Sunny, dass der Wind stärker wurde. Fast zeitgleich bat Cassie sie anzuhalten. Nephis und Sunny sahen sie mit tiefem Stirnrunzeln an. Sie schienen beide eine böse Vorahnung zu haben. "Was ist los?" Das blinde Mädchen ließ die Zügel los. "Hörst du etwas?" Sie sahen sich an und schüttelten dann den Kopf. "Nein. Warum?" Cassie runzelte die Stirn. "Helft mir, von diesem Ding herunterzukommen." Nachdem sie ihr geholfen hatten, stand sie eine Weile regungslos da und hörte zu. Ihr finsterer Blick vertiefte sich. Dann kniete das blinde Mädchen vorsichtig nieder und legte ihr Ohr an den Boden. "Was hörst du?" Cassie leckte sich über die Lippen. "Es ist ein Murmeln." Plötzlich fiel ein Wassertropfen auf Sunnys Gesicht. Er hob den Kopf und sah in den Himmel. Dort zogen dunkle Gewitterwolken mit unnatürlicher Geschwindigkeit auf. Schon bald würden sie ihn vollständig bedecken. Einschließlich der Sonne. Und wenn das geschah... Seine Augen weiteten sich.
Ein paar Minuten lang lag Sunny einfach auf dem Boden und ließ den Regen auf sein Gesicht prasseln. Von Zeit zu Zeit zuckte ein Blitz am Himmel entlang und tauchte alles in blendendes Licht. Ansonsten war es fast völlig dunkel. Ohne sein Attribut hätte er Schwierigkeiten gehabt, die Umrisse von Nephis und Cassie auszumachen, die in der Nähe ruhten. Nach einiger Zeit beschlich ihn jedoch ein Gefühl von Unbehagen: etwas stimmte nicht. Sunny runzelte die Stirn und versuchte herauszufinden, woher dieses Gefühl kam. Schließlich bemerkte er, dass es sein Schatten war. Es versuchte, seine Aufmerksamkeit auf etwas zu lenken. `Bitte, lass mich ausruhen. Ich möchte mich einfach nur ausruhen.' Er war zu erschöpft, um irgendetwas zu tun. Sowohl sein Körper als auch sein Geist waren müde. Aber der Schatten beharrte darauf. So knurrte Sunny schließlich leise, drehte sich auf den Bauch und stand langsam auf. Nephis drehte den Kopf und sah zu ihm hinüber. "Was ist los?" Er verzog das Gesicht. "Ich weiß es noch nicht. Etwas fühlt sich falsch an." Cassie zitterte und rückte näher an Neph heran. Sunny folgte der Warnung seines Schattens und schaute sich um, bemüht, Anzeichen von Gefahr in ihrer Umgebung zu erkennen. Auch mit seinem geschärften Blick bemerkte er zunächst nichts Ungewöhnliches. Der obere Teil der Klippen lag hoch über dem stürmischen Meer und bildete eine kleine Insel. Die Oberfläche war uneben, und einige vorspringende Felsen unterbrachen die Sicht. Zwischen ihrer Gruppe und dem nächsten Grat befand sich ein großer, scheinbar willkürlicher Bereich mit Erdhaufen und hohen Felsbrocken. Nephis stand auf und beschwor ihr Schwert. "Siehst du etwas?" Sunny runzelte die Stirn. "Nicht wirklich ..." In diesem Moment blitzte ein weiterer Blitz auf und erhellte kurz die kleine Insel. Seine Augen weiteten sich vor Schrecken. Die hohen Felsbrocken, die sie umgaben, waren unregelmäßig geformt und unbeweglich - deshalb hatte Sunny sie auf den ersten Blick nicht wahrgenommen. Überall um sie herum lagen lautlos Aasfresser auf dem Boden. Sunny erstarrte vor Angst. Die Haare in seinem Nacken sträubten sich und stellten sich zu Spitzen auf. Eins, zwei, drei... er konnte sie vor Panik nicht mehr zählen und biss die Zähne zusammen. Sieben... nein, acht von ihnen. Offenbar hatten die drei Menschen nicht die einzige Idee gehabt, auf diesen Klippen Schutz vor dem dunklen Meer zu suchen. Er zitterte. Diese Klippen waren eine Todesfalle ... Als Nephis etwas an seiner Mimik bemerkte, wurde ihr mulmig: "Sunny?" Er drehte langsam den Kopf zu ihr und flüsterte: "Sag nichts. Bewege dich nicht. Bleib einfach, wo du bist." Ohne einen Grund zu erfragen, folgte sie seinen Anweisungen. Eine stumme Frage stand jedoch auf ihrem Gesicht. Cassie tat es ihr gleich. Mit geschlossenen Augen versuchte Sunny, seinen panischen Geist zu beruhigen. Es gab keine ausweglosen Situationen, jede Herausforderung hatte eine Lösung. Er musste nur eine finden … Die Aasfresser griffen noch nicht an. Vielleicht schliefen sie oder warteten geduldig den Sturm ab, um nicht noch schrecklichere Monster anzulocken. Vielleicht hatten sie die Menschen auch einfach nicht bemerkt. Es war schließlich unbekannt, wie gut diese Geschöpfe sehen konnten. Vermochten sie es, im Dunkeln zu sehen? Wahrscheinlich nicht oder zumindest nicht so gut wie er. Es gab noch Hoffnung. Sunny öffnete die Augen und betrachtete die Insel erneut – diesmal mit anderen Gedanken. Er sah die Dunkelheit, das Tosen des Sturms, das die meisten Geräusche übertönte, und den großen Abstand zwischen den Aasfressern. Dies war seine Welt: wie gemacht für einen Meister der Schatten. Hatte er nicht immer davon geträumt, ein lautloser Killer zu werden? Das war jetzt seine Chance. Er musste nur alles perfekt umsetzen: sich durch die Dunkelheit bewegen, angreifen, ohne den Feind zu alarmieren, jeden einzeln mit einem präzisen Schlag töten. Immer und immer wieder. Er kannte ihre Stärken und Schwächen bereits - jetzt musste er dieses Wissen nur noch umsetzen. Und selbst wenn er einen Fehler machen würde, standen ihm noch andere Möglichkeiten offen. Echo und Nephis würden ihren Teil übernehmen, wenn es gefährlich würde. Ja, das könnte funktionieren. Es musste einfach klappen. Sunny blickte zurück zu Changing Star und Cassie. "Ich kümmere mich darum." Ehe sie reagieren konnten, verschwand er in den Schatten. Im Schutze der Dunkelheit kroch Sunny näher. Seine Schritte waren leise und behutsam, sein Atem kontrolliert. Er legte eine Reihenfolge fest, um die Wahrscheinlichkeit, entdeckt zu werden, zu minimieren, und schlich sich auf das erste Ziel zu – einem massigen Aasfresser weit entfernt von der Gruppe. In den Schatten versteckt, fühlte sich Sunny plötzlich ruhig und konzentriert. Es war, als sei er endlich in seinem Element angekommen. Während er sich der Silhouette des Aasfressers näherte, bremste er ab und umrundete sein Ziel. Das Monster bemerkte die lauernde Gefahr nicht, die mit jeder Sekunde näher kam. Nun hielt Sunny den Atem an und bereitete sich auf den Angriff vor. Es gab keine zweite Chance. 'Schaff es!' Mit diesen Gedanken stürzte er sich lautlos vorwärts. Einen Schritt, zwei Schritte. Sunny sprang und landete mühelos auf dem Panzer des Monsters. Das azurblaue Schwert lag bereits in seiner Hand, der Stahl dunkel. Einen Augenblick später rammte er es in die Schwachstelle auf dem Rücken des Aasfressers, durchstieß das Chitin und zerschmetterte dessen Gehirn. Das leise Knacken des zerbrechenden Panzers wurde im Regen fortgespült. Es war geschafft. Sunny spürte einen Triumpf in seinem Herzen, doch er unterdrückte das Gefühl schnell. Es war nicht die Zeit zum Feiern – noch warteten sieben Ziele in der Dunkelheit auf ihn. Er zog sein Schwert aus dem getöteten Aasfresser und sprang von dessen Leiche herunter. Dabei runzelte Sunny die Stirn. Warum hatte der Zauber geschwiegen? Weder seinen Sieg noch die Absorption der Schatten hatten sie angekündigt. Mit einer Gänsehaut drehte Sunny sich zu dem Aasfresser um. Er befürchtete zunächst, dass die Bestie vielleicht noch lebte ... doch das war nicht der Fall. Sie war tot – so tot wie nur möglich. Bei genauerem Hinsehen jedoch bemerkte Sunny etwas, das er zuerst übersehen hatte. Als er es erkannte, erstarrte sein Gesicht mit Schrecken.
Nachdem sie für Cassie ein gutes Versteck gefunden hatten, gingen Sunny und Nephis weiter, um die Plünderer zu bekämpfen. Bald sahen sie zwei riesige Schatten in der Ferne. Mit zusammengepressten Lippen warf Nephis über ihre Schulter einen kurzen Blick zurück und sagte: "Komm hinterher!" Dann kniete sie sich hin, wie eine Läuferin die sich auf ein Rennen vorbereitet, atmete tief ein ... und stürzte sich nach vorne. 'Verdammt!' Sunny sprang in den tiefen Schatten, den die Labyrinthwand warf und lief so schnell er konnte hinterher. Der Abstand zwischen ihnen wurde jedoch immer größer. Plötzlich erinnerte er sich daran, wie er Nephis hinterhergelaufen war, als sie die Brücke zur Akademie überquert hatten. War es sein Schicksal, ihr immer hinterherzulaufen? Changing Stars Laufgeschwindigkeit war unglaublich schnell. Sie flog förmlich durch die Luft, wie ein Pfeil der aus einem Bogen geschossen wurde. Einer ihrer Arme war nach hinten gestreckt und hielt das Schwert mit der Spitze am Boden. Der andere schnitt mit jedem Schritt die Luft entzwei. Die zwei Plünderer brauchten ein paar Sekunden, um zu realisieren, was geschah, nachdem sie Nephis bemerkt hatten. Bis dahin war sie schon fast bei ihnen angelangt. Mit wütendem Feuer in ihren Augen und zähflüssigem Speichel, der von ihren Mandeln tropfte, rannten die Monster laut kreischend auf sie zu. Nephis verlangsamte das Tempo nicht, als würde sie beabsichtigen, sie mit ihrem Körper niederzuschlagen. Sunnys Herz setzte für einen Moment aus. Vier schreckliche Klauen durchschnitten die Luft. Im letzten Moment ließ sich Nephis nach hinten fallen und landete auf ihrer Seite. Die Trägheit trug sie vorwärts, als sie durch den Schlamm zwischen den Plünderern hindurchrutschte. Dann verdrehte sie ihren Körper und stoppte ihre Bewegung, indem sie das Schwert in den Boden stieß. Wäre sie ein wenig langsamer gewesen, so hätte einer der Plünderer ihr Bein durchbohrt. 'Verrückt! Sie ist verrückt!' Als Changing Star wieder auf die Beine kam, hatte einer der Plünderer bereits Kehrt gemacht. Sunny konnte jedoch nicht sehen, was vor sich ging, da seine Sicht durch die massigen gepanzerten Kreaturen blockiert war. Er hörte nur das Geräusch von Chitin, das auf Stahl traf. Es war sowieso keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, da er seine eigenen Probleme lösen musste. Durch das wahnsinnige Manöver, das Nephis durchgeführt hatte, blieb der zweite Plünderer etwas hinter dem ersten zurück. Er war gerade dabei, sich umzudrehen, als Sunny endlich nah genug war, einen Angriff zu starten. Leise fluchend rannte er eine schmale Erhebung an der Korallenwand hinauf und sprang ab, um den schwachen Punkt am Rücken des Plünderers von oben durchstoßen zu können. Sein Schatten war bereits um die azurblaue Klinge gewickelt. Im letzten Moment bewegte sich der Plünderer jedoch plötzlich und drehte seinen Oberkörper leicht nach rechts. Die Klinge verfehlte die Vertiefung, an der die Panzerplatten miteinander verbunden waren und traf stattdessen eine der Platten in der Mitte, so dass sie hilflos über das Adamantin-Chitin glitt. 'Scheiße!' Anstatt die Bestie mit einem tödlichen Hieb zu töten, hatte Sunny überhaupt keinen Schaden angerichtet. Schlimmer noch, er landete direkt auf dem Plünderer, ihn quasi von hinten umarmend. Im nächsten Moment warf der Plünderer Sunny ab, indem er sein Panzer schüttelte. Sunny flog zur Seite und krachte gegen die Labyrinthwand, wobei ihm die Luft abgeschnürt wurde. Atemlos und desorientiert, fiel er unbeholfen in den Schlamm. 'Das ist nicht gut.' Aus einem Instinkt heraus rollte Sunny zur Seite. Etwas fuhr an ihm vorbei und prallte gegen die Wand, wobei Stücke von purpurner Koralle durch die Luft flogen. Dann wurde er in die Luft gehoben und nach hinten geschleudert. Aber da hatte er schon seine Sinne wiedererlangt. Sunny schaffte es, sich so zu drehen, dass er auf seinen Füßen landete und ein paar Schritte zurückging, ohne zu fallen. Im nächsten Augenblick hatte er sein Schwert wieder vor sich, in beiden Händen gehalten, genau wie Nephis es ihm beigebracht hatte. Der Plünderer stürmte bereits auf ihn zu, wütendes Feuer in seinen Augen. 'Wiederholung. Erfahrung ...' Der Schatten floss von der azurblauen Klinge in seine Hand, breitete sich dann auf seinen Arm und seine Schulter aus und bedeckte schließlich seinen ganzen Körper. Sunny fühlte sich sofort stärker, schneller und widerstandsfähiger. Aber war das genug? Nein. Um zu überleben, würde er definitiv auch Glück benötigen. Eine Klaue schoss von rechts auf ihn zu, die andere von links. Es blieb keine Zeit, um zurückzuweichen oder zur Seite auszuweichen. Anstelle dessen sprang Sunny nach vorne und verringerte den Abstand zum angreifenden Monster. Die Klauen prallten mit einem lauten Knacken hinter ihm aufeinander. Instinkt hin oder her, es war die einzig logische Maßnahme. Schließlich war die Reichweite seines Schwertes viel kürzer als die des Plünderers. Er konnte sich nur wehren, indem er näher kam. Bevor die Bestie reagieren konnte, tat Sunny das, was er kürzlich Tausende Male getan hatte. Seine Muskeln bewegten sich, noch bevor sein Verstand den Befehl gab. Er hob das Schwert über seinen Kopf und schlug es mit einer fließenden Bewegung nach unten, wobei er mit einer Hand stieß und mit der anderen zog. Sein ganzer Körper bewegte sich im Einklang, um einen kraftvollen Schlag auszuführen. Die Azurklinge zischte, als sie durch die Luft schnitt. Dann traf sie auf das Gelenk eines der Vorderbeine des Plünderers, zerschnitt es und durchtrennte das Glied komplett. Blaues Blut spritzte überall hin. Sunny hatte weniger als eine Sekunde Zeit, um sich zu wundern. 'Habe ich das wirklich geschafft?' Doch es blieb keine Zeit, sich ablenken zu lassen. Durch den Verlust seines Vorderbeins verlor der Plünderer kurzzeitig das Gleichgewicht und stürzte nach vorne und unten. Aber er hatte ja noch sieben andere Beine. Das würde nicht lange dauern. Zufälligerweise rutschte genau in diesem Moment sein anderes Vorderbein im Schlamm weg und brachte das Monster weiter zu Fall. Sunny ließ sich diese Chance nicht entgehen. Er machte einen Schritt nach vorne, stieß die Azurklinge nach oben und rammte sie in das Maul des Plünderers. Ein abgetrennter Unterkiefer fiel zu Boden, als das Monster sich mit seinem eigenen Gewicht auf dem Schwert aufspießte. Der massive Körper der Alptraumkreatur zuckte, bevor er zur Ruhe kam. Es war tot. Sunny atmete langsam aus und fühlte erst jetzt den Schmerz in seiner Brust und am Hinterkopf. Er berührte die Stellen vorsichtig und verzog das Gesicht. Seine Hand war nass von Blut. 'Wenigstens bin ich am Leben.' [Du hast ein erwachendes Monster besiegt, Panzer Plünderer.] [Dein Schatten wird stärker.] [Du hast ...] Sunny hatte keine Zeit, dem Zauberspruch zuzuhören, zog an seinem Schwert, um es vom Kopf des Monsters zu lösen und eilte Nephis zur Hilfe. Doch es war zu spät. Der andere Plünderer lag im Schlamm, offensichtlich tot. Seine Gliedmaßen zuckten noch, was darauf hindeutete, dass der tödliche Schlag erst vor wenigen Augenblicken erfolgt war. Nephis war es anscheinend gelungen, die Wirbelsäule zu durchtrennen, indem sie die Schwachstelle am unteren Ende des Torsos der Bestie mit ihrem Langschwert durchstoßen hatte. Er konnte das silberhaarige Mädchen hinter dem massigen Kadaver nicht sehen. Als Sunny sich ihm näherte, hörte er das Geräusch von rauem, angestrengtem Atmen. Dann hörte er eine zittrige Stimme hinter dem Plünderer: "N-nicht ... komm nicht näher." In der toten Stille nach dem Kampf klang Changing Stars Stimme fremd und gedämpft. Sunny hatte plötzlich das Gefühl, als ob jemand sein Herz in der Faust zusammendrückte. Er nahm sich zusammen und machte einen weiteren Schritt vorwärts. Nephis stand vor dem toten Plünderer und versuchte nach dem heftigen Kampf wieder zu Atem zu kommen. Sie hatte eine blutige Wunde an der Schulter, die jedoch nicht lebensbedrohlich aussah. Sunnys Aufmerksamkeit wurde jedoch sofort auf etwas anderes gelenkt. Während des Kampfes schien sich das improvisierte Seetangtop des großen Mädchens gelöst zu haben, so dass sie oberhalb der Taille nackt war. Sie bedeckte ihre Brust mit einem Arm. Hinter dem Arm, gequetscht, die geschmeidige Fülle ihrer ... Sunny zuckte zusammen, als wäre er gestochen worden, und drehte sich hastig um. Sein Gesicht brannte lichterloh. Ohne darüber nachzudenken, ließ er sogar seinen Schatten wegschauen. Eine peinliche Stille folgte. Nach einiger Zeit zwang sich Sunny zu sprechen: "Bist ... bist du in Ordnung?" Nephis antwortete langsam: "Ja." "Gut. Äh ... gut. Ich ... äh ... ich werde Cassie dann holen." "... In Ordnung." Das Gefühl, als würden Monster hinter ihm her sein, ging Sunny auf steifen Beinen voran und beschleunigte dann seinen Schritt, ohne zu laufen. 'Es ist ihre Schuld! Ihren Schuld! Sie hätte die Dinge klarer kommunizieren müssen!' Sunny versuchte, das lebendige Bild aus seinem Kopf zu vertreiben, und eilte zu dem Ort, an dem Cassie auf sie wartete. Als sie zurückkehrten, hatte Nephis ihr Oberteil bereits wiedergefunden und trug es, als wäre nichts geschehen. Doch Sunny hatte das Gefühl, dass sie ihn etwas merkwürdig ansah. 'Schon vergessen!' Nachdem sie die Wunde an seinem Kopf begutachtet hatte, sagte Changing Star: "Es ist nur eine Blutung, nichts Ernstes. Sag mir aber, wenn dir schwindelig und übel ist oder du starke Kopfschmerzen hast ..." Da Sunny nicht eines dieser Symptome hatte, schwieg er. Nephis sah auf seine Kleidung hinunter und seufzte. "Erinnerung?" Er wollte "nein" sagen, verstummte aber dann. Als er den Plünderer getötet hatte, hatte der Zauberspruch tatsächlich noch etwas gesagt, nachdem er ihn über die absorbierten Schattenfragmente informiert hatte. Damals hatte er aber keine Zeit, dem etwas Aufmerksamkeit zu schenken. "Lass mich nachsehen." Er beschwor die Runen und fand schnell die Gruppe, die seine Erinnerungen repräsentierte. Erinnerungen: [Silberne Glocke], [Puppenspielerschleier], [Azurblaue Klinge]. 'Hmm. Nichts Neues.' Wovon sprach der Zauberspruch dann? Plötzlich bemerkte er eine neue Reihe von Runen in der benachbarten Gruppe. Seine Augen weit
Mit so ziemlich jedem Muskel in seinem Körper schmerzte, ging Sunny zu den Mädchen hinüber und ließ sich auf den Boden fallen. Nachdem er wieder zu Atem gekommen war, sah er Cassia an. "Cassie? Geht es dir besser?" Einige Sekunden später nickte das blinde Mädchen langsam. 'Das ist eine Erleichterung.' Er drehte sich um und zögerte einen Moment lang. Cassia sah nicht besonders gut aus. Ihr Gesicht war immer noch sehr blass, mit einem distanzierten, benommenen Ausdruck darauf. Wenigstens zitterte ihr Körper nicht mehr. Sunny war nicht sehr gut darin, mit Menschen zu reden, geschweige denn sie zu beschwichtigen. Er war sich nicht sicher, was er sagen sollte. Er warf einen Blick auf Nephis und seufzte innerlich. Wer hätte gedacht, dass er sich eines Tages als der geselligste Mensch weit und breit erweisen würde? Was für ein Scherz... "Kann ich etwas Wasser haben?" Cassie drehte sich zu ihm um und sah ihn finster an, als ob sie die Frage verwirrte. Dann keuchte sie plötzlich und riss ihre Augen weit auf. "Oh! Oh, Entschuldigung. Ja, natürlich..." Sie holte die grenzenlose Wasserflasche hervor und bot sie Sunny an. Er nahm sie mit einem dankbaren Lächeln und trank gierig ein paar Schlucke, bevor er die Flasche an Nephis weitergab. Schließlich kehrte sie zu Cassie zurück. "Du trinkst auch etwas." Nachdem sie getrunken hatte, klopfte er dem blinden Mädchen unbeholfen auf die Schulter. "Es scheint jetzt alles in Ordnung zu sein. Äh ... hast du wieder von einer Vision geträumt? Du kannst es uns sagen. Wenn du willst." Cassie zögerte eine Weile, bevor sie antwortete: "Ich ... weiß es nicht. Vielleicht war es nur ein Albtraum." Sunny und Nephis tauschten Blicke aus. Sie bezweifelten beide, dass das, was Cassie sah, ein einfacher Albtraum war. Schließlich träumten die Menschen im Traumreich normalerweise nicht. Das blinde Mädchen fuhr unterdessen fort: "Ich erinnere mich nicht wirklich. Es ist alles in Bruchstücken; Sunny überlegte sich seine Worte genau, um Cassie nicht zu sehr unter Druck zu setzen. "Sie können uns einfach sagen, woran Sie sich erinnern. Vielleicht können wir uns gemeinsam einen Reim darauf machen" Cassia seufzte und nickte zaghaft. Nach einer langen Pause fand sie endlich den Mut, zu sprechen: "Zuerst sah ich eine ... eine grenzenlose Dunkelheit, die hinter sieben Siegeln eingeschlossen war. In der Dunkelheit brodelte etwas Gewaltiges. Ich hatte das Gefühl, ich würde den Verstand verlieren, wenn ich es direkt sehen würde. Während ich entsetzt zusah, brachen die Siegel eines nach dem anderen, bis nur noch eines übrig war. Und dann brach auch dieses Siegel" Sie zitterte ein wenig. "Danach ... Ich weiß es nicht. Es war, als ob mein Geist in tausend Scherben zerbrach, jede Scherbe spiegelte ihr eigenes Bild wider. Die meisten davon waren dunkel und unheimlich. Einige habe ich bereits vergessen. Die anderen..." Cassie verstummte und erinnerte sich. "Ich sah das Menschenschloss wieder. Nur dieses Mal war es nachts. Ein einsamer Stern brannte am schwarzen Himmel, und in seinem Licht wurde das Schloss plötzlich vom Feuer verzehrt, und Flüsse aus Blut flossen durch die Hallen. Ich sah eine Leiche in einer goldenen Rüstung auf einem Thron sitzen; eine Frau mit einem bronzenen Speer, die in einer Flut von Ungeheuern ertrank; einen Bogenschützen, der versuchte, den herabstürzenden Himmel mit seinen Pfeilen zu durchbohren" Schließlich blickte sie auf, ihr Gesicht war voller Entsetzen. "Am Ende sah ich eine kolossale, furchterregende karminrote Spitze. An seiner Basis bewachten sieben abgeschlagene Köpfe sieben Schlösser. Und an der Spitze lag ein... sterbender Engel, der von hungrigen Schatten verschlungen wurde. Als ich den Engel bluten sah, hatte ich plötzlich das Gefühl, als ob... als ob mir etwas so Kostbares genommen wurde, dass man es nicht mit Worten beschreiben kann..."; Ihre Stimme wurde leiser. "Dann fühlte ich so viel Kummer, Schmerz und Wut, dass das Wenige, was mir von meinem Verstand geblieben war, zu verschwinden schien. Das war der Moment, in dem ich aufwachte... glaube ich." Nephis und Sunny schwiegen eine Weile und versuchten, sich einen Reim darauf zu machen, was Cassie ihnen erzählt hatte. Selbst wenn Nephis eine Idee hatte, zeigte sie sie nicht. Sunny hingegen war völlig verwirrt. Er konnte die versteckte Bedeutung hinter der Vision nicht einmal ansatzweise entschlüsseln... wenn es überhaupt eine war. Zuvor war Cassias Vision über das Schloss ziemlich eindeutig gewesen. Sie zeigte ihr eine menschliche Festung und sogar die Richtung, in der sie sich befand. Diesmal jedoch war ihr Traum unzusammenhängend, voller seltsamer Symbolik und vager, unsicherer Bilder, die eher an die Prophezeiung eines Scharlatans erinnerten als an eine Vision, die durch eine Aspektfähigkeit gewonnen wurde. Schließlich seufzte er. "Vielleicht war es tatsächlich nur ein Albtraum. Deine früheren Visionen waren doch nicht so, oder?" Cassie schüttelte leise den Kopf. Sunny kratzte sich am Hinterkopf. "Nun... normalerweise träumt man im Traumreich nicht, aber du schon. Vielleicht ist es ein Nebeneffekt deiner Fähigkeit, ab und zu einen zufälligen Albtraum zu sehen" Das blinde Mädchen drehte sich zu ihm um, eine leichte Erleichterung stand auf ihrem Gesicht. "Glauben Sie das wirklich? " Er zögerte und versuchte, die richtigen Worte zu finden. "Warum nicht? Es ist eine Möglichkeit." Innerlich fühlte er sich jedoch unwohl. Ein sterbender Engel, der von den Schatten verschlungen wird ... warum klingt das so unheilvoll? Ich sollte versuchen, mich in Zukunft von Engeln fernzuhalten. Meine Güte, was ist nur aus meinem Leben geworden. Ein Satz wie dieser klingt nicht einmal mehr verrückt...' Damit waren sie endlich bereit, einen neuen Tag zu begrüßen. *** Einige Zeit später saßen sie am westlichen Rand der Steinplattform und schauten auf die Aasfresser unter ihnen. Sunnys Schatten war damit beschäftigt, einen Weg zur nächsten hohen Landmarke auszukundschaften. "Waren es immer so viele?" Sunny warf einen Blick auf Nephis und schüttelte den Kopf. "Nein, es waren viel mehr. Sie scheinen mit dem Kadaver fast fertig zu sein. Ich bezweifle, dass sie bis zum Einbruch der Dunkelheit durchhalten werden; Das bedeutete, dass morgen all diese Bestien durch das Labyrinth streifen würden, was es den drei Schläfern schwer machen würde, voranzukommen. Am besten wäre es, noch heute aufzubrechen und etwas Abstand zwischen sich und die Horde zu bringen, bevor die Aasfresser mit ihrem Festmahl fertig waren. Ohne einen Weg im Voraus auszukundschaften, bestand jedoch die Gefahr, sich nicht rechtzeitig in Sicherheit zu bringen. Beide Optionen waren riskant. Nephis runzelte die Stirn und schien dasselbe zu denken. Nach einer Weile sagte sie: "Ich will nicht, dass Cassie noch eine Nacht in der Nähe dieser Statue verbringt. Lasst uns jetzt gehen." Sunny dachte eine Weile nach, dann öffnete er den Mund, um seine eigene Meinung zu sagen. Doch ein plötzlicher Aufruhr unter ihm hinderte ihn am Sprechen. Unten auf dem Grund des verschwindenden Meeres, inmitten von Bergen zerbrochener Korallen, war der Kadaver des riesigen, haifischähnlichen Ungeheuers - genauer gesagt, die verbleibende Hälfte davon - fast völlig zerfetzt. Und zwischen seinen weißen Knochen schimmerte etwas im Schlamm. Zwei extrem große, leuchtende Kristalle. Sunnys Augen weiteten sich. "Sind das..." "Ja. Scherben von zwei transzendenten Seelenkernen." Transzendent... zwei von ihnen... Plötzlich war er gleichzeitig von Gier und Angst erfüllt. Gier, weil transzendente Seelensplitter so selten und kostbar waren; Furcht, weil der Riesenhai sich zumindest als ein verdorbener Teufel entpuppte. Ein einziger verderbter Teufel könnte, wenn er nicht von einem Heiligen oder einer großen Anzahl Erwachter aufgehalten wird, eine ganze Stadt zerstören. Sunny wurde nachträglich klar, dass er dem Tod in dieser ersten Nacht viel näher war, als er bisher gedacht hatte. "Sollen wir..." "Warten und zuhören." Er starrte Nephis an und lauschte dann gehorsam auf das ferne, kaum hörbare Geschrei der Aasfresser. Nach einer Weile bemerkte er eine gewisse Disharmonie darin. Nephis spannte sich plötzlich an. "Dort." Sie deutete in die Richtung des Labyrinths. Nachdem sie sich darauf konzentriert hatte, konnte Sunny schließlich zwei riesige Schatten erkennen, die aus einem besonders breiten Durchgang traten. Eine Sekunde später erschienen die Kreaturen, die diese Schatten warfen, in Sichtweite. Sunny schluckte. 'Verdammt.' Die Monster sahen aus wie die Aasfresser, aber nicht ganz. Zunächst einmal waren sie viel größer und überragten die Umgebung um mehr als drei Meter. Ihr Panzer schien dicker zu sein. Er war in tiefem Schwarz und Scharlachrot gefärbt, wie eine uralte, blutgetränkte Rüstung. Hier und da wuchsen bösartig aussehende Stacheln aus dem Panzer, die jede ihrer Bewegungen noch viel gefährlicher machten. Außerdem endeten ihre Oberarme nicht in schweren Zangen, sondern in langen, gebogenen, furchterregenden Knochensensen. Sunny spürte, wie ihm kalter Schweiß den Rücken hinunterlief. "Was zum Teufel sind das für Dinger?" Nephis legte den Kopf schief. "Monster, nehme ich an." Alptraumkreaturen mit einem Seelenkern wurden "Bestien" genannt. Sie waren gefährlich und stark, aber geistlos. Wenn sie sich entwickeln konnten oder mit einem zweiten Kern geschaffen wurden, wurden sie zu Monstern. Monster waren viel verheerender und besaßen eine rudimentäre, verzerrte Form von Intelligenz. Sie waren der nächste Schritt in der Entwicklung der Alptraum-Bestien. Und diese beiden schienen größere, tödlichere Versionen von Panzerfressern zu sein. Sunny und Nephis beobachteten, wie sich die beiden Monster dem Kadaver näherten. Die Aasfresser hatten sichtlich Angst vor ihnen und beeilten sich, ihnen aus dem Weg zu gehen. Diejenigen, die zu langsam waren, wurden erbarmungslos zur Seite geworfen oder von den Knochensensen zerteilt. Flüsse aus azurblauem Blut flossen in den Schlamm. Was machen die da? Sind sie gekommen, um die Seelensplitter zu absorbieren?' Schließlich erreichten die Ungeheuer den Kadaver. Jedes von ihnen nahm sich einen der Splitter. Doch anstatt sie zu absorbieren, drehten sie sich einfach um und trugen die wertvollen Kristalle weg. Die Aasfresser machten Platz und folgten den Scherben mit ihren kleinen, hungrigen Augen. Sunny blinzelte und sah Nephis an. "Sollen wir jetzt noch gehen?" Changing Star runzelte die Stirn und zögerte. Wenige Augenblicke später schüttelte sie den Kopf. "Nein. Wir werden morgen gehen." Dann wandte sie sich nach Westen und beobachtete die sich zurückziehenden Monster. "...Dein Schatten soll den beiden zurück folgen. "
Der Geier war tot. Aber es war nicht Sunnys Klinge, die ihn getötet hatte. Während er das Ziel umkreiste, konzentrierte er sich darauf, nicht aufzufallen und den Feind nicht vor Erreichen der optimalen Position für einen Angriff auf seine Anwesenheit aufmerksam zu machen. Danach sah er nur noch den Rücken des Monsters. Das ist der Grund, warum er die schreckliche Wunde, die sich von der Oberseite des Körpers des Wesens bis zu seinen geteilten Beinen erstreckte, verdeckt vom Regen, nicht bemerkt hat. Das unzerbrechliche Panzer war wie eine Dose aufgeschnitten. Man konnte das Fleisch und die zerfleischten Organe des Geiers leicht durch den großen Spalt sehen, aus dem azurfarbenes Blut hervorquoll. Es strömte nur um vom Sturm weggespült zu werden. Sunny schluckte schwer. Er hätte sich vielleicht unbehaglich gefühlt, einen perfekten Angriff auf ein längst totes Monster auszuführen, wenn es nicht die Angst vor dem gewesen wäre, was es in erster Linie getötet hatte. Er sah sich um, zögerte und rief das Azure Blade zurück, dann hüllte er sich in Schatten. Die kleine Insel war still bis auf das Heulen des Windes. Der Regen fällt weiterhin und bildet einen stetigen Vorhang, der alle Details und entfernten Objekte verbirgt. Ein seltener Blitz durchflutet manchmal diese trostlose Welt mit kräftigem Weiß. Dann folgte ein Donnerschlag, der den Himmel erschütterte. Mit kalter Angst, die sich tief in seinen Knochen festsetzte, näherte sich Sunny mit Vorsicht dem nächsten Geier. Aus einiger Entfernung konnte er erkennen, dass es auch tot war, aber er musste näher herankommen und sicherstellen. Tatsächlich hatte er recht: Das Wesen war vom unbekannten Angreifer fast halbiert worden. Seine nassen Eingeweide lagen in einem chaotischen Haufen auf dem Boden. Die Dunkelheit hatte aufgehört, tröstlich zu sein und war stattdessen beängstigend und erdrückend geworden. Sunny fröstelte. ...Bis er alle acht Monster überprüft hatte und bestätigte, dass sie alle tot waren, war ihm übel und er war tot vor Angst. Als Sunny zum ersten Mal erkannte, dass die schwarzen Gestalten tatsächlich Geier waren, dachte er, die Situation könnte nicht schlimmer sein. Jetzt war er sich nicht mehr sicher. Tatsächlich war er ziemlich überzeugt, dass es von schlecht zu schlechter wurde. In der Nähe des letzten Geiers stehend, beobachtete Sunny seine Umgebung und dachte darüber nach, zu Neph und Cassie zurückzukehren. Vielleicht hatte der erschreckende Attentäter die Insel bereits verlassen. Sie könnten sich einfach verstecken und auf das Beste hoffen. Er wäre zumindest nicht allein. Aber nicht zu wissen, welche Art von Gefahr in der Dunkelheit lauert, würde ihn lange vor Morgengrauen in den Wahnsinn treiben. Abgesehen davon, mit seinem "Das Beste Hoffen" -Attribut, wäre das ein vergeblicher Auftrag. Deshalb, obwohl sein Körper mit kaltem Schweiß bedeckt war, biss Sunny die Zähne zusammen und schlich langsam auf den Grat zu, der den Rest der Insel vor ihm verbarg. Als er näher kam, begann er zu klettern und versuchte so leise wie möglich zu sein. Der Grat war nicht sehr hoch, so dass er ihn ohne großen Aufwand erklimmen konnte. Nahe an den Felsen dran, hob er seinen Kopf und sah nach unten. Er wollte sofort loslassen und zu Boden fallen. Direkt unter ihm, nur wenige Meter entfernt, hob sich eine dunkle Silhouette von den Felsen ab. Sie war viel größer als die Geier und aus ihrem dicken Panzer ragten gezackte Spitzen hervor. Sein Chitin war schwarz und purpurrot, wie eine alte Rüstung, die mit frischem Blut bespritzt war. Anstelle von Zangen ragten zwei furchterregende knochige Sensen aus den Gelenken seiner Arme. Jede einzelne war lang und spitz genug, um einen Geier in zwei zu spalten. Sunny erstarrte, aus Angst sich zu bewegen. Er hörte sogar auf zu atmen. 'So sieht also der Mörder aus.' Es war eines jener Monster, die sie gesehen hatten, als sie die transzendentalen Seelensplitter aus dem Kadaver des riesigen Hais holten, oder ein anderes ihrer Art. Er erinnerte sich, wie die beiden Kreaturen sich durch die Horde von Geieren geschnitten und jedes Tier, das ihnen in den Weg kam, getötet oder weggeworfen hatten. Nur sieben von ihnen abzuschlachten, würde für so etwas Tödliches kein Problem sein. Ganz zu schweigen davon, drei Schläfer loszuwerden. Vorsichtig, um keinen Laut von sich zu geben, ließ Sunny sich langsam nach unten. Sein ganzer Körper zitterte. Seine Arme und Beine mit größter Genauigkeit bewegend, begann er vom Grat abzusteigen und betete, nicht gehört, gespürt oder auf irgendeine andere Weise bemerkt zu werden. Glücklicherweise blieb das Monster seiner Anwesenheit gegenüber ahnungslos. Als er den Boden erreichte, machte Sunny ein paar Schritte zurück und sah immer noch auf den Grat. Er musste sich zwingen, sich umzudrehen. Mit dem Gefühl, dass sein Rücken von unsichtbaren Nadeln durchbohrt wurde, bewegte sich der junge Mann heimlich in die Richtung, in der er seine Begleiter gelassen hatte. Ein paar Minuten später kehrte er zu Nephis und Cassie zurück. Die Mädchen waren angespannt und nervös und warteten auf seine Rückkehr in der Dunkelheit. Bevor er aus dem Schatten trat, gab Sunny ihnen zu verstehen, dass er sich näherte. "Ich bin's." Nephis bewegte sich und nahm ihr Schwert ein wenig herunter. Ihr Gesicht war etwas finster. Wie ist die Lage?" Fragte sie und achtete darauf, ihre Stimme leise zu halten. Sunny atmete langsam aus und fühlte sich endlich ein bisschen sicherer. Er war zum ersten Mal wirklich froh, nicht allein an diesem verfluchten Ort zu sein. "Es gibt acht Geier um uns herum. Aber sie sind alle tot. Der Mörder ist eines dieser großen Monster, die wir gesehen haben, das Ding mit dem karminroten Muster auf seinem Panzer und Sensen anstelle der Zangen. Es versteckt sich vor dem Sturm unter einem Felsgrat nicht weit von hier." Ein Blitz blitzte auf und beleuchtete alles um ihn herum. Im Nachhinein sah es so aus, als ob in Changing Stars Augen zwei weiße Funken entzündet worden wären. Bald war die Reflexion verschwunden und sie waren wieder grau und unergründlich. Sie neigte den Kopf und flüsterte, als ob sie mit sich selbst sprach. Ein erwachtes Monster." Sunny leckte seine Lippen. "Ja. Also, was sollen wir tun?" Nephis dachte eine Weile nach, während sie sich auf ihr Schwert stützte. Dann sah sie ihn an und sagte: "Töte es." *** Sunny starrte sie an, ohne Worte. Schließlich fasste er sich und sagte das Erste, was ihm in den Sinn kam ... Bist du verrückt?" Die Idee, gegen dieses Ding zu kämpfen, war ziemlich lächerlich, wenn nicht gar verrückt. Als er merkte, dass seine Worte vielleicht ein bisschen unhöflich klangen, räusperte er sich und fügte hinzu: "Ich meine, hast du das gut durchdacht? Wie sollen wir dieses Ungeheuer töten?" Nephis atmete langsam ein. "Es geht nicht darum, die Dinge gut durchzudenken. Wir haben einfach keine andere Wahl." Sie schaute auf Cassie, die ihnen mit blassem Gesicht zuhörte, und erklärte: "Wir können die Klippen nicht vor dem Morgen verlassen, und das kann auch das Monster nicht. Aber sobald die Sonne aufgeht, wird es uns sehen und angreifen können. Dann wird unser einziger Vorteil, das Element der Überraschung, verloren sein. Wenn wir also so oder so gegen sie kämpfen müssen, ist es besser, wenn wir den Kampf initiieren." Changing Star sah sich um und fügte hinzu: "Es ist noch nicht ganz finster. Obwohl gerade so, kann ich immer noch sehen. Wenn die Nacht hereinkommt, wird das nicht mehr der Fall sein. Also werden wir es zuerst angreifen müssen, und das bald." Sunny schüttelte den Kopf. "Das erklärt immer noch nicht, wie wir es töten sollen. Das Ding hat gerade acht Geier mit Leichtigkeit erledigt. Wir sind keine Gegner für sie. Wir kennen nicht einmal ihre Schwachstellen!" Nephis runzelte die Stirn. Nach einer kurzen Pause sagte sie: "Es ist nur ein erwachtes Monster." Sunny konnte nicht anders, als sie ungläubig anzustarren. "Was meinst du, 'nur' ein erwachtes Monster? Hast du vergessen, dass wir alle drei bloß Schläfer sind?! Schlafende Menschen sollten nicht in der Lage sein, gegen erwachte Bestien zu bestehen, geschweige denn gegen Monster. Die Tatsache, dass wir Geier verlässlich töten können, ist schon anormal!" Sie schaute ihn unberührt an und antwortete einfach: "Aber wir sind anormal." Sunny stand da mit geöffnetem Mund und wusste nicht, was er sagen sollte. Nephis seufzte. "Sowohl du als auch ich sind keine gewöhnlichen Schläfer. Stimmt's? Versuchen Sie nicht, es zu leugnen. Ein gewöhnlicher Schläfer würde an diesem Ort einfach nicht überleben." Er kniff die Stirn zusammen, unglücklich mit ihrer Argumentation. In der Zwischenzeit fuhr Changing Star fort: "Du, ich, und das erwachte Tier, das du als Echo hast, zusammen mit dem Vorteil eines Überraschungsangriffs. Ich sage nicht, dass es einfach sein wird. Wir könnten sterben. Aber es besteht eine gute Möglichkeit, dass wir es nicht tun werden." Sie sah auf die silberne Klinge ihres Schwertes und fügte nach ein paar Sekunden hinzu: "In jedem Fall. Wie ich bereits sagte, wir haben keine andere Wahl." Sunny knirschte mit den Zähnen und versuchte, einen logischen Konter zu finden. Aber ihre Argumentation schien unanfechtbar zu sein. Er hatte einfach ein sehr schlechtes Gefühl dabei, gegen dieses Monster zu kämpfen. In der darauffolgenden Stille, sprach auf einmal Cassie, die die ganze Zeit über still gewesen war: "Ihr vergesst den wichtigsten Vorteil, den wir gegenüber diesem Ding haben." Beide sahen sie überrascht an. Das blinde Mädchen drehte sich zu ihnen und hob den Kopf leicht an. "Wir sind intelligent, und das Monster ist es nicht." Ihre Worte hallten in der Dunkelheit wider. Sunny seufzte. Ein Kampf mit dem Knochensensenmonster schien unvermeidlich zu sein. *** Einige Zeit später stand er in der Dunkelheit und blickte auf das erschreckende Tier vor ihm. Sein Gesichtsausdruck war grimmig und düster. Mit der fest umklammerten Azurklinge atmete Sunny langsam ein. Das unheilvolle Gefühl, das er zuvor hatte, war noch immer da, stärker als je zuvor. "Ich mag das nicht." Mit diesem Gedanken atmete er aus und hob die Hand.
"Versuch nicht, dir selbst im Weg zu stehen und dabei umzukommen, Quinn!", rief ein Junge durch den Flur und brach danach in lautes, unkontrolliertes Lachen aus. Quinn ignorierte den läppischen Spott und setzte seinen Gang durch den Schulflur fort. Die Schikane war mittlerweile zu einer alltäglichen Erscheinung für ihn geworden, aber es beunruhigte ihn immer noch genauso wie jeden anderen Tag. Daher konnte er seinen Wunsch, zurückzuschlagen, nicht unterdrücken. Quinn verlangsamte seinen Schritt und blieb stehen. Er schob seine Brille, die von seiner Nase gerutscht war, wieder hoch. Schon beim Anblick der Brille war klar, dass er ein neues Paar brauchte - man konnte sehen, dass sie stark abgenutzt war. Die Brille sah schief aus, wenn er sie trug, und sogar die Bügel waren mit Klebeband abgedeckt. Dann drehte er sich um und hob ban prompt den Mittelfinger, um auf die Beleidigungen zu antworten: "Ich wette, du weißt noch nicht einmal, wie viele Finger ich hochhalte!" Als der Junge die Stichelei hörte, ballte er die Faust und rannte auf Quinn zu. "Du Stufe-1-Versager! Wann wirst du endlich verstehen, dass du in dieser Welt nichts zu suchen hast?" Der Junge legte beide Hände zusammen und ein grüner Lichtball begann sich zwischen ihnen zu bilden. Als er nur noch ein paar Meter von Quinn entfernt war, warf der Junge seine Hände nach vorne und ein grüner Strahl schoss aus seinen Handflächen. Quinn hatte keinen Ausweg und der Lichtstrahl war zu schnell, um ihm ausweichen zu können. Er wusste also, dass er nichts tun konnte, außer die Zähne zusammenzubeißen und den Schmerz zu ertragen. Als das Licht ihn traf, wurde sein Körper in die Luft geworfen und gegen die Wand am anderen Ende des Flurs geschleudert. "Was ist hier los?", sagte ein Schüler aus der Menge. "Kämpfen sie am letzten Schultag?" Draußen hatte sich sofort eine Menschenmenge gebildet, die wissen wollte, was der Aufruhr bedeutete. Eine Schülerin rannte zu dem beschädigten Wandteil, um nach dem angegriffenen Schüler zu sehen. Als sich der Staub begann zu legen, kam Quinns leicht gelocktes schwarzes Haar langsam zum Vorschein. Als der Rauch sich endlich verzogen hatte, sah die Schülerin endlich, wer es war. Sie trat sofort zurück und machte weiter, als wäre nichts passiert. Als die Schülerin zu ihren Freunden zurückkehrte, konnte Quinn sehen, dass sie über sie lachten. "Ich kann nicht glauben, dass du versucht hast, ihm zu helfen." "Ich habe nicht gesehen, wer es war," entgegnete das Mädchen, ihre Wangen erröteten. Daraufhin stand Quinn auf und hob seine Brille auf, die auf den Boden gefallen war. Zu seinem Entsetzen war wieder einmal eines der Scharniere abgefallen. Statt die abgenutzte Brille zu tragen, ließ er sie an seiner Hand hängen. "Verdammt noch mal. Schon wieder ..." Es war Quinns letzter Schultag, daher hoffte er, dass niemand ihm etwas antun würde. Er hatte die Nase voll von ihrem Verhalten, aber er war auch nicht der Typ, der es ignorierte. Er hatte schon Menschen gesehen, die es vorgezogen hatten, den Kopf in den Sand zu stecken und die Schikanen zu ertragen. Ihre Behandlung war jedoch viel schlimmer, als das, was er erlebte. Er machte sich nicht die Mühe, wie die anderen Schüler in der Schule zu bleiben, sondern nahm seine zerbrochene Brille und verließ die Schule. Er sah die Schüler in ihren Kreisen miteinander reden. Einige lachten, andere weinten, denn sie dachten, es wäre das letzte Mal, dass sie sich sehen würden. Doch Quinn gehörte dazu nicht und wollte das auch nicht. Cliquen würden ihn ohnehin nicht aufnehmen. Er war der Sonderling. Als er endlich zu Hause ankam, machte er sich sofort an die Arbeit. Er lebte in einer Einzimmerwohnung die gerade genug Platz für ein Einzelbett und einen Schreibtisch bot. An der Wand hing ein Fernseher, den Quinn aber nur als Geräuschkulisse benutzte und nichts anschaute. Die Wohnung wurde ihm von der Regierung zur Verfügung gestellt, da er keine lebenden Verwandten hatte und erst sechzehn war. Auf seinem Bett lag ein einziger Koffer mit all seinen ordentlich verpackten Habseligkeiten. Er ging zu einem Schrank und zog sofort eine Schublade auf, in der sich ein einziges Buch befand. Es war ein großes, dickes und fest gebundenes Buch, das etwa ein halbes Kilo wog. Der vordere Einband des Buches war in einer Farbe gehalten, die einen helleren Rotton nachahmte. In der Mitte waren die einsamen Vorderseiten eines Ober- und UnterKiefers zu sehen, beide in einem sumpfigen Braunton gefärbt. Der Oberkiefer hatte eine Art von vier getrennten Reißzähnen, der Unterkiefer hingegen zwei scharfe Zähne an den beiden äußersten Enden auf der Oberseite und fünf gleichmäßig darunter verteilt. "Lass uns es heute noch einmal probieren", sagte Quinn, während er das Buch hochhob und es auf den Schreibtisch legte. Er ging dann schnell zu seiner Tasche und holte ein kleines Reagenzglas heraus, das halb mit einer farblosen Flüssigkeit gefüllt war. "Test 112, Salzsäure. Mal sehen, wie es läuft?" Er begann dann, die Flüssigkeit langsam aus dem Reagenzglas auf das Buch zu gießen. "Bisher gibt es keine Reaktion." Er setzte fort, den gesamten Inhalt des Reagenzglases auf das Buch zu gießen, aber am Ende seines Experiments gab es keine Reaktion. Sorgfältig untersuchte er das Buch und notierte die Ergebnisse in seinem Notizbuch. Er sah nach, ob es Beschädigungen gab, doch das Buch sah aus wie immer. "Wieder ein Fehlschlag. Warum öffnet es sich nicht? Warum haben meine Eltern dieses Ding überhaupt?""Einhundertzwölf Mal hat Quinn versucht, das Buch zu öffnen. Aber nicht nur ließ es sich nicht öffnen, es schien auch unzerstörbar zu sein. Er hat sogar versucht, das Buch zu verbrennen, es zu zerschneiden, es zu schmelzen, doch nichts hatte Erfolg. Das Buch schien völlig unverwüstlich zu sein. Auf seinem Bett liegend, schaltete er den Fernseher ein, um Hintergrundgeräusche zu erzeugen. Was gezeigt wurde, interessierte ihn nie wirklich. Das Geräusch von anderen Stimmen ließ ihn sich weniger einsam fühlen. Als er den Fernseher einschaltete, lief gerade eine Nachrichtensendung. "Der Friedensvertrag mit der Dalki-Rasse hält bereits fünf Jahre, aber Regierungsbeamte warnen, dass die Spannungen erneut steigen. Wir müssen uns erneut auf Krieg vorbereiten..." Seit einem bestimmten Tag vor 30 Jahren war der Kriegsendauerndes Thema im Fernsehen. Damals bekamen die Menschen Besuch von den sogenannten Dalki. Sie sahen aus wie Menschen, außer dass ihre Haut voller Schuppen und sie mit drachenähnlichen Schwänzen ausgestattet waren. Ohne zu wissen, warum sie plötzlich auftauchten, verlangten sie die Ressourcen der Menschen und wollten sie als Sklaven benutzen. Die Menschen entschieden sich natürlich zum Widerstand, stellten aber schnell fest, dass ihre Technologie gegen die Dalki machtlos war. Kugeln konnten ihre Haut nicht durchdringen und gegen die Luftschiffe der Dalki waren Panzer nutzlos. Jeder, unabhängig vom Geschlecht, wurde aufgefordert, für seinen Planeten zu kämpfen, darunter auch Quinns Eltern. Der Krieg dauerte jahrelang und Quinn wuchs ohne die Anwesenheit seiner Eltern auf. Als die Menschen kurz vor einer Niederlage standen, trat eine ausgewählte Gruppe von Menschen mit besonderen Fähigkeiten vor. Sie begannen, ihr Wissen darüber weiterzugeben, wie sie diese Kräfte erlangt hatten, in der Hoffnung, den Krieg zu ihren Gunsten zu wenden. Zum Glück war diese Strategie erfolgreich. Aber der Friedensvertrag wurde erst fünf Jahre später unterzeichnet, nach einer endlos scheinenden Pattsituation. Leider ließen sich die Regierungsbeamten von ihrer Gier leiten und behielten diese Kräfte für sich, anstatt sie mit allen zu teilen. Nur wer Geld hatte, konnte die mächtigen Fähigkeiten erlernen, während alle anderen nur die Reste bekamen. Armut hatte die Welt überrannt, aber die Menschen hatten Kräfte und verwendet sie unkontrolliert. Als Quinns Eltern starben, erhielt er nichts. Die Regierung erklärte sich bereit, für seinen Lebensunterhalt zu sorgen, solange er noch zur Schule ging. Aber das war auch schon alles. Als seine Eltern starben und er zehn Jahre alt war, erschien ein Agent vor seiner Tür und übergab ihm ein Buch. Es war das Einzige, was seine Eltern besaßen – und das einzige, was sie ihm vererbt hatten. "Wie kann die Welt nur so ungerecht sein?", fragte er sich. Er stand auf und ging zu seinem Schreibtisch. Dort nahm er seine leicht kaputte Brille und beschloss, sie zu reparieren. Er bemerkte, dass eine der Gläser leicht verschoben war und versuchte, es wieder in die Fassung zu drücken. "Jetzt rutsch doch endlich rein!", sagte er und versuchte, die Brille gewaltsam zu reparieren. Seine angestaute Frustration war ihm ins Gesicht geschrieben, als er wütend mit den Gläsern kämpfte. Unglücklicherweise zerfiel das Glas plötzlich in Stücke und einer der Plastikscherben riss eine tiefe Wunde in seinen Daumen. Er schrie auf und trat gegen den Tisch. "Warum hasst mich die Welt nur so?" Nach einer Weile hatte er sich beruhigt und begann, die kleinen Stücke Glas aufzuräumen. Dabei bemerkte er, wie ein Stück auf seinem Buch gelandet war. Als Quinn das Stück Glas entfernte, tropfte Blut von seinem Daumen auf das Buch. Das Symbol auf der Mitte des Buches fing plötzlich zu leuchten und das Buch begann zu schweben, bis es auf Augenhöhe mit Quinn war. Erschrocken wich er zurück. Das Leuchten des Buches ließ sein Zimmer mit dem kleinen Bett in der Ecke und dem einsamen Sitz noch leerer erscheinen. "Was zum Teufel passiert hier?!" Das Buch erstrahlte in blendendem Licht und begann unkontrolliert zu zittern. Einige Sekunden später öffnete es sich endlich und eine Seite nach der anderen wurde umgeblättert. Quinn konnte seinen Blick nicht von dem leuchtenden Buch abwenden. Er war wie in Trance. Die Worte, die auf den Seiten des Buches standen, waren in keiner Sprache, die er je gesehen hat. Aber aus irgendeinem Grund konnte er sie verstehen. Als das Buch seine letzte Seite erreichte, begann es zu verschwinden und sich allmählich in Staub aufzulösen. Zur gleichen Zeit fühlte Quinn sich plötzlich schwach. Sein Blick verschwamm und seine Augen fielen zu. Kurz bevor er das Bewusstsein verlor, hörte er eine einzelne Botschaft. <Glückwunsch, dir wurde die Va.... gewährt.> Er verlor das Bewusstsein, bevor er die letzten Worte hören konnte."
Als die fünf Schüler hörten, wie ihre Namen aufgerufen wurden, machte sich jeder von ihnen auf den Weg zu dem Sergeant, der vor der Menge auf sie wartete. Außer Quinn und Vorden befand sich noch ein weiterer Junge in ihrer Gruppe. Peter schien von allen Anwesenden am nervösesten zu sein. Er sah sich ständig um und konnte auch nicht aufhören, herumzuzappeln. Sein Körperbau war ziemlich klein, aber das passte zu ihm, denn er war auch nicht besonders groß. Wenn er ihn ansah, erinnerte er Quinn an sich selbst. Er war klein, trug eine Brille und hatte ungepflegtes braunes Haar, und er war nicht gerade eine physische Attraktion. Die beiden anderen Mitglieder waren beide Mädchen. Layla hatte kurzes braunes Haar und eine große Figur, und sie trug einen Bogen auf dem Rücken, was Quinn überraschte, da heutzutage nicht viele Leute eine Waffe trugen, außer einer bestimmten Gruppe von Leuten namens Pure. Das war eine Gruppe von Menschen, die behaupteten, dass Fähigkeiten eine Plage für die Menschheit seien, und sich stattdessen für Waffen entschieden. Sie waren jedoch sehr selten, und Quinn hatte in seinem Leben noch nie jemanden getroffen, der zu dieser Gruppe gehörte. Er hatte lediglich Geschichten über sie gehört. Erin hingegen war die Art von Mädchen, deren Schönheit ihm den Hals umdrehte. Ihre Proportionen waren perfekt, nicht zu groß und nicht zu klein, und sie hatte langes, seidiges Haar mit einem herrlichen goldenen Farbton. Das einzige Problem war ihre Mimik. Selbst als sie durch die Menschenmenge ging, änderte sich ihr Gesichtsausdruck nicht ein einziges Mal. Er blieb starr und neutral und ließ sie kalt erscheinen. Die Ehrfurcht in den Gesichtern der anderen Kinder ging in ihrem verloren. Als Quinn nach vorne ging, fiel ihm auf, dass er keinen der anwesenden Schüler erkennen konnte, und auch die anderen schienen niemanden zu kennen. Quinn konnte nur vermuten, dass dies mit Absicht geschehen war. Ihre Gruppe kam bald hinter einer anderen Gruppe zum Stehen, die gerade zum Testbereich gebracht wurde. Vorden ging herum und begrüßte jeden in seiner Gruppe mit einem Händedruck und einem selbstbewussten Lächeln. Vorden war sehr höflich, so dass die meisten seine Begrüßung akzeptierten. Alle, bis auf Erin. Sie starrte nur auf Vordens Hand, als er sie ihr reichte, und wandte dann nach einer Sekunde den Blick ab. "Komm schon, du musst nicht so sein", sagte Vorden, als er ihr die Hand auf die Schulter legte. Ein schrecklicher Fehler. Erin bewegte sich schneller, als irgendjemand reagieren konnte. Sie packte Vordens Handgelenk und verdrehte seine Hand. Eissplitter krochen an seiner Hand hinauf und begannen, seine Gliedmaßen zu vereisen. Sie machten eine Szene, und alle schauten vergnügt zu. "Wow, sie hat Eisfähigkeiten?", sagte einer der Jungen. "Ist das nicht sehr selten?" "Ich würde mich jederzeit von ihr einfrieren lassen." Mehrere Schüler drückten ihr Erstaunen unisono aus. "Hört auf, ihr zwei", bellte Griff ihren kleinen Streit an. "Wenn ihr so viel Energie habt, um euch zu streiten, dann spart sie euch für den Test auf!" Erin ließ Vordens Hand sofort fallen und ließ ihn vor Schmerzen keuchen. Langsam begann seine Hand aufzutauen. Er kämpfte sich zurück in die Reihe und stellte sich hinter Quinn, sein Gesicht vor Verlegenheit gerötet. "Kannst du das glauben?!" Vorden beschwerte sich: "Ich hätte fast meine Hand verloren." "Du kannst nicht einfach Leute ohne ihre Erlaubnis anfassen", erwiderte Quinn. "Ja, ich weiß. Sie kann froh sein, dass ich nicht den Boden mit ihr aufgewischt habe, nur weil sie ein hübsches Mädchen ist." Seine Worte brachten ihm Feinde ein. Viele von ihnen waren Bewunderer von Erin, die glaubten, dass sie mit einer Schande über Vorden bei dem schönen Mädchen punkten könnten. Als Quinn die Leute um sie herum betrachtete, konnte er erkennen, was die anderen dachten. Es war in ihren Gesichtern abzulesen. Instinktiv entfernte sich Quinn von Vorden, in der Hoffnung, dass die anderen die beiden nicht für Freunde halten würden. Schließlich wurden Quinn und die anderen nach vorne gerufen und sollten sich in ein Quadrat stellen, das mit weißen Linien auf den Boden gezeichnet war. Der Platz darin war gerade groß genug, dass alle fünf hineinpassten. Man bemerkte, dass außerhalb des Platzes ein vermummter Mann stand, der sich in der Nähe befand. "Schickt sie weg!" befahl Griff. Sobald Griff den Befehl gab, legte der Kapuzenmann beide Hände auf den Boden, und der Platz begann zu leuchten und erstrahlte in einem hellen Violett. "Die Fähigkeit, andere zu transportieren", sagte Vorden und beugte sich vor, um in Quinns Ohren zu sprechen, sehr zum Unbehagen des Letzteren. "Was für eine seltene Fähigkeit." Die flachen Felder verschwanden aus ihrem Blickfeld und sie wurden in einen Wirbelsturm aus Farben geworfen. Schon in der nächsten Sekunde befanden sie sich in einem anderen Außenbereich, diesmal in einer leeren Einöde. Es gab weder ein Zeichen von Leben noch von Grünflächen. Zwei Personen standen vor der Gruppe. Eine schwarz gekleidete Frau und neben ihr ein weiterer Mann, dessen Gesicht unter seiner Kapuze verborgen war. Quinn konnte das Abzeichen am Arm der beiden Uniformen nicht erkennen, so dass es unmöglich war zu sagen, welchen Rang sie besaßen. Die Frau hielt ein Tablet in einer ihrer Hände und blätterte eifrig darin herum. Sie ignorierte die Gruppe, die vor ihr aufgetaucht war, und machte weiter, bis sie fertig war. Als sie fertig war, richtete sie ihren Blick auf die Schüler und begann zu sprechen. "Hallo, ich bin Jane und ich werde heute für euren Test verantwortlich sein. Sobald der Test beendet ist, werde ich Ihre Daten aktualisieren, und Ihr Ergebnis wird dann auf Ihren Armbanduhren angezeigt." Quinn bemerkte, dass ihr Gesicht die gleiche Gefühlsspanne wie das von Erin zu zeigen schien. "Wen sollen wir zuerst anrufen? Oh, es sieht so aus, als hätten wir ein paar bereits Eingestufte?" bemerkte Jane, während ihr Blick über den Bildschirm ihres Tablets glitt. Das Tablet schien ein so heikles Ding zu sein, das man an diesem Ort, an dem die schöne Stadt nicht zu sehen war, in der Hand hielt. Die Informationen, die die Frau erwähnte, waren von ihren früheren Schulen weitergegeben worden. "Peter Chuck, treten Sie vor." Der nervöse, kleinwüchsige Peter tat wie ihm geheißen und sah dabei noch schlechter aus als zuvor. Quinn fand, dass er unansehnlich aussah, doch wenn man die beiden miteinander verglich, schien er in perfekter Verfassung zu sein. Wenigstens konnte Quinn aufstehen, während Peter aussah, als würde er jeden Moment umfallen. "Was ist deine Fähigkeit?" fragte Jane. "Äh, ich habe keine Fähigkeit", antwortete Peter leise. Quinn und die anderen verstanden nun, warum Peter so nervös gewesen war. Keine Fähigkeit zu haben war keine Seltenheit. Wegen des Krieges waren viele Kinder wie Quinn als Waisen gelandet. Das bedeutete normalerweise, dass sie keine Chance hatten, ein Fähigkeitsbuch zu kaufen. "Hab keine Angst, Peter." sagte Jane. "Hier, nimm das." Der Kapuzenmann, der neben Jane stand, zauberte plötzlich ein Buch in seine Hand und hielt es ihr leise hin. Jane nahm das Buch und reichte es Peter. "Für mich? Das schenkst du mir einfach so?!" fragte Peter mit völliger Aufregung in der Stimme. "Ich danke dir!" "Studiere das Buch in deiner Freizeit. Wenn du endlich gelernt hast, damit umzugehen, kannst du wiederkommen und den Test wiederholen, aber für den Moment muss ich dir vorübergehend einen Machtstatus der Stufe 1 zugestehen." Auch wenn Peter einen Machtstatus der Stufe 1 erhalten hatte, war ihm das egal. In diesem Moment verspürte er nur Hoffnung. Dank des Buches, das er gerade erhalten hatte, konnte sein Leben endlich eine Wende nehmen. "Quinn Talen, treten Sie vor", befahl Jane und sah ihn an. Quinn tat, wie ihm geheißen wurde. "Was ist deine Fähigkeit?"
Quinns Augenlider begannen allmählich zu zucken und bald kehrte seine Sicht zurück. Sein Kopf fühlte sich schwer an und sein Körper tat leicht weh. Als er sich vom Boden erhob, berührte er vorsichtig seinen Kopf, um zu prüfen, ob er sich verletzt hatte. 'Warum tut mein Kopf so weh?' fragte er sich, verwirrt und unfähig zu verstehen, was gerade passiert war. Nachdem er seinen Kopf abgetastet hatte, sammelte Quinn seine Brille auf, die nicht allzu weit von ihm auf den Boden gefallen war. Leider war nur ein Glas noch intakt, dennoch setzte Quinn die Brille aus Gewohnheit auf. Ihm wurde etwas schwindlig und seine Sicht wurde leicht unscharf. Er nahm sie wieder ab und bemerkte, dass seine Sicht nur dann verschwamm, wenn er die Brille aufsetzte. 'Wow', dachte er und eilte zu seinem Schreibtisch, um einen Bleistift zu holen. Er zeichnete den Buchstaben "A" an die Wand und trat zurück. Er ging weiter zurück, bis er mit dem Rücken die Wand auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes berührte. Das 'A' war immer noch da und er konnte es deutlich sehen. „Was?! Aber wie?!" sagte Quinn langsam und war völlig verwirrt. Er versuchte immer noch zu begreifen, was mit ihm passiert war. Irgendwie war Quinns Sehkraft jetzt perfekt. Er hatte sein ganzes Leben lang unter schlechtem Sehvermögen gelitten, aber seltsamerweise konnte er jetzt klar sehen. Bilder von den Ereignissen, die dazu geführt hatten, dass er auf dem Boden lag, tauchten in seinem Kopf auf. Je mehr Erinnerungen in ihm hochkamen, desto deutlicher wurde eine Sache - das Buch. Als Quinn den Raum überblickte, spürte er Panik in sich aufsteigen. Das Buch war weg … "Das Buch! Wo zum Teufel ist das Buch?" Er suchte überall nach dem Buch, doch er konnte es nicht finden. In einem so kleinen Raum konnte es nicht einfach verschwinden, daher war sein Verschwinden verwirrend. "Wo zum Teufel ist das verdammte Buch?", beklagte er sich. Er stellte sich vor, wie das Buch in einer verborgenen Ecke des Raumes aus dem Blickfeld verschwand, irgendwie lebte und stillschweigend seine Qualen genoss. "Vielleicht ist es wie bei meinen Socken. Die verschwinden auch immer. Ach, lass den Unsinn. Wir reden hier über ein Buch, nicht über eine Socke", murmelte er und versuchte, den merkwürdigen Vergleich zu erklären. Quinn versuchte nachzudenken, was wenige Augenblicke vor seinem Zusammenbruch geschehen war. Er spielte die Ereignisse Schritt für Schritt in Erinnerung, bis er sich plötzlich an das Buch erinnerte, das in der Luft schwebte. Dann, kurz bevor er die Augen schloss, hörte er ein paar Worte. "Was war das?", dachte er. "So etwas wie eine Systemnachricht?" Kaum hatte Quinn diese Worte ausgesprochen, erschien vor seinen Augen ein Statusbildschirm. [Benutzer: Quinn Talen] [Rasse: Mensch] [Stufe 1] [0/100 exp] [HP 10/10] [Stärke: 10] [Geschicklichkeit: 10] [Ausdauer: 10] "Wow", sagte Quinn. Es war wie in den alten Spielen, die die Menschen damals ständig gespielt haben, als die Erde noch nicht von fremden Kreaturen bedroht war. Quinn bemerkte, dass auf dem Statusbildschirm oben einige Tabs angezeigt wurden. Demgemäß wechselte der Bildschirm automatisch zum Tab [Fähigkeiten] um, ohne dass er etwas tun musste, sondern nur, indem er die Tabs in seinem Kopf las. [Fähigkeiten] [0 Fähigkeitspunkte verfügbar] [Fähigkeit gesperrt????] [Fertigkeit gesperrt????] … Es war seltsam, aber er machte mit, denn die Neugierde trieb ihn an. Sein Leben war normalerweise langweilig, da er keine Freunde hatte und in der Schule das einsamste Kind war. Im Tab „Fähigkeiten" konnte Quinn nicht wirklich viel sehen. Alles schien gesperrt und leicht ausgegraut zu sein, also wechselte er schnell zum nächsten Tab, [Shop] [Wird auf Stufe 10 freigeschaltet] "Kann ich irgendwas machen?" fragte er sich. Der letzte Tab war der Tab [Quest]. Endlich schien es einen Tab zu geben, der nicht an eine Voraussetzung gebunden war. [Hauptquest] [Erreiche Stufe 10] [Tägliche Quest: Trinke zwei Liter Wasser] [Belohnung: 5 Exp] Nachdem er sich alles angesehen hatte, was das System zu bieten hatte, musste Quinn nur noch daran denken, das System zu schließen, und es tat es auch. Als er daran dachte, es wieder zu öffnen, erschien sofort der Bildschirm vor ihm. Quinn hatte noch einen anderen Gedanken, der ihm erklärte, was mit ihm passierte: Das Buch, das seine Eltern ihm hinterlassen hatten, war ein Fähigkeitenbuch. Solche Bücher konnten oft zu sehr hohen Preisen vom Militär oder einer Firma gekauft werden. Einige wurden sogar auf dem Markt verkauft. Er hatte nie ein solches Buch gesehen, sondern nur im Flüsterton von Schülern davon gehört, die nichts mit ihm zu tun haben wollten. Allerdings hatte Quinn noch nie von einem Fähigkeitsbuch gehört, das unmittelbar verschwand und dem Benutzer ein System wie das, das er gerade besaß, gewährte. Fähigkeitsbücher waren darauf ausgelegt, manuell gelernt zu werden. Es war nicht so, dass man es in die Hand nehmen und sofort verstehen konnte, wie man es benutzt, und es erschien definitiv nicht als Bildschirm über einem, wenn man daran dachte. Quinns Gesicht begann sich langsam ein Lächeln abzuzeichnen. Das waren großartige Neuigkeiten für ihn. Er war immer ein Fähigkeitenbenutzer der Stufe 1 gewesen, da er es sich niemals leisten konnte, Fähigkeitsbücher zu kaufen. Zu seinem Glück hatte er jetzt etwas, das er benutzen konnte. Seine Gedanken überschlugen sich, als er die sich ihm bietenden Möglichkeiten abwog. Es gab Dinge, die er üben konnte, Dinge, die er noch nie zuvor getan hatte. Das Buch würde ihm helfen, dachte er. „Wasserbändigung, jetzt!" sagte Quinn und hob seine rechte Hand in Richtung der Küchenspüle, in der Hoffnung, dass auf seinen Befehl hin Wasser aus dem Wasserhahn sprudeln würde. Peinlicherweise passierte jedoch nichts... "Okay, nächster Versuch! Wind, Wind, komm raus!" Quinn versuchte das Gleiche noch einmal, aber es passierte nichts. Nachdem er viele verschiedene Dinge ausprobiert hatte, entsprechend all den Fähigkeiten, die er zuvor gesehen hatte, stellte sich heraus, dass er keine von ihnen ausführen konnte. Er machte sich auf den Weg zu seinem Bett und ließ sich niedergeschlagen darauf nieder. "Was zum Teufel ist das für ein nutzloses Ding? Ist es wirklich nur eine Systemfähigkeit?" Quinn dachte eine Weile darüber nach. Wenn es wirklich wie ein Spiel war, dann würde er vielleicht durch das Erfüllen der Quests stärker werden und mehr Fähigkeiten freischalten. Er hatte von Mitschülern gehört, die von diesen Erinnerungen schwärmten, die ihnen von ihren Eltern übermittelt worden waren. Einige von ihnen besaßen noch immer diese Spiele, die jetzt als Antiquitäten in ihren Häusern standen. Vielleicht war es sein Fehler, dass er es wie ein gewöhnliches Fähigkeitsbuch behandelte, obwohl es das eindeutig nicht war. Er konnte es immer noch nicht finden und Fähigkeitsbücher lösten sich nicht in Luft auf. Normalerweise basierten Fähigkeitsbücher auf einer bestimmten Fähigkeit. Es war wichtig, dass ein Mensch sein erstes Fähigkeitsbuch sorgfältig auswählte, da ein normaler menschlicher Körper in seinem Leben nur ein Fähigkeitsattribut ausführen konnte. Wenn jemand als erste Fähigkeit die Verwandlungs-Fähigkeit erhielt, konnte er nur andere Fähigkeiten erwerben, die mit diesem Attribut zusammenhingen. Wenn jemand zum Beispiel Feuer als Attribut bekam, konnte er sich ausschließlich auf das Erlernen von Fähigkeiten konzentrieren, die das Attribut Feuer nutzen konnten. Aber dieses Buch war anders, er spürte es. Welches Fähigkeitsbuch konnte seinen Augendefekt vollständig heilen? Quinn öffnete seinen Mini-Kühlschrank und nahm die darin stehenden Wasserflaschen. Schnell begann er, die Wasserflaschen eine nach der anderen zu leeren. "Verdammt, wie viel sind zwei Liter? Mein Bauch fühlt sich an, als würde er gleich platzen." Nachdem er die vierte Wasserflasche geleert hatte, öffnete sich der Bildschirm vor ihm, und eine neue Benachrichtigung erschien. [Tägliche Quest abgeschlossen, 5 Erfahrungspunkte gewährt] [5/100] "Nun, zumindest weiß ich jetzt, wie das System funktioniert", sagte Quinn und Zufriedenheit schwingt in seinem Ton mit. Ein lautes Klopfen an der Tür ließ Quinn aufschrecken. Er zuckte zusammen und hätte beinahe die leere Wasserflasche, die er in der Hand hielt, fallen lassen. Es klopfte erneut. Es gab nur eine Gruppe, die auf diese Weise klopfte, und zwar echte Soldaten. Quinn hastete zur Tür und öffnete sie. Als er den Durchgang öffnete, stand ein großer, muskulöser, kahlköpfiger Mann vor ihm, der eine schwarze Militäruniform trug, die das Attribut Erde symbolisierte. An seiner Uniform befanden sich mehrere Medaillen. Sein Name war auf dem Bereich der Uniform direkt über seiner Brust geschrieben - "Sergeant Griff". "Junge, es ist Zeit, dass du dein Quartier sofort räumst. Das Fahrzeug wartet schon seit fünf Minuten draußen." Bei all dem, was passiert war, hatte Quinn vergessen, dass er heute umziehen musste. "Es ist Zeit für dich, zur Militärschule zu gehen." kündigte Griff an.
