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Der Deutschen Bahn fehlt Geld - viel Geld. Woher es kommen soll, ist jedoch offen. Der größte deutsche Staatskonzern steuert nach Angaben aus Aufsichtsratskreisen auf eine Milliardenlücke zu. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung fehlen der Deutschen Bahn bis 2023 rund vier Milliarden Euro. Das wurde bei einer Aufsichtsratssitzung des Konzerns am Mittwoch in Berlin deutlich. Das Unternehmen äußerte sich zu den Angaben nicht. Die Aufsichtsräte der Bahn segneten die Budgetplanung für 2019 ab und ließen sich die Mittelfristplanung des Vorstands vorlegen. Die Bahn will in den kommenden fünf Jahren massiv in Personal, Fahrzeuge und das Schienennetz investieren, um zuverlässiger und pünktlicher zu werden und mehr Güter auf die Züge zu bekommen. Bereits durchgesickert war, dass es dabei um rund fünf Milliarden Euro zusätzlich gehen soll. Nun allerdings wird auch klar, dass der Konzern seine Pläne ohne harte Einschnitte kaum umsetzen kann. Erst eine Milliarde Euro davon sei finanziert, hieß es aus Aufsichtsratskreisen. Woher die weiteren Milliarden kommen sollen, ist noch offen. Dabei drängt die Zeit: Schon zwei Milliarden Euro werden den Angaben zufolge im kommenden Jahr fällig. Der Vorstand sei beauftragt worden, bis März 2019 konkrete Vorschläge auszuarbeiten, wie die Investitionen aus dem Konzern heraus finanziert werden können. Dass die Bundesregierung mit weiteren Milliarden einspringt, gilt derzeit als unwahrscheinlich. Auch höhere Schulden sind kaum möglich, denn der Konzern sitzt bereits auf einem Schuldenberg von fast 20 Milliarden Euro. Eine Teilprivatisierung des Konzerns wird somit immer wahrscheinlicher. Die Bahn könnte ihre Pläne für eine teilweise Privatisierung wieder aus der Schublade holen und mit der Auslandstochter Arriva an die Börse gehen oder sie in Teilen verkaufen. Entsprechende Überlegungen kursierten zuletzt im Management der Bahn. In der Politik sind die Pläne jedoch umstritten. Vor allem von der SPD gab es immer wieder Kritik an dem Kurs, profitable Unternehmensteile des Staatskonzerns zu verkaufen. | Der Konzern will viel Geld investieren, um pünktlicher zu werden - doch das hat er nicht. Und auch woher es kommen sollen, ist offen. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/staatskonzern-deutsche-bahn-steht-vor-milliardenluecke-1.4250089 | Deutsche Bahn: Deutsche Bahn steht vor Milliardenlücke | 00/12/2018 |
Die Deutsche Bank hat zunehmenden Ärger mit der Strafjustiz. Nach Recherchen von WDR und Süddeutscher Zeitung untersucht die Staatsanwaltschaft Köln die Rolle der Bank im Zusammenhang mit möglicherweise illegalen Börsendeals. Im Rahmen eines bereits seit 2017 laufenden Ermittlungsverfahrens wegen sogenannter Cum-Ex-Geschäfte wollen die Strafverfolger offenbar auch herausfinden, ob das Geldinstitut beim Handel mit "Phantom-Aktien" dazu beigetragen haben könnte, die Staatskasse zu plündern. Banken und Börsen-Manager, so die Vermutung, sollen in den USA mit Schein-Aktien gehandelt haben, um auch in Deutschland Steuererstattungen zu kassieren, die ihnen eigentlich nicht zugestanden hätten. Die lange Zeit unentdeckte Masche wurde erst vor wenigen Wochen bekannt; als neue Variante im Cum-Ex-Skandal. Beim An- und Verkauf von Aktien mit (Cum) und ohne (Ex) Dividende hatten Banken, Börsenhändler und deren Partner den Fiskus in mehreren Staaten um insgesamt mehrere zehn Milliarden Euro erleichtert. Die Akteure hatten sich eine nur einmal auf Dividenden gezahlte Steuer von den trickreich getäuschten Finanzbehörden mehrmals erstatten lassen. Die Staatsanwaltschaft Köln und andere Ermittlungsbehörden betrachten das als kriminell und wollen zahlreiche Bank-Manager und Börsenhändler vor Gericht und ins Gefängnis bringen. Eines der vielen Verfahren in Köln richtet sich seit dem vergangenen Jahr gegen zwei ehemalige Beschäftigte der Deutschen Bank in London, die dort bis Ende vergangenen Jahrzehnts im Handelsbereich gearbeitet hatten. Diese Ermittlungen betreffen jene Cum-Ex-Geschäfte, denen die Bundesregierung 2012 einen Riegel vorgeschoben hatte, indem gravierende Gesetzes- und Kontroll-Lücken geschlossen worden waren. Inzwischen sind die Kölner Strafverfolger die neue Variante mit den "Phantom-Aktien" gestoßen, mit denen der Fiskus in mehreren Staaten ab 2012 weiter ausgenommen worden sein soll. Auch wegen dieser neuen Variante hat die Staatsanwaltschaft dem Vernehmen nach auch die Deutsche Bank im Fokus. Offen ist, ob es sich bereits um ein gesondertes formelles Verfahren handelt; oder um eine Untersuchung. Bei großen Fällen gehen Staatsanwaltschaften allen Verdachtsmomenten nach, ohne dass bei neuen Vorwürfen sofort neue Ermittlungen gegen neue Beschuldigte aufgenommen werden. Die bis vor wenigen Wochen öffentlich nicht bekannte Masche mit "Phantom-Aktien" gilt im Vergleich zu Cum-Ex als noch perfider: Offenbar ging es darum, sich Kapitalertragsteuern auf Dividenden erstatten zu lassen, die nie gezahlt worden waren. Ein Finanzexperte, der früher an Cum-Ex-Geschäften beteiligt war, bezeichnet diese Methode als "Weiterentwicklung der Teufelsmaschine Cum-Ex". Sie betrifft den Handel mit sogenannten American Depositary Receipts (ADRs). Das sind Papiere, die von Banken in den USA als Ersatz für echte Aktien ausgestellt werden. Sie erleichtern es US-Investoren, Aktien ausländischer Gesellschaften in Dollar zu handeln. Jedes ADR-Papier steht dabei für eine Aktie oder einen Bruchteil einer Aktie; die Aktien müssen jeweils tatsächlich bei einer Depotbank hinterlegt werden. Weil es bei internationalen Geschäften oftmals Tage dauert, bis beispielsweise Aktien aus Europa in den USA vorliegen, gibt es die ADRs auch als vorläufige Papiere. Solange bis die echten Aktien da sind. In zahlreichen Fällen ist es aber nach Erkenntnissen der US-Börsenaufsicht SEC vorgekommen, dass Geldinstitute ADRs ausgestellt haben, ohne dass später tatsächlich Aktien geliefert worden seien. Mit diesen Phantom-Aktien sollen dann Finanzbehörden in Deutschland und anderen Staaten in die Irre geführt und dazu veranlasst worden sein, Steuern zu erstatten, die zuvor gar nicht gezahlt worden waren. Die Deutsche Bank erklärte auf Anfrage zu dem seit 2017 laufenden Verfahren gegen zwei Ex-Beschäftigte wegen der alten Cum-Ex-Variante auch hinsichtlich der neuen Variante: "Natürlich kooperieren wir mit den Behörden und haben auch zu dem Thema schon Auskunftsersuchen beantwortet." Da es sich um riesige Datenmengen handelt, dauere die Auswertung durch die Ermittlungsbehörden immer noch an. Die Deutsche Bank gibt an, man habe selbst keine Aktienpakete ge- oder verkauft. "Als große Teilnehmerin am Markt war die Deutsche Bank jedoch teilweise in Cum-Ex -Geschäfte von Kunden eingebunden." Man stelle "sämtliche angefragten Informationen zur Verfügung und unterstützt die Behörden soweit möglich und zulässig bei der Aufarbeitung des Sachverhalts", hieß es. Die US-Börsenaufsicht ist bereits gegen mehrere Banken vorgegangen Die Deutsche Bank hat auffällige Geschäfte mit den missbrauchsanfälligen Vorab-ADRs um den Dividendenstichtag nach eigenen Angaben bereits im Jahr 2014 beendet. 