Quinn fand dieses ganze Schauspiel lächerlich. Ihm war sehr klar, dass das Tablet, das Jane hielt, bereits alle Informationen über ihn von seiner vorherigen Schule enthielt. Sie sollten wissen, dass er nie eine Fähigkeit besessen hatte und sein finanzieller Status es ihm nie erlauben würde, eine zu erwerben... und dennoch zögerte er mit der Antwort auf ihre Frage. Quinn hatte vor dem Wechsel zur Militärschule selbst Untersuchungen angestellt. Anders als Peter wusste er schon, dass das Militär allen Schülern, die keine Fähigkeit besaßen, kostenfrei ein eigenes Fähigkeitenbuch zur Verfügung stellte. Jeder würde ein Buch der Fähigkeiten der Erde Stufe 1 erhalten. Auf diese Weise würden alle diese Schüler wie Peter plötzlich in der Schuld des Militärs stehen. Nicht nur das, das Militär hatte auch fast alle Fähigkeitsbücher des Typs Erde und die entsprechenden Fähigkeitsbücher unter ihrer Kontrolle. Mit anderen Worten: Um seine Stärke zu erhöhen, musste man dem Militär gegenüber loyal bleiben und als Gegenleistung würde man mehr Macht erhalten. Vor dem Erhalt des Systems aus seinem Buch hatte Quinn sich entschieden, es zu akzeptieren. Selbst wenn er nach zwei Jahren nicht dem Militär beitreten würde, war eine Erd-Fähigkeit praktisch. Mit ihr sollte man recht leicht eine Anstellung finden können, da die Erd-Fähigkeit im Bauwesen nützlich war. Und genau hier lag das Problem. Quinn schien bereits eine Fähigkeit zu besitzen, was bedeutete, dass er nicht in der Lage war, eine neue zu erlernen. Das Fähigkeitenbuch, das sie ihm geben würden, war praktisch nutzlos. Er war sich auch ziemlich sicher, dass sie jeden Schüler, dem sie das Fähigkeitsbuch gegeben hatten, ständig beobachten würden, was bedeutete, dass die Lehrer erwarten würden, dass er eines Tages Erdkräfte einsetzen würde. Quinn atmete tief durch und antwortete: "Ich habe keine Fähigkeit." Genau wie zuvor zauberte der Kapuzenmann an Janes Seite aus dem Nichts ein Buch hervor und reichte es ihr. Ihre Augen waren kalt und emotionslos, als sie es Quinn übergab. Quinn nahm das Buch von Jane, aber plötzlich tauchte ein weiterer Bildschirm vor ihm auf. [Diese Fähigkeit kann nicht erlernt werden] [Möchten Sie das Buch in 10 Exp. umwandeln?] Quinn hatte irgendwie erwartet, dass das System die erste Meldung anzeigen würde, aber die zweite überraschte ihn wirklich. Er war wirklich versucht, das Buch zu nehmen und es als eine Form von Erfahrungspunkten zu nutzen, aber er wusste, dass später Fragen gestellt werden würden. "Es tut mir leid, aber ich will es nicht", sagte Quinn und gab Jane das Buch zurück. Die Ausbilderin sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an, das erste Anzeichen dafür, dass sie tatsächlich fähig war, irgendeine Art von Emotion zu zeigen. In ihren fünf Jahren als Ausbilderin war dies das erste Mal, dass jemand, der keine Fähigkeiten hatte, das Buch ablehnte. "Bitte geben Sie mir einen Moment." Jane entfernte sich von der Gruppe der Schüler, die Quinn alle anschauten, als sei er eine Art von Freak. Sobald sie weit genug von ihnen entfernt war, führte sie ihre Hand an ihr Ohr, um das elektronische Gerät darin zu aktivieren. "Ein Schüler namens Quinn Talen will das Fähigkeitsbuch nicht annehmen. Ich bitte um Anweisungen, wie mit ihm zu verfahren ist", fragte Jane und sprach in ihren Ohrhörer. "Man muss ihn nicht zwingen. Lassen Sie ihn einfach den Test machen und melden Sie sich, wenn er vielversprechend ist", wies der geheimnisvolle Mann auf der anderen Seite sie an. **** Als der Mann auflegte, konnte er sich des Eindrucks nicht erwehren, dass dieser Quinn ein interessanter Schüler zu sein schien. Er begann, die entsprechende Akte zu prüfen. Der Schüler hatte keine Fähigkeiten und laut deren Recherchen sollte er auch keine Beziehungen zur Gruppe Pure haben. "Mal sehen, wie lange du in dieser grausamen Welt überleben kannst, Quinn", sagte der Mann zu sich selbst und lehnte sich in seinem Sitz zurück. **** Jane richtete ihren Anzug und ging zurück zu den Schülern. "Entschuldigung, dass ich Sie alle warten lassen habe", bemerkte Jane steif. Dann wandte sie sich an Quinn. "Auch wenn Sie das Fähigkeitsbuch nicht annehmen wollen, müssen Sie den Test trotzdem absolvieren." Er fand das eine ziemlich seltsame Aufforderung. War es wirklich notwendig, dass er den Test als jemand ohne eine Fähigkeit absolvierte? Es kam ihm so vor, als ob sie ihn nur aus dem Grund weitermachen lassen wollten, um ihn zu demütigen, weil er ihre "Hilfe" abgelehnt hatte. Ihm das Gefühl zu geben, klein und unbedeutend zu sein, könnte dazu führen, dass er sich dem Militär von allein nähert und schließlich um das Fähigkeitenbuch bettelt, das sie verteilen. "Bitte folgen Sie mir." Jane führte Quinn ein Stück weiter hinaus auf das Feld, wo Quinn bemerkte, dass es große Krater im Boden gab, Brandspuren, Stellen, die verbrannt und verkohlt wirkten, als ob dort ein Feuer gewütet hätte. All dies war bei den früheren Tests der Teilnehmer geschehen. "Bitte zerstören Sie die Ziele vor Ihnen so schnell wie möglich", wies Jane ihn an. "Der Test wird sofort beginnen." Kaum hatte Jane zu Ende gesprochen, tauchten drei Zielscheiben an zufälligen Stellen in der Einöde aus dem Boden auf. Sie waren runde Metallziele mit einem roten Punkt in der Mitte. Das Problem war, dass als Quinn versuchte, die Ziele zu finden, alles in der Ferne verschwommen erschien. Er bemerkte, dass seine "perfekte" Sehkraft plötzlich nicht mehr so perfekt war. 'Liegt das daran, dass ich mich im Sonnenlicht befinde?' dachte Quinn. Quinn hatte keine andere Wahl, als langsam auf die Zielscheiben zuzulaufen und jede einzelne mit der Faust zu treffen. Überraschenderweise war seine Zeit am Ende unglaublich langsam. Danach bat Jane ihn, noch zwei weitere Tests zu absolvieren. Der zweite bezog sich auf den Krafttest. Alles, was er tun musste, war, gegen eine riesige trommelartige Maschine zu schlagen. Quinn gab sein Bestes und schlug so fest er konnte auf die Trommel. Die Trommel vibrierte und gab ein leises Geräusch von sich, bis sie schließlich eine digitale Zahl in der Mitte anzeigte. "Stärke 5", verkündete Jane und notierte die Zahl auf ihrem Tablet. Für den letzten Test gab es eine große runde Maschine mit vielen Löchern auf der Vorderseite. Sie schwebte über dem Boden, ohne ihn zu berühren. Sobald der Test begann, feuerte die Maschine holographische Stacheln auf den Prüfling ab. Quinn musste nur so lange wie möglich vermeiden, von den Stacheln getroffen zu werden. Die Maschine wurde immer schneller und schoss immer mehr Stacheln aus. Es war ein quälender Prozess, und Quinn wurde bald müde vom Ausweichen und wurde getroffen. Die Maschine surrte und hörte auf zu arbeiten. "Agilität 5", verkündete Jane dieses Mal und notierte es sich erneut. Quinn hatte die Worte von Jane gehört und begann darüber nachzudenken, ob es eine Art Verbindung zwischen den Ergebnissen gab, die sie ihm gegeben hatte. Dieser Test hatte sich auf die Agilität konzentriert, und er hatte eine 5 erreicht, was seinem System entsprach. Dasselbe galt für den Test davor, der eine 5 in Stärke ergeben hatte. Quinn seufzte innerlich. Wenn er diese Tests nur nachts hätte absolvieren können, hätte er seine Punktzahl wahrscheinlich verdoppelt. Aber wenn seine Fähigkeit tatsächlich eine war, die es ihm erlaubte, sich weiterzuentwickeln, konnte er jederzeit versuchen, den Test noch einmal zu machen. "Quinn Talen, Ihre derzeitige Gesamtleistung entspricht der eines Fähigkeitenbenutzers der Stufe 1", informierte Jane ihn. Quinn ballte seine Faust und stellte sich wieder zu den anderen. Er wusste, dass die Tage, die ihm als Nutzer der Stufe 1 bevorstanden, hart sein würden, aber hoffentlich würde sich das mit der Zeit ändern.
Die Prüfung ging weiter mit Layla, die als nächste vortritt. Sie war die einzige, die eine Waffe auf ihrem Rücken trug. Ihre Waffe sah nicht aus wie ein gewöhnlicher Bogen, sie war anders als die, die Menschen schon vor langer Zeit verwendet hatten. Dieser Bogen wurde aus Tierknochen geschnitzt. Er war auf eine glänzende Bronze poliert, die im Licht funkelte. Quinn hatte von sogenannten "Bestienwaffen" gehört, doch dies war seine erste Begegnung mit einer solchen. Wenn Vorden ihm das nicht zugetragen hätte, hätte er sie wahrscheinlich nicht als solche erkannt. Als die Menschheit von den Dalki angegriffen wurde, gelang es der menschlichen Technologie rasch, die Technik der Angreifer nachzubauen. Dadurch erlangte sie die Fähigkeit, durch Portale zu anderen Planeten zu reisen. Diese Planeten beherbergten oft unterschiedliche Stufen von Bestien. Je stärker die Bestie, desto bessere Waffen konnte man aus ihr fertigen - vorausgesetzt natürlich, man konnte sie zuerst töten. Es war schon merkwürdig zu sehen, dass jemand so junges wie Layla, die vermutlich nie auf einem anderen Planeten gewesen war, eine Bestienwaffe besaß. Layla stand in der Mitte des Feldes und bereitete sich auf den Start des Tests vor. Im Gegensatz zu Quinns Test wartete Jane bis das Mädchen bereit war, bevor sie den Test begann. Ein ziemlicher Unterschied im Umgang. Als der Test begann, erschienen fünf Ziele in verschiedenen Bereichen des Ödlands. Layla zog sofort fünf Pfeile heraus, platzierte sie in ihrem Bogen und schoss sie alle in eine Richtung ab. Die Pfeile flogen mit großer Geschwindigkeit und Kraft davon, doch plötzlich trennten sich die fünf Pfeile und flogen jeder in seine eigene Richtung, jeder auf ein anderes Ziel zu. "Das ist eine tolle Kombination", lobte Vorden, "Obwohl Telekinese als recht schwach gilt, ist sie in Kombination mit ihrem Bogen, mit dem sie die Pfeilbewegungen kontrollieren kann, sehr nützlich." Gleichzeitig trafen alle fünf Pfeile ihre Ziele, und sie absolvierte den ersten Test. Diese Demonstration zeigte Quinn, wie nützlich Bestienwaffen sein konnten. Selbst wenn man eine schwache Fähigkeit hat, können sie durch solche Waffen stark gemacht werden. Quinn wusste noch nicht genau, welche Fähigkeit er besaß, aber selbst wenn sie lediglich seine Werte beim Leveln erhöhte, konnte er sich vorstellen, dass die Kombination mit einer Waffe wie einem Bestienschwert ihn trotzdem noch stark machen konnte. Im Krafttest schnitt Layla nicht besonders gut ab. Sie setzte ihre Kräfte ein, um ihre Faust beim Trommelschlag schneller zu bewegen, doch am Ende erreichte sie nur eine Punktzahl von 8. Im letzten Test sah Quinn sie auch ziemlich schlecht abschneiden. Zu Beginn des Tests hatte Layla versucht, ihre Fähigkeit auf die auf sie zukommenden Spitzen anzuwenden. Doch leider wusste sie nicht, dass es sich um Hologramme und nicht um echte Gegenstände handelte, so dass sie keine Wirkung hatte. Dies führte dazu, dass sie am Anfang fast getroffen wurde. Danach verließ sich Layla auf ihre körperlichen Fähigkeiten, um den Spitzen auszuweichen und erreichte schließlich die gleiche Punktzahl wie Quinn. "Es scheint, dass dein Kraftlevel einem Fähigkeitsnutzer der Stufe 2 entspricht", teilte Jane ihr mit. Kaum hatte Jane dies eingegeben, erschien die Zahl 2 auf Laylas Handgelenk. Quinn konnte sehen, dass Layla nicht glücklich war. Sie war rot im Gesicht, als sie zur Gruppe zurück stapfte. Quinn empfand den Test als ungerecht. Ihr Fähigkeitslevel mochte auf einer Stufe 2 liegen, doch mit einem Bogen in der Hand glaubte Quinn, dass sie wohl einige Fähigkeitsnutzer der Stufe 3 oder sogar der Stufe 4 besiegen könnte. Doch selbst wenn er seine Meinung äußern würde, wer würde auf einen Kämpfer der Stufe 1 wie ihn hören? Quinn erkannte schließlich, dass die Akademie tatsächlich nur das Fähigkeitsniveau messen konnte und ermöglichte keine Bewertung der eigentlichen Kampffähigkeiten. Die nächste Person, die den Test machte, war Erin. Sie ging selbstbewusst vorwärts, ohne dabei jemanden anzusehen. Sie stellte sich in die Mitte des Testfeldes und wartete darauf, dass der Test begann. Fünf zufällige Ziele tauchten auf dem Ödland auf. Sie formte schnell einen Eisspeer und schleuderte ihn präzise auf das erste Ziel. Sie wiederholte diesen Vorgang vier weitere Male mit unglaublicher Geschwindigkeit und schaffte es beinahe, alle Ziele genauso schnell zu treffen wie Layla. Im nächsten Test war Erins Leistung sogar noch beeindruckender. Sie begann, Eis in den Handflächen zu sammeln und nach etwa einer Minute strömte eine riesige Eissäule aus ihren Händen und traf exakt die Mitte der Trommel. Der Trommelschlag ertönte lauter als zuvor und die Punktzahl stieg weiter an, bis sie schließlich bei 50 ankam. "Kein Wunder, dass sie so selbstbewusst ist", warf Vorden ein, ein nachdenklicher Gesichtsausdruck auf seinem Gesicht. Quinn erkannte, dass es gut war, dass die beiden nicht gekämpft hatten, sonst wäre Vorden jetzt wohl ein toter Mann. Als es endlich Zeit für den letzten Test war, sagte ihr die Ausbilderin, sie dürfe ihre Fähigkeit nicht einsetzen und solle nur ausweichen. Erin widersprach nicht und der Test begann sofort. Sie gelang es gut, jedem Stachel auszuweichen, aber schließlich war die Maschine zu schnell geworden und sie wurde getroffen. "Sehr beeindruckend! Das beste Ergebnis bisher. Du bist die dritte Erstklässlerin mit einem Powerlevel von 5." Erin machte sich auf den Weg zurück zu ihrer Gruppe, ihr Gesicht ausdruckslos und unbeeindruckt, als hätte sie von Anfang an gewusst, was ihre Punktzahl sein würde. Entweder das oder das Ganze war ihr vollkommen egal. Schließlich war Vorden der letzte aus der Gruppe, der den Test machte. "Es ist Zeit, euch zu zeigen, was ich drauf habe. Wünscht mir Glück!" Quinn hatte keine Ahnung, zu wem Vorden sprach, doch schnell wurde ihm klar, dass er gemeint sein musste, nachdem Vorden ihm zuwinkte, als er in die Mitte des Feldes ging. 'Könnte dieser Trottel tatsächlich stark sein?' Fragte sich Quinn. Die meisten starken Menschen waren entweder arrogant und zeigten ihre Fähigkeiten offen, oder sie behielten sie für sich. Vorden war aber eine seltsame Person. Er war nicht wirklich arrogant, vielmehr auffällig. Als der Test begann, blieb bei dem, was sie sahen, jedem der Mund offen stehen. Vorden kopierte in jedem Test exakt die gleichen Bewegungen wie Erin. Er benutzte die gleiche Eis-Fähigkeit und zeigte die gleiche Leistung wie Erin. "Seht, ich sagte euch, dass ich stark bin!" Vorden zeigte freudig die Zahl 5 seinem anscheinend neuen besten Freund Quinn.
Aufgrund des Krieges zwischen Menschen und den Dalki mussten alle Individuen für zwei Jahre eine Militärschule besuchen. Trotz der gegenwärtig friedlichen Phase zwischen den Menschen und den Dalki glaubte niemand daran, dass diese Epoche ewig anhalten würde. Den Dalki war einfach nicht zu trauen. Ihr Verlangen nach Macht und Kontrolle über Wesen, die sie als minderwertig betrachteten, konnten kaum gezähmt werden. Täglich gab es Meldungen über Konflikte und drohende Kriege zwischen den Rassen. Die Bürger spürten eine ständige drohende Gefahr, dass jederzeit ein Kampf ausbrechen könnte. Quinn ging noch schnell auf die Toilette, bevor er sich mit Sergeant Griff auf den Weg machte. Seine Blase drückte enorm, da er eine Menge Wasser getrunken hatte. Als er sein Zimmer verließ und in die Außenwelt trat, passierte etwas Seltsames. Ein neuer Benachrichtigungsbildschirm tauchte vor seinen Augen auf. [Dein Körper wird von direktem Sonnenlicht getroffen] [Du bist von der Sonneneinstrahlung beeinträchtigt] [Alle Werte halbieren sich, solange du dem Sonnenlicht ausgesetzt bist] Plötzlich fühlte sich Quinns Körper extrem träge an. Es war, als hätte er gerade einen Marathon beendet und brauchte nun dringend eine Pause. Seine Arme und Beine fühlten sich schwerer an als sonst, jedoch konnte er nichts dagegen machen. Quinn überprüfte seinen Status, während Sergeant Griff ihm einen verwirrten Blick zuwarf, weil er gestoppt hatte, sobald sie einen Fuß vor die Tür gesetzt hatten. "Geht es dir gut, Junge?" fragte der Sergeant, bereit, ihn festzunehmen, falls er fliehen wollte. Jedes Jahr gab es einige, die nicht friedlich mitgingen. Quinn jedoch hörte nicht zu. Er war komplett damit beschäftigt, den Bildschirm vor ihm zu studieren und zu sehen, dass seine Werte gesunken waren. Und nicht nur seine Werte, auch seine HP waren drastisch gesunken. [HP 5/5] [Stärke 5/5] [Ausdauer 5/5] [Beweglichkeit 5/5] 'Was für ein Nachteil ist das?!' Quinn wollte schreien, aber er war sich immer noch bewusst, dass er nicht alleine war. "Quinn?" fragte der Sergeant erneut. Er starrte immer noch auf den Bildschirm, als eine weitere Benachrichtigung auftauchte. [Du hast eine neue Aufgabe erhalten] [Tägliche Aufgabe: Vermeide direkte Sonneneinstrahlung für 8 Stunden] [Belohnung: 5 Erfahrungspunkte] Quinn's Laune hob sich, als er die neue tägliche Aufgabe sah. Im Gegensatz zu der Aufgabe, bei der er Wasser trinken musste, war dies etwas, was er ganz natürlich tun konnte, einfach nur durch Schlafen. Falls das System wie in Spielen funktioniert, von denen er gehört hatte, würde das bedeuten, dass Quinn, sobald er 100 Erfahrungspunkte erreicht hätte, einen Level aufsteigen und seine Werte steigern könnte. Je mehr tägliche Aufgaben Quinn erhielt, desto besser war es also für ihn. "Warum gehst du so langsam?! Die Schule wird dich lebendig verschlingen, wenn du so weitermachst!" rief Sergeant Griff und riss ihn aus seiner Trance. Quinn erreichte einen großen Bus, der direkt vor seinem Wohnblock parkte. Als er einstieg, bemerkte er, dass der Bus bereits mit Schülern gefüllt war, die ungefähr in seinem Alter sein mussten. Ein paar Schritte zurück stand Griff und beobachtete ihn, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Quinn hatte nicht einmal bemerkt, dass der Soldat gestoppt hatte. Als er sich wieder umdrehte, um Griff anzusehen, hätte er schwören können, dass er als eine Statue aus Stein dastand. Er wandte sich wieder dem Bus zu und stellte fest, dass er keinen der Schüler kannte. Das konnte nur bedeuten, dass sie alle von einer anderen Schule kamen. Erleichterung machte sich breit. Vielleicht würde das Mobbing mit diesen neuen Leuten aufhören. Da ihn niemand kannte, hätte er die Möglichkeit, sie zu beeindrucken und vielleicht sogar ein paar Freunde zu finden. Er entschied, sich ganz vorne im Bus zu setzen, da dies der einzige freie Platz war. Sobald er sich hinsetzte, erschien der Bildschirm sofort vor ihm. [Die Werte haben sich wieder normalisiert] Es schien als würde das Vermeiden direkter Sonneneinstrahlung dafür sorgen, dass seine Werte sofort wieder normalisierten. Er war darüber erleichtert, da sein Körper sich wieder kräftiger anfühlte. Es war, als ob eine schwere Last von ihm genommen worden wäre.Zumindest sieht es so aus, als wäre es nur direktes Sonnenlicht. Die Schüler unterhielten sich lebhaft miteinander, doch dieses Gespräch endete abrupt, als Sergeant Griff den Bus betrat. "Gut, wir machen uns jetzt auf den Weg zur Militärakademie", verkündete er und gab dem Fahrer ein Zeichen, die Fahrt zu starten. Mit einem Ruck startete der Bus und sie waren endlich unterwegs. Die Fahrt verlief in vollkommener Stille. Immer wenn ein Schüler zu sprechen anfing, fixierte Griff ihn mit einem Blick, der ihn sofort zum Schweigen brachte. Er musste gar nichts sagen; sie wussten alle, was er wollte, wenn er sie nur direkt anschaute. Ungefähr zehn Minuten nach Beginn ihrer Fahrt, erschien das Pop-up-Fenster erneut und Quinn erhielt eine weiter Nachricht: [Luft enthält eine Substanz] [Du fühlst Dich schläfrig] [Widerstandsfähigkeit +1] Quinn fand diese Mitteilung merkwürdig. Daher begann er, den Innenraum des Busses zu inspizieren. Er stellte fest, dass die Hälfte der Schüler bereits schlief und die andere Hälfte gerade einschlief. Obwohl er versuchte, dagegen anzukämpfen, fühlte er sich immer schwerer. Seine Augenlider fielen zu. Schließlich übermannten auch Quinn die Müdigkeit und der Schlaf. [Deine Resistenz gegen die Substanz hat zugenommen] [Widerstandsfähigkeit +1] Daraufhin hörte er das Geräusch lauter Schritte, die sich ihm näherten. Er schaute hoch und sah Sergeant Griff über sich schweben. "Scheint so, als wären einige von euch in der Lage, das Schlafgas zu widerstehen. Dann müssen wir euch eben 'einpacken'." Schnell wurde Quinn ein schwarzer Sack über den Kopf gezogen, seine Sicht war komplett blockiert. Das Gas kroch langsam in sein Bewusstsein und überwältigte ihn. Es gab nichts, was er tun konnte. Seine Hand fiel schlaff zur Seite und er gab sich dem Schlaf hin und verlor das Bewusstsein. **** Nach einer Weile wurde Quinn durch eine Ladung kalten Wassers, die über seinen Kopf geschüttet wurde, aufgeweckt. Beim Öffnen der Augen sah er nur grünlichen Rauch, der seine Umgebung beherrschte. Eine Anzahl von Schülern begann ihre Köpfe zu heben, um sich umzusehen. Insgesamt standen fünfhundert Schüler auf einem weiten, offenen Feld an einem fremden Ort, den keiner von ihnen zu erkennen schien. Die Verwirrung auf ihren Gesichtern sprach Bände. "Hier werdet ihr alle die nächsten zwei Jahre eures Lebens verbringen", erklärte Sergeant Griff. Die grüne Ebene war nicht das Einzige, was die Schüler sahen. Direkt vor ihnen befanden sich drei futuristische, riesige Gebäude. Die Gebäude waren menschliche Abbilder, die komplett aus Glas geformt waren. Jedes von ihnen war mindestens sechzig Fuß hoch, aber das war nicht das einzige, was sie überragten. Sie standen auf einer erhöhten Plattform mit einer Stadt vor ihnen, einer verborgenen Stadt. Alle waren bereits in Militäruniformen gekleidet und es gab technische Meisterwerke, die für alle beeindruckend waren. Die Technologien, die sie sahen, waren für ihre Zeit zu fortschrittlich. Da waren Mechs, die Kisten bewegten und Baumaschinen, riesige Dinger, die hoch in den Himmel ragten. Kein Mensch war in den Maschinen zu sehen, dennoch legten sie eine nach der anderen Glasscheibe auf ein noch im Bau befindliches Gebäude. Es gab fliegende Schiffe, die so nahe am Boden waren, dass Quinn befürchtete sie würden in die Hochhäuser stürzen und eine Schreckenswelle über die Menschen in der Stadt darunter hereinbrechen lassen. Aber so etwas passierte nicht. Sie folgten alle einer festgelegten Route. Dann gab es schwebende Züge, die sich hoch in die Luft erhoben und auf Schienen fuhren, die für die Schüler nicht sichtbar waren. Einige der Technologie, die sie sahen, war noch nicht öffentlich zugänglich. Nach dem ersten Krieg mit den Dalki konnten die Menschen in allen möglichen technologischen Bereichen riesige Fortschritte machen. Dies geschah, weil sie nach dem Krieg eine Menge Ausrüstung aus den Dalki-Ruinen bergen konnten. Das Militär beschloss, das meiste davon für sich selbst zu behalten. Einiges, was sie gefunden hatten, war laut ihrer Behauptung zu gefährlich für den öffentlichen Gebrauch. Als Quinn aufhörte, die neue Welt zu bestaunen, in die er plötzlich geworfen wurde, fühlte er das Gewicht an seiner Hand und bemerkte, dass er etwas um sein Handgelenk trug. Es war eine Digitaluhr, aber auf dem Bildschirm wurde noch nichts angezeigt. "Die Uhr an deinem Handgelenk ist deine Rettungsleine. Sie identifiziert dich als Student auf dieser Militärbasis. Sie ermöglicht dir Zugang zu bestimmten Bereichen, das Bezahlen von Mahlzeiten und vieles mehr. Wenn sie nicht in Gebrauch ist, zeigt sie eine Zahl an - deine entsprechende Leistungsstufe", erklärte Griff. Für Quinn hörte es sich so an, als würde er eine fremde Sprache sprechen. Und den verwirrten Gesichtern der anderen Schüler nach zu urteilen, war er sicher, dass er nicht der Einzige war, der Schwierigkeiten hatte, den Mann zu verstehen. Er hatte gehofft, dass sein Leben sich ändern würde, nachdem er zur Militärschule gekommen war. Aber es schien, als würde es das gleiche Spiel bleiben, nur an einem anderen Ort. "Wir beginnen sofort mit der Prüfung eurer jeweiligen Fähigkeiten. Bewegt euch nicht, bis ihr aufgerufen werdet, verstanden?" rief Griff mit einem Lächeln. Alle nickten nur. Mit seinem Lächeln wirkte der Sergeant furchteinflößend, es kontrastierte stark mit seinem harten Gesicht. "Viel Glück!"
Als die Fähigkeiten erstmals in der Menschheit eingeführt wurden, stellten die Menschen schnell fest, dass einige weitaus mächtiger waren als andere. Die Fähigkeiten selbst variierten von Person zu Person. Sie waren abhängig davon, wie viele Mutationszellen im Körper aktiviert werden konnten und was der Körper einer Person aushalten konnte. Bald darauf wurde das Kraftstufensystem eingeführt, das insgesamt acht Kraftstufen unterschied. Diese Stufen zeigten die Anzahl der Mutationszellen im Körper an, jedoch nicht die Stärke der Fähigkeit. Das Militär unterteilte diese weiter in Unterkategorien. 1.1, 1.2, bis hin zu 1.9, um jeden einzelnen zu identifizieren. Es gab zwei Wege, Fähigkeiten zu erwerben. Es gab die sogenannten "Originale" und diejenigen, die eine Fähigkeit erlernt hatten. Im Krieg gegen die Dalki-Rasse begannen einige Menschen in Not, Kräfte zu zeigen, die das menschliche Verständnis überstiegen. Wissenschaftler behaupteten, dies sei der letzte Widerstand der Menschheit gegen das Aussterben. Die Kraft, die die Originale entfalten konnten, war ein Schock für die Dalki und ausreichend, um sie zurückzudrängen. Diese neuen Superhelden erkannten, dass sie ihre Kräfte mit anderen teilen konnten. Also taten sie das schnell, da das Überleben der Menschheit von diesen seltsamen Kräften abhing. Sie notierten, wie sie dies erreichten und veröffentlichten die Informationen in Büchern, die später als Fähigkeitsbücher bekannt wurden. Nach dem Ende des ersten Krieges wurden die Bücher nicht mehr frei verteilt, sondern zum Verkauf an die Öffentlichkeit angeboten. Die ersten Fähigkeits-Nutzer hatten erkannt, dass sie nun an der Spitze der Nahrungskette standen und wollten das Beste daraus machen. Das Militär beschloss, einige der mächtigeren Fähigkeiten für sich zu behalten. Ab diesem Zeitpunkt wurden Fähigkeitsbücher von Stufe 1 bis 5 an die Öffentlichkeit verkauft, während große Unternehmen und das Militär sich mit den ersten bekannten Fähigkeitsnutzern zusammenschlossen, um die höherstufigen Versionen zurückzuhalten. Wer also eine Fähigkeit nutzte, gehörte entweder zu einer Familie der Originale oder hatte die Fähigkeit aus einem entsprechenden Buch gelernt. Es war keine Überraschung, dass die Originale stärker waren und höhere Stufen erreichten als der Rest der menschlichen Rasse. Zudem entschieden sich nicht alle Fähigkeitsnutzer, ihre Fähigkeiten mit der Außenwelt zu teilen, einige behielten sie exklusiv für ihre eigene Blutlinie. Die Originale verfügten in der Regel über die stärksten Fähigkeiten, die nicht mit dem Kraftstufensystem gemessen werden konnten. Nach dem Tod seiner Eltern hatte Quinn keine Familienmitglieder zur Unterstützung. Ihm fehlten die Mittel, um selbst das günstigste Fähigkeitsbuch zu kaufen und seiner Kenntnis nach war seine Familie nicht besonders genug, um ein Original zu sein. Nun, nach all diesen Jahren, schien es, als hätte er doch eine Fähigkeit erworben. Allerdings hatte er noch nie von einem Fähigkeitsbuch wie seinem gehört und hatte daher keine Ahnung, auf welche Kraftstufe seine Zellen mutiert waren. Normalerweise gab es auf der Vorderseite eine Technik, die einem helfen konnte, die eigene Fähigkeit bis zu einer bestimmten Kraftstufe zu beherrschen. Das Buch war jedoch verschwunden und mit ihm das gesamte enthaltene Wissen. Quinn hob die Hand, um auf die Uhr zu schauen, die ihm signalisierte, dass sein aktuelles Kraftlevel eins war. Als er sich umsah, bemerkte er, dass alle Uhren derselben Nummer anzeigten. Sergeant Griff stand vor allen Schülern und rief in Fünfergruppen Namen auf. Diese Schüler wurden dann irgendwohin gebracht, um den Test zu machen. Quinn war zuerst hoffnungsvoll, in dem Glauben, dass er seine Fähigkeitsstufe vielleicht ändern könnte, aber der Bildschirm, der vor ihm erschien, beunruhigte ihn. [Du erfährst direkte Sonneneinstrahlung] [Alle Werte werden halbiert] Er hatte keine Vorstellung davon, wie gut eine Stärke von 10, eine Geschicklichkeit von 10 und eine Ausdauer von 10 waren. Er wusste nur, dass sie höher waren als seine derzeitige Punktzahl von 5, was nichts Gutes für den bevorstehenden Test verhieß. Aber wenn er nach seinem Sehvermögen urteilte, dann sollte er zumindest die besten Konditionen eines normalen Menschen erreichen. Momentan fühlte sich Quinn jedoch unglaublich schwach und träge an. Sein Körper fühlte sich extrem heiß an und er schwitzte stark. Quinn fand es gut, dass er im Vorfeld viel Wasser getrunken hatte. Sonst wäre er extrem dehydriert gewesen. "Bist du in Ordnung?", fragte ein Fremder, der neben Quinn stand. Der Fremde hatte glattes blondes Haar, haselnussgrüne Augen, ein markantes Gesicht und ein scharfes Kinn. Er stand vor ihm mit einer Größe von etwa 1,85 Metern im Vergleich zu Quinn, der nur 1,80 Meter groß war. Er sah aus, wie jemand, den Quinn in seiner Schule normalerweise gemieden hätte, da alle immer auf ihn achteten, und Quinn hasste es, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. "Wenn du willst, kann ich jemanden um Hilfe rufen", bot der Fremde an. "Ist schon okay, ich bin nur ein wenig nervös wegen des Tests", log Quinn und versuchte, seinen müden Körper zu ignorieren und aufrecht zu stehen. Der Fremde betrachtete Quinns Körper besorgt. Quinn war für sein Alter ziemlich dünn und hatte nicht viele Muskeln, und gerade jetzt sah er unglaublich schwach aus. In den Augen des Fremden sah Quinn aus wie ein Junge, der am ehesten Opfer von Mobbing werden würde. Da er an einem neuen Ort war und nicht wusste, wie stark die anderen waren, war er natürlich nervös. Quinn seufzte. Wenn er wieder als Stufe 1 eingestuft wurde, würde sich wahrscheinlich das Gleiche wie in seiner Schule wiederholen. "Nun, das muss nicht so sein. Ich bin ziemlich stark, weißt du. Wenn jemand dich ärgert, kannst du zu mir kommen und um Hilfe bitten", bot der Fremde lächelnd an. Quinn erwiderte das Lächeln, aber er konnte sich ein mulmiges Gefühl nicht verkneifen. Quinn kam normalerweise nicht mit den aktiven, positiven Menschen gut klar. Tatsächlich verstand er sich mit niemandem gut, aber er fand es schwer, den Jungen nicht zu mögen, vor allem weil er der erste war, der seine Hilfe anbot. "Ich heiße übrigens Vorden", stellte sich der andere Junge vor und streckte seine Hand aus. Quinn sah auf Vordens Hand. Es war das erste Mal, dass ihm jemand wie ein normaler Mensch behandelt hatte, aber er fürchtete, dass sich das schnell ändern würde. Sollte seine Fähigkeit sich als eine niedere herausstellen, würde er sein Angebot der Freundschaft wahrscheinlich zurücknehmen, aber zumindest für eine kurze Zeit wollte Quinn das alles einfach vergessen. "Ich heiße Quinn", antwortete Quinn, als er Vordens Hand schüttelte. [Gebrauch einer Fähigkeit registriert] [Fähigkeit wurde abgelehnt] Als die Meldungen des Systems erschienen, starrte Quinn sie seltsam an. Dann bemerkte er, dass Vorden seine Hand immer noch nicht losgelassen hatte. Das System wiederholte die Meldung dann ein zweites Mal. [Gebrauch einer Fähigkeit registriert] [Fähigkeit wurde abgelehnt] Quinn zog seine Hand energisch zurück. Das System sagte ihm klipp und klar, dass Vorden versuchte, seine Fähigkeit auf ihn anzuwenden. Der andere stand immer noch mit einem verwirrten Gesichtsausdruck vor ihm. "Was ist deine Fähigkeit?" fragte Vorden schliesslich. "Ich..." Quinn hielt inne und überlegte eine Weile, ob er antworten oder nicht. Schließlich wollte er sehen, wie Vorden wirklich reagieren würde. "Ich habe keine Fähigkeit." Auf Vordens Gesicht war nicht mehr das verwirrte Ausdruck, aber er sah auch nicht erfreut aus, als ob die Antwort unzureichend gewesen wäre, um seinen Wissensdurst zu stillen. Doch bevor er etwas sagen konnte, machte Sergeant Griff eine Ankündigung. "Nächste Gruppe: Quinn Talen, Vorden Blade, Peter Chuck, Layla Munrow und Erin Heley. Tritt nach vorne, um euren Test zu machen!"
Als sie beide weiter den Flur entlanggingen, spürte Quinn eine seltsame Welle durch seinen Körper strömen. "Hey, lass uns zum Arzt gehen. Ich bin sicher, dass das Militär einen Mediziner hat, der das behandeln kann", schlug Peter vor und richtete dabei seine Augen auf den Schnitt an Quinns Hand. "Gute Idee", stimmte Quinn zu, "Du musst aber nicht mitkommen. Ich schaffe das alleine. Morgen wird ein anstrengender Tag, also warum gehst du nicht schon mal zurück ins Wohnheim?" Obwohl Peter sich Sorgen um Quinn machte, wollte er auch nicht länger auf dem Flur bleiben, wo andere Schüler ihn sehen könnten. Außerdem hatte er die irrationale Angst, dass jemand sie mit dem verletzten Jungen auf dem Gang in Verbindung bringen könnte. Quinn konnte Peters Zögern im Gesicht lesen. "Mach dir keine Sorgen, es geht mir gut. Ich schätze es, dass du dich um mich kümmerst", ermutigte Quinn ihn. Es war eine seltsame Bemerkung, wenn man bedenkt, dass er derjenige war, der sich verletzt hatte, während er Peter gerettet hatte. Er sah die Verwirrung auf Peters Gesicht und gab ihm einen sanften Schubs in Richtung ihres Zimmers. Peter ging eilig zurück in Richtung der Schlafsäle und achtete dabei darauf, seine Armbanduhr meistens zu verdecken. Er wollte nicht wieder auf einen Tyrannen treffen. Quinn hingegen machte sich sofort auf den Weg zur nächsten Jungentoilette am Ende des Flurs. Als er die Toilette betrat, fiel sein Blick auf seinen Arm, auf dem sich durch Kyles Krallen eine hässliche Schnittwunde befand. Quinn untersuchte seine Hand genau. Etwas Seltsames geschah. Er konnte förmlich dabei zusehen, wie sein Arm in Echtzeit heilte. Es sah zwar langsam aus, war aber in Wirklichkeit unglaublich schnell. Es war beeindruckend, mit eigenen Augen zu sehen, wie die Haut verschorfte und sich heilte. Quinn hatte tatsächlich etwas Seltsames an sich festgestellt, als er mit Peter gesprochen hatte. Das war der Grund, warum er darauf bestanden hatte, dass Peter ihn alleine ließ. Wenn Peter gesehen hätte, wie seine Wunde heilte, wäre er sich mit Sicherheit sicher gewesen, dass Quinn eine Fähigkeit hatte, wenn er das nicht schon geahnt hatte. Quinn wartete ein paar Minuten und öffnete seinen Statusbildschirm. Wie er dachte, seine HP erholten sich langsam. [HP 8/10] Schließlich waren die Wunden an seinem Arm und seinem Rücken vollständig verheilt, und nur die Risse an seinem Hemd waren noch übrig. [HP 10/10] [Deine HP haben sich erholt] [Dein Hunger hat zugenommen] Bedeutet dies, dass das System meine Wunden mit Nahrung heilt? Das würde Sinn ergeben. Die Energie muss schließlich von irgendwoher kommen", dachte Quinn, als er sich hungrig fühlte. Es war, als hätte er gerade das Frühstück ausgelassen. Wenn Quinn die Möglichkeit hatte, würde er schnell etwas zu essen holen. Bevor Quinn zurück ins Wohnheim ging, wollte er noch etwas erledigen. Er wollte zurück in den Übungsraum, der ihnen während der Schulbesichtigung gezeigt worden war. Es war schon spät und die Schüler mussten am nächsten Morgen früh aufstehen, so dass die meisten bereits in ihre Wohnheime zurückgekehrt waren. Dies bedeutete, dass es für Quinn der perfekte Moment war, um zum Übungsraum zu gehen, ohne dass ihn jemand sah. Endlich erreichte er den Übungsraum der Akademie, ein großes ovales, kuppelförmiges Gebäude mit einem riesigen leeren Raum in der Mitte. An den Rändern des Saales waren Unmengen von technischen Geräten. Es gab riesige Mech-Roboter, Schießscheiben und Dinge, von denen Quinn keine Ahnung hatte, was sie taten. Aber deshalb war er nicht gekommen. Nein, das Einzige, was ihn interessierte, waren die Geräte zur Messung der Energielevel. Im Übungszentrum hatte Quinn auch die gleichen Geräte entdeckt, die auf dem Testfeld verwendet wurden. Als Quinn eintrat, war der Raum, wie erwartet, leer. Langsam ging er zu den Testgeräten und blieb schließlich direkt vor der trommelähnlichen Level-Testmaschine stehen. Es war das gleiche Modell wie das auf dem Testfeld, mit dem sie ihre Kräfte gemessen hatten. Ohne es zu wissen, hatte auch Layla sich heimlich in den Übungsraum geschlichen, bevor Quinn eintrat. Sie war gekommen, um ihre Fähigkeiten mit Pfeil und Bogen zu üben. Sie übte immer nachts, wenn sie nervös war und der nächste Tag war ihr ein Anlass zur Besorgnis. Als sie hörte, wie sich die Türen zum Übungsraum öffneten, versteckte sie sich sofort hinter einem der riesigen Roboter. Plötzlich sah sie den Schüler in ihre Richtung gehen und stellte fest. 'Ist das nicht der Junge, mit dem ich den Test gemacht habe? Wenn ich mich recht erinnere, hatte er keine Fähigkeit', erkannte sie ihn, obwohl sie sich nicht an seinen Namen erinnern konnte. Layla beobachtete Quinn weiter, als er sich der großen Trommel näherte. "Schaun wir mal", sagte Quinn zu sich selbst und kreiste seinen rechten Arm, um ihn aufzuwärmen. Mit der Faust holte er aus und bereitete sich darauf vor, die Trommel so hart wie möglich zu schlagen. Als er die Trommel schlug, erschien eine Zahl auf der Trommel und begann langsam zu steigen, bis sie schließlich bei 10 stehen blieb. "Scheint, als hätte ich ins Schwarze getroffen", rief Quinn freudig aus. Er war gekommen, um seine Theorie zu testen, dass seine Statusscreen Werte mit denen der Schule übereinstimmen, und das war offenbar der Fall. Layla, die von einem der Roboter aus zuschaute, stellte ebenfalls Quinns neue Punktzahl fest. Verwirrt und neugierig entschied sie, dass sie mehr über diesen mysteriösen Schüler herausfinden wollte und blieb daher versteckt, um mehr zu erfahren. Quinn ging dann zur Hologramm-Spike-Maschine. Beim letzten Mal hatte Quinn es geschafft, zehn Sekunden gegen die Maschine zu bestehen, bevor sie zu schnell wurde und er die Angriffe nicht mehr ausweichen konnte. Da seine Werte nicht mehr halbiert wurden, dachte er, dass er diesmal länger durchhalten würde. Quinn begann den Test und schlängelte und wich den Stacheln aus. Anders als draußen auf dem Feld, fühlte er sich beweglicher, als die Stacheln an ihm vorbeisausten. Als der Test beendet war, hielt er genau zwanzig Sekunden durch. Nachdem Quinn seine Ergebnisse bestätigt hatte, blieb ihm nichts anderes übrig, als zurück ins Wohnheim zu gehen und auf den nächsten Tag zu warten. Unterdessen hatte Layla, die sich die ganze Zeit versteckt gehalten hatte, alles gesehen. Sie konnte nicht verstehen, warum ein Schüler seine Kräfte in der Schule verstecken würde. Ein niedriges Energielevel bedeutete, dass man ins Visier der anderen geriet. Layla hatte nur einen Gedanken, während sie Quinn beobachtete. 'Vielleicht kann er mir nützlich sein?' Sie beschloss, dass sie Quinn von nun an genauestens beobachten würde.
Quinn starrte lange und intensiv auf die Nachricht und las sie mehrmals. 'Das kann nicht sein! Warum habe ich Exp bekommen, nur weil ich dieses Fantasy-Buch gelesen habe?' Er musste das unbedingt testen. Nachdem er mehrere verschiedene Bücher über Fähigkeiten gelesen hatte und keines davon ihm Exp gegeben hatte, tat es dieses aus irgendeinem Grund. Er beschloss also, eine andere Fantasy-Geschichte aufzugreifen, diesmal mit dem Titel 'Reinkarnation in einen Menschen?'. Er machte das Gleiche wie zuvor und überflog die meisten Seiten, las nur die Überschriften und Zwischentitel. Als er das Buch schloss, passierte nichts. Es war das erwartete Ergebnis. Mit dem Drang, noch etwas zu testen, nahm er ein anderes Buch zur Hand, welches ebenfalls über Vampire handelte, und machte das Gleiche. Als er das Buch schloss, zeigte das System immer noch keine Reaktion. Schließlich formulierte Quinn eine Theorie: Nachdem er all diese Bücher gelesen hatte, hatte er vielleicht so viel Wissen über Fähigkeiten angesammelt, dass das System ihn belohnen wollte. Die aus irgendeinem Grund verspätete Nachricht erschien nur zufällig genau in dem Moment, als er gerade Informationen über Vampire las. Natürlich gab es noch eine andere Möglichkeit, aber die war ihm schwer zu glauben. Er wollte nicht glauben, dass das Buch über Vampire irgendwie mit seinem System verbunden war. Als Quinn mit der Ausleihe in der Bibliothek fertig war, bemerkte er, dass Vorden vom Tisch verschwunden war. 'Er muss sich gelangweilt haben und irgendwo anders hingegangen sein. Ich werde ihn wahrscheinlich später in unserem Zimmer sehen.' Quinn schaute aus dem Fenster und bemerkte, dass die Sonne langsam unterging. Er war bisher insgesamt sechs Stunden in der Bibliothek und hatte gar nicht bemerkt, wie schnell die Zeit vergangen war. Als Quinn gerade gehen wollte, tauchte eine neue Nachricht in seinem Blickfeld auf. [Tägliche Aufgabe Nr. 2 wurde abgeschlossen] [5 Exp erhalten] [20/100 Exp] Jedes Mal, wenn Quinn eine Nachricht von dieser sonderbaren Entität in seinem Körper bekam, empfand er ein befriedigendes Gefühl, wenn er sah, wie sich die Zahl immer näher an 100 näherte. Doch tief im Inneren war da eine gewisse Unsicherheit, die Befürchtung, dass dies schlecht ausgehen könnte. Trotzdem konnte er es kaum erwarten zu sehen, was passieren würde, wenn er das Ziel erreicht hatte. Seine Vermutung war, dass er aufsteigen würde. Nach allem sah das System vor, dass er seine Shop-Funktion erst nutzen konnte, wenn er mindestens Level 10 erreicht hatte. Das Einzige, was Quinn im Moment wünschte, war eine schnellere Methode aufzusteigen. Mit nur zwei täglichen Quests pro Tag würde es über eine Woche dauern, bis Quinn Level 2 erreicht hatte. Im Moment konnte er nicht viel dagegen tun. Er führte lediglich sein alltägliches Leben als normaler Mensch. Als Quinn die Bibliothek verließ, beschloss er, zur Kampfarena zu gehen. Ein Gedanke hatte ihn ergriffen und er wollte etwas ausprobieren. Er ging durch den Schulflur, als er einen Jungen sah, der von einem anderen Schüler gegen die Wand gedrückt wurde. Der Junge an der Wand sah aus, als wäre er schon ein paar Mal geschlagen worden und hatte blaue Flecken im Gesicht. 'So hat es also auch hier angefangen...' dachte Quinn mit gesenktem Kopf. Er konnte einen Blick auf die Uhr des Jungen werfen und sah, dass die Zahl darauf anzeigte, dass der Junge ein Fähigkeitsbenutzer der Stufe 1 war, aber eine Kraftstufe von 1,2 hatte. Das überraschte Quinn, da der Tyrann selbst sehr schwach war, was selten vorkam. Die einzigen Menschen, die er schikanieren konnte, waren Menschen mit einer Kraftstufe von 1,0 wie Quinn oder Peter. In diesem Moment erkannte Quinn plötzlich, wer an der Wand stand. Es war tatsächlich Peter. Quinn überlegte mit sich selbst, ob er überhaupt eingreifen sollte oder nicht. Er hasste Tyrannen mehr als alles andere. Sie hatten sein Schulleben ruiniert und es bestand die Gefahr, dass er selbst bald ein Ziel werden könnte. Er entschied sich schnell. Er wollte seine Kräfte testen und es schien, als hätte das Schicksal ihm das perfekte Versuchskaninchen gegeben. Der Schüler vor ihm hatte nur eine Stärke von 1,2, also war die Chance groß, dass er gewinnen konnte, vor allem in der Halle, wo er nicht durch die Sonne geschwächt war. Der Schüler hob erneut die Faust, um Peter einen weiteren Schlag zu geben. "Du glaubst, du kannst mich einfach so anrempeln, dich entschuldigen und das war's?" schrie er, während er mit der Faust ausholte. Quinn ging vorbei, als ob er den Kampf zwischen den beiden nicht sehen würde. Der Tyrann war so in seine Rolle vertieft, dass er Quinn erst bemerkte, als dieser so tat, als würde er stolpern und den Schüler anrempeln, was dazu führte, dass dieser aus dem Gleichgewicht geriet und vorbeischlug. "Quinn?" fragte Peter und blickte auf. "Was zum Teufel sollte das?" schrie der Schüler und musterte die Person, die ihn angerempelt hatte. Sein Blick fiel natürlich zuerst auf Quinns Uhr. Als er die niedrige Zahl sah, wurde er zuversichtlicher. "Was zum Teufel macht ein Stufe-1-Müllhaufen wie du hier?" "Ich habe gewartet, um zu sehen, wie lange es dauern würde, bis jemand wie du auftaucht. Es scheint, dass ich eine Wette mit mir selbst verloren habe. Ich dachte, es würde wenigstens ein paar Tage dauern, bevor Abschaum wie du auftauchen würde!" "Und was gedenkst du jetzt zu tun?" Peter begann sich langsam Sorgen um Quinn zu machen. Vorhin auf dem Testgelände hatte Quinn gezeigt, dass er keine Fähigkeit hatte, während der Schüler, den er gegenüberstand, eine hatte. Peter dachte, dass sie vielleicht eine Chance hätten, wenn sie zusammen kämpfen würden, aber er hatte zu viel Angst. Wenn möglich, würde er gerne weitere Konfrontationen vermeiden. Sein ganzes Leben lang wurde er verletzt und er wollte nicht mehr verletzt werden. Doch leider funktioniert die Welt nun einmal so. Die Leute an der Spitze waren diejenigen mit der stärksten Kraft, daher konnte niemand sie daran hindern, die Schwächeren zu schikanieren, und die noch Schwächeren schikanierten sie im Gegenzug. In der Vergangenheit hatte Peter versucht, sich zu wehren. Damals, als das Mobbing an seiner alten Schule gerade erst begonnen hatte. Er hatte einen Schlag zurückgegeben und hatte es sogar geschafft, die Person ins Gesicht zu treffen, aber das hatte die Sache nur noch schlimmer gemacht. Infolgedessen wurde er zehnmal härter geschlagen als sonst und seither hat sich das Mobbing stetig verschlimmert. Für den neuen Tyrannen war er das Schlusslicht auf der sozialen Leiter. Doch zum ersten Mal traf er auf jemanden, der noch schwächer war als er. Bei all dem Schmerz, den er durchgemacht hatte, wollte er einmal auf der anderen Seite stehen. Für ihn war es so, als würde er nicht am Ende der Nahrungskette stehen. Dann bemerkte Quinn, dass der Schüler beide Hände hinter dem Rücken hielt, als würde er etwas vorbereiten, und plötzlich tauchte eine Meldung vor ihm auf. [Ein feindlicher Fähigkeitsbenutzer wurde entdeckt] [Kampfmodus einleiten] [Du hast eine neue Aufgabe erhalten] [Erster Kampf: Besiege deinen Gegner] [Belohnung: 50 Exp] Für Peter sah es so aus, als ob Quinn verrückt geworden wäre. Er hatte nicht nur einem Kampf zugestimmt, sondern Quinn hatte auch noch ein großes Grinsen auf dem Gesicht und hielt die Hand in einer Haltung hoch, die wie eine schlecht nachgemachte Kampfhaltung aussah. Wie sollte Peter wissen, dass Quinn sich freute, einen schnellen Weg zum Aufsteigen gefunden zu haben?
Nachdem Quinn mit dem Auspacken fertig war, hatte er den Rest des Tages Zeit, zu tun, was er wollte. Es war immer noch Mittag, also hatte er noch genügend Zeit, um die Akademie zu erkunden. Er teilte sein Zimmer mit zwei anderen - Vorden und Peter -, die er zu seiner Überraschung beide kannte. Das Zimmer hatte drei Einzelbetten, gleichmäßig voneinander entfernt, ansonsten war das Zimmer ziemlich leer. Es gab einen Schreibtisch und einen Schrank für jeden, direkt neben dem Bett. Die Schüler wurden dazu angehalten, den Großteil ihrer Zeit mit Lernen oder Üben zu verbringen, da es kaum Freizeit gab. Aus diesem Grund waren die Zimmer auf Effizienz ausgelegt. "Was wollt ihr heute machen?", fragte Vorden die anderen. "Ich muss noch weiter auspacken, aber ihr müsst nicht auf mich warten. Geht ruhig und erkundet die Umgebung", antwortete Peter leise. Peter hatte angefangen, sich gegenüber den beiden zu öffnen. Anfangs war er ziemlich schüchtern und sprach kaum, es sei denn, er wurde direkt angesprochen, aber langsam schien er aus seiner Schale zu kommen, besonders in Quinns Gegenwart. Vermutlich fühlte sich Peter wohl bei Quinn, da sie beide Fähigkeiten der Stufe 1 hatten. "Ich hatte vor, zur Bibliothek zu gehen", sagte Quinn, "Das dürfte dir wahrscheinlich zu langweilig sein." "Langweilig?", entgegnete Vorden. "Ich kann aus allem Spaß machen. Ich habe schon ewig kein Buch mehr gelesen... Ich kann mich nicht mal mehr daran erinnern, wann ich das letzte Mal ein Buch gelesen habe." Die drei lachten, bevor Vorden und Quinn beschlossen, gemeinsam in die Bibliothek zu gehen. Als sie dort ankamen, stellten sie fest, dass der erste Stock voller Studenten war. Quinn bemerkte, dass mehrere runde Tische aufgestellt waren, an denen die Studenten saßen. In der Mitte jedes Tischs befand sich eine leuchtende Kugel. "Du fragst dich sicher, was es mit der Kugel auf sich hat, oder?", fragte Vorden. "Sieht so aus, als hätte man die nicht in öffentlichen Schulen. Wenn du die Kugel berührst, kannst du einen isolierten Raum erschaffen. Darin können sich nur die Leute hören, die eingeladen wurden. So können sie sich unterhalten, ohne die anderen zu stören." "Wow", zeigte sich Quinn überrascht über die Fortschritte in der Technologie. Quinn und Vorden wählten einen Tisch, an dem noch zwei weitere Personen saßen. Genau wie von Vorden erklärt, konnte Quinn die beiden reden sehen, hörte jedoch kein Wort. Wie Voren erklärte, hatte die Kugel eine begrenzte Reichweite und konnte nur die umliegenden Tische abdecken. Quinn nahm so viele Bücher über Fähigkeiten aus dem ersten Stock der Bibliothek, wie er konnte. Die meisten von ihnen listeten und beschrieben die gängigsten Fähigkeiten. Vorden suchte sich einfach ein zufälliges Belletristik-Buch zum Lesen aus. Die beiden setzten sich an ihre Tische und Quinn begann zu blättern. Er hatte keines der Bücher gefunden, in denen seine Fähigkeiten beschrieben wurden. Vorden hatte Quinn genau beobachtet und bemerkt, welche Art von Büchern er gewählt hatte. "Warum so viele Bücher? Suchst du etwas Bestimmtes?" Quinn dachte eine Weile nach bevor er Vorden eine Antwort gab. Angesichts Vordens eigener Fähigkeit sollte er ziemlich viel über Fähigkeiten wissen. "Ich versuche zu entscheiden, welche Fähigkeit ich bekommen soll, da ich das Angebot der Schule abgelehnt habe." "Ach ja, das hatte ich schon fast vergessen. Ehrlich gesagt, dachte ich, du könntest einer der reinen Mitglieder sein, die Fähigkeiten hassen. Es stellte sich heraus, dass du einfach nicht zum Hund des Militärs werden wolltest." Vorden sagte mit einem breiten Grinsen: "Gibt es etwas Bestimmtes, was du suchst?" "Nicht wirklich. Obwohl ich in einem dieser Bücher etwas sehr Interessantes gefunden habe. Hast du jemals von einer Fähigkeit gehört, die bei Sonnenlicht schwächer wird?" Vorden fing an zu lachen. "Bist du verrückt? So etwas habe ich noch nie gehört. Fähigkeiten sind etwas, das unser Körper lernt. Sicher, manche Menschen haben Grenzen und können sich nicht an stärkere Fähigkeiten anpassen oder können weniger als andere, aber schwächer werden wegen der Sonne? Bist du sicher, dass du nicht versehentlich ein Fantasybuch über Vampire erwischt hast?" Quinn fühlte sich ein wenig verlegen nach Vordens Reaktion. Natürlich verstand er, dass diese Reaktion normal war. Hätte er anders reagiert wenn ihm jemand von einer Fähigkeit erzählt hätte, dass sie stärker wird, je voller der Mond ist? Leider sieht die Realität so aus: Solange Quinn sich im direkten Sonnenlicht aufhält, sinken alle seine Werte um die Hälfte. Er suchte weiter in der Bibliothek, um zu sehen, ob es noch etwas gibt, was er finden kann. Schließlich hatte er jedes einzelne Buch über Fähigkeiten durchgesehen. Dann überlegte Quinn, ob er sein Glück im zweiten Stock versuchen sollte, wo einige Schüler im zweiten Jahr waren. 'Vielleicht gibt es dort oben etwas zu finden, aber ich kann mir nicht vorstellen, was die Akademie mit mir machen würde, wenn ich gegen die Regeln verstoße, vor allem am ersten Tag. Vielleicht habe ich schon ihre Aufmerksamkeit auf mich gezogen, weil ich das Buch über die Erde-Fähigkeit abgelehnt habe. Kein Grund, sie noch misstrauischer zu machen', dachte Quinn. Während Quinn weiter durch die Bibliothek lief, überdachte er, was Vorden gesagt hatte. Vielleicht sollte er wirklich einen Blick in die Belletristik-Abteilung werfen und sehen, ob er Glück hat. Was soll schon passieren? Ein Buch mit dem Titel 'Die Wahrheit über Vampire' zog sofort sein Interesse an. Quinn nahm das Buch und blätterte es schnell durch. Trotz der weit verbreiteten Akzeptanz von Fähigkeiten gab es keine einzige Person, die behauptete, ein Vampir zu sein. Quinn konnte nicht anders, als seine Neugierde zu stillen und begann das Buch zu lesen. Nachdem er das Buch gelesen und überflogen hatte, fand er das meiste davon nutzlos. Viele der Dinge, die Vampire taten, bezogen sich überhaupt nicht auf ihn. Vampire mussten Menschenblut trinken. Einige verwandelten sich in Fledermäuse und erzeugten Illusionen, während andere unglaublich geschickt im Umgang mit dem Schwert und Hypnose waren, aber Quinn hatte nichts von alledem. Das Einzige, womit er sich identifizieren konnte, war, dass er von der Sonne geschwächt wurde. Schließlich beschloss Quinn, das Buch zu schließen und Feierabend zu machen. Es schien ihm unwahrscheinlich, dass er im ersten Stock der Bibliothek noch etwas finden würde. Kaum hatte Quinn das Buch geschlossen, hörte er ein vertrautes Geräusch und im Augenwinkel erschien wieder das Pop-up-Fenster. [Du hast mehr Wissen über das System erlangt] [10 Erfahrungspunkte erhalten] [15/100 Erfahrungspunkte] "Was?", platzte Quinn heraus.
Auch ohne die Hilfe des Systems konnte Quinn erkennen, dass der Schüler seine Fähigkeiten offensichtlich verbarg. "Na los, was ist mit deinen großen Eiern passiert?", provozierte der andere Schüler. "Es scheint, als würdest du sie hinter deinem Rücken verstecken", entgegnete Quinn. "Du schwaches Stück Dreck!", brüllte der Schüler und stürzte auf ihn zu, wobei er schnell seine Hand gegen Quinn ausschlug. Glücklicherweise konnte Quinn dank seiner verbesserten Statuswerte seinen Arm rechtzeitig heben, um den Angriff abzuwehren. Aber die Hand des Schülers konnte dennoch einen Teil von Quinns Arm durchtrennen, dabei floss Blut. "Verdammt!", fluchte Quinn. [HP 8/10] Quinn betrachtete den Schüler, dessen Hände nun deutlich sichtbar waren. Anscheinend verfügte der Rüpel über eine Transformationsfähigkeit, die allerdings schwach zu sein schien und sich nur auf seine Hände beschränkte. Diese hatte seine Hände in Tigerklauen verwandelt und seine Nägel verhärtet. Der tiefe Schnitt an seiner Hand verriet Quinn, dass die Nägel schärfer waren, als sie aussahen. Plötzlich wurde alles ein bisschen ernster für Quinn. Der stechende Schmerz in seinem Arm war tatsächlich echt. Das spielerische System hatte ihn dazu verleitet, die Dinge ein wenig zu leicht zu nehmen. Der Schmerz erinnerte ihn jedoch schnell daran, dass es nicht um ein Spiel ging. Er war sich nicht sicher, ob er nach vier weiteren Treffern ohnmächtig werden würde oder ob etwas Schlimmeres passieren könnte, aber er war nicht gewillt, das in absehbarer Zeit herauszufinden. Der Schüler ging erneut mit seinen klauenartigen Händen auf Quinn los. Als er seine rechte Hand ausschwang, gelang es Quinn, sich rechtzeitig zu ducken und dem Schüler eine Faustschlag in den Magen zu versetzen. Der Schüler taumelte. Der Schock auf seinem Gesicht zeigte, dass die Kraft hinter Quinns Schlag größer war, als er erwartet hatte. Der Schüler bewegte sich geschickt um Quinn herum und agierte schneller, als er aussah. Mit seinen Klauen traf er Quinns ungeschützten Rücken und verletzte ihn erneut. [HP 6/10] "Halt das Maul, ich weiß das!" schrie Quinn, während er den Schüler mit beiden Händen an den Beinen hochhob und gegen die Wand schleuderte. 'Wie hat Quinn das geschafft, ihn hochzuheben?' fragte Peter sich. 'Sie sind ungefähr gleich groß und er hat ihn mit Leichtigkeit geworfen... Hat er wirklich keine Fähigkeit? Oder versteckt er sie aus irgendeinem Grund?' Quinn hörte jedoch nicht auf. Es war wichtig, diesem Rüpel eine Lektion zu erteilen, sonst würde er nur zurückkommen und mehr verlangen. Quinn musste ihm Angst einflößen, damit er es sich nie wieder einfallen lässt, sich mit ihm anzulegen. Er rannte auf den immer noch am Boden liegenden Schüler zu und trat ihm mit aller Kraft in den Magen. Der Tritt war so heftig, dass der Schüler etwas Blut aus seinem Mund hustete. [Erster Kampf abgeschlossen!] [50 Exp erhalten] [70/100 Exp] "Ist er tot?" fragte Peter besorgt. Als ob auf Kommando begann der Schüler, noch mehr Blut auszuhusten. "Wenn er dich noch einmal angreift, wird er sich wünschen, er wäre es", antwortete Quinn bestimmt. Er war eigentlich ziemlich erleichtert. Er hatte keine Ahnung, wie die Akademie ihn für die Tötung eines anderen Schülers bestrafen würde. Glücklicherweise hatte ihm das System die Erfahrungspunkte gutgeschrieben, ohne dass er den anderen Schüler töten musste. Dann erschien plötzlich eine weitere Nachricht vor seinen Augen. [Zusätzliche Questbelohnung] [Fähigkeit freigeschaltet: Lv1 Inspektion] Die Aufregung erfüllte Quinns Kopf, denn er hatte endlich seine erste Fähigkeit erworben. Quinn hoffte, dass ihm das vielleicht helfen würde zu bestimmen, welche Art von Fähigkeit er bekommen hatte, aber der Name der Fähigkeit klang nicht besonders vielversprechend. 'Inspektion? Vielleicht kann sie mir die Schwächen meiner Gegner offenbaren?' vermutete Quinn. Quinn beschloss, seine neue Fähigkeit zu testen und schaute Peter an, der neben ihm stand. Leider wusste Quinn nicht, wie man seine Fähigkeit benutzt, aber in dem Moment, in dem er an die Fähigkeit dachte, aktivierte sie sich von selbst und ein Bildschirm erschien direkt neben Peter. [Name: Peter, Geschlecht: Männlich] [Rasse: Mensch] [Fähigkeit: Keine] [HP 3/5] [Blutgruppe A+] [?????] [?????] Quinn war schockiert, aber auch zufrieden. Die Fähigkeit schien durch reines Nachdenken darüber zu funktionieren. Er las die Informationen durch, die ihm gegeben worden waren, und war unzufrieden mit den fehlenden Abschnitten. Er ging davon aus, dass dies daran lag, dass die Fähigkeit erst auf Level 1 war, aber die Informationen, die sie ihm gegeben hatten, waren trotzdem recht nützlich. Sie offenbarte Quinn, welche Art von Fähigkeit jemand anderes besaß, was in einem Kampf sehr nützlich sein könnte. Gleiches galt für die Lebenspunkte einer anderen Person. Es gab jedoch eine Information, die Quinn sehr seltsam vorkam, nämlich die 'Blutgruppe'. Es war seltsam, dass ihm das System Informationen über eine so spezifische Sache gab, und Quinn fragte sich, wie ihm das in Zukunft überhaupt helfen könnte. Quinn ging dann zu dem Schüler, der weiterhin vor Schmerzen stöhnend auf dem Boden lag, und setzte seine neue Fähigkeit auch bei ihm ein. [Name: Kyle Main] [Rasse: Mensch] [Fähigkeit: Transformation] [HP 1/8] [Blutgruppe B-] [?????] [?????] "Quinn, ich denke, wir sollten besser gehen, bevor jemand kommt", schlug Peter seinem Freund vor. Quinn ignorierte ihn zunächst. Er wollte so viel wie möglich herausfinden und wer wusste, wann er sonst die Gelegenheit dazu bekommen würde. Die Überprüfung des Zustands von Kyle brachte Quinn ein paar neue Erkenntnisse. Die erhaltenen Informationen über die Fähigkeit des Ziels waren nicht sehr spezifisch. Es gab Hunderte von verschiedenen Transformationsfähigkeiten. Die andere Sache waren die HP. Es sah so aus, als ob er für seinen Sieg nur Kyles HP auf 1 reduzieren musste, aber Quinn wusste immer noch nicht, ob 0 den Tod oder etwas anderes bedeutete. Es könnte auch einfach bedeuten, dass die Person bewusstlos geworden ist. Gleich nachdem er Kyle inspiziert hatte, erhielt Quinn eine weitere Benachrichtigung. [Du hast eine optionale Quest erhalten] [Trinke das Blut deines Opfers, um einen Statuspunkt zu absorbieren] 'Was zum...? Ist dieses Ding verrückt!" dachte Quinn. Selbst wenn er dadurch einen Statuspunkt gewinnen würde, gab es keine Möglichkeit, dass er das Blut jemand anderem trinken würde. Schon der Gedanke daran ließ ihm übel werden. Dennoch fühlte er sich magisch zu der roten Flüssigkeit hingezogen, als er auf den Boden blickte, wo Kyle etwas von seinem Blut ausgespuckt hatte. 'Vielleicht würde ein bisschen nicht schaden… Nein, ich sollte es nicht tun! Quinn, du wirst verrückt, HÖR AUF DAMIT!!!' "Quinn!" rief Peter erneut, nur dieses Mal schrie er seinen Freund an. "Ja, du hast Recht." Die beiden gingen den Flur weiter entlang, aber dabei bemerkte Peter, dass Quinn immer wieder den Kopf drehte, um Kyle auf dem Boden zu sehen. 'Er muss sich Sorgen um ihn machen. Obwohl er ein harter Kämpfer ist, scheint Quinn doch ein netter Kerl zu sein', dachte Peter und lächelte. Wenn er nur wüsste, dass Quinn immer noch darüber nachdachte, ob er nicht doch zurückgehen und etwas von dem Blut probieren sollte...
Nachdem er gesehen hatte, wie gut Vorden bei dem Test abgeschnitten hatte, konnte Quinn nicht umhin, über dessen Fähigkeit nachzudenken. Bei ihrer ersten Begegnung hatte Vorden ihm die Hand schütteln wollen, und sein System hatte ihn darauf hingewiesen, dass Vorden versucht hatte, seine Fähigkeit auf Quinn zu übertragen. Aber aus irgendeinem Grund war das, was er versucht hatte, erfolglos geblieben. Hätte Vorden die Eis-Fähigkeit gehabt, wäre seine Hand sicherlich einfach eingefroren. Es sei denn, Quinns Fähigkeit könnte alle Arten von anderen Fähigkeiten blockieren, aber das schien unwahrscheinlich. Und dazu kommt noch Vordens merkwürdige Reaktion; er hatte sogar Quinn gefragt, was seine Fähigkeit sei. Als er weiter nachdachte, bemerkte Vorden ein weiteres merkwürdiges Verhalten des anderen Jungen. Aus irgendeinem Grund hatte er sehr darauf bestanden, jedem, dem er gerade begegnet war, die Hand zu schütteln. Obwohl Erin seine Geste abgelehnt hatte, hatte Vorden sie am Ende doch noch an der Schulter berührt. Damals hatte ihm das seltsam erschienen, aber wenn er nun darüber nachdachte, ergab es durchaus Sinn. Berührungen mussten eine Bedingung für Vordens Fähigkeit sein, und die letzte Person, die er berührt hatte, war Erin gewesen. Es konnte kein Zufall sein, dass sie beide die gleichen Fähigkeiten hatten. Daher musste Vordens Fähigkeit wahrscheinlich die sein, die Fähigkeiten anderer Menschen zu kopieren. Und es hatte bei Quinn nicht funktioniert, weil seine Fähigkeit nicht einfach war. Quinn konnte seiner Neugier nicht widerstehen und fragte Vorden. "Hey Vorden, ist deine Fähigkeit..." Quinn flüsterte dem Jungen neben ihm zu, "kannst du die Fähigkeiten anderer Leute kopieren?" Vorden sah Quinn an und lächelte verschmitzt. "Das ist das erste Mal, dass jemand das so schnell herausgefunden hat. Wie hast du es herausgefunden?" "Als du mir die Hand geschüttelt hast, schienst du überrascht, dass nichts passiert ist." Vorden hatte geglaubt, er hätte sich verraten, als er darauf bestand, Erin zu berühren, doch Quinn hatte es anscheinend schon durch den früheren Händedruck herausgefunden. Das musste er ihm zugestehen, immerhin war es nicht ausgeschlossen, dass Vorden zufällig auch die Eis-Fähigkeit aus einem Fähigkeitenbuch erhalten hatte. Quinn hatte die Stirn gerunzelt, als er seinen neuen Freund ansah. Er hatte noch nie von einem Fähigkeitenbuch gehört, das einem die Macht verlieh, die Fähigkeiten anderer zu kopieren, was nur eines bedeuten konnte. "Bist du ein Original?" fragte Quinn zur Bestätigung. Vorden sagte nichts, sondern zwinkerte Quinn einfach zu, was seine Theorie ziemlich genau bestätigte. Obwohl alle Fähigkeiten von den Ursprünglichen abstammten, bezeichnete man damit heutzutage eine Person, die zu einer dieser Familien gehörte, die sich dagegen entschieden hatte, ihre Fähigkeiten mit der Außenwelt zu teilen. Es wurde sogar gemunkelt, dass die stärksten Ursprünglichen die Macht hatten, die Machtstufe 8 leicht zu übertreffen. Nach Abschluss des Tests teleportierte der Mann in der Kapuze die Schüler zum Eingang der Akademie, wo sie bleiben würden. Die Akademie war riesig und das höchste Gebäude in der gesamten Stadt. Es war, als hätte jemand drei Hotels zusammengebaut. Es gab insgesamt zehn verschiedene Lehrer, die vor der Akademie standen. Ab und zu wurde eine Gruppe von fünf Schülern vor einem der Lehrer teleportiert und angewiesen, zu warten, bis alle ihre Tests abgeschlossen hatten. Schließlich standen insgesamt 20 Schüler vor dem Lehrer, der Quinn und seiner Gruppe zugewiesen worden war. "Gut, ihr alle müsst mir folgen, während ich euch durch die Schule führe." Sagte der Lehrer vor ihnen. Del war ein Mann mittleren Alters mit blonden, lockigen Haaren und trug eine Brille. Während Del die verschiedenen Orte in der Umgebung der Akademie beschrieb, hatte er ein ständiges, leichtes Lächeln im Gesicht, als ob ihn nichts erschüttern könnte. "Ihr solltet anfangen, euch so gut wie möglich kennenzulernen", schlug Del vor. "Die Leute, mit denen ihr jetzt zusammen seid, werden schließlich eure Klassenkameraden sein." Plötzlich wurden alle gesprächiger und unterhielten sich, während sie durch die Schule geführt wurden. Quinn bemerkte jedoch etwas Störendes. Die Schüler der Stufe 2 bemühten sich um die Freundschaft der Stufe 3, während die Schüler der Stufe 3 versuchten, dasselbe mit den Schülern der Stufe 4 zu tun. Quinn und Peter schienen die einzigen beiden Schüler der Stufe 1 in der Klasse zu sein. Ohne es zu merken, waren sie in den hinteren Teil der Gruppe gedrängt worden, und Peter trottete mit gesenktem Kopf weiter. Peter schien es mehr zu betreffen als Quinn, aber dieser hatte diesen Ausgang bereits bei der Prüfung vorausgesagt. Das war nicht anders als in der normalen Schule. Er suchte trotzdem nach seinem neuen Freund und stellte fest, dass Vorden nirgendwo zu finden war. "Da bist du ja!" rief Vorden. "Mann, plötzlich haben sich alle Schüler auf mich gestürzt. Das nächste, was ich bemerkte, war, dass du verschwunden warst, als ich mich umsah. Los, lass uns zusammen die Schule erkunden." Quinn hielt Vorden wirklich für einen seltsamen Menschen, fand das aber nicht schlimm. Vorden bemerkte Peter neben Quinn. "Hey du, hör auf, so deprimiert zu sein und komm mit uns." Peter sah auf und deutete mit dem Finger auf sich selbst. "Ja, du, Peter. Siehst du neben Quinn noch jemand anderen?" fragte Vorden in seiner lauten Stimme. Die drei setzten die Führung im hinteren Teil der Klasse fort, während der Lehrer sie weiter durch die Schule führte. Zur Mitte der Führung wurden den Schülern eine Kampfarena gezeigt, in der ähnliche Testgeräte wie in der Wildnis gab, sowie mehrere quadratische Kampfplattformen. Man zeigte ihnen auch die Klassenräume, die Kampfklassen, die Sporträume und alle möglichen Einrichtungen. Del vergaß nie, zu jedem Bereich der Schule, den sie besuchten, eine kleine Erklärung zu liefern. Quinn war jedoch an den meisten davon nicht interessiert, bis sie schließlich die Bibliothek erreichten. "Wie Sie sehen können, ist die Bibliothek hier in drei Stockwerke unterteilt. Erstsemester haben nur Zugang zum ersten Stock. Zweites Semester haben Zugang zum zweiten Stock. Die oberste Etage ist nur für autorisiertes Militärpersonal." Quinn interessierte sich für die Bibliothek, weil sie Bücher enthielt, die für die Öffentlichkeit nicht zugänglich waren. Vielleicht konnte er hier einige Informationen über seine Fähigkeit finden. Er hoffte inständig, dass sie im ersten Stock zu finden waren. Schließlich endete die Führung kurz vor den Schlafsälen der Schule. "Und hier werdet ihr während eures Aufenthalts hier leben. Nachdem ihr eure Sachen abgelegt habt, könnt ihr die Akademie erkunden. Heute findet kein Unterricht statt, also nutzt die freie Zeit und sorgt dafür, dass ihr während der Ausgangssperre in euren Zimmern seid." Jedem Schüler wurde dann eine auf ein Blatt Papier geschriebene Nummer ausgehändigt. Auf diesem Zettel stand, in welchem Zimmer sie untergebracht sein sollten. Aus den Augenwinkeln bemerkte Quinn, dass sich Vorden ihm näherte. "Hey, Quinn, welche Zimmernummer hast du bekommen?" fragte Vorden. "Ähm, 23." "Was für ein Zufall! Ich habe die gleiche Nummer bekommen! Es scheint, als würde das Schicksal uns wirklich zusammenbringen", bemerkte Vorden aufgeregt. "Vielleicht", antwortete Quinn. **** Irgendwo im Flur hatten zwei andere Schüler ein Gespräch. "Woah! Was ist mit dir passiert?" fragte ein Schüler, als er zu seinem zerzausten Freund hinübersah. "Ich weiß nicht, ein Typ hat einfach aufgetaucht, mich aus dem Nichts geschlagen und mich gezwungen, die Zimmernummern zu tauschen." "Sollen wir versuchen, sie zurückzubekommen?" schlug der andere Schüler vor. "Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich an seinem Handgelenk eine 5 gesehen habe. Es ist besser, wenn wir es einfach so lassen. Es ist schließlich nur ein Zimmer."