2016 habe man sich ganz aus diesem Geschäft zurückgezogen. Dem Finanzamt Frankfurt hat der Konzern nach Angaben aus Finanzkreisen zweifelhafte Geschäfte mit Phantom-Aktien freiwillig gemeldet und angeboten, einen etwaigen Schaden für den Fiskus zu begleichen. Anfang der Woche hatte die Financial Times berichtet, bei einer internen Prüfung eventuell verdächtiger Transaktionen sei eine Summe von etwa 25 Millionen Euro an deutscher Kapitalertragsteuer aufgefallen. Etwa fünf Prozent der Transaktionen mit Vorab-ADRs in den Jahren 2010 bis 2015 seien demnach anfällig für Missbrauch mit Blick auf die deutsche Kapitalertragsteuer gewesen. Die US-Börsenaufsicht ist wegen des Handels mit ADRs bereits gegen mehrere Geldinstitute vorgegangen. Bislang haben Banken mehr als 173 Millionen Dollar an Rückzahlungen und Bußgeldern für Scheingeschäfte geleistet. Die Deutsche Bank stimmte im Juli einem Vergleich mit der SEC zu und überwies 75 Millionen Dollar wegen unsauberer Handhabung von ADR-Papieren. Die Kritik der SEC sei im Jahr 2016 Anlass für die Bank gewesen, sich aus Geschäften mit vorab ausgestellten ADRs ganz zurückzuziehen, hieß es vor drei Wochen. In einer nicht-öffentlichen Sitzung des Finanzausschusses im Bundestag an diesem Mittwoch soll Finanzminister Olaf Scholz (SPD) Informationen von WDR und SZ zufolge abermals Stellung bezogen haben. Unter anderem habe sein Ministerium eine Prüfung von zahlreichen beteiligten Banken in Deutschland durch die Bundesanstalt für Finanzaufsicht (Bafin) angeordnet. Die Bafin solle künftig zudem verstärkt auf steuerliche Themen achten, damit sich solche Fälle nicht wiederholten; die Zusammenarbeit zwischen Steuerbehörden und Finanzaufsicht solle verbessert werden. Auf die Frage, ob dem Finanzministerium Details zur Rolle der Deutschen Bank vorlägen, soll Scholz vage geblieben sein. Zu laufenden Verfahren könne er sich grundsätzlich nicht äußern. | Deutschlands größtes Geldinstitut hat Ärger wegen neuer Aktiendeals. Die Masche ähnelt Cum-Ex, gilt aber als noch perfider. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/deutsche-bank-aktiendeals-phantom-aktien-cum-ex-1.4249822 | Phantom-Aktien: Welche Rolle spielte die Deutsche Bank? | 00/12/2018 |
Sollte er keinen anderen Job annehmen, steht Johannes Jörg Riegler ein lebenslanges Ruhegeld von rund 60 Prozent seines letzten Gehalts zu. Der Chef der zweitgrößten deutschen Landesbank Bayern LB, Johannes-Jörg Riegler, verlässt das Unternehmen. Rieglers Vertrag, der Ende Februar kommenden Jahres ausläuft, werde nicht verlängert, teilte das staatseigene Kreditinstitut am Mittwoch mit. Darauf habe man sich "im besten Einvernehmen" verständigt. Dem Vernehmen nach hatte er unter anderem eine Verdoppelung seines Gehaltes gefordert und damit bei den Eigentümern Unmut auf sich gezogen. Der Bayern-LB-Chef informierte am Mittwochmorgen den Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen des Bayerischen Landtages über die Entscheidung. Formal ist Riegler, der auch Präsident des Bundesverbandes Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB) ist, nichts vorzuwerfen. Die Bank steht nach der Staatsrettung in der Finanzkrise vergleichsweise gut da. Riegler hat es sich Insidern zufolge aber vor allem mit den Sparkassen verscherzt, die 25 Prozent an der Bayern LB halten (die Mehrheit der Anteile gehören dem Freistaat). Insidern zufolge forderte Riegler eine Gehaltserhöhung von derzeit rund 750 000 auf rund 1,5 Millionen Euro, womit er den Unmut der Eigentümer auf sich zog. Die Trennung von Riegler könnte für die Bank dennoch teuer werden. Dem 54-Jährigen steht nach Ablauf seines Vertrags ein lebenslanges Ruhegeld von rund 60 Prozent seines letzten Gehalts zu. Nimmt