Am nächsten Tag, genau um 8:00 Uhr, wurden die Studenten durch den Alarm in den Schlafsälen geweckt. Dies war das Signal für alle, sich anzuziehen und den Tag zu beginnen. Sobald sie fertig waren, sollten sie zum Frühstück in die Kantine gehen. Als Quinn aufwachte, begrüßte ihn das System als erstes. [Tägliche Aufgabe Nr. 2 abgeschlossen] [5 Erfahrungspunkte erhalten] [75/100 Erfahrungspunkte] Quinn war dankbar, auf diese bequeme Weise 5 Erfahrungspunkte zu bekommen, ohne etwas tun zu müssen, außer zu schlafen. Plötzlich spürte er ein Grummeln in seinem Bauch. Er fühlte sich hungriger als sonst, als ob irgendetwas von innen an den Wänden seines Magens knabberte. 'Es muss immer noch von dem gestrigen Kampf sein.' Die Kantine war ein großer Raum und recht schlicht gehalten. Tatsächlich fiel Quinn, der alleine durch die Schule ging, auf, wie schlicht der Großteil des Gebäudes war. Einfache weiße Wände, keine Rahmen mit Bildern, nur ab und zu Fenster. Der kühle, moderne, saubere Look, den die Welt angenommen hatte, war allgegenwärtig. Große Tische, die je drei Personen auf jeder Seite Platz bieteten, füllten die Kantine. Es gab keine festgelegten Sitzplätze, sodass die Schülerinnen und Schüler sitzen konnten, wo immer sie wollten. Quinn bemerkte, dass die Schüler mit niedrigem Level bei anderen niedrigen Leveln saßen, während die mit höherem Level bei den höheren Leveln saßen. Sein Schulleben hatte gerade erst begonnen, und doch schien sich bereits eine soziale Norm durchgesetzt zu haben, genau wie an seiner alten Schule. Als Quinn mit Peter und Vorden in der Schlange stand, stieß ein später Ankömmling zu ihnen. Mit nonchalanter Miene schob er sich vor seine Mitschüler und drängelte sich vor ihnen in die Schlange. Keiner sagte irgendetwas dagegen. Der Grund dafür war einfach: Der Störenfried besaß ein höheres Powerlevel als sie. Quinn hasste solch ein Verhalten, doch momentan konnte er nichts dagegen unternehmen. Nachdem sie endlich ihr Essen hatten, machten sie sich auf die Suche nach einem freien Platz. "Wie wäre es dort drüben?" Vorden deutete auf einen freien Platz. "Bist du sicher, Vorden?" Peter schien besorgt. "Das ist eigentlich eine Zone für Level 1. Du musst nicht bei uns sitzen, wenn du nicht willst, nicht wahr, Quinn?" "Ja, zwing dich nicht," stimmte Quinn zu. "Hört auf, so einen Quatsch zu reden, wir sind Freunde. Mir ist diese blöde Hierarchie der Machtebenen egal." Die drei setzten sich also an einen Tisch mit den anderen niedrigen Leveln. Der Raum füllte sich allmählich, doch niemand sonst setzte sich an ihren Tisch. Offensichtlich konnte jeder Vordens hohes Powerlevel erkennen, sodass sich die anderen niedrigen Level fernhielten, aus Angst vor Mobbing. Kaum saßen sie, begann Quinn sofort mit dem Essen, ohne auf irgendwelche Tischmanieren zu achten. Er aß alles, was ihm gegeben wurde, sogar die Stücke, die er normalerweise nicht mochte. "Hey, wenn du das nicht alles schaffst, kann ich es dann haben?" Quinn blickte gierig auf Peters Teller. "Klar, bedien dich," erwiderte Peter, überrascht über Quinns Appetit. Am Ende hatte Quinn nicht nur sein gesamtes Essen verputzt, sondern auch die Reste seiner beiden Freunde. Darüber hinaus hatte er auch noch 8 Flaschen Wasser mitgehen lassen, da er seine andere tägliche Quest so schnell wie möglich abschließen wollte. Das letzte Mal, als er in der Sonne gewesen war, hatte er viel mehr geschwitzt als üblich. Doch dank dem Wasser, das er vorher getrunken hatte, fühlte er sich nicht allzu dehydriert. Wenn sie wieder hinausgehen würden, wäre dieses Wasser eine große Hilfe für Quinn. "Für einen so dünnen Kerl kannst du wirklich viel essen", neckte Vorden ihn. Obwohl Quinn zweifellos viel gegessen hatte, spürte er aus irgendeinem Grund immer noch einen kleinen Hunger, der nicht ganz verschwinden wollte. Glücklicherweise war es erträglich und lenkte ihn nicht zu sehr ab. [Tägliche Aufgabe Nr. 1 abgeschlossen] [Belohnung 5 Erfahrungspunkte] [80/100 Erfahrungspunkte] Jetzt trennten ihn nur noch 20 Punkte von seinem ersten Level-Aufstieg. Er konnte es kaum erwarten zu sehen, welche Vorteile er dadurch erlangen würde. Als er über das System nachdachte, erinnerte er sich daran, dass er die Fähigkeit Inspektion als zusätzliche Belohnung für seinen Kampf am Vortag erhalten hatte. Er wandte es auf Vorden an. [Name: Vorden Blade] [Rasse: Mensch] [Fähigkeit: Keine] [HP 10/10][Blutgruppe 0-] [?????] [?????] Quinn machte eine kurze Pause, als er sah, was vor ihm stand. Aus irgendeinem Grund behauptete das System, Vorden habe keine Fähigkeiten. "He, Vorden, kannst du noch Erins Eiskräfte benutzen?" fragte er. "Ich wusste nicht, dass du so interessiert an mir bist", antwortete Vorden und kratzte sich am Hinterkopf. "Meine Fähigkeiten setzen sich täglich zurück und heute habe ich noch niemanden berührt. Abgesehen von euch beiden, aber für meine Fähigkeiten seid ihr bedeutungslos." Sie plauderten noch eine Weile, bis ein weiterer Alarm darauf hinwies, dass das Frühstück vorüber war und der Unterricht bald beginnen würde. Auf dem Weg dorthin entdeckten Peter und Quinn Kyle, der keineswegs so aussah, als hätte er gekämpft, geschweige denn verloren. "Glaubst du, er wird es dem Lehrer erzählen?" flüsterte Peter Quinn zu. "Ich bezweifle es. Es wäre ihm wahrscheinlich zu peinlich einzugestehen, dass er von jemandem besiegt wurde, der schwächer ist als er. Außerdem würde es ihn nur zum Ziel machen, wenn es herauskommt", erwiderte Quinn leise. Ihr Lehrer für den Tag war Del, dieselbe Person, die sie durch die Schule geführt hatte. Die Schüler nahmen ihre Plätze ein und wählten, genau wie in der Kantine, Plätze in der Nähe von denen mit ähnlichen Kräften. Alle außer Vorden natürlich. Vorden entschied sich dafür, ganz hinten in der Klasse bei den Schülern der Stufen 1 und 2 zu sitzen, zwischen Peter und Quinn. Die anderen Schüler bemerkten sein Verhalten und fingen schnell an, untereinander zu tuscheln. "Wie kommt er dazu, sich zu diesen Versagern zu setzen?" "Ich habe ihn auch in der Kantine mit ihnen sitzen sehen." "Wird das nicht zu einem Problem für die Hierarchie in der Schule führen? Werden die Schüler des zweiten Jahres nicht etwas unternehmen?" "Ja, wenn er weiter die Regeln bricht, werden sie definitiv einschreiten." Diese Konzentration auf das eigene Machtlevel war nicht nur in der Schule zu finden. Tatsächlich war die Schule das perfekte Beispiel für die Funktionsweise ihrer Gesellschaft als Ganzes. Mit einem höheren Machtniveau ist man garantiert besser bezahlte Jobs und bessere Bezahlung. Die Regierung würde dich unterstützen, während die Rest vergessen würde. Diejenigen an der Spitze hatten kein Problem mit diesem System. Menschen mit niedrigeren Machtniveaus würden alles tun, was sie verlangten, nur um ihre Gunst zu erlangen, in der Hoffnung, dass sie eines Tages ihr Machtniveau steigern könnten. Wer versuchte, dieses Machtgefüge zu stören, wurde normalerweise schnell zum Schweigen gebracht. Dies war der Hauptgrund für die Existenz der Gruppe "Pure". Sie wollten gegen dieses System ankämpfen und die Würde aller Menschen wiederherstellen, doch die Regierung hatte sie als Terroristen gebrandmarkt. Del räusperte sich laut, um die tuschelnden Schüler zum Schweigen zu bringen und seinen Vortrag zu beginnen. Es ging um die Vorstellung der Schule und den großen Krieg. "Als wir kurz davor standen, den großen Krieg gegen die Dalki zu verlieren", begann Del mit erhobener Stimme, um den begeisterten Moment zu einfangen, "da traten sie hervor. Die 'Urspünglichen'. Diese Menschen hatten ihre Fähigkeiten über Hunderte von Jahren verborgen gehalten und sie nur an ihre Familienmitglieder weitergegeben." Er machte eine Pause und sah sich in der Klasse um, um sicherzustellen, dass alle Schüler aufmerksam zuhörten, bevor er fortfuhr. "Dank der Tatsache, dass sie ihre Fähigkeiten mit dem Rest der Menschheit geteilt haben, konnten wir das Blatt im Krieg wenden und die Dalki zurückdrängen. Wenn wir heute von einem 'Ursprünglichen' sprechen, meinen wir entweder die Begründer dieser Fähigkeit oder ein Mitglied einer der Gruppen, die sich geweigert haben, ihre Fähigkeiten mit dem Rest der Welt zu teilen." Dann zeigte Del ein ernstes Gesicht. "Wir leben vielleicht gerade in Friedenszeiten, aber wer weiß schon, wann der Krieg wieder beginnt? Deshalb seid ihr hier." Als der Unterricht zu Ende ging, war es Zeit für eine Pause. Vorden, Quinn und Peter gingen nach draußen, um etwas zu essen. Kaum war Quinn draußen, erschien die gefürchtete Nachricht. [Alle Werte wurden halbiert.] Die drei setzten sich auf eine nahegelegene Bank und Quinn fühlte sich einmal mehr schwach. "Hey, geht es dir gut? Du siehst schon wieder krank aus", fragte Vorden. "Mensch, du schwitzt wie ein Irrer." "Ja, mir wird einfach schnell heiß", log Quinn. Die drei unterhielten sich weiter über dies und das und ihre Erfahrungen an ihren früheren Schulen, bis eine Gruppe von sechs männlichen Schülern auf sie zukam. Jeder von ihnen trug ein schwarzes Armband, das zeigte, dass sie Schüler des zweiten Jahres waren. "Sieht so aus, als wären die Gerüchte wahr," sagte einer der Schüler des zweiten Jahres. "Wir haben einige Angelegenheiten mit euch zu besprechen. Würdet ihr bitte mit uns kommen?", fügte ein anderer hinzu. Seine Augen forderten das Trio heraus, die Einladung abzulehnen.
Da es der erste offizielle Tag war, bestanden die meisten Klassen aus Einführungen darüber, was sie während ihrer Zeit an der Militärschule lernen würden. Peter und Quinn taten ihr Bestes, um die meisten anderen Schüler nach allem, was sie durchgemacht hatten, zu meiden. Glücklicherweise hatte das Glück endlich auf sie gelächelt und niemand machte ihnen Schwierigkeiten. Nach dem Unterricht war es Zeit zum Abendessen. Quinn bemerkte, dass er immer noch dieses Hungergefühl im Bauch hatte und freute sich daher auf das Essen. Diesmal saßen Quinn und Peter allein an einem Tisch im Bereich für Schüler niedrigerer Klassen. Peter begann, sich im Raum umzusehen, als wolle er jemanden entdecken. "Ich sehe Vorden nirgendwo. Glaubst du, es geht ihm gut?" Fragte Peter mit etwas Sorge in seiner Stimme. Quinns Augen, die bisher auf sein Essen gerichtet waren, durchstreiften ebenfalls den Raum, doch auch er konnte Vorden in der Kantine nicht finden. "Ich würde mir nicht allzu viele Sorgen machen. Ich denke, wir beide wissen, dass er an dieser Schule viel sicherer ist als wir", beruhigte Quinn Peter. Die beiden aßen weiter und als sie mit dem Essen fertig waren, beschlossen sie, zurück in ihr Schlafzimmer zu gehen. Zu ihrer Überraschung war Vorden bereits auf seinem eigenen Bett im Schlafsaal. Als sie die Tür hinter sich schlossen, hob Vorden den Kopf und lächelte Peter und Quinn wie immer an, als wäre die ganze Episode mit ihm, in der er sie wütend im Flur stehen ließ, nie passiert. "Hey, ich habe schon eine ganze Weile auf euch beide gewartet", sagte Vorden, als er vom Bett aufstand. "Ich wollte mich für vorhin entschuldigen. Ich war nicht auf euch wütend, sondern nur auf die ganze Situation." Als Vorden vom Bett aufstand, bemerkte Quinn einen Bluterguss auf der Seite von Vordens Gesicht. Es war leicht rot und etwas geschwollen. "Was ist mit deinem Gesicht passiert?" Fragte Peter. "Oh, das hier?" Vorden berührte die Markierung. "Ich hatte eine kleine Auseinandersetzung, aber keine Sorge, ich habe nicht verloren. Ihr müsst euch keine Sorgen um mich machen, ich bin stark", sagte er, während er seine Muskeln anspannte, um seinen Standpunkt zu unterstreichen. Ein lautes Grollen entwich Quinns Magen, was das Thema ablenkte. Peter und Vorden sahen sofort zu Quinn, dessen Gesicht vor Verlegenheit errötete, bevor alle drei Jungs in Gelächter ausbrachen. "Tut mir leid, ich glaube, ich habe nach dem Essen immer noch Hunger", erklärte Quinn und versteckte sich hinter seinen Armen. "Warum holst du dir nicht etwas aus dem Supermarkt, er ist nicht weit weg?", schlug Vorden vor. Quinn schaute auf seine Uhr und Enttäuschung ersetzte die Verlegenheit. Obwohl er gerne einen Snack gekauft hätte, hatte er keine Credits mehr nach ihrer früheren Begegnung. Bevor er etwas sagen konnte, war Vorden zu ihm herübergekommen und hatte seine Uhr gegen Quinns Uhr getippt. "Überweisung von zehn Credits erfolgreich!" Ertönte die Benachrichtigung. "Lehne es nicht ab, Mann. Nimm es einfach als meine Entschuldigung und hol dir was", insistierte Vorden mit einem Lächeln. "Danke." Quinn ließ Peter und Vorden allein und eilte zum Supermarkt. Er war nicht zu weit von der Militärschule entfernt, nur 20 Minuten zu Fuß bei normalem Tempo. Vor der Schule befand sich ein großes Tor, an dem immer zwei Wachen standen. Nur Schüler, Lehrer, und bestimmtes Militärpersonal durften das Schulgelände betreten. Wann immer ein Schüler die Schule verlassen wollte, musste er dem Wachmann seine Armbanduhr zeigen und das gleiche Verfahren wurde befolgt, wenn er hereinkam. Nachdem er das Tor passiert hatte, beschloss Quinn, zu testen, wie viel 10 Ausdauerpunkte wirklich wert sind. Es war bereits dunkel geworden und die Sonne war nirgendwo zu sehen. Er begann relativ schnell zum Supermarkt zu joggen. Nachdem er etwa fünf Minuten gelaufen war, merkte er erfreut, dass er nicht außer Atem war, wie er es normalerweise wäre. Er beschloss, noch schneller zu laufen und erreichte schließlich den Supermarkt in sieben Minuten. 'Beeindruckend,' dachte Quinn. Er war über einen Kilometer in knapp fünf Minuten gelaufen und er war nicht außer Atem. Er merkte, dass sich sein Körper verändert hatte. Er hatte nicht mehr den schwachen Körper, den er früher hatte, sondern den Körper eines Athleten. Etwas anderes, das ihm beim nächtlichen Laufen auffiel, war, dass er alles sehr deutlich sehen konnte. Selbst wenn es keine Straßenlaternen gab, war es, als ob der Mond alles erhellt hätte. Eine Art Nachtsicht, sozusagen. [Dein Hunger steigt leicht] 'Ich weiß, ich weiß,' winkte Quinn genervt ab. 'Ich werde mich gleich darum kümmern.' Als Quinn den Supermarkt betrat, nahm er einige seiner Lieblingssnacks. Ein bisschen Eis und Kartoffelchips für den späten Abend. In diesem Moment entdeckte er plötzlich Rylee und seine Freunde in demselben Laden, nur einige Gänge weiter. Er duckte sich leise und wartete, bis sie mit dem Einkaufen fertig waren, bevor er beschloss, wie er weiter vorgehen wollte. 'Da dachte ich, ich müsste ihn aufspüren, aber es scheint, als ob er direkt zu mir gekommen ist!' Als er wartete, schaute er sich um und bemerkte neben sich eine Menge Masken. Eine davon fiel ihm besonders auf. Es war eine vollständig schwarze Maske, die die obere Hälfte des Gesichts bedeckte und nur den Mund offen ließ. Über die Maske war ein sehr realistisches Blut spritzendes Design. Quinn wartete, bis er hörte, wie Rylee und die anderen den Laden verließen, dann griff er sich die Maske und die Snacks und legte sie auf den Tresen. Ironischerweise hatte Quinn, während er beschäftigt war, Rylee und seine Freunde zu beobachten, die einzige andere Person im Laden, Layla, völlig ignoriert. 'Was zum Teufel? Wir sind Monate entfernt von Halloween, also warum kauft er eine Maske wie die?' Dachte sie bei sich. Sie beschloss, weiterhin Quinn zu folgen und zu sehen, was er vorhatte. "Hey, wir gehen in den Park und werfen ein paar Körbe, willst du mitkommen?" Fragte einer der Jungs Rylee. "Nee, ihr wisst, dass meine Fähigkeit für solche Spiele unbrauchbar ist", antwortete Rylee, "ich glaube, ich gehe einfach zurück und warte am Schultor, mal sehen, ob es noch mehr Trottel gibt, von denen ich ein paar Credits absaugen kann." Die beiden anderen Jungs sahen sich an. Sie fühlten sich schuldig und wussten, dass das, was sie taten, moralisch falsch war. Dennoch redeten sie sich ein, dass sie es nur taten, weil sie selbst nicht von einem höheren Power Level verprügelt werden wollten. Dies mag für die beiden zutreffen, aber Rylee hatte begonnen, Freude daran zu finden, die Schwächeren zu tyrannisieren. Rylee machte sich auf den Rückweg zur Schule und ging auf dem Weg dorthin durch einen kleinen Park. Die Gegend war zu dieser Zeit völlig menschenleer und hatte nur wenig Licht. Es gab auch viele Bäume, hinter denen sich Quinn verstecken konnte. "Jetzt geht's los", ermutigte sich Quinn, als er die Maske aufsetzte.
Quinn, Peter und Vorden wurden von den Schülern des zweiten Jahrgangs zu einem separaten Teil der Schule geführt. Die Schule war in verschiedene Bereiche unterteilt, das Gebäude der Zweitsemester war völlig getrennt von dem der Erstsemester. Deshalb gab es kaum Berührungspunkte zwischen Zweit- und Erstsemestern. "Sollen wir einfach abhauen?" fragte Peter Quinn mit unterdrückter Stimme. "Möglicherweise verschlimmern wir die Situation damit nur. Wenn sie uns etwas antun wollten, hätten sie bis zu einem Zeitpunkt gewartet, an dem wir alleine sind", flüsterte Quinn zurück. "Sie müssen diese Aktion absichtlich in der Öffentlichkeit inszeniert haben, um eine Botschaft zu senden." Nach einer Weile des Gehens kamen sie schließlich an ihr Ziel an, unter einem der Gebäude der Zweitsemester. Es gab ein paar Zweitsemster-Studenten, die vorbeikamen, ansonsten war der Platz relativ ruhig. "Wir haben sie hergebracht, Mono", informierte einer der Zweitsemester einen großen Mann mit zum Pferdeschwanz gebundenen braunen Haaren, der auf der Treppe saß. "Ihr könnt gehen", winkte Mono sie ab, als er von der Treppe aufstand. Die Zweitsemester taten, wie ihnen geheißen und ließen sie schnell allein. "Ich habe Gerüchte gehört, von einem Studenten mit hohen Fähigkeiten, der sich mit einer Gruppe Niedrigststufen rumschlägt." "Na und? Ist das gegen die Regeln?" konterte Vorden mit Selbstvertrauen. Quinn fiel jedoch Monos Armbanduhr mit der Anzeige der Zahl 6 auf. Mono fing an zu lachen. "In der Tat, die Schule hat vielleicht keine explizite Regel, die es dir verbietet, dich mit Niedrigststufen abzugeben... aber es gibt gewisse ungeschriebene Regeln." Mono ging auf Quinn zu. "Siehst du, sobald du anfängst, dieses Gesindel so zu behandeln, als wären sie nützlich für die Gesellschaft, könnten sie übermütig werden." Jetzt, da Mono nahe genug war, versuchte Quinn, seine Inspektionsfähigkeit auf den älteren Schüler anzuwenden, doch aus irgendeinem Grund war der Statusbildschirm verschwommen. Es sah so aus, als würde der Bildschirm schmelzen und alle Informationen unlesbar machen. 'Ist es wegen der Sonne?' fragte sich Quinn. "Sieh dir diesen Abschaum an. Ich stehe nur ein paar Schritte von ihm entfernt und in seinen Augen spiegelt sich keine Furcht", spottete Mono, der vor Quinn stand. "Ich kann den nächsten Krieg kaum erwarten, um diesen Abfall loszuwerden, damit nur die Starken überleben." Quinns Blut kochte, er verabscheute den Krieg, weil er ihm alles genommen hatte, einschließlich seiner Eltern. Es war ihm egal, ob er eine Tracht Prügel kassieren würde oder nicht, am liebsten hätte er Mono sofort ins Gesicht geschlagen. Er konnte seinen Ärger nicht länger zurückhalten und holte zum Schlag aus. Aber Mono schien seine Aktion vorausgesehen zu haben. Bevor Quinn seinen Angriff starten konnte, machte der ältere Schüler einen Schritt zurück, so dass Quinns Faust ins Leere ging. Vorden nutzte die Chance und versuchte, Mono zu packen. Aber wieder war Mono ihm einen Schritt voraus und es gelang Vorden nicht, ihn zu greifen. "Du denkst, ich lasse mich von jemandem anfassen, dessen Fähigkeit ich nicht einmal kenne?" spottete Mono. "Ich bin nicht hierher gekommen, um gegen euch zu kämpfen. Betrachte heute als eine 'freundliche' Warnung. Es gibt Leute in dieser Schule, die selbst das Militär nicht anrühren kann. Wenn ihr weiterhin so handelt, werden sie einschreiten." Mit diesen Worten ging Mono die Treppe hinauf und in das Gebäude der Zweitsemster. "Meinst du, er meint das ernst?" fragte Peter. "Ich weiß, dass sie in der Schule so etwas nicht mochten, aber jetzt, wo wir in einer Militärschule sind, scheint es noch schlimmer zu sein. Warum tun die Lehrer nichts dagegen?" "Weil es zu ihrem Vorteil ist", seufzte Quinn. "Wenn die Starken die Schwachen mobben, werden Letztere versuchen, einen Weg zu finden, selbst stark zu werden. Aber wenn man von Beginn an schwach ist und nicht auf die Hilfe seiner Familie zählen kann, woher sollte man dann diese Stärke bekommen?" "Das Militär", antwortete Vorden statt Peter. "Genau", nickte Quinn. "Die Lehrer und die Schule unternehmen nichts dagegen, weil es ihnen zugutekommt. Nach zwei Jahren Hölle ist dein Geist wahrscheinlich zerbrochen. In diesem Zustand wärst du bereit, alles zu tun, um Macht und Schutz zu suchen ... und das Militär kann dir das bieten." Dann sah Quinn Vorden an und seufzte. "Es tut mir leid, Vorden, aber ich denke, es wäre für uns alle am besten, wenn wir ihrer Aufforderung nachkommen und uns vorerst trennen." "Warum sollte ich auf sie hören?!" schnaubte Vorden zurück. Die heftige Reaktion überraschte Quinn. Schließlich hätte Vorden am meisten davon profitiert. Er war stark, also wäre er nicht belästigt worden. "Hör zu, Vorden, ich nehme an, dass du glaubst, du hilfst mir und Peter, aber vielleicht verstehst du es nicht, weil du nie so hilflos warst wie wir. Wenn wir ihre Regeln brechen, werden sie wahrscheinlich nichts gegen dich unternehmen... es werden ich und Peter sein, die sie ins Visier nehmen." Quinn hasste es, das zu Vorden zu sagen, besonders, weil er der erste Hochstufen-Schüler war, der sie nicht wie Dreck behandelt und sie nur nach ihren Powerlevel-Nummern beurteilt hatte. Früher, als Quinn und Peter mit ihm herumzogen, hatten die Hochstufen sie wegen Vorden in Ruhe gelassen. Leider hatte sein Verhalten die Aufmerksamkeit größerer Fische auf sich gezogen, mit denen Vorden und Quinn momentan nicht zurechtkamen. "Gut, wie ihr wollt!" rief Vorden und stürmte wütend zurück ins Wohnheim. "Vielleicht hätten wir es ihm besser erklären sollen", bemerkte Peter leise. "Es ist in Ordnung. Vielleicht ist es so besser", seufzte Quinn resigniert. **** Vorden war wütend, aber nicht wegen Quinns Worten. Nein, er war wütend über die ganze Situation in der Schule. Es schien, dass selbst hier die Leute ihm vorschrieben, wie er sein Leben zu leben hatte, mit wem er abhängen durfte und mit wem nicht. Trotzdem wollte Vorden nicht, dass Quinn und Peter verletzt wurden, also akzeptierte er diese Wahl widerwillig als die richtige. Trotzdem war Vorden nicht bereit, einfach zuzulassen, dass diese Leute versuchten, sein Leben zu kontrollieren. Nein, er würde sie alle zur Verantwortung ziehen!
Quinn taumelte, wo er stand, unfähig all das zu verarbeiten. Er konnte nicht fassen, was er gerade las. Nachdem er das letzte Nachricht gesehen hatte, drängte sich ihm nur ein Gedanke in den Kopf. "Bin ich ein Vampir geworden?" murmelte er zu sich selbst. Auf dem Boden bewegte sich Kylee. Wie sehr er es auch versuchte zu ignorieren, diese Mitteilung machte alles kristallklar. Die Wahrheit hatte ihm lange genug ins Gesicht gestarrt. Alle Anzeichen waren da gewesen. Das Buch über Vampire, das ihm Exp gewährte, seine Machtverlust, wenn er Sonnenlicht ausgesetzt war, der ständige Hunger, die klare Nachtsicht und die Tatsache, dass das Blut seines ersten Opfers ihn dazu verleitet hatte, es zu sich zu nehmen. Quinn war sich nicht sicher, ob er das tun konnte, was das System von ihm verlangte. Hier war diese moralische Bindung, sein letzter Rest Menschlichkeit, der ihn davon abhielt, vollständig zu einem Biest zu werden. Er stand da und sah auf Rylee hinunter, der bewusstlos am Boden lag. Es war die perfekte Gelegenheit für ihn, zu tun, was das System verlangte. Er schluckte seinen Speichel hinunter, als Speichel seinen Mund füllte. Etwas zog ihn zu Rylee hin. Er konnte das Blut seines Opfers riechen, er konnte das pochende Herz hören. Unbewusst beugte er sich in Richtung Rylee und konnte den Puls in seinem Hals schlagen sehen. Das Blut, das durch seine Adern floss. Der Geruch des Blutes war stark und betörend. [Du hast eine optionale Aufgabe erhalten] [Trinke das Blut deines Opfers, um einen Statuspunkt zu absorbieren] Es waren viele Fragen in Quinns Kopf, Fragen, die er unsicher war und auf die er keine Antworten hatte. 'Wie viel Blut sollte er trinken? Würde Rylee sterben, wenn er dies tue? Würde er sich vielleicht verwandeln und ein anderer Vampir werden? Layla hatte Quinn weiter beobachtet, seit er den Laden verlassen hatte. Als sie gesehen hatte, wie er Rylee gefolgt war und die Maske aufgesetzt hatte, hatte sie verstanden, was er tun wollte. Sie hielt sich in sicherer Entfernung und blieb zwischen den Bäumen, um nicht entdeckt zu werden. Das hatte perfekt geklappt und ihr ermöglicht, die ganze Szene zu beobachten. Obwohl Quinns Überfall fehlgeschlagen war, hatte er es dennoch geschafft, seinen Gegner mit einem Trick auszutricksen. Alles, was danach passierte, war völlig seltsam. Aus dem Nichts hatte Quinn zuerst seine Brust, dann seinen Bauch gegriffen, bevor er auf die Knie sank. Die Mimik in seinem Gesicht zeigte die starke Schmerzen, die er plötzlich spürte. Layla hatte überlegt, ob sie ihm zu Hilfe eilen solle, war aber zu keiner Entscheidung gekommen. Schließlich waren die fünf Minuten vorbei, und Quinn schien sich wieder gefangen zu haben. In der nächsten Sekunde sah sie, wie Quinn Rylees Körper leicht anhob und sich neben den bewusstlosen Jungen kniete. Doch der Blick, mit dem er ihn betrachtete, war sehr seltsam. Es war keine selbstgefällige Siegerprävalenz. "Was zum Teufel ...", wunderte sich Layla, "Er kann doch nicht vorhaben, ihn... zu küssen?! Was stimmt nicht mit diesem Kerl?!" Im nächsten Moment legte Quinn den bewusstlosen Körper wieder hin. Er war nicht in der Lage, eine Entscheidung zu treffen, und sein Kopf schien hin- und hergerissen. "Verdammt, in den Filmen sah es so einfach aus. Nur die Vorstellung, meine Zähne in jemanden hinein zu stecken... Ich kann es einfach nicht tun! Warte, vielleicht muss ich das gar nicht! Vielleicht genügt ein kleiner Schnitt in seinem Arm und ich lecke daran", murmelte er wie ein Verrückter. Sie versuchte zu bestätigen, ob das, was sie sah, wirklich war. Layla fing an, sich langsam durch die Büsche und Bäume zu kriechen, als ihr Fuß plötzlich auf einen kleinen Zweig traf und ein knackendes Geräusch zu hören war. "Was war das?" dachte Quinn, als er sich umdrehte und umsah, aber niemanden sehen konnte. In der Panik, dass jemand vielleicht in seine Richtung kam und ihn finden würde, ließ er die Leiche liegen, wo sie war, und ging zurück zur Schule. Layla bemerkte den kleinen Zweig, auf den sie getreten war und der gebrochen war, nicht. Sie hatte das Geräusch nicht einmal selbst gehört. Sie sah nur, wie Quinn plötzlich ging. Ich frage mich, was das alles sollte? Am Ende hat er nichts getan", dachte Layla neugierig, was ihn am Ende so erheitert hatte. Quinn beeilte sich, zurück zur Schule zu kommen und steckte die Maske in seine Einkaufstasche. Er bemerkte, dass das Eis, das er gekauft hatte, bereits geschmolzen war, aber irgendwie sah es nicht mehr appetitlich aus, als er es ansah. In seinem Magen herrschte ein Hunger, den er nicht mit Essen stillen konnte, und er fragte sich, wie lange er ihn noch aushalten würde. Als Quinn endlich wieder in der Schule war, beschloss er, zuerst auf die Toilette zu gehen. Er sah in den Spiegel, um zu sehen, ob es irgendwelche bemerkenswerten Veränderungen gab, aber sein Äußeres sah immer noch genauso aus wie zuvor. Er hob sogar seine Lippen an, um seine Zähne besser sehen zu können, aber auch diese waren noch genauso wie zuvor. "Zumindest sieht es so aus, als ob es niemand bemerken würde. Aber warum habe ich dann diesen Schmerz in meinem Gebiss gespürt? Quinn beschloss, seinen Statusbildschirm zu öffnen, um zu sehen, ob sich seine Werte nach seiner Verwandlung verändert hatten. [Name: Quinn Talen] [Rasse: Halbling] [HP 15/15] [Exp 50/200] [Stärke 10] [Geschicklichkeit 10] [Ausdauer 10] [Verfügbare Statuspunkte: (1)] Soweit er sehen konnte, hatte sich lediglich seine HP um 50 % erhöht, während der Rest gleich geblieben war. Um ehrlich zu sein, war er ziemlich enttäuscht darüber, denn er hatte von etwas, das sich 'Evolution' nannte, mehr erwartet. Zumindest schien ihm das Leveln einen Statuspunkt gebracht zu haben. Wenn er auf das System drückte, konnte er entweder seine Stärke, seine Geschicklichkeit oder seine Ausdauer um einen Punkt erhöhen. Quinn dachte eine Weile darüber nach und entschied sich, seine Geschicklichkeit um einen Punkt zu erhöhen. [Beweglichkeit 11] Quinn hatte erwogen, seine Stärke zu erhöhen, für den Fall, dass er mehr Leute wie Rylee treffen würde, aber er war zu dem Schluss gekommen, dass er dieses Problem mit einer guten Bestienwaffe lösen konnte. Es wäre also eine Verschwendung von Statistikpunkten. Er wollte jetzt schnell und wendig wie ein Assassine werden! Quinn fragte sich, ob es einen Grund gab, warum das System ihm nur einen Punkt gegeben hatte, aber dann fiel ihm die optionale Quest ein, die es ihm vorgeschlagen hatte. Bisher hätte Quinn zusätzlich zwei Statuspunkte erhalten können, während das Aufleveln nur einen einzigen gewährt. Wenn er schnell stärker werden wollte, wäre das der schnellste Weg. Quinn war sich jedoch nicht sicher, ob er das ernsthaft konnte oder nicht. Erst wollte er mehr über das System recherchieren und sehen, ob er irgendwas darüber herausfinden konnte. Jetzt wusste er, dass sein System dem von einem Vampir ähnlich war. Wenn er mehr über sie lernte, könnte er vielleicht herausfinden, ob es auch einen Weg gab, das Blut zu trinken. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf beschloss Quinn, auf sein Zimmer zu gehen, wo er Vorden und Peter bei ihrem Training hören konnte. Peter gab sein Bestes, um das Fähigkeitenbuch zu lernen, das ihm das Militär gegeben hatte, während Vorden ihm Nachhilfe gab. "Warum hast du so lange gebraucht?" Vorden begrüßte ihn mit einer Frage. "Wir hatten schon Angst, du hättest dich verirrt." "Nein, ich habe nur ein bisschen die Stadt erkundet", log Quinn. "Ich bin ein bisschen müde, deshalb werde ich heute früher schlafen gehen." "Vielleicht sollten wir auch für heute Schluss machen", schlug Peter vor, der sichtlich erschöpft war. Da er ihn nicht drängen wollte, stimmte Vorden zu und so machte die Gruppe das Licht aus und ging schlafen. Obwohl Quinn derjenige gewesen war, der vorgeschlagen hatte, schlafen zu gehen, konnte er nicht schlafen. Sein Magen hatte starke Schmerzen und er hatte zu viel im Kopf. Wenn es stimmte, was die Nachricht geäußert hatte, blieb Quinn nur noch wenig Zeit, um sein Problem zu lösen. Es gab jedoch nichts, was er tun konnte. Die Ausgangssperre in der Schule begann um 22 Uhr, und wenn man danach draußen erwischt wurde, drohten schwere Strafen. Da er keine andere Wahl hatte, schloss er die Augen und hoffte, dass er seine Probleme am nächsten Morgen in den Griff bekommen würde. Schließlich gelang es ihm, in den Schlaf zu fallen. Als er am nächsten Tag aufwachte, waren die Schmerzen schlimmer als zuvor. Sein Kopf pulsierte und als Erstes öffnete Quinn sein System. [10 Stunden sind vergangen] [Dein Hunger wächst] [Du hast 10 HP verloren] [HP 5/15] [Deine HP werden ständig abnehmen]
Layla hatte Quinn und die anderen schon seit einer Weile im Visier. Sie hatte ihre Begegnung mit Mono aus der Ferne beobachtet. Es war beeindruckend, wie viel Aufmerksamkeit Quinn an einem einzigen Tag wecken konnte. Das Einzige, was Layla irritierte, war, warum Quinns Schlag so schwach und langsam gewesen war. Es sah so aus, als hätte Quinn wirklich vor gehabt, diesen Rüpel aus dem zweiten Jahrgang zu schlagen. Wieso fehlte seinem Angriff dann die Kraft, die sie im Trainingszentrum bei ihm gesehen hatte? Nachdem Vorden abgestürmt war, entschieden sich Peter und Quinn, es wäre am besten, zur nächsten Unterrichtsstunde zurück in die Klasse zu gehen. Kurz bevor sie zum Gebäude der Erstklässler zurückkehrten, begegneten sie einer Gruppe von Erstklässlern, die vor der Treppe standen. "Was sollen wir machen? Dan will bis Ende dieser Woche 50 Credits haben", fragte einer der Jungen seine beiden Freunde. Ihre Armbanduhren zeigten Zahlen zwischen 2 und 2,5 an. "Ich weiß es auch nicht. Wir können ihm ja nicht widerstehen. Er hat es nur auf uns abgesehen, weil wir schwächer sind als er", klagte sein Freund. Credits waren das Währungssystem der Schule und der Stadt. Es gab auf der ganzen Stadt verteilt Restaurants, Geschäfte und sogar lustige Aktivitäten und Spiele, die allerdings Credits kosteten. Die Militärschule wollte nicht, dass ihre Schüler Hunger leiden müssen, und deshalb waren alle drei Mahlzeiten während des Schulbesuchs kostenlos. Darüber hinaus erhielt jeder Schüler täglich zehn Credits, die automatisch auf seine Armbanduhr überwiesen wurden. Es bestand auch die Möglichkeit, durch gute Leistungen bei Missionen oder Schulaktivitäten mehr Credits als Belohnungen zu verdienen. Natürlich gab es auch die Möglichkeit, durch dubiose Mittel... "Halt! Bleibt sofort stehen, ihr zwei!", rief plötzlich einer der Jungen dem Duo zu, welches gerade an ihnen vorbeigehen wollte. Peter stoppte sofort, während Quinn weiterging. "Hey, hast du mich nicht gehört? Ich sagte Stopp!", rief derselbe Junge erneut. Sein Freund, der seinen Drift bemerkte, stellte sich vor Quinn und schob ihn zurück zu Peter. Quinn hatte gehofft, sie würden für eine Weile sicher sein, zumindest bis er aus der Sonne raus war. Wenn er nur ins Gebäude käme, hätte er eine Chance. "Ich glaube, ich habe gerade unsere Kreditproblematik gelöst", sagte der erste Junge grinsend. "Wir haben Glück, dass wir auf einige der wenigen Level-1 Schüler in dieser ganzen Schule treffen. Gebt jedem zehn Credits und wir lassen euch rein." "Aber das sind alle Credits, die wir haben", beschwerte sich Peter. "Hör mal, ich will das nicht tun, aber wenn ich es nicht tue, dann bekomme ich Prügel. Wenn du unglücklich bist, beschwere dich bei dem Kerl, der mich dazu gezwungen hat. Gib mir die Credits, sofort!" Peter sah Quinn mit einer gewissen Hoffnung in den Augen an, vielleicht dachte er, sein Freund könnte wie beim letzten Mal etwas tun. Nachdem er versucht hatte, Mono zu schlagen, wusste er leider, dass es besser sei, sie nicht zu bekämpfen. Außerdem waren sie auf Level 2 und selbst in voller Stärke war er sich nicht sicher, ob er sie besiegen könnte. Wenn es also die Möglichkeit gab, diesen Teil durch Bezahlen zu überspringen, dann war das die beste Vorgehensweise. Gleichzeitig erhielt Quinn eine weitere Systemnachricht. [Ein feindlicher Anwender von Fähigkeiten wurde entdeckt] [Du hast eine neue Aufgabe erhalten] [Zweiter Kampf: Besiege den Schüler namens Rylee] [Belohnung: 50 Erfahrungspunkte] [Ein Unterschied in der Machtstufe von 1 wurde festgestellt] [Zusätzliche Erfahrungspunkte werden als Belohnung vergeben] Nachdem er wusste, dass ein Kampf jetzt Erfahrungspunkte und die Möglichkeit zum Stufenaufstieg mit sich brachte, wurde eine Konfrontation mit ihnen wirklich verlockend. Dennoch ließ Quinn sich nicht von seiner Gier dominieren. Aktuell standen drei Fähigkeitsbenutzer des Levels 2 vor ihm, aber das System hatte ihn nur aufgefordert, einen von ihnen zu besiegen. Zunächst musste Quinn nach drinnen gehen, damit er seine Inspektionsfähigkeit einsetzen konnte, um herauszufinden, welcher von ihnen Rylee war. Würde er sie draußen benutzen, wäre das Ergebnis nur verschwommen. Vorerst entschied sich Quinn, die zehn Credits zu übergeben. Er legte seine Uhr auf die der anderen Jungs, und die Credits wurden überwiesen. Letztlich tat Peter das Gleiche, und die beiden durften das Gebäude betreten. "Hey, das war eine tolle Idee, Mann!", lobte einer der Jungs seinen Kumpel. "Sollen wir einfach hier draußen bleiben, bis wir wieder einen Schwächeren finden?" 'Ach, komm schon!' dachte Quinn. Er war davon ausgegangen, dass das Trio nach dem Bezahlen das Gebäude betreten würde, aber jetzt hatten sie vor, draußen zu bleiben und auf weitere Opfer zu warten. Plötzlich blieb er stehen und drehte sich um. "Hey, warum guckst du mich so an? Verschwinde, es sei denn, du willst eine Tracht Prügel!", schrie einer der Jungen Quinn an, als er seinen Blick sah. Quinn ballte seine Faust und schrie: "Rylee!" Leider drehten auch die anderen beiden Jungs ihren Kopf, aber keiner von ihnen sagte etwas anderes. 'Verdammt', fluchte Quinn, als ihm klar wurde, dass es schwerer sein könnte, herauszufinden, welcher von ihnen Rylee war, als er sich vorgestellt hatte. Aber er hatte noch weitere Asse im Ärmel. "Wenn du so etwas noch einmal bei mir abziehst, Rylee, bist du tot!" sagte Quinn und zeigte mit seiner Hand an seiner Kehle eine durchgeschnittene Gestik. Der Junge mit den roten Haaren in der Mitte bewegte sich nach vorne und sein Gesicht fing langsam an, sich seinen Haaren anzupassen. "Was zum Teufel hast du zu mir gesagt, du kleiner Punk? Hast du völlig den Verstand verloren?" Er ging aggressiv auf Quinn zu, bereit, ihn ins Gesicht zu schlagen. "Lauf!" rief Quinn Peter zu. Wie ein Blitz rannten die beiden Freunde so schnell sie konnten zu ihrer nächsten Klasse. "Warum hast du das getan?" fragte Peter im Laufen. "Ich hatte ein schlechtes Gewissen, ihnen die Credits gegeben zu haben, also wollte ich sie wenigstens ein bisschen ärgern, um mich zu revanchieren", log Quinn. Peter konnte nicht umhin zu denken, dass Quinn ein bisschen verrückt sein musste, aber er mochte es, dass sein neuer Freund sich nichts gefallen ließ, selbst wenn die anderen stärker waren als er. Bewunderung, gemischt mit Ungläubigkeit, begann in seinen Augen zu erscheinen, wenn er den anderen ansah. Kurz vor ihrer Klasse, bevor sie hineingingen, öffnete Quinn sein Quest-Menü. Zu seiner Freude stellte er fest, dass die Quest, obwohl er nicht in der Nähe von Rylee war, weiterhin aktiv war. Das bedeutete, dass er die Erfahrungspunkte jederzeit bekommen konnte, solange er den anderen besiegen konnte. Jetzt, wo er wusste, wer Rylee war, musste er nur auf die richtige Gelegenheit warten. "Du wirst mir helfen, aufzusteigen", murmelte er mit einem Grinsen vor sich hin.
Quinn folgte Rylee weiter durch den waldigen Teil des Parks und wartete, bis er einen günstigen Platz gefunden hatte, bevor er ihn überfiel. Draußen war es meist dunkel und das einzige sichtbare Licht in der Umgebung kam entweder vom Mond oder von einer einsamen Straßenlaterne. Quinn vergewisserte sich, dass niemand sonst in der Nähe war und machte sich für den Angriff bereit. 'Selbst wenn er mich jetzt entdeckt, wird er nicht wissen, wer ich bin und er wird nach niemandem suchen, um sich zu rächen', beruhigte er sich selbst, während das Adrenalin durch seine Adern raste. In völliger Unwissenheit seiner Begleitung, prüfte Rylee die Informationen auf seiner Uhr. Das beleuchtete Display zeigte ihm seinen Kontostand von 80 Credits. 'Ich bin ein Genie! Ich frage mich, warum ich das nicht früher gemacht habe', dachte er bei sich. 'Mit diesen Credits kann ich Dan mehr als genug zurückzahlen und trotzdem noch genug für mich behalten. Und solange ich mich mit Dan gut stelle, wird niemand versuchen, mich anzugreifen!' Rylee war noch immer in seiner Tagtraumwelt gefangen, als plötzlich etwas von der Seite auf ihn zukam. Er spürte die Wucht auf seinem Gesicht und taumelte zu Boden, hielt sich das Kinn. Als er den Blick hob, sah er die Silhouette eines Jungen mit einer erschreckenden Maske über ihm. Im Mondlicht sah sie aus wie echtes Blut, was Rylee in Panik versetzte. "Was zum Teufel, wer bist du?" schrie Rylee, seine Stimme zitternd. Quinn wäre dumm gewesen, diese Frage zu beantworten. Er wollte den Kampf schnell beenden. Er rannte auf Rylee zu und trat noch einmal zu. Doch dieses Mal war Rylee vorbereitet und hob seine Hände, um den Tritt zu blockieren. Zum Schlimmeren, als Quinns Bein Rylees Hände traf, fühlte es sich so an, als ob er gegen einen massiven Stein getreten hätte. "Gottverdammte..." fluchte Quinn, während er schnell nach hinten sprang. Er hob seine Hose hoch und sah, dass sein Bein stark verletzt war; es sah so aus, als hätten sich die Knochen sogar ein wenig verbogen. 'Was?' Rylee war verwirrt, als er sah, wie sein Angreifer zurückwich. Dann bemerkte der Junge die leuchtende Armbanduhr seines Angreifers, die in der Dunkelheit hell aufleuchtete und die Zahl Eins anzeigte. Rylee begann zu lachen, überzeugt von seiner Überlegenheit. "Du musst einer der Schüler sein, denen ich vorhin die Punkte abgenommen habe! Lass mich raten, du dachtest, du könntest dich rächen, hm? Schön versucht, aber das war's auch schon!" Quinn aktivierte schnell seine Inspektion-Fähigkeit auf seinen Gegner. [Name: Rylee Blade] [Rasse: Mensch] [Fähigkeit: Verhärtung] [HP: 8/10] [Blutgruppe: B+] [?????] [?????] 'Verdammt!.' Kein Wunder, dass sich mein Bein so anfühlte, als hätte ich einen Stein getroffen!' Obwohl Quinns anfänglicher Überraschung nicht ausgereicht hatte, hatte er immer noch das Gefühl, dass er diesen Kampf gewinnen konnte. Er stürmte erneut auf Rylee zu und schlug diesmal mit der Faust zu. Der Angriff war schneller, als Rylee erwartet hatte. Er hatte keine Zeit, seine Verhärtungsfähigkeit einzusetzen und bekam deshalb den vollen Schlag ins Gesicht. Rylee taumelte zurück und hielt sich einen abgebrochenen Zahn. Der Schlag war hart und er begann, die Vorstellungskraft der Armbanduhr seines Angreifers in Frage zu stellen. Quinn holte mit der anderen Hand zu großem Schlag aus, aber Rylee hatte dies vorausgesehen und es geschafft, sein Gesicht rechtzeitig zu verhärten. Als der Schlag auf das verhärtete Gesicht traf, fühlte Quinn wieder den Schmerz, als würde er auf einen Stein schlagen. [Deine Hand ist gebrochen] [HP: 7/10] Quinn schrie vor Schmerz auf und trat einen Schritt zurück, um etwas Abstand zwischen den beiden zu schaffen. 'Verdammt, was soll ich tun, wenn er seinen Körper weiter verhärtet?' Quinn wurde immer verzweifelter. Doch dann kam ihm ein anderer Gedanke in den Sinn. Wenn Rylee in der Lage war, seinen Körper zu verhärten, warum behielt er nicht die ganze Zeit diese Form? Wenn er das getan hätte, dann wäre Quinns erster Schlag nicht durchgekommen. Entweder verbrauchte er zu viel Energie... oder er war einfach nicht in der Lage dazu. Angesichts seiner Fähigkeit Level 2.5, war Quinn entschlossen zu wetten, dass es wahrscheinlich letzteres war. Höchstwahrscheinlich war Rylee nur in der Lage, einen einzigen Teil seines Körpers auf einmal zu härten. Es war nur eine Theorie, aber Quinn hatte nichts zu verlieren und das gab ihm einen Plan. Er stürmte noch einmal auf Rylee zu und schrie: "Ich werde dir diese hässliche Fresse einschlagen, und wenn es das letzte ist, was ich tue!" Rylee verzog das Gesicht und war bereit zu lachen, als sein Angreifer sich wieder einmal verletzte, aber in der letzten Sekunde änderte Quinn seinen Schlag zu einem Tritt, der auf den ungeschützten Magen des Jungen gerichtet war. 'Es hat geklappt!!!' dachte Quinn, als Rylee in Schmerzen krümmte. Anschließend täuschte Quinn einen Kniestoß gegen Rylees Magen vor, nur um ihm dann einen Schlag gegen den Hinterkopf zu verpassen. Nach dem Angriff lag Rylee wehrlos auf dem Boden. Mit einem letzten schnellen Angriff gegen den Hinterkopf wurde der rothaarige Junge k.o. geschlagen. [Zweiter Kampf wurde abgeschlossen] [50 Erfahrungspunkte (Exp) erhalten] [Zusätzliche Belohnung, 20 Exp erhalten] [100/100 Exp] [Du hast die maximale Menge an Exp erreicht] [Möchtest du einen Level aufsteigen?] "Will ich einen Level aufsteigen? Warum fragst du überhaupt?" Quinn fragte sich, was der mögliche Grund sein könnte, nicht sofort zuzustimmen. [Nach dem Aufstieg sind alle Änderungen unumkehrbar.] Ohne die Warnung zu beachten, rief Quinn aus: "Wen kümmert´s? JA!" [Herzlichen Glückwunsch! Du bist jetzt Stufe 2] [Der Evolutionsprozess hat begonnen] "Evolution? Was zum Teufel!" Seine Euphorie von vorhin war augenblicklich verschwunden und wurde durch einen großen Schmerz in seinem Herzen ersetzt. Das Organ begann schneller zu schlagen, als es jemals zuvor getan hatte. Das Blut rauschte durch seine Adern und seinen ganzen Körper. Der qualvolle Schmerz war außer Kontrolle. Er fiel auf die Knie und versuchte, nicht zu schreien, aus Angst, jemanden zu alarmieren. Der Schmerz breitete sich weiter in seinem Körper aus. Er war so sehr auf dieses Gefühl konzentriert, dass er nicht bemerkte, dass seine gebrochene Hand heilte, ebenso wie sein Bein. Seine ganze Aufmerksamkeit lag auf dem scharfen stechenden Schmerz, der jetzt in seinen Zähnen steckte. Für Quinn hatte die qualvolle Erfahrung ein ganzes Leben gedauert, doch in Wirklichkeit waren es nur fünf Minuten, bevor eine neue Benachrichtigung erschien. [Glückwunsch, Du hast die Evolution erfolgreich abgeschlossen] [Du bist jetzt ein Halbblutmensch.] Quinn starrte auf die Worte, die das System ihm zeigte, und konnte keinen Sinn darin finden. Er hatte noch nie von dem Begriff "Halbblutmensch" gehört, und anscheinend war der Prozess jetzt irreversibel. Bevor er sich weiter damit aufhalten konnte, erschienen noch mehr Meldungen. [Deine Werte haben sich erhöht] [Fähigkeit freigeschaltet: Lv1 Blood Swipe] [Blood Swipe: Die Fähigkeit hat eine Reichweite von 5 Metern. Es feuert eine rote Energielinie aus den Händen des Benutzers. Um die Fähigkeit einzusetzen, muss der Benutzer sein eigenes Blut verwenden, was -1 HP pro Blood Swipe verursacht.] Er hatte keine Zeit, seine neuen Werte zu prüfen, als eine andere Nachricht auftauchte, die noch kühner war als die vorherigen. Sie versetzte Quinn in einen Schockzustand. [Dein Hunger wächst.] [Du kannst deinen Blutdurst nicht mehr unterdrücken] [Deine HP werden jede Stunde um -1 HP sinken, bis du Menschenblut getrunken hast!]
Obwohl Quinn 2/3 seiner Gesundheit verloren hatte, kam es ihm merkwürdigerweise nicht so vor, als wäre er verletzt oder würde sterben. Es war anders, als wenn er in der Sonne stand. Stattdessen fühlten sich alle seine Sinne extrem wachsam an. "Hey Quinn, geht es dir gut, Kumpel?" fragte Vorden, als er Quinns Gesicht sah. "Ich muss nur... ganz kurz irgendwo hin", entschuldigte sich Quinn und lief hastig aus dem Raum, auf den Weg zur Kantine. Alles was bislang passiert war, war das Ergebnis von Quinns Fehleinschätzungen. Obwohl das System ihn vor dem Verlust von 1 Gesundheitspunkt pro Stunde warnte, hatte er nicht erwartet, dass sein Körper so reagieren würde. Er hatte eigentlich vor nur fünf Stunden zu schlafen, so hätte er fast einen halben Tag Zeit gehabt, um einen Weg zu finden, um sein Problem loszuwerden, idealerweise bevor der Unterricht am Morgen beginnen würde. Quinn begann zu berechnen, wie viel Zeit er noch zur Verfügung hatte. Frühstück war Pflicht und ging von 8 bis 9 Uhr, gefolgt vom Unterricht, der bis mittags dauern würde. Die Pausen dienten nur dazu, vom Unterricht zum Mittagessen zu kommen. Mit anderen Worten: In den nächsten vier Stunden musste er sich irgendwo auf dem Schulgelände aufhalten. Natürlich gab es immer die Möglichkeit, den Unterricht zu schwänzen, aber dies war keine reguläre Schule. Würde Quinn sich ungebührlich verhalten, würde ihn die Armee bestrafen und verfolgen. Doch machte das wirklich einen Unterschied, wenn er so oder so sterben würde? Quinn bahnte sich seinen Weg zur Essensausgabe in der Kantine. Er atmete langsam und tief ein, was ihm helfen sollte, seine verstärkten Sinne besser verstehen zu lernen. Im Moment konnte er das Gespräch auf der anderen Seite des Raumes sowie das Klappern von Töpfen und Pfannen in der Küche hören, als wären sie direkt neben ihm. Langsam fand Quinn heraus, wie er all diese Geräusche ignorieren konnte und seinen Kopf frei bekam. In diesem Moment betrat Rylee die Kantine. Überraschenderweise hatte er keine blauen Flecken von dem Kampf am Tag zuvor. Die einzige Möglichkeit war, dass er sich vollständig im medizinischen Zentrum erholt hatte. Dennoch schien er nach dieser Erfahrung schlechte Laune zu haben. Als er Quinn sah, fand Rylee ein perfektes Ventil für seinen aufgestauten Frust. Rylee ging an allen Anfängern vorbei, die in der Schlange standen, bis er schließlich den Platz erreicht hatte, an dem Quinn stand. "Hallo Zwerg, stört es dich, wenn ich mich vordrängle?" provozierte Rylee. Quinn aber war zu sehr damit beschäftigt, die Geräusche aus seinem Kopf auszublenden, um Rylee Aufmerksamkeit zu schenken. "Ich rede mit dir", sagte Rylee, diesmal lauter, und schaute auf Quinns Armbanduhr. Die leuchtende Eins darauf rief schlechte Erinnerungen an die Nacht zuvor hervor. "Wen zum Teufel hältst du dich?" schrie Rylee, als er Quinn am Kragen packte. Rylees Gesicht war in diesem Moment unheimlich nah an seinem. Wie schon gestern konnte er Rylees Herzschlag hören. Er konnte das Blut fühlen, das durch seinen Arm floss und die Muskeln, die sein Hemd hochzogen. Plötzlich übernahm etwas die Kontrolle über Quinns Körper und er schlug Rylees Arm weg und sprang auf ihn, so dass sie beide zu Boden fielen. Quinn lag jetzt auf Rylee und hatte seine Hände gefesselt. "Komm runter von mir, du verrücktes Tier!" schrie Rylee. Doch als Rylee versuchte, sich gegen Quinn zu wehren und seine Hände anzuheben, war das unmöglich. Seine Fähigkeit, seine Haut zu verhärten, war in dieser Situation nutzlos. Dann spürte Quinn, wie in seinem Mund etwas wuchs. Quinn bewegte seinen Kopf nur wenige Zentimeter von Rylees Hals entfernt und bereitete sich darauf vor, zuzubeißen. Doch gerade als er den Mund öffnen wollte, spürte er, dass jemand ihn am Kragen packte und ihn von Rylee wegwarf. "Fass meine Leute nicht an", sagte der Neuankömmling. Dan war ein großer, muskulöser Teenager. Er sah eher aus wie ein kahlköpfiger Erwachsener. "Dan, vielen Dank", bedankte sich Rylee, während er schwitzend vom Boden aufstand. "Du bist jetzt tot, Junge." Als Dan jedoch einen Schritt vorwärts machte, trat Vorden mit Peter vor Quinn. "Willst du wirklich Ärger machen?" fragte Vorden und zeigte das Energielevel auf seiner Armbanduhr. In Wirklichkeit blöffte Vorden nur. Vordens Kraft hing stark davon ab, welche Fähigkeit er kopierte und im Moment hatte er nur Zugang zu Peters Erd-Fähigkeit Level 1. Sollte es hier zu einem Kampf kommen, bestand kein Zweifel daran, wer gewinnen würde. Zum Glück ging Vordens Plan auf. Nachdem er die Zahl 5 gesehen hatte, zog sich Dan zurück und nahm Rylee mit sich. Bevor Rylee ging, imitierte er Quinns Geste, als würde er jemandem den Kopf abschlagen. "Oh Gott, ich kann nicht glauben, dass das funktioniert hat", seufzte Peter, der Vordens Geheimnis kannte. Nach dem Vorfall in der Kantine wurde Quinn eines klar. Die Lehrer würden nicht eingreifen, egal was passierte. In der Kantine standen viele Wächter in jeder Ecke des Raumes, doch keiner von ihnen hatte etwas unternommen, um zu helfen. Nachdem die Gruppe mit dem Essen fertig war, war es Zeit für den Unterricht. Quinn war nicht in der Lage, sich zu konzentrieren, er konnte nur versuchen, sich zu beruhigen, während er mitten im Unterricht saß und zusah, wie seine Gesundheit langsam verschwand. Ihn machte es wahnsinnig, die Zahl jede Stunde sinken zu sehen, und er bereute es, Rylee nicht in den Hals gebissen zu haben, als er die Chance dazu gehabt hätte. Zur Mittagszeit rannte Quinn erneut ohne Vorden und Peter los. [1/15 HP] Was zum Teufel geschieht mit mir? Quinn war besorgt. Seine Hände hörten nicht auf zu zittern. Jedes Mal, wenn Quinns HP sanken, fiel es ihm schwerer, seinen eigenen Körper zu kontrollieren. Er dachte, dass er früher oder später verrückt werden würde. Während des Unterrichts hatte er immer wieder Vorstellungen davon gehabt, dass er den Raum auseinandernahm und das Blut aus dem Hals seiner Mitschüler herausrisse, um sein Verlangen zu stillen. Ohne zu wissen, wohin er ging, landete Quinn schließlich in der Bibliothek. In einer ruhigen Ecke der Bibliothek befand sich die Rubrik Belletristik. "Bitte, lass mich etwas Brauchbares finden", betete Quinn und nahm ein Fantasy-Buch nach dem anderen über Vampire aus dem Regal. In manchen Büchern konnten Vampire von Tierblut leben. Leider hatte Quinns System jedoch klar gemacht, dass er menschliches Blut brauchte. Selbst wenn das nicht der Fall gewesen wäre, wäre es fast unmöglich gewesen, rechtzeitig ein Tier zu finden. In anderen Geschichten wurden Vampire dafür verantwortlich gemacht, Krankenhäuser zu überfallen, um an Blutkonserven zu kommen. Das Krankenhaus in der Stadt war jedoch streng bewacht und er könnte es selbst beim Laufen nicht rechtzeitig erreichen. Zum ersten Mal spürte Quinn, wie er schwächer wurde. Er setzte sich auf den Boden und las ein letztes Buch, konnte aber nichts Brauchbares finden. Als er das Buch schloss, erblickte er Layla, die ihm gegenüberstand. "Geht es dir gut?" fragte Layla besorgt, da Quinn schon sehr blass aussah. Layla beugte sich hinunter, um auf Augenhöhe mit ihm zu sein, und kontrollierte mit ihrer Hand seine Stirn, um seine Temperatur zu prüfen. "Dir ist kalt? Soll ich dich ins Krankenhaus bringen?" bot Layla an. Quinn hörte kein Wort von dem, was sie sagte. Ihr Hals war einfach zu verführerisch. Das Verlangen war nicht zu kontrollieren. Seufzend zog er Layla am Arm, und brachte sie nah zu sich. Ein kaum hörbares "Es tut mir leid" entkam seinen Lippen, als er in ihren Hals biss.
Als Quinn seinen Mund weit öffnete, konnte er spüren, wie sich die Spitzen seiner Zähne verlängerten. Er wusste nicht, was ihn ergriffen hatte, es war, als würde sein Körper die Kontrolle übernehmen und instinktiv handeln. Seine Zähne bohrten sich schnell in Laylas Haut und zugleich füllte sich Quinns Mund mit Blut. Überraschenderweise verspürte Layla dabei keinen Schmerz. Im Gegenteil, sie empfand Vergnügen. Ein Kribbeln durchzog ihren Körper, als sie spürte, wie das Blut durch ihre Adern eilte und aus ihrem Hals schoss. Selbst wenn sie sich hätte wehren wollen, sie konnte es nicht. Der Biss schien eine lähmende Wirkung zu haben. Schließlich ließ Quinns Hunger nach. [Dein Hunger hat nachgelassen] [Du verlierst keine HP mehr] Obwohl die Benachrichtigungen nacheinander erschienen, zögerte Quinn nicht und saugte weiterhin das Blut aus Layla aus. [HP regeneriert sich] [15/15 HP] Erst als die letzte Nachricht erschien, kam Quinns Verstand vollständig zurück. Sofort ließ er von Layla ab und ihr Körper sank zu Boden. "Was zum Teufel?" fragte sich Quinn laut und verwirrt, wo er sich befand. Er schaute sich um und bemerkte das arme Mädchen auf dem Boden. "Mist, habe ich das getan?" Als wäre es eine Antwort auf seine Frage, tauchten in seinem Kopf Bilder auf, die zeigen, was er gerade getan hatte. [A+ Blutgruppe wurde absorbiert] [Du hast 1 Stärke dazugewonnen] Quinn war neugierig auf die Nachricht, aber zunächst musste er Layla schnell aus der Bibliothek bringen. Auch wenn sie sich in einem abgelegenen Teil der Bibliothek befanden, konnte er nicht abschätzen, welche Szene es auslösen würde, wenn jemand das Mädchen auf dem Boden finden würde. Zum Glück konnte Quinn Layla atmen hören, was bedeutete, dass er sich zumindest keine Sorgen machen musste, sie versehentlich ausgesaugt zu haben. Leider gab es jedoch zwei deutliche Bisse auf ihrem Hals, die behandelt werden mussten. Er hob Layla mit beiden Händen hoch und stellte zu seiner Überraschung fest, dass sie leichter war, als er gedacht hatte. Er verschwendete keine Zeit und machte sich auf den Weg zur Krankenstation, während er noch einmal über das Nachdachte, was gerade passiert war. Ein Teil von ihm versuchte, sich einzureden, dass das System ihm vielleicht nur einen Streich gespielt hatte. Obwohl er sehen konnte, dass seine HP sank, hatte er nie das Gefühl gehabt, dass er zu irgendeinem Zeitpunkt sterben würde. Tatsächlich wusste Quinn nicht, ob 0 HP gleichbedeutend mit dem Tod war, aber nach dem, was heute passiert war, wollte er nichts dem Zufall überlassen. Es gab einige Dinge, die Quinn tun musste. Ganz oben auf der Liste stand, dass er herausfinden musste, wie häufig sein Körper Blut benötigte. Leider bedeutete das, dass er seinen Körper wieder hungern lassen musste. Dieses Mal würde er allerdings im Voraus Blut vorbereiten, um besser gerüstet zu sein. Doch bevor er das tun konnte, hatte er ein anderes ernstes Problem zu bewältigen. Würde Layla sich an irgendetwas erinnern, wenn sie aufwachte, oder müsste Quinn sie davon überzeugen, es geheim zu halten? Wenn andere von seiner seltenen Fähigkeit erführen, würde dies zu einem Bieterkrieg zwischen privaten Unternehmen und dem Militär führen. Sie würden alles tun, um ein solches neuartiges Talent in die Hände zu bekommen. Bevor jemand etwas über Quinn herausfinden konnte, musste er stark genug werden, um sich selbst zu schützen. Während Quinn den Flur entlangging, erntete er einige Blicke von anderen Schülern. Es war nicht ungewöhnlich, dass jemand einen Verletzten in der Schule trug, aber es war seltsam, dass ein Junge ein Mädchen trug, es sei denn, sie waren ein Paar. Nachdem er all diese seltsamen Blicke ertragen hatte, erreichte Quinn schließlich die Krankenstation. Drinnen saß eine einzelne Ärztin namens Hayley, die etwa Anfang dreißig zu sein schien. Sie trug eine runde Brille und hatte ihr Haar zu einem Pferdeschwanz hochgesteckt. Quinn hatte nie eine Chance mit Mädchen an seiner alten Schule gehabt, aber als er die Ärztin ansah, konnte er ihre natürliche Schönheit nicht übersehen. "Noch eine?" seufzte Hayley und wies nach hinten. "Dort ist ein Bett frei. Wenn Sie sie dort ablegen könnten, werde ich mich so schnell wie möglich um sie kümmern." Quinn tat, wie ihm geheißen, und legte Layla vorsichtig auf eines der freien Betten im hinteren Bereich. Die Krankenstation war ziemlich groß, größer als jede, die Quinn bisher gesehen hatte. Es gab insgesamt 30 Betten, die soweit er sehen konnte, von Hayley alleine betreut wurden. Momentan waren etwa die Hälfte der Betten mit Schülern belegt und Quinn bemerkte, dass die meisten von ihnen von niedrigerem Rang waren. Es gab auch einige Ausnahmen unter den Hochbegabten. Auch sie hatten ihre eigenen Kämpfe und Differenzen. Hayley kam zu Quinn und Layla hinüber und begann, Layla zu untersuchen. Sie legte ihre Hand an Laylas Handgelenk und führte ein paar weitere Untersuchungen durch. Dann bemerkte sie die beiden kleinen Löcher an ihrem Hals. "Was ist passiert?" fragte Hayley, sichtlich besorgt. "Ich bin mir nicht sicher. Sie lag in der Bibliothek so auf dem Boden", antwortete Quinn. "Der Unterricht ist noch nicht allzu lange her, also kann sie nicht schon lange ohnmächtig sein. Aber die Wunde an ihrem Hals sieht aus, als würde sie fast schon von selbst heilen", stellte Hayley fest und notierte ihre Beobachtungen. "Aber ich kann mir nicht sicher sein, dass sie wirklich heilen wird, und es wäre wirklich schade, wenn ein hübsches Mädchen wie sie eine Narbe behielte." Hayley legte ihre Hand an Laylas Hals, wo die Bissspuren waren. Sie schloss ihre Augen und nach ein paar Sekunden hob sie ihre Hände und die Bissspuren waren verschwunden. "Ist es in Ordnung, wenn ich hier auf sie warte?" fragte Quinn. "Oh, die Jugend von heute", grinste Hayley. "Sie hat das Glück, jemanden wie dich an ihrer Seite zu haben.." "Nein, nein, nein", Quinn winkte mit den Armen, um seinen Standpunkt zu bekräftigen. "Wir sind nur Freunde, das ist alles." Hayley warf ihm einen seltsamen Blick zu, anscheinend zweifelte sie an seiner Darstellung, aber sie hatte andere Schüler zu betreuen. Nachdem Hayley weggegangen war, beschloss Quinn, seinen Statusbildschirm aufzurufen. [Stärke 11] [Geschicklichkeit 11] [Ausdauer 10] "Also hat es mir tatsächlich einen zusätzlichen Statuspunkt gegeben?" Er war sich nicht sicher, wie genau das Saugen des Blutes eines anderen seine Stärke erhöhte, aber er beschloss, es nicht zu sehr zu hinterfragen. Quinn hatte zwei optionale Quests erhalten, das Blut der Personen zu saugen, die er besiegt hatte. Er hatte angenommen, dass der Statuspunkt wie eine zusätzliche Belohnung für einen gewonnenen Kampf war, aber es schien, dass es nicht nötig war, zuerst gegen jemanden zu kämpfen. In diesem Fall war Quinn theoretisch in der Lage, praktisch jedermanns Blut zu trinken, um Statistikpunkte zu erhalten. Was aber würde passieren, wenn er erneut Laylas Blut trinken würde? Würde er einen weiteren Statistikpunkt erhalten? Es gab so viele Fragen, auf die Quinn keine Antworten hatte. Er sah sich Layla an, die friedlich da lag. Im Moment hatte er die volle Kontrolle über seinen Körper, und er verspürte keinen Drang, erneut an Laylas Hals zu saugen. Nachdem er seine Zähne überprüft hatte, war er froh, dass sie wieder normal waren. In diesem Moment beschloss Quinn, sich im Raum umzusehen. Und schließlich fand er, wonach er suchte: eine Spritze mit einer Nadel. Quinn schaute sich im Raum um und Hayley schien beschäftigt zu sein, sich um einen anderen Schüler zu kümmern. Vorsichtig nahm er die Spritze und versteckte sie hinter seinem Rücken. Dann ging er schnell wieder zu Layla hinüber. "Es tut mir wirklich leid, Layla", entschuldigte sich Quinn bei dem Mädchen. "Aber du wirst mein Versuchskaninchen sein müssen." Quinn zog die Spritze hervor und betrachtete vorsichtig Laylas Venen. Zum Glück war Layla ziemlich blass, wodurch ihre Venen besser sichtbar waren. Er suchte vorsichtig nach der richtigen Stelle und gerade als er bereit war, etwas Blut zu entnehmen, hörte er, wie jemand ins Zimmer stürzte. "Ist Quinn hier?" fragte eine panische Stimme. "Wieso ist Peter hier?" Quinn steckte die Spritze sofort in eine seiner Hosentaschen und ging zu seinem Freund, um zu sehen, was er wollte. "Quinn, zum Glück bist du hier. Komm schnell, ich habe überall nach dir gesucht. Es geht um Vorden, er ist in Schwierigkeiten!"
Peter war gerade in der Schule unterwegs und suchte nach Quinn oder Vorden. Aus irgendeinem Grund benahmen sich seine beiden neuen Freunde plötzlich sehr seltsam und Peter wusste nicht, was er tun sollte. An seiner alten Schule hatte er schlimme Zeiten durchlebt und hatte sich den Leuten über ihm immer untergeordnet. Und nun hatte er zum ersten Mal Freunde gefunden, die ihn beschützten. Obwohl Quinn selbst eine niedrige Stufe hatte, stand er immer für Peter und Vorden ein, die nicht nur für ihn einstanden, sondern ihm auch halfen, seine neue Fähigkeit zu erlernen. Etwas war mit Vorden geschehen und plötzlich verhielt er sich merkwürdig. Obwohl Peter keine Ahnung hatte, was mit Quinn los war, hatte er eine Vermutung darüber, was Vorden verändert hatte. Es war nach dem, was in der Aula mit den Schülern des zweiten Jahrgangs passiert war. Egal, mit wem er darüber sprach, niemand gab ihm eine Antwort. Einige drohten ihm sogar. In diesem Moment hörte Peter eine vertraute Stimme. Während er den Flur entlang ging, hörte er jemanden sprechen - eine Stimme, die er erkannte. Als er um die Ecke bog, sah er, dass es tatsächlich Vorden war, der regungslos auf dem Boden starrte. Blitzschnell versteckte sich Peter wieder. Bisher hatte Peter, wann immer er Vorden sah, ihn ignoriert und war ohne ein Wort zu sagen weitergegangen. Aber jetzt hörte es sich so an, als würde Vorden mit jemandem sprechen. "Könnt ihr euch bitte beruhigen," sagte Vorden. Dann gab es eine kurze Pause, bevor Vorden wieder sprach. "Es ist mir egal, ob er die Gefühle des Kleinen verletzt hat. Es ist nicht so, als ob Quinn nicht mit anderen Leuten reden dürfte." Wieder erfolgte eine kurze Pause. "Hör zu, wenn du dich einmischst und jemanden verletzt, dann werde ich dir das nicht verzeihen. Ich werde nicht zulassen, dass sich so etwas wie letztes Mal wiederholt." Während Peter das Gespräch belauschte, konnte er nur Vordens Stimme hören, aber es war klar, dass dieser mit jemandem sprach. Peter konnte es nicht mehr aushalten und riskierte einen Blick. Doch das Einzige, was er sehen konnte, war immer noch Vorden. "Ist die andere Person schon weg?" dachte Peter. In diesem Moment sah er, wie Vorden begann sich zu entfernen. Die Glocke hatte geläutet, die Mittagspause war vorbei und es war Zeit für den Nachmittagsunterricht. Da öffneten sich die Türen der Bibliothek und Quinn und Layla kamen heraus und gingen zusammen. "Quinn!" rief Peter und winkte ihn herüber. "Ich treffe dich heute Abend am Eingangstor, wenn der Unterricht vorbei ist," sagte Quinn zu Layla, bevor er zu Peter ging. Die beiden machten sich gemeinsam auf den Weg zum Unterricht. "Hey, geht es dir gut?" fragte Peter. "Ich habe mir Sorgen gemacht, als du so plötzlich aus dem Zimmer gelaufen bist." "Tut mir leid, Mann, ich konnte es nicht länger aushalten. Sonst wäre meine Unterwäsche braun geworden." "Wow, das ist zu viel Information," sagte Peter. "Aber ich bin froh, dass es dir gut geht. Ich mache mir wirklich Sorgen um Vorden. Seit er aus der Aula zurückgekommen ist, verhält er sich seltsam." Quinn legte seine Hand auf Peters Schulter und sah, dass dieser sichtlich beunruhigt war. Die ganze Zeit hatte Quinn wichtigere Dinge im Kopf, aber jetzt, wo er das dringendste Problem gelöst hatte, hatte er Zeit, sich auf andere Dinge zu konzentrieren. "Keine Sorge, wir werden gemeinsam herausfinden, was los ist." Als sie den nächsten Unterrichtsraum betraten, sahen sie, dass Vorden bereits an seinem Platz saß und sogar schon vor ihnen dort war. "Oh, hey Jungs, wie geht es euch?" sagte Vorden mit einem Lächeln. Peter setzte sich rechts von Vorden hin und Quinn setzte sich auf den Platz links von ihm. "Bist du wieder besser drauf?" fragte Peter. "Vorhin sahst du etwas niedergeschlagen aus." "Ja, mach dir keine Sorgen. Ich wurde nur ein bisschen von den Zweitklässlern herumgeschubst und das hat mich etwas runtergezogen", antwortete Vorden. "Was ist in der Aula passiert?" fragte Quinn. Da veränderte sich Vordens Miene leicht. Es war, als ob er versuchte, etwas zurückzuhalten. Vorden ballte die Fäuste für ein paar Sekunden und entspannte dann seine Hand. "Macht euch keine Sorgen, ihr wisst, dass ich stark genug bin, um auf mich aufzupassen." Obwohl Peter nun mit Vorden recht zufrieden war, da er wieder er selbst zu sein schien, bemerkte Quinn, dass Vorden etwas zurückzuhalten schien, und zwar als er diese Frage stellte. Als die anderen Schüler das Klassenzimmer betraten und Vorden sahen, begannen sie sofort zu tuscheln. Wenn Vorden sie ansah, drehten sie den Kopf so schnell wie möglich weg. Als die Schüler sich setzten, gingen die Gespräche weiter und man konnte verschiedenste Wörter hören - Monster, Freak, seltsamer Kerl, verrückt - und all diese Wörter waren auf Vorden gemünzt. Es war, als ob die ganze Schule ein Geheimnis teilte, von dem Peter und Quinn nichts wissen durften, und nicht einmal Vorden selbst wollte sagen, was passiert war. Nachdem er diese Wörter gehört hatte, bemerkte Quinn, dass Vorden regungslos dastand, den Kopf gesenkt. Er hatte sich während des Unterrichts nicht einmal Notizen gemacht. Obwohl es so aussah, als würde niemand ihm oder Peter sagen, was passiert war, hatte Quinn nun noch eine Verbündete, die ihm möglicherweise helfen konnte, und das war Layla. Am Ende des Unterrichts projizierte der Lehrer Dell eine Leinwand vor die ganze Klasse. Darauf war eine Liste mit Namen zu sehen, die jeweils einer anderen Kategorie zugeordnet waren. "Seht euch diese Liste genau an und schaut, wo euer Name steht. Denn morgen fängt euer Kampftraining an", erklärte Dell. Die Liste war in verschiedene Kategorien aufgeteilt, je nach Art der Fähigkeit eines jeden Schülers. Elementare Fähigkeiten, Verwandlungs-, Verbesserungsfähigkeiten und so weiter. In diesem Moment bemerkte Quinn, dass sein und einige andere Namen, darunter auch Vordens, nicht auf der Liste standen. "Wenn euer Name nicht auf der Liste steht, dann liegt das daran, dass eure Fähigkeit entweder keiner der Kategorien zugeordnet werden kann oder ihr ein Unikat mit einer einzigartigen Fähigkeit seid. Ihr seid frei zu wählen, welche Klasse ihr für die passende haltet. Die Schüler können auch zwischen den Kampfklassen wechseln, wenn sie möchten. Das sind keine festgelegten Regeln, sondern Empfehlungen der Schule auf Grundlage eurer Fähigkeiten." Die Liste der verfügbaren Klassen wurde dann an die Armbanduhren der Schüler geschickt. Dort konnten sie sich für die Klasse anmelden, die sie interessierte. "Ich frage mich, was für ein Kampftraining für mich am besten geeignet wäre", überlegte Quinn, während er sich die lange Liste ansah.
Nachdem der Unterricht für den Tag beendet war, hatte Vorden angeboten, Peter wieder bei seinem Training zu helfen. Besonders weil sie beide am nächsten Tag in denselben Kampfklassen, den Elementarklassen, sein würden. "Hey, willst du mit uns kommen?" fragte Peter. "Nö, ich will euch nicht stören, ich wäre sowieso keine große Hilfe", antwortete Quinn. Peter freute sich, dass die Gruppe anscheinend wieder zur Normalität zurückgekehrt war. Es gab keine Spannungen mehr zwischen ihnen dreien und er hoffte, das würde für immer so bleiben. Gerade als Quinn das Zimmer verlassen hatte und nur Vorden und Peter zurückblieben, stellte Vorden Peter eine Frage. "Hey, hast du in letzter Zeit bemerkt, dass Quinn sich mit einem Mädchen trifft?" fragte Vorden. "Stimmt, ich habe ihn mit einem Mädchen aus der Bibliothek kommen sehen. Es war dasselbe Mädchen, das am Tag des Tests mit uns war, sie hatte einen Bogen und Pfeile." Nachdem Peter geantwortet hatte, glaubte er kurz zu erkennen, wie sich der Ausdruck in Vordens Gesicht veränderte. Aber dann blinzelte er und schaute noch einmal, und Vorden schien in Ordnung zu sein. "Vielleicht hat er sich eine Freundin angelacht." Sagte Vorden und lachte. **** Natürlich hatte Quinn entschieden, die anderen beiden stehen zu lassen, weil er vorher schon Pläne gemacht hatte, sich mit Layla zu treffen. Sie hatten ausgemacht, sich am Schultor zu treffen. Doch bevor die Beiden sich trafen, entschied Quinn, im Wissenschaftslabor vorbeizuschauen. Die meisten Lektionen in einer Militärschule haben Kampf oder Technologie als Schwerpunkt, doch Wissenschaft ist immer noch ein Kernfach. Denn wegen Wissenschaftlern hat die Menschheit erst herausgefunden, wie sie all die verschiedenen Technologien, die es heute in der Welt gibt, nutzen konnte. So wurden die Schüler ermutigt, während ihrer Dienstzeit weiter Naturwissenschaften zu lernen, in der Hoffnung, dass sie das auch in der Zukunft tun würden. Die Klassenzimmer waren für heute leer und wichtige Geräte waren in einem Lagerraum eingeschlossen. Aber Quinn suchte nicht nach etwas Exotischem, er brauchte nur ein paar Reagenzgläser und kleine Korken. Nachdem er das Zimmer eine Zeit lang durchsucht hatte, fand er den Ort, an dem sie die Reagenzgläser aufbewahrten. Er nahm insgesamt fünf Reagenzgläser. Obwohl es viele waren, es wäre auffällig gewesen, wenn er zu viele genommen hätte, und Quinn konnte nicht mehr als fünf mitnehmen, ohne befürchten zu müssen, dass sie kaputtgehen könnten. Quinn steckte die fünf Reagenzgläser in eine Umhängetasche, die er bei sich hatte, und wickelte sie in ein Ersatzhemd, das er aus seinem Zimmer mitgebracht hatte. Quinn hatte momentan insgesamt 60/200 Erfahrungspunkte bis zum nächsten Levelaufstieg. 50 Erfahrungspunkte waren von der letzten Quest übertragen worden und er hatte zehn EP von seinen zwei täglichen Quests erhalten. Bisher hatte er bei jedem Stufenaufstieg einen zusätzlichen Wertepunkt und fünf HP-Punkte erworben. Obwohl Quinn dadurch stärker geworden war. Es war nicht der schnellste Weg, um seine Stärke zu erhöhen. Quinn erkannte, dass das System ihm die Möglichkeit bot, zweimal zusätzliche Punkte der Eigenschaften zu erhalten, solange er das Blut seines Opfers trank, aber als er Laylas Blut trank, erhielt er immer noch einen Punkt in den Eigenschaften. Das war es, was Quinn heute ausprobieren wollte. Es war 18 Uhr abends und die Sonne ging gerade unter, daher war Quinn im Moment nicht von der Sonne betroffen. Wie geplant stand Layla mit ihrem Bogen auf dem Rücken am Tor und wartete auf ihn. Schüler, die Waffen benutzten, trugen sie die meiste Zeit bei sich. Es bestand immer die Möglichkeit eines Angriffs oder dass ein Tier aus einem Portal entkommen konnte. Nachdem sie sich getroffen hatten, beschlossen sie, in den nahe gelegenen Park zu gehen, der zwischen dem Supermarkt und der Schule lag. Dann verließen sie den Weg und gingen in den Wald, wo sie versteckt waren. Niemand wagte sich in diesen Teil und es war schwer für sie, gesehen zu werden. "Also, machen wir das jetzt?" fragte Layla aufgeregt. Quinn fand es immer noch seltsam, dass Layla sich eher auf die Situation freute, anstatt Angst davor zu haben. "Also gut, schließe deine Augen." Sagte Quinn. Layla schloss ihre Augen und war bereit. Sie konnte sich noch an das befriedigende Gefühl vom letzten Mal erinnern und konnte es kaum erwarten, es wieder zu spüren. Obwohl sie etwas nervös wurde, als ihr einfiel, dass Quinns Lippen auf ihrem Hals liegen würden. Plötzlich jedoch spürte Layla einen kleinen Stich in ihrem Arm. Layla öffnete die Augen und bemerkte, dass eine Nadel dort war. "Was? Du dachtest, ich würde dich einfach beißen, oder?" Laylas Wangen wurden plötzlich knallrot. Wenn nicht die Nadel in ihrer Hand wäre, hätte sie versucht, Quinn wegzutreten. Nachdem die Spritze aufgefüllt war, spritzte Quinn sie in eines der mitgebrachten Reagenzgläser. "Ist es okay, wenn ich noch ein weiteres auffülle?" fragte Quinn. Layla sagte nichts und streckte ihren Arm aus, sie war immer noch etwas verlegen über das, was vorhin passiert war. Nachdem Quinn zwei Reagenzgläser gefüllt hatte, steckte er eines der blutgefüllten Röhrchen in seine Tasche, während er das andere in der Hand hielt. "Untersuchen." < Blut von Layla Munrow> < Blutgruppe A + > Quinn sah Layla an und setzte erneut seine Inspektionsfähigkeit ein. <Name: Layla Munrow > <Rasse: Mensch > <Fähigkeit: Telekinese > < HP 12/12> < Blutgruppe A + > Es war, wie Quinn gedacht hatte. Als er die Fähigkeit "Inspektion" auf das Blut anwandte, zeigte es ihm nur die Blutgruppe und von wem sie war, so wie damals bei der Versammlung. Wenn die Person jedoch vor ihm stand, wäre ihre Fähigkeit, HP und Blutgruppe sichtbar. Einige der Blutspuren in der Halle stellten nur Fragezeichen dar. Annahme, dass Quinn der Person entweder schon einmal begegnet sein musste oder die Fähigkeit "Inspektion" schon einmal bei ihr angewendet hatte. Quinn betrachtete das Reagenzglas und schluckte. Dann zog er den Korken oben heraus und schnupperte an dem Blut. "Du wirst es doch nicht etwa gleich hier trinken, oder?" fragte Layla. "Warum nicht, ich muss wissen, ob es irgendwelche Veränderungen verursacht." "Ich weiß nicht, es fühlt sich irgendwie peinlich an, ich kann es nicht erklären." Quinn ignorierte Layla und betrachtete das Blut wieder. Es roch ziemlich süß, was ganz anders war, als er es in Erinnerung hatte. Plötzlich hob Quinn das Röhrchen und trank in einem Zug das Blut, als ob er einen alkoholischen Schnaps nähme. Als das Blut seine Kehle hinunterlief, spürte er ein warmes Kribbeln in seinem Körper. Das Blut schmeckte auch überraschend süß anstelle von metallisch. Es schien so, als ob der Rassenwechsel auch seine Geschmacksknospen und seinen Geruchssinn verändert hätte. < Deine HP ist bereits voll > < Das Blut wird keine Wirkung haben > < Das Blut dieser Person wurde bereits konsumiert > < Es werden keine Statuspunkte vergeben > Quinn war überrascht über die Information, die er erhalten hatte. Das Blut letztes Mal schien eine heilende Wirkung auf seinen Körper zu haben. Nach der Nachricht zu urteilen, würde das Blut von Layla ihm erlauben, HP wiederherzustellen, wenn er verletzt wäre. Aber die zweite Nachricht interessierte ihn mehr. Das System erklärte, dass er das Blut bereits einmal konsumiert hatte und daher keine Statuspunkte gegeben würden. Das bedeutete, dass er solange es sich um das Blut von jemandem handelte, den er noch nicht getrunken hatte, einen zusätzlichen Statuspunkt bekommen würde. Quinn lächelte bei dem Gedanken. Natürlich war das nur eine Theorie von ihm, aber er wollte sie sofort ausprobieren. "Ich nehme an, was auch immer du testen wolltest, hat funktioniert, wenn man dein gruseliges Lächeln betrachtet", sagte Layla. "Wenn ich doch nur das Blut von jemand anderem hätte, an dem ich das testen könnte." In diesem Moment war das Geräusch von zwei Personen zu hören, die vom Spielplatz in den Wald kamen. Quinn und Layla gingen sofort in Deckung und versteckten sich hinter einem Baum. In diesem Moment sahen sie, wie zwei Schüler in den Wald kamen. "Gebt jetzt eure Kredite ab, sonst buddel ich euch gleich hier euer Grab und niemand wird eure Leiche je finden", sagte eine Stimme des Jungen. Quinn erkannte die Stimme sofort. Es war Rylee. Es sah so aus, als ob er seine Lektion immer noch nicht gelernt hatte und noch immer seine alte Tricks benutzte. Quinn ging in seine Tasche und holte die Maske heraus, die er im Supermarkt gekauft hatte. Das letzte Mal ließ er Rylee gehen, ohne etwas von seinem Blut zu nehmen, und jetzt fühlte er, dass das eine Verschwendung war. Aber dieses Mal würde Quinn Rylee nicht gehen lassen.
Obwohl Quinn keine Ahnung hatte, was eigentlich passierte, konnte er an Peters Antlitz erkennen, dass die Situation ernst war. Hinter sich schaute Quinn und sah Layla, die noch immer schlief. Für Quinn war es entscheidend, bei Laylas Aufwachen zugegen zu sein. Es war seine Aufgabe, sie davon zu überzeugen, ihr Geheimnis für sich zu behalten, doch zu diesem Zeitpunkt schien es, als wäre Vorden in Schwierigkeiten. Quinn dachte an den Vorfall in der Kantine zurück. Als er in Bedrängnis war, hatte Vorden ihm geholfen. Ob voraussichtlich viel gab, was Quinn tun konnte, um zu helfen, wusste er nicht, aber er konnte dies auch nie erfahren, wenn er es nicht versuchte. Was für ein Mensch würde er sein, wenn er Vorden jetzt nicht helfen könnte? "Gut, los geht's", sagte Quinn. "Wir sollten uns beeilen." Sie durchquerten die Korridore so schnell sie konnten, bis sie schließlich die Versammlungshalle erreichten. Es handelte sich um einen großen, leeren Raum mit Marmorboden und einer Bühne vorne. Bisher wurde der Raum noch nicht genutzt, aber normalerweise fanden hier Versammlungen der Schüler statt. Als sie die Halle betraten, waren bereits mehrere Schüler anwesend, die von einem Vorfall munkelten. "Hast du denn gesehen, was passiert ist?" "Ja, dieser Kerl ist ein Monster, wie konnte er das nur tun?" "Zum Glück waren da die Schüler aus dem zweiten Jahr, die ihn gestoppt haben." Die Versammlungshalle war ein einziges Chaos. Krater und Trümmer lagen auf Teilen der Wände und Böden. Es waren Brandspuren und andere Dinge zu sehen und sogar Blut, etwas das Quinn bereits bemerkte, als er den Raum betrat. "Was ist hier geschehen?" fragte Quinn, "Wo ist Vorden?" Offensichtlich hatte ein Kampf stattgefunden und Quinn war besorgt, dass etwas Ernsthaftes passiert war. "Ich weiß es nicht", antwortete Peter. "Vorden und ich haben nur mit meiner Erdkraft herumgespielt, als plötzlich eine Gruppe von mir unbekannten Schülern aus dem zweiten Schuljahr auftauchte und nach Vorden fragte. Vorden sagte mir, ich sollte mir keine Sorgen machen, aber natürlich machte ich mir Sorgen und folgte ihnen heimlich. Sie führten ihn in die Versammlungshalle, aber zwei der Schüler standen Wache und ließen mich nicht hinein. Ich war ratlos und kam deshalb zu dir." Quinn und Peter versuchten, die Schüler zu befragen, aber sie weigerten sich, Auskunft zu geben oder ignorierten sie völlig, als ob sie angehalten worden wären, niemandem zu erzählen, was passiert war. Während Peter fortfuhr, die im Saal anwesenden Schüler zu fragen, wusste Quinn bereits, dass sie ihm keine weiteren Antworten geben würden und begann, selbst ein wenig in der Halle herumzusuchen. Der Geruch von Eisen im Raum war für Quinn dominanter als alles andere, und er folgte dem Geruch zu einer Stelle, wo am Boden getrocknetes Blut zu sehen war. "Untersuche!" Name: Vorden Blade Rasse: Mensch Blutgruppe: O- Quinn prüfte weitere Bereiche des Kampfszenarios und fand weitere Blutspuren, doch wenn er seine Fähigkeit "Untersuchen" anwendete, wurden ihm keinerlei Informationen angezeigt. Es erschien nur <????>. "Muss ich die Fähigkeit 'Untersuchen' persönlich anwenden?" dachte Quinn. Schade, dass das Blut auf dem Boden bereits getrocknet war, sonst hätte Quinn die Spritze, die er trug, benutzt. Inzwischen hatte Peter alle befragt und kam zurück zu Quinn. "Es scheint, als ob niemand reden möchte", sagte Peter. "Okay, lass uns einfach zurück in unser Wohnheim gehen, vielleicht ist er ja schon zurückgekommen." Sie machten sich also gemeinsam auf den Rückweg zum Schlafsaal und als sie eintraten, fanden sie tatsächlich Vorden dort vor. Doch irgendetwas passte nicht, Vorden wirkte anders als sonst. Bereits auf den ersten Blick konnten Quinn und Peter feststellen, dass Vorden in einer harten Auseinandersetzung gewesen sein musste. Überall blaue Flecken und Schürfwunden, tiefe Schnitte auf seinem Rücken. Es sah aus, als hätte er einen harten Kampf ausfechten müssen. Und noch etwas fiel auf - Vorden ignorierte sie komplett, als sie eintraten. Der Vorden, den sie kannten, war verschwunden. An seiner Stelle lag ein anderer Vorden reglos auf seinem Bett. "Vorden, was ist passiert? Ist alles in Ordnung?" fragte Peter. "Ja, lass mich einfach in Ruhe, es geht schon", erwiderte Vorden. "Wenn du in meiner Nähe bist, bringst du dich nur in Gefahr." "Was redest du da, Vorden!" rief Peter. "Sieh doch mal, wie es dir geht! Du musst unbedingt zum Arzt, los, wir bringen dich hin." "Lass mich bitte einfach in Ruhe", wiederholte Vorden leise. "Quinn, du musst auch was sagen, er muss zum Arzt, das siehst du doch..." Doch als Peter sich umdrehte, um Quinns Unterstützung zu suchen, war dieser nirgends aufzufinden. "Selbst er hält mich jetzt für ein Monster", murmelte Vorden vor sich hin. Gerade vor dem Schlafsaal stand Quinn und lehnte, schwer atmend und schwitzend, an der Tür. Obwohl er normalerweise keine Regung zeigte, wenn er Menschen ansah, war es anders, als er dann Vorden sah. Vorden hatte immer noch frische Schnittwunden überall auf dem Körper, und der Geruch, der von ihm ausging, war intensiv. Plötzlich spürte Quinn, wie ein Heißhunger auf ein bisschen Blut in ihm aufstieg. Er konnte dies kontrollieren, es war nicht so wie das letzte Mal, als sein Körper die Kontrolle übernahm, aber es weckte in ihm die Erinnerung an vorausgegangene schlimme Ereignisse, und er hatte ein wenig Angst vor dem, was hätte passieren können. "Ich muss wirklich herausfinden, was es mit dieser seltsamen Fähigkeit auf sich hat, die ich von dem System bekommen habe?" Dann erinnerte er sich an ein noch offenes Problem, das er noch nicht angesprochen hatte. Obwohl Vorden sich gerade sonderbar verhielt, wusste Quinn, dass er sicher war. Was immer Vorden gerade auch durchmachen mag, musste warten. Jede vergeudete Sekunde bedeutete, dass es eine Chance gab, dass Layla erwachte und wer weiß was dann passieren würde. **** Genau in diesem Augenblick, zeitgleich im Ärztezimmer, im hinteren Eck, begann Layla langsam ihre Augen zu öffnen. "Hm, was ist geschehen?" fragte Layla. "Wo bin ich?" Während sie den Raum musterte, begann sie, sich den Nacken zu reiben, und gleichzeitig schossen Bilder des Geschehens in der Bibliothek durch ihren Kopf. Sie erinnerte sich an alles.
Layla war ihr ganzes Leben lang mit Fantasy-Geschichten und Comics über alles Mögliche aufgewachsen. Vor dem Krieg arbeitete ihr Vater als Schriftsteller, daher war ihr Zuhause voller Bücher und Geschichten, und ihre Lieblingsgeschichten handelten immer von Vampiren. Sie liebte alles an ihnen: das Geheimhalten ihrer Identität vor der Welt, ihre übermenschliche Stärke und Geschwindigkeit und die Tatsache, dass sie fast ewig leben könnten. Als Fähigkeiten in der Welt bekannt wurden, wurden Fantasy-Geschichten der Vergangenheit angehören. Viele Menschen lasen Geschichten, weil sie Fantasie waren. Sie konnten sich vorstellen, etwas zu tun, was sie nie tun könnten, aber wozu, wenn die Menschen tatsächlich besondere Kräfte hatten? Die Liebe zu Vampiren hörte jedoch für Layla nie auf; sie nahm nur zu. Wenn Fähigkeiten existierten, dann bedeutete das, dass es vielleicht irgendwo auch Vampire gab. Als sie Quinns Handlungen sah, war sie bereits davon überzeugt, dass er ein Vampir war. Quinn hatte recht, wenn er dachte, dass eine normale Person nicht zu demselben Schluss kommen würde, aber das lag daran, dass Layla keine normale Person war. Layla stand plötzlich von ihrem Sitz auf und begann, sich vor Quinn auf den Knien zu verneigen. Die in dem Zimmer anwesenden Schüler konnten ihr Gespräch zwar nicht hören, aber ihre Handlungen konnten sie nicht ignorieren. "Bitte, ich werde alles für dich tun", bettelte Layla. "In Ordnung, ich verstehe, bitte steh auf", bat Quinn. Die beiden setzten sich wieder und Quinn ließ einen tiefen Seufzer aus, während er darüber nachdachte, wie er ihr das erklären sollte. "Es ist nicht so, wie du denkst", sagte Quinn, "ich bin kein Vampir, ich wurde so durch ein Fähigkeitsbuch." Plötzlich verschwand das Lächeln von Laylas Gesicht. "Du weißt, was das bedeutet, oder?" fragte Quinn. Layla nickte. Quinn sagte ihr im Grunde, dass es unmöglich war, dass er ihr diese Fähigkeit vermitteln konnte. Der Grund war, dass ein menschlicher Körper nur eine Fähigkeit aktivieren konnte. Das Erlernen einer Fähigkeit führte zu einer Mutation der Gene im Körper, aber sobald die Gene mutiert waren, konnten sie sich nicht mehr verändern oder eine zweite Mutation hinzufügen. Da Layla bereits die Fähigkeit zur Telekinese besaß, bedeutete das, dass sie keine zweite Fähigkeit erlernen konnte. "Dann warum hast du das vor der Akademie verheimlicht? Warum hast du ihnen gesagt, du hättest keine Fähigkeit. Wenn du diese aus einem Fähigkeitenbuch hast, kannst du kein Original sein?" "Hast du jemals von einer solchen Fähigkeit gehört?" fragte Quinn. Layla dachte eine Weile nach und stellte fest, dass es nichts Vergleichbares gab. Es gab nie eine Aufzeichnung über eine Fähigkeit, die verlangte, dass man Blut trinken muss. "Aber wenn du der Schule sagen würdest, dass du es aus einem Fähigkeitenbuch hast, das noch nicht einmal registriert ist, und dass du kein Original bist, könntest du mit dem Verkauf des Buches ein Vermögen machen!" rief Layla begeistert aus. "Ich wünschte, es wäre so, aber das kann ich auch nicht", erklärte Quinn. "Als ich die Fähigkeit erlernte, ist das Buch einfach verschwunden." Layla überlegte, ob Quinn die Wahrheit sagte oder nicht, aber sie hatte keine andere Wahl, als ihm zu glauben. Das war die einzige Erklärung dafür, warum Quinn so darauf bestand, seine Fähigkeit zu verbergen. Fähigkeitenbücher verschwanden nicht einfach, sie waren Bücher. Sie konnten weitergegeben werden, damit andere sie lernen konnten. Wenn die Leute das herausfänden, würden mehrere Unternehmen und das Militär enormen Druck auf Quinn ausüben, um die Fähigkeit mit der Welt zu teilen. Da er keine mächtige Familie hinter sich stehen hatte, konnte Layla sich nicht vorstellen, was sie mit ihm anstellen würden. Sie würden ihm niemals glauben, wenn er sagen würde, dass er die Fähigkeit aus einem Buch erhalten hat und es verschwunden ist. Daraufhin erzählte Quinn Layla alles, was bisher passiert war. Er ließ jedoch die Details über das spielähnliche System aus. Er sagte nur, dass er wie gewohnt weitergemacht hat, als er plötzlich diesen unaufhaltsamen Hunger verspürte. Layla hatte das Gefühl, dass es eine Mischung aus Dingen war, die sie bereits über Vampire gelesen hatte. Quinn starb nicht in der Sonne, fühlte sich aber unglaublich schwach. Sie war genauso neugierig, mehr über diese vampirähnlichen Fähigkeiten zu erfahren. "Also gut, ich werde es geheim halten, aber nur unter einer Bedingung. Ich möchte, dass du meine Hilfe annimmst." sagte Layla. "Offensichtlich weißt du nicht viel über diese Sache, so viel sogar, dass du die Kontrolle verloren und mir in den Hals gebissen hast. Wir können nicht zulassen, dass du in der Schule herumläufst und Leute beißt. Sie würden dich sofort fortschaffen. Wenn du dich an jemandem laben musst, dann tu es bei mir." sagte Layla und legte ihre Hand auf sich. Quinn dachte über die Situation nach. Layla als Helferin zu haben, wäre ein großer Vorteil. Quinn wollte selbst mehrere Dinge über das System testen und jetzt bot ihm jemand an, kostenlos zu helfen. Es wirkte wirklich so, als ob Layla die Wahrheit sagte. Nicht nur das, sondern Layla schien mehr über Vampire zu wissen als er selbst. Vielleicht würde sie ihm sogar bei seinen Forschungen helfen können. "Abgemacht", sagte Quinn, und die beiden schüttelten sich die Hände. Layla war froh, dass Quinn zugestimmt hatte. Die Wahrheit war, dass Layla die Idee, eine Vampirin zu sein, noch nicht aufgegeben hatte. Im Gegensatz zu Quinn war Layla nicht so sicher, ob das, was Quinn hatte, überhaupt eine Fähigkeit war. Eine Fähigkeit war normalerweise eine bestimmte Sammlung von Fertigkeiten, aber Quinn hatte sich völlig verändert, als wäre er kein Mensch mehr. "Also gut, zuerst musst du mir etwas Blut abnehmen." sagte Layla. "Dann kannst du das trinken, wenn du wieder hungrig wirst." Layla zog ihr Hemd etwas herunter und zeigte Quinn ihren Hals. "Was hast du vor? Wir können das nicht hier in der Bibliothek machen und ich werde dich nicht einfach in den Hals beißen." Die beiden setzten ihr Gespräch darüber fort, wie es weitergehen sollte. Vorden betrat die Bibliothek und sah Quinn und Layla, die miteinander redeten, beide lächelten. "Hast du mich schon so schnell vergessen?", sagte Vorden, "Du gehörst mir und ich werde nicht zulassen, dass dir jemand wehtut."
Als Bilder von dem, was Layla zugestoßen war, in ihrem Kopf aufpoppten, spürte sie ein sofortiges Kribbeln in ihrem Körper. Sie reagierte auf die Erinnerung an Quinn, wie er sie gebissen hatte. Es war keine schmerzhafte Erinnerung, eher ein durchaus süchtig machendes Gefühl. Die Empfindung, wie das Blut durch ihren Körper schoss. Schon der bloße Gedanke daran ließ ihr Gesicht leicht röten. In diesem Moment hob sie ihre Hand und legte sie an ihren Hals. "Hm, ich spüre nichts?" "Oh, du bist also wach," sagte Hayley mit einem Lächeln. "Du hast so friedlich geschlafen, ich hatte keine Ahnung, wann du aufwachen würdest." "Wie bin ich hierher gekommen?" fragte Layla. "Oh, ein Junge kam vorbei und brachte dich hierher, er sagte, er sei ein Freund von dir. Ich erinnere mich nicht mehr an seinen Namen, aber er hatte kurze, schwarze, lockige Haare", sagte Hayley mit einem Lächeln, als sie an die beiden dachte. Das bestätigte Laylas Vermutungen. Quinn muss sie hierher gebracht haben, gleich nachdem er sie gebissen hatte. Hayley bemerkte dann, dass Layla sich mit ihrer Hand den Hals rieb. "Oh, ich habe die beiden Flecken für dich entfernt. Weißt du eigentlich, was passiert ist?", fragte sie. Als sie wieder an die Erinnerung dachte, wie Quinn sie gebissen hatte, bekam sie eine Gänsehaut. "Ich bin mir nicht sicher, vielleicht war es ein Tier?" erwiderte Layla. "Ein Tier?" "Ja, ich höre manchmal, dass ein streunendes Tier mit den Schülern herauskommt, wenn sie durch die Portale üben", sagte Layla nervös und hoffte, dass Hayley ihrer Lüge glauben würde. "Nun, was auch immer es war, ich bin sicher, jemand anderes kümmert sich darum. Es ist jetzt nur wichtig, dass du sicher bist." **** Quinn rannte so schnell er konnte durch die Schulflure. Er musste das Büro des Arztes erreichen, bevor Layla aufwachen würde. Er hatte keine Ahnung, wie sie reagieren würde oder was die Folgen waren, wenn man jemanden beißt. Er hatte in einigen Vampirromanen, die er in der Bibliothek gelesen hatte, davon gelesen, dass einige Vampire die Fähigkeit hatten, andere zu verwandeln. Gerade hielt Quinn das für die bessere Alternative, als das alle von seiner Fähigkeit erführen. Endlich erreichte Quinn das Büro des Arztes und riss die Tür auf. "Oh, hallo nochmal," sagte Hayley. "Wenn du das Mädchen suchst, du hast sie gerade verpasst. Sie ist vor einiger Zeit gegangen." "Wirklich? Hat sie zufällig irgendetwas gesagt?" Quinn fragte, da nach Haleys Reaktion es nicht so aussah, als hätte Layla irgendetwas gesagt. Aber er musste sicher gehen. "Oh, du meinst die Wunde? Sie meinte, ein Tier könnte sie angegriffen haben, obwohl ich das stark bezweifle. Es sah eher wie ein Schlangenbiss aus. Aber wie hat es dieses Tier bis in die Schule und sogar bis zu ihrem Hals geschafft?" Hayley fuhr fort zu schwatzen. Sie tat das oft, weil sie als die einzige Ärztin in der Schule oft alleine war. Es war ein einsamer Job. "Danke, dass du mir Bescheid gesagt hast", sagte Quinn und schloss die Tür. Warum hat Layla beschlossen, es geheim zu halten? Er hatte das arme Mädchen im Grunde angegriffen. Vielleicht erinnerte sie sich nicht daran, was passiert war, oder sie plante, ihn damit zu erpressen. Aber das ergab keinen Sinn, sie hatte nichts zu gewinnen. Quinn hatte immer so gedacht, die Leute handelten aus egoistischen Gründen. Er konnte nicht glauben, dass Layla das Geheimnis einfach ohne Grund behalten würde. Gerade als Quinn vor der Arztpraxis stand und darüber nachdachte, was er als Nächstes tun sollte, spürte er eine Hand auf seiner Schulter. "Du und ich, wir müssen reden", sagte Layla. Wenn sie die ganze Zeit hier gewartet hatte, war das schlecht. Layla deutete klar an, dass sie etwas wusste. Das bedeutete, dass sie ihre Erinnerung an die Geschehnisse nicht verlieren würde, was unwahrscheinlich war. Die beiden gingen zur Bibliothek, wo der Vorfall stattgefunden hatte. Quinn fühlte sich etwas entspannter, denn wenn sie ihn hierher brachte, bedeutete das, dass sie nicht auf einen Kampf aus war, da auch andere Schüler im Raum waren. Die beiden setzten sich an einen Tisch und aktivierten den Orb, sodass nur sie beide gehört werden konnten. Während sie sich eine Weile in die Augen sahen, ging Quinn verschiedene Szenarien durch den Kopf. Im schlimmsten Fall müsste er sie vielleicht zum Schweigen bringen. "Was ist in der Bibliothek passiert, was hast du gemacht?" fragte Layla und rieb sich den Hals. "Weshalb fragst du überhaupt, wenn du schon weißt, was passiert ist?" sagte Quinn. "Sag mir einfach, was du möchtest." "Ich weiß nicht, ob du das weißt, aber ich habe dich länger beobachtet, als dir bewusst ist, und nach einer Weile bin ich zu einer Schlussfolgerung gekommen. Du bist ein Vampir, nicht wahr?" Quinn fing nervös an zu lachen, in der Hoffnung, Layla aus dem Konzept zu bringen. Er war tatsächlich erstaunt darüber, wie sie so schnell zu dieser Schlussfolgerung gekommen war, als es ihm selbst eine Weile dauerte. Selbst wenn sie bisher alles gesehen hatte, was er getan hatte, glaubte er nicht, dass dies die natürliche Schlussfolgerung war, zu der jemand kommen würde. "Und warum denkst du das?" "Ich habe gesehen, wie du den Hals des Jungen hochgehoben hast, und zu der Zeit dachte ich, du würdest etwas Anderes tun, weil ich es nicht klar sehen konnte", sagte Layla und ihre Ohren wurden leicht rot. "Aber nach dem, was du mit mir gemacht hast, bestätigt es sich." Quinn begann beim Verhör leicht zu schwitzen. Er machte sich weniger Sorgen um Layla selbst, sondern um den Ärger, den sie ihm in Zukunft bereiten könnte. Er wusste nicht, was er sagen sollte, und dachte, er würde warten, bis Layla ihre Forderung stellen würde. Dann holte Layla tief Luft, bevor sie ihre nächsten Worte sagte. Darauf hatte Quinn gewartet, auf ihre Forderung. "Ich möchte, dass du mir zuhörst. Ich möchte, dass du mich zu einem Vampir machst." Quinn war so schockiert von Laylas Worten, dass er fast vom Stuhl fiel. "Verstehst du überhaupt, was du da gerade sagst?" "Bitte", flehte Layla ihn an. "Es war schon immer ein Kindheitstraum von mir. So etwas gibt es nur in Büchern oder Märchen, und jetzt habe ich die Chance, dass es Wirklichkeit wird." Sagte sie mit strahlenden Augen. Jetzt verstand Quinn, warum Layla es niemandem erzählt hatte. Einfach ausgedrückt, dieses Mädchen war verrückt.
Als Quinn die Bühne betrat, bemerkte er, dass Brandon, sein Gegner, ein Kraftniveau von drei aufwies. Wäre dies ein Kampf in der Außenwelt, wo sie beide ihre Fähigkeiten nutzen könnten, hätte Quinn wahrscheinlich keine große Siegeschance. Doch hier in der Arena, wo Fähigkeiten nicht erlaubt waren, stach Quinn aufgrund seiner starken körperlichen Verfassung und seiner überdurchschnittlichen Geschwindigkeit hervor. Laut den Romanen, die er gelesen hatte, war die Stärke eines Vampirs weit größer als die der Menschen, noch bevor die Fähigkeiten eingeführt wurden. Wären sie darauf aus gewesen, hätten sie die Welt beherrschen können. Brandon führte einen langen Speer, der eine gute Reichweite bot. An seinem Ende befand sich eine scharfe, gebogene Klinge. < Gegnerkraft Level 3> < Bonus-EP werden belohnt > Es sah so aus, als würde Quinns Tag immer besser werden. "Beginnt!" rief Leo. Brandon stürmte sofort mit seinem Speer auf ihn zu. Quinn dagegen nahm eine Kampfstellung ein, beide Hände vor sich ausgestreckt. Als Brandon in Schlagdistanz war, stieß er seinen Speer vor. Für die Zuschauer außerhalb wirkte das schnell und beeindruckend. Aber für Quinn, der 12 Punkte in der Beweglichkeit hatte, war es ein Kinderspiel, dem auszuweichen. Er wich dem Speerstoß aus und tauchte ab. Bevor Brandon den Speer zurückziehen konnte, griff Quinn nach dem Speer. "Was zum Teufel!" rief Brandon, als er versuchte, den Speer zurückzuziehen. "Lass los!" Während er den Speer mit einer Hand festhielt, öffnete Quinn seine andere Hand und schlug mit der Faust so hart er konnte auf den Speer ein. Wenige Augenblicke später war der Speer in zwei Teile gespalten. "Was zum... meine Waffe, sie ist defekt!" beschwerte sich Brandon, aber Leo griff nicht ein. Quinn stürmte vor und bevor Brandon etwas tun konnte, schlug Quinn ihm hart in den Magen. Brandons Füße hoben vom Boden ab und es sah so aus, als würde er gleich durch die Luft geschleudert werden. "Inspektieren" <Brandon Richardson> <Fähigkeit: Elementar> < HP 5/15 > <Blutgruppe 0+> Quinn wusste, dass es als sein Sieg gelten würde, wenn Brandon aus der Arena geflogen wäre, doch das System würde ihm nicht erlauben zu gewinnen, ohne seinen Gegner auf mindestens einen HP herunterzuschlagen. Also packte Quinn ihn, bevor er sich in die Luft erheben konnte, zog ihn nach unten und kniete ihm gleichzeitig ins Gesicht. Dies ließ Brandons Nase bluten und seinen Kopf nach hinten schleudern. Und schließlich brach Brandon am Boden liegend zusammen. "Gewinner, Quinn Talen", verkündete Leo. <Dein Gegner wurde besiegt, 50 EP werden belohnt> <Erste höhere Kraftstufenbonus 50 EP belohnt> <220/200 EP> <Glückwunsch, du bist jetzt Level 3> <20/400 EP> <1 Attributspunkt vergeben> <Neue Fähigkeit "Blutbank" freigeschaltet> Nachdem er Brandon besiegt hatte, erhielt Quinn mehrere Nachrichten und stieg sogar ein Level auf. Die Bonusbelohnung für den Sieg über einen Level 3-Nutzer war höher als wenn er einen Level 2-Nutzer besiegt hätte. Es war jedoch schade, dass der Bonus nur ein einziges Mal ausgezahlt wurde. Mit den Nachrichten wurde auch eine neue Fähigkeit freigeschaltet. Obwohl Quinn jetzt keine Zeit hatte, sie sich anzusehen, musste er die Bühne verlassen und sie sich später ansehen. Bevor er die Bühne verließ, warf Quinn einen Blick auf Brandon, der am Boden lag. Blut tropfte aus seiner Nase und Quinn hatte nur einen Gedanken. "Eine Verschwendung." Es war schade, dass Quinn Brandons Blut nicht aufbewahren oder trinken konnte. Schließlich sahen alle zu, aber wenn er es getan hätte, hätte er auch erfahren, was das Blut der Blutgruppe O bewirkte. Die beiden Soldaten tauchten wieder aus dem Nichts auf und brachten Brandon in die Arztpraxis. Aber bevor Quinn die Arena verlassen konnte, schrien ein paar Jungs aus der Menge. "Das ist nicht fair!" sagte ein Junge. "Brandon hat offensichtlich eine fehlerhafte Waffe benutzt." "Ja, und was war das überhaupt? Dieser Depp hat ihn trotzdem noch angegriffen, nachdem er gesehen hat, dass seine Waffe defekt ist. Er sollte bestraft werden", fügte ein anderer Junge hinzu. Diese beiden waren Freunde von Brandon. Einer davon war ein Level 2,5 Nutzer namens Fei und der andere ein Level 3 Nutzer namens Loop. Dann betrat Leo die Bühne, hob den zerbrochenen Speer vom Boden auf und untersuchte ihn. "Ich kann euch garantieren, dass alle Waffen in dieser Halle nicht fehlerhaft sind. Jede wurde genauso sorgfältig behandelt wie die andere." "Wie kannst du dir dann erklären, dass die Waffe gebrochen ist?", sagte Fei. "Es sei denn, er hat geschummelt und eine Fähigkeit benutzt." Sobald die Anschuldigungen gemacht wurden, begannen die Schüler zu murmeln. Sie konnten Quinns Kraftlevel sehen, aber nicht viele wussten, dass Quinn keine Fähigkeit hatte. Vielleicht hatte er eine Fähigkeit, die einfach nur seine Kraft verstärkte, dachten die Schüler. "Beruhigt euch alle, ich kann euch garantieren, dass keine Fähigkeiten benutzt wurden", sagte Leo. "Wie kannst du dir da so sicher sein?" wandte Fei ein. Eine unerwartete Person mischte sich dann in ihr Gespräch ein und unterbrach sie. "Du Narr, hör auf, so respektlos gegenüber dem Lehrer zu sein", sagte Erin. "Kennst du ihn nicht? Vielleicht würdest du es wissen, wenn ich dir seinen Kriegsnamen nennen würde. Dieser Mann ist Sergeant Leo, auch bekannt als der blinde Schwertkämpfer." Das Getuschel zwischen den Schülern wurde noch lauter. Der Name Blinder Schwertkämpfer war bei den einfachen Leuten gut bekannt. Er hatte uns sehr geholfen im Kampf gegen die Dalki. "Er ist blind?" sagte Loop, unsicher, ob es stimmte oder nicht. "Bedeutet das nicht, dass er definitiv nicht erkennen kann, ob jemand eine Fähigkeit benutzt oder nicht?" In diesem Moment warf Leo ein Stück des zerbrochenen Speers in Richtung Loop. Der Speer verfehlte Loop nur knapp und schlug an der Rückwand ein. Loop spürte dann einen stechenden Schmerz an seiner Wange und als er sie berührte, bemerkte er eine Schramme. "Ich kann sehr gut sehen und hören, besser als die meisten von euch. Meine Fähigkeit erlaubt es mir, die Aura der Menschen zu sehen und wenn Menschen ihre Fähigkeit einsetzen, ändert sich ihre Aura, abhängig von der Fähigkeit, die sie nutzen. Und ich sage euch jetzt, Quinn hat nicht eine einzige Fähigkeit benutzt." Mit diesen Worten begannen die Schüler sich ein wenig zu beruhigen. Es war ein denkwürdiger erster Tag für alle Schüler der Waffen-AG, so viel war passiert. Aber der Unterricht war schließlich vorbei und es war Zeit, nach Hause zu gehen. Leo hingegen konnte nicht aufhören, an den Schüler namens Quinn zu denken. Er untersuchte den Speer immer und immer wieder und fand nichts Außergewöhnliches. Was Leo jedoch nicht preisgab, war die Tatsache, dass er von Anfang an, als Quinn den Raum betrat, feststellen konnte, dass seine Aura sich leicht von der der anderen unterschied. Sie war nicht wie die einer Fähigkeit, sie erinnerte ihn eher an die Aura, die Bestien oder die Dalki hatten, eine, die nicht menschlich war. "Suche die Akte über Quinn Talen." "Akte gefunden", antwortete Leos Uhr. "Fähigkeit?" "Keine Fähigkeit, Kraftlevel 1", sagte die Uhr wieder. "Hmm, was verbirgst du, Quinn?"
Als der nächste Morgen anbrach, packte Quinn einige Dinge in seine Tasche. Er steckte die mit Laylas Blut gefüllte Blutprobe hinein, die verbleibenden vier leeren Proben und die Maske, die er im Supermarkt gekauft hatte. Er wusste nie, wann er diese Dinge brauchen würde, also war es besser, vorbereitet zu sein. Wie immer gingen die drei Jungen gemeinsam zum Frühstück und wie immer warfen die Leute Quinn, Vorden und Peter Blicke zu. Vorden entschied sich, sich von Quinn und Peter zu trennen und setzte sich alleine an die Tische der höheren Leistungsstufen. Dennoch schien niemand neben Vorden sitzen zu wollen. Es war offensichtlich, dass die Schüler des zweiten Jahres Vorden aus irgendeinem Grund ins Visier nahmen, obwohl er nicht mehr mit Quinn und Peter abhing. "Könntest du mir einen Gefallen tun?", fragte Quinn, "Behalte Vorden heute während eurer Kampfunterrichtsstunden im Auge. Wenn etwas passiert, lass es mich wissen." "Aber wenn etwas passiert, werde ich nicht stark genug sein, um zu helfen, und du kannst auch nicht wirklich etwas tun", antwortete Peter. Peter hatte recht. Im Moment konnte Quinn kaum mit den Erstklässlern der Stufe 2 mithalten, geschweige denn mit den Schülern des zweiten Jahres. Aber gleichzeitig hasste Quinn die Tatsache, dass sie Vorden ins Visier nehmen könnten, nur weil er sich mit ihnen getroffen hatte. Vielleicht könnte Quinn einen Schwachen in der Gruppe finden und ihn nachts zum Verhör bringen. In solchen Gruppen gab es immer eine schwache Person, die als Laufbursche fungierte. Sie baten ihn, ihre Sachen zu tragen, ihr Essen zu holen usw. "Ich sage nicht, dass du eingreifen sollst, und ich glaube auch nicht, dass Vorden erwartet, dass du ihm hilfst. Aber lass mich einfach wissen, was du siehst." Peter warf einen kurzen Blick in den Raum, um sicherzugehen, dass niemand sie hörte, bevor er nickte. Nachdem sie gefrühstückt hatten, war es endlich Zeit für die Kampfklassen. Nach der Anmeldung über die Uhr, welche Art von Unterricht man besuchen wollte, war angegeben, in welchem Raum man an diesem Tag trainieren würde. Quinn hatte sich nach reiflicher Überlegung für die Klasse der Bestienwaffen entschieden. Quinn war bekannt dafür, dass er keine Fähigkeiten besaß, also war das wirklich seine einzige Option. Andernfalls hätte er in den anderen Klassen nur hinten sitzen und nichts tun können. Die Waffenklasse war bei denen beliebt, die eine Fähigkeit besaßen, die damit verbessert werden konnte. Diejenigen, die ein wenig in die Zukunft sehen konnten, oder die wie Layla über eine Telekinese-Fähigkeit verfügten besuchten diese Kurse. Aber Quinn wollte eine Waffe finden, die zu ihm und seinem Kampfstil passte. Die Waffenhalle befand sich außerhalb des Hauptgebäudes der Schule in einem separaten Gebäude. Es handelte sich um ein einziges großes Gebäude in Form eines asiatischen Palastes. Um das Gebäude betreten zu können, mussten die Schüler ihre Uhr in den Scanner einlesen, dann öffneten sich die beiden großen Türen. Obwohl das Gebäude von außen ein östliches Flair ausstrahlte, war das Innere völlig anders. Es war ein großer Raum, dessen Decke etwa zwanzig Meter hoch war. Der Raum war bis auf Berge von Waffen, die an den Wänden hingen und einer runden erhöhten Plattform in der Mitte, nicht weiter dekoriert. Im hinteren Teil des Saales stand ein glatzköpfiger Mann in einer Lederrüstung, an dessen Seite eine lange Katana-Klinge befestigt war. Der Griff der Katana-Klinge war zerklüftet und rau, die Rückseite der Klinge ebenso. Es sah so aus, als wäre sie aus einem Tier geschmiedet worden, das nicht von diesem Planeten stammte. Der Mann saß leise mit geschlossenen Augen da. Quinn konnte nur vermuten, dass der Mann ihr Lehrer war, da er der älteste im Raum war. Der Raum füllte sich langsam mit Schülern und in diesem Moment kam Layla herein und entdeckte Quinn. Sie eilte sofort zu ihm und begann sich zu unterhalten. Im Gegensatz zu Vorden, der mit Quinn gesprochen hatte, achteten die anderen Schüler nicht wirklich auf sie, weil Layla selbst auch als schwach galt. "Diese Klasse ist viel beliebter, als ich dachte", sagte Layla. Der Raum war mit etwa dreißig Schülern gefüllt. In den anderen Klassen waren etwa fünfzig, aber das war immer noch mehr als sie erwartet hatten. "Ja, ich frage mich, welche Waffe ich wählen soll", sagte Quinn und starrte "Nun, ich habe meine schon", sagte Layla und zeigte auf ihren Bogen auf ihrem Rücken. Viele der Schüler im Raum hatten bereits ihre eigenen Waffen. Quinn und ein paar andere waren die einzigen, die noch nichts mitgebracht hatten. Gerade als Quinn mit dem Anstarren der Wand beschäftigt war, wurden die anderen Schüler laut, als jemand die Waffenhalle betrat. "Was macht die denn hier?" "Ist sie nicht eine Elementaranwenderin, warum sollte sie hier sein?" "Wen kümmert's, vielleicht können wir mit ihr ringen und wenn wir sie besiegen, können wir sie um ein Date bitten." Als Quinn sich umdrehte, um zu sehen, wer das Mädchen war, erkannte er, dass er sie schon einmal getroffen hatte. Es war Erin Heley, die Eiselement-Benutzerin. "Ich frage mich, warum sie diesen Kurs gewählt hat und nicht den Elementarkurs?" fragte Layla. In diesem Moment öffnete der glatzköpfige Mann seine Augen und brüllte laut. "ACHTUNG!" Alle erstarrten und drehten sich um, um den alten Mann anzuschauen. "Mein Name ist Leo und ich werde heute euer Lehrer sein." Dann zog Leo seine Katana-Klinge aus der Scheide und hielt sie vor sich. "Eure erste Aufgabe wird es sein, eure Waffe auszuwählen, und ihr müsst dabei sorgfältig nachdenken. Eure Waffe ist eure Lebensader. Wenn eure Fähigkeit versagt, ist das Einzige, worauf ihr euch verlassen könnt, eure eigenen Fertigkeiten. Jetzt geht und wählt eine Waffe von der Wand um euch herum aus." Die Schüler fächerten aus und begannen mit der Betrachtung der Waffen. Selbst diejenigen, die bereits Bestienwaffen hatten, probierten neue aus. Quinn schaute sich die Wand an und sah alles Mögliche, Äxte, Kurzschwerter, Stachelschläger, Peitschen, Sensen, es gab so viel Auswahl, dass er sich schwertat. Quinn sah sich Layla und ihren Bogen an. Es passte gut zu ihrer Telekinese-Fähigkeit. Wenn Quinn eine Fernkampfwaffe auswählen sollte, würde er nie so gut wie Layla sein. Er brauchte etwas, das im Moment zu ihm und seiner Fähigkeit passte. Quinn ging dann zu einem zufälligen Schwert an der Wand und setzte seine Inspektionsfähigkeit ein. < Korge Schwert > < Tier : Basic Beast Waffe > < +3 Stärke < -2 Beweglichkeit> < Das Schwert ist inkompatibel mit der Fertigkeit "Blutschlag" Das Schwert, das Quinn in Betracht zog, war groß und sah schwer aus. Quinn musste schnell sein, also war ein Verlust an Beweglichkeit ein definitives No-Go. Aber was ihn überraschte, war, wie viele Informationen seine Inspektionsfertigkeit lieferte. Es wurde sogar angegeben, ob sein Blutschlag damit verwendet werden konnte. Dank Quinns Inspektionsfertigkeit wäre es vielleicht gar nicht so schwer, eine Waffe auszuwählen.
Am Ende des Unterrichts musste Quinn die Handschuhe zurückgeben und sie in der Waffenhalle zurücklassen. Schließlich gehörten sie ihm nicht und waren nur dazu da, damit er sich an den Umgang mit einer Waffe gewöhnen konnte. Sobald Quinn seinen ersten Portalausflug unternommen hatte, würde er in der Lage sein, ein geeignetes Tier zu jagen, um sich eine eigene Waffe anzufertigen. Zu diesem Zeitpunkt würde er sich auch die Ausrüstung ausleihen dürfen. Als Quinn sich auf den Weg zurück in seinen Schlafsaal machte, beschloss er, zuerst seine Statuspunkte in etwas zu investieren. Also öffnete er seinen Statusbildschirm, um zu sehen, ob es irgendwelche Veränderungen gab. <HP 20/20> <Stärke 12> <Geschicklichkeit 12 > <Ausdauer 12 > (Alle Werte sind derzeit halbiert, weil er von der direkten Sonneneinstrahlung getroffen wurde) Das System schien mit dem des letzten Stufenaufstiegs übereinzustimmen. Obwohl es dieses Mal keinen Evolutionsprozess gab, gewann er dennoch fünf HP-Punkte und einen Stat-Punkt. Es gab eine Sache, die Quinn störte, und das war die Tatsache, dass seine Statuspunkte im Sonnenlicht halbiert wurden. Es würde eine Zeit kommen, in der Quinn auch in der Sonne seine volle Kraft brauchen würde. Wenn er in Romanen von Vampiren las, war er dankbar, dass er sich überhaupt in der Sonne aufhalten konnte, denn einige von ihnen verbrannten im Nu zu Knusprigem. Quinn beschloss, bei seinem Plan zu bleiben und den Punkt für die Beweglichkeit hinzuzufügen. Solange er seine Gegner treffen konnte, ohne zurückgeschlagen zu werden, sah er sich nicht als Verlierer, und im schlimmsten Fall, wenn er seinen Gegner nicht verletzen konnte, konnte er immer noch weglaufen. Das war auch praktisch, wenn er vorhatte, die Krallenstulpen als Waffe zu benutzen. Er würde schnell sein müssen, um nahe heranzukommen und seine Fähigkeiten im Nahkampf zu nutzen. < Gewandtheit 13 > Als Nächstes wollte Quinn die neue Fertigkeit ausprobieren, die er durch das Aufleveln erhalten hatte. < Fertigkeit: Blutbank Lv.1> <Die Fertigkeit "Blutbank" ermöglicht es dir, bis zu 100 Milter Blut in deiner Reserve zu speichern. Die Blutbank wird automatisch zur Heilung des Benutzers verwendet, wenn die HP unter 5 fallen. Alle 10 Milliliter Blut werden verwendet, um 5 HP des Benutzers wiederherzustellen. Der Benutzer kann die Blutbank auch nutzen, um jederzeit Blut zu seinem persönlichen Vergnügen zu konsumieren. > Quinn sah sich die Fertigkeit ungläubig an. Es schien, als wäre die Fähigkeit zu schön, um wahr zu sein. Im Grunde fungierte die Blutbank als ein zweites Leben für Quinn. Solange seine Blutbank voll aufgefüllt war, konnte Quinn bis zu 50 HP-Punkte wiederherstellen. Und nicht nur das, es löste auch Quinns Lagerproblem. Zwar hatte Quinn Reagenzgläser und Korken verwendet, um die Oxidation des Blutes zu verhindern, aber das würde den Verderb des Blutes nicht lange aufhalten. Quinn konnte das Blut höchstens 8 Stunden lang frisch halten, ohne es in einer besonderen Art von Behälter aufzubewahren. Sicher, er hatte Layla, auf die er sich verlassen konnte, aber Layla würde nicht immer an seiner Seite sein. Quinn nahm das Reagenzglas mit Laylas Blut heraus und setzte seine Inspektionsfähigkeit ein. Es sah so aus, als ob das Blut im Moment noch gut zu gebrauchen war. <Skill Blutbank> Das Blut begann in Quinns Hand hell zu leuchten und verschwand dann plötzlich aus dem Reagenzglas. <Blutbank 10/100> <Dein Hunger wächst> Quinn war froh, dass die Fertigkeit Blutbank so praktisch war, und endlich, nachdem er eine Weile gewartet hatte, erhielt er eine Nachricht, die er schon einmal gesehen hatte. Als er das letzte Mal die Nachricht über seinen Hunger gesehen hatte, sagte ihm das System, dass er am nächsten Tag Blut zu sich nehmen müsse, da sonst seine HP sinken würden. Dank seiner Blutbank-Fähigkeit musste er sich darüber jedoch keine Sorgen machen, solange er sie auffüllte. Nachdem er sich alle Informationen angesehen hatte, kam Quinn schließlich in seinem Schlafsaal an und sah Peter und Vorden ein wenig mitgenommen. "Wow, was ist denn mit euch beiden passiert?" "Waren es wieder die Zweitklässler?", fragte Quinn. "Nein, kein Grund zur Sorge, das war nur während unseres Kampfunterrichts, der Lehrer hat uns am ersten Tag eine Sparringssitzung machen lassen." "Gab es irgendwelche Probleme?" "Nicht wirklich, ich wurde gedemütigt und habe meinen Kampf verloren, natürlich, ich kann meine Fähigkeit immer noch nicht gut genug kontrollieren. Ich glaube, ich war zu nervös. Als ich die Schlammstange auf meinem Rücken hervorholte, fingen die anderen Schüler an zu lachen und ich wurde abgelenkt." erklärte Peter. "Aber Vorden war so cool, dass er den Kindern gesagt hat, sie sollen die Klappe halten, und sie aufgefordert hat, gegen ihn zu kämpfen. Dann hat er es mit derselben Fähigkeit wie ich geschafft, einen Stufe-3-Anwender zu besiegen!" "Ach, halt die Klappe!" sagte Vorden und schlug Peter auf die Schulter. "Du bringst mich in Verlegenheit." "Aber es ist doch wahr. Du warst damals so cool." Die drei erzählten sich weiter, was in ihren Kampfklassen passiert war. Quinn hatte sogar von seinem Sieg gegen Brandon erzählt. Zuerst waren sie überrascht, aber als Quinn ihnen erklärte, dass der Einsatz von Fähigkeiten verboten war, verstanden sie es. Die drei waren vom ersten Tag des Kampfunterrichts erschöpft und beschlossen, sich etwas auszuruhen. Als Quinn am nächsten Tag aufwachte, wurde er mit einer weiteren Nachricht begrüßt. <Tagesaufgabe abgeschlossen 5 Exp wurde belohnt> <25/400 Exp> <Dein Hunger wächst> <Deine HP werden jetzt jede Stunde um 1 HP sinken, bis du Menschenblut getrunken hast> Die Nachricht erschien etwa zwei Tage, nachdem er das letzte Mal Blut getrunken hatte. Das bedeutete, dass dies die Zeitspanne war, bevor er wieder Blut zu sich nehmen musste. <Skill Blutbank> <10 Milliliter Blut werden verbraucht, möchtest du fortfahren?> <Ja> Nachdem er die Option "Ja" gewählt hatte, drang ein süßer Duft in seinen Mund, das Loch, das er in seinem Magen spürte, war verschwunden, und er war wieder zufrieden und zurück in der Normalität. Jetzt musste er sich nur noch mit Layla treffen und seine Blutbank bis zum Anschlag auffüllen. In der nächsten Woche war der Kampfunterricht für die Schüler eine normale Pflicht. Dies würde so lange der Fall sein, bis die Lehrer damit zufrieden waren, die Schüler auf ihren ersten Ausflug durch die Portale zur Bestienjagd mitzunehmen. Nachdem die Schüler ihre Waffen von der Wand genommen hatten, stellte sich Leo wieder an die Spitze, um den Schülern weitere Anweisungen zu geben. "Die heutige Lektion wird wieder Sparring sein, aber dieses Mal sucht ihr euch eure Gegner selbst aus. Ihr kämpft mit ihnen jeweils eine Minute lang, bevor ihr zum nächsten Gegner wechselt. Auf dem Schlachtfeld wird es alle Arten von Gegnern geben, die unterschiedliche Waffen und Fähigkeiten benutzen. Es ist wichtig, dass ihr euch an möglichst viele von ihnen gewöhnt." Die Schüler wurden sofort in Paare eingeteilt und Layla war so schnell wie möglich auf Quinn zugelaufen. "Keine Sorge, Quinn, ich lasse dich die erste Runde gewinnen." Sagte sie mit einem Zwinkern. Doch in diesem Moment kam Leo auf die beiden zu. "Es tut mir leid, junge Dame, aber ich muss Sie bitten, dieses Mal auszusetzen", sagte Leo. Layla trat daraufhin einen Schritt zurück. Dann zog Leo seine Katana-Klinge und richtete sie auf Quinn. "Zeig mir, was du drauf hast, Junge, und halte dich nicht zurück."
Als Quinn seine Maske aufsetzte, näherte er sich dem Ort, an dem Rylee und der Schüler waren. Er bewegte sich dabei geschickt zwischen den Bäumen hindurch. "Hey, willst du eine Tracht Prügel? Dann gib jetzt deinen Guthaben her!", sagte Rylee und drückte den Schüler gegen einen Baum. "Aber ich bekomme nur zehn Credits pro Tag, die sind mein! Das ist nicht fair!" "Wann war diese Welt jemals fair? Gib den Leuten an der Spitze die Schuld, dass sie uns nicht schützen.", antwortete Rylee. Als Quinn diese Worte hörte, wurde ihm klar, dass Rylee in der gleichen Situation war wie er. Er war nur ein Level-zwei-Nutzer und gehörte zu jenen Schwachen, die von den Mächtigen herumgeschubst wurden. Aber das berechtigte ihn nicht, dasselbe mit anderen zu tun. Das würde nichts ändern. Layla folgte Quinn dicht auf den Fersen und hatte ihren Bogen und ihre Pfeile gezückt. Sie wusste aus der vorherigen Erfahrung, dass wenn Quinn die Maske aufsetzt, er handeln würde. "Soll ich dir helfen? Zu zweit ist es leichter", bot Layla an. "Das ist in Ordnung, es gibt etwas, das ich ausprobieren möchte", antwortete Quinn. Als sie sich das letzte Mal duellierten, war Quinn nur auf Level 1. Nun war er auf Level 2 und hatte auch eine neue Fähigkeit erworben, die er testen wollte. Rylee war das perfekte Testobjekt. Quinn kam immer näher. Er hoffte, Rylee mit einem einzigen Schlag erledigen zu können, und dies war die perfekte Gelegenheit, da Rylee ihm den Rücken zukehrte. Gerade als Quinn fast in Schlagdistanz war, wurde er vom Schüler entdeckt, den Rylee gegen den Baum presste. "Bitte, helft mir!", schrie der Schüler. "Du Idiot!", schrie Quinn und sprang vorwärts in der Hoffnung, schnell genug zu sein, um Rylee zu treffen, bevor dieser seine Fähigkeit einsetzen konnte. Dank der Warnung des Schülers hatte Rylee gerade genug Zeit, seine Fähigkeit zu aktivieren und sich umzudrehen. Quinns Faust war jedoch schneller und obwohl Rylee seine Hände ausstreckte, um den Angriff abzuwehren, schaffte es Quinns Faust dennoch, Rylee in den Magen zu treffen. Der Aufprall war genauso wie beim letzten Mal: Es fühlte sich an, als würde er gegen eine Mauer schlagen. Der Schlag verursachte jedoch immer noch Schmerzen bei Rylee. Der Angriff war etwas stärker und dieses Mal brach Quinns Faust nicht. "Du... ich habe auf dich gewartet", sagte Rylee und pfiff. Auf sein Pfeifen hin kamen zwei Schüler aus dem Park in den Wald gerannt. "Glaubst du, du kannst gegen uns drei antreten?", fragte Rylee. Quinn sah, wie die beiden Schüler auf sie zuliefen und plötzlich flog ein Pfeil durch die Luft und traf einen von ihnen ins Knie. Der Schüler fiel augenblicklich zu Boden. Der andere Schüler ging zu seinem verletzten Freund. "Was ist passiert?", fragte er und bemerkte dann den Pfeil in dessen Bein. "Woher kommt der?" Quinn nutzte die Verwirrung, entfernte sich von Rylee und stürmte auf den anderen Schüler zu. "Laut Beschreibung beträgt die Reichweite meiner Fähigkeit fünf Meter. Zeig mir, was du drauf hast!" Als Quinn in fünf Metern Entfernung war, aktivierte er seine Fähigkeit Blutschwinge und führte gleichzeitig eine Handbewegung aus. Von Quinns Fingerspitzen ging eine rote Energiewelle aus und traf den Schüler voll in der Brust, wo sie eine klauenähnliche Markierung hinterließ. Allerdings reichte der Schlag nicht aus, um den Schüler außer Gefecht zu setzen. "Blutschwinge, Blutschwinge, Blutschwinge." Dann führte Quinn drei weitere Blutschläge aus. Jeder Schlag traf den Schüler genau und mit mehreren Kratzern auf der Brust fiel er schließlich zu Boden. <HP 11/15> < Ein Gegner wurde besiegt, 50 Erfahrungspunkte erhalten > < 110/200 exp > Blutschwinge hatte keine Abklingzeit, verbrauchte aber bei jedem Schlag einen HP-Punkt. Solange Quinn noch HP hatte, konnte er seine Fähigkeit Blutschwinge ununterbrochen einsetzen. Als Rylee sah, dass seine beiden Teamkollegen, die genauso stark wie er waren, in einem Wimpernschlag besiegt wurden, bekam er Angst. Sein Körper zitterte. Alles, was er jetzt wollte, war nur noch zu fliehen. Er wandte sich von seinen Freunden ab und rannte tiefer in den Wald hinein. Doch Quinn war schneller und holte ihn problemlos ein. Als er in Angriffsreichweite war, führte Quinn zwei weitere Blutschläge aus, zielte dabei auf die Achillessehnen von Rylee, der daraufhin zu Boden stürzte. "Bitte, bitte, tu mir nichts an! Ich werde alles tun!", flehte Rylee. "Oh, wirklich? Gib mir all dein Guthaben.", forderte Quinn und hielt seine Uhr an Rylee. "Aber wenn ich das mache, habe ich nicht genug Credits für Dan. Er wird mich umbringen.", sagte Rylee."Jetzt wirklich die richtige Zeit, sich Gedanken über Dan zu machen?" fragte Quinn. Rylee überwies - blitzschnell - die am selben Tag errungenen 50 Credits an Quinn. "Wirst du mich jetzt gehen lassen?" fragte Rylee. In diesem Moment sah Rylee durch den unteren Teil seiner Maske ein teuflisches Grinsen auf Quinns Gesicht. "Nein!" sagt Quinn. Er ging hinter Rylee und hielt ihn in einer Würgeposition fest. Rylee versuchte, seine Fähigkeit zur Versteinerung zu aktivieren, aber Quinn war stark genug, um ihn zu unterdrücken. Schließlich wurde Rylee bewusstlos. "Das hast du davon, dass du mich in der Kantine herumgeschubst hast." Quinn untersuchte Rylees Körper und bemerkte, dass seine Knöchel bluteten, da er seine Fähigkeit "Blutschlag" eingesetzt hatte. Er holte ein Reagenzglas aus seiner Tasche und sammelte das langsam aus Rylees Bein tropfende Blut, bis es voll war. Er füllte ein weiteres Röhrchen für spätere Tests. Als Nächstes waren die beiden anderen Schüler dran. Layla hatte den einen mit ihrem vorher abgeschossenen Pfeil außer Gefecht gesetzt, und der andere Schüler war durch die vielfachen "Blutschlag"-Angriffe bewusstlos geworden. Quinn machte dann dasselbe mit den beiden anderen Schülern und sammelte Blut von ihren offenen Wunden und von der Stelle, wo Laylas Pfeil das Bein des Schülers durchbohrt hatte. Nachdem sie mit der Blutabnahme fertig waren, war es Zeit, dass sie den Tatort verließen. Es war schon spät und die Ausgangssperre stand kurz bevor. Wurden die Schüler nach zehn Uhr draußen gefunden, wurden die Wachen nach ihnen suchen. Die Uhren dienten als Geld- und Leistungsindikator, aber auch als Ortungsgerät. Verletzte Schüler außerhalb der Schule wurden in die Krankenstation gebracht. Als die beiden in der Schule ankamen, war es neun Uhr, also hatten sie noch eine Stunde, bevor sie zu ihren Schlafsälen gehen mussten. Daraufhin beschlossen die beiden, auf das Dach der Schule zu gehen. Dort oben war es ruhig und niemand war in der Nähe, so dass die beiden frei reden konnten. "Wofür brauchst du denn all das Blut?" fragte Layla, "Du weißt doch, wenn du Blut brauchst, kannst du jederzeit etwas von mir nehmen, es macht mir wirklich nichts aus." "Danke, aber ich wollte nur etwas testen." "Prüfen", Quinn hatte seine Prüffähigkeit auf jeden der Behälter angewandt. Das erste war Rylees Blut. < Blutgruppe B+ > "Los geht's", sagte Quinn und trank das kleine Röhrchen mit Blut. < Du hast 5 HP-Punkte zurückerhalten > < 14/15 HP > < Blutgruppe B+ wurde absorbiert > < + 1 Punkt Agilität wurde hinzugefügt > Quinn konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, als er die Nachricht sah. Dann trank er das zweite Röhrchen mit Blut. Es machte ihm nichts mehr aus, das Blut zu trinken, nachdem er festgestellt hatte, dass es ziemlich süß schmeckte. < Du hast 1 Punkt HP zurückerhalten > < HP 15/15 > < Das Blut dieser Person wurde bereits konsumiert, es werden keine zusätzlichen Werte vergeben > Eben wie vermutet, das Blut stellte seine Gesundheit wieder her, ähnlich wie ein Heiltrank in einem Spiel. Aber wenn man einmal das Blut einer Person getrunken hatte, gab es ihm keine weiteren Bonuspunkte. Dann trank Quinn die beiden anderen Röhrchen von den anderen Schülern. < Blutgruppe A- wurde absorbiert > < + 1 Stärkepunkt wurde hinzugefügt > < Blutgruppe AB+ wurde absorbiert > < + 1 Ausdauerpunkt wurde hinzugefügt > Quinn bemerkte ein Muster in den Nachrichten. Als er Laylas Blut der Gruppe A+ trank, erhielt er einen Stärkepunkt; dasselbe passierte, als er Blut der Gruppe A- trank. Rylees Blutgruppe B+ gab ihm einen Agilitätspunkt und AB+ einen Ausdauerpunkt. Man kann annehmen, dass es keine Rolle spielt, ob die Blutgruppe positiv oder negativ ist. Gruppe A gab ihm Stärke, B Agilität und AB Ausdauer. Nun blieb nur noch eine Blutgruppe übrig, von der Quinn noch nicht probiert hatte: Gruppe O. Quinn konnte nicht anders, als sich zu fragen, was passieren würde, wenn er O-Typ-Blut trinken würde.
Nachdem er alle Blutproben bis auf das Ersatzröhrchen, das Laylas Blut enthielt, absorbiert hatte, fühlte sich Quinn stärker als je zuvor. < Name: Quinn Talen> < Rasse: Halbling > <HP 15/15> < 110/200 > < Kraft 12 > < Agilität 12 > < Ausdauer 11 > Als Quinn's Körper zuvor schon einem Spitzensportler glich, so überschritt er nun die Fähigkeiten von normaler menschlicher Kraft. Dennoch war er immer noch schwach im Vergleich zu denen mit einer Fähigkeit. Glücklicherweise schienen Rylee und die anderen beiden Schüler eher schlechte Kämpfer zu sein. In Quinns alter Schule geriet er ständig in Kämpfe, unabhängig von der Fähigkeit der anderen. Er sah, wie die anderen mehr gemobbt wurden als er, während das Mobbing gegen ihn abnahm, da sie wussten, dass er ein Ziel war, das zurückschlagen würde. Doch dadurch schaffte es Quinn, ein gutes Gespür für den Kampf zu entwickeln und sich verschiedene Fähigkeiten anzueignen. Wenn er gegen einen Benutzer der Stufe zwei antreten müsste, der gut mit seiner Fähigkeit umgehen kann wie Layla, dann wäre es wahrscheinlich, dass er verlieren würde. Quinn benötigte dringend weitere Fähigkeiten. Der Blutschwung war zwar großartig, reichte aber nur fünf Meter und kostete ihn Gesundheit. Mit anderen Fähigkeiten konnte man neue Fähigkeiten durch den Kauf von Büchern oder Unterricht von jemandem, der die Fähigkeit bereits beherrschte, erwerben. Doch Quinn hatte diese Option nicht, da er niemanden kannte, der die gleiche Fähigkeit wie er hatte und folglich gab es auch keine Lehrbücher. Bevor sich Layla und Quinn trennten, um in ihre Schlafsäle zurückzukehren, hatte Quinn eine letzte Bitte. "Weißt du, was mit Vorden passiert ist?" fragte Quinn. "Oh, dein blondes Freund", antwortete Layla, "Ehrlich gesagt weiß ich nicht viel, weil ich, als all das passiert ist, wegen einer bestimmten Person im Krankenhaus lag." Layla zeigte auf Quinn. Quinn lachte nervös. "Nun, könntest du das für mich herausfinden? Es scheint, als ob die Schüler aus dem zweiten Jahr dahinter stecken und versuchen, mir und Peter Informationen zu verwehren." "Die Schüler aus dem zweiten Jahr sind darin verwickelt? Das klingt nicht gut. Du hast nicht etwa vor, dich einzumischen, oder?" fragte Layla besorgt. Quinn dachte zurück an die Zeit, als die Schüler aus dem zweiten Jahr Quinn, Peter und Vorden aufriefen. Dieser Momo hatte sie gewarnt, das System in der Schule nicht zu stören. Quinn wollte ihm ins Gesicht schlagen, doch damals konnte er das nicht. Aber nun, mit dieser neuen Fähigkeit, konnte er stärker werden, ohne auf Hilfe angewiesen zu sein. Eines Tages könnte er Momos selbstzufriedenes Gesicht schlagen. "Ja, aber natürlich muss ich zuerst stärker werden." Es gab einen großen Unterschied zwischen Schülern aus dem zweiten und dem ersten Jahr: das Erwachen. Die Schüler aus dem zweiten Jahr hatten gelernt, ihre Fähigkeiten zu erwecken. Dadurch konnte der Benutzer, unabhängig von seiner Kraftstufe, für eine kurze Zeit einen Kraftschub bekommen. Nachdem ein Benutzer das Erwachen erreicht hatte, konnte er auch eine Seelenwaffe bilden. Eine mächtige Waffe, die in jedem Benutzer einzigartig ist und vom Körper selbst gebildet wird. Dies war anders als eine Bestienwaffe, da eine Bestienwaffe von jedem benutzt werden konnte. Nachdem er alles mit Layla erledigt hatte, trennten sie sich und Quinn sagte, er würde Layla über seine Uhr kontaktieren, wenn er sie bräuchte. Quinn behielt auch das Reagenzglas mit Laylas Blut bei sich. Nun musste er herausfinden, wie lange sein Körper ohne Blut auskommen konnte. Wenn Quinn auf eine Mission gehen oder durch ein Portal auf einen anderen Planeten reisen würde, könnte es Zeiten geben, in denen er eine Weile niemanden kontaktieren könnte. In solchen Situationen musste er wissen, wie viele Reagenzgläser mit Blut er mitnehmen musste. Also würde Quinn vorerst versuchen, das Blut zu vermeiden, bis die Systemnachricht wieder erscheint. Wenn er unterwegs gegen jemanden kämpfte, könnte er dessen Blut für später aufbewahren. Schließlich wollte er keine wertvollen Statuspunkte verschwenden. Quinn ging zurück in seine Schlafsäle, wo Vorden und Peter immer noch ihre Erd-Fähigkeiten übten. "Ich habe es geschafft, ich habe es endlich geschafft!" rief Peter. Peter hielt einen kleinen runden Schlammklumpen in der Hand. Als er seine Hände bewegte, konnte er die Form des Schlamms ändern. Er verwandelte ihn von einem Ball in einen langen Stab. Und dann wieder in einen Ball. "Das Einzige Problem ist, dass du als Benutzer auf Level eins immer irgendwie Schlamm bei dir haben musst", erklärte Vorden. "Vielleicht ist es am besten, du behältst ihn als Rundstab und trägst ihn mit dir herum." Dann griff Vorden den Schlamm und begann zu demonstrieren. Er tat dasselbe wie Peter und begann, den Mudball in verschiedene Formen umzuwandeln. Aber der Unterschied zwischen den Geschwindigkeiten war bemerkenswert. Während Peter lange brauchte, um die gewünschte Form zu formen, änderte Vorden den Schlamm in Sekundenschnelle. "Wow, ist das so, weil du ein Benutzer der Stufe fünf bist, Vorden?" fragte Peter. "Nein, das ist etwas, das du auch können solltest, es braucht nur etwas Übung. Wenn ich die Fähigkeit von jemandem kopiere, kopiere ich auch die Stufe der Kraft, an der sie sich befinden. So, alles, was ich mit diesem Schlamm kann, solltest du auch können." Vorden verwandelte den Mudball in einen scharfen Dolch und setzte ihn an Peters Hals. "Siehst du? Nicht so nutzlos." Peter schluckte, als er auf das Schwert hinabschaute, bemerkte aber dann, dass Vorden den Ball bereits in einen harmlosen Stock verwandelt hatte und ihn Peter zurückgab. "Oh, Quinn, du bist zurück", lächelte Vorden. "Hat der Spaziergang Spaß gemacht?" "Ja, ein kleiner bisschen", sagte Quinn. "Nun, Vorden hat gesagt, du hättest eine Freundin", fügte Peter schnell hinzu. "Was!?" sagte Quinn. "Du weißt schon, das Mädchen, das damals bei den Tests dabei war." "Ach, sie, nein, wir sind nur..." Quinn dachte über seine Beziehung zu Layla nach. Er würde sie nicht gerade als Freunde bezeichnen und sie waren definitiv kein Paar. Layla machte fast alles, was Quinn von ihr verlangte, ohne Antworten. Dabei war es eher eine Beziehung zwischen Herr und Diener, aber wenn Quinn das sagen würde, würden sie definitiv den falschen Eindruck bekommen. "Wir sind nur Bekannte. Ich habe mit ihr darüber geredet, wie sie ihre Waffe benutzen kann und welche Fächer ich belegen sollte, da ich nicht mit euch in den Elementarkurs gehen werde." "Oh, dann hast du dich also endlich entschieden?" fragte Peter. "Ja, ich werde den Tierwaffenkurs nehmen."