er keinen neuen Job an, kostetet das die Bank bis zu seinem Ruhestand Millionen. Im Umfeld von Riegler geht man jedoch davon aus, dass er sich nach einer kurzen Auszeit bald eine neue Aufgabe suchen wird. Rieglers Nachfolger soll dem Vernehmen nach sein bisheriger Stellvertreter Edgar Zoller werden. Bis zur offiziellen Entscheidung über einen Nachfolger soll Zoller bereits an die Spitze rücken. "Der Aufsichtsrat weiß die Bank in dieser Übergangszeit bei Edgar Zoller in sehr guten Händen", teilte die Bayern LB mit. | Mit einer Gehaltsforderung hatte sich Johannes-Jörg Riegler bei den Eigentümern unbeliebt gemacht. Nun geht der Manager. Für die Bank könnte es trotzdem noch teuer werden. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/bayernlb-vorstand-riegler-1.4249988 | Bayern-LB tauscht Chef Jörg Riegler aus | 00/12/2018 |
Im Handelsstreit zwischen den USA und China deutet sich eine Entspannung an. Die von China verhängten Strafzölle auf Autoimporte aus den USA, die auch deutsche Hersteller massiv treffen, sollen wieder fallen. Das habe Chinas Vize-Premier Liu He in einem Telefonat mit US-Finanzminister Steve Mnuchin und dem Handelsbeauftragten Robert Lighthizer angeboten, berichtet das Wall Street Journal. Der Zollsatz von derzeit 40 Prozent soll demnach wieder auf das vorherige Niveau von 15 Prozent sinken. Deutsche Autohersteller wie BMW und Daimler würden davon stark profitieren. Sie stellen einen großen Teil ihrer schweren SUVs in den USA her und verschiffen sie von dort nach China, den inzwischen größten Automarkt der Welt. Die von China erhöhten Importzölle belasteten die deutschen Konzerne zuletzt stark. Daimler musste seinen Gewinn wegen des chinesisch-amerikanischen Streits nach unten korrigieren. Die Stuttgarter produzieren ihre großen Geländewagen in Tuscaloosa im US-Bundesstaat Alabama. Ein Großteil der Autos wird von dort nach China exportiert. Bei BMW ist die Lage ähnlich. Die meisten Modelle, die BMW in Amerika produziert, werden nicht an anderen Standorten hergestellt. Der Hersteller kann die chinesischen Strafzölle deshalb nicht ohne weiteres umgehen. Chinesische Waren im Wert von 250 Milliarden Dollar sind mit Strafzöllen belegt Bei VW sind die Auswirkungen geringer. Der Konzern baut zwar ebenfalls SUVs in amerikanischen Werken. Doch das Unternehmen hat auch Fabriken in China, mit denen er die chinesischen Strafzölle umgehen kann, zumindest für die dort produzierten Modelle. Das Angebot Chinas an die US-Regierung ist das erste Zeichen einer Entspannung seit dem G-20-Gipfel Anfang Dezember. US-Präsident Trump und der chinesische Präsident Xi Jinping hatten sich dort auf einen "Waffenstillstand" im Handelsstreit geeinigt. Trump setzte der chinesischen Regierung aber eine 90-tägige Frist, um Zugeständnisse zu machen. Insgesamt haben die USA chinesische Waren im Wert von rund 250 Milliarden Dollar mit Strafzöllen belegt. China hatte ebenfalls mit Strafzöllen gekontert, allerdings importiert das Land lediglich Waren im Wert von rund 130 Milliarden Dollar aus den USA und kann deshalb nicht in gleicher Höhe antworten. | Im Handelsstreit zwischen Peking und Washington deutet sich eine Entspannung an. China will offenbar von Strafzöllen auf Autos aus den USA abrücken. Davon würden auch BMW und Daimler profitieren. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/china-usa-trump-handelsstreit-1.4249752 | China will Strafzölle auf SUVs wohl abschaffen | 00/12/2018 |