Sobald Quinn bemerkte, dass seine Inspektionsfähigkeiten ihm die Werte jeder Waffe anzeigen würden, begann er, den Raum nach der perfekten Waffe für sich zu durchsuchen. Quinn schloss alles aus, was zu schwer für ihn war. Obwohl der zusätzliche Stärkebonus gut war, musste er in der Nacht schnell und wendig sein. Alle Waffen, die Quinn bisher inspiziert hatte, waren auf der Basisebene angesiedelt. Das ist die niedrigste Stufe, die eine Waffe haben kann. Waffen wurden in acht verschiedene Stufen eingeteilt, je nachdem, mit welchem Tierkern sie hergestellt wurden. Natürlich basierte dies auf den Bestien von bereits entdeckten Planeten. Zweifellos gab es andere Planeten mit stärkeren Bestien und noch unbekannten Fähigkeiten, die vielleicht in eine höhere Kategorie eingestuft wurden. In der heutigen Menschenwelt sind zwei Waffen dieser Klasse bekannt. Sie werden von der Welt als Dämonenwaffen bezeichnet. Nachdem er den Raum eine Weile durchsucht hatte, fand Quinn eine Waffe, die sich von den anderen abhob. < Schwarzhörnige Stulpen > < Basistier-Waffe> < Stärke 3> < Geschick 0 > < Ausdauer 0> < Verteidigung 2> < Diese Waffe ist kompatibel mit der Fähigkeit "Blutstoß". Wenn sie mit den Stulpen benutzt wird, erhöht sich die Kraft des "Blutstoßes" um 5%. > Die Stulpen waren schwarz und hatten kleine Hörner, die den Unterarm hinaufgingen. Die Fingerspitzen waren spitz und an den Enden mit Klingen versehen, was sie fast wie Drachenklauen aussehen ließ. Es gab zwei Gründe, warum die Waffe Quinn interessierte. Der erste war, dass sie die einzige war, die ihm auch einen Verteidigungswert gab, nicht nur einen Stärkewert. Der zweite Grund jedoch sprach ihn noch mehr an. Es war die Tatsache, dass sie die Kraft seiner einzigen Fähigkeit, den Blutstoß, erhöhte. Fünf Prozent mögen im Moment nicht viel klingen, aber wenn Quinn in Zukunft stärker würde, würden fünf Prozent einen großen Unterschied machen. Es gab auch andere Vorteile. Die Stulpen dienten als Panzerung für seine Hände und er konnte immer noch andere Waffen halten, wenn er sie brauchte. "Eine seltsame Wahl, junger Mann", sagte Leo. Quinn schaute zur Seite, um zu sehen, wer mit ihm gesprochen hatte, dann bemerkte er, dass es der kahlköpfige Lehrende war. "Das ist nicht jedermanns erste Wahl. Mit einer solchen Waffe muss man furchtlos sein und nah an den Feind herankommen. Aber genau deshalb ist sie robuster als die meisten und kann als eine Form der Verteidigung verwendet werden." Quinn hatte bereits mehr Kampferfahrung als die meisten Kinder. Er war es gewohnt, seine Fäuste zu benutzen, und mit seiner Fähigkeit "Blutstoß" musste er nicht immer ganz nah an den Feind herankommen. "Stört es Sie, wenn ich sie ausprobiere?", fragte Quinn. "Leg los", sagte Leo und ging weiter, um die anderen Schüler bei der Auswahl ihrer Waffen zu überprüfen. < Basis-Hörnerstulpen ausgerüstet > < Stärke: 12 (3) > < Geschicklichkeit: 12 > < Ausdauer: 11 > < Verteidigung (2) > Jetzt, als Quinn seinen Status überprüfte, sah er eine kleinere Zahl neben seinen Werten, die den Ausrüstungsgrad anzeigten. Quinn hatte nun 15 Stärkepunkte. Er fühlte sich dreimal so stark wie vor der Entdeckung des Systems und war bereit, seine neu gewonnene Stärke zu testen. Sobald jeder seine Waffe ausgewählt hatte, rief Leo alle auf, sich um die zentrale Kampfarena zu versammeln. "Ich werde nicht behaupten, ein Experte in jeder Waffe zu sein", sagte Leo. "Einige von euch können ihre Waffen vielleicht sogar besser benutzen als ich. Aber worin ich ein Experte bin, ist der Kampf nur mit Waffen. Kämpfen kann man als ein Spiel betrachten. Man versucht immer, den nächsten Zug des Gegners vorherzusehen. Für eure erste Lektion möchte ich sehen, was ihr drauf habt. Wir werden ein Sparring-Match machen. Jeweils zwei Personen. Wir werden alle den Kampf beobachten und kommentieren, was verbessert werden könnte. Gibt es Freiwillige?" Erin war die Erste, die sich freiwillig meldete. Ohne auf Leo zu warten, ging sie zur Arena in der Mitte und stellte sich hinein. Sie hielt ein einzelnes silbernes Langschwert, das hell glänzte. Es war nicht eine der Waffen, die Quinn an der Wand gesehen hatte, also musste er annehmen, dass es eine war, die sie bereits besaß. Am Anfang zögerten viele Schüler, sich mit Erin anzulegen. Ihr Ruf, ein höheres Powerlevel zu haben, war bereits vielen zu Ohren gekommen. "Ach ja, ich habe vergessen hinzuzufügen, dass Fähigkeiten während der heutigen Sparringsrunden verboten sind", fügte Leo hinzu. "Es ist wichtig, dass ihr zuerst wisst, wie ihr eure Waffe benutzen könnt. Nur dann könnt ihr das volle Potenzial der Waffe mit eurer Fähigkeit ausschöpfen." Nachdem er diese Worte gesagt hatte, streckten die Schüler ihre Hände wie Raketen in die Höhe. Sie alle wollten die Chance haben, die berühmte "Eiskönigin" zu schlagen. Jetzt, da sie ihre Fähigkeiten nicht mehr benutzen konnte, sahen sie ihre Chance. Schließlich wurde ein großer Mann aus der Menge ausgewählt, der eine beidhändige Axt schwang. Er war etwa doppelt so muskulös wie Erin. "Ich glaube, du bist im falschen Club gelandet, hier werden deine Eisfähigkeiten nutzlos sein", sagte der Mann. Erin antwortete jedoch nicht und nahm einfach ihre Position ein, wartend, dass ihr Gegner den ersten Schritt machte. Der Mann stürmte los und schwang seine große Axt über seinem Kopf. Als er sie herunterschwang, drehte Erin ihren Körper zur Seite, um dem Schlag auszuweichen, und schlug gleichzeitig auf die Rückseite von des Mannes Beinen, so dass er ins Straucheln geriet. Dann richtete sie ihre Klinge auf seinen Hals. Nur wenige Zentimeter von seiner Kehle entfernt. "Ich gebe auf", sagte der Mann. Alles war in einem Augenblick geschehen und der Raum war plötzlich still. Sie alle wussten, dass Erin stark war, aber sie hatten nicht erwartet, dass sie so geschickt mit der Klinge umgehen konnte. Die meisten Fähigkeitsnutzer, wenn sie eine starke Fähigkeit wie Erin haben, würden auf diese Kraft verlassen und nicht die Mühe machen, eine Waffe zu erlernen. Aber es war jedem klar, dass sie etwas Übung hatte. Nachdem der Kampf beendet war, schienen zwei Männer in schwarzen Militäruniformen aus dem Nichts zu erscheinen. Sie packten den Schüler an beiden Armen und brachten ihn zum Schularzt, um ihn zu behandeln. Die Gruppe schaute weiter zu einigen Kämpfen. Die restlichen Kämpfe dauerten viel länger als Erins, da die meisten Schüler gleich stark waren, wenn es um den Umgang mit Waffen ging. Auch wenn Kraftnutzer der Stufe 4 gegen solche der Stufe 2 kämpften, kam es nur auf das Können und den Körper an, wenn sie ihre Fähigkeiten nicht einsetzen konnten. Der nächste Kampf, der Leos Aufmerksamkeit erregte, war der Kampf mit Layla. Selbst wenn Layla ihre Telekinese nicht mehr nutzen konnte. Mit ihrem Bogen war sie in der Lage, vorauszuschießen und vorherzusehen, wohin sich ihr Gegner bewegen würde. Sie hatte ihren Gegner mehrfach in die Falle gelockt und ihn immer wieder aufgefordert, aufzugeben. Aber ihr Gegner war ein Kraftnutzer der Stufe 3 und sein Stolz stand auf dem Spiel. Er wollte nicht zugeben, von einem Stufe-2-Nutzer besiegt zu sein, auch wenn er seine Fähigkeiten nicht nutzte. Dann wurde er leichtsinnig und entschied sich, nach vorne zu stürmen. Aber ein paar Pfeile in seinen Beinen stoppten ihn, bevor Leo entschied, den Kampf selbst zu beenden. "Das nächste Paar, Quinn Talen und Brad Richardson, in die Arena." Jetzt war Quinn an der Reihe. Da die Waffenkammer überdacht war, konnte Quinn seine Fähigkeiten voll nutzen und sein Gegner konnte seine Fähigkeiten nicht nutzen. Endlich war Quinn in einer Situation, in der er sich nicht schwächer als sein Gegner fühlte.
Für einen kurzen Moment hatte Quinn vergessen, dass es eine Welt mit Fähigkeiten gibt. Eine Welt, in der Menschen nicht versuchten, sich gegenseitig zu übertrumpfen, nur um was zu beweisen? Ihren Stolz. Er blickte nach unten und sah die beiden Klingen, die in seinem Bauch steckten und von denen Blut tropfte. Fei hatte die Klingen losgelassen und trat einen Schritt zurück, mit offenem Mund, und tat so, als wäre alles, was passiert war, ein Unfall gewesen. Aber Quinn kaufte ihm das nicht ab und er hatte eine gute Vorstellung davon, was gerade passiert sein musste. Als er sich umsah, konnte er ein Lächeln auf Brandons Gesicht erkennen. Quinn ergriff dann die Griffe der beiden Klingen und brach mit seiner Kraft die Spitzen ab. Mit der anderen Hälfte der Klingen, die noch immer in seinem Bauch steckten, ging er auf Fei zu. "Dann willst du also Spiele spielen." sagte Quinn "Dann lass uns Spiele spielen, du hast etwas von meinem Blut genommen, also ist es nur fair, dass ich etwas von deinem nehme." Als Fei diese Worte hörte, konnte er nicht anders, als sich von Quinn zu entfernen. Aber etwas war anders, der Blick in seinen Augen. "Warum zittere ich, er ist nur ein Anwender der Stufe 1, beruhige dich." Als Quinn nur noch wenige Meter von ihm entfernt war, holte er mit seiner Klauenhand aus. "Blood swi…" Doch bevor Quinn seine Fähigkeit aktivieren konnte, wurde seine Hand von einer Klinge weggeschlagen. "Genug, hör jetzt auf", sagte Leo, während er seine Klinge auf Quinn richtete. "Zwei Unrechte machen noch kein Recht." "Und ihr beide denkt wohl, dass euer Plan unbemerkt geblieben ist. Ich kann keine Schüler in meiner Klasse dulden, die sich nicht an die Regeln halten. Ihr könnt eure Waffen hier lassen und seid von nun an von den Kampfklassen in der Waffenhalle ausgeschlossen." In diesem Moment tauchten wie aus dem Nichts zwei Soldaten auf, die an Quinns Seite standen. "Bringt ihn in die Krankenstation und stellt sicher, dass er behandelt wird", sagte Leo. "Wartet!" rief Layla. "Vielleicht sollte ich mit ihm gehen und sicherstellen, dass es ihm gut geht?" "Er ist ein starker Junge, keine Sorge, junge Dame, er kann auf sich selbst aufpassen." Layla war zwar besorgt, dass Quinn verletzt sein könnte, aber das war nicht ihre Hauptsorge. Den Wunden an Quinns Körper nach zu urteilen, hatte er eine Menge Blut verloren. Selbst wenn Vampire mit übernatürlicher Geschwindigkeit heilen könnten, muss diese Energie irgendwo herkommen und bald ersetzt werden. Nachdem er Quinn an beiden Armen gepackt hatte, wurde er nach ein paar Sekunden direkt vor das Büro des Arztes gebracht. "Bitte ruhen Sie sich etwas aus, wenn Sie wieder gesund sind." sagte einer der Männer, bevor er sich wieder teleportierte. "Welch praktische Fähigkeit." Nachdem er sich vergewissert hatte, dass die Männer verschwunden waren, beschloss Quinn, die nächste Toilette auf derselben Etage aufzusuchen. Da fast alle Schüler gerade im Kampfunterricht waren, waren die Flure leer. Der Grund, warum Quinn sich für die Toilette und nicht für die Krankenstation entschieden hatte, war, dass er bereits spürte, dass sich sein Körper erholte. Auch sein Statusbildschirm bestätigte dies. < 12/20 HP > Wie schon zuvor begann sein Körper, sobald Quinn nicht mehr in einem Kampf war, sich unglaublich schnell zu heilen. Quinn sah an sich herunter und es sah so aus, als hätte sein Körper die meisten Wunden bereits geheilt. Allerdings konnte er die Stelle, an der die Klingen steckten, nicht heilen. "Das wird wehtun." Zum Glück hatte Quinn noch seine Handschuhe an, so dass er die Klingen nicht mit bloßen Händen greifen musste. "1, 2, 3", sagte er und zog in einem Zug die Klingen so schnell wie möglich heraus. Der Schmerz war schnell und heftig, und er tat alles, was er konnte, um seine Schreie zu unterdrücken. Schließlich begannen die Wunden um seinen Bauch langsam zu heilen, bis er plötzlich neue Nachrichten erhielt. < Dein Hunger wächst > < Dein Hunger wächst > < 15/20 HP > < Du kannst dich nicht mehr heilen > < Deine HP werden weiterhin um - 1 HP sinken, bis du Menschenblut getrunken hast > Quinn sah sich die Nachrichten an und versuchte herauszufinden, was passiert war. Bei seinen Tests herausgefunden, dass sein Körper alle zwei Tage Blut benötigte. Aber diese Benachrichtigung war gekommen, obwohl Quinn erst heute Morgen Laylas Blut getrunken hatte; er hatte das Zeitlimit noch nicht überschritten. Plötzlich erinnerte er sich daran, wie das Blut seine Gesundheit heilen konnte. Wenn es auf dieselbe Weise funktionierte, bedeutete das, dass sein Körper das Blut als Energie nutzte, um sich zu heilen. Wenn diese Energie in seinem Körper aufgebraucht war, konnte er sich nicht mehr heilen und musste erneut Blut zu sich nehmen. Quinn spürte ein Hungergefühl in seinem Magen und begann, sich im Spiegel zu betrachten: seine Kleidung war blutig und es war ein leichter Schmerz zu spüren, aber er lächelte trotzdem. In diesem Moment bemerkte Quinn auch, dass seine beiden oberen Zähne leicht gewachsen waren. Anders als beim letzten Mal, als er in Panik geraten war, fühlte er sich dieses Mal ruhig. Er hatte sich daran gewöhnt, Blut zu nehmen und er wusste bereits, wer heute Abend seine nächsten Ziele sein würden. Der Hunger war dieses Mal erträglich, vielleicht weil Quinn nicht in einem kritischen Zustand war. Nachdem er in seinen Schlafsaal zurückgekehrt war, warf Quinn seine blutigen Kleider auf den Boden und zog sich eine andere Uniform an. Während sich Quinn umzog, hörte er das Gespräch von zwei Schülern, die den Korridor entlanggingen. "Warum wurde auch ich rausgeschmissen? Du warst doch der Einzige, der eine Fähigkeit benutzt hat." beschwerte sich Fei. "He, du warst doch mit dem Plan einverstanden, als ich dir davon erzählt habe. Warum regst du dich jetzt so auf?" sagte Brandon. "Du hast mich da hineingezogen, weil du gegen einen Level 1 verloren hast. Peinlich." Fei kicherte. In diesem Moment stieß Brandon Fei gegen die Wand des Korridors und hielt ihn am Kragen fest. "Muss ich dich daran erinnern, dass ich einen höheren Level habe als du, Fei? Oder müssen wir kämpfen, damit du deinen Platz lernst?" Fei sagte nichts, bis Brandon schließlich seinen Kragen losließ. Daraufhin beschloss Fei, in die entgegengesetzte Richtung zu gehen, weg von den Schlafsälen. "Ich dachte, wir wären Freunde, Brandon, und kein Lakai, den du kontrollierst, weil ich eine niedrigere Stufe als du habe." Als Brandon dann in seinen Schlafsaal ging, schlug er die Tür hinter sich zu. "Oh, ein Streit unter Liebenden, ausgezeichnet", sagte Quinn, nahm seine Tasche und ging hinaus, um Fei zu folgen. Der Kampfunterricht war zu Ende und die Sonne ging langsam unter. Damit machten sich viele Schüler auf den Weg zurück in ihre Schlafsäle, darunter auch Peter und Vorden. Als die beiden den Raum betraten, weiteten sich Vordens Augen, als er etwas entdeckte. "Ist das Quinns Kleidung?" sagte Peter, als er sie vom Boden aufhob. "Sie sind mit Blut beschmiert, hat er sich beim Training verletzt?" Vordens ganzer Körper zitterte, als er das Blut sah. "Was ist passiert?" dachte Vorden "Haben die Zweitklässler auch ihn ins Visier genommen, oder ist im Training etwas passiert?" "Ich hab dir doch gesagt, dass wir ein Auge auf ihn haben sollten." "Wir hätten die Zweitklässler töten sollen, als wir die Gelegenheit dazu hatten." "Hör auf damit!" sagte Vorden laut. "Huh, Vorden, geht es dir gut?" fragte Peter. Ohne weiter etwas zu sagen, öffnete Vorden die Tür, um nach Quinn zu suchen, aber als er das tat, stand Layla davor, die Hand an der Tür, als ob sie gerade klopfen wollte. "Oh, ist Quinn hier?" sagte Layla. Aber im nächsten Moment packte Vorden Layla an der Hand, zog sie herein und schlug die Tür hinter ihr zu. Vorden drückte Layla sofort gegen die Tür und presste seinen Unterarm gegen ihren Hals. "Sag mir sofort, was mit Quinn passiert ist!"
Als sie sich gegen die Tür des Schlafsaals stemmte, fiel es Layla schwer zu atmen. Vorden drückte mit seinem Unterarm mit unglaublicher Kraft gegen ihren Hals, und sein Gesicht war nur noch wenige Zentimeter entfernt. "Was zum ... Teufel ist los mit dir!" Layla schaffte es, aufzustöhnen. "Hey Vorden, ich glaube, du tust ihr weh?" sagte Peter leise. Vorden drückte plötzlich noch fester gegen ihre Kehle, Layla rang mit aller Kraft um Luft und wenn sie nicht bald etwas unternahm, befürchtete sie, dass sie ohnmächtig werden könnte. "Der Kleine mochte dich nicht, und der andere hat mir gesagt, ich solle mich nicht einmischen, aber am Ende bin ich immer derjenige, der sich um die Dinge kümmern muss", sagte Vorden. Laylas Gesicht färbte sich knallrot, die Adern an ihrem Hals pochten und drohten zu explodieren, während sie nach Luft rang. "Hey! Ernsthaft, Vorden, du gehst zu weit!" brüllte Peter. "Halt die Klappe!" rief Vorden, als er sich umdrehte und Peter ansah. "Mein Name ist auch nicht Vorden!" In diesem Moment sah Layla ihre Chance, der Griff um ihren Hals lockerte sich ein wenig, da Vorden abgelenkt war. Sie griff in ihren Köcher, der an ihrer Hüfte befestigt war, und zog einen ihrer Pfeile heraus. Dann stach sie den Pfeil in den oberen Teil von Vordens Oberschenkel. "Arghh!" Vorden schrie auf, als er zusammenzuckte und Layla losließ. Layla zog schnell einen weiteren Pfeil mit ihrer Telekinese-Fähigkeit heraus und ließ ihn direkt vor Vordens Gesicht schweben. "Wage es nicht, dich zu bewegen, du Psycho!" Sagte Layla, "Ich schwöre, wenn du das tust, werde ich nicht zögern, dir diesen Pfeil direkt in den Kopf zu schießen." Peter geriet angesichts der Situation, die sich vor ihm abspielte, in Panik. Er konnte auf keinen Fall dazwischen springen, er hatte zu viel Angst, selbst verletzt zu werden. "Ich weiß nicht einmal, warum Quinn mich gebeten hat, auf dich aufzupassen, wenn du mich fragst, ist er ohne jemanden wie dich besser dran." "Warte, Quinn hat das wirklich gesagt", sagte Vorden in einem sanften Ton. "Hören Sie, es tut mir leid, was gerade passiert ist, aber ich will nur wissen, was mit Quinn passiert ist." Als Vorden diese Worte sagte, zuckten seine Augenbrauen leicht. Seine Persönlichkeit hatte eine völlige Kehrtwende vollzogen, und Layla wusste nicht, was sie davon halten sollte. Aus irgendeinem Grund sagte ihr etwas, dass dieser Junge gefährlich war, und wenn sie könnte, würde sie nichts mit ihm zu tun haben wollen. Aber im Moment musste sie Quinn finden, wer wusste schon, ob er nicht gerade wieder einen Amoklauf beging. Sie war die Einzige, die Quinns Geheimnis kannte, und Quinn brauchte sie. "Es war nur ein Unfall beim Kampfunterricht heute." Sagte Layla, "Er war nicht in der Krankenstation, also dachte ich, er wäre in seinem Zimmer, aber es sieht so aus, als wäre er schon weg. Ich würde mir keine Sorgen machen." Layla steckte ihren Pfeil zurück in ihren Köcher und verließ eilig den Raum. Kaum war sie weg, zog Vorden den Pfeil mit der kopierten Telekinese-Fähigkeit aus seinem Bein und warf ihn zur Seite. "Hey, alles in Ordnung, Mann, du benimmst dich irgendwie seltsam." fragte Peter. "Ja, mir geht's gut", sagte Vorden. "Sie lügt dich an, hast du gesehen, wie sie losgerannt ist, da stimmt was nicht, lass uns ihr folgen.". "Oder wir könnten versuchen, die anderen Schüler zu fragen, die in denselben Kampfklassen wie Quinn waren, vielleicht können sie uns sagen, wer ihm das angetan hat." "Oh, Rache, das gefällt mir, und auf dem Rückweg kann das hübsche Mädchen vielleicht in einen Unfall verwickelt werden." "Nein, ich habe dir gesagt, dass sie nur Quinns Freundin ist, siehst du nicht, dass sie sich genauso um Quinn sorgt wie wir. Sie ist ein guter Mensch." "Nun, ich mag sie nicht." "Ich stimme zu, wir sollten sie loswerden." "Err Vorden, bist du okay?" fragte Peter erneut. "Du stehst jetzt schon eine ganze Weile da und starrst auf den Boden. "Hm? Ach ja, ich muss nur kurz zum Arzt, um diese Wunde an meinem Bein untersuchen zu lassen. Ich komme wieder, sobald ich kann.". sagte Vordan, als er den Raum verließ und nach draußen ging. **** Quinn war Fei schon eine Weile aus sicherer Entfernung gefolgt, aber es sah nicht so aus, als würde er die Schule verlassen, und die Zeit wurde knapp. < 12/ 20 HP > Wenn er noch mehr Lebenspunkte verlor, würde er sich auf die Suche nach Layla machen müssen und sein Ziel ein anderes Mal finden. Allerdings hatte Quinn das Gefühl, dass er nie wieder eine so gute Gelegenheit wie diese bekommen würde. Es gab nur selten eine Zeit, in der man allein war, und schon gar nicht mit jemandem, gegen den Quinn einen Groll hegte. In diesem Moment begann Fei, die Treppe hinaufzusteigen und ging schließlich bis zur Tür auf dem Dach der Schule. Nachdem er die geschlossene Tür erreicht hatte, bewegte sich Quinn schnell, öffnete die Tür einen Spalt und spähte hindurch. Quinn schaute sich auf dem Dach um und freute sich über sein Glück, denn Fei war die einzige Person, die er dort oben sehen konnte. "Die Glücksfee ist heute auf meiner Seite." Dann holte Quinn die Maske aus seiner Tasche und setzte sie sich auf. Bevor er sich auf das Dach begab, nahm er einen zerrissenen Stofflappen von seiner alten Uniform und wickelte ihn um seine Uhr, um seine Machtstufe zu verbergen. In der ganzen Schule gab es nicht viele andere Benutzer der Stufe eins, die Handschuhe benutzten. Wenn Fei seine Energiestufe auf seiner Armbanduhr sehen würde, wäre das ein eindeutiger Hinweis. Sobald Quinn die Tür öffnete, wusste er, dass das Knarren des Metalls Fei verraten würde, dass noch jemand hier war, er musste alles so schnell wie möglich erledigen. "Fertig und los!" Quinn stieß die Tür auf und rannte blitzschnell zu Fei hinüber. Und als Fei sich umdrehte, konnte er sehen, wie ein mysteriöser maskierter Mann rote Blutspuren in Form einer Klaue hinter sich her zog. "Was zum..." Fei war zu langsam, um zu reagieren, und alles, was er tun konnte, war, seine Hand zu heben, aber der Schlag war extrem kraftvoll, und als die roten Linien seine Haut berührten, zog es sofort Blut nach sich. Es fühlte sich an, als ob fünf scharfe Messer ihn gleichzeitig schneiden würden. Nicht nur das, die Kraft war so stark, dass sie Fei in die Luft schleuderte. Mit seinen 12 Kräften und den zusätzlichen 3 Kräften aus den Handschuhen hatte Quinn nun insgesamt 15 Kräfte, und die Handschuhe erhöhten auch seine Angriffskraft um 5 %, so dass der Angriff viel stärker war, als Quinn vorhergesagt hatte. Fei flog weiter durch die Luft, bis sein Körper auf der Rückseite des Zauns aufschlug, dann brach er auf dem Boden zusammen und wurde bewusstlos. < 11/20 HP > Fei hatte nicht einmal die Chance, seine Fähigkeit zu nutzen, um sich zu wehren. Es war in einem Augenblick vorbei. Blut begann von seinen Armen zu tropfen und bildete eine kleine Blutlache, und bevor Quinn es merkte, waren seine Zähne zu Reißzähnen geworden. Er ging langsam zu Fei hinüber und spürte, wie sein Herz schneller schlug. Die süßen Düfte wurden stärker, aber Quinn kümmerte sich nicht um das Blut, das auf dem Boden lag. Er interessierte sich mehr für die einzelne Vene, die er in Feis Hals pulsieren sehen konnte. Quinn hob Fei leicht vom Boden an und versenkte seine Reißzähne in Feis Hals, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden. Quinn fuhr fort, Feis Blut zu trinken, bis mehrere Benachrichtigungen erschienen waren. < 20/20 HP > < Blutbank wurde mit 100ml gefüllt > < A + Blutgruppe wurde konsumiert > < + 1 Stärke-Status > < 50 Erfahrungspunkte wurden vergeben > Während Quinn die letzten Blutstropfen genoss, hörte er plötzlich, wie die Dachtür geöffnet wurde. "Hm, warum wolltest du mich noch einmal auf diesem Dach treffen?", sagte Loop und rieb sich den Kopf. Als er dann aufblickte. Er sah seinen Freund in einer Blutlache liegen und einen maskierten Mann, der seine Zähne im Nacken seines Freundes hatte. "Du Monster, geh runter von ihm!" brüllte Loop.
Während Quinn Loops Körper auf dem Boden betrachtete, bemerkte er etwas Seltsames. Sein gegenwärtiger Gesundheitszustand betrug 10 HP und sein Körper wurde auf natürliche Weise vom Blut angezogen. Wenn seine Gesundheit niedrig war, bekam er mehr Hunger - das war klar. Doch was ebenfalls passierte, war, dass seine beiden Eckzähne anfingen, sich zu verlängern. Diese Verlängerung erleichterte es ihm, den Hals seines Opfers zu durchbohren. Obwohl Loop blutete, konnte Quinn einfach aus der offenen Wunde trinken. Dadurch würde er jedoch nur einen zusätzlichen Statuspunkt erhalten. Er benötigte eine ordentliche Menge, um auch seine Blutbank aufzufüllen. Beim Einsetzen seiner Zähne in sein Opfer hatte er das Gefühl, instinktiv die beste Stelle zum Entnehmen von möglichst viel Blut zu kennen. Quinn hob Loops Körper vom Boden. Zwischen ihren Gesichtern lagen nur wenige Zentimeter. "Ich weiß nicht, ob es gut oder schlecht ist, dass es mir jedes Mal leichter fällt, das zu tun," sagte Quinn, bevor er seinen Mund weit öffnete und seine Zähne zeigte. Er brachte seinen Mund nah an Loops Hals und biss schließlich hinein. Ein Schwall Blut strömte in seinen Mund - es schmeckte süß. < 20/20 HP wiederhergestellt > < Blutgruppe O verbraucht > < 1 freier Statuspunkt hinzugefügt > < Blutbank aufgefüllt > Quinn hatte ein paar Vermutungen, was die Wirkung der Blutgruppe O sein könnte, aber es war besser, als er es sich vorgestellt hatte. Er öffnete schnell seinen Statusbildschirm, um sofort zu entscheiden, was er mit dem zusätzlichen Statuspunkt anfangen sollte. < Stärke 13 (3) > < Ausdauer 12 > < Geschicklichkeit 13 > Nach einigen Minuten der Diskussion mit sich selbst, entschied Quinn, den Statuspunkt nicht in Ausdauer zu investieren. Wenn er es tätte, würden seine Statuswerte alle gleichmäßig sein. Doch er dachte an all jene Personen, die gerade in dieser Welt stark waren. Sie waren meistens in einem bestimmten Bereich spezialisiert. Er glaubte, dass sein Wachstum schneller wäre, wenn er sich auf Stärke oder Geschicklichkeit spezialisierte. So könnte er weiterhin schwache Gegner besiegen. Wann immer er sie benötigte, könnte er seine Ausdauerpunkte zu einem anderen Zeitpunkt erhöhen. < Geschicklichkeit 14 > Letzten Endes entschied Quinn sich dazu, bei seinem ursprünglichen Plan zu bleiben und seine Punkte in Geschicklichkeit zu investieren. Er stand an Ort und Stelle und betrachtete die Körper der beiden und fragte sich, was er tun sollte. Er war sich ziemlich sicher, dass er während seines Kampfes mit Fei schnell genug gehandelt hatte. Er hoffte, dass Fei nichts gesehen hatte, was ihn verraten könnte, aber das konnte er leider nicht von Loop sagen. Als er anfing, Feis Körper zu untersuchen, bemerkte er, dass die Bissspuren an Feis Hals schon verschwunden waren. "Der Doktor hat das Gleiche über Layla gesagt, vielleicht ist es eine Art Auswirkung meiner Fähigkeiten," dachte Quinn. "Nun, das löst das eine Problem. Aber was mache ich jetzt mit dir?" Quinn betrachtete nachdenklich Loops Körper. Obwohl Quinn seine Maske trug, bestand immer noch die Möglichkeit, dass jemand herausfinden könnte, dass er es war. Schließlich verwendeten nicht viele Schüler Handschützer als Waffe und hätten auch einen Groll, um diese beiden anzugreifen. Quinn hatte jedoch keine Angst, dass seine wahre Identität herauskommen könnte. Nach der Schule war es ihr egal, ob Quinn sie halb tot schlug. Aktionen wie diese waren an der Akademie an der Tagesordnung. Quinn hatte keine Angst, dass Loop allen erzählen könnte, was er gesehen hatte. Selbst wenn er es täte, würde ihm niemand glauben. In der gesamten Geschichte der Fähigkeiten hatte es nie Berichte über eine Fähigkeit gegeben, bei der jemand etwas konsumieren musste, um Macht zu erlangen. Die Macht kam immer von innen heraus. Da sie keine Zeichen an ihrem Hals hatten, die dies beweisen könnten, würden sie wohl ohne Beweise als Verrückte abgestempelt. Inmitten seiner Gedanken wurde Quinn plötzlich aufgeschreckt, als er hörte, wie sich die Tür erneut zu öffnen begann. Quinn reagierte blitzschnell und bereitete sich darauf vor, die Szene zu verlassen, aber er hielt schnell an, als er sah, dass es jemand Vertrautes war, der die Tür öffnete. "Da seid ihr ja," sagte Layla, dann sah sie nach unten und bemerkte die beiden Leichen auf dem Boden. "Wir müssen hier schnell raus, die Wachen werden jeden Moment hier sein!" Quinn hatte sich zu viel Zeit gelassen. Er hatte nicht vor, zwei Leute auszuschalten. Wenn ein Schüler in der Schule k.o. geschlagen oder schwer verprügelt wurde, konnte die Armbanduhr seinen Standort an die Schule senden und sie darüber informieren, dass er verletzt war. Sobald diese Nachricht gesendet wurde, holten die Wachen die Schüler ab und brachten sie ins Krankenhaus. Niemand wusste, wie das Ganze funktionierte, denn es war erstaunlich, dass die Uhr den Gesundheitszustand eines Menschen erkennen konnte. Es gab Gerüchte, dass es sich um die Fähigkeit eines Originals handelte, der die Uhren erschaffen hatte. Quinn und Layla rannten hastig die Treppe hinunter, blieben jedoch stehen, weil sie die Schritte hören konnten, die in ihre Richtung kamen. "Oh nein! Wir können nicht so gehen." Layla begann, sich auf dem Dach umzusehen. "Ich habe einen Plan, schnapp mich und lass uns springen." "Bist du verrückt?" entgegnete Quinn, "Selbst mit meiner Kraft würde ich mir aus dieser Höhe mindestens die Beine brechen und selbst wenn ich mich heilen könnte, spüre ich immer noch den Schmerz!" "Vertrau einfach auf mich, los, ich kann meine Fähigkeit nutzen." Quinn hob Layla trotz seines Protests schnell mit beiden Armen hoch. Mit seiner Kraft fühlte sich Layla so leicht wie nie zuvor. Er sprang auf den Zaun und blickte hinunter – die Schule war unglaublich hoch, mindestens vier Stockwerke hoch. "Ich zähle auf dich", murmelte Quinn, bevor er vom Gebäude sprang. Während das Duo mit unglaublicher Geschwindigkeit vom Dach fiel, schloss Layla die Augen und begann sich zu konzentrieren. Schweiß bildete sich auf ihrer Stirn, und plötzlich verloren die beiden an Geschwindigkeit. Schließlich erreichten sie den Boden. "Hey, das war ziemlich cool, kannst du fliegen?" fragte Quinn fassungslos. "Nein, meine Fähigkeit ist noch nicht so ausgeprägt", antwortete Layla. "Ich kann uns nur verlangsamen. Los, lass uns zurück in unsere Zimmer gehen." Während die beiden zurückgingen, erklärte Quinn, was auf dem Dach passiert war. "Heißt das, du bist nicht besorgt, dass Loop jemandem erzählen könnte, was passiert ist?" "Eigentlich nicht, er hätte nichts davon. Ohne Beweise würde ihm ohnehin niemand glauben. Aber es gibt ein Problem: Wenn er herausfindet, dass ich es war, könnte er mit den anderen zurückkommen und mich angreifen. Ich könnte sie einzeln ausschalten, aber als Gruppe... da hätte ich wahrscheinlich keine Chance." "Das stimmt." Layla antwortete: "Viele Schüler haben bereits ihre eigenen Gruppen und Gangs gebildet, um einander zu schützen. Die einzigen, die übrig bleiben, sind diejenigen, die zu schwach sind, sich etwas anzuschließen. Wie wäre es, wenn du deine eigene Gruppe gründest? Ich könnte so etwas wie ein Unteranführer sein. Natürlich würden wir dein Geheimnis wahren." "Das ist keine schlechte Idee, besonders wenn wir in Zukunft noch mehr ins Visier genommen werden. Vielleicht sollte ich Vorden fragen, ob er jemanden kennt." Als sie diese Worte hörte, verfinsterte sich Laylas Gesichtsausdruck plötzlich. "Dieser verrückte Kerl, ich habe dir doch gesagt, dass er nichts Gutes im Sinn hat, Quinn." "Was ist passiert?" "Es ist besser, wenn du es von deinem Freund Peter hörst. Vielleicht wirst du dann verstehen, wie schlimm es war. Er hat schließlich alles gesehen." **** Im Büro des Arztes lagen die beiden Schüler, die auf dem Dach verprügelt worden waren, auf Krankenbetten. Die einzige Ärztin, Haley, hatte wie immer viel zu tun, besonders nachts, wenn die Wachen die verprügelten Schüler einsammelten. "Wie kann die Schule nur zulassen, dass so etwas passiert? Es muss doch einen besseren Weg geben", dachte Haley. Als sie Fei untersuchen wollte, bemerkte sie, dass er ruhig schlief. Nachdem sie seine Kratzspuren geheilt hatte, gab es nichts Ungewöhnliches mehr. Aber als sie sich Loop ansah, stuß sie auf etwas Beunruhigendes. An einer bestimmten Stelle an Loops Hals befanden sich zwei kleine Einstiche, ähnlich einem Schlangenbiss. Diese Anzeichen hatte sie bereits an einem anderen Schüler gesehen und wie schon damals begann die Wunde bereits sich selbst zu heilen. Haley tippte auf ihre Uhr und wartete, bis eine Verbindung hergestellt war. "Hey General, es könnte sein, dass ein wildes Tier in der Schule herumläuft." "Was, das ist unmöglich, wir haben keinerlei Anzeichen für die Anwesenheit eines solchen Tiers gesehen", antwortete die Stimme auf dem Wachgerät. "Aber es gibt merkwürdige Anzeichen an zwei Schülern, mache mir Sorgen." erklärte Haley, "Würdest du es bitte für mich untersuchen?" "Na gut, was immer du willst, wie könnte ich meiner Tochter etwas abschlagen." Gerade als Haley das Gespräch beendete, stürmten zwei Militärleute mit einem weiteren blutüberströmten Schüler herein. "Beeilen Sie sich, dieser Schüler schwebt in Lebensgefahr!" rief der Wachmann. Sie legten den Schüler schnell auf das Bett, und Haley begann sofort zu arbeiten. Sie versuchte immer wieder, ihre Fähigkeiten einzusetzen, aber es war zwecklos. Der Schüler war schon weit über das hinaus, was gerettet werden könnte. Er starb. Noch einmal tippte Haley auf ihr Armband, um ein digitales Berichtsprotokoll zu öffnen. "Bericht, Todeszeitpunkt wurde auf 21.30 Uhr festgesetzt. Ein Erstsemester namens Brandon Richardson."
Als Quinn wieder in seinem Schlafsaal ankam, war er überrascht, dass weder Vorden noch Peter da zu sein schienen. "Es ist fast Sperrstunde, was treiben die beiden noch so spät draußen?" Es war schade, denn Quinn hatte gehofft, entweder Peter oder Vorden zu fragen, was genau zwischen ihnen und Layla vorgefallen war. Doch es war schon spät und Quinn hatte kaum noch Energie übrig, daher entschloss er sich, vor den anderen schlafen zu gehen. Kaum war sein Körper auf dem Bett gelandet, schlief er auch schon ein. Er hatte sich nicht einmal umgezogen und lag einfach so auf dem Bett, als wäre er ein alter Betrunkener. Ein paar Augenblicke später war Peter der erste, der wieder im Schlafsaal ankam. Er betrat das Zimmer langsam und nahm nicht einmal zur Kenntnis, dass Quinn zurückgekommen war. Er ging langsam zu seinem Bett hinüber, zog sich die Bettdecke über den Kopf und zitterte leicht. Kurz darauf kam auch Vorden an. Er konnte eine Ausbuchtung unter den Laken auf Peters Bett sehen und bemerkte dann, dass Quinn schlief. Als Vorden in Quinns friedliches Gesicht blickte, lächelte er. "Sieht so aus, als ob es dir gut geht", flüsterte Vorden zu sich selbst und fügte hinzu: "Es tut mir leid." Jeder von ihnen hatte seine eigenen Probleme, doch keiner von ihnen wusste von den anderen. Da sie so viel um die Ohren hatten und niemanden, mit dem sie es teilen konnten, mussten sie in dieser Nacht mit ihren inneren Dämonen alleine zurechtkommen. Als Quinn aufwachte, wurde er mit seiner üblichen Morgennachricht begrüßt. <Tägliche Aufgabe abgeschlossen: Vermeide acht Stunden lang direktes Sonnenlicht. > <135/400 Exp> Quinn war zufrieden mit seinem Kraftzuwachs, allerdings konnte er das über die Geschwindigkeit seines Stufenaufstiegs nicht behaupten. Er war derzeit erst auf Stufe drei und verfügte über zwei Fähigkeiten. Anders als andere Fähigkeiten, die eine gewisse Kontrolle ermöglichten, waren Quinns Fähigkeiten eher einmaliger Natur. Wenn Quinn mit den Nutzern von höherstufigen Fähigkeiten mithalten wollte, brauchte er mehr Fähigkeiten. Nach dem Kampf mit Loop gestern wurde Quinn klar, dass er ein paar Dinge brauchte. Das Erste war, dass er besser im Kämpfen werden musste. Obwohl er bisher mit seinen Fähigkeiten gut gegen niedrigstufige Gegner zurechtkam, konnte er das nicht behaupten, wenn es um Gegner ging, die wussten, wie man kämpft. Nur dank Quinns Blutbank konnte er gestern den Kampf gewinnen und rücksichtslos kämpfen. Das bedeutete, dass er einige Fertigkeiten im Nahkampf erlernen musste. Zweitens konnte er nicht jeden Tag gegen Schüler kämpfen. Gestern war es knapp gewesen und er wusste immer noch nicht, ob Loop wusste, dass er es war, der angegriffen hatte. Wenn er das geheim halten wollte, musste er seine nächtlichen Aktivitäten einschränken. Oder stark genug werden, damit er sich nicht auf die Fäustlinge verlassen musste, die ihn verraten würden. Damit hatte er ein neues Ziel vor Augen. Beim Überprüfen des Systems fiel Quinn ein, dass es eine Shop-Funktion gab, die sich erst ab Stufe 10 öffnete. Das war nun Quinns neues Ziel, er hatte keine Ahnung, was der Shop im Einzelnen enthielt, aber bisher hatte ihn das System nicht im Stich gelassen. Als Vorden aufwachte, benahm er sich wie immer, wenn Quinn vor ihm stand. "Hey, hast du gut geschlafen?", fragte Vorden. "Als ich gestern reinkam, warst du völlig ausgeknockt." "Ja, ich war gestern nach dem Kampftraining ziemlich erschöpft." "Ich habe gehört, du hattest einen Unfall, ist alles in Ordnung?" fragte Vorden. "Wie du sehen kannst, habe ich mich vollständig erholt, du musst dir keine Sorgen um mich machen." "Hey, im Ernst, Quinn, wenn du gemobbt wirst oder verletzt bist, sag es mir einfach. Ich weiß, wir haben gesagt, dass wir uns nicht gegenseitig helfen sollen, damit die Schüler im zweiten Jahr sich nicht einmischen, aber mit denen werde ich schon fertig, mach dir keine Sorgen." Quinn lächelte Vorden an. Er konnte nicht verstehen, was Layla so beunruhigte. Der Vorden, der jetzt vor ihm stand, war der Vorden, den Quinn gern hatte. Klar, er schien seine Probleme zu haben und manchmal auszurasten, aber wer tat das nicht? Um die angenehme Atmosphäre zwischen den beiden nicht zu ruinieren, beschloss Quinn, Peter zu fragen, was passiert war, sobald die beiden allein waren. Außerdem könnte er, wenn er Vorden fragen würde, eine einseitige Sicht der Ereignisse bekommen. Als Peter aufwachte, begrüßte ihn Vorden ebenso, aber Peter erwiderte nur wenige Worte. Jetzt benahm sich sogar Peter seltsam, dachte Quinn. "Ist alles in Ordnung, Peter?" fragte Quinn. "Hm, ja, mir geht's gut", antwortete Peter, während er sich etwas verwirrt eine neue Uniform anzog. Die drei machten sich auf den Weg zur Kantine und als sie durch die Gänge gingen, entdeckte Quinn jemanden, den er nicht gleich am Morgen sehen wollte, es war Loop. Als die beiden sich in die Augen sahen, brach Loop sofort der Schweiß aus und seine Hände zitterten unkontrolliert. Als die beiden aneinander vorbeigingen, blieb Loop stehen und rief Quinn zu. "Hey, könnten wir uns unter vier Augen unterhalten?", fragte Loop. Quinn schaute sich sofort um, um zu sehen, ob einer von Loops Freunden in der Nähe war. Wenn Loop nach ihm rief, dann wahrscheinlich, weil er herausgefunden hatte, dass Quinn derjenige war, der ihn und Fei angegriffen hatte. Quinn hatte damit gerechnet, dass sie sich zusammenschließen würden, um ihn anzugreifen, aber er hätte nicht gedacht, dass es so schnell passieren würde. Als er sich umschaute, war jedoch weder Brandon noch Fei in der Nähe zu sehen. Da sie von mehreren Schülern umgeben waren, hielt Quinn es für unwahrscheinlich, dass Loop hier etwas unternehmen würde, und selbst wenn, könnte er sich zumindest verteidigen, ohne seine Fähigkeiten preiszugeben. "Hey, ist alles in Ordnung?" sagte Vorden mit ernster Stimme und hielt den Blickkontakt mit Loop aufrecht. "Ja, alles ist in Ordnung, Vorden, geht schon mal vor, ich komme gleich nach." Als Vorden und Peter sich entfernten, konnte Vorden nicht anders, er schaute immer wieder zurück zu Quinn. Die beiden gingen dann zu einem nahegelegenen Klassenzimmer, das nur den Gang über den Korb hinunter lag. Es war Frühstückszeit, der Unterricht hatte noch nicht begonnen und die Klassenzimmer waren leer. Quinn stellte natürlich sicher, dass er an der Tür blieb, falls Loop angreifen würde. Auf diese Weise konnte er auf den Flur laufen, wo die anderen Schüler waren. Loop stand nervös da und schien zu ringen, seine Worte zu finden, bis er schließlich sprach. "Ich entschuldige mich für gestern", sagte Loop und verbeugte sich. "Ich weiß, dass wir dich im Training verletzt haben und du dich wahrscheinlich rächen willst, aber bitte verzeih mir." Quinn war sprachlos, das war unerwartet und er hatte keine Ahnung, was gerade passierte. "Ich verspreche, dass ich niemandem von deinem Geheimnis erzählen werde, bitte, was auch immer du tust, lass mich am Leben. Ich werde dich nicht mehr belästigen und niemand wird je erfahren, dass irgendetwas passiert ist." Obwohl Quinn den Verdacht hatte, dass all das nur gespielt war, schien es, als sei Loop aufrichtig, oder er war der beste Schauspieler der Welt. Was Quinn allerdings nicht verstand, war, was passiert war, dass Loop sich so verhielt. "Danke, dass du mein Geheimnis bewahrst. Außerdem hege ich keinen Groll gegen dich. Obwohl deine Freunde auf mich losgegangen sind, hast du nichts getan. Du hast nur versucht, deinen Freunden zu helfen", sagte Quinn. "Danke, danke, dass du mich verschont hast", sagte Loop. "Ich verspreche dir, wenn du etwas brauchst, werde ich dir helfen, ich will nur nicht, dass mir dasselbe passiert wie Brandon." "Brandon?" fragte Quinn verwirrt. "Was ist mit Brandon passiert?"
In einem der Schlafsäle wartete Peter geduldig darauf, dass entweder Vorden oder Quinn zurückkamen. Normalerweise wäre er mit Vorden losgezogen, aber die Art und Weise, wie Vorden sich vorhin verhalten hatte, hatte ihn zum Nachdenken gebracht. Selbst wenn Vorden sich Sorgen um Quinn machte, machte es für ihn keinen Sinn, jemanden anzugreifen, sobald er die Tür öffnete. Es war irrational, und nicht nur das, aber irgendetwas stach ihm in diesem Moment ins Auge. Die Tatsache, dass Vorden sagte, dass Vorden nicht sein Name war. Peter war sich nicht ganz sicher, was er damit gemeint hatte. Während Peter damit beschäftigt war, sich über die anderen Gedanken zu machen, klopfte es plötzlich an der Tür. "Sind sie schon zurück?" sagte Peter, als er die Tür öffnete. Als er die Tür öffnete, wollte er sie sofort wieder schließen, aber eine Hand war herausgekommen und hielt die Tür offen. "Sieht so aus, als ob er nicht hier ist?" sagte Momo und sah sich im Zimmer um. Es war Momo, der an der Tür stand, und hinter ihm standen zwei weitere Schüler aus dem zweiten Jahr. Peter hatte kein gutes Gefühl bei dieser Sache. Er erinnerte sich an das letzte Mal, als sie sich getroffen hatten und wie er Vorden eine Verwarnung erteilt hatte. Und nicht nur das, auch einen der Zweitklässler, die hinter Momo standen, erkannte Peter wieder. Als Vorden in die Aula gebracht wurde, stand einer der Zweitklässler draußen als Wache und ließ Peter nicht an ihm vorbei. "Nun, da du der Einzige bist, der hier ist, warum kommst du nicht mit uns?" Momo sagte: "Wir haben etwas vor, und wir denken, du könntest die perfekte Person sein, um uns zu helfen." Peter hatte das Gefühl, dass er keine andere Wahl hatte als zuzuhören. Momo war ein Stufe-Sechs-Anwender. Er war stärker als jeder der jetzigen Erstklässler, und er wusste, wenn er sich weigerte, würde er zur Zielscheibe werden. Früher hätte Vorden ihm helfen können, aber nicht gegen diese Jungs, sie waren zu stark. **** Auf dem Dach der Schule war Loop gerade angekommen und sah, wie sein Freund von etwas festgehalten wurde, das wie eine humanoide Kreatur aussah. Loop und Fei hatten vereinbart, sich auf dem Dach zu treffen, um zu besprechen, in welche Kampfklassen sie wechseln sollten, nachdem er und Brandon rausgeschmissen worden waren. Als Loop auf dem Dach ankam, war er überrascht, seinen Freund dort blutüberströmt liegen zu sehen. Es war dunkel, so dass es schwer war, klar zu sehen, aber als die Kreatur Fei in seinen Armen hielt und in seinen Hals biss, konnte er glühend rote Augen sehen. Loop dachte sofort, dass es sich um eine Art Monster handelte, aber dann bemerkte er, dass das so genannte Monster die gleiche Schuluniform trug wie sie. Ein Gegenstand begann aus Loops Körper zu wachsen. Es war ein langes, dünnes, weißes Knochenstück, das die Größe eines kleinen Schwertes hatte. Er zog es heraus und warf es direkt auf Quinn. Der fliegende Schwertknochen flog direkt auf Quinn zu, aber er schlug ihn mit seiner Hand weg. Fast unmittelbar danach kam ein weiteres Knochenstück auf ihn zu, und dahinter rannte Loop direkt auf ihn zu. In Loops beiden Händen hielt er zwei weiße Knochenschwerter und schwang sie auf Quinn herab. Quinn gelang es jedoch, beide Knochenschwerter zu ergreifen und sie an Ort und Stelle zu halten. Als Quinn versuchte, seine Kraft einzusetzen, um die Knochen zu brechen, geschah überraschenderweise nichts. Das lag an den unterschiedlichen Fähigkeitsstufen. Loop war ein Fähigkeitsbenutzer der Stufe drei. Die spezielle Substanz, die er aus seinem Körper erschaffen konnte, war stärker als die einer Tierwaffe der Grundstufe. Als die beiden festgehalten wurden, merkte Quinn, dass seine Kraft größer war, und begann, Loop zurückzudrängen. Als Quinn begann, Loop zurückzudrängen, holte er schnell tief Luft und blies aus, woraufhin an seinem Körper überall weiße Knochenstacheln erschienen. Die Knochenstacheln hatten es geschafft, Quinns Körper an mehreren Stellen zu durchbohren, aber zum Glück konnte er einem Schlag auf den Kopf ausweichen und seine Hände waren durch die Stulpen geschützt. < 10/20 HP > Es war ein starker Angriff und er hatte Quinn schwer verletzt. Loop zog die Knochenstacheln in seinen Körper zurück und war bereit für den gleichen Angriff. Als er jedoch einatmete, konnte er sehen, wie Quinn seine Hand wie eine Klaue ausfuhr. Loop duckte sich und anstatt ihn zu treffen, ging der Angriff weiter und die roten Linien verschwanden schließlich im Nichts. "Mal sehen, was du unter dieser Maske versteckst", sagte Loop, während er eines der Knochenschwerter in Quinns Fuß stieß und dann ein weiteres auf sein Gesicht richtete. Quinn beschloss jedoch, seine ganze Kraft einzusetzen, um seinen Fuß aus dem Schwert zu ziehen. Das Knochenschwert, das in seinem Fuß steckte, hatte seine Haut durchdrungen und seine Schuhe zerrissen, sein Fuß war nun ein einziges Durcheinander, aber wenigstens war er frei. Quinn tat sein Bestes, um den Schmerz zu ignorieren, und sprang ein paar Meter zurück, um Abstand zwischen sich und Loop zu bringen. Das war schlecht, denn Loop hatte nicht nur eine starke Fähigkeit, sondern war im Gegensatz zu den Leuten, denen er bisher begegnet war, auch ein guter Kämpfer. Quinns schlampige Fähigkeiten würden ihn nicht retten. Sicher, er hatte mehr Kraft als sein Gegner, aber das bedeutete nichts, wenn er ihn nicht treffen konnte. < 5/20 HP> < Blutbank automatisch benutzen > <10/20 HP> < 90 Millimeter übrig in der Blutbank > In fast einem Augenblick war Quinns Fuß geheilt. In diesem Moment fasste er einen Plan. < 20/20 HP> < 70 Millimeter übrig in der Blutbank > Quinn hatte den Rest seines Blutvorrats verwendet, um sich zu heilen. Damit würde er in der Lage sein, die Lücke in seinen Fähigkeiten zu schließen. Solange Quinn nicht einen tödlichen Schlag auf den Kopf bekam, war er sicher, dass das System ihn rechtzeitig heilen würde. Als Quinn dieses Mal nach vorne stürmte, war er nicht mehr zurückhaltend, was den Einsatz seiner Fähigkeiten anging, er führte einen Blutsturz nach dem anderen aus und schwang seine Arme. < 14/ 20 HP > Er hatte insgesamt sechs Blutschleudern in schneller Folge geworfen. Sie waren schnell gekommen, und Loop konnte sich nur mit seinen Knochen verteidigen. Die ersten paar Angriffe waren geblockt worden, aber Loop konnte spüren, wie mächtig sie waren. < 8/20 HP > Nachdem er die ersten sechs Angriffe abgewehrt hatte, dachte Loop, er sei fertig, doch dann kamen sechs weitere Blutschläge, und seine Knochenschwerter hielten das nicht mehr aus und brachen schließlich ab. < 18/20 HP > < 50 Milliliter Blut in der Blutbank übrig> Als er sah, dass Quinn weiter auf ihn zustürmte und seine Knochenschwerter gebrochen waren, gab es nur eines, was Loop tun konnte. Er holte noch einmal tief Luft, und gerade als Quinn nah genug war, stieß er einen Stoß aus, der Knochenstacheln an seinem ganzen Körper erscheinen ließ. Doch Quinn wurde nicht langsamer und rannte weiter direkt in die Knochennadeln, die mehrere Teile seines Körpers durchbohrten, während er Loop mit einem harten Schlag nach hinten schickte. Daraufhin ließ Quinn ein weiteres Sperrfeuer aus Blutstichen los. < 5/ 20 HP> < 10/ 20 HP > < 40 Milliliter Blut in der Blutbank übrig > Als jeder der Bluttupfer Loops Körper erreichte, wehrte er sich, indem er seinen Körper mit Knochen verstärkte, aber es dauerte nicht lange, bis er keine weitere Bestrafung mehr ertragen konnte und zu Boden sackte. < Der Gegner wurde besiegt > < 50 Exp. wurden erhalten > <130/400> Der Kampf war viel härter, als Quinn gedacht hatte. Der einzige Grund, warum er so rücksichtslos sein konnte, war sein Blutvorrat. Quinn wollte gar nicht daran denken, wie er gekämpft hätte, wenn er diese Fähigkeit nicht gehabt hätte. Quinn sah dann wieder zu Fei, der am Boden lag. Es schien, als würden seine Ziele nach einem Biss von ihm für einige Zeit schlafen, was gut war, aber jetzt war es Zeit für ihn, sich an einer neuen Person zu laben. Quinn ging zu Loops Körper hinüber und zauberte seine Fähigkeit Inspect. < Loop Savy > <Fähigkeit: Knochenmanipulation> < HP 1/25> < Blutgruppe: O- > Endlich würde Quinn herausfinden, welchen Nutzen die Blutgruppe O für ihn hatte.
Obwohl Quinn es selbst gar nicht bemerkte, waren die anderen Schüler kaum bei ihren Spielen. Sie alle schauten zu Leo und Quinn. Sie wollten sehen, wie der so genannte blinde Schwertkämpfer sich schlug. Vor allem drei Personen im Raum schenkten allerdings Quinn ihre Aufmerksamkeit. "Seht nur," beschwerte sich Brandon, "er hat bei meinem Kampf geschummelt und jetzt bekommt er eine Sonderbehandlung." "Hat Leo nicht behauptet, er hätte keine Fähigkeiten eingesetzt?" fragte Loop. "Sei doch nicht albern", beschwerte sich Brandon, "natürlich hat er das getan. Er hat es geschafft, eine Waffe eines Biests zu zerbrechen. Hast du das schon mal gesehen? Vielleicht, wenn er eine hochwertigere Waffe gehabt hätte. Aber alle Waffen hier in diesem Raum sind von der gleichen Qualität. "Ja, da stimme ich zu", fügte Fei hinzu, "der Schwächling hat wohl noch nie in seinem Leben einen Kampf gewonnen. Und als er dann die Gelegenheit sah, musste er es einfach ausnutzen." Bevor der Sparringskampf begann, beschloss Quinn, seine Inspektionstechniken zu verwenden. Aber zum ersten Mal in seinem Leben erhielt er überhaupt keine Informationen. "Heißt das, er ist zu stark? Vielleicht sehe ich es, wenn ich meine Fähigkeiten entwickle?" überlegte Quinn. Aber in diesem Moment erhielt er eine neue Nachricht von seinem System. < Ein starker Gegner ist aufgetaucht > < Besiege den Gegner und du erhälst eine Belohnung: sofortiges Level-Up > Plötzlich begann Quinns Blut in Aufregung durch seinen Körper zu pulsieren. Er wollte Leo nicht unterschätzen, aber wenn der Kampf zu einfach zu sein schien, würde er etwas zurückhaltender sein, um keinen Verdacht zu erregen. Aber mit einer solchen Belohnung würde Quinn sich später eine Erklärung einfallen lassen. Jedes Mal, wenn Quinn ein Level aufstieg, schien sich die Exp-Anforderung zu verdoppeln. Das machte es für ihn immer schwieriger, aufzusteigen. "Was ist los?" fragte Leo. "Ach, nichts, tut mir leid", sagte Quinn und ging in Kampfstellung. "Also gut, Schüler, die Minute beginnt, JETZT!" rief Leo. In dem Moment konnte man im ganzen Raum das Klirren von Waffen hören. Aber diejenigen, die näher bei Leo und Quinn waren, entschieden sich dafür, es ruhiger angehen zu lassen, um den Kampf beobachten zu können. Das schloss auch Brandon und seine Gruppe ein. Kaum hatte der Kampf begonnen, stürmte Leo mit einem Schlag ein, aber er war nicht so schnell, dass Quinn ihn nicht abfangen konnte. Er blockte den ersten Schlag ab und wehrte ihn ab. Doch gleich darauf folgte ein weiterer Angriff, den Quinn aber ebenfalls abwehren konnte. "Etwas schlampig und grob, aber deine Reflexe sind gut", sagte Leo. "Jetzt gehen wir eine Stufe höher." Aber bevor Quinn wieder zu Atem kam, griff Leo erneut mit seiner Klinge an - diesmal aber noch schneller als zuvor. Doch dank Quinns Bewegungsfähigkeiten konnte er immer noch mithalten. "Ha, ha, ich kann es kaum glauben, dass ich tatsächlich Spaß beim Kämpfen gegen einen Schüler habe", lachte Leo. Und der nächste Angriff von Leo war sogar noch schneller. Dieses Mal sah es so aus, als würde Quinn einfach herumgeworfen werden. Alle Schüler, die von draußen zusahen, dachten, Leo würde mit ihm spielen, aber Leo war wirklich beeindruckt. Obwohl Quinn ziemlich dämlich aussah, konnte er jeden seiner Angriffe abwehren. "Versuch das mal," rief Leo. Der Angriff mit Leos Katana kam von unten. Quinn streckte beide Hände aus, um den Angriff zu blockieren, aber plötzlich schien die Klinge wie durch seine Hände zu gleiten. Bevor Quinn es sich versah, war die Klinge direkt unter seinem Kinn. "PIEP, PIEP, PIEP." "Oh, sieht so aus, als wäre unsere Zeit um", sagte Leo. "Wahrscheinlich Level 14 oder 13, das ist ziemlich gut für einen Erstklässler." Quinn bewunderte den Waffenlehrer. Anfangs hatte er nicht viel Respekt vor den Lehrern in der Schule. Sie machten ihren Druck geltend und sagten den Schülern, sie sollen härter werden und stärker werden. Aber Quinn hatte das Gefühl, dass Leo anders war. Quinn merkte nun, dass Leo jederzeit in der Lage gewesen wäre, ihn in einem Kampf zu besiegen. Leo hatte ihn nur getestet, um zu sehen, wie stark er war. Quinn hatte auch erkannt, dass es nicht ausreicht, nur stärker und schneller zu werden. Er musste auch lernen, wie man richtig kämpft. "Bitte, könntest du mir beibringen, wie man kämpft?" bat Quinn, während er sich verbeugte. "Ich bin leider nicht auf die Waffe spezialisiert, die du gewählt hast. Obwohl ich denke, dass sie gut zu deinem Kampfstil passt und du anscheinend schon Erfahrung im Nahkampf hast", erklärte Leo. "Ich kann dir allerdings etwas vorschlagen. Es gibt ein sehr beliebtes VR-Kampfspiel, das die Militärschüler aller anderen Schulen spielen. Du musst zuerst einmal Erfahrung sammeln. Der Einsatz von Fähigkeiten ist im Spiel erlaubt, was es für dich vielleicht nicht einfach macht. Aber ich denke, es wird eine gute Erfahrung für dich sein." "Vielen Dank", sagte Quinn und verbeugte sich erneut. "Oh, und bevor ich es vergesse, es ist schon eine Weile her, dass ich so viel Spaß hatte. Als Belohnung kannst du die Handschuhe behalten. Wenn du in der Zukunft besser wirst, kannst du mich jederzeit herausfordern. Ich kämpfe gerne wieder gegen dich", sagte Leo und ging zurück zur Mitte der Waffenhalle. Nachdem sie den Kampf gesehen hatten, waren viele Schüler ziemlich enttäuscht. Sie hatten gehofft, dass Quinn, nachdem er so gut gegen Brandon gekämpft hatte, auch gegen Leo etwas ausrichten könnte. Aber für sie sah es nur so aus, als würde Leo mit Quinn spielen und ihn wie eine Stoffpuppe herumschleudern. Brandon kam dann auf eine geniale Idee und flüsterte seinem Freund Fei ins Ohr. "Gut, Schüler, es ist Zeit für die nächste Paarung," rief Leo. Da war Brandon aufgestanden und hatte Layla, die Quinn zu einem Kampf herausfordern wollte, zuvorgekommen. "Hättest du etwas dagegen, wenn wir zwei eine Runde spielen?" fragte Brandon. Layla zuckte verächtlich mit den Zähnen, aber sie hatte keinen wirklichen Grund, nein zu sagen. Schließlich würde es nur eine Minute dauern. Dann ging ein anderer Schüler, Brandons Freund Fei, zu Quinn und sprach ihn an. "Ich würde gerne dein nächster Gegner sein", bat Fei, während er seine beiden Kurzschwerter zog. "Ich sehe keinen Grund, warum nicht", sagte Quinn. Quinn hatte nicht allzu viel dagegen. Bisher hatte er für jeden neuen Gegner, den er besiegte, 50 Exp bekommen. Und das war jetzt die beste Gelegenheit, die er in der Waffenhalle hatte, wo die Leute ihre Fähigkeiten nicht einsetzen durften. "Und bitte, beginnt!" rief Leo. Fei schien einige Erfahrung im Umgang mit den Duellschwertern zu haben. Sein Bewegungsfluss war natürlich und er konnte seine Angriffe gut von einem zum nächsten folgen. Aber nach dem Kampf mit Leo schienen die Angriffe einfach zu langsam. Quinn konnte den Weg jedes Schlages sehen. Aber wie Leo gesagt hatte, war das Wichtigste für Quinn die Erfahrung. Also beschloss er, sich nicht auf seine übernatürliche Kraft zu stützen und den Kampf sofort zu beenden. Quinn entschied, dass er noch ein wenig länger kämpfen wollte. Unterdessen schien Brandon in Laylas und Brandons Kampf nicht viel zu tun. Er stürmte nicht vor und griff nicht an, er wich nur Laylas Pfeilen aus. Es war, als ob er mit seinen Gedanken ganz woanders war. In diesem Moment hörte man ein Geräusch. Fei stürmte auf Quinn zu und gab einen kleinen Kampfschrei von sich. Das war das Signal für Brandon, zu handeln. Brandon hob daraufhin seine Hand und warf im richtigen Moment seinen Windstoß direkt hinter Quinns Rücken. Quinn sah Feis Klingen und wollte blockieren, doch da spürte er, wie eine starke Kraft ihn von hinten stieß. Sie brachten ihn aus dem Gleichgewicht und gleichzeitig stießen Feis Klingen direkt in Quinns Bauch. <10/20 HP> "Du... Bastar... " stöhnte Quinn.
Als Quinn den blonden Mann in dem Video genau beobachtete, bemerkte er mehrere Merkmale, wie sie in Fantasy-Romanen beschrieben wurden. Sie deuteten alle darauf hin, dass der große Mann ein Vampir war. Die gespenstisch blasse Haut, das bemerkenswerte Aussehen und schließlich die roten Augen. Aber nicht nur das, der Mann im Video erklärte auch, dass Quinn einer von ihnen sei. Wenn Quinn versuchte, die Bedeutung hinter seinen Worten zu verstehen, sagte der Mann, er sei ein Vampir. Aber der Mann benutzte auch einige andere eigenartige Formulierungen. Wie die Tatsache, dass er nicht wusste, wie viel Zeit vergangen war. Bedeutete das, dass das Video vor langer Zeit aufgenommen wurde? War der Mann im Video noch am Leben? Vorerst musste Quinn die vielen Fragen, die er hatte, beiseitelegen, da er nichts tun konnte, um eine Bestätigung zu erhalten. Das Video spielte weiter und der große blonde Mann begann erneut zu sprechen. "An wen auch immer dieses Video gezeigt wird. Ich werde eine Reihe von Fähigkeiten demonstrieren, die du in deinem aktuellen Level ausführen können solltest. Unsere Art und Fähigkeiten sind am besten, wenn wir eine Waffe benutzen, die unsere Hände bedeckt." Er nahm dann eine Kampfhaltung ein. "Ich werde zwei grundlegende Bewegungsabläufe zeigen. Es liegt an dir, sie zu lernen und herauszufinden, wie du sie im Kampf anwenden kannst. Wenn du sie vergisst, kannst du dein System jederzeit öffnen und die Videos erneut ansehen." "Die erste Technik ist eine defensive. Ich nenne sie 'Blitzschritt'. Um diese ausführen zu können, musst du laut Systemeinstellungen mindestens 15 Punkte Agilität haben." Der Mann führte dann den Blitzschritt aus. Er hockte sich hin und bewegte sich blitzartig in eine andere Ecke des Raumes. Gleichzeitig wurde eine Nachbildung von ihm gezeigt. "Diese Fähigkeit verbraucht eine Menge Ausdauer. Selbst wenn du genug Agilitätspunkte hast, um diese Fertigkeit auszuführen, musst du darauf achten, dich nicht zu überlasten. Ich würde sie nur einsetzen, um einem tödlichen Schlag auszuweichen oder einen Angriff zu starten. Beachte bitte auch, dass die Bewegung, obwohl sie sehr schnell und mit bloßem Auge kaum zu erkennen ist, dich höchstens fünf Meter weit bewegen kann." Als Quinn die Technik sah, wurde ihm sofort klar, wie praktisch es wäre, so eine Fähigkeit zu besitzen. In seinem letzten Kampf gegen Loop hätte er einige Schläge in letzter Sekunde ausweichen können. Schade nur, dass Quinn momentan nicht genug Agilitätspunkte hatte, um die Technik zu üben. "Die nächste Fähigkeit, die ich dir zeige, ist der 'Hammerschlag'". Der Mann nahm erneut eine Kampfhaltung ein. Dieses Mal hob er seinen rechten Fuß und knallte ihn auf den Boden, während er gleichzeitig seine linke Hand zurückzog und seine rechte Hand ausstreckte. Alles passierte in einer fließenden Bewegung. Quinn konnte auf dem Video erkennen, dass sich die Luft leicht bewegt hatte. "Cool, oder?", sagte der Mann lächelnd. "Auch für diese Fertigkeit brauchst du mindestens 15 Stärkepunkte. Das war's für heute. Wenn du bereit bist, wird der nächste Satz an Hand-zu-Hand-Kampfklassen für dich freigeschaltet. Wenn du eine verlangsamte und detailliertere Version dieser Videos möchtest, werden sie in deinem System gespeichert sein. Viel Glück, mein Freund, und alles Gute." Nachdem der Mann gesprochen hatte, endete das Video sofort. Als Quinn sein System öffnete, sah er eine zusätzliche Registerkarte mit der Aufschrift "Tutorial". Darin befanden sich zwei Videos der Fähigkeiten, die er gerade gezeigt bekommen hatte. Beim Anschauen der Videos stellte er fest, dass es genau so war, wie der Mann gesagt hatte. Die Videos enthielten verlangsamte Versionen der kürzlich vom Mann vorgeführten Fähigkeiten. Es gab sogar detaillierte Kommentare darüber, wie die Fähigkeiten funktionieren und was man tun muss. Quinn fragte sich, wer dieser Mann war. Die Art und Weise, wie er sprach, deutete deutlich darauf hin, dass er das System kannte. War er etwa der Schöpfer des Buches, das Quinns Eltern ihm hinterlassen hatten? Es war für Quinn schwierig, sich an eine Begegnung mit jemandem wie dem Mann im Video zu erinnern. Er konnte sich nicht einmal genau an das Aussehen seiner Eltern erinnern. Was auch immer es war, er war froh, dass das System anfing, ihm mehr zu helfen. Er hatte das Gefühl, dass das System ihm anfangs einige Schwierigkeiten bereitet hatte, indem es ihm Aufgaben zum Bluttrinken gab und ihm Nachteile auferlegte, wie etwa die Halbierung seiner Werte in der Sonne. Aber jetzt war Quinn mehr denn je froh, dass er das System entdeckt hatte. Quinn begann sofort, sich das Video vom Hammerschlag anzusehen. Solange er die Stulpen trug, hatte er technisch gesehen mehr als 15 Stärke. Er war sich nicht sicher, ob das zählte, aber es schadete nicht, es zu versuchen. Jedoch, während Quinn sich das Video ansah, trat Leo an ihn heran. "Quinn, ich habe leider einige schlechte Nachrichten", sagte Leo. Das war der Moment, in dem Quinn bemerkte, dass hinter ihm zwei Militärs standen. "Sie müssen diesen Männern folgen; sie haben einige Fragen an Sie. Machen Sie sich keine Sorgen, ich werde Ihnen folgen." Mit diesen Worten hielt ein Wächter Quinn fest, während der andere Leo festhielt. "He, was passiert dort drüben?", sagten die Schüler und bemerkten die Aufregung. "Wird er irgendwohin gebracht?" "Schüler, wir werden gleich zurück sein", sagte Leo. "Bitte macht weiter und falls ich bemerke, dass jemand von euch nachlässig ist oder gegen die Regeln verstößt, kennt ihr die Konsequenzen." Einige Augenblicke später wurden die beiden in einen kleinen quadratischen Raum teleportiert. Es gab keine Fenster, nur ein paar Lichter über ihnen. In dem Raum stand ein einzelner Tisch, auf der einen Seite saß eine verhüllte Frau, auf der anderen Seite stand ein leerer Stuhl. Hinter der Frau stand ein Mann, der einen Generalsrang auf seiner Kleidung trug. "Bitte setzen Sie sich", sagte der General. Quinn tat, wie ihm geheißen, und setzte sich auf den leeren Stuhl. Aber angesichts der Atmosphäre im Raum wurde er nervös. "Schau nicht so besorgt drein, Junge.", sagte der General. "Solange du nichts Falsches getan hast, brauchst du dir keine Sorgen zu machen."
Nach dem Tonfall von Vorden zu urteilen, schien es, als würde er jeden Moment ausrasten, und Layla war darauf vorbereitet. Sie hielt ihre Sinne in höchster Alarmbereitschaft und war bereit, ihre Fähigkeit jeden Moment einzusetzen. Selbst Quinn war sich nicht sicher, was Vorden vorhatte. "Vorden, ist es wahr, was Layla gesagt hat, hast du sie angegriffen?" fragte Quinn mit sanfter Stimme in der Hoffnung, die Situation zu entschärfen. Nachdem er Quinn gehört hatte, hörte Vorden auf zu zittern und hob seinen Kopf. "Als ich Quinns Blut sah, dachte ich, dass der Angreifer vielleicht zurückgekommen war, um sich zu rächen. Ich dachte, du wärst gekommen, um mich und Peter ebenfalls anzugreifen." Vorden erklärte: "Ich weiß nicht, ob du das weißt, aber Peter ist nur Stufe eins, und obwohl mein Indikator anzeigt, dass ich Stufe fünf bin, muss ich Menschen berühren, um meine Fähigkeiten zu nutzen. Als ihr durch die Tür kamt, hatte ich keine andere Wahl, als zuerst zu handeln." "Wie können wir dir überhaupt glauben?" sagte Layla, immer noch verärgert über die ganze Sache. Es war ihr klar, dass Vorden labil war. Es war, als ob seine Stimmung und sein Gemüt ständig wechselten. Eben noch hatte sie das Gefühl, dass Vorden sie wieder angreifen würde, und plötzlich war er ganz ruhig, das kaufte Layla ihm nicht ab. Aber auch Quinn hatte das Gefühl, dass Vorden sich seltsam verhielt, es schien, als ob Vorden ständig versuchte, etwas zu verbergen. Als Vorden gefragt wurde, was zwischen ihm und den Zweitklässlern vorgefallen war, und auch jetzt, was zwischen ihm und Layla passiert war. "Ich lasse dich erst einmal in Ruhe", sagte Vorden, "es tut mir leid, was passiert ist. Quinn, wenn du irgendetwas brauchst, lass es mich einfach wissen." Dann erhob er sich von seinem Platz und ließ die beiden allein. "Verstehst du, was ich meine?" Layla sagte: "Der Mann ist labil, ich verstehe, dass er dich vielleicht ein paar Mal beschützt hat und dir noch nichts getan hat, aber jemand wie er kann dich jederzeit verletzen." Quinn wusste, dass das, was Layla sagte, richtig war. Es war nicht das erste Mal, dass Quinn gesehen hatte, wie Vorden um sich schlug, und es sah auch nicht so aus, als wäre es das letzte Mal gewesen. Aber aus irgendeinem Grund hatte Quinn keine Angst vor Vorden wie die anderen. Alle Aggressionen, die Quinn spürte, waren nie gegen ihn gerichtet. Auf dem Flur, als Vorden auf dem Weg zu seinem Elementarkampfkurs war, beschloss er, auf dem Weg dorthin schnell in ein leeres Klassenzimmer zu gehen. Er lehnte sich an die Wand und holte tief Luft. Als er auf seine Hand blickte, war Blut zu sehen. Vorden hatte seine Faust so fest geballt, dass sich seine eigenen Fingernägel in seine Handfläche gebohrt hatten. "Warum hast du dich mir in den Weg gestellt, wir hätten dem Mädchen eine Lektion erteilen können." "Was habe ich dir gesagt, dass wir nur deinetwegen in diesem Schlamassel stecken. Du hast sie angegriffen. Es ist unsere Schuld, um es vorwegzunehmen." "Gut, aber du verstehst, wenn du uns weiter unterdrückst, wird die Wut des Kleinen nur noch größer. Je mehr er denkt, dass Quinn versucht zu fliehen, desto wütender wird er und dann übernimmt er die Kontrolle. Es gibt nichts, was du und ich tun können." "Ich werde es nicht so weit kommen lassen." "Es tut mir leid, Quinn, dass ich dich da mit hineingezogen habe, aber du hattest einfach Pech, dass die Kleine dich ausgewählt hat." Nach dem Frühstück war es für Layla und Quinn an der Zeit, sich auf den Weg zu ihrem Tierwaffenkurs zu machen. Als sie den Raum betraten, waren Fei, Brandon und Loop nirgends zu sehen. Natürlich waren Fei und Brandon aus dem Kurs ausgeschlossen und Loop hatte beschlossen, in einen anderen Kampfkurs zu wechseln. Loop wollte einfach so weit wie möglich von Quinn entfernt sein. Leo stand an der Spitze der Klasse und war bereit, seine Anweisungen für den heutigen Unterricht zu geben. "Die heutige Stunde wird eine Einzelübung sein. Ihr habt in den letzten Tagen mit eurer Waffe gekämpft. Jetzt müsst ihr lernen, wie ihr den Dreh raus habt. Wie ihr sie zu einem Teil von euch machen könnt. Vielleicht kommen dir einzigartige Ideen, wie du deine Fähigkeiten mit der Waffe kombinieren kannst. Morgen sollt ihr dann die harte Arbeit von heute in die Praxis umsetzen." Mit diesen Worten ging jeder mit seiner Waffe in einen separaten Raum. Einige der Schüler setzten sich hin und überlegten, wie sie ihre Fähigkeit mit ihrer Waffe einsetzen könnten. Ein Schüler hüllte seine Peitsche in Flammen und machte daraus eine Feuerpeitsche, ein anderer hielt einen Schild und schaffte es, seine Form zu verändern und Stacheln zu bilden. Quinn hingegen hatte keine Ahnung, was er tun sollte. Seine einzige Fähigkeit war einfach zu benutzen und es gab nicht viel zu tun, außer seine Hand zu schwingen, aber was Quinn mehr als alles andere tun wollte, war zu lernen, wie man kämpft. "Ich wünschte, es gäbe jemanden, der mir beibringen könnte, wie man diese Dinger benutzt", sagte Quinn und seufzte. < Antrag auf Kampfunterricht aktiviert > < Eine geeignete Waffe ist gerade in Gebrauch > < Hand-zu-Hand-Kampf Lv. 1 wird jetzt gezeigt > In dem Moment, als Quinn diese Worte sagte, schien er etwas im System aktiviert zu haben. Vor seinen Augen begann ein Video zu laufen. Quinn schaute sich schnell um, um zu sehen, ob irgendjemand anderes sehen konnte, was er sah, aber er schien der Einzige zu sein. In dem Video stand ein einzelner großer, langhaariger, blonder Mann in einem großen, leeren Raum. An seinen beiden Händen trug er zwei Stulpen, die denen von Quinn ähnelten, aber viel mächtiger aussahen, und seine Schönheit war unübertroffen. Etwas, das Quinn noch nie über einen Jungen gesagt hatte. Es gab noch etwas, das Quinn auffiel, und das waren seine stechend roten Augen. "Hallo und herzlich willkommen zum Hand-zu-Hand-Kampfkurs für Anfänger", sagte der blonde Mann mit fröhlicher Stimme. "Ich weiß nicht, wie viel Zeit vergangen ist, aber wenn Sie auf dieses Video gestoßen sind, bedeutet das, dass Sie einer von uns sind. Und ich hoffe, dass die Informationen, die hier vermittelt werden, in der heutigen Zeit nicht nutzlos sind." Das Aussehen des Mannes und seine Worte ließen Quinn darüber nachdenken, wer genau der Mann im Video war, und er hatte guten Grund zu der Annahme, dass er ein Vampir war.
Ein Millionen Gedanken überschlugen sich in Quinns Kopf. Hatten sie etwas über seine Fähigkeit herausgefunden? Wollten sie ihn zwingen, sie preiszugeben und auszuhändigen? Oder hatte Loop sie informiert, dass er Brandon getötet hatte und sie wollten ihn nun dafür zur Rechenschaft ziehen? Obwohl Quinn sein Bestes gab, um sich zu beruhigen, war es nahezu unmöglich. Als er auf dem Stuhl saß, spürte er, wie sein Herz pochte, als wolle es aus seiner Brust springen. "Beruhige dich, Junge", sagte Leo, "ich glaube, sogar die anderen können deinen Herzschlag hören." "Nun, bevor wir beginnen, möchte ich Sie über einige Dinge informieren", sagte der Sergeant. "Ein Schüler namens Brandon Richardson ist kürzlich verstorben. Euer Lehrer hat mich informiert, dass er und ein anderer Schüler namens Fei Lan euch gestern während des Kampftrainings angegriffen haben. Nun ist nicht nur einer dieser Schüler gestorben, Fei wurde auch letzte Nacht ins Krankenhaus eingeliefert." Es hatte also doch etwas mit dem Tod Brandon zu tun. "Wir haben derzeit keine Hinweise darauf, was mit Brandon passiert ist, und das hat uns letztendlich zu Ihnen geführt. Auch wenn es schwer zu glauben ist, dass jemand ohne Fähigkeiten so etwas tun könnte, gibt es immer einen Weg. Die Dame, die Ihnen hier gegenüber sitzt, hat die Fähigkeit, zu erkennen, ob jemand die Wahrheit sagt oder nicht. Bitte, machen Sie nun weiter, wie sie es verlangt." "Schon gut", sagte die Frau, "Sie müssen nur Ihre Hand auf meine legen." Als Quinn seine Hand auf die ihre legte, durchströmte ihn plötzlich ein beruhigendes Gefühl. < Eine Fähigkeit wurde entdeckt > < Benutzers Fähigkeit kann nicht verhindert werden > "Hast du Brandon Richardson letzte Nacht getötet?" fragte sie. Das beruhigende Gefühl erlaubte es Quinn, ganz natürlich zu antworten. Er hatte das Gefühl, als ob er plötzlich auf Wolken schweben würde. "Nein, das habe ich nicht." Die Frau hielt Quinns Hand weiterhin fest und ließ sie schließlich los. "Er sagt die Wahrheit." "Wie ich schon sagte, ich konnte mir nicht vorstellen, dass er so etwas tun würde", sagte Leo, "Wie sollte das auch möglich sein, er ist gerade mal auf Stufe eins." "Es scheint, dass wir keine weiteren Hinweise haben. Es ist schade, aber solche Unfälle passieren von Zeit zu Zeit. Sie sind zu erwarten", sagte der Sergeant. "Es tut mir leid, dass ich Ihre Zeit verschwendet habe. Sie können gerne zurück zum Unterricht gehen." Als das Verhör beendet war, packten die beiden Wachen Leo und Quinn wieder am Arm und wenige Momente später wurden sie zurück in die Waffenkammer teleportiert. "Junge, dein Herzschlag ließ mich langsam zweifeln, dass du etwas zu verbergen hättest. Aber ich bin froh, dass du nicht der Täter bist", sagte Leo, "sonst hätte ich einen vielversprechenden Schüler verloren." Mit diesen Worten begann Leo, durch den Raum zu gehen und Ratschläge an die anderen Schüler zu verteilen. In diesem Moment kam Layla zu Quinn herüber. "Was ist passiert? Ist alles in Ordnung?" "Ja, es scheint so, zumindest vorerst", antwortete Quinn. Quinn erklärte Layla, was bei der Befragung passiert war. Zuerst war sie schockiert, als sie hörte, dass Brandon gestorben war, aber sie war froh zu hören, dass Quinn nun völlig von jedem Verdacht befreit war. Aber als sie weiter darüber nachdachte, begann sie sich zu fragen, wer bei klarem Verstand einen Schüler töten und aus welchem Grund tun würde. "Hei, Quinn. Du wirst vielleicht nicht mögen, was ich jetzt sage, aber meinst du, Vorden könnte es getan haben?" "Wie kommst du darauf? Ist zwischen Vorden und Brandon etwas passiert?" "Nein, ich meine, findest du es nicht merkwürdig, dass Vorden dich überhaupt angesprochen hat? Er ist ein Level-5-Anwender und du bist nur auf Level 1. Als er mich neulich angegriffen hat, hat er ständig von dir geredet. Und glaub mir, der Kerl scheint verrückt genug zu sein, um so etwas zu tun." "Wirklich? Aber warum? Ich und Vorden kennen uns nicht lange. Glaubst du wirklich, dass jemand so weit gehen würde, nur für so etwas?" "Ja, auch wenn ich denke, dass er verrückt ist, glaube ich nicht, dass er so verrückt ist." In der Folge haben die beiden ihren Kampfunterricht fortgesetzt. Obwohl Quinn sein Bestes gab, um den Hammerschlag zu erlernen, konnte er sich nicht konzentrieren. Er musste immer wieder an die Worte denken, die Layla gesagt hatte. Momentan gab es keine Verdächtigen für Brandons Tod und Vorden hatte sich ein paar Mal seltsam benommen. Und dann war da noch die Tatsache, dass Vorden gestern Nacht nicht in seinem Zimmer war, als Quinn zurückkam. Was konnte er nur so spät noch gemacht haben? Als der Kampfunterricht zu Ende war, beschlossen Layla und Quinn, noch eine Weile miteinander zu verbringen. Sie wollten ein paar Tests mit Quinns Fähigkeit durchführen. Quinn wollte einen Weg finden, um die Auswirkungen der Sonne auf ihn abzuschwächen und mehr darüber zu erfahren. Layla hingegen wollte sehen, ob es eine Möglichkeit gibt, dass sie zu einem Vampir verwandelt werden könnte. Aber als sie die Waffenkammer verließen und in das Parterre traten, wurden sie und einige andere Erstklässler gestoppt. Die Menschen, die sie stoppten, waren Schüler aus der zweiten Klasse und sie hatten alle Erstklässler gebeten, sich in der Aula zu versammeln. "Was geht hier eigentlich vor?" fragte Layla. "Ich habe keine Ahnung", antwortete Quinn. Natürlich waren die Schüler aus dem zweiten Jahr mächtig und die Schüler aus dem ersten Jahr hatten keine andere Wahl, als zuzustimmen. Selbst die mächtigeren Schüler hatten zugestimmt, aus Angst, dass sonst etwas passieren könnte. Etwa hundert Erstklässler hatten sich in der Aula versammelt, um sie herum war kein einziger Lehrer, sondern nur einige Schüler aus dem zweiten Jahr. Oben auf der Bühne waren die Vorhänge zugezogen und davor stand Momo. "Ich begrüße jeden einzelnen von euch", sagte Momo, "Heute haben wir eine spezielle Veranstaltung, eine besondere Botschaft für alle Erstjahresstudenten. Es scheint, dass jemand versucht, sich gegen uns aufzulehnen, weil er denkt, er könne das wertvolle System, das dieser Schule seit Jahren besteht, zerstören. Ich bin hier, um euch zu sagen, dass dies das Schicksal derer ist, die nicht gehorchen." Momo zog an einer Schnur und die Vorhänge auf der Bühne begannen sich zu öffnen. Als sich die Vorhänge langsam öffneten, kam ein Schüler zum Vorschein, der gefesselt und auf ein großes Stück Holz gelegt worden war. Er war blutüberströmt und überall waren Spuren von Schlägen zu sehen. "Vorden?!" rief Quinn.
Zunächst war Loop verwirrt über die Worte, die Quinn gesagt hatte. Dazu gab es zwei mögliche Gründe. Entweder tat Quinn nur so, als wüsste er nichts, oder Brandon war noch am Leben, als er ins Krankenhaus kam. Dementsprechend war Quinn der Überzeugung, dass Brandon noch lebte, nachdem er ihn angegriffen hatte. "Sieh mal, ich verspreche, dein Geheimnis zu bewahren", erklärte Fei. "Ich weiß, du hast Fei angegriffen, das muss im Waffenraum passiert sein. Denn wer sonst würde ihn angreifen und Handschuhe wie du tragen? Daher hast du dich entschieden, Brandon als nächsten zu attackieren, nachdem du mit mir fertig warst. Ich will nur ganz normal Schule weiterleben, ich möchte keinen Ärger. Ich verstehe nicht, warum du dich hinter deiner falschen Machtstufe versteckst, aber bitte, ich möchte nicht hineingezogen werden und werde dir aus dem Weg gehen." Quinn versuchte sein Bestes, um die Informationen zu verarbeiten, die ihm gerade mitgeteilt worden waren. Ein Schüler war gestorben und ehrlich gesagt wusste er nicht, welche Maßnahmen oder Strafen im Fall eines Schülertodes ergriffen würden, und er wollte es auch nicht herausfinden. Wenn die anderen Schüler von den Angriffen auf Fei und Brandon erfahren würden, würde man natürlich annehmen, dass Quinn Rache genommen haben könnte. Das Einzige, was sie daran zweifeln lassen würde, war die Tatsache, dass er nur ein Schüler der Machtstufe 1 war. Im Moment war Loop der Einzige, der sein Geheimnis kannte - kein Wunder, dass er Angst vor ihm hatte. Mit all diesen Informationen fand es Quinn am besten, vorerst mit zu spielen. "Du brauchst dir keine Sorgen zu machen", sagte Quinn. "Wie du gesagt hast, hast du nur deinen Freund beschützt und mir während des Kampftrainings nichts angetan. Solange du mir aus dem Weg gehst, werde ich dir ebenfalls aus dem Weg gehen." "Danke", sagte Loop und verließ den Raum. Nachdem Loop gegangen war, blieb Quinn mit einem Gedanken zurück: Wer hatte Brandon umgebracht? Gab es jemanden in der Schule, der einen Groll gegen ihn hatte? Sie waren erst seit wenigen Tagen an der Schule und es wurde sichergestellt, dass niemand die anderen kannte, bevor sie hierher kamen. Es fiel Quinn schwer, einen Verdächtigen zu finden. Alles, was er über Brandon wusste, war, was in den Kampfklassen passiert war. Wenn jemand wie er, der so bedeutungslos erschien, einen solchen Angriff planen konnte, dann hatte er vielleicht schon viele Feinde. Nachdem er sein Gespräch beendet hatte, machte sich Quinn auf den Weg zur Kantine, um seine beiden anderen Mitbewohner zu treffen. Als er die Kantine betrat, sah er allerdings nicht Vorden und Peter. Stattdessen saß Vorden alleine da und Peter war nirgends zu sehen. Quinn schnappte sich schnell sein Essen und setzte sich neben Vorden. "Hast du keine Angst, dass die Zweitklässler kommen und dich angreifen?", fragte Vorden. "Sieht so aus, als würden uns die Leute ohnehin weiter belästigen. Dann können wir auch so leben, wie wir wollen", erwiderte Quinn. "Wo ist eigentlich Peter? Seid ihr nicht zusammen hierher gekommen?" "Du suchst an der falschen Stelle", sagte Vorden und zeigte auf einen anderen Bereich der Kantine. Die beiden saßen im Bereich der niedrigeren Ebenen, dort, wo normalerweise die Erst- und Zweitklässler saßen. Normalerweise gesellte sich auch Peter zu ihnen. Aber die Richtung, in die Vorden zeigte, war zu den oberen Ebenen, den Tischen der Ebenen 4 und 5, und dort saß Peter. "Was macht er da drüben? Wird er angegriffen?", fragte Quinn. "Wer weiß", antwortete Vorden. "Als Peter in die Kantine kam, sagte er mir, dass er mit einigen neuen Freunden abhängen würde, die er neulich kennengelernt hat. Ich fragte ihn, ob er Hilfe bräuchte, aber er sagte, ich solle mir keine Sorgen machen." Als sie sahen, wie Peter mit den anderen Schülern Zeit verbrachte, schien er sich gut mit ihnen zu verstehen. Er wurde nicht dazu aufgefordert, Essen zu holen oder ihre Sachen zu tragen, wie es bei den anderen Schülern mit niedrigeren Machtstufen in den anderen Gruppen der Fall war. "Vielleicht sollten wir sie erst einmal im Auge behalten. Es sieht nicht so aus, als ob er in Schwierigkeiten steckt, und wir können ihn später immer noch danach fragen", schlug Quinn vor. In diesem Moment war ein weiteres Tablett mit Essen auf dem Tisch gelandet. "Ich hoffe, ihr habt nichts dagegen, aber ich dachte, ich könnte mich zu euch setzen", sagte Layla, als sie sich setzte. Kaum hatte Layla sich gesetzt, konnte sie nicht aufhören, Vorden anzustarren, und das Gleiche galt für ihn. Quinn saß zwischen ihnen und konnte die hitzige Spannung zwischen den beiden spüren, ohne zu wissen, was vorgefallen war. "Ich sehe, dass das Loch in deinem Bein gut verheilt ist", sagte Layla. Vordens Gesicht begann leicht zu zucken. "Haha, wovon redest du? Entschuldige, mein Name ist Vorden. Ich glaube, wir haben uns noch nicht vorgestellt", sagte Vorden und hielt seine Hand zum Händeschütteln aus. "Du hältst mich wohl für verrückt, wenn du annimmst, dass ich dir die Hand schüttle und du so tust, als ob nichts passiert wäre", entgegnete Layla. Sie wandte sich dann an Quinn. "Siehst du nicht, dass er verrückt ist, Quinn?" "Nenn mich nicht verrückt!", sagte Vorden, jedes Wort bedacht aussprechend. "He, he, ich denke, ihr beiden solltet euch beruhigen", sagte Quinn, da er das Gefühl hatte, dass die zwei jeden Moment in der Kantine aufeinander losgehen könnten. "Ich weiß nicht einmal, was zwischen euch beiden vorgefallen ist. Könnt ihr es mir bitte erklären?" "Dieser verrückte Kerl hat mich angegriffen, als ich gestern Nacht in dein Zimmer gegangen bin, schau mal", sagte Layla und zog ihre Uniform etwas herunter, um die roten Stellen an ihrem Hals zu zeigen. "Ich habe es dir schon oft gesagt, Quinn, er ist gefährlich, lass ihn in Ruhe." Vorden zitterte sichtlich, aber es war schwer zu sagen, ob es vor Wut oder etwas anderem war. "Ich sagte, nenn mich nicht verrückt", wiederholte Vorden, jedes Wort langsam aussprechend.
Endlich hatten sich die Erstklässler wie gebeten in der Aula versammelt. Sie unterhielten sich, da keine Lehrer in Sicht und nur die Schüler des zweiten Jahrgangs anwesend waren. Die Unterscheidung zwischen den Jahrgängen war einfach, da die Schüler ein Abzeichen auf ihren Shirts trugen, das ihren Rang repräsentierte. "Haben alle Schülerinnen und Schüler sich schon versammelt?" fragte Momo. "Ja, alle aus Dels Klasse und dem Waffenkampfkurs sollten hier sein." "Nun, dann wird es Zeit, allen zu zeigen, was passiert, wenn man sich nicht an die Regeln hält." In diesem Moment zog Momo an einer Schnur und die Vorhänge zogen sich zurück, sodass man sehen konnte, was sich dahinter verbarg. Als die Vorhänge geöffnet waren, konnte man einen übel zugerichteten Vorden sehen, der an ein großes Holzbrett gefesselt war. Seine Hände steckten in Löchern im Brett und sein Körper wurde so positioniert, dass er stehen musste. Es sah aus, als wären seine Beine durch eine Art von Fähigkeit festgebunden. Gerade in dem Moment schoben mehrere Schüler der zweiten Klasse Wagen hervor, die mit großen schwarzen, runden Steinen gefüllt zu sein schienen. Momo hob einen der runden Steine auf und hielt ihn in seiner Hand. "Hier haben wir eine Metallkugel, die mit der Kraft eines Tierkristalls imprägniert ist", erklärte Momo. "Als die Erde einen Weg fand, den Tierkristall mit unseren Waffen zu vermischen, war das ein Wendepunkt im Krieg. Aber was sie euch im ersten Jahr nicht beibringen, ist, dass die Tierwaffen mit euren Fähigkeiten aktiviert werden müssen. Einmal aktiviert, können sie zusätzliche Kräfte freisetzen. Je höher der bei der Herstellung der Waffe verwendete Tierkristall ist, desto größer ist die Kraft." Quinn konnte nicht anders, als den verprügelten Vorden anzusehen, während er der ganzen Szene zusah. Er fragte sich, wie Momo da stehen und so lässig sprechen konnte, als würde er der ganzen Klasse einen Vortrag halten. "Wir Zweitklässler haben uns entschieden, euch aus der Tierwaffenklasse und einigen anderen Erstklässlern einen Kurzschluss zu geben. Heute werden wir euch zeigen, wie man eine Tierwaffe mit diesen Kugeln aktiviert." Ein Erstklässler hob seine Hand und stellte eine Frage. "Entschuldigung, aber wissen die Lehrer davon?" Für einen Moment war es ruhig, nicht mal die Erstklässler konnten glauben, dass jemand in dieser Situation so eine Frage stellen würde. Es war klar, dass dies heimlich, ohne das Wissen der Lehrer, passierte. Da kam ein Schüler der zweiten Jahrgangsstufe von der Seite der Aula und schlug den Schüler, der die Frage gestellt hatte, sofort ins Gesicht. Der Schüler der zweiten Klasse prügelte weiter auf ihn ein, bis er schließlich das Bewusstsein verlor. "Hat noch jemand eine Frage?" fragte Momo. Die Erstklässler standen stumm und verängstigt there. Sie wollten nichts sagen, vor allem nicht nachdem sie gesehen hatten, was mit dem Jungen passiert war, der gerade eine Frage gestellt hatte. "Gut", sagte Momo und fuhr dann fort: "Nun, um zu erklären - diese hier sind Bestiensteine. Sie wurden hergestellt, um euch zu helfen, eure Ausrüstung zu aktivieren. Sie sind also ziemlich nutzlos, aber praktisch zum Demonstrieren. Genauso wie du deine Fähigkeit in deinem Körper aktivierst, musst du dich auf den Ball vor dir konzentrieren. Betrachte ihn als Teil deines Körpers und fokussiere deine Fähigkeit darauf." Die Steinkugel, die Momo in der Hand hielt, wechselte plötzlich von schwarz zu grün. "Normalerweise ändern eure Waffen nicht die Farbe, wenn sie aktiviert werden. Aber, wie ich bereits gesagt habe, diese Kugeln dienen nur dazu, euch zu helfen, zu lernen, wie man eure Waffen aktiviert. Wenn sich die Farbe geändert hat, bedeutet das, dass die Waffe aktiviert wurde und ihre Stärke zugenommen hat. Heute werden wir üben, Ziele zu treffen." Die Schüler der zweiten Klasse brachten Vorden von der Bühne und setzten ihn zu den anderen Erstklässlern auf den Boden. "The board here is special you see, even a bullet wouldn't be able to penetrate through it, only the power of a beast weapon can, so today's lesson is to throw the ball and hit the target. Simple right?" "Was, das ist erlaubt?" fragte ein Schüler. "Und was ist mit dem Ziel? Das Brett ist so dünn, sie sagen uns quasi, wir sollen ihn treffen." "Bekommen wir Ärger dafür?" "Die Lehrer haben uns schon einmal schlagen lassen, warum sollten sie jetzt darauf achten. Die Zweitklässler machen das nur, weil sie wissen, dass sie damit durchkommen. Sie sind schon länger hier als wir." Momo schaute in die Menge. Als seine Blicke auf Quinn fielen, sagte er: "Oh, fast hätte ich vergessen - der verrückte Junge hier hat einen nach dem anderen von uns, den Zweitklässlern, angegriffen, und dachte, wir würden es nicht bemerken. Nicht nur, dass er unsere Warnung ignoriert hat, er hat sie komplett in den Wind geschlagen und uns angegriffen. Wir haben ihn damals hier in dieser Halle zur Rede gestellt, aber er hat immer noch nicht auf uns gehört. Dies ist also eine Warnung an euch alle. Das passiert denen, die versuchen, hier in der Schule Unruhe zu stiften." Die Zweitklässler schütteten daraufhin die Kisten der schwarzen Bestiensteine aus. Sie rollten alle auf den Boden. Es waren mehr als genug Steine vorhanden, damit jeder Schüler mindestens einen Ball auf Vorden werfen konnte. "Wer will zuerst?" sagte ein Schüler aus der zweiten Klasse. "Macht schnell, wenn sich niemand freiwillig meldet, muss ich einen von euch auswählen." Wie erwartet, hatte sich keiner freiwillig gemeldet. Die Schüler waren grausam zu den Schwächeren, aber nicht auf diese Weise. Normalerweise würden sie einfach besser behandelt, aber jetzt schien es, als hätten es die Zweitklässler auf Vorden abgesehen. Was auch immer Vorden getan hattte, er hatte sie wirklich verärgert. "Gut, dann du, das Mädchen mit den braunen Haaren. Du bist die Erste!" sagte der zweitjährige Schüler und drückte ihr einen der Steine in die Hand. "Ich... ich kann das nicht", sagte sie. "Nun, wenn du nicht kannst, dann haben wir keine andere Wahl", meinte Momo. Zwei zweitjährige Schüler gingen vor und hielten das Mädchen an ihren Armen fest. Sie versuchte sich zu befreien und überlegte, ob sie ihre Fähigkeit einsetzen sollte. Das Mädchen schaute sich um, um zu sehen, ob sich irgend jemand, auch nur eine einzige Person, für sie einsetzen würde. Aber alle schauten weg und vermieden den Blickkontakt. Momo hob einen der Steine auf und er leuchtete grün. "Was ist los mit euch Erstklässlern? Wenn wir euch bitten, etwas zu tun, dann müsst ihr es tun!" Der Stein flog aus seiner Hand und traf das Mädchen mitten in den Magen. Obwohl Momo darauf achtete, nicht seine ganze Kraft einzusetzen. "Holt sie von hier weg", sagte Momo. "Der Nächste!" Der nächste Schüler war ein Junge. Er hatte Fähigkeiten der Stufe 2,5, aber als er den Ball in der Hand hielt, veränderte dieser seine Farbe und aktivierte die Kräfte des Tierkerns. Dem Jungen fiel die Entscheidung leichter, er hatte mehr Zeit gehabt, darüber nachzudenken, was er tun musste. Er warf den Ball mit Kraft und traf Vorden mitten in den Magen. Der Aufprall war hart und Vorden hustete Blut auf den Boden. "Siehst du, das war perfekt. Genau so solltet ihr den Ball werfen", lobte Momo. Layla und Quinn hatten die ganze Zeit hinten gestanden und zugeschaut. Sie waren die letzten, die den Raum betreten hatten. Und obwohl Layla immer noch einen Groll gegen Vorden hegte, wusste sie, dass das nicht richtig war. "Diese Bastarde, wie können sie so etwas tun. Quinn, geh und hol Leo. Wenn er da ist, kann er vielleicht dieses Chaos beenden." Aber als Layla sich umdrehte, um zu sehen, wo Quinn war, war er nirgendwo zu sehen. "Wählt mich! Ich habe nichts dagegen, es mal zu versuchen", sagte Quinn lächelnd und stellte sich an die Spitze der Schüler. Layla beobachtete Quinn und war über das, was der verrückte Junge vorhatte, fassungslos.
Als Quinn sich als Freiwilliger meldete, konnte Momo nicht anders, als zu denken, dass er etwas im Schilde führte. Er wusste, dass sie Freunde waren, also warum sollte er sich freiwillig melden? In gewisser Weise sollte diese ganze Demonstration den Erstsemestern zeigen, dass sie den Befehlen der im zweiten Jahr stehenden zu gehorchen hatten. Jedes Jahr war dies zu einer Art Tradition an der Akademie geworden. Etwas Ähnliches war ihnen in ihrem ersten Jahr passiert. Ein Demonstration der Macht, die viel größer war als sie und dass sie sich ihrer nicht überheblich werden durften. Es war gedacht, ihnen zu zeigen, dass noch Größeres vor ihnen lag und somit bewusst zu machen, dass sie mehr Macht benötigten. Es sollte sie antreiben, härter zu arbeiten. Aber es war nie beabsichtigt, so weit zu kommen. Zuerst hatten sie Vorden nur eine einfache Warnung gegeben. Dann war Vorden derjenige, der als erster die Studierenden im zweiten Jahr angriff. Damals entschieden Momo und die anderen, ihn an seinen Platz zu verweisen. Sie gingen alleine gegen Vorden vor - oder zumindest dachten sie das. Er missachtete weiterhin ihre Befehle und verfolgte einen nach dem anderen von den schwächeren Schülern des zweiten Jahres. Da entschieden sie, ihn öffentlich zu bestrafen, um so alle zukünftigen Unruhestifter in Schach zu halten und ihnen zu zeigen, was mit ihnen geschehen würde. Quinn begann, sich alle Studierenden des zweiten Jahres im Raum anzusehen. Insgesamt acht Studierende im zweiten Jahr standen am Rand des Saals, vier auf jeder Seite, umgeben von etwa fünfzig Studierenden des ersten Jahres. Zudem standen zwei Studierende bei Vorden, einer auf jeder Seite der Tafel. Diese Studierenden waren die schwächsten der Gruppe. Jeder von ihnen hatte ein Kraftlevel von 2 auf der Uhr. Auch wenn sie im zweiten Jahr waren, folgten sie alle Momo, was bedeutete, dass sie schwächer als er waren. Es bestand die Möglichkeit, dass sie bereits gelernt hatten, wie man eine Seelenwaffe benutzt, aber das war unwahrscheinlich. Sie waren gerade erst ins zweite Jahr gekommen, also gab es nicht viel Hoffnung, dass sie viel gelernt hätten. Das eigentliche Problem aber waren Momo und die Leute an seiner Seite. Momo stand da mit dem Kraftlevel sechs und die beiden neben ihm waren Level vier. Es war unwahrscheinlich, dass einer der Studierenden des ersten Jahres Quinn helfen würde, und selbst die stärkste Studierende im Raum war Erin und auch sie war ein Level fünf. Es ist kein Wunder, dass, obwohl die Studierenden des ersten Jahres in der Mehrheit waren, sie Angst hatten. Als Quinn den Ball in der Hand hielt, erschien eine Nachricht. <Grundstufen-Bestienwaffe: Runder Ball> <Möchtest du sie aktivieren?> <Die Stärke der Waffe wird um fünf Prozent erhöht> Der Prozentsatz stach ihm ins Auge, es war die gleiche Zahl, die seine Panzerhandschuhe anzeigten, wenn er sie benutzte. Vielleicht musste Quinn gar nicht herausfinden, wie er die Bestienwaffen aktivieren konnte, wie Momo gesagt hatte. Es schien, als würde das System alles für ihn tun. <Aktivieren> Der schwarze Ball begann zu leuchten, er leuchtete heller als alle Bälle, die die anderen Studierenden bisher in der Hand gehalten hatten. "Wie ist das möglich? Er konnte die Grundstufen-Waffe vollständig aktivieren?" Momo dachte, "Das bedeutet, dass seine Stärke um mindestens fünf Prozent gestiegen ist. Wenn er eine höherstufige Waffe hätte, würde ich mich fragen, ob er das auch könnte. War er nicht nur ein nutzloses Level 1?" Dann lief Quinn zu Vorden. Nun waren gut fünf Meter Abstand zwischen ihnen. "Wozu haben wir diese Kräfte?" Quinn sagte laut: "Ist es nicht, um uns zu schützen und gegen die zu kämpfen, die unseren Freunden und unserer Familie schaden?" Vorden hörte Quinns Worte und hob den Kopf. Er hatte das Gefühl, dass er wusste, was Quinn vorhatte. "Quinn? Nein, was hast du vor?" murmelte Vorden, wurde aber nicht gehört. "Ich habe mein ganzes Leben lang Prügel bezogen, und ich war damals schon schwach. Was kümmert mich es, wenn ich jetzt wieder eine Tracht Prügel bekomme." Dann warf Quinn den Ball mit aller Kraft. Mit den 16 Punkten an Stärke und den zusätzlichen 5 Prozent Kraft verließ der Ball seine Fingerspitzen rasend schnell. Aber anstatt dass der Ball Vorden trifft, wie alle vermuteten, landete er direkt im Magen des Studierenden, der an der Seite der Tafel stand. Die Kraft war so stark, dass der Studierende mit einem Schlag von den Füßen gehoben und ausgeknockt wurde. < 50 Exp gewonnen > < 175/400 Exp > "Was zum Teufel stehen Sie da noch rum, schnappen Sie ihn!" rief Momo. Quinn wusste, dass er gegen die vielen Studierenden im zweiten Jahr nicht viel ausrichten konnte, also wollte er so viel Chaos wie möglich anrichten. Die zwei Studierenden des vierten Levels, die an Momos Seite standen, kamen auf ihn zu, aber anstatt auf sie zuzulaufen, rannte Quinn plötzlich auf die Menge der Studierenden des ersten Jahres zu. Er bückte sich, hob zwei weitere der schwarzen Bälle auf dem Boden auf und ging auf die schwächeren Studierenden an der Seite zu, während er sich zwischen den Studierenden des ersten Jahres hindurchschlängelte. Als er dann in Reichweite war, hatte er sein Ziel gefunden. Die schwachen Zweier, die an der Seite standen. Wieder warf er zwei schwarze Bälle mit voller Wucht auf sie. Einer der Studierenden konnte dem schwarzen Ball ausweichen, aber der andere hatte nicht so viel Glück und wurde getroffen und ausgeknockt. < 50 Exp gewonnen> < 225/ 400 Exp > Das war Quinns Plan. Bisher konnte Quinn mit jedem Levelaufstieg eine Fähigkeit erhalten. Er wusste nicht, was er bekommen würde, aber er hoffte, dass es ihm helfen würde, den Kampf zu gewinnen. Es gab genug Studierende im zweiten Jahr, gegen die er antreten konnte, um ein Level höher zu kommen. Dann ging er zurück in die Menge, um noch mehr Bälle aufzuheben, wobei er darauf achtete, die anderen Studierenden als Deckung zu benutzen. "Was steht ihr da, jeder, der es schafft, diesen Kerl zu treffen oder zu fangen, wird von jeder Art von Strafe befreit sein!" sagte Momo. Die Studierenden des ersten Jahres sahen sich gegenseitig an. Sie wollten zuerst nicht einmal beteiligt sein und waren sich unsicher, was sie tun sollten. "Warum sollten wir dir zuhören?" fragte Layla. "Noch vor einer Sekunde hast du einen von uns verprügelt, weil er eine Frage gestellt hat. Wer weiß schon, ob wir dir vertrauen können oder nicht." "Gut, wenn ihr nicht helfen wollt, greift sie alle an." In diesem Moment kümmerten sich die beiden Viertklässler, die hinter Quinn her waren, nicht mehr um die Verletzung der Erstklässler. Die beiden begannen, ihre Fähigkeiten zu sammeln. Einer von ihnen streckte den Arm aus und ein großer Wasserstrahl kam auf sie zu. Aber bevor er einen der Studierenden erreichen konnte, wurde ein Eisklumpen geschossen, der den Wasserangriff einfror und ihn zu Boden fallen ließ. Die verantwortliche Person trat vor und zog ihr Schwert. "Ich wollte mich eigentlich nicht einmischen, aber ihr habt mich zuerst angegriffen", sagte Erin. "Hah, auch wenn du einen Level höher bist als wir, glaubst du wirklich, dass du es mit zwei Viertklässlern aufnehmen kannst." In diesem Moment schoss ein Pfeil auf einen der Studierenden zu, aber bevor er ihn erreichen konnte, wurde eine Erdwand hochgezogen. "Sie wird nicht alleine sein", sagte Layla. Um ehrlich zu sein, hatte Layla anfangs nicht vor, sich einzumischen. Wenn Quinn Prügel einstecken wollte, gab es für sie keinen Grund, sich mit ihm zu prügeln. Aber auch sie hatte Misshandlungen in der Schule erlebt. Layla hatte keine Ahnung, wie stark Quinn wirklich war, aber sie hatte das Gefühl, dass er irgendeinen Plan gehabt haben musste, und jetzt sah es so aus, als würden die Erstklässler sowieso verletzt werden. Da Layla und Erin die anderen Hochbegabten im Raum ablenkten, dachte Quinn, dass dies seine Chance war, mit den restlichen Zweier fertig zu werden. Aber es war nicht so einfach, wie er dachte. Von der Seite kam ein langer, dünner Gegenstand auf ihn zu geschossen. Es war zu schnell, als dass Quinn hätte reagieren können, so dass er quer über den Körper getroffen wurde. Der Angriff durchbohrte nicht nur seine Brust, sondern ließ ihn auch zu Boden stürzen. < 13/20 HP> "7 HP-Punkte mit einem Angriff? Was zum Teufel war das?" dachte Quinn und schaute hin, was ihn gerade getroffen hatte. Momo kam auf ihn zu, in seiner Hand hielt er eine Bestienwaffenpeitsche. "Du hast so viel Ärger verursacht." Momo sagte, "Ich weiß nicht, wie du die Bestienwaffen so gut aktivieren kannst, und deine Überraschungsangriffe schienen zu funktionieren, aber du wirst immer eine schwache Stufe sein." Bevor Quinn überhaupt aufstehen konnte, war er bereits von den anderen sechs Studierenden des zweiten Jahres umzingelt. Vorden, der das Ganze von der Tafel aus beobachtete, fühlte sich nutzlos. "Ich muss ihm helfen, er wird nur wegen mir verletzt, das ist alles meine Schuld", sagte Vorden. "Wenn du ihm helfen willst, dann überlasse es mir." Sagte eine Stimme in Vordens Kopf.
Die Frau, die neben Peter stand, hatte langes silbernes Haar, das bis zur Taille reichte. Sie trug eine Baskenmütze auf dem Kopf und an ihrer Seite befand sich ihr zuverlässiges, gezacktes Rapierschwert, das aussah, als wäre es aus einem langen Tierknochen hergestellt. Sie strahlte ein Gefühl aus, das nahelegte, dass sie der Typ älterer Schwester war, dem man vertrauen konnte, sie würde einen aus der Patsche helfen, wenn man es benötigte. Sobald sie den Raum betrat, erstarrten alle bis auf einen Schüler. Ein Schüler im zweiten Jahr war zu emotional aufgewühlt, er hatte endlich gesehen, dass Erin ihre Deckung aufgegeben hatte. Er stürmte weiter vor und war bereit anzugreifen, aber bevor auch nur eine Sekunde vergehen konnte, war die weibliche Lehrerin, die den Raum betreten hatte, direkt an der Seite des Schülers. Einige Augenblicke später kollabierte er auf dem Boden mit blutigem Fußrücken. "Wann ist sie denn da rübergekommen?" "Hey, sieh dir mal seine Knöchel an, glaubst du, sie war das?" Momo erkannte sofort, wer den Raum betreten hatte und verstaute sofort seine Seelenwaffe. Momo kannte viele der Lehrer und Personen in hohen Positionen an der Akademie. Schließlich war er schon ein Jahr hier und die Person, die gerade den Raum betreten hatte, war gefürchtet. Wenn sie sagte, dass jeder, der ihr nicht gehorcht, bestraft würde, dann meinte sie es ernst. Der Name der Frau war Fay Dallum. Sie war Sergeant an der Akademie und hauptsächlich für das Truppentraining verantwortlich. "Jemand anderes, nur nicht sie", sagte Momo. Nicht nur das, ihre Fähigkeit war Supergeschwindigkeit, die für Momo schlimmste Gegnerin, egal wie weit er in die Zukunft sehen konnte, ihre Geschwindigkeit war einfach zu schnell, um zu reagieren. Er hatte ohnehin nicht vor, sich ihr entgegenzustellen. Diesen Fehler hatte er im letzten Jahr gemacht, als Fay noch Gefreite an der Akademie war. "Diejenigen von euch, die verletzt sind, müssen sofort ins Ärztezimmer zur Behandlung gehen. Der Rest von euch muss zu den Schlafsälen gehen und drinnen bleiben, bis ihr wieder herausgerufen werdet. Habt ihr das verstanden?" sagte Fay. Die meisten Erstklässler waren sprachlos. Sie hatten keine Ahnung, wer sie war oder was gerade passierte. Als niemand auf ihre Frage reagierte, zog Fay ihr Rapier erneut. Nachdem sie das sahen, antworteten die Schüler sofort: "Ja, Frau." Vorden war mit seinem abgetrennten Arm in der Hand ins Krankenhaus gegangen. Die Zweitklassler gingen in einen separaten Bereich des Gebäudes zur Behandlung, der sich an einem anderen Ort befand. Unter den Erstklässlern waren tatsächlich nur Vorden und Quinn verletzt. Diesmal war Quinn gezwungen, ins Ärztezimmer zu gehen. Seine Kleidung war blutig und er hatte viel Blut verloren, aber als er länger als 10 Minuten außer Gefecht war, begann sein Körper sich selbst zu heilen. Nachdem Hayley, die Schularztin, Vordans Arm erfolgreich wieder am Körper befestigt hatte, ging sie zu Quinn. Als sie ihn bat, sein Hemd auszuziehen, damit sie seine Wunden direkt heilen konnte, bemerkte sie, dass die Wunden größtenteils schon verheilt waren. "Was ist das? Bei so viel Blutverlust müssten die Wunden doch viel größer sein." Quinn fing nervös an zu lachen. "Ja, mein Freund hat eine Heilungsfähigkeit und hat es geschafft, mich ein bisschen zu heilen, bevor ich hierher kam." "Oh, noch ein Heiler." sagte Hayley überrascht. "Nun, wenn du Gelegenheit hast, schick ihn hier runter. Seine Fähigkeit ist ziemlich gut und er hat einen hervorragenden Job gemacht. Ich könnte Hilfe gebrauchen, und ich hätte gern einen eigenen Schüler." "Natürlich", antwortete Quinn. Hayley machte sich daran, die restlichen Wunden an Quinns Körper zu heilen. Als sie fertig war, war keine einzige Verletzung mehr an ihm zu sehen. Während Quinns eigener Heilungsprozess hatte sein Körper eine Menge Energie verbraucht und schon wieder erschien die Nachricht, dass er hungrig war. <Blutbank 90/100> Nachdem er etwas Blut aus seiner Blutbank zu sich genommen hatte, war der Hunger besänftigt und er musste sich wohl für mindestens noch zwei Tage keine Sorgen machen, dass er in Raserei geraten würde. Als Quinn und Vorden wieder in ihren Zimmern waren, wurde ihnen gesagt, sie sollten diese nicht verlassen, bis sie Bescheid bekämen. Ein Gefreiter rief ab und zu den Namen eines Schülers auf, der dann zum Verhör gebracht wurde. In ihrem eigenen Zimmer waren Vorden, Peter und Quinn. "Danke, dass du den Sergeant rechtzeitig gerufen hast, sonst wären Quinn und ich schon längst tot", sagte Vorden. "Kein Problem", antwortete Peter, obwohl er sich immer noch von der ganzen Sache schlecht fühlte. Obwohl er das Richtige getan hatte, indem er Fay gerufen hatte, fühlte er sich immer noch schlecht, weil er Vorden dazu gebracht hatte, in den Saal zu gehen. "Was meinst du, was mit den Schülern im zweiten Jahr passieren wird?" fragte Quinn. "Ich bin mir nicht sicher", antwortete Vorden. "Wenn es sich um ein einzelnes Duell gehandelt hätte, bin ich ziemlich sicher, dass sie es ignoriert hätten, aber diesmal waren mehrere Schüler beteiligt, vermutlich werden sie jemanden suchen, dem sie die Schuld zuschieben können." In der Zwischenzeit, in einem der Einlebungsraum. Ein großer muskulöser Mann mit Unterarmen, die die Größe von Oberschenkeln hatten, saß Momo aus dem zweiten Jahr gegenüber. Auf seiner Schulter trug er den Rang eines Generals. Sein Name war Duke King und er war der Anführer der Schüler im zweiten Jahr. "Es musste natürlich Fay sein, die uns stoppt", beschwerte sich Momo. "Ich habe getan, was du wolltest, und jetzt könnte ich dafür zahlen." "Entspann dich, daraus wird nichts werden, das verspreche ich dir", entgegnete Duke. "Ihr seid nur Schüler und solche Dinge passieren. Ich werde für euch einstehen." "Wirklich, also wird das nicht auf mich zurückfallen?" fragte Momo. Dann stand Duke auf, ging hinter Momo und flüsterte ihm ins Ohr. "Natürlich, solange niemand von unserem kleinen Geheimnis erfährt", sagte Duke mit einem Lächeln. Hallo Leute, nur zur Erinnerung, morgen gibt es sechs neue Kapitel, und denkt bitte daran, mit euren Steinen abzustimmen. So können wir am nächsten Wochenende eine weitere Massenveröffentlichung haben.
Alle am Vorfall beteiligten Schüler wurden befragt, darunter natürlich auch Quinn und Vorden. Die Befragung war jedoch nicht so umfangreich, wie die beiden erwartet hatten. Sie wurden einfach gebeten, die Ereignisse zu beschreiben. Aus der Tatsache, dass der sie befragende Person nicht überrascht zu sein schien, schlossen sie, dass bereits genug Informationen von den anderen Schülern zusammengetragen wurden und die Befragung lediglich eine Formalität war. Am nächsten Tag brach das Wochenende an. Wie in jeder anderen Schule, waren die Schüler nicht zu Unterrichtsstunden verpflichtet und durften in der Stadt nach Belieben ihre Zeit verbringen. Allerdings bestand immer noch eine Ausgangssperre, die verlangte, dass sie vor zehn Uhr abends in ihren Schlafsaal zurück sein und die Stadt nicht verlassen durften. Für die Schulverwaltung war der Tag jedoch alles andere als entspannend, da eine Versammlung einberufen wurde. Bezogen auf das, was in den obersten Etagen der Akademie stattfand, hatten sich die Schulverwaltung in einem ziemlich großen Sitzungssaal versammelt. Ein großer Tisch befand sich in der Mitte des Raumes, der in zwei Bereiche unterteilt war. Am Kopfende des Tisches gab es vier Sitzplätze. Einer der Sitze war etwas größer als die anderen, weil sich dort normalerweise der Generaldirektor der Akademie sitzt, momentan aber für das Meeting leer blieb. Auf den anderen Sitzplätzen an der Seite des Generaldirektors saßen die drei Generäle der Schule. Das war Duke, der Leiter der zweiten Klasse mit seinen massiven Armen und muskulösen Körper, und Nathan, der Chef der Erstklässler. Nathan sah komplett anders aus als Duke: Er war klein, trug eine Brille und kleidete sich immer lässig, was Duke ärgerte. Die beiden konnten sich nicht gut verstehen. Schließlich war da noch ein dritter General, der für das Personal und die restlichen Gefreiten und Lehrer der Akademie zuständig war. Auch sein Sitz war noch leer. Die beiden Generäle warteten auf die Ankunft der anderen Mitglieder, und wie immer herrschte zwischen ihnen ein Schweigen. Als endlich die Türen öffneten, kamen acht Personen in Militäruniform herein, alle im Rang eines Feldwebels. Unter diesen acht Feldwebeln waren Leo, der Beast-Waffenlehrer, Fay, das Gruppenoberhaupt und Hayley, die Schulärztin. Die acht Feldwebel nahmen ihre Plätze gegenüber den Generälen ein und endlich begann die Sitzung. Fay stand als Erste auf und sprach. "Wir sind heute hier, um darüber zu beraten, was mit den zweiten Jahresschülern geschehen soll, die in den Fall verwickelt waren. Besonders hervorzuheben ist der Erstklässler namens Vorden Blade und die Schüler aus Dels und Leos Beast-Waffenklasse." Fay drückte einen kleinen Knopf auf einem Controller in ihrer Hand und vor den Generälen und anderen Feldwebeln wurde ein holografischer Bericht angezeigt. "Ich gehe davon aus, dass Sie alle die Berichte gelesen haben, aber das ist nur zur Ihrer Information. Ich würde gerne Ihre Meinung dazu hören, wie diese Studenten bestraft werden sollten, General Duke." "BESTRAFT?" sagte Duke, "Ich sehe keinen Grund diese Schüler zu bestrafen. Wenn man den Bericht ansieht, scheint es, dass Vorden die anderen zuerst angegriffen hat. Sie haben sich nur gewehrt, solche Dinge passieren ständig." "Aber warum dann die anderen Erstklässler zusammenrufen?" fügte Nathan beiläufig hinzu. "Mir scheint, dass andere Schüler mit hineingezogen wurden. Ich bin damit einverstanden, dass die Schüler ständig streiten und wir absichtlich nichts tun, um dies zu verhindern, aber das hier scheint mir ein wenig zu viel zu sein, oder?" "Nun gut, dann werden wir zusätzliche Beschränkungen für die Schüler im zweiten und ersten Jahr auferlegen. Sie dürfen sich nur bei Bedarf treffen. Ich werde zuständig sein für die Bestrafung der Studenten des zweiten Jahres. Ist das in Ordnung für dich, Nathan?" Nathan zuckte nur mit den Schultern, als ob ihn das nicht wirklich interessierte. Er hatte sein Argument nur vorgebracht, um Duke zu ärgern. "Ich bitte die anderen Sergeants, zusätzliche Vorkehrungen zu treffen", sagte Fay. "Erst kürzlich hatten wir einen Schüler-Todesfall an unserer Schule. Im Gegensatz zu Brandon ist Vorden ein Original. Wenn sich seine Familie einmischen sollte, wäre das nicht gut für die Akademie." "Tch, abscheulicher Abschaum", murmelte Duke leise. Das Militär hatte keinen guten Eindruck von den Originalen. Als der Krieg begann, waren sie diejenigen, die ihr Leben riskierten, um die Menschen auf dem Planeten zu retten. Erst als es wirklich so aussah, als würden die Menschen den Krieg verlieren, traten die Originale vor und teilten ihre Kraft mit allen, und nicht einmal alle von ihnen taten das. Dann stand Haley auf. "Ich möchte über die Angelegenheit mit den beiden Schülern sprechen, die seltsame Wunden an ihrem Körper haben. Gab es Berichte über eine Bestie, die aus einem der Portale entkommen ist?" "Dein Vater, der gerade nicht anwesend ist, berichtete, dass es so etwas nicht gegeben hat. Selbst mit dem Radar konnten wir nichts feststellen", antwortete Duke. "Wenn es nicht die Bestien waren, was hat dann diese Wunden verursacht?" überlegte Hayley, als sie sich wieder hinsetzte. "Wie laufen die Vorbereitungen für den Portalausflug der Erstklässler?" fragte Leo. "Ja, alles ist bereits eingerichtet", sagte Nathan. "Es wurde ein grünes Portal für die Schüler ausgewählt, durch das sie gehen sollen, und an der Basis wurden Vorkehrungen für ihre Ankunft getroffen. Nächste Woche sollte alles reibungslos verlaufen." "Wissen Sie, auf welchem Planeten die Expedition stattfinden wird?" fragte Leo. "Dann könnte ich meine Schüler besser vorbereiten." "Am besten sagen Sie Ihren Schülern, sie sollen Sonnencreme und Sonnenbrillen einpacken, da sie auf dem Planeten Caladi ankommen werden", antwortete Nathan. Der Planet Caladi, ein Planet, der größtenteils von Wüste bedeckt war und Heimat für untergeordnete Tiere war. Seine Tageszyklen unterschieden sich erheblich von denen der Erde. Anstelle des 24-Stunden-Tags- und Nachtzyklus der Erde hatte Caladi einen 72-Stunden-Zyklus. Für diejenigen, die das Sonnenlicht und die Hitze liebten, war dies ein großartiger Ort.
Die Schüler des zweiten Jahres hatten Quinn komplett umzingelt. Als er einen Schritt nach vorne machte, um die Umzingelung zu durchbrechen, kam ein Windstoß auf ihn zu. Er hob die Hand, um den Angriff abzuwehren, spürte aber gleichzeitig einen Hieb gegen seinen Rücken. < 12/20 HP > Die Angriffe setzten sich mit einer Mischung aus Fähigkeiten fort, die meisten waren allerdings schwache Elementarfähigkeiten von Wind- und Erdnutzern der Stufe 2. Da er jedoch von allen Seiten attackiert wurde, summierte sich der Schaden schnell. Von allen Seiten getroffen, blockte Quinn weiterhin die Schläge ab, die von vorne kamen. < 11/20 HP > < 10/20 HP > < 9/20 HP > Es war ein ständiger Kreislauf. Sobald sein Leben bis zu einem gewissen Grad gesunken war, wurde Quinns Blutbank automatisch aktiviert, die ihn heilte. Aber selbst mit der Blutbank konnte er dieser Situation nicht entkommen. Denn er hatte von Anfang an nicht erwartet, zu gewinnen. Anstatt jegliche Angriffe abzuwehren, ignorierte er den Schmerz und stürzte sich auf einen der Schüler. Diesmal traf ihn ein Doppelangriff von beiden Seiten und riss große Wunden in seinen Körper. < 8/20 HP > < 7/20 HP > Aber er kümmerte sich nicht darum. Durch seine Schnelligkeit und die Kraft in seinen Beinen gelang es ihm, sich vor einen der zweiten Klasse Schüler zu bewegen und ihn zu packen. Schnell ging er hinter den Schüler, packte ihn am Arm und richtete gleichzeitig eine seiner Klauen auf den Hals des Schülers, wodurch er ihn als menschlichen Schutzschild benutzte. Die Zweitklässler zögerten, ihren Mitschüler anzugreifen, aus Angst, ihm zu schaden. Quinn zog sich mit dem Schüler zurück, bis er mit dem Rücken an der Wand stand. "Wir beide wissen, dass du ihn nicht verletzen wirst, Quinn", sagte Momo. "Wenn du zu tief angreifst und ihn tötest, bekommst du Ärger. Greifst du zu flach an, stürzen wir uns auf dich und du wirst dir wünschen, du wärst tot." Quinn musste widerwillig zugeben, dass Momo recht hatte. Er konnte den Schüler nicht töten und gleichzeitig wusste er, dass sie ihn auslöschen würden, sobald er ihnen den Rücken zuwandte. Also blieb Quinn nur noch eine Möglichkeit. Er zog seine Klauenhand nicht länger hervor, stattdessen begann er den Schüler von hinten zu würgen, indem er seinen Arm um seinen Hals legte. Er drückte zu und machte so lange weiter, bis der Schüler schließlich ohnmächtig wurde. < 50 exp gewonnen > < 275/400 exp > "Es wäre wohl verschwendet, nicht seine Erfahrungspunkte zu nutzen", sagte Quinn. Sobald der Schüler zu Boden fiel, gingen die Angriffe der anderen schnell und wütend auf ihn ein. Mit dem Rücken zur Wand konnte Quinn die meisten abwehren und er begann, vielen der Schläge auszuweichen. Dabei dachte er an die Testzentrale zurück. Die Situation, in der er sich befand, ähnelte dem Geschicklichkeitstest, bei dem holographische Stacheln auf ihn zukamen. Diese Angriffe hier waren jedoch stärker und zahlreicher, so dass Quinn schließlich einen Treffer einstecken musste. < 6/ 20 Hp > Plötzlich hielten die Angriffe inne und Momo trat mit seiner Peitsche in der Hand vor. Als Quinn die Peitsche sah, erinnerte er sich daran, dass ein einziger Angriff beim letzten Mal seine HP um sieben Punkte gesenkt hatte. Wenn er jetzt einen weiteren Hieb von ihr bekäme, würde er unter 0 fallen. Quinn wusste immer noch nicht, was passieren würde, wenn seine HP auf 0 sanken, aber jetzt war definitiv nicht der richtige Moment, um das herauszufinden. Es blieb ihm keine Wahl, er musste die Blutbank nutzen, um sich selbst zu heilen. Selbst wenn die anderen sahen wie er sie nutzte, würden sie wohl nicht annehmen, dass er ein Vampir war, sondern nur, dass es eine Art Selbstheilungsfähigkeit wäre. Es gab allerdings ein Problem. Quinn hatte bereits übermenschliche Stärke gezeigt. Wenn er jetzt auch noch eine außergewöhnliche Heilungsfähigkeit demonstrierte, würde das nicht zusammenpassen. Ein Schüler konnte nicht zwei Fähigkeiten besitzen, außer in seltenen Fällen. Es würde lediglich dazu führen, dass Quinn noch mehr Fragen gestellt würden. Gerade als Quinn eine Entscheidung treffen wollte, spürte Momo etwas und im letzten Moment bewegte er seinen Kopf zur Seite. In dem Moment flog ein schwarzer Ball an seinem Kopf vorbei, stoppte mitten in der Luft und bewegte sich plötzlich wieder auf Momo zu. Momo schlug mit seiner Peitsche nach dem Ball und teilte ihn in zwei Hälften. Als er sich umdrehte, sah er Vorden. Als er nachsah, was mit den Rest der Zweitklässler passiert war, konnte er sehen, dass einige bereits erledigt waren und die Übrigen kämpften gegen Layla und Erin. "Hast dich also befreit, was?" sagte Momo. "Hast du vergessen, was passiert ist, als du das letzte Mal gegen mich gekämpft hast?" rief Momo spöttisch. "Letztes Mal hast du gegen diesen Schwächling von mir gekämpft, jetzt kämpfst du gegen mich", erwiderte Raten. "Ich bin nicht so nett wie Vorden." Raten hob beide Hände und gleichzeitig schwebten zwei weitere schwarze Bälle vom Boden auf. Vorden schwang seine Hände durch die Luft und die schwarzen Bälle folgten derselben Bahn. Vorden musste seine Hände nicht benutzen, um seine Telekinese-Fähigkeit einzusetzen, aber auf diese Weise konnte er sich besser konzentrieren. So konnte er die Bälle mit mehr Geschwindigkeit und Präzision bewegen, denn er konnte sie nicht so gut einsetzen wie Layla, die diese Fähigkeit schon ihr ganzes Leben hatte. Die Bälle flogen in ähnlichen Mustern wie seine Hände und schlugen aus verschiedenen Richtungen zu. Momo jedoch, machte einfach einen Schritt vor, zurück oder drehte seinen Körper leicht zur Seite, um den Bällen auszuweichen. Dann wurde er es müde, packte einen der Bälle in der Luft, der direkt auf sein Gesicht zuraste. "Ich nehme an, du erinnerst dich wirklich nicht daran, was letztes Mal passiert ist?" Momo ballte seine Faust fest und zerstörte den schwarzen Ball in seiner Hand. Dann schwang er seine Peitsche und zerstörte den anderen Ball, ohne auch nur hinzusehen. Quinn wollte helfen. Während Momo ihm den Rücken zuwandte, wollte er zum Schlag ausholen, doch bevor er auch nur einen Schritt machen konnte, schoss die Peitsche heraus und landete direkt vor ihm. "Denk nicht mal dran", sagte Momo. Bevor Quinn auch nur einen Schritt gemacht hatte, hatte Momo bereits gehandelt. Dann wartete Quinn erneut auf den richtigen Moment und als er glaubte, dass es so weit war, versuchte er erneut, sich Momo zu nähern. Doch genau das Gleiche passierte wieder. Momo hatte seine Peitsche geschwungen, bevor Quinn sich überhaupt bewegt hatte. "Das kann doch nicht sein?", dachte Quinn. Bisher hatte Momo noch nichts enthüllt, was seine Fähigkeiten verraten würde, aber gerade eben und wie er sich vorher verhalten hatte, wirkte es so, als ob es Teil seiner Fähigkeiten sei. Quinn hatte zwei Vermutungen. Entweder hatte Momo eine Art Fähigkeit zum Gedankenlesen oder zur Zukunftsprognose. Falls das der Fall war, würde der bevorstehende Kampf eine harte Herausforderung werden.
Nach dem Vorfall mit den Schülern der zweiten Klasse wurde Quinn klar, dass er, obwohl er viel stärker geworden war als zuvor, noch immer nicht stark genug war, um gegen einige zu kämpfen. Obwohl Momo in der Gruppe der Zweitklässler stark war, stand er nicht an der Spitze der Nahrungskette. Es gab viele höhere Level und sogar Originals, deren Kräfte nicht messbar waren. Und auch unter den Erstklässlern gab es einige, die sehr stark waren, darunter sein guter Freund Vorden und Erin. Wenn Quinn auf ihr Level kommen wollte, musste er stärker werden. Der einfachste Weg, dies zu erreichen, war jedoch, so viele verschiedene Bluttypen wie möglich zu konsumieren. Das stellte jedoch ein großes Problem dar. Nach dem Tod von Brandon und dem Zwischenfall mit den zweiten Klassen, wurde die Sicherheit rund um die Akademie strenger als je zuvor. Es wurden mehr Soldaten auf Patrouille geschickt und es schien, als ob sie jeden im Auge behielten. Solange die Anspannung in der Akademie hoch war, war es für ihn das Beste, sich zurückzuhalten. Also konzentrierte er sich auf die Verbesserung seiner Kampffähigkeiten. Quinn hatte die beiden Fähigkeiten noch nicht gelernt, aber das allein würde nicht reichen. Nachdem er Vorden beobachtet hatte, wurde ihm klar, dass er auch lernen musste, wie zu benutzen, also brauchte er Erfahrung.  "Hey, ich gehe in die Stadt, um einige Vorräte zu besorgen. Kommst du mit?" fragte Vorden. Quinn zögerte für eine Weile. Ursprünglich hatte er geplant, sich mit Layla zu treffen, um den Hammerstreich zu üben, aber gleichzeitig hatte er schon eine Weile nicht mehr entspannen können. In seiner alten Schule hatte Quinn nie Freunde gefunden und war eher ein Einzelgänger, aber jetzt bot sich ihm die Gelegenheit, Spaß zu haben. Ein Tag würde sicherlich nicht schaden, oder? "Ja, ich komme mit", antwortete er. "Und du, Peter?" fragte Vorden. Peter vermied die beiden schon eine Weile, aber das war kaum möglich, da sie Zimmergenossen waren. Er bereute immer noch die ganze Situation, hatte sich aber endgültig entschieden, das nie wieder zu tun. "Ja, ich komme auch mit." Die drei machten sich auf den Weg in die Stadt. Sie kauften einiges, sahen einen Film und hatten viel Spaß, als sie aber draußen waren, sah Peter eine Gruppe hochrangiger Erstklässler, die er zuvor kennengelernt hatte. Es waren die gleichen Leute, mit denen Peter in der Kantine abgehangen hatte. Als Peter den Blickkontakt mit der Gruppe aufnahm, signalisierten diese ihm, dass sie sich unterhalten wollten. "Hey Leute, mir fällt gerade ein, dass ich versprochen habe, mich heute Abend mit ein paar Leuten aus der Schule zu treffen", sagte Peter. "Es war schön, mit euch abzuhängen, aber ich sehen euch, wenn ihr zurück ins Wohnheim seid." Vorden sah Quinn an und bemerkte, dass sie beide Peters Worte verdächtig fanden. "Hey Peter, wenn etwas ist, lasse es mich wissen, ich helfe dir", sagte Vorden. "Nein, es ist nichts, ich verspreche es", antwortete er und verschwand aus dem Blickfeld der beiden anderen. Peter wollte auf keinen Fall, dass es einen solchen Vorfall wie beim letzten Mal gab. Er würde sich selbst um die Probleme kümmern, Vorden war stark, aber nach dem Kampf beim letzten Mal war klar, dass Vorden nicht stark genug war, um mit den älteren Schülern fertig zu werden und er wusste, dass sie hinter allem steckten. Peter bog schließlich in eine Gasse und traf dort auf fünf erstklässler. "Du hast ja lange genug gebraucht", sagte der Schüler, der die Gruppe anführte. Sein Name war Earl und er war der Anführer der Erstklässlergruppe, die direkt unter Momos Bande stand. Plötzlich packte Earl Peter und warf ihn gegen die Mauer. "Was zur Hölle hast du dir dabei gedacht, letztes Mal den Lehrer zu rufen", sagte Earl. "Jetzt machen Momo und die anderen uns das Leben zur Hölle, weil wir uns auf dich verlassen haben." Er schlug Peter in den Magen, der daraufhin in die Knie ging und zu Boden fiel. "Warum sollten wir bestraft werden, das ist alles deine Schuld." Earl trat Peter noch einmal in den Magen. Earl ging zu Peter und griff nach seiner Hand. Er hielt einen von Peters Fingern und brach ihn mit einem schnellen Ruck. Sofort war ein Schrei zu hören. "Einer von euch, knebelt diesen Weichei." Einer der Schüler riss ein Stück von seinem Hemd ab und stopfte es Peter in den Mund. "Wir haben noch eine Aufgabe für dich, Peter. Diesmal machst du es besser richtig, verstanden? Nick einfach, wenn du einverstanden bist." Peter schüttelte den Kopf. Er hatte bereits entschieden, dass er Vorden oder Quinn nie wieder verraten würde. "Was, sagst du nein?" Peter nickte und zeigte Earl damit seine Antwort. Die Wut in Earls Kopf wuchs. Ein unbedeutender Erstklässler wagte es, sich ihm zu widersetzen und er, ein Level-Vier-Schüler, musste unter jemand anderem arbeiten. Das war nicht das Leben, das er an der Akademie erwartet hatte, und er musste seinen Ärger irgendwie loswerden. Earl griff sofort nach Peters Fingern und begann, sie eins nach dem anderen zu brechen. Jedes Mal, brach er einen Finger, fragte er Peter, ob er bereit war, ihnen zu helfen. Jedes Mal schüttelte Peter den Kopf. Inzwischen waren alle Peters Finger gebrochen und er hatte immer noch nicht zugestimmt. "Hey Jerry, komm her," befahl Earl. Einer der Erstklässler kam herüber und kniete sich hin. "Leg los, Jerry." Jerry legte seine Hand auf die von Peter und langsam spürte er eine Wärme und die Knochen in Peters Fingern begannen sich neu zu formen. Sie waren wieder so, wie sie einmal waren, und er war geheilt worden. Ein breites Lächeln erschien auf Earls Gesicht. Er packte Peters Finger erneut und wiederholte den Prozess immer wieder. Nach einer Stunde des Brechens, Verletzens und Heilens gab Peters Geist schließlich nach. Ohne es zu bemerken, wollte er den Schmerz nicht mehr spüren und nickte, um ihre Bitte zu erfüllen. "Gut, siehst du, hättest du das von Anfang an gemacht, dann wäre das alles nicht nötig gewesen", sagte Earl. "Diesmal musst du es besser machen und darauf achten, dass du niemanden damit in Verbindung bringst."
In der Aula stand ein Junge - Peter, der nicht wusste, was er tun sollte. Er war von Anfang an dabei gewesen, doch hatte sich in die Menge gemischt, um nicht gesehen zu werden. Als Quinn auf die Bühne trat und versuchte, Vorden zu helfen, fühlte Peter sich noch schuldiger. Denn er war der Grund, weshalb Vorden überhaupt auf der Fläche festgebunden war. Als die Zweitklässler Peter vor kurzem besuchten, kamen sie mit einem Vorschlag: Sie baten ihn, ihnen zu helfen, Vorden in die Aula zu locken und würden ihn dafür schützen. Peter fühlte, als hätte er keine andere Wahl gehabt. Wenn er die Zweitklässler abgelehnt hätte, hätten sie ihn so lange gefoltert, bis er zugestimmt hätte. Was also brachte es, sich zu wehren, wenn das Ergebnis dasselbe war? Nach dem Kampfunterricht hatte Peter Vorden gebeten, mit ihm in die Aula zu kommen, um weiter zu üben. Als sie den Raum betraten, warteten die zweiten Klässler, darunter auch Momo, versteckt auf ihn. Als die Zeit gekommen war, traten sie alle auf einmal hervor und stürzten sich auf ihn. Doch zu seiner Überraschung drehte Vorden sich in dem Moment um und schob Peter beiseite. "Lauf!", sagte Vorden, "es tut mir leid, das ist alles meine Schuld." Vorden dachte, die Zweitklässler hätten es auf ihn abgesehen, weil er in seiner Freizeit etwas unternommen hatte. Er hatte gegen die Zweitklässler gekämpft, als sie alleine waren, und versuchte, Momos Bande nach und nach zu schwächen. Peter wusste nicht, was er tun sollte und rannte aus dem Raum, um später mit allen anderen zurückzukehren. Als er sah, wie Quinn, der genauso schwach wie er war, sich den Zweitklässler entgegenstellte, empfand Peter einen starken Schmerz in seinem Herzen. Er hatte sie verraten. Aber Peter hatte vor, die Dinge wieder gut zu machen. Während niemand hinsah und alle auf die Kämpfe rund um sie herum konzentriert waren, gelang es Peter, die Aula zu verlassen. In der Zwischenzeit waren Erin und Layla damit beschäftigt, sich den zwei Zweitklässlern in der Mitte der Aula zu stellen. Die Erstklässler hatten sich verteilt und versuchten, sich nicht im Kreuzfeuer verletzen zu lassen, taten aber gleichzeitig nichts, um zu helfen. Es war unklar, wer gewinnen würde, und sie hatten das Gefühl, dass es für sie nur schlimmer werden würde, wenn sie sich auf die falsche Seite stellten. "He, macht dir was aus, wenn wir uns austauschen?", sagte einer der Zweitklässler, "Meine Wasserfähigkeiten sind schwach gegen sie." "Ich verstehe, du willst also den Level-2-Nutzer, hm.", erwiderte der andere Schüler. "Na gut, mach sie einfach schnell fertig." Mit diesen Worten stürmten die beiden Zweitklässler zum Angriff. Der Wasser-Nutzer ging auf Layla los, während der Erde-Nutzer Erin angriff. Als der Erde-Nutzer näher kam, stampfte er auf den Boden und ein erdspießgespickter Hügel erhob sich direkt auf Erin zu. Doch Erin blieb ruhig. Als der Spieß auf sie zukam, schlug sie mit ihrem Schwert und halbierte den Spieß mit einem einzelnen Schlag, so dass er zu Boden fiel. "Was zum Teufel, diese Bestienwaffe, wenn sie durch meine Erd-Fähigkeit schneidet, ist sie dann eine fortgeschrittene Bestienwaffe?", dachte der Erde-Nutzer. Er hatte jedoch keine Zeit zum Nachdenken, denn mit ihrer anderen Hand hatte Erin einen Eisspeer geformt und diesen auf ihren Gegner geworfen. Der Erde-Nutzer hob die Arme und bildete eine Erdmauer, die den Angriff abwehrte. Er bewegte seine Hände auseinander und gleichzeitig teilte sich die Mauer, die er geschaffen hatte, in zwei Teile. Aber als der Blick vor ihm frei wurde, war Erin nirgendwo zu sehen. Plötzlich fühlte er, dass sich seine Beine kalt anfühlten. Als er nach unten sah, bemerkte er, dass sie zu frieren begannen. "Für einen zweiten, vierstufigen Erde-Nutzer bist du unglaublich schwach.", sagte Erin. Bevor der Junge reagieren konnte, hatte Erin ihn mit dem Knauf ihres Schwertes auf den Hinterkopf geschlagen. Dann, als er zu Boden fiel, fror sie seine Arme und Beine ein, um sicherzustellen, dass er am Boden bleiben würde. "Wie hat sie so leicht gewonnen?", sagten die Erstklässler, die zusahen. "Ja, sollte ein Kampf zwischen einem Level-4 und Level-5-Nutzer nicht enger sein als das? Und er war ein Zweitklässler." "Vielleicht sind sie nicht so stark, wie wir dachten?" Normalerweise wäre ein Kampf zwischen einem Level-4 und Level-5-Nutzer viel enger, besonders wenn man bedenkt, dass der andere Schüler ein Zweitklässler ist. Aber es gibt einen großen Unterschied zwischen den beiden Kämpfern, und das ist etwas, das man Kampf-IQ nennt. Unabhängig davon, wie stark die Fähigkeiten von jemandem waren oder wie stark er schlagen konnte, musste man wissen, wie und wann man seine Fähigkeiten einsetzen konnte. Das konnte man mit Erfahrung verbessern, oder manche Leute waren einfach von Natur aus begabt. Für Erin war sie schon immer in der Kategorie der Begabten gewesen. Obwohl Erin ihren Kampf schnell beendet hatte, konnte man das von Layla nicht behaupten. Ihre Angriffe waren im Grunde nutzlos. Als Bogenschützin konnte sie ihre Fähigkeiten am besten einsetzen, wenn sie ihren Gegner überraschen konnte und wenn zwischen den beiden eine gewisse Distanz bestand. Aber hier hatte sie keines von beidem. Jeder ihrer Angriffe traf auf eine Wasserwand, die ihre Pfeile im Keim erstickte und schließlich war sie erschöpft. Der Zweitklässlern schleuderte seine Faust aus und einen Wasserball kam auf sie zu. Er traf sie mitten in den Magen und schleuderte sie zurück in Richtung des vorderen Teils der Halle, in der Nähe von Vorden. Der Wasser-Nutzer rannte hinter ihr her, um sie zu töten. Layla sah das und wehrte sich, war aber zu verletzt, um aufzustehen. "Hey du, befreie mich, ich kann ihn erledigen.", sagte Vorden. "Was?", sagte Layla, als sie aufblickte und bemerkte, dass es Vorden war, der mit ihr sprach. "Komm schon, beeil dich, wir haben nicht viel Zeit, berühr mein Bein." Layla zögerte einen Moment. Sie erinnerte sich noch daran, was passiert war, als sie beide in dem Raum waren - sie hatte immer noch ein merkwürdiges Gefühl im Magen, das ihr sagte, dass Vorden kein guter Mensch war, aber im Moment war er die einzige Person, auf die sie sich verlassen konnte. Sie kroch zu Vorden hinüber und berührte sein Bein, wie er es verlangt hatte. Dann begannen die Fesseln, die um Vorden's Arme und Beine gebunden waren, zu zittern. "Komm schon, hilf mir, du Schlampe!", brüllte Vorden sie an. Vorden setzte Layalas Telekinese-Fähigkeit ein, aber sie war schwach, nicht stark genug, um die Fesseln zu lösen. Layla hob daraufhin ihre Hand und mit vereinten Kräften wurden die Fesseln schließlich gelöst und Vorden war frei. Er begann, sein Handgelenk zu drehen, als müsste er sich wieder an seinen Körper gewöhnen. Er schüttelte Arme und Beine und begann, auf und ab zu springen. "Endlich darf ich raus, es ist schon eine Weile her." Als der Wasser-Nutzer vorwärts rannte, jetzt, da Vorden frei war, war er vorsichtiger. Sie erinnerten sich daran, dass Vorden bei ihrem letzten Kampf in der Aula Erdkräfte hatte. Damals war die letzte Person, die er berührt hatte, Peter. Danach begann Vorden hysterisch zu lachen und stürmte auf den Wasser-Nutzer zu. Der Wasser-Nutzer geriet in Panik uns schleuderte zwei Strahlen von Wasserklingen aus. Diese waren genauso scharf wie ein Schlag von einer normalen Klinge, konnten aber ausgeworfen werden. Als die Klingen auf ihn zukamen, drehte Vorden seinen Körper im letzten Moment auf eine seltsame Weise und vermied beide Klingen. Er hob daraufhin einen der schwarzen Bälle vom Boden auf, nutzte seine Telekinesekraft und warf ihn aus. Der Angriff war jedoch einfach für den Wasser-Nutzer abzuwehren, der eine Wasserwand bildete, um den Ball zu stoppen, doch dann *Crack*. Etwas wurde am hinteren Teil seines Beines gefühlt und gleichzeitig war ein knirschendes Geräusch zu hören. Der Junge fiel sofort auf ein Knie. Als er zu Vorden vor ihm blickte, sah er nur Vorden mit ausgestreckten Händen. Dann durchfuhr ein weiterer stechender Schmerz seinen Körper an seinem anderen Knöchel. Ohne es zu merken, hatte Vorden ihn von hinten angegriffen und die anderen schwarzen Bälle zu ihm gezogen. Der Wasser-Nutzer war zu sehr auf den Angriff von vorne konzentriert, dass er nicht an einen Angriff von hinten dachte. Außerdem hatte es ihn überrascht, dass Vorden kein Erde-Nutzer war, wie er dachte. Daraufhin hob Vorden zwei weitere schwarze Bälle hoch und schwang seine Hände nach unten. Gleichzeitig stürzten die Bälle mit irrwitziger Geschwindigkeit herab und trafen den Schüler an den Unterarmen, brachen sie gleichzeitig. Der Schüler schrie vor Schmerz und weil seine Arme verstümmelt waren, konnte er seine Wasserfähigkeit nicht mehr wie zuvor einsetzen. "Endlich bin ich, Raten, zurückgekehrt.
Quinns Vermutung über Momo war beinahe goldrichtig. Momo konnte zwei Sekunden in die Zukunft sehen, aber nicht so deutlich, wie man vielleicht denken könnte. Seine Fähigkeit wurde durch seine Augen aktiviert. Sobald er seine Kräfte aktivierte, bekam er eine ganz neue Art von Sicht. Überall wo Momo hinsah, konnte er die Konturen von Personen oder Objekten sehen, und was diese als nächstes tun würden. Als Momo sich umdrehte und die schwarze Kugel auf ihn zuschoss, konnte er die Konturen der Kugel spüren. Dies ermöglichte es ihm, gerade noch rechtzeitig seinen Kopf zur Seite zu bewegen. Bereits zwei Sekunden, bevor Quinn sich überhaupt in Bewegung setzte, hatte Momos Kontur bereits gezeigt, wo und was Quinn vorhatte. Es war eine starke Fähigkeit, die Momo zuerst einige Jahre benötigte, um sie zu meistern. Die Fähigkeit, in die Zukunft sehen zu können, half nicht in allen Aspekten. Momos Kraft, Geschwindigkeit und Reaktionszeit mussten gemeinsam mit seiner Fähigkeit trainiert werden. Obwohl Momos Fähigkeit eine der seltenen war, die auf dem Markt erhältlich war, entschieden sich nicht viele Menschen dafür - aus all diesen Gründen. Aber nicht nur Quinn hatte Momos Fähigkeit durchschaut, auch Raten hatte das. "Was interessiert es mich, ob du weißt, was ich vorhabe!", rief Raten, "Ich muss nur etwas tun, was du nicht blockieren kannst." Dann rannte er auf Momo zu. Momo schwang seine Peitsche, während Raten seine Hand ausstreckte und die Peitsche mit seiner Telekinese verlangsamte, genug, um über den Schlag zu springen. Mit der anderen Hand formte Raten etwas, das aussah wie Wasser, das seine Hand umgab. Mit einem weiteren Schlag folgte eine Wasserklinge. Momo weichte schnell zur Seite aus, um einem Hieb auszuweichen, der aber schnell von einer Flut von Wasserschlägen gefolgt wurde. Gleichzeitig kamen von hinten zwei weitere schwarze Kugeln auf ihn zugerollt. Momo sah die schwarzen Kugeln auf sich zukommen und wusste, dass er nichts tun konnte außer, den Treffer einzustecken. Er entschied sich, den Wasserschlägen auszuweichen, den stärkeren der beiden Angriffe und stellte sich so hin, dass die Kugeln seinen Rücken trafen. Nach dem Aufprall der schwarzen Kugeln entfernte sich Momo von Vorden, um Distanz zwischen sich zu schaffen. "Ich muss zugeben, ich hätte nicht erwartet, dass du zwei Fähigkeiten einsetzen kannst. Du hast letztes Mal so etwas nicht gemacht. Sieht so aus, als ob du doch einen Trumpf hattest.", sagte Momo, "Aber du warst nicht der Einzige, der sich letztes Mal zurückgehalten hat." Während er eine Peitsche in seiner rechten Hand hielt, begann sich in seiner linken Hand etwas zu formen. Zuerst sah es aus wie ein Haufen von Lichtpartikeln, die etwas formten, dann erschien aber eine weitere Peitsche, die anders aussah und sich anders anfühlte, fast als wäre sie lebendig. Allein das Halten bewirkte, dass sich die Peitsche ständig wie eine Schlange bewegte. "Lass mich dir den Unterschied zwischen den zweiten und den ersten Jahren zeigen.", sagte Momo. Auch wenn Erin gerade mit dem Kampf gegen die anderen Schüler im zweiten Jahr beschäftigt war, konnte sie die Macht in dem Raum nicht übersehen. "Also hat er doch eine, hm, eine Seelenwaffe." Während Momo und die anderen immer noch ziemlich weit entfernt waren, war es Layla gelungen, sich von den anderen Schülern im zweiten Jahr zu lösen. Ehrlich gesagt, kam Erin ganz gut alleine mit ihnen zurecht und Layla war auch keine große Hilfe. Sie eilte schnell zu Quinn, der schwer verletzt war. Es war nicht so schlimm, dass er sich nicht mehr bewegen konnte, aber es war offensichtlich, dass er vorerst keinen Kampf mehr führen konnte. "Brauchst du Blut?", flüsterte Layla. "Nein, es geht mir gut. Ich bin in keiner Gefahr, mach dir keine Sorgen. Ich will nur nichts vor all diesen Leuten verraten." "Ich verstehe.", sagte Layla, dann schaute sie zu Vorden. "Dein Freund, ich gebe ungern zu, aber er ist stark." "Ja." Als Quinn nun sah, wie Vorden so geschickt kämpfte, als hätte er es schon hundertmal gemacht, und dabei spielend leicht zwei Fähigkeiten einsetzte, wurde ihm schnell klar, dass er nicht viel über Vorden wusste und dass er wahrscheinlich genauso wie er selbst seine eigenen Geheimnisse hütete. Aber wieder einmal, statt zu fliehen, als er befreit wurde, hatte er sich entschieden, zu helfen. Obwohl Quinn jetzt nicht stark genug war, um zu helfen, würde er sich in der Zukunft für diese Freundlichkeit revanchieren. Jetzt, mit Momos Seelenwaffe, wuchs das Vertrauen in ihn. Er schwang seine Seelenpeitsche und sie bewegte sich mit Blitzgeschwindigkeit. Als Reaktion darauf erschuf Raten mit einer Hand eine Wassermauer und versuchte, die Peitsche mit der anderen zu verlangsamen. Aber die Telekinese-Kraft war nutzlos und schien die Peitsche nicht zu verlangsamen. Als die Peitsche die Wassermauer erreichte, wuchs sie plötzlich in der Länge und wickelte sich um Ratens Arm. Momo zog nach vorne und zerrte Ratan zu Boden, dann schlug er mit seiner anderen Peitsche auf seinen Rücken. Raten versuchte, durch Rollen den Peitschenhieben auszuweichen, aber es schien, als ob die Peitsche ihm folgte und voraussagte, wohin er als nächstes rollen würde. Raten wurde mehrmals gepeitscht und sein Rücken war blutüberströmt. Dann formte Raten mit der anderen Hand eine kleine Wasserklinge. Er wusste, dass die Peitsche zu stark sein würde, um sie zu durchtrennen, also griff er nach seiner eigenen Hand und schnitt sie komplett von seinem Körper ab. Die Peitsche war nicht mehr mit seinem Körper verbunden und gleichzeitig auch seine Hand nicht mehr. Obwohl man erwarten würde, dass überall Blut fließen würde, konzentrierte sich Raten mit absurder Menge an Energie darauf, seinen Telekinese-Fähigkeiten zu verwenden, um zu verhindern, dass Blut aus der Wunde spritzte. Und er wusste ehrlich gesagt nicht, wie lange er das noch durchhalten konnte. "Verdammt noch mal!", schrie Raten, "Wenn dieser Körper nur nicht schon so verletzt wäre. Ihr glaubt, ihr habt es geschafft. Eine Seelenwaffe ist stark genug, um uns zu besiegen? Denkt noch mal nach. Kleiner, jetzt bist du dran. Es ist Zeit, diesem Mann die Hölle heiß zu machen!" In diesem Moment wurden die Türen zur Aula aufgeschwungen und eine große Frau mit silbernen Haaren trat ein, hinter ihr stand Peter. "Ich befehle allen, sofort stehen zu bleiben", sagte sie. "Wer meinem Befehl nicht folgt, wird bestraft."
Als Peter fort war, waren Quinn und Vorden auf sich allein gestellt. Sie schlenderten gerade die Hauptstraße entlang, die gesäumt war von Kleiderläden und Restaurants. Die Schüler bekamen täglich nur eine Zuwendung von 10 Credits, aber das hinderte ihre Eltern nicht daran, ihnen zusätzliches Geld zu schicken, während sie noch auf der Schule waren. Die wohlhabenderen Schüler konnten ihren Launen nachgeben und kaufen, was immer sie wollten und leider waren die reicheren Schüler normalerweise auch die stärkeren. Auch wenn die Stadt für normale Bürger nicht zugänglich war, war sie offen für alle Arbeiter. Die Stadt war angefüllt mit Militärpersonal, aber nicht alle waren Soldaten. Es wurden ebenfalls Köche benötigt, Verwaltungsangestellte, Ingenieure, Bauarbeiter und sogar allgemeines Personal, das den Laden zusammenhalten sollte. Sie alle hatten vom Militär eine spezielle Erlaubnis erhalten und wurden im Gegenzug gut untergebracht und mussten sich keine Sorgen über das Leben in der Außenwelt machen. Auch wenn sie also für das Militär arbeiteten, mussten sie nicht mit Kämpfen rechnen, es sei denn, es war absolut notwendig. Während die beiden liefen, musste Quinn ständig an den Kampf zwischen Vorden und Momo denken. "He Vorden, du hast mal gesagt, dass deine Fähigkeit sich täglich zurücksetzt, aber du hast nie erwähnt, dass du zwei Fähigkeiten gleichzeitig nutzen kannst?" fragte Quinn. "Hab ich das nicht gesagt?" antwortete Vorden mit einem verlegenen Lächeln. "Nun ja, es gibt einige in meiner Familie, die sogar drei Fähigkeiten besitzen." "Echt? Wie funktioniert das genau?" "Nun ja, wenn ich dir die Geheimnisse unserer Familie verraten würde, Quinn, müsstest du ein Mitglied von uns werden. Ansonsten müsste ich dich töten." Für einen Moment herrschte eine peinliche Stille zwischen den beiden. Quinn war sich nicht sicher, ob Vorden scherzte oder ernst meinte. "Entspann dich mal", meinte Vorden. "Aber ja, ich darf dir wirklich nichts sagen, du kennst ja die Regeln der Originale..." Vorden gehörte zu einer der ursprünglichen Familien, die beschlossen hatten, ihre Fähigkeiten im Familienkreis zu behalten. Das bedeutet, dass die Mitglieder der Familie die Einzigen waren, die wussten, wie man andere Fähigkeiten kopieren kann. Natürlich durfte Vorden mit niemandem über seine Fähigkeit sprechen. "Ja, das tut mir leid, aber darf ich fragen. Wenn du eine Fähigkeit kopierst, die du noch nie verwendet hast, wie kannst du dann so gut damit umgehen?" "Ich möchte dir etwas zeigen", antwortete Vorden. Die beiden gingen weiter die Hauptstraße entlang, die voll von Läden war, bis Vorden schließlich vor einem Spieleladen stehen blieb. Sie betraten den Laden und überall in den Regalen waren verschiedene Spiele ausgestellt. Ganz hinten im Laden gab es eine VR-Kapsel, die Interessenten testen konnten, bevor sie etwas kauften. Genau wie alles andere hatte sich auch die Technik der Spiele nach dem Krieg erheblich verbessert. Dann zeigte Vorden auf die VR-Kapsel. "Siehst du das dort, ich bin damit aufgewachsen." "Was?" Quinn dachte nach, dann fiel ihm ein, dass Leo etwas über ein VR-Spiel erwähnt hatte, das sehr beliebt bei den Schülern war. Er hatte gesagt, Quinn solle dieses Spiel spielen, wenn er Kampferfahrung sammeln wolle. Ist es das Spiel, welches er meinte? "Es gibt ein beliebtes Spiel, das sowohl in der Außenwelt als auch in den Militärschulen gespielt wird. Es heißt 'Power Fighter'. Das Spiel ist einfach. Man erhält einen leeren Raum und zwei kämpfen gegeneinander, bis einer verliert. Auch wenn es einfach klingt, dient das Spiel dazu, Menschen bei ihrem Training zu helfen. Die VR-Kapsel kann alle Eigenschaften deines Körpers aufzeichnen. Alles, was du in der realen Welt tun kannst, kannst du auch im Spiel machen. Das Einzige, was sie nicht kann, ist die Aufzeichnung deiner Fähigkeiten." Vorden ging zur Kapsel und berührte die Vorderseite der Kapsel, an der sich ein runder Ring befand. Ein holographisches Display erschien, auf dem mann die Einstellungen des Spiels sehen konnte. Vorden legte seine Hand auf das holographische Display und ein Benachrichtigungsgeräusch war zu hören. "Willkommen Benutzer-ID VBCopy", sagte die Maschine. Als Vorden sich in das Spiel einloggten, erschienen die Informationen seiner Benutzerkennung zusammen mit einem Dummy-Modell seines Kämpfers, das Vorden überhaupt nicht ähnlich sah. Es wurde die Gesamtzahl der Kämpfe, die Vorden gekämpft hatte, angezeigt und wie viele er gewonnen und verloren hatte. Doch Vorden wechselte schnell auf einen anderen Bildschirm, so schnell, dass Quinn nichts sehen konnte. Dann war Vorden plötzlich in einem Menü mit Fähigkeiten. Die Liste schien endlos zu sein. "Warte, ich dachte, du hast gesagt, das Spiel kann deine Fähigkeit nicht aufzeichnen?" fragte Quinn. "Stimmt, es kann sie nicht aufzeichnen, aber damit das Spiel noch realistischer ist und als Trainingswerkzeug verwendet werden kann, lädt es jede Fähigkeit in seine Datenbank hoch, die in der heutigen Welt verbreitet ist. Natürlich nur die, die öffentlich sind. Ursprüngliche Fähigkeiten und Fähigkeiten, die noch nicht entdeckt wurden, sind also nicht in dieser Liste enthalten, auch nicht meine eigenen. Aber ich kann jede Fähigkeit auswählen, die ich möchte. Auch wenn ich sie in der realen Welt nicht ausführen kann, kann ich sie im Spiel trainieren." Jetzt verstand Quinn endlich, wie Vorden es geschafft hatte, sich mit vielen verschiedenen Fähigkeiten vertraut zu machen. Das konnte jemandem wie ihm, der jede beliebige Fähigkeit einsetzen konnte, nur Vorteile bringen. Die meisten, die dieses Spiel spielten, wollten besser in ihren Fähigkeiten werden. Das bedeutete, sie wählten normalerweise nur ihre eigene Fähigkeit aus. Was war der Sinn darin, etwas auszuwählen, das man in der echten Welt niemals benutzen konnte, es sei denn, man wollte einfach nur die Erfahrung machen. "Das Spiel ist bei den anderen Militärschulen sehr beliebt", fuhr Vorden fort. "So beliebt, dass das Militär eigene Server entwickelt hat, die nur mit anderen Schulen verbunden sind, aber man kann auch mit der Außenwelt spielen. Bevor du das Spiel betrittst, kannst du sogar dein Kraftlevel eingeben. Dadurch wirst du mit Leuten zusammengebracht, die ungefähr auf deinem Level sind. Die Leute können über ihr Level lügen, aber solche Leute werden nie besser im Kämpfen und schikanieren ständig die Schwächeren." Quinn ging auf die Kapsel zu und begann sie zu untersuchen. Sie klang fantastisch und war genau das, was Quinn brauchte. Auf diese Weise konnte er gegen andere Schüler üben, ohne dass die anderen mitbekamen, dass er es war. Dann hob Quinn das Etikett an und mehr Nullen waren auf dem Preisschild zu sehen, als er jemals zuvor gesehen hatte. Er hätte sich so etwas nie leisten können. Vielleicht einige der anderen Schüler, die von ihrer Familie Kredite bekamen, aber nicht Quinn. Vorden musste lachen. "Keine Sorge, du musst dir nicht selbst eine kaufen, die Akademie hat einen ganzen Raum voll davon." "Echt?" "Komm, lass uns zurückgehen und es ausprobieren.
Selma Paynes Sichtweise: „Ich, Benson Walton, lehne dich, Selma Payne, als meine zukünftige Luna und Gefährtin ab." Dies war der letzte Tag der Zeremonie. Alle gingen fröhlich zur Versammlung, und niemand bemerkte mein Gespräch mit Benson. Ich ballte wütend die Fäuste und hörte Bensons tiefes Knurren. „Nimm deine Ablehnung hin und verschwinde für immer aus meinem Blickfeld! Der Gedanke daran, dass du menschliches Blut in deinen Adern hast, widert mich an! Wenn du klug bist, suchst du dir einen stillen Ort zum Sterben, anstatt den Ruhm unserer Leute zu beschmutzen." Seine harten Worte brachten mein Blut zum Kochen. Ich versuchte meine Tränen zurückzuhalten, was mich nur noch mehr beschämte. „Vielleicht hatte er recht. Mein Aussehen war von Anfang an ein Fehler. An meinem sechzehnten Geburtstag erfuhr ich von meinen Eltern, dass ich nicht ihr leibliches Kind war, obwohl sie mir immer sagten, ich sei ein Geschenk des Storchs. Benson gab ein seltsames, gurgelndes Geräusch von sich und drängte mich, so schnell wie möglich eine Entscheidung zu treffen. Der Gedanke, ihn zurückzuweisen, verursachte mir so viel Schmerz, dass ich kaum atmen konnte. Ich war ein Mensch, der hier nicht hingehörte. Ich war nicht so stark und mutig wie die anderen. „Ich, Selma Payne, akzeptiere deine Ablehnung", stammelte ich, und der Schmerz ließ mich unkontrolliert zittern. Benson schnaubte kalt und betrachtete mich mit verschränkten Armen. „Wenigstens hast du Anstand. Du bist nur ein Frosch. Bleib im Sumpf und denk nicht einmal daran, andere in unser Rudel zu verwickeln." An seinem neunzehnten Geburtstag erfuhren wir, dass wir Gefährten sein sollten. Damals lehnte er mich nicht ab, und ich dachte, er hätte sein Schicksal akzeptiert. Aber es stellte sich heraus, dass er nur Angst hatte, dass ich mit anderen Rudelmitgliedern zusammen sein würde. Benson wandte sich kalt ab und ging hinaus. Einige Leute standen an der Tür. Sie begrüßten ihn mit Lächeln, vielleicht verspotteten sie mich insgeheim wegen meiner Träumerei. „Atme, Selma, atme. Zeige ihnen deine Schwäche nicht." Ich tat so, als wäre ich ruhig und wartete, bis sie weg waren, dann rannte ich traurig davon. Ich wollte keine Schwäche vor den Wölfen zeigen, sonst würden sie mich angreifen. Diese Art des Überlebens hatte ich nach so vielen Jahren des Trainings mit ihnen gelernt. Jetzt hatte ich mich gut in das Rudel integriert, obwohl ich ein weiches Ei war, das schon bei der kleinsten Berührung umfallen würde. Ich hatte tolle Freunde. Wenn jemand versuchte, mich zu schikanieren, verteidigten sie mich immer. Wenn ich unglücklich war, fanden sie immer einen Weg, mich aufzumuntern. Meine Eltern waren die besten der Welt. Sie lachten nie über mich oder tadelten mich. Im Gegenteil, wenn ich mich fragte, warum ich schwächer als andere war, sagten sie mir immer, dass jeder Mensch mit einer Bestimmung geboren wird, und das war nicht meine. Aber ich hatte alles ruiniert. Wie würden Benson und die anderen die Nachricht verbreiten? Dass Benson diesen skrupellosen Menschen abgelehnt hatte? Würden meine Eltern und Freunde deshalb bloßgestellt? Vielleicht hatte er recht. Ich war eine wertlose Person, die nur Schande über das Rudel bringen würde. Ich sollte für immer verschwinden und sie nicht mit mir in den Abgrund ziehen. Meine armen Eltern hatten schon genug Schmerz und Demütigung erlitten. Ich war nie ihr Stolz, nicht ein einziges Mal! Ich schlich mich unbemerkt aus dem Haus. Da es die Nacht des Festes war, würden sie vielleicht über mich lachen. Der Gedanke daran ließ mich frösteln. Mit Hilfe des Mondlichts ging ich langsam in den Wald. In diesem Moment bemerkte ich, dass mein Gesicht von Tränen übersät war. Der Schmerz der Zurückweisung und der Herzschmerz, den ich beim Gedanken an meinen bevorstehenden Abschied empfand, machten es mir unmöglich, die Kontrolle zu bewahren. Ich weinte laut heraus. Niemand würde sich um den Müll kümmern, der ohne das Mondlicht die Straße nicht deutlich sehen konnte. „Ich hätte schon vor vielen Jahren im Wald sterben sollen. Stattdessen habe ich all dieses Glück gestohlen. Ich bin meinen Eltern, meinem Bruder Rhode und allen im Rudel sehr dankbar. Sie haben mir so viel Liebe gegeben. Jetzt ist es an der Zeit, dass ich dem Rudel etwas zurückgebe. Es ist an der Zeit, dass alles wieder in die richtige Bahn kommt." Ich wischte mir die Tränen vom Gesicht, als würde ich einen Fleck entfernen. Heute Abend würde ich ihnen ein reines und makelloses Rudel hinterlassen. Die kalte Luft der Nacht drang durch meine Nase in meine Lungen, und ich hustete heftig. Ich konnte nicht einmal eine so kleine Veränderung der Luft verkraften. Wie konnte ich es wagen, mich ein Mitglied dieses Rudels zu nennen? Wenn die Person, die heute hier wäre, Rhode oder irgendjemand anders wäre, wäre sie nicht so zerbrechlich wie ich. Ich hörte, wie die Menge mein Lieblingslied sang. Das Lied überbrückte die Distanz und drang wie eine stille Ermutigung und Aufforderung in meine Ohren. Ich bin mit diesem Lied in das Rudel gekommen und hier aufgewachsen. Also war es nur richtig, dass ich mich mit diesem Lied verabschiedete. „Es ist Zeit, Selma, zum letzten Mal mutig zu sein!" Ich schloss meine Augen und sprang von der Klippe. Der Wind pfiff mir um die Ohren, und das Lied wurde undeutlich. Endlich war ich für immer frei.
Seven Days Hotel, Porthampton.   Connor McDonald fuhr mit einem Elektrofahrrad zum Seven Days Hotel, das umgangssprachlich als "Lovers Haven" bekannt ist, um Essen zu liefern.   Heute war der Geburtstag seiner Freundin, Mandy Hines. Nachdem er am Morgen die letzte Bestellung ausgeliefert hatte, würde er mit ihr ein Date haben. Voller Vorfreude trug Connor den Imbiss und ging in Richtung Seven Days Hotel.   In diesem Moment traten ein junger Mann und ein Mädchen Hand in Hand aus dem Aufzug. Der Mann trug ein Armani-Hemd, eine Rolex-Uhr und einen BMW-Schlüsselanhänger an der Hüfte. Die Frau trug einen Minirock, der ihre wohlgeformten weißen Oberschenkel entblößte. Sie war ergriffen und sah verführerisch aus. Die beiden schmiegten sich aneinander und flirteten miteinander, als wären sie ein Paar.   "Mandy?" Connor traute seinen Augen nicht und lief eilig zu ihnen.   Gestern Abend hatte Mandy ihm gesagt, dass sie mit ihrer besten Freundin ins Kino ging und an diesem Abend nicht mehr zurückkommen würde. Connor hätte nie gedacht, dass er sie im Seven Days Hotel antreffen würde.   Sie war erschrocken; ihr Gesichtsausdruck veränderte sich. Unbewusst wollte sie sich von dem Kerl losreißen, als sie Connors Stimme hörte, aber der Kerl hielt sie fest umklammert.   "Wovor hast du Angst? Willst du immer noch mit diesem kaputten Kerl zusammen sein?" Er war kleiner als der Durchschnitt. Ohne seine Markenklamotten wäre er unauffällig gewesen, und niemand hätte einen Blick auf ihn geworfen.   Mandys Augen flackerten einen Moment lang. Sie war nicht mehr so erschrocken wie zuvor. Stattdessen sah sie gleichgültig aus.   "Nun, da du es herausgefunden hast, ist es wohl an der Zeit, es dir mitzuteilen, Connor", sagte der reiche Kerl, der Mandy im Arm hielt, "deine Freundin ist jetzt mit mir zusammen."   Er war Connors Klassenkamerad, Brandon Guthrie. Im Gegensatz zu Connor war er ein reicher Junge.    Connor taumelte zurück, sein Gesicht war ernst, als er Brandons Worte hörte. Dann ignorierte er Brandon und zog Mandy zu sich. "Komm mit mir nach Hause, Mandy. Ich kann dich glücklich machen."   "Fass mich nicht an!" Mandy schob Connors Hand weg. "Warum sollte ich mit dir gehen? Kannst du es dir leisten, die Handys und Handtaschen zu kaufen, die ich mag? Du musst sogar bis zu meinem Geburtstag warten, bevor wir uns einen Film ansehen können. Wie kommst du darauf, dass du mich glücklich machen kannst?"    "Mandy, ich bin zwar jetzt pleite, aber ich werde härter arbeiten." Connor knirschte mit den Zähnen.   "Härter arbeiten? Du bist ein Waisenkind ohne Geld, Macht oder Hintergrund. Du kannst nicht den Wohlstand erreichen, den Brandon hat, nur weil du ein Lieferjunge bist", spottete Mandy.   "Wach auf, Connor. Mandy wird nicht mit dir gehen. Willst du, dass sie mit dir Essen ausliefert?" Brandon verspottete ihn.   "Ich wollte dir schon lange sagen, dass du mich nicht verdienst. Es ist aus mit uns, Connor", sagte Mandy mit eisiger Stimme. Dann drehte sie sich um, sah Brandon mit einem liebevollen Lächeln an und legte ihre Hände durch seinen Arm. "Lass uns gehen, Brandon."   "Ein pleite gegangener Kerl wie du hat keine Liebe verdient, weißt du?" Brandon warf Conor einen verächtlichen Blick zu, als er Mandy zu einem BMW brachte, der vor dem Hotel parkte.   Connor sah zu, während sein Herz schmerzte, als Mandy wegfuhr. Er fühlte sich wütend, schmerzhaft, entrüstet und doch hilflos.   "Du demütigst mich, nur weil Brandon reich ist?"   Connor senkte den Kopf, und seine Hände ballten sich zu Fäusten. Seine Fingernägel bohrten sich in seine Handflächen, bis seine Hände bluteten.   Connor und Mandy lernten sich auf dem College kennen. Sie waren während des ersten Fakultätsstipendiums ein Paar geworden. Damals war sie unschuldig gewesen, aber jetzt hatte sie ihn betrogen und sich für Brandon entschieden.   Connor flehte Mandy nicht an, zu bleiben oder ihr nachzulaufen, weil er pleite war. Wer war er, dass er mit Brandon konkurrieren konnte?   Er hatte Mandy inzwischen durchschaut. Weil er pleite war, hatte Mandy ihn in den letzten zwei Jahren immer wieder beleidigt. Trotzdem hatte Connor nie etwas gesagt. Alles, was er tun konnte, war härter zu arbeiten und Geld zu verdienen, um sie zu unterstützen. Aber sie hat ihn betrogen, indem sie sich mit dem reichen Jungen eingelassen hat.   "Du hast mich heute gedemütigt. Eines Tages werde ich dir klarmachen, dass du es bist, der mich nicht verdient hat", sagte Connor zu sich selbst mit einem Glitzern in den Augen.   Die Cafeteria der Porthampton Universität.   "Sieh es doch mal positiv, Connor", sagte Dominic Turner, Connors Zimmergenosse, "ich habe dir schon vor langer Zeit gesagt, dass Mandy nicht in unsere Welt gehört. Sie ist schön, heiß und kokett. Ich wusste auf den ersten Blick, dass sie es mit Beziehungen nicht ernst meint.   "Wie das Sprichwort sagt, die Göttin der Armen, das Spermagefäß der Reichen; ein langbeiniges schönes Mädchen mit üppigem Busen wie sie ist ein Spielball der Reichen. Plebs wie wir sollten sich von Mädchen wie ihr fernhalten. Sonst machen sie uns irgendwann zu Hahnrei.   "Ich nehme an, du hast mit ihr geschlafen, richtig? Du hast nichts zu verlieren."   "Die Sache ist die, ich habe es nicht getan", sagte Connor.   "Was? Du hast nicht? Ihr beide seid seit Jahren zusammen und du hast sie nicht angefasst? Seid ihr nach dem Kino nicht in ein Hotel gegangen?" Dominic sprang auf und sah verzweifelt aus.   "Wir haben in ein Standard-Doppelbettzimmer eingecheckt, aber zwischen uns ist nichts passiert", sagte Connor.   "Das kann nicht dein Ernst sein! Was für ein Verlierer du bist!"   Connor dachte einen Moment lang nach und stimmte ihm zu. Er liebte Mandy wirklich und respektierte sie, deshalb zwang er sie nie, Dinge zu tun, die gegen ihren Willen waren.   Nur das, leider...   Connor sah sich die Bestellungen auf seinem Handy an. Der einzige Vorteil der Trennung war, dass er endlich aufhören konnte, Essen auszuliefern. In diesem Moment piepte sein Telefon mit einer eingehenden Textnachricht.   [Ihre Kontonummer mit der Endung 4466 wurde mit $1.000.000.000,00 gutgeschrieben. Ihr Kontostand beträgt jetzt $1.000.000.056,00.]   Connor sah sich die Nachricht an und machte große Augen. Heiliger Strohsack! Wer hat eine Milliarde Dollar auf mein Konto überwiesen?'
Thomas öffnete die Schublade, nahm ein Dokument heraus und reichte es Connor. "Das hier ist das Testament, das Mr. Barry im Krankenhaus erstellt hat. Du musst es einfach unterschreiben und das Erbe wird dein sein. Aber es ist eine Sache, die du beachten musst."   „Was soll das sein?" Connor fragte verwirrt, als er das Testament von Thomas entgegennahm.   „Bevor Mr. Barry starb, hinterließ er explizit die Anweisung, dass du Freya Phillips heiraten musst, bevor du seinen Nachlass erben kannst. Andernfalls wird das gesamte Erbe an Wohltätigkeitsstiftungen gespendet", sagte Thomas langsamer.   „Freya Phillips heiraten? Wer ist Freya Phillips?" Connor war fassungslos. Er hatte nicht erwartet, dass er so eine spezielle Bedingung erfüllen muss, bevor er den Nachlass erben kann. Mit dem Erbe war also auch eine Ehefrau verbunden.   „Laut Testament darf ich keine Informationen über sie preisgeben", sagte Thomas.   „Ist Freya übergewichtig und hässlich?" fragte Connor mit gerunzelter Stirn.   „Du brauchst dir keine Sorgen um sie zu machen. Selbst wenn sie nicht gut aussieht, kannst du sie in unserer modernen Zeit mit Geld problemlos in eine Schönheit verwandeln", sagte Thomas und lächelte.   "Was du gesagt hast, macht Sinn." Connor rieb sich die Nase und nickte. "Okay, ich stimme zu."   "Wenn du keine weiteren Fragen hast, unterzeichne das Testament jetzt und es tritt sofort in Kraft." Thomas schob das Testament vor Connor.   Connor hatte keinen Grund, ein solches Erbe abzulehnen. Er würde nicht zögern, eine hässliche Frau zu heiraten, nur um das Erbe zu erhalten. Weil Connor genug von seiner Armut gelitten hatte.   Nachdem Connor seine Unterschrift geleistet hatte, verstaut Thomas das Testament, zog eine schwarze Karte heraus und übergab sie Connor respektvoll.   "Was ist das?" Connor nahm die Karte verwirrt entgegen.   "Das ist die American Express Centurion Card, die angesehenste Kreditkarte, die American Express 1999 in Großbritannien eingeführt hat. Mit dieser Karte hast du Zugang zu den weltbesten exklusiven Vorteilen und Dienstleistungen und kannst ohne Ausgabenlimit nach Belieben ausgeben."   Connor betrachtete die Centurion Card und lächelte Thomas an. "Bist du sicher, dass ich diese Karte ohne Ausgabelimit nach Belieben verwenden kann?"   "Absolut sicher. Die Ausgaben auf dieser Karte werden von deinem Unternehmen übernommen und der Gesamtmarktwert deines Unternehmens beträgt mehr als zehn Billionen Dollar. Wenn die Ausgaben also innerhalb von zehn Billionen Dollar liegen, ist alles in Ordnung", erklärte Thomas sanft.   "Ich wusste nicht, dass es eine so mächtige Kreditkarte gibt." Connors Grinsen wurde breiter, da er bereit war, sofort zu gehen, um die Karte auszuprobieren.   "Übrigens, Mr. McDonald, hier ist meine Visitenkarte. Ich leite das Unternehmen für dich. Wenn du auf Probleme stößt, zögere nicht, mich anzurufen." Thomas reichte Connor respektvoll seine Visitenkarte.   "Ich werde das tun."   Connor nahm die Visitenkarte entgegen. "Wenn es sonst nichts gibt, dann gehe ich jetzt."   "Lass mich dich hinaus begleiten", sagte Thomas höflich.   "Das ist nicht nötig. Ich kann alleine gehen." Connor hob lässig eine Hand und verließ das Büro von Thomas.   Fünf Minuten später stieg Connor aus dem Aufzug.   Mehr als ein Dutzend Sicherheitsbedienstete strömten herbei und umringten Connor, der nicht wusste, was er tun sollte.   "Ich habe dich erwartet, du kleiner Perverser."   Die Frau in schwarzen Strümpfen, die Connor zuvor berührt hatte, trat mit ausgebreiteten Armen aus der Menge hervor. Sie sah Connor mit einem spöttischen Blick an.   "Wie kannst du es wagen, Frau Moore zu belästigen, du elender Lieferbote! Du musst den Tod wünschen."   "Du hättest dich im Spiegel ansehen sollen, du schamloser Perverser." Die wunderschöne Rezeptionistin schloss sich den anderen an, um Connor zu schikanieren.   "Es ist wahr, dass ich vorhin im Unrecht war, aber ich habe mich bereits bei dir entschuldigt. Was willst du noch?" sagte Connor mit gerunzelter Stirn zu der Frau in schwarzen Strümpfen vor ihm.   "Was will ich? Weißt du, wie angewidert ich war, als du mich gerade berührt hast? Ich habe das Gefühl, mich umbringen zu wollen, wenn ich mich daran erinnere, was du mit mir gemacht hast." Die Dame in den schwarzen Strümpfen verachtete Connor. Ihre Stimme war voller Verachtung.   "Niemand hindert dich daran, dich umzubringen. Geh mir aus dem Weg, ich muss jetzt gehen." Ihre Äußerungen hatten Connor verärgert. Es handelte sich offensichtlich um einen persönlichen Angriff. So klang auch Connor verärgert.   "Du willst gehen?" spottete die Dame in schwarzen Strümpfen und zeigte auf Connor. "Du gehst nirgendwohin, bis du dich bei mir entschuldigt hast."   "Wie soll ich mich bei Ihnen entschuldigen?" Connor sah die Dame in schwarzen Strümpfen mit scharfen Augen an. Seine Stimme war eiskalt.   "Knien Sie nieder und verbeugen Sie sich vor mir, dann werde ich Ihnen verzeihen. Wenn Sie sich weigern, dann gebe ich Sie der Polizei", drohte sie ihm.   "Das ist richtig, verbeuge dich vor Frau Moore", wiederholten die Sicherheitsleute.   Während Connor von den Wachen umzingelt war, sah er hilflos aus. Er hatte nicht erwartet, dass die Dame eine derart unzumutbare Forderung stellen würde. Er hatte gerade versehentlich ihre Brüste berührt, und sie verlangte von ihm, dass er vor ihr kniet und ihr einen Kotau macht.   "Worauf wartest du, Junge? Fall auf die Knie!", sagte der Sicherheitschef in befehlendem Ton.   Connor drehte sich um und sah den Sicherheitschef an, sagte aber nichts. Arm zu sein, bedeutete nicht, dass er keine Würde hatte.   "Was macht ihr alle hier, Scarlett?" In diesem Moment ertönte hinter Connor eine wütende Stimme. Alle Anwesenden wurden davon überrumpelt.
"Etwas ist gerade dazwischengekommen. Ich muss los, Dominic." Sobald Connor die Benachrichtigung über die Geldüberweisung auf seinem Handy sah, eilte er aus der Cafeteria, ohne sein Mittagessen zu beenden.   In diesem Moment klingelte sein Telefon. Er zog es hastig heraus und antwortete: "Hallo?"   "Darf ich mit Connor McDonald sprechen?" Eine Stimme, die wahrscheinlich einem Mann mittleren Alters gehören könnte, erklang. Sie war tief, wohlklingend und gemessen.   "Hier spricht Connor. Und wer sind Sie?" Er war einen Moment lang verblüfft.   "Sie erben ein Anwesen. Ich frage mich, wann wir uns treffen könnten", sagte die Stimme respektvoll.   "Ein Anwesen? Sind Sie also derjenige, der mir das Geld überwiesen hat?"   "Ja. Aber die eine Milliarde Dollar ist nur ein kleiner Teil des Erbes. Der Großteil des verbleibenden Anlagevermögens und der Auslandsfonds muss noch das formelle Verfahren durchlaufen, bevor sie Ihnen übertragen werden können."   'Hilfe! Eine Milliarde Dollar ist nur ein kleiner Teil davon?' rief Connor in Gedanken aus. "Aber ich bin ein Waisenkind. Woher habe ich dieses Erbe?"   "Wenn Sie vorbeikommen, werden wir darüber sprechen. Sie finden mich im achtunddreißigsten Stock des Empire World Building. Ich werde Ihnen alles erklären," sagte die Stimme.   Connor zögerte einen Moment. "Okay, ich werde Sie am Nachmittag treffen."   "Okay, Mr. McDonald." Die Person legte höflich auf.   Nachdem er den Campus verlassen hatte, kehrte Connor zu seinem gemieteten Platz außerhalb des Campus zurück. Weil er nachts als Auslieferer arbeitete, war das Tor des Wohnheims schon um 1:00 Uhr nachts geschlossen, als er Feierabend machte. Daher blieb ihm nichts anderes übrig, als ein gemietetes Haus mit anderen zu teilen. Connors Zimmer war weniger als zehn Quadratmeter groß, aber er fand, es war groß genug.   Es war erst 12.00 Uhr mittags, aber Connor dachte daran, zurückzugehen, um ein Nickerchen zu machen. Er würde das Treffen erst am Nachmittag im Empire World Building haben.   Sein Magen knurrte, als er plötzlich das Bedürfnis verspürte, auf die Toilette zu gehen. Er griff hastig nach einer Rolle Toilettenpapier und rannte zur Toilette. Während er auf der Toilette saß, spielte er Candy Crush auf seinem Handy.   In diesem Moment öffnete jemand plötzlich die Badezimmertür. Ein hübsches Mädchen in einem Schlafanzug aus Spitze kam hinein, rieb sich verschlafen die Augen und fuhr sich im Spiegel durch das Haar. Sie sah aus, als wäre sie noch halb im Schlaf.   Connor saß direkt hinter ihr auf der Toilette. Ohne zu bemerken, dass Connor hinter ihr saß, begann das Mädchen, sich auszuziehen. Sie hob ihren sexy Schlafanzug hoch und enthüllte nach und nach ihre sinnliche Taille und den verführerischen schwarzen Träger. Sie hatte einen heißen Körper, ein hübsches Gesicht, lange Beine und dunkles, gewelltes Haar, sie strahlte sehr jugendlich.   Connors Augen traten fast aus den Höhlen und er vergaß, einen Laut von sich zu geben.   Mitten im Entkleiden öffnete das Mädchen seine Augen, sah in den Spiegel und bemerkte den aufgerissenen Connor hinter sich. Sie griff nach den Kosmetika an der Seite und warf sie nach Connor.   "Connor! Du stinkender Hooligan!" schrie das Mädchen und rannte aus dem Bad.   Connor zog hastig seine Hose hoch und rannte hinaus. Weil er so eilig war, stieß er versehentlich gegen das Sofa und stöhnte vor Schmerz.   Nachdem er wieder zu Atem gekommen war, schrie er ins andere Zimmer: "Bist du verrückt, Mina?"   Das hübsche Mädchen war Mina, die sich mit Connor eine Wohnung teilte.   "Wag es noch einmal, das zu sagen!" Minas wütende Stimme hallte in der Türöffnung wider, bevor sie auftauchte. Ihr Gesicht verfinsterte sich, als sie Connor mit messerscharfen Augen ansah, als ob sie ihn umbringen wollte.   "Warum bist du ins Bad gestürmt und hast mich mit Kosmetika beworfen?" Connor wischte den Kosmetikpuder von seinem Gesicht, genervt. Dachte sie, weil sie ein Mädchen war, könnte sie ihn schikanieren?   Mina starrte ihn wütend an und kam auf ihn zu.   "Verdammter Perverser und stinkender Hooligan. Du hast dich auf der Toilette versteckt und mich belästigt. Und jetzt beschuldigst du mich auch noch mit deiner verdrehten Logik!"   Connor bekam die Krise, als er das hörte. "Ich habe dir zugeschaut? Das Bad ist nur so groß. Wo hätte ich mich verstecken sollen?"   Mina ging wütend hinüber und war sprachlos, als sie das hörte.   Sie hatte vorhin in ihrer Wut den Verstand verloren. Aber rückblickend betrachtet, hatte Connor wirklich keinen Platz zum Verstecken, wenn man die Größe des Bads bedenkt.   Mina lief rot an und fragte weiter: "Warum hast du dich dann im Bad versteckt?"   "Ich habe mich im Bad versteckt? Hör mal! Du warst es, die da reingeplatzt ist, okay?   "Glaubst du, dass jeder so ist wie du, der sich jeden Tag im Haus verkriecht, ohne zu arbeiten oder zur Schule zu gehen?"   "Ich werde mich nicht mit dir streiten. Ich habe etwas Wichtiges zu erledigen," antwortete Connor sarkastisch zu Mina.
Connor war außer sich vor Wut. Mina war es, die plötzlich hereingeplatzt war, als er gerade im Badezimmer war.   Connor war ein Waisenkind, das nach Porthampton ging, um zu studieren. Er mietete ein Zimmer und arbeitete nebenbei als Essen-Lieferant, um für sich selbst und seine Freundin sorgen zu können.   Mina lebte bereits dort, als Connor eintraf. Obwohl sie bereits seit einem halben Jahr zusammen wohnten, sprachen sie kaum miteinander. Connor lieferte meistens Essen aus und ging zur Universität, während Mina die meiste Zeit zu Hause blieb und niemand wusste, was sie dort tat.   Wenn Connor nicht arbeitete, fragte er sich oft, ob seine attraktive Mitbewohnerin die Geliebte von jemandem war, da sie immer müde aussah, wenn er sie sah. Eine Verwechslung wie heute war zum ersten Mal passiert.   Da Connor schon lange hier wohnte, wusste er, dass Mina immer lange schlief. Deshalb schloss er die Tür nicht ab, wenn er ins Badezimmer ging. Er hatte nicht erwartet, dass Mina heute so früh aufstehen und ohne Vorwarnung hereinkommen würde.   Mina war verblüfft von Connors Spott und brauchte eine Weile, um sich zu sammeln. "Warum hast du die Tür nicht abgeschlossen? Glaubst du, das Badezimmer gehört nur dir?"   Das war Mina egal. Connor hätte sie fast nackt gesehen und sie hatte vor, ihn dafür büßen zu lassen.   "Bist du blind? Das Licht im Badezimmer war an. Hast du das nicht gesehen?" Connor würde gegenüber Mina nicht den Gentleman spielen, denn mit ihr konnte man nicht vernünftig reden. Wenn Mina nicht weiblich wäre, hätte er sie wahrscheinlich direkt geschlagen.   Mina deutete wütend auf Connor. "Bist du überhaupt ein Mann? Wie kannst du mich beschuldigen, wenn du die Tür nicht abgeschlossen hast? Ich werde das nicht auf sich beruhen lassen, wenn du dich heute nicht bei mir entschuldigst."   "Oh wirklich? Hältst du dich für einen Promi? Ich werfe keinen Blick auf deine flache Brust, selbst wenn du mich anbetteln würdest." Connor spottete und ließ seinen Blick abschätzig über Minas Brust gleiten.   "Du..." Mina errötete. Ehrlich gesagt, Minas Brüste waren nicht groß, aber sie war auch nicht flachbrüstig.   "Ich habe keine Zeit, mich mit dir zu streiten. Ich habe noch zu tun." Connor schaute auf die Uhr. Es war schon 13:30 Uhr und er hatte keine Zeit mehr für Mina. Er griff nach dem Schlüssel auf dem Tisch und eilte zur Tür hinaus.   "Komm zurück hierher, Connor, du verdammter Perverser!"   Mina schnappte sich das Kissen auf dem Sofa und warf es nach Connor. Aber Connor war schon blitzschnell aus der Tür und verschwunden. Die Sicherheitstür knallte laut zu, bevor das Kissen sie erreichte.   "Heilige Scheiße! Dieses Mädchen ist furchtbar", seufzte Connor und ging empört die Treppe hinunter. Nachdem er seine Mietwohnung verlassen hatte, fuhr er mit seinem Elektrofahrrad in Richtung Empire World Gebäude.   Connor kam um 14:00 Uhr an das Empire World Gebäude. Das Empire World Gebäude hatte sechzig-acht Stockwerke. Es war ein hochwertiges Bürogebäude in Porthampton, daher waren die Mieten auf jedem Stockwerk exorbitant teuer. Der Parkplatz vor dem Empire World Gebäude war voll mit allem erdenklichen Luxusautos. Die Leute, die das Empire World Gebäude betraten und verließen, trugen alle Anzüge und Lederschuhe. Sie schienen alle erfolgreich zu sein. Connor hingegen trug eine schmutzige Lieferuniform und stand vor der Tür wie ein Bettler. "Entschuldigung, Sir. Für die Lieferung von Essen, bitte gehen Sie zum Notausgang an der Seite," rief die schöne Empfangsdame mit zusammengezogenen Brauen ihm zu, als er das Gebäude betreten wollte. Ihre Miene war voll von Verachtung.   "Ich bin nicht hier um Essen zu liefern," antwortete Connor ungerührt.   "Sie nicht? Was wollen Sie dann hier?" Die Empfangsdame klang immer noch nicht sehr erfreut.   "Ich suche jemanden."   "Jemanden suchen? Sie sind nur ein Lieferant. Wen suchen Sie denn?" Die Empfangsdame warf Connor einen verächtlichen Blick zu.   Connor kannte den Namen der Person, die ihn vorhin angerufen hatte, nicht. Er wollte nur so schnell wie möglich herausfinden, ob das Erbe echt war. Also ignorierte er die Empfangsdame und ging auf den Aufzug zu.   "Hey, stopp! Was soll das? Ich habe Ihnen gerade gesagt, dass Sie die Feuertreppe benutzen sollen!" Die Empfangsdame lief Connor nach und versuchte, ihn aufzuhalten.   Ding!   In diesem Moment öffneten sich plötzlich die Aufzugtüren. Als Connor sah, dass die Empfangsdame ihm hinterher rannte, schlüpfte er schnell in den Aufzug.   "Autsch!"   Plötzlich ertönte ein Schrei im Aufzug. Connor betrat den Aufzug überstürzt und merkte nicht, dass sich jemand darin befand, und rammte die Person im Aufzug.   "Sind Sie blind? Haben Sie nicht gesehen, dass ich hier drin bin?", brüllte die Person im Aufzug.   Connor konnte nicht anders, als zu der Frau im Aufzug aufzublicken und erstarrte auf der Stelle.   Die Frau war wunderschön, Anfang zwanzig, und trug einen schwarzen Berufsanzug, der ihre nahezu perfekte Figur betonte. Ihre langen, wohlgeformten Beine waren in ein Paar schwarze Strümpfe gehüllt. Insgesamt war sie ein wahres Augenschmaus. Obwohl in ihrem hübschen Gesicht ein Hauch von Ärger zu sehen war, war sie immer noch verführerisch und charmant.   Als Connor in die Frau hineinrannte, hielt sie eine Tasse Kaffee in der Hand, und der Kaffee spritzte auf ihre Brust.   "Du verdammter Lieferjunge! Was machst du hier? Sicherheitsdienst, werft ihn raus!", schimpfte die Frau empört, als sie Connor in einer gelben Essen-Lieferantenuniform sah.   "Es tut mir leid. Ich war in Eile und habe Sie nicht gesehen."   Während Connor sprach, holte er ein Taschentuch aus seiner Tasche und versuchte, den Kaffee von der Kleidung der schönen Frau zu wischen.   Als er seine Hand an ihr Jackett legte, schrie die Frau instinktiv auf.   "Aaah! Hilfe! Hilfe!"
Mehr als ein Dutzend Sicherheitsbeamte eilten sofort herbei. "Ich bitte um Entschuldigung, ich habe es nicht so gemeint!" Als er die Sicherheitsleute auf sich zukommen sah, stieß Connor die Dame mit den schwarzen Strümpfen von sich und sprang in den Aufzug. Dann drückte er den Knopf für den 38. Stock. Als die Sicherheitsleute bei dem Aufzug ankamen, stellten sie fest, dass Connor bereits nach oben gefahren war. "Geht es Ihnen gut, Frau Moore? Was ist gerade passiert?" Der Leiter des Sicherheitsteams war verwirrt, während er die Dame mit den schwarzen Strümpfen anschaute. "Ein Essenslieferant tauchte plötzlich auf und hat mich angefasst. Fangen Sie diesen Perversen und übergeben Sie ihn der Polizei," sagte die Dame mit den schwarzen Strümpfen und blinzelte, während ihre sexy Augen hervorquollen. "Aber..." Der Sicherheitschef steckte in einer Zwickmühle. "Aber was?" Die Dame mit den schwarzen Strümpfen runzelte die Stirn. "Der Junge ist in den achtunddreißigsten Stock gegangen. Herr Woods hatte angeordnet, dass niemand ohne seine Erlaubnis in den achtunddreißigsten Stock gehen darf," erklärte der Sicherheitschef hilflos und sah die schöne Frau an. Sie war verblüfft, als sie das hörte. "Dann warten Sie hier auf ihn und blockieren Sie alle Ausgänge. Er muss sowieso irgendwann runterkommen," sagte die Dame mit dem hasserfüllten Ton und knirschte die Zähne zusammen. Nachdem er den Aufzug betreten hatte, betrachtete Connor seine rechte Hand und fühlte sich hilflos. Die gerne hatte wohlgeformte Brüste; sie fühlten sich gut in der Hand an. Aber er wusste auch, dass er dieses Mal in großen Schwierigkeiten war. Aber seine Priorität war es, herauszufinden, was es mit dem Geld auf sich hatte, das er erhalten hatte. Eine Minute später erreichte der Aufzug den 38. Stock. Connor trat aus dem Aufzug und stellte fest, dass der gesamte 38. Stock ein einziges Büro war. Die Inneneinrichtung war luxuriös. Von den Fenstern aus konnte man fast die gesamte Skyline von Porthampton überblicken. Hinter dem Schreibtisch befand sich, auf einem Stuhl sitzender Mann, mittleren Alters in Anzug und Krawatte. Als der Mann Connor sah, stand er eilig auf, kam zu ihm und sagte respektvoll: "Ich habe Sie schon erwartet, Herr McDonald." "Sind Sie also die Person, die mich angerufen hat?" Connor runzelte die Stirn. "Ja. Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Thomas Morgan, Geschäftsführer der Empire World Corporation," sagte der Mann mit einem Lächeln. Connor nickte und sah sich im Büro um, dann fragte er: "Sie haben mich angerufen und mir mitgeteilt, dass ich ein Vermögen geerbt habe. Was ist hier los?" "Erinnern Sie sich an Ihren Großonkel, Herr McDonald?" Thomas fragte leise. "Mein Großonkel?" Connor war verblüfft. Plötzlich erinnerte er sich daran, dass er als Kind tatsächlich seinen Großonkel gesehen hatte. Ihm wurde gesagt, dass sein Großonkel gestorben war, als er noch in der Grundschule war. "Ihr Großonkel war der Vorsitzende der Empire World Corporation. Als das Unternehmen gegründet wurde, ist Mr. Barry ins Ausland ausgewandert und alleine gelebt. Da er keine Kinder und keine näheren Angehörigen hat, wird sein gesamtes Vermögen an Sie übergehen," erklärte Thomas. "Ich werde das alles alleine erben?" Connor war verblüfft, weil er nicht erwartet hatte, dass die Geschichten, die es nur in Fernsehserien gibt, ihm widerfahren. "Ja, lassen Sie mich kurz erklären. Mr. Barry hatte eine Milliarde Dollar in bar im Land, die ich Ihnen im Voraus überwiesen habe." "Aber das ist nur ein kleiner Teil davon. Da Mr. Barry lange Zeit im Ausland gelebt hat, umfasst sein Vermögen nicht nur die Empire World Corporation in Oprana, sondern auch die Terrance Group in Europa, die Radiant Group und mehrere afrikanische Ölgesellschaften." Thomas zog ein Dokument aus der Schublade und erklärte Connor das Vermögen, das er erben sollte. Am Anfang hörte Connor noch aufmerksam den Erklärungen von Thomas zu. Aber zum Ende hin fühlte es sich für Connor zu unwirklich an und er konnte nicht anders, als Thomas zu unterbrechen. "Warten Sie einen Moment, Herr Morgan. Sind Sie sicher, dass all das nur mir gehört?" "Absolut." Thomas nickte und sah Connor ehrlich an. "Wie viel sind diese Vermögenswerte wert?" fuhr Connor fort zu fragen. "Nun..." Thomas schreckte eine Sekunde lang auf, dann sagte er leise: "Nach einer konservativen Schätzung beträgt es zehn Billionen US-Dollar." "Zehn Billionen? Und das in US Dollar?" Connors Augen weiteten sich und seine Stimme zitterte, als er hörte, was Thomas sagte. "Absolut," Thomas sah Connor an und nickte. "Das ist unmöglich!" Connor schüttelte den Kopf. "Sie müssen lügen. Mein Großvater hat einen Cousin, aber ich wusste nicht, dass er so wohlhabend wäre. Mit zehn Billionen Dollar hätte er auf der Liste der reichsten Männer der Welt stehen sollen." "Ich nehme an, Sie sprechen von der Forbes-Liste der Milliardäre der Welt, richtig?" Thomas sah Conner an und lächelte. "Richtig. Das ist die Liste. Wenn er wirklich so reich wäre, stünde er schon lange auf der Liste, nicht wahr?" "Die Leute, die Sie auf der Liste sehen, sind nicht wirklich reich genug. Sie sind nur auf der Liste, um ihren Status hervorzuheben und so bessere soziale Ressourcen zu erhalten. Mr. Barry war schon lange über dieses Stadium hinaus und lebte seit langem im Ausland. Er wollte nur seine Identität nicht preisgeben." Connor sah Thomas an und hatte das Gefühl, dass er nicht log. Selbst wenn Thomas ein Lügner war, hatte er keinen Grund, einen mittellosen Mann wie ihn zu betrügen. "Gut, dann. Gibt es irgendwelche Bedingungen, die ich erfüllen muss, um das Anwesen zu erben?" Connor beruhigte sich und fragte.
Um zwei Uhr nachmittags schien die Sonne durch das Fenster auf meinen Schreibtisch. Es war ein schöner Tag. Die Sonne schien, und der Himmel war blau. Ich zeichnete mit einem Stift die Umrisse des Fensterrahmens auf meinem Schreibtisch nach. Der Lehrer sprach immer noch auf dem Podium, aber nur wenige Leute hörten ihm zu. Es war mein letztes Jahr an der Highschool, und die meisten Leute freuten sich auf die bevorstehende Abschlussfeier. Ich saß wie immer in der hintersten Ecke des Raums, still, unauffällig und unbeobachtet. Ich sah auf und musterte den Mann, der vorne saß. Es war Robert, der Sohn unseres Alphas. Robert war der beliebteste Junge an unserer Schule. Alle Jungen wollten mit ihm befreundet sein, und alle Mädchen waren verrückt nach ihm. Ich war eine von ihnen. Er war groß und gut aussehend. Er war sanft und höflich. Er war sehr sportlich. Er führte unsere Schule zum Sieg nach dem Sieg. Am wichtigsten war, dass er der nächste Alpha sein würde. Er war in allem gut - Kraft, Aussehen, Charakter, Fähigkeiten. Es war, als wäre er perfekt geboren worden. Ich schaute weg. Neben Robert stand seine Freundin, Alison. Sie war eine wunderschöne Blondine mit einer schlanken Figur. Alison war wahrscheinlich Roberts zukünftige Partnerin. Sie würden sich gegenseitig markieren. Bei dem Gedanken daran drehte sich mein Magen vor Ekel um. Ich hasste Alison nicht nur wegen Robert, sondern auch, weil sie mir gegenüber eine seltsame Feindseligkeit an den Tag legte. Ich verstand nicht, warum. Ich war ein introvertierter Mensch und ein Niemand. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ich ihr jemals etwas angetan hatte. Aber die Wahrheit war, dass Alison es seit dem letzten Jahr auf mich abgesehen hatte. Da waren alle möglichen toten Käfer in meiner Tasche. Meine Tasche wurde mit Wasser durchnässt. Einmal wurde ich sogar in einer Toilettenkabine eingesperrt und musste aus einem Fenster klettern. Ich hatte keine Beweise, aber ich wusste, dass Alison es getan hatte. "Wow!" Im Klassenzimmer brach ein Jubelschrei aus. Ich riss mich aus meinen Gedanken und sah, dass die Lehrerin bereits gegangen war. Eine Gruppe von Leuten umringte den Tisch von Robert und Alison. "Hört zu! Heute ist Alison's Geburtstag. Wir werden heute Abend eine Party feiern. Alle sind eingeladen!" Ich sah, wie Robert aufstand und Alison umarmte. Er senkte seinen Kopf und küsste sie. Dann drückte er seine Stirn innig gegen ihre. "Alles Gute zum Geburtstag, meine Liebe." Das Gejohle um mich herum wurde lauter. Ein Geburtstagsgruß nach dem anderen kam. Robert und Alison sollten ein perfektes Paar sein. Jeder in der Klasse war ihr Freund. Keiner würde mit einem Segen geizen, wenn er bereit war, ihren Geburtstag zu feiern. Morgen war mein Geburtstag. Wenn ich eine Party veranstalten würde, wie viele Leute würden kommen wollen? Ich versuchte, diesen Gedanken zu verdrängen, um nicht noch mehr Ideen zu haben, bei denen ich mich unwohl fühlen würde. Ich hielt mich zurück, um mir mein Unbehagen und meinen Unmut nicht anmerken zu lassen. Ich packte schnell meine Sachen zusammen. Ich wollte diesen Ort verlassen. Keiner würde mich bemerken. Für andere war ich immer durchschaubar gewesen. "Hey, wo willst du hin?" Unerwartet wurde ich aufgehalten. Ich blieb stehen und drehte mich um. Die Person, die mich anhielt, kannte mich nicht. Wir hatten noch nie miteinander gesprochen. Ich vermutete, dass er nicht einmal meinen Namen kannte. "Robert sagte, dass heute Abend alle auf die Party gehen würden. Warum gehst du jetzt?" Ich konnte mir nicht erklären, was er meinte, aber ich war mir sicher, dass es keine freundliche Einladung war. "Ich habe heute Abend noch etwas zu tun." Ich murmelte eine Erklärung. "Schlägst du die Einladung des zukünftigen Alphas aus?" Fragte er sarkastisch. Natürlich würde ich Roberts Einladung annehmen, aber ich kannte meine Grenzen. Robert wollte alle einladen, nur mich nicht. Wenn ich nicht wüsste, was gut für mich wäre, würde ich die Sache nur verkomplizieren. Diese Person machte es mir absichtlich schwer. "Mach dir keine Sorgen um sie. Sie ist ein Freak", sagte eine andere Person. "Das ist wahr. Es bringt Unglück, wenn jemand wie du zu der Party kommt. Hau ab, du Idiot!" Ich hob den Kopf und sah in Roberts Richtung, um zu sehen, ob er es bemerkt hatte. Aber er tat es nicht. Ich sah, wie er mir den Rücken zuwandte und seinen Arm um Alison legte. Ich wusste nicht, was ich erwartet hatte. Im Laufe der Jahre hatte ich alles Mögliche unternommen, um Robert dazu zu bringen, mich zu mögen. Ich hatte versucht, etwas über seine Hobbys und seine Lieblingssportarten zu erfahren. Ich hatte versucht, ihn dazu zu bringen, mich zu mögen, indem ich mein Aussehen veränderte. Ich hatte gelernt, wie man sich schminkt, und mir sexy Kleider gekauft, die ich nie tragen würde. Aber all diese Versuche erschienen mir lächerlich, nachdem er mit Alison zusammenkam. Ich wusste, dass er mich nie bemerkt hatte. Trotzdem konnte ich mich nicht beherrschen. Ich konnte nicht anders, als ihn die ganze Zeit anzustarren. "Warum verziehst du dich nicht? Wen schaust du an? Wartest du darauf, dass jemand kommt und dich rettet wie Prinz Charming? Hahahahaha!" Ich senkte den Kopf, griff nach dem Riemen meines Rucksacks und ging schnell hinaus. Bevor ich ging, schien ich zu sehen, wie Alison sich umdrehte und mir ein verächtliches, aber stolzes Lächeln schenkte.
Zum Glück ist Kate nicht so ein Mensch. Sie kannte mich vorher nicht. Sie war ein guter Mensch, und sie war mir gegenüber loyal. Auch wenn ich nichts Besonderes für sie war, wollte ich trotzdem mit ihr befreundet sein. "Mach dir keine Sorgen. Du bekommst alle Jungs auf der Party, und sie werden vor dir niederknien", sagte Kate mit einem frechen Lächeln. "Das glaube ich auch." Ich grinste. "Du musst dich schick machen. Vielleicht triffst du dort deinen Kumpel." Kate zwinkerte mir zu. Ich schüttelte den Kopf. "Ich glaube nicht, dass es ein Partner sein muss. Ich bin glücklich, wenn ich jemanden finde, der mit mir zusammen ist, so wie du und Alfred. Ihr seid zusammen, weil ihr euch liebt, nicht wegen einer körperlichen Bindung." "Aber das ist eine Gefährtin. Wer würde einen Gefährten ablehnen, der nur sich selbst gehört, vollkommen verliebt ist und dich niemals verrät?" Kates Augen weiteten sich. Als jemand, den ihre Gefährtin zurückgewiesen hatte, konnte ich nur sagen, dass ich weder an das so genannte 'eine Gefährtin ist die Mondgöttin'-Arrangement glaubte, noch mich um Liebe und Loyalität scherte. Robert hatte mich genug gelehrt. Wir konnten nicht einfach darauf warten, dass das Schicksal geschieht. Viel wichtiger war, dass wir unsere eigene Geschichte schreiben sollten, auch wenn sie bereits für uns geschrieben wurde. An diesem Abend suchte ich mir eines meiner schönsten Kleider aus. Es war ein blaues Slingkleid. Die Farbe des Kleides war ein nebliges Blau. Es war hauptsächlich aus Gaze und mehrlagig. Der Saum des Kleides war eine Retro-A-Linie, die die flauschige Textur zeigte und die Taille betonte. Das Kleid war mit weißen Perlen übersät, die wie Sterne aussahen und einen traumhaften ästhetischen Effekt erzeugten. Die dünnen dunkelblauen Schulterträger betonten perfekt meine sanften Rückenkurven, und es war um meine Brust gewickelt wie ein Lotosblattgarn. Die untere Taille bestand aus französischen Trägern mit der gleichen dunkelblauen Schlinge, die die Kurven meines Körpers umriss. Außerdem trug ich ein Paar glitzernde Stilettos, deren dünne Riemchen um meine Knöchel geschlungen waren und das Funkeln eines kleinen Diamanten widerspiegelten. Passend zu meinem Kleid wählte ich eine mit Sternen besetzte Haarnadel, die ich in die Haarsträhnen um meine Stirn steckte. Ich betrachtete mich im Spiegel und freute mich über Kates Ausruf. "Oh mein Gott, Cecily, du siehst anders aus!" Ich lächelte sie an. Auch Kate war heute wunderschön gekleidet. Ihr Outfit brachte ihr blondes Haar zur Geltung. Sie war so umwerfend wie sonst auch. Doch Kates Stärke war nicht ihre Schönheit, sondern ihre ausgeprägte soziale Kompetenz. Sie konnte sich mit jedem unterhalten, und selbst wenn es ein wenig unangenehm war, konnte sie damit umgehen. Außerdem geizte sie nie mit Komplimenten. Sie machte jeden glücklich, und jeder wollte mit ihr befreundet sein. Sie war immer der Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, ohne Zweifel. "Ich meine, du bist normalerweise sehr selbstbewusst und schön, aber jetzt bist du besonders schön und attraktiv. Wenn ich ein Mann wäre, würde ich mich wahrscheinlich sofort in dich verlieben." Wir verließen vertrauensvoll das Haus, und die Party fand bei Kates Freund Alfred statt. Bevor wir aus dem Auto stiegen, sah ich Alfred draußen warten. Kate sprang ungeduldig aus dem Auto. Ich sah, wie die beiden sich an der Tür küssten, als ob niemand da wäre. Sie küssten sich etwa fünfzehn Minuten lang. Ich musste sie unterbrechen, indem ich mich räusperte. Oh mein Gott, sie schienen sich sehr nahe zu sein. Das machte mich sehr neidisch. "Ah, es tut mir leid, Cecily. Wir haben uns schon so lange nicht mehr gesehen." Kate stieg von Alfred herunter und ordnete ihr Haar. Sie hielt Alfreds Hand und lächelte mich an. "Ich verstehe." Ich blinzelte. "Hallo, Cecily. Du siehst heute hinreißend aus." Alfred streckte mir seine Hand entgegen, und ich schüttelte sie. "Hältst du es für angemessen, ein Mädchen in meiner Gegenwart so zu loben?" Kate tat so, als wäre sie wütend. "Du wirst immer die Schönste sein", sagte Alfred und küsste Kate erneut. "Nun, sind sie alle da?" "Sie sind fast da, aber ich habe gehört, dass die Lykaner der königlichen Familie heute Abend hier sein könnten." "Die Lykaner?" rief Kate aus. "Normalerweise hängen sie nicht mit gewöhnlichen Werwölfen wie uns herum. Sie kommen zu meiner Party. Oh mein Gott!" "Nun, es ist noch nicht bestätigt." Alfred schüttelte den Kopf und sagte: "Lasst uns reingehen." Alfred ging voran, während Kate und ich hinter ihm hergingen. Kate flüsterte mir ins Ohr: "Wenn die Lykaner kommen, ist das deine Chance. Denkt darüber nach. Wenn du einen Lykaner als Partner hast, stehst du im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit." "Du weißt, wie gering diese Möglichkeit ist, Kate." "Selbst wenn du nicht dazu bestimmt bist, seine Gefährtin zu werden, kannst du deinen Charme einsetzen, damit er dich als seine Gefährtin auswählt. Hast du heute Morgen nicht gesagt, dass du Alfred und mich so toll findest?" Ich gab keinen Kommentar ab. "Überleg es dir gut. Es sind die Lykaner. Ihr Status ist viel höher als der von Robert", murmelte Kate. "Wenn ich Alfred nicht schon hätte, wäre ich in Versuchung geraten."
Wie Alfred gesagt hatte, waren schon viele Leute auf der Party. Kate hatte die Party so gut vorbereitet, dass es eine ganze Reihe von Getränken aller Art gab. Auf der anderen Seite gab es alle Arten von Essen und Snacks. Das Licht und die Musik waren genau richtig, und die Atmosphäre war herrlich. Ich nahm mir ein Glas Sekt und setzte mich an den Rand der Bühne. Einige Leute tanzten dort, und Kates Worte überzeugten mich, dass ich jemanden Neues kennen lernen wollte. Ich war mir nur nicht sicher, ob meine Paarbeziehung mit Robert noch von Bedeutung sein würde. Theoretisch hatte er bereits eine andere markiert, auch wenn er mich rundheraus zurückgewiesen hatte. Aber jetzt löste sich die Paarbeziehung nicht so schnell auf, wie sie sollte. Robert beeinflusste mich immer noch, und jetzt schien er seine Meinung geändert zu haben, was die Sache noch schwieriger machte. Natürlich würde ich ihn nicht akzeptieren. Vielleicht sollte ich ihm eine formelle Absage erteilen, um die absurde Paarbeziehung zwischen uns zu beenden. "Hey, willst du tanzen?" Ich sah einen Kerl, der grob geschätzt über 1,80 m groß war. Er sah sehr kräftig aus und hatte ein Paar dicke Augenbrauen. Er schien keine lästige Person zu sein. "Äh ... klar." Ich zögerte ein wenig, aber ich akzeptierte es trotzdem. Unabhängig davon, ob ich es tun konnte, sollte ich es versuchen. Er grinste und streckte mir seine Hand entgegen. Ich legte meine Hand auf seine und wollte gerade mit ihm zur Tanzfläche gehen. Plötzlich spürte ich, wie mein Wolf anfing, unruhig zu werden. Mia heulte leise. Sie klang sehr traurig. Mia, was ist los? 'Nein, nicht doch. Ich fühle mich nicht gut.' Ich merkte, dass Mia die Berührung des Mannes nicht mochte. Ich sah ihn entschuldigend an und wollte meine Hand zurückziehen. "Hey, lass sie los!" Eine männliche Stimme kam aus der Ferne. Ich sah Robert heranschreiten, seine Augen blitzten vor Wut. Das Seltsame war, dass Alison nicht neben ihm stand. Normalerweise tauchten sie zusammen auf. Der Junge neben mir war ebenfalls erschrocken. Unbewusst ließ er meine Hand los, wodurch sich Mia ein wenig entspannte. "Ich muss mit dir über etwas reden, Cecily", sagte Robert zu mir. Er drehte sich wieder zu dem Mann um. "Lass uns etwas Abstand, okay?" Der Typ sah mich an, dann Roberts unfreundlichen Gesichtsausdruck. Er wollte sich keinen Ärger einhandeln. "Na gut, du redest." Ich sah Robert an und wusste nicht, was er tun wollte. Er hatte mich auf die verletzendste Art und Weise zurückgewiesen, aber jetzt bedrängte er mich schamlos. "Du siehst heute umwerfend aus." Robert musterte mich von oben bis unten. Er zwang sich zu einem Lächeln und versuchte, freundlich zu sein, aber dieses Lächeln misslang und wirkte steif. Es war das komplette Gegenteil zu seinen tiefen Augen in diesem Moment. Er war wie ein lustiger Clown. "Du warst noch nie so schön." Er nahm meine Hand und führte mich in eine Ecke. Ich spürte, wie meine Wölfin Mia stöhnte. Sie hatte Angst. Aber ich konnte Roberts Macht nicht widerstehen. Er war der Erbe des Alphas. Er hatte eine gute körperliche Fitness und wurde trainiert, während ich nur eine 100 Pfund schwere Wölfin war. Ich konnte seiner Macht nicht widerstehen. Und psychologisch gesehen verlangte die Berührung eines Kumpels auf meiner Haut nach mehr, und selbst als ich versuchte, dagegen anzukämpfen, war ich jämmerlich in Versuchung. Robert drückte mich gegen eine Wand in der Ecke, ein Vorhang trennte uns von der Haupthalle. Hier würde uns niemand bemerken, und selbst wenn jemand vorbeikäme, würde er uns wahrscheinlich für ein geiles Paar halten. Meine Hände waren gegen die Wand gepresst. Er war so stark, dass eine seiner Hände meine Handgelenke festhalten konnte. Seine andere Hand betastete meine Taille und fühlte mich auf und ab wie eine schleimige Schlange. Es war ekelerregend. Ich konnte seinen Atem an meinem Hals spüren. Der schnelle Atemstrom hob und senkte sich an meinem Hals. "Du riechst gut." Robert hob seinen Kopf. Er berührte mich, hob mein Kinn an und zwang mich, ihm in die Augen zu sehen. "Wir sind die Partner, die die Mondgöttin zusammengestellt hat. Wir sollten zusammen sein. Ich bin dabei, der Alpha zu werden. Bis dahin wirst du meine Luna sein, und wir werden von da an zusammen sein." Roberts Augen waren von einer fast wahnsinnigen Verliebtheit und tiefen Zuneigung erfüllt. Seine Aura umgab mich, und seine Stimme schien eine fesselnde Kraft zu besitzen. Ich wusste, dass dies nur die Wirkung von Mate war, aber ich konnte nicht anders, als mir die Zukunft vorzustellen, die er beschrieb. "Siehst du, du hast immer noch Gefühle für mich. Wir werden viele Kinder haben, und sie werden mit den besten Voraussetzungen im Rudel aufwachsen können. Sie werden gesund und klug sein." Robert flüsterte weiter. Ich hatte das Gefühl, dass mir die Vernunft entgleitet, bis ich seinen Nacken sah. Da war ein Zeichen! Es war ein Zeichen, das er hinterlassen hatte, als er mich betrogen und mit Alison markiert hatte! Dieser Mensch hatte mir endlosen Schmerz und Verzweiflung gebracht, und jetzt wollte er sich rehabilitieren? Ich biss mir fest auf die Unterlippe, um einen klaren Kopf zu bekommen. Ich hob mein Bein und trat ihm in die Leiste.
Doch Robert ergriff meine Hand, und ich wehrte mich ein wenig, aber ich konnte mich nicht befreien. Ich musste ihm in die Augen sehen, und seine Augen waren von der Sehnsucht erfüllt, die ich mir erhofft hatte. Meine Wölfin Mia heulte in meinem Herzen, und ich wusste, dass sie sich nach Körperkontakt mit Robert sehnte, und obwohl ich es hasste, fiel es mir schwer, ihn zurückzuweisen. 'Hey, beruhige dich, Mia. Er ist es nicht wert.' Mia spürte meine Depression und gab keinen Mucks mehr von sich. Aber mein Herz juckte, was mich noch unbehaglicher machte. "Was machst du da?" fragte ich kühl. Robert schien von meinem Tonfall verblüfft zu sein. Er war der Alpha der Zukunft und daran gewöhnt, dass alle zu ihm aufschauten. Wahrscheinlich hatte er nicht damit gerechnet, von mir, auf den er sonst herabschaute, so behandelt zu werden. "Ich glaube, wir sind wieder Klassenkameraden." Sein unbeholfener Ansatz war lächerlich. "Das ist aber schade", spottete ich. "Hey, wie kannst du es wagen!" Alison stürzte plötzlich auf mich zu. Sie schien sich schon lange zurückgehalten zu haben. "Du solltest dir die Situation ansehen. Dein Freund hält gerade meine Hand. Anstatt wütend auf mich zu werden, solltest du ihn bitten, meine Hand loszulassen." Ich betonte das Wort 'Freund'. Wenn ich eines auf meinen Reisen in den letzten Monaten gelernt hatte, dann, dass man sich nie in eine verletzliche Lage begeben sollte. Wenn man mit Schwierigkeiten und Herausforderungen konfrontiert wird, sollte man kämpfen und nicht aufgeben. Niemand würde Mitleid mit dir haben, weil du schwach bist. Du könntest nur für dich selbst einstehen und deine Stärke nutzen, um das Problem zu lösen. "Robert!" Alison drehte sich zu Robert um, ihr schönes Gesicht errötete vor Wut. Doch Robert ließ meine Hand nicht los. Stattdessen schaute er auf meine Brust. Ich wusste, worauf er starrte. Heute trug ich eine enge weiße Weste mit einer V-förmigen Öffnung, die mein schönes Schlüsselbein enthüllte und meine Kurven betonte. Doch diese Anerkennung durch einen Mann machte mich nicht stolz. Stattdessen machte es mich wütend. "Du riechst gut", knurrte Robert. Das war eine unverhohlene Belästigung! Ich konnte nicht glauben, dass er das vor Alison zu mir sagte. Alison sah aus, als würde sie gleich explodieren. Ich schüttelte Roberts Hand energisch ab und starrte ihn an. Ich hätte ihn früher ignorieren sollen. "Hey, da bist du ja, Cecily." Es war meine Mitbewohnerin Kate. Sie war auch meine erste Freundin auf dem College. Kate hatte blondes Haar, ein Paar charmante grüne Augen und ein beeindruckendes Paar Brüste. Sie war warmherzig und fröhlich, hatte viele Freunde und war sehr gesellig. Außerdem hatte sie einen sehr gut aussehenden Freund, Alfred. Obwohl sie nicht zusammen waren, standen sie sich sehr nahe und hatten bereits geplant, sich gegenseitig zu markieren. "Du musst Robert sein, der Sohn von Alpha. Hallo, mein Name ist Kate." Kate war immer freundlich, und manchmal war mir das peinlich, Aber jetzt war ich sehr dankbar, dass sie gekommen war und es geschafft hatte, Robert davon abzuhalten, noch seltsamere Dinge zu sagen. "Hallo, Kate, schön, dich kennenzulernen." Ich beobachtete, wie sie kühl Höflichkeiten austauschten. Vor Fremden bewahrte Robert sein gentlemanhaftes Auftreten. Sein Aussehen hatte mich getäuscht, aber ich wusste, dass er nur ein Heuchler war, nachdem ich sein wahres Gesicht gesehen hatte. Bei dem Gedanken, dass Robert der Alpha unseres Rudels werden würde, konnte ich nicht anders, als mir Sorgen um die Zukunft unseres Rudels zu machen. Ich hörte nicht, was sie sagten, bis Kate zu mir kam und mir auf die Schulter klopfte. Dann bemerkte ich, dass Robert und Alison weg waren. "Du scheinst abgelenkt zu sein", sagte Kate. "Hast du etwas mit unserem zukünftigen Alpha zu tun?" "Nein, habe ich nicht", verneinte ich. Ich wollte niemandem von Robert erzählen. Die Markierung meiner Gefährtin mit einer anderen Wölfin war nichts, womit ich mich brüsten konnte. "Nun, er hat dich vorhin angeschaut. Aber er hat doch schon eine Partnerin, oder?" Kate zuckte mit den Schultern. Ich nickte oberflächlich. Ich wollte mit Kate nicht mehr über Robert sprechen. Ich wechselte das Thema. "Wie geht es mit deinem Gruppenprojekt voran?" "Nun, ich habe es noch nicht gemacht. Ich hatte in letzter Zeit viel zu tun und war auf allen möglichen Partys." Ich war von ihrer Antwort nicht überrascht. Für Kate war ihr soziales Leben viel wichtiger als ihr Studium. Ihr Studium war wahrscheinlich ihre letzte Priorität. "Verpass nicht den Abgabetermin", erinnerte ich sie. "Das werde ich nicht. Du musst heute Abend zu der Party kommen. Ich habe gehört, dass es dort viele gut aussehende Männer geben wird." Gerade als ich ablehnen wollte, hielt mich Kate auf. "Sag nicht ab. Du musst kommen, denn heute ist mein Tag." Kate legte ihren Arm um meinen Hals und sagte: "Wir sind doch Freunde, oder?" Wir waren Freunde. Ich war wahrscheinlich einer ihrer Hunderte von Freunden. dachte ich bei mir und nickte ihr hilflos zu. Ich war nicht so scharf auf Partys wie Kate, aber ich war nicht abgeneigt, neue Leute kennen zu lernen. Obwohl ich wusste, dass es in der Natur eines jeden lag, ein Buch nach seinem Umschlag zu beurteilen, mochte ich keine Leute, die mich ignoriert hatten und nun versuchten, nett zu mir zu sein. Sie waren solche Heuchler, und ich glaubte nicht, dass ich solche Freunde brauchte.
Als ich am Morgen aufwachte, spürte ich ein vertrautes und seltsames Pochen in meinem Herzen, meine Seele wurde vollkommener, und mein Körper fühlte sich stärker an. Ich wusste, dass dies das wahre Erwachen meines Wolfes war. Heute war mein achtzehnter Geburtstag, ein bedeutender Tag für einen Werwolf. Denn von diesem Tag an, der den Beginn meines Erwachsenenlebens markierte, konnte ich mich auf die Suche nach meinem Gefährten machen. Ich war sehr aufgeregt darüber. Ich hatte mich darauf gefreut, meinen Gefährten zu treffen. Ich würde mit meinem Partner, meiner Seele und meinem Körper zusammen sein und ein glückliches Leben in meiner Vorstellung führen. Ich denke, es war an der Zeit, meine einseitige Verliebtheit und Bindung an Robert loszulassen. Ich sollte die Naivität der Jugend ablegen und mich wie eine Erwachsene verhalten, um ein neues Leben zu beginnen. Ich stieg aus dem Bett und zog mich an. Mein Haar war schwarz, aber es war nicht glatt, und es gab immer kleine Locken. Ich versuchte, sie zu bügeln und zu glätten, aber das machte es nur noch seltsamer. Sie hingen nicht gehorsam hinter meinen Ohren. Stattdessen standen sie gerade und ließen meinen Kopf wie ein gleichschenkliges Trapez aussehen. Ich machte sie wieder nass, zog sie wieder zurück und begann, mein Gesicht zu bearbeiten. Ich trug Eyeliner und Lidschatten auf und zog meine Augenbrauen nach. Ich trug Grundierung und Rouge auf, etwas Bronzer und Strähnchen auf dem Nasenrücken, und Lippenstift auf den Lippen. Oh nein! Ich betrachtete mich im Spiegel und fühlte mich schrecklich. Mein Haar war vorhin mit der Zange geglättet, wieder nass gemacht und unordentlich getrocknet worden. Meine Augen sahen aus, als wären sie nach dem Eyeliner vorgewölbt, bis zum Entsetzen, und meine Lippen waren dick mit hellem Lippenstift geschminkt, der ein wenig schief aussah. Meine Wangenknochen traten hervor, und ich sah sehr seltsam aus. Ich war sehr unharmonisch, wie ein kleines außerirdisches Monster. Ich war frustriert und wusste, dass es daran lag, dass ich zu dünn war. Ich war einen Meter fünfundachtzig groß und wog nur fünfundachtzig Pfund. Werwölfe waren im Allgemeinen größer und robuster als normale Menschen, aber ich war viel dünner und schwächer als normale Menschen. Ich schämte mich oft dafür, und meine Eltern trösteten mich, indem sie sagten, ich sei die beste Tochter, die sie je gehabt hätten, und ich dankte ihnen, dass sie mir stets Zuversicht und Ermutigung gaben. Aber zu diesem Zeitpunkt konnte ich nicht anders, als mich selbst zu bemitleiden, als ich mich im Spiegel betrachtete. Ich hatte etwas Eyeliner und Lippenstift entfernt, damit ich ein wenig normaler aussah. Ich suchte mir ein Kleid aus, in dem ich mein Abschlusszeugnis von der Schule erhalten würde. Heute war ja schließlich mein großer Tag. Nachdem ich das Haus verlassen hatte, fühlte ich mich viel glücklicher. Obwohl ich keine Segnungen oder Geschenke erhalten hatte, glaubte ich, dass sich in Zukunft alles zum Guten wenden würde. Vielleicht würde ich heute meinen Partner kennenlernen. In diesem Sinne kam ich mit einiger Freude in der Schule an. Es waren nicht viele Leute in der Schule. Die Schüler der unteren Klassen waren bereits in den Ferien. Heute kamen nur die Schüler, die kurz vor ihrem Abschluss standen, um ihre Zeugnisse abzuholen. Da ich etwas zu lange brauchte, um mich fertig zu machen, verpasste ich die Stoßzeit, in der die Schüler meines Jahrgangs in die Schule strömten. Als ich das Schultor betrat, fühlte sich etwas ungewöhnlich an. In der Schule herrschte ein süßer Geruch, den ich noch nie zuvor gerochen hatte. Der Geruch war nicht stark, aber er war beständig. Ich spürte, wie der Wolf in mir aufgeregt wurde. Mir wurde etwas klar. Es war der Duft meiner Gefährtin! Ich konnte nicht anders, als aufgeregt zu sein. Ich hätte nicht gedacht, dass ich so viel Glück haben würde, meinen Gefährten an meinem ersten Tag als Erwachsener zu treffen. Weißt du, manche Werwölfe lernen ihre Gefährten nie kennen. Sie mussten sich markieren und den Rest ihres Lebens mit jemand anderem verbringen. Ich versuchte, die Luft zu spüren und ihr in eine bestimmte Richtung zu folgen. Ich ging einen Korridor entlang und um eine Ecke, und ich war sicher, dass die Person dort war. Ich konnte bereits den süßlichen Geruch wahrnehmen, der immer stärker wurde. Es war mehr ein Geruch nach Natur und Kräutern. Es war ein Werwolf, der sich gerne in der Natur aufhielt. Er war grün, und der zitrusartige Duft von Zitrone vermischte sich mit dem Duft von Abendjade und Ylang-Ylang. Er war sanft. Es traf mein Gehirn nicht so hart, wie ich dachte, aber es war eine wunderbare Erfahrung. Ich saugte gierig die Luft ein. Ich konnte es kaum erwarten, um die Ecke zu gehen und jemanden zu sehen, den ich vermisst, aber nicht erwartet hatte. Es war Robert! Mein Kumpel war Robert! Mein Herz wurde augenblicklich von Ekstase überwältigt. Ich wünschte, ich könnte mich in einen Wolf verwandeln und die Mondgöttin im Mondlicht anheulen. Ich dankte der Mondgöttin und der Fügung des Schicksals, die es Robert und mir ermöglichte, Partner zu werden. Das war etwas, wovon ich immer geträumt hatte! Die Aufregung stieg mir zu Kopf. Ich bemerkte nicht einmal Roberts äußerst verlegenen Gesichtsausdruck. "Kumpel!" Ich konnte es kaum erwarten, auf ihn zuzugehen. Ich ergriff Roberts Hand und sah ihn fröhlich an. "Fass mich nicht an!" Robert schlug mir sofort die Hand weg. Er schaute mich finster an, als hätte ihn etwas Schmutziges berührt. Ich war fassungslos. Mein brennendes Herz fühlte sich an, als wäre es durch eine Schüssel mit kaltem Wasser ausgelöscht worden, als es schnell abkühlte.
Der Schmerz war stärker als erwartet, und mein Wolf war entmutigt. Es fühlte sich an, als wäre meine Seele zerschnitten worden, ein Teil meines Puzzles fehlte, ein endloses Gefühl des Verlustes verfolgte mich. Am Ende war ich wie betäubt von dem Schmerz. Mein Freund, so konnte ich ihn nicht mehr nennen. Robert beendete unsere Beziehung auf die grausamste Art und Weise mit einem anderen. Es war ein eklatanter Verrat. In der Welt der Werwölfe war es eine große Demütigung. Besonders die verlassene Wölfin, die von allen Werwölfen ausgelacht werden würde, hätte es schwer, in ihrem Rudel zu bleiben. Und noch tragischer war, dass Robert mich nicht offiziell zurückgewiesen hatte, was bedeutete, dass zwischen uns immer noch eine Paarungsverbindung bestand, und ich würde immer noch den Schmerz spüren, von meinem Gefährten verraten worden zu sein, und es war schwer, ihn nicht mehr zu wollen. Für mich, die ich keine Gefühle für Robert hegte, war das eine Tortur. Ich habe meinen Eltern nichts von Robert und mir erzählt, weil ich nicht wollte, dass sie sich Sorgen machen. Aber sie wussten, dass ich nicht in der richtigen Stimmung war, und sie fragten mich nichts. Sie waren wirklich die besten Eltern der Welt. Als es mir wieder besser ging, erzählte ich meinen Eltern, dass ich in den Urlaub fahren wollte. Meine Eltern hatten sich wegen meiner früheren Krankheit Sorgen gemacht, und als sie meinen Vorschlag hörten, waren sie sowohl erleichtert als auch sehr hilfsbereit. Die Ferien zwischen High School und College waren lang, und ich reiste viel. Anfangs, um Robert zu vergessen, aber schon bald tauchte ich in die Reise ein. Dabei bin ich sehr erwachsen geworden. Mir sind viele Dinge klar geworden, über die ich vorher nicht nachgedacht hatte. Robert hatte meine Anwesenheit gespürt, als er erwachsen war, aber er war nicht bereit gewesen, mich zu akzeptieren, also hatte er es mir nicht gesagt. Es war wahrscheinlich, dass auch Alison davon wusste. Also würde sie es später auf mich abgesehen haben. Vielleicht hatte Alison sogar diesen kräftigen Jungen auf mich angesetzt. Robert wusste vielleicht davon, vielleicht auch nicht, oder es war ihm egal. Und ich fand, dass es jetzt keine Rolle mehr spielte. Ich hasse sie immer noch, aber ich sollte nicht zulassen, dass sie sich in mein Leben einmischen. Ich hatte ein bisschen zugenommen, von fünfundachtzig Pfund auf fast hundert Pfund, und ich war immer noch dünn, aber ich sah kräftiger aus als früher. Ich war viel in der Sonne. Meine Haut hatte sich von einer ungesunden Blässe zu einer gesunden Weizenfarbe entwickelt. Mein Körper war kräftiger als zuvor. Ich war glücklich mit dem, was aus mir geworden war. Ich war stärker, selbstbewusster und energiegeladener. Mein Haar war länger geworden. Ich hatte sie zurückgeschnitten. Den Pony, mit dem ich aufgewachsen war, hatte ich abgeschnitten. Sie waren ordentlich zur Seite gescheitelt und gaben den Blick auf meine glatte, volle Stirn frei. Das ließ mich viel besser aussehen. Mein schwarzes Haar hing mir über die Schultern, mit einer verspielten Kurve an den Spitzen. Ich richtete mein Make-up her. Mein Gesicht war nicht mehr so dünn, meine Augen waren heller, meine Nase war höher, und ich hatte ein süßeres Lächeln. Ich war vielleicht keine normale Schönheit, aber ich war ein anderer Mensch als noch vor ein paar Monaten. Niemand nannte mich mehr seltsam. Ich begann mein Studium und lief über den Campus. Eines Tages lernte ich aus heiterem Himmel Robert kennen. Es war eine dumme Entscheidung, die ich getroffen hatte. Als ich mich an der Uni bewarb, war ich immer noch verrückt nach Robert, also zögerte ich nicht, an dieselbe Uni zu gehen, in der Hoffnung, mehr von ihm zu sehen. Aber jetzt schien es so, als würde ich mir nur Ärger einhandeln. Ich wollte Robert nicht sehen, wegen des verdammten Kumpel-Effekts zwischen uns, und ich konnte nicht anders, als einen sexuellen Drang zu verspüren, wenn ich ihn sah, was mich krank machte. Ich versuchte, so ruhig wie möglich an ihm vorbeizugehen und bemerkte, dass sein Blick auf meinen honigfarbenen Schenkeln ruhte. Ich trug heute einen Jeansrock, der mir bis zu den Knien reichte und eng um meine Hüften geschlungen war. Aus den Augenwinkeln bemerkte ich Roberts schockierten Gesichtsausdruck. Ich wusste, dass ich sexy aussehen musste. Aber scheiß drauf. Er würde keine Gelegenheit bekommen, mich zu berühren. "Cecily..." Ich hörte Roberts Stimme. Er rief meinen Namen. Tatsächlich war es das erste Mal, dass ich meinen Namen aus seinem Mund hörte. Ich blieb stehen, weil ich Alison neben ihm sah. Sie hatte den gleichen Blick der extremen Überraschung. Aus irgendeinem Grund wollte ich wissen, was Robert vor seiner gezeichneten Freundin zu mir sagen würde. "Du siehst wunderschön aus." Mit diesen koketten Worten sah er immer noch groß und gut aus, aber ich hatte schon lange jedes Gefühl der Anziehung verloren. Ich warf ihm einen angewiderten Blick zu und sagte: "Danke." Ich wandte mich zum Gehen. Ich war nicht daran interessiert, Roberts lüsterne Augen auf mir zu sehen. Er war jetzt an mir interessiert. Er wollte seine Meinung ändern, weil er dachte, ich sei schön und attraktiv genug, um seine Gefährtin zu sein. Die angeborenen Eigenschaften und Talente der Menschen waren ihm egal. Er gab mir zwar Noten, aber er war immer noch oberflächlich und kokett. Ich konnte mir nicht erklären, warum ich so jemanden mochte. War es nur wegen des Kumpel-Effekts?
Ich hatte noch nie einen solchen Ausdruck auf Roberts Gesicht gesehen. Er war immer fröhlich, selbstbewusst und höflich gewesen. Selbst auf dem Spielfeld, wenn das Blut aller Jungs kochte, hatte ich ihn nie die Beherrschung verlieren sehen. Ich hätte nie gedacht, dass er eine solche Seite an sich haben könnte. Verlegen ließ ich meine Hand los und sah ihn hilflos an. "Ich hätte nicht erwartet, dass du es bist." Roberts Stimme klang voller Verachtung. "Ein Mensch wie du ist mein Gefährte?" "Du... Du wusstest, dass ich es bin?" Ich konnte nicht glauben, was ich aus seinen Worten heraushörte. "Ich habe es gespürt, als ich erwachsen wurde." Robert schnaubte kalt. Er lehnte an der Wand und hatte die Hände vor der Brust verschränkt. Seine Worte waren von Arroganz und Verachtung geprägt. Ich hatte das Gefühl, dass sein perfektes Bild in meinem Kopf zerbrochen war. Seine Verachtung und Geringschätzung für mich und seine harschen und diskriminierenden Worte gegen mich hatten nichts mit der Leichtigkeit zu tun, mit der er sich zuvor verhalten hatte. Konnte es sein, dass dies sein wahres Ich war, dass all die guten Eigenschaften, die er zuvor gezeigt hatte, nur eine Illusion waren? Ich war wie erstarrt, taumelte von einem so massiven Sturz in Ungnade, dass es schwierig war, mich davon zu erholen. Plötzlich hörte ich Schritte von der anderen Seite des Korridors. Ich sah, wie sich Roberts Gesichtsausdruck veränderte. Bevor ich reagieren konnte, sah ich, wie Robert mit einem Blick voller Abscheu nach meiner Kleidung griff. Mit der anderen Hand hielt er mir den Mund zu, öffnete die Tür der Herrentoilette und schob mich hinein. Er folgte mir hinein und schloss die Tür hinter sich. Er warf mir einen grimmigen Blick zu und bedeutete mir, keinen Mucks zu machen. Ich hörte Schritte, die sich von draußen näherten. "Hast du sie gerade kommen sehen?" Diese Stimme gehörte zu der Person, die gestern nach mir gerufen hatte. Seine Stimme war sehr rau und leicht zu erkennen. "Ich habe sie gesehen." "Das ist seltsam. Wie ist sie verschwunden?" Dann hörte ich die Schritte von zwei Personen. "Ist sie weggerutscht?" "F*ck, sie ist ganz schnell weggerutscht", sagte die raue Männerstimme. "Ich hatte vor, mit ihr zu spielen. Die Art und Weise, wie sie sich gestern benommen hat, hat mich schon wütend gemacht, wenn ich sie nur ansah." Ich war erschrocken. Ich konnte nicht anders, als Robert anzuschauen, weil ich Angst hatte, dass er mich rausschmeißen würde. Aber Robert runzelte nur die Stirn. "Du wolltest mit ihr spielen?" "F*ck, verhex mich nicht. Wer hat schon Lust dazu, nachdem er sie gesehen hat? Ich will ihr eine Lektion erteilen." Ich musste mir diese Beleidigung anhören, aber ich wagte nicht einmal zu atmen. Ich sah, wie Roberts Gesichtsausdruck noch hässlicher wurde. War er wütend darüber, was andere über mich gesagt hatten? Immerhin war ich seine Gefährtin. Alle sagten: "Eine Gefährtin ist der Plan der Mondgöttin." Zwei Menschen, die dazu bestimmt sind, sich zu paaren, werden sich verlieben und einander niemals betrügen. Er sollte in der Lage sein, unsere gegenseitige Anziehung zu spüren, so wie ich nicht anders konnte, als mit ihm zusammen sein zu wollen, jetzt, wo wir uns nahe waren. Die beiden Personen vor der Tür sagten etwas, und die Schritte wurden leiser. Ich hörte, dass sie gegangen waren. Ich sah Robert an und fragte leise: "Warum tust du das?" "Was?" "Warum hast du mich gerade jetzt hereingezerrt?" Ich konnte nicht glauben, dass ich immer noch hoffte. Wollte er mich vorhin etwa beschützen? Obwohl er mich verabscheute und auf mich herabsah, hatte er immer noch den Instinkt, mich als Gefährtin zu lieben. Wir hatten noch eine Chance, zusammen zu sein. "Ich will nicht, dass andere uns zusammen sehen." Robert zerstörte erbarmungslos meine letzte Hoffnung. Er zog mich an sich, weil er nicht wollte, dass andere ihn sahen. Sein hässlicher Gesichtsausdruck rührte auch daher, dass er es als Beleidigung empfand, mein Gefährte zu sein. Er hatte keinerlei Anteilnahme oder Mitgefühl für meine Situation. Ich sah diese Person jetzt. Er war absolut egoistisch und arrogant. Er kümmerte sich nicht um die Gefühle der anderen. Er glaubte nicht einmal, dass wir gleichberechtigt waren. Er fühlte sich Leuten wie mir überlegen. Mit mir zusammen zu sein, würde seinen Status nur herabsetzen! Warum mochte ich so einen Menschen überhaupt? "Du wirst nicht meine Gefährtin werden. Lass uns so tun, als ob der heutige Vorfall nicht passiert wäre. Pass auf, was du sagst, wenn du da draußen bist. Sag nichts, was du nicht sagen solltest!" Robert drohte mir. Seine große Gestalt beschattete mich. Ich hatte Angst vor ihm. "Ja, das werde ich", sagte ich und versuchte, mein Schluchzen zu unterdrücken. Robert drehte sich um und ging, während ich mich schwach an die Wand lehnte. Die kalten Fliesen schienen meine Haut durchdrungen zu haben. Ich spürte ein Frösteln von innen heraus. Ich konnte nicht sprechen. Meine Wölfin heulte wegen Roberts Zurückweisung. Sie war eins mit mir. Ich konnte den Schmerz und das Leid vollkommen nachempfinden. Außerdem hatte ich tief im Inneren das Gefühl, dass meine vergangenen Gefühle es nicht wert waren. Robert war ein so schrecklicher Mensch. Kein noch so großes Talent, keine noch so große Macht und kein noch so großer Status konnten daran etwas ändern. Warum mochte ich ihn! Warum war er mein Kumpel? Als ich an diesem Tag zurückkam, war ich sehr krank. Ich konnte nicht einmal zu meiner Abschlussfeier gehen, die der wichtigste Tag in meinem Highschool-Leben sein sollte. Und während ich am Boden zerstört im Bett lag, hörte ich, dass Robert und Alison sich bei der Abschlussfeier gegenseitig markiert hatten.
[Margarets POV] "Margaret, wo sind meine rosa Schuhe?" "Ich weiß es nicht. Warum schaust du nicht unter deinem Bett nach?" Das war meine Schwester, Elizabeth. Wir waren nacheinander aus dem Bauch unserer Mutter gekommen, aber ich musste den Namen 'ältere Schwester' tragen, weil ich ein paar Sekunden früher geboren wurde. Das war sehr ungerecht. Seit meiner Kindheit hörte ich, egal was passierte, sobald ich mich mit Elizabeth stritt, meinen Vater oder meine Mutter zu mir sagen: "Margaret, du bist die ältere Schwester. Du musst dich der jüngeren Schwester fügen." Dann stahl Elizabeth mir zu Recht alles, was ich hatte, einschließlich meines geliebten kleinen Bären, des hübschen Kleides, in das ich mich verliebt hatte, und der Liebe meiner Eltern. Vielleicht lag es daran, dass wir zwei völlig unterschiedliche Menschen waren, was unser Aussehen und unsere Persönlichkeit betraf. Ich brach kaum Regeln und machte alles ordentlich und pflichtbewusst. Was Elizabeth betrifft, so nannte sie mich nicht einmal 'ältere Schwester'. Sie nannte mich einfach bei meinem Namen, Margaret. Das war schon immer so gewesen, seit wir jung waren. Ich bürstete mein Haar und betrachtete mich im Kosmetikspiegel. Heute war der Tag, an dem Elizabeth und ich erwachsen wurden. Es war auch der wichtigste Tag für einen Werwolf. Wir würden vor allen Werwölfen in unserem Rudel eine Zeremonie zum Erwachsenwerden abhalten. Der Alpha unseres Rudels war Armstrong. Er war groß und gut aussehend und 1,80 m groß. Am wichtigsten war, dass er mein Freund war. Ich war mit ihm zusammen, seit ich 12 Jahre alt war. Ich hatte viele wichtige Momente in meinem Leben mit ihm verbracht, unter anderem den Tod seines Vaters und seine Nachfolge in der Alpha-Position unseres Rudels. Ich hatte nie gedacht, dass ich einen Alpha als Liebhaber haben könnte. Im Vergleich zu Elizabeth war ich immer eine unbedeutende Figur in der Menge gewesen. Aber Armstrong war immer da, um mich zu trösten, wenn ich unruhig oder unentschlossen war. An einem Halloween, als wir noch jung waren, gingen Elizabeth und ich der Tradition nach auf Süßes oder Saures. Elizabeth mochte die Kälte nicht und weigerte sich, weiterzugehen, nachdem sie an zwei Häusern nach Süßigkeiten gefragt hatte. Sie ignorierte meinen Rat und lief allein nach Hause. Ich machte mir die Mühe, zu Dutzenden von Häusern zu gehen und eine Tüte mit Süßigkeiten zu sammeln. Als ich mit eiskalten Händen und Füßen nach Hause kam, sah ich Elizabeth, die sich schmollend an unsere Eltern am Kamin klammerte. In der Erwartung, dass sie mir zustimmen würden, wollte ich unseren Eltern meine Bonbonsammlung zeigen. Aber mein Vater tadelte mich, weil ich mich nicht um Elizabeth gekümmert hatte, weil ich sie weinend im Schnee zurückgelassen hatte. Ich sah Elizabeth an und dachte, dass sie gar nicht so aussah, als ob sie frieren würde. Ich war derjenige, der fror, und ich war der Einzige, der die Schuld auf sich nahm. Da Elizabeth nicht aufhören wollte zu weinen, musste ich ihr alle Süßigkeiten geben. Dann durfte sie im großen Bett bei unseren Eltern schlafen, und ich - weil ich mich nicht um meine Schwester kümmern konnte - musste in dem kleinen Bett auf dem Dachboden über mein Fehlverhalten nachdenken. Ich lag allein im Bett, müde und hungrig. Ich fühlte mich bedrängt. Dann kletterte ich heimlich aus dem Fenster. Der Körperbau eines Werwolfs war dem eines normalen Menschen weit überlegen, und ich hatte schon immer den besten Körperbau unter Gleichaltrigen gehabt. Eine Höhe von zwei Stockwerken war nichts. Ich ging allein durch die Straßen und suchte nach Süßigkeiten, die andere Kinder vielleicht fallen gelassen hatten. Damals traf ich Armstrong zum ersten Mal. Damals war er noch ein Teenager, nicht so groß und stark wie jetzt, aber er hatte bereits das beeindruckende Auftreten eines zukünftigen Alphas. "Was machst du hier?", fragte er mich und runzelte die Stirn. "Ich will ein paar Süßigkeiten finden." "Um diese Zeit werden keine Süßigkeiten verteilt." Er dachte einen Moment nach und holte ein Stück Schokolade aus seiner Tasche. "Ich schenke es dir." Als ich ihm die Schokolade abnahm, hatte ich das Gefühl, dass Armstrong jemand war, den die Mondgöttin geschickt hatte, um mich zu retten. Ich erinnerte mich daran, dass der Mond in dieser Nacht hell schien und die Sterne funkelten. In diesem Moment war ich von ihm gerührt. Danach trafen Armstrong und ich uns oft im Wald. Ich erzählte Armstrong von unserer Begegnung in dieser Nacht. Ich erzählte ihm, wie kalt diese Nacht war, wie traurig ich war, bevor ich ihn traf, und wie glücklich ich war, nachdem ich ihn getroffen hatte. "Weißt du was? Meine Eltern baten mich, mich bei Elizabeth zu entschuldigen, aber ich weigerte mich. Elizabeth weinte einfach weiter." "Und?" fragte mich Armstrong. "Dann habe ich geweint, weil ich mich im Unrecht fühlte. Aber sie wollten Elizabeth nur trösten und baten mich sogar, ihr alle Süßigkeiten zu geben, die ich gesammelt hatte. Aber Elizabeth ist nicht ihre einzige Tochter. Sie sind meine Eltern und ich bin ihre Tochter. Sag mir, dass ich mich nach so langer Zeit immer noch daran erinnere. Hältst du mich für kleinlich?" sagte ich peinlich berührt. "Hast du ihr danach die Bonbons gegeben?" "Das habe ich. Sie sagten, dass ich als ältere Schwester meiner jüngeren Schwester nachgeben müsse." "Du bist gut. Du bist das beste Mädchen, das ich je getroffen habe, aber du könntest selbstbewusster sein." Armstrong umarmte mich, und seine Augen begegneten meinen mit vollem Vertrauen. Ich spürte eine Wärme in meinem Herzen, wie ich sie noch nie zuvor empfunden hatte. Niemand hatte mich je unterstützt, mich gelobt oder mir gesagt, dass ich das Richtige tue. "Ich bin dir wirklich dankbar. Sie sind mein Retter. Dich zu treffen muss das größte Glück in meinem Leben sein. Du bist besser für mich als meine ganze Familie." Ich kuschelte mich an ihn, als er mich umarmte. "Ich bin deine Familie", versprach Armstrong mir. "Du wirst meine Frau und die zukünftige Luna des Stammes sein." Ich glaubte auch, dass wir nach den Anordnungen der Mondgöttin zu Partnern des Schicksals werden würden.
(Margarets POV) "Der Lykanerkönig könnte morgen hier sein. Ich werde noch einmal im Empfangsbereich nachsehen", sagte ich mit schweren Augenringen. "Oh, Margaret, du siehst schrecklich aus." Elizabeth täuschte Überraschung vor. "Ich weiß. Ich habe keine andere Wahl. Zum Glück sind die Vorbereitungen fast abgeschlossen." Ich konnte spüren, wie schlecht ich aussah. Meine Augenlider waren geschwollen, und ich konnte meine Augen kaum noch offen halten. In den letzten Tagen hatte ich mich auf starken Kaffee verlassen, um meine Energie zu steigern, wenn ich von einem Veranstaltungsort zum anderen ging. Es war drei Tage her, dass ich geduscht und mich umgezogen hatte. "Du solltest zurückgehen und dich ausruhen." "Wirst du den Empfangsbereich überprüfen?" Ich warf einen Blick auf Elizabeth. "Anthony ist gegangen, um nach der Fregatte zu sehen. Jemand muss in den Empfangsbereich gehen." Elizabeth hörte auf zu reden. Ich wusste, dass sie nicht gehen würde. Und selbst wenn sie es täte, wäre es sinnlos. Sie wusste nichts über den Aufbau. Ich war der Einzige, der die Vorbereitungen traf. "In Ordnung, du solltest zurückgehen." Ich winkte mit der Hand und erinnerte sie: "Vergiss nicht, morgen das Kleid zu tragen, von dem ich dir erzählt habe." Ich kam am Eingang des Veranstaltungsortes an und warf einen Blick auf mich. Oh ja, Elizabeth hatte recht. Ich sah wirklich schrecklich aus. Mein gräulich-weißes Kleid war zerknittert, und es sah aus, als wären Essensflecken von den letzten zwei Tagen darauf zu sehen. Auch meine Schuhe waren mit Staub bedeckt. Ich betrachtete mein Spiegelbild auf der polierten Säule neben der Tür. Mein Haar war ein Durcheinander, wie ein Büschel Seetang. Mein Gesicht war blass, meine Augen glasig, und meine Lippen waren trocken. Ich versuchte, mein Haar mit den Händen zu glätten. Es war zwecklos. Ich seufzte. Nachdem ich mir den Ort angesehen hatte, würde ich zurückgehen und mich gründlich duschen und sauber machen. Ich konnte nicht mehr so schlampig sein. Das Lokal war luxuriös eingerichtet. Zwei Reihen von Esstischen säumten beide Seiten des Saals. Auf den Tischen standen Weingläser und Besteck, alles war poliert und glänzte. Es gab auch Flaschen mit erstklassigem Rotwein, die noch nicht geöffnet worden waren. Wenn der Lykanerkönig eintraf, würden hier exquisite Speisen und Snacks serviert werden. "Margaret!" Ich hörte, wie mich jemand rief, und schaute zurück, um Anthony zu sehen, der keuchend herbeieilte. "Was ist los?" "Der Lykanerkönig ist früher da!" sagte Anthony. "Ich habe die königliche Familie gesehen, als ich auf Patrouille war. Sie werden wahrscheinlich bald hier sein." "Was?" Das war einen ganzen Tag früher als erwartet. "Zum Glück sind wir fast fertig mit der Einrichtung des Hauses. Ich habe bereits jemanden beauftragt, Luna Elizabeth zu informieren", sagte Anthony schnell. "Ich werde den Lykanerkönig später mit Elizabeth hierher bringen. Du wirst hier den Empfang leiten. Ist das in Ordnung?" "Kein Problem." Mein Äußeres war mir völlig gleichgültig. Ich wies zuerst das Küchenpersonal an, mit der Zubereitung der Speisen zu beginnen, dann wies ich die Diener an, dorthin zu gehen, wo sie hingehörten. Dann schickte ich jemanden los, um den Stamm über die Ankunft des Lykanerkönigs zu informieren und ihnen zu sagen, dass sie schnell kommen sollten. Ich traf die Vorbereitungen ohne Unterbrechung. Es dauerte nicht lange, bis sich der Veranstaltungsort mit einer chaotischen Menge füllte. Obwohl die Damen in Eile waren, zogen sie sich sorgfältig an, bevor sie das Haus verließen. Sie waren alle luxuriös gekleidet und hatten ein exquisites Make-up aufgelegt. Ich wünschte, ich könnte vor dem Lykanerkönig vorzeigbarer aussehen. Er war der mächtigste und würdevollste Mann in der ganzen Werwolfwelt. Elizabeth hatte Recht. Kein Mädchen würde sich nicht nach ihm sehnen. Auch wenn es mich ein wenig demütigte, die ältere Schwester von Luna zu sein, war ich froh, neben ihr zu stehen, damit der Lykanerkönig mich bemerkte. Aber jetzt stand ich still in einer Ecke und wollte nicht zu viel nachdenken. "He, ist das nicht Margaret?" Ich hörte eine zarte Frauenstimme. Ich wusste, wer es war. Es war Elizabeths Erzfeindin Selena. Es gab noch eine andere sehr ungerechte Sache, die ich ertragen musste. Elizabeth war sehr beliebt, aber ihr Ruhm färbte überhaupt nicht auf mich ab. Ich fühlte mich nur beschämt und minderwertig. Doch ihre Erzfeinde lenkten ihren Hass irgendwie gleichzeitig auf mich. Wann immer sie mich trafen, verspotteten sie mich. Ich verstand nicht, warum. Sie konnten Elizabeth nicht verletzen, indem sie mich verletzten, aber sie taten es trotzdem gerne. Ich wollte nicht mit ihr reden, aber es war offensichtlich, dass Selina mich nicht vom Haken lassen wollte. "Schau mal, was hat Margaret da an? Ist das ein Lappen?" Sie stichelte laut und erregte damit die Aufmerksamkeit einiger Leute um sie herum. Sie alle lachten. So war es immer. Keiner wollte sich für mich einsetzen. "Du wirst den Lykanerkönig in solch zerfledderten Kleidern treffen. Wenn der Lykanerkönig erfährt, dass die Schwester der neuen Luna wie ein Dienstmädchen ist, was wird er dann von unserem Rudel denken? Du bringst uns wirklich in Verlegenheit." Ich ballte meine Fäuste und konnte nicht anders, als zu erwidern: "Alles an diesem Ort wurde von mir arrangiert. Ich bin derjenige, der am meisten zur Meute beigetragen hat!" "Du hast es arrangiert? Jeder weiß, dass das Lunas Aufgabe ist. Selbst wenn du es getan hättest, wäre es ihr zu verdanken. Oh, richtig, das hatte ich vergessen. Du dachtest immer, du würdest Luna sein, nicht wahr? Hahahaha", spottete Selina. "Lasst mich überlegen, wer war es, der vor uns damit geprahlt hat, dass der Alpha sie zur Luna des Stammes machen würde? Wie sich herausstellte, hat ihre jüngere Schwester ihr am Tag ihrer Volljährigkeitsfeier den Freund weggeschnappt. Deine jüngere Schwester ist die Luna des Rudels, die Schicksalsgefährtin des Alphas. Bist du des Alphas unseres Rudels würdig?"
(Margarets POV) Er wirbelte mich ein paar Mal herum, bevor er mich absetzte. Ich stand fest auf dem Boden und versuchte, meinen aufgeregten Atem zu beruhigen, bevor ich die bösen Blicke um mich herum bemerkte. Nachdem meine Vernunft zurückgekehrt war, fühlte ich mich unwohl. Instinktiv wollte ich ihm die Hand schütteln. Die Geste schien ihm zu gefallen. Er schüttelte meine Hand zurück. Ich sah zu ihm auf und bemerkte, dass er mich auch ansah, mit diesen dunklen, graugrünen Augen, die vor Freude lächelten. Plötzlich wurde mir klar, dass ich seinen Namen noch nicht kannte. "Du bist..." "Du kennst mich nicht?", fragte mein Kumpel und zog eine Augenbraue hoch. Ich war tatsächlich noch ein wenig verwirrt. Die übermäßige Freude von vorhin hatte zu viel Dopamin produziert. Ich war immer noch ganz benommen. "Mir ist ein bisschen schwindlig. Du bist so cool", erklärte ich leise. Diese Antwort brachte ihn noch mehr zum Lächeln. "Mein Name ist Donald. Ich bin der König der Lykaner." Donald?! König der Lykaner! Ich war verblüfft. Mein Partner war tatsächlich der Lykanerkönig! Ich verstand plötzlich die Blicke aller Anwesenden. Sie waren nicht für mich, sondern für Donald. Vielleicht waren alle überrascht, dass ein gewöhnliches Mädchen wie ich die Gunst des Lycankönigs gewinnen und seine Partnerin werden konnte. Die Leute, die mich früher mit Füßen getreten und auf mich herabgesehen haben, müssen sich in diesem Moment kompliziert fühlen. Selbst ich fand es unglaublich. Ich dachte immer, dass der Verlust von Armstrong einen Schatten auf mein Leben werfen würde, wie ein ständiger Albtraum. Jetzt dachte ich, ich hätte es vielleicht überwunden. "Margaret!" Elizabeth stürmte vor und unterbrach meine Träumerei. Sie sah uns händchenhaltend an und ihr Blick richtete sich auf meinen Kumpel. Plötzlich stotterte sie: "Du, du..." Ich sah sie an. Sie hörte mir immer noch nicht zu. Sie trug nicht das Kleid, das ich für sie vorbereitet hatte. Stattdessen trug sie die Kleidung, die ihr vertraut war. Sie war sehr schön, aber es war nicht würdevoll genug, den Lykanerkönig in diesem Kleid zu empfangen. Plötzlich wurde mir etwas klar und ich drehte mich um, um mich zu betrachten. Ein graues Kleid mit Flecken, schmutzige Schuhe, unordentliches und fettiges Haar, ein geschwollenes, lebloses Gesicht - was für ein Bild bot ich vor meinem Gefährten! Ich schämte mich zu sehr, mein Gesicht zu zeigen. Mein Gefährte war so edel und herrisch, aber ich war wie ein hässliches Entlein. Wird er sich für mich entscheiden? Mein Herz, das eben noch voller Freude war, fühlte sich plötzlich unruhig an. Ich versuchte, meine Hand zurückzuziehen und aufrecht zu stehen. Aber es gelang mir nicht. Donald spürte meine Absicht und hielt meine Hand fester. "Bist du Luna von diesem Rudel?" hörte ich Donald Elizabeth fragen. Seine Stimme war so angenehm, wie ein angenehmes Cello, tief und voll. "Ja, ich bin Luna Elizabeth." Elizabeth sah erschrocken aus. Ich kannte meine Schwester. Sie kannte sich nur mit Männern aus und hatte noch nie eine so große Veranstaltung organisiert. Zum Glück übernahm der zuverlässige Anthony die Aufgabe. "Ehrenwerter Lykanerkönig, willkommen in unserem Stamm. Ich bin der Beta des Stammes. Wir haben bereits Essen und Unterkunft für Sie vorbereitet. Bitte folgen Sie mir", sagte Anthony höflich. Ich sah Donald nicken, als er meine Hand nahm. Wir gingen in die Mitte des Empfangsbereichs. Wir gingen nach vorne, Elizabeth und Anthony folgten uns. Aus den Augenwinkeln sah ich Elizabeths überraschten Gesichtsausdruck. Eigentlich hatte ich meine Fassung noch nicht wiedergefunden. Ich hielt einfach passiv Donalds Hand und ließ mich von ihm ziehen, wohin er wollte. Ich bemerkte, dass sein Blick auf mir verweilte. Ich schämte mich wieder. "Sieh mich an." hörte ich ihn sagen und ich drehte meinen Kopf zu ihm. Von dort, wo ich stand, kam mir Donald riesig vor. Die Spitze meines Kopfes reichte nur bis zu seiner Brust. Ich musste meinen Kopf nach hinten neigen, um sein Gesicht zu sehen. "Du heißt Margaret?", fragte er. "Ja. Elizabeth ist meine Schwester", flüsterte ich. "Elizabeth?" Er schien einen Moment lang nachzudenken. "Deine Luna." "Richtig." Jedes Mal, wenn ich das vor anderen Leuten zugab, fühlte ich mich ein wenig unbehaglich. Aber jetzt sah ich meinen Partner an, und ich fühlte mich überhaupt nicht unbehaglich. Ich hatte jetzt den besten Freund der Welt. Ich wollte keinen anderen als ihn. Aber ich war ein wenig überrascht, dass Donald sich nicht an sie erinnerte. "Ja, sie ist das sexieste und hübscheste Mädchen in unserem Rudel." "Wirklich?" Donald senkte den Kopf und biss mir ins Ohr. "Aber ich finde, du bist das sexieste und hübscheste Mädchen in diesem Raum." Ich konnte nicht glauben, was ich da hörte. In meinem ganzen Leben hatte ich noch nie jemanden sagen hören, dass ich sexier und hübscher sei als Elizabeth. Aber mein Kumpel fand, dass ich in jeder Hinsicht die Bessere war. Auch wenn er nur versuchte, mich zu überreden, war ich wirklich glücklich. "Du bist auch die sexieste und hübscheste Person in diesem Raum", sagte ich ihm. Donald lachte leise, ein angenehmes Summen in seiner Kehle. Von ihm verführt, konnte ich nicht anders, als sein Gesicht zu küssen. Ich streckte meine Hand aus und ließ sie von seiner dicken Brust über seinen vibrierenden Kehlkopf zu seinen sexy Lippen gleiten. "Was willst du?", fragte er und griff nach meiner Hand.
(Margarets POV) Eine Woche war seit meiner Volljährigkeitsfeier vergangen. Von der Unfähigkeit, es zu akzeptieren, bis hin zur allmählichen Betäubung, begann ich die Tatsache zu akzeptieren, dass mein Freund und meine Zwillingsschwester dazu bestimmt waren, Partner zu werden. Meine Schwester, eine Person, die nichts anderes kannte, als sich aufzuputzen, würde Luna dieses Rudels werden. Alle dachten, dass dies normal sei. Schließlich war es in der Welt der Werwölfe ganz natürlich, dass wir uns unseren Lebensgefährten aussuchen. Außerdem war Elizabeth schon immer der Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gewesen. Alle Jungs umschwirrten sie wie die Fliegen. Keiner kümmerte sich um meine Gefühle. Mein Beta-Vater kam sogar, um mir zu sagen, ich solle meine Schwester gut unterstützen, weil sie nichts wisse. F*ck!!! Irritiert fegte ich die Dinge vor mir weg, ließ mich auf das Bett fallen und starrte ausdruckslos an die Decke. Ich fühlte mich überwältigt. Ob in der Schule oder im Kampf, ich hatte mein Bestes gegeben und hervorragende Leistungen erbracht, aber ich bekam nichts. Warum eigentlich? Vater hatte Elizabeth immer bevorzugt. Er sagte immer, sie sei sein ganzer Stolz. Hör auf zu denken, Margaret. Es ist alles schon entschieden, dachte ich mir. "Margaret!" Nur Elizabeth würde so hereinplatzen. "Was willst du?" schnauzte ich. "Nächste Woche will Armstrong eine Zeremonie abhalten, um meine Nachfolge als Luna zu regeln. Ich weiß nichts über solche Dinge. Bitte hilf mir." Ich konnte wirklich nicht verstehen, wie Elizabeth immer so unverschämt und selbstgerecht Forderungen stellen konnte. "Ich kann nicht..." "Vater hat dich gebeten, mir zu helfen." fügte Elizabeth hinzu, als mir die Worte im Halse stecken blieben. Vater. Schon wieder Vater. Ich kratzte mich frustriert am Kopf. Vater hatte gehofft, durch Elizabeths Heirat den Status unserer Familie im Stamm zu verbessern. Verdammt, er muss auch noch denken, dass Elizabeth besser geeignet war, den Alpha zu heiraten, als ich. "Gut", war alles, was ich sagen konnte. "Ich werde dir helfen." Ich stieg aus dem Bett, setzte mich an meinen Schreibtisch und schaltete meinen Computer ein. "Anthony hat mir wieder gesagt, dass er dich um ein Date bitten will." Elizabeth ließ sich auf mein Bett plumpsen. "Ich werde nicht gehen." Ich starrte Elizabeth an. Anthony war der Beta des Stammes. Er hatte Elizabeth schon einmal umworben, war aber von ihr abgewiesen worden. Seitdem Elizabeth Armstrongs Partnerin geworden war, versuchte sie aus irgendeinem Grund, uns zu verkuppeln. Und sie schlug vor, dass wir vier zusammen ausgehen sollten. Ich schätze, sie wollte nur sehen, wie ich und Anthony uns gleichzeitig zum Narren machen und uns zeigen, dass sie jetzt einen Alpha-Freund hatte. "Ich habe bereits für dich zugesagt." Elizabeth zuckte mit den Schultern. "Er ist ein guter Mann. Du solltest ihm eine Chance geben." "Ich habe gesagt, ich komme nicht mit." "Dann sag es ihm doch selbst." Elizabeth war endlich bereit, von meinem Bett aufzustehen. Sie ging zur Tür und schaute zurück. "Nicht, dass ich es dir sagen will, Margaret, aber du solltest eine neue Beziehung anfangen." Ich saß lange Zeit steif auf meinem Stuhl. Eine neue Beziehung. Verdammt, wer zum Teufel hat meine vorherige Beziehung beendet?! Mein Telefon vibrierte plötzlich. Es war ein Anruf von Armstrong! Mein Herz setzte einen Schlag aus. Warum ruft er mich um diese Zeit an? fragte ich mich. Ich drückte die Antworttaste. "Ist es Margaret?" Armstrongs Stimme war so fest wie immer. "Ich bin's." "Ich habe etwas mit dir zu besprechen." "Geht es um die Zeremonie, bei der Elizabeth die Nachfolge von Luna antritt?" sagte ich steif. "Ich habe bereits versprochen, ihr zu helfen." "Das ist etwas, das Elizabeth unbedingt tun will. Sie ist meine Gefährtin. Ich will sie nicht verärgern", erklärte Armstrong. "Ich suche dich wegen etwas anderem." Die Zeremonie ist also nichts, was Armstrong machen will? dachte ich. Die Wut, die ich unterdrückte, ließ plötzlich ein wenig nach. Vielleicht empfand Armstrong doch etwas für mich. Selbst wenn es nur ein bisschen war, würde ich zufrieden sein. "Was soll ich denn tun?" "Nächste Woche kommt der Lykanerkönig Donald zu Besuch in unser Rudel." "Lykanerkönig?" sagte ich schockiert. Die königliche Familie der Werwölfe hatte einen extrem hohen Status. Jedes Mitglied der Königsfamilie war sehr mächtig und stark, vergleichbar mit dem Alpha des Rudels. Sie hatten die Autorität, jeden Stamm zu befehligen, aber sie mischten sich nicht so einfach in die Angelegenheiten der Rudel ein. Es schien eine Art Ordnung oder Regel zu geben. Wenn ein Konflikt zwischen den Werwölfen ausbrach, mischten sie sich ein. "Das ist richtig, der Wolfskönig", fuhr Armstrong fort. "Aber ich habe nächste Woche etwas zu tun. Ich habe bereits mit dem Lykanerkönig Donald gesprochen, dass ich wahrscheinlich nicht bei dem Rudel sein werde, wenn er kommt." Ich konnte vage erahnen, was Armstrong mir sagen wollte. "Ich mache mir Sorgen, dass Elizabeth diese Dinge nicht versteht, aber sie ist Luna. Sie ist die Einzige, die diese Dinge tun kann. Margaret, du bist fähig. Kannst du ihr helfen, den Empfang für den Lykanerkönig auszurichten? " Armstrongs Ton war sanft, und die Wut, die ich unterdrückt hatte, kehrte zurück. Er war noch nie so besorgt um mich gewesen. "Hörst du noch zu, Margaret?" "Ich bin hier." Ich kämpfte gegen die Tränen an, die zu fließen drohten. "Ich verspreche es."
(Margarets POV) Am nächsten Tag erzählte ich Elizabeth vom Empfang des Lykanerkönigs. Elizabeth saß in freizügiger Kleidung am Esstisch und tupfte Butter auf ein Stück Brot. Sie sah abgelenkt aus. Ich schaute auf ihren entblößten flachen Bauch und ihre schneeweiße Haut und wiederholte: "Der Lykanerkönig kommt nächste Woche zu Besuch in unser Rudel. Wir müssen eine Willkommenszeremonie abhalten. Du bist Luna des Rudels. Du musst die Zeremonie leiten. Hörst du mir zu, Elizabeth?" "Nächste Woche? Was ist mit meiner Nachfolgezeremonie?" Ich rollte innerlich mit den Augen. Das war meine Schwester, Elizabeth. Sie war immer nur mit sich selbst beschäftigt. Sie war wirklich von unseren Eltern verwöhnt worden. "Vielleicht kannst du das machen, nachdem wir die königliche Werwolf-Familie empfangen und den Lykanerkönig bewirtet haben. Das ist jetzt das Wichtigste für uns. Außerdem sollte Armstrong bis dahin zurück sein. Ich bin sicher, dass er bereit ist, mit dir an Lunas Einweihungsfeier teilzunehmen." Gott wusste, wie viel Zurückhaltung ich aufbringen musste, um diese Worte ruhig auszusprechen. "Die königliche Familie der Werwölfe? Werden sie kommen? Werden sie meiner Einweihungsfeier für Luna beiwohnen?" Elizabeth war plötzlich aufgeregt. "Vielleicht", antwortete ich. "Was ist mit dem Lykanerkönig? Wird er auch kommen?" Ich dachte an das, was Armstrong gesagt hatte. "Ich glaube schon." "Oh mein Gott, es ist der Lykanerkönig!" Elizabeths Gesicht war vor Aufregung gerötet, und ihre Augen glänzten vor ungewöhnlicher Emotion. "Man sagt, dass die Mitglieder der königlichen Familie alle groß und stark sind, und sie sind alle sehr gut im Bett. Er ist jedermanns Traumliebhaber! Ich habe gehört, dass reinblütige Mitglieder der königlichen Familie besondere Fähigkeiten haben. Der Lykanerkönig wird sogar zu meiner Amtseinführung kommen!" Ich habe nichts gesagt. Mir war das alles egal. Ich hoffte nur, dass dies Elizabeth dazu bringen würde, den Empfang ernst zu nehmen und die Begrüßungszeremonie gut durchzuführen. "Dann lass uns das tun. Ich möchte die Kleider aussuchen, die ich bei der Einweihungszeremonie tragen werde. Ich möchte, dass der Lykanerkönig mich auf den ersten Blick sieht!" Elizabeth ging eilig hinaus. "Hey, Elizabeth..." Ich wollte ihr nachrufen, aber ich hatte keine Zeit dazu. "Was meinst du damit? Du überlässt das alles mir? Ich bin nicht Luna von diesem Stamm." Ich war ein wenig wütend. Sie hatte mich davon abgehalten, all die Dinge zu besprechen, die ich im Sinn hatte. Plötzlich kam Elizabeth wieder durch die Tür. Ich dachte, sie hätte ihre Meinung geändert. Sie fuhr sich mit der Hand durch ihr Haar. Es war eine verführerische Geste. Es gab unzählige Männer, die in diesem Moment verrückt nach ihr geworden wären. Der Gedanke, dass Armstrong das Gleiche tun könnte, machte mich noch unbehaglicher. "Ach ja, du und Anthony solltet die Zeremonie ausrichten, um den Lykanerkönig zu unterhalten." "Was?! Da bin ich anderer Meinung, Elizabeth", protestierte ich. "Armstrong gehört nicht mehr zum Stamm. Anthony ist der Beta von Armstrong. Ich bin Luna. Ich habe das Recht, jeden zu beauftragen, das zu tun, was ich will." Ich konnte nicht glauben, dass Elizabeth es wagte, mich so herumzukommandieren. "Wenn es ein Problem gibt, kannst du es mit ihm besprechen." Elizabeth ging, ohne sich noch einmal umzusehen. Anthony und ich saßen nebeneinander am Tisch und besprachen das Programm des Empfangs. Armstrong sagte nur, dass der Lykanerkönig nächste Woche hier sein würde, aber er sagte nicht, um wie viel Uhr das sein würde. Wir mussten zu jeder Zeit vorbereitet sein. Wir bereiteten das Mittag- und Abendessen sowie den Nachmittagstee und die Desserts vor, um den ganzen Tag über eine ausreichende Versorgung mit Lebensmitteln sicherzustellen. Wir bereiteten einige Zimmer vor und überließen das größte und komfortabelste Zimmer dem Lykanerkönig. Wir stellten auch spezielle Köche und Diener ein, die die königliche Familie bedienen sollten. Gleichzeitig schlug Anthony vor, die Patrouillen zu verstärken und die Wachpostenlinie um einen Kilometer zu verlängern, um sicherzustellen, dass wir auf ihre Ankunft vorbereitet waren. Dies waren keine leichten Aufgaben. Anthony und ich waren erschöpft und schliefen kaum. Elizabeth war keine große Hilfe. Alles, was sie tat, war, mit skurrilen Ideen zu kommen, um unseren Planungsprozess zu stören. Ich musste viel Zeit damit verbringen, ihr zu erklären, warum die Dinge auf eine bestimmte Art und Weise erledigt werden mussten und warum ihre Amtseinführung und der Empfang des Lykanerkönigs nicht zur gleichen Zeit abgehalten werden konnten. Außerdem musste ich sie überreden, bei der Einweihungszeremonie in einem ultrakurzen Kleid zu erscheinen. Von diesen Ärgernissen einmal abgesehen, war Anthony ein guter Helfer. Er war in der Tat der beste Beta des Stammes. Wir beide arbeiteten zusammen und kamen schnell voran. Aber ich musste mein Bestes tun, um zu ignorieren, dass seine Augen jedes Mal auf Elizabeth fixiert zu sein schienen, wenn sie vorbeikam. Ich hatte das Gefühl, dass die Dinge nicht so waren, wie Elizabeth gesagt hatte. Es war eher so, dass Elizabeth wollte, dass Anthony sich mit mir verabredete. Jedes Mal, wenn wir etwas besprachen, stürzte er sich bedingungslos auf einige von Elizabeths idiotischen Vorschlägen.
(Margarets Sichtweise) Als Armstrong mein Freund war, hätte Selina es nie gewagt, mich in der Öffentlichkeit so zu verspotten. Armstrong würde mich beschützen. Aber jetzt war ich wütend und traurig. Niemand würde mehr bereit sein, sich für mich einzusetzen. In diesem Moment hörte ich draußen einen Aufruhr. Gleichzeitig roch ich einen süßen Duft, den ich noch nie zuvor gerochen hatte. Ich spürte, wie sich der Wolf in mir unruhig regte und mir ständig seine Erregung mitteilte. Ich habe etwas gespürt. Kann es sein, dass meine Gefährtin unter dem königlichen Gefolge der Werwölfe ist? fragte ich mich. Der Duft veränderte sich allmählich von schwach wahrnehmbar zu überwältigend. Ich war fast ohnmächtig von ihm. Wenn ich ihn beschreiben sollte, dann war er wahrscheinlich eine Kombination aus allem, was ich auf der Welt liebte. Die frische Luft des Waldes nach dem Regen, der Duft von Pflanzen, frisch gebackenes Gebäck, gut gelagerter Weißwein, funkelnder und erlesener Schmuck, das Knistern eines Kamins, die breiten Schultern und die feste Brust eines Mannes... Ich atmete tief ein. Es roch so gut. Dann hörte ich jemanden neben mir schreien. Eine Gruppe von Riesen betrat die Empfangshalle. Es waren etwa sieben oder acht von ihnen. Werwölfe galten im Vergleich zu normalen Menschen als groß. Anthony, der ein herausragendes Mitglied des Stammes war, war etwas größer als gewöhnliche Werwölfe. Diese Werwölfe, die hereinkamen, waren jedoch alle einen Kopf größer als Anthony. Der größte von ihnen war wahrscheinlich fast zwei Meter groß. Neben ihm sah Anthony außergewöhnlich zierlich aus, und Elizabeth war wie eine Puppe. "Himmel, er ist so groß!" "Sieh dir seine tiefen Augen an. Ich glaube, ich werde gleich von ihnen aufgesaugt!" "Der neben ihm ist auch nicht schlecht. Seine Schultern sind so breit." "Ich frage mich, ob der Lykanerkönig eine Gefährtin hat. Wenn es doch nur ich wäre!" "Warum sollte er sich eine Gefährtin aus einem kleinen Rudel wie dem unseren suchen? Seine Gefährtin muss der königlichen Familie ebenbürtig sein. Es heißt, dass der Lycankönig bereits eine Freundin hat. Sie ist ein weiblicher Beta." "Das ist vielleicht nicht wahr. Ich glaube, ich habe noch eine Chance." Ich hörte die Mädchen um mich herum flüstern. Ich riss meine Augen auf und sah sie an. Ich konnte den angenehmen Duft riechen, der von dieser Gruppe ausging. Ich fragte mich, ob meine Gefährtin unter ihnen war. Wer von ihnen wird es sein? Hat er dieselben starken Gefühle wie ich? Mein Herz pochte wie wild. Die Wölfin in mir machte einen Freudensprung. Ich spürte sogar, dass sie sich aus meiner Beherrschung befreien und in einen springenden Wolf verwandeln wollte. Beruhige dich, beruhige dich, Betty, dachte ich. Etwas in mir schrie: Ich will ihn, ich will ihn! Ich konnte meine Gefühle kaum zurückhalten. Wie Betty wollte ich losstürmen und meinen Kumpel umarmen. Aber nicht jetzt, das ist kein guter Zeitpunkt, ermahnte ich mich. Als sie näher kamen, spürte ich, dass der Geruch immer stärker wurde. Ich schien berauscht zu sein. Ich konnte meinen Körper nicht kontrollieren und hielt mich an der Wand neben mir fest. Ich ertrank fast in dem angenehmen Geruch. Ich konnte kaum noch atmen. Die Überraschungsschreie der Menschen neben mir wurden lauter. Ihre Blicke der Überraschung, des Ärgers und der Eifersucht waren auf mich gerichtet, aber das war mir egal. Ich sah einen Mann auf mich zukommen. Sein Körper war wie ein riesiger Magnet, der ständig einen angenehmen Geruch verströmte. Ich atmete heftig und bewegte mich unwillkürlich auf ihn zu. Sein hübsches Gesicht glich dem eines alten Gottes, und er strahlte eine edle und anmutige Aura aus. Er hatte langes Haar, das so schillernd war wie das eines Gottes. Seine graugrünen Augen waren tief und ruhig. Er hatte einen hohen Nasenrücken und pralle, sexy Lippen. Er stand groß und gerade. Er trug einen marineblauen Anzug, der perfekt um seine Taille und seinen knackigen Hintern saß. Seine Arme waren stark und muskulös, und seine Schultern waren breit und flach. Er strahlte eine Schönheit aus, die ich unwiderstehlich fand. Vielleicht lag es an seiner Macht über alles Lebendige, an seinem gottgleichen Aussehen oder an seiner charmanten Seele. Ich starrte ihn an, wie gebannt. Ich konnte nicht glauben, dass er mein Gefährte sein würde. Er war definitiv der wunderbarste Mann, den ich je in meinem Leben getroffen hatte. Armstrong war im Vergleich zu ihm wie ein Kind. "Kumpel!" Er und ich sprachen zur gleichen Zeit. Um uns herum war ein Aufatmen zu hören, aber das war keinem von uns gleichgültig. Wir hatten nur Augen füreinander. Ich begegnete seinem Blick. Seine Augen waren sanft, als er mich ansah, und verströmten die Aura eines geborenen Königs. Ich sah, wie sich seine Mundwinkel bei unserer Kameradschaft zu einem Lächeln verzogen. Ich lächelte auch. Ich konnte es nicht erwarten, zu ihm zu laufen. Der Wunsch, ihm nahe zu sein und ihn zu haben, beherrschte in diesem Moment alles in meinem Kopf. Ich hatte jede Vernunft verloren, vergessen, wo ich war und wer ich war. Ich wollte einfach nur zu meinem Gefährten rennen. Er streckte die Hand aus, fing mich auf und hob mich über seinen Kopf. Ich spürte seine starken Arme, hart wie Stein. Ich spürte einen gewissen Schmerz, als er mich festhielt, aber es gefiel mir. Ich mochte das Gefühl, auf diese Weise von ihm besessen zu sein, das Gefühl, dass wir vor aller Augen eins miteinander waren. In diesem Moment war ich der Mittelpunkt des Raumes. Ein Glück und eine Zufriedenheit, die ich noch nie zuvor empfunden hatte, stiegen in meinem Herzen auf.
(Margarets POV) Ich überprüfte noch einmal mein Make-up und trug etwas mehr Lipgloss auf. "Margaret, ich kann meine Schuhe immer noch nicht finden!" Elizabeth stürmte herein. Das tat sie immer. "Kannst du dir nicht ein neues Paar besorgen?" Ich seufzte. "Aber das sind doch die schönsten. Und sie passen zu meinem Kleid, sonst wäre mein ganzes Outfit ruiniert." Elizabeth durchstöberte bereits mein Zimmer. "In meinem Zimmer können sie nicht sein." "Lass mich mal nachsehen." "Hör auf, Elizabeth. Du hast meine Sachen durcheinander gebracht!" Ich wurde ein wenig wütend. Elizabeth ignorierte mich. Ich konnte ihr nichts antun. Ich hasste sie wirklich und ich hasste mich dafür, dass ich ihr immer wieder nachgab. "Du hast auch ein Paar rosa Schuhe hier", murmelte Elizabeth. "Wenn du willst, kannst du sie haben." Ich hoffte nur, dass sie schnell aus meinem Zimmer verschwinden würde. Elizabeth nahm die Schuhe heraus und deutete auf ihre Füße. "Die Absätze sind ein bisschen niedrig", brummte Elizabeth, als sie sich auf mein Bett setzte. "Das sind meine einzigen hohen Absätze", sagte ich ruhig. Dieses Paar Schuhe hatte ich von Armstrong zu meinem letzten Geburtstag bekommen. Er sagte, ich sähe gut darin aus. Aber da Elizabeth sie haben wollte, würde ich sie ihr leihen. Egal, ob ich damit einverstanden war oder nicht, sie hatte ihre eigene Art, ihr Ziel zu erreichen. Meine Meinung bedeutete ihr nichts. Elizabeth betrachtete die flachen Schuhe an meinen Füßen und zog sie sich an, ohne etwas anderes zu sagen. "Das ist wahrscheinlich nur ein Zentimeter? Ich habe noch nie Schuhe mit Absätzen getragen, die weniger als zehn Zentimeter hoch sind. Diese Schuhe werden meine Waden weniger schlank aussehen lassen." Elizabeth versuchte, im Zimmer herumzulaufen. "Meine Brüste sehen nicht mehr so voll aus. Das ist alles deine Schuld." Ohne ein Wort zu sagen, senkte ich den Kopf und schrieb Armstrong eine SMS. [Wie laufen die Vorbereitungen?] [Die 'Prinzessin' trägt die Schuhe, die du mir gegeben hast.] Prinzessin" war der Spitzname, den Armstrong und ich Elizabeth gegeben hatten. Er war auf meiner Seite. Keiner von uns mochte Elizabeth, die blonde Locken, blaue Augen und ein Gesicht hatte, das immer exquisit und schön aussah. Elizabeth trug gerne übertriebene, bunte Kleider und Schuhe mit himmelhohen Absätzen. Ich musste zugeben, dass sie auf Jungs sehr attraktiv wirkte. Sie verkleidete sich wie eine fiktive Prinzessin. [Ich kaufe dir etwas Besseres. Heute ist dein großer Tag. Sei glücklich. Ich liebe dich.] [Ich liebe dich auch.] Ich fühlte mich besser. Armstrong war immer ruhig und gelassen. Das war es, was ich an ihm liebte. Solange ich bei ihm war, fühlte ich mich sicher. Ich wusste, er würde mich immer unterstützen. Nach einigem Trödeln machten Elizabeth und ich uns endlich auf den Weg. Elizabeth war vier oder fünf Zentimeter größer als ich, und mit diesen Schuhen war sie einen Kopf größer als ich. Wenn wir zusammen gingen, war es nicht offensichtlich, wer die ältere Schwester war. Das war mir unangenehm. Wir kamen auf dem Gelände an. Eine Menge Werwölfe hatten sich um uns versammelt. In der Ferne konnte ich Armstrong sehen. "Kumpel..." hörte ich Armstrong flüstern. Ich hatte noch nie so einen Ausdruck auf Armstrongs Gesicht gesehen. Sein Gesicht war von der Faszination für seine Gefährtin gezeichnet, und in seinen Augen lag ein unstillbares Verlangen, als ob er mich verschlingen wollte. Ich hatte nie gewusst, dass ich so wichtig für ihn war. Er brauchte mich. Der Gedanke erregte mich unkontrollierbar. Er kam Schritt für Schritt auf mich zu, ein ungewöhnliches Funkeln in seinen Augen. Ich konnte nicht anders, als den Atem anzuhalten. Wird er hier verkünden, dass ich seine Gefährtin bin? fragte ich mich. Aber ich habe nichts gespürt. Mein Geist war leer. Dann sah ich, wie mein Freund Armstrong - mit dem ich sechs Jahre verbracht hatte - vor allen Werwölfen des Stammes an mir vorbeiging, meine Schwester Elizabeth umarmte und ihr einen langen, heißen Zungenkuss gab. In diesem Moment war Armstrong nur zwei Schritte von mir entfernt, aber ich hatte das Gefühl, dass wir noch nie so weit voneinander entfernt waren. "Elizabeth ist meine Schicksalsgefährtin. Sie wird Luna des Rudels sein." Alle jubelten. Ich konnte nicht glauben, was ich gesehen und gehört hatte. Er hatte mir versprochen, dass er mich zu Luna machen würde. Ist das alles ein Schwindel? dachte ich. Ich bin doch nur ein Clown. Ich würde nie die Chance haben, ein Protagonist zu sein. Alles, was bisher passiert war, war nur eine unrealistische Fantasie. Ich hatte das Gefühl, dass meine einzige emotionale Bindung durchtrennt war. Keiner hatte mich je geliebt. Ich konnte nicht einmal weinen. Ich starrte ausdruckslos zu Elizabeth, die in Glücksgefühle versunken war. Ich sah, wie sie mir ein selbstgefälliges Lächeln schenkte.
Swan saß auf einem Hocker und starrte sich im Spiegel an. Ihr zartes und kleines Erscheinungsbild zeugte von Mangelernährung, und das fleckige, vergilbte Hochzeitskleid ließ sie noch erbärmlicher wirken. "Dieses Hochzeitskleid ist zu groß für dich. Hast du kein anderes?" kommentierte Aria, während sie um den Hocker herumging, um das Kleid ihrer älteren Schwester zu begutachten. "Pfui, was ist das für eine Vergilbung? Das ist wirklich widerlich. Swan, ich weiß, dass du hässlich bist, aber du kannst so doch nicht dieses Biest treffen. Was, wenn er merkt, dass du nur die Tochter einer geringen Dirne bist?" "S-s-entschuldige, Aria..." murmelte Swan. "D-dies ist das einzige Kleid, das meine Mutter mir hinterlassen hat. I-ich habe nichts anderes." "Also ist das ein Kleid einer Dirne? Igitt!" Aria wischte sich schnell die Hand mit einem parfümierten Taschentuch ab und warf es dann weg. "Nun, dann lässt sich das nicht ändern. Wie wäre es, wenn ich dir eines meiner Kleider gebe?" "Ich... ich verdiene das nicht..." "Richtig, du verdienst keines meiner Kleider. Schließlich ist eines davon mehr wert als dein Leben", sagte Aria mit einem Schulterzucken. Sie griff nach einem hölzernen Kamm, den Swan benutzte, um ihr kurzes blondes Haar zu kämmen. Aria stellte sich hinter den Hocker, packte eine Handvoll von Swans Haaren und riss daran. "Ah!" Swan verzog schmerzvoll das Gesicht, als ihre Haare gezogen wurden, aber sie wagte es nicht, sich zu wehren, da das noch größere Schmerzen verursacht hätte. "Da du gleich sterben wirst – oh, ich meine, heute deinen Mann treffen wirst, sollte ich dich, als deine kleine Schwester, wohl mit etwas Schwesterliebe überschütten", sagte Aria, während sie das Haar ihrer Halbschwester grob kämmte. Es ärgerte sie, als sie feststellte, dass Swans Haar trotz fehlender guter Pflege immer noch seidenweich war. Außerdem hasste sie es, dass Swans blondes Haar heller leuchtete als ihres, also sagte sie zu Swan, sie solle sich die Haare kurz schneiden lassen, wenn sie nicht geschlagen werden wolle. 'Soll ich ihr einfach eine Glatze rasieren? Ah, nein, dafür ist es jetzt zu spät. Sie wird sowieso sterben.' Swan biss sich auf die Unterlippe, um den Schmerz zu unterdrücken, der fast aus ihren Lippen kam, während Aria weiter an ihren Haaren zog. Sie bemühte sich auch, ihre Tränen zurückzuhalten, denn Aria hasste ihre Tränen. Aria starrte Swan im Spiegel an und hasste es, wie die Tochter dieser Prostituierten trotz ständigen Hungerns und Mangelernährung immer noch schön blieb. "Ach, mach doch nicht so ein gequältes Gesicht. Du bist ohnehin hässlich, was ist, wenn der König der Bestie sich vor deinem hässlichen Gesicht ekelt? Weißt du, wie viele Menschen sterben werden, wenn er wütend wird?" sagte Aria. "S-s-entschuldige..." murmelte Swan, während sie ihr Hochzeitskleid fest umklammerte. "Hör auf, mit ihr zu spielen, Aria." Aria drehte den Kopf und sah ihre Mutter, Königin Anastasia, in der Tür stehen. Sie ließ Swan los und tänzelte fröhlich auf ihre Mutter zu: "Ich gebe ihr nur ein bisschen meiner schwesterlichen Liebe." Königin Anastasia lächelte ihre Tochter mit einem liebevollen Blick an: "Ich weiß, du bist eine liebe Schwester, aber jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt." Doch ihr Blick wurde kalt, als sie ihre Stieftochter Swan anschaute: "Steh auf." "J-ja, Königinmutter..." Swan griff nach den hölzernen Krücken neben ihr und ging damit auf ihre Stiefmutter zu. Sie senkte demütig den Kopf und wartete auf den Befehl. Anastasia stieß einfach mit ihren Schuhen gegen eine der Krücken und sagte: "Kannst du etwas dagegen tun? Ich weiß, du bist nur ein Opfer für die Sicherheit des Reiches, aber du bist zu hässlich, besonders mit diesen Krücken. Ich fürchte, diese wilde Bestie wird das Angebot ablehnen." "Es tut mir leid..." "Entschuldigung reicht nicht. Versuche, ordentlich zu stehen, wie eine echte edle Prinzessin", befahl Anastasia, obwohl sie wusste, dass das unmöglich war. Sie wollte nur sicherstellen, dass Swan nicht vorgab. Für einmal wollte sie, dass diese Krüppel nützlich war.Schwan versuchte, ihr Bein zu strecken, doch in dem Moment, in dem sie eine Krücke losließ, verlor sie das Gleichgewicht und klammerte sich schnell wieder daran fest, um aufzustehen. "Tsk, so nutzlos." "Es-Es tut mir leid, Königinmutter..." "Ach, sei nicht so hart zu ihr, Mama. Wir beide wissen, wer ihr das Bein verkrüppelt hat", sagte Aria stolz. "Es ist beinahe ein Wunder, dass sie nicht gestorben ist, als ich sie versehentlich vom Balkon gestoßen habe, aber jetzt kann sie wenigstens als Opfer dienen." "Es ist niemals deine Schuld, Aria. Sie ist einfach nur dumm, daher ist sie ausgerutscht und hat sich das Bein gebrochen", entgegnete Anastasia und ignorierte dabei, dass Aria Schwan Tag und Nacht damit gequält hatte. "Wie auch immer, sie muss hier weg, denn das Biest steht kurz davor, den Palast zu erreichen." Aria schreckte zurück: "Soll ich mich in meinem Zimmer verstecken? Dieses Biest könnte sich sofort in mich verlieben, wenn es mich sieht!" "Das solltest du tun. Du bist schließlich die echte königliche Prinzessin von Heiligen Achate, deine Schönheit wird ihn überwältigen", antwortete Anastasia, wobei sie wusste, dass ihre süße, aber schelmische Tochter nicht auf sie hören würde. "Bevor sie stirbt, möchte ich mich zuerst bei ihr entschuldigen", meinte Aria, als sie auf Schwan zuging und sich ihr gegenüberstellte. "Schau mich an, Schwester." Schwan hob ängstlich den Kopf, aus Angst, Aria könnte ihr wieder wehtun: "Schau nicht so ängstlich, ich möchte mich nur dafür entschuldigen, dass ich dein linkes Bein verkrüppelt habe. Wir waren damals ja noch Kinder." Obwohl sie sich mit ihrem süßen Gesicht entschuldigte, empfand Schwan nichts als Angst. Sie bezweifelte auch die Aufrichtigkeit Arias. Doch als ältere Schwester war sie darauf konditioniert, Aria immer zu vergeben, was sie auch tat. Leider, bevor Schwan "Ich vergebe dir" sagen konnte, streckte Aria plötzlich ihre Zunge heraus und sagte: "War nur ein Scherz." Aria trat gegen eine der Krücken und Schwan fiel mit dem Gesicht voraus auf den Boden, direkt neben Arias Schuhen. "Ah!" Schwan verzog das Gesicht vor Schmerz, während Aria nur kicherte und ihren Schmerz genoss. Anastasia sah ihre Tochter liebevoll an und stieß dann mit ihren Schuhen gegen Schwans Gesicht. "Steh jetzt auf. Ich will nicht, dass dieser Wilde noch mehr Schaden anrichtet, weil du so langsam bist." "J-ja, Mutter ..." Schwan versuchte, sich an allem festzuhalten, was sie finden konnte, um ihren Körper zu stützen, bevor sie langsam aufstand. Es war schwierig, Krücken nach einem solchen Sturz zu benutzen, aber sie schaffte es, wenn auch für Anastasias Geschmack zu langsam. Aria hatte die Idee, erneut gegen die Krücke zu treten, aber Anastasia hinderte sie diesmal daran: "Tu das nicht, Aria. Sie muss sofort fortgeschafft werden, bevor diese Bestie weiteres Unheil in unserem Palast anrichtet." Aria schmollte: "So ein Pech." Anastasia bemerkte den Bluterguss auf Schwans Wangenknochen nach dem Sturz. Sie packte ihre Wange, zog sie näher heran und untersuchte den Bluterguss. "Vergiss nicht, ihm – oder irgendjemand anderem – nichts von dem, was dir passiert ist, zu erzählen. Sag einfach, du warst ungeschickt, bist aus dem zweiten Stock gefallen und hast dir das Bein gebrochen, und erzähl ihm, dass du diesen Bluterguss bekommen hast, weil du unvorsichtig warst und selbst gefallen bist. Hast du das verstanden?" "Ich ... verstehe, Mutter..." Königin Anastasia wollte ihr noch weitere Belehrungen geben, als ein Wächter mit einem entsetzten Gesichtsausdruck erschien, der am ganzen Körper zitterte, während er sich vor der Königin verbeugte und berichtete: "Eure Majestät, dieses wilde Biest ist hier, um seine Braut zu holen!"