Stunde um Stunde fahren sie umher, schleppen Pakete bis unters Dach - und nicht selten müssen sie wiederkommen, weil gerade keiner da war: Mehr als 490 000 Menschen arbeiten mittlerweile bei Post- und Zustelldiensten in Deutschland, wie die Bundesagentur für Arbeit nun ausgewertet hat. Vor allem Paketfirmen heuern vor Weihnachten Tausende Beschäftigte zusätzlich an, damit Geschenke rechtzeitig ankommen. Der Boom des Onlinehandels hat viele Arbeitsplätze in der Logistik geschaffen, oftmals allerdings zu jämmerlichen Konditionen. Nur 30 Prozent der Beschäftigten in der Branche haben eine Ausbildung abgeschlossen, etwa zur Fachkraft für Kurier-, Express- und Postdienste. 70 Prozent sind Hilfskräfte, arbeiten zum Großteil in Teilzeit oder als Minijobber. Das zeigt die Antwort der Arbeitsagentur auf eine Anfrage des Linken-Bundestagsabgeordneten Pascal Meiser. Demnach verdienen Vollzeitaushilfen im Mittel 2044 Euro brutto im Monat. Mehr als die Hälfte von ihnen bleibe unterhalb der Niedriglohnschwelle, erhalte mithin weniger als 10,50 Euro pro Stunde. "Ich finde es inakzeptabel, dass viele der Beschäftigten für diese harte Arbeit mit Niedriglöhnen abgespeist werden", sagt Meiser. Zwar arbeiten gelernte Kräfte zu besseren Bedingungen: Zwei Drittel sind vollzeitbeschäftigt und verdienen im Mittel 2601 Euro im Monat. Das sind noch immer 19 Prozent weniger als der Durchschnitt in Deutschland. Tatsächlich dürfte die Lage noch schlechter sein. Denn die Statistik erfasst keine selbständigen oder gar scheinselbständigen Fahrer. "Hinzu kommt eine wachsende Zahl von ausländischen Subunternehmern bei den Paketdienstleistern mit noch schlechteren Löhnen", so Meiser. Auch die Gewerkschaft Verdi beobachtet hierzulande immer mehr Paketfahrer aus Osteuropa. Tatsächlich lässt etwa DPD fast alle Pakete von Subunternehmern zustellen. Auch bei Hermes arbeiten nur fünf Prozent der Boten direkt bei dem Unternehmen. Einzig die Deutsche Post und UPS lassen den Großteil ihrer Pakete von eigenen Angestellten austragen. In Zeiten der Rekordbeschäftigung fällt es den Paketdiensten indes immer schwerer, Fahrer zu finden. Sie müssen vielerorts höhere Löhne zahlen. Auch deshalb wollen DPD und Hermes im neuen Jahr das Porto erhöhen. Hermes will Subunternehmer gut genug bezahlen, damit diese allen Boten mindestens 9,50 Euro pro Stunde zahlen können, also etwas mehr als den Mindestlohn von 8,84 Euro. Gleichwohl betonen die Paketdienste, dass sie ihren Subunternehmern nicht vorschreiben dürfen, wie viel Geld diese den Zustellern genau zahlen. Die Unternehmen würden Verdachtsmomenten nachgehen, etwa wenn Boten angeblich nicht einmal den Mindestlohn erhielten. Verdi weist jedoch darauf hin, dass sich viele ausländische Fahrer ihrer Rechte in Deutschland kaum bewusst seien. Die Gewerkschaft fordert, der Staat solle stärker kontrollieren, ob die Branche Mindestlohn- und Arbeitszeitgesetze einhält. Zudem regt Verdi an, dass Paketdienste selbst dafür haften sollen, dass ihre Subunternehmer etwa die Sozialversicherungsbeiträge für die Boten bezahlen - wie es in Bauwirtschaft und Fleischindustrie üblich ist. | Der Onlinehandel hat viele Logistik-Arbeitsplätze geschaffen. Vor Weihnachten suchen vor allem Paketdienste zusätzliche Hilfskräfte. Mehr als die Hälfte der Aushilfen verdient nur Niedriglöhne. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/paketboten-zusteller-niedriglohn-1.4248719 | Paketdienste zu Weihnachten: Mehr Pakete, weniger Lohn | 00/12/2018 |
Ein kanadisches Gericht hat die Freilassung der inhaftierten Huawei-Finanzchefin Meng Wanzhou gegen Kaution angeordnet. Das Risiko, dass Meng im Auslieferungsverfahren nicht vor Gericht erscheine, könne durch die von ihrem Anwalt vorgeschlagenen Auflagen auf ein "akzeptables Niveau" reduziert werden, erklärte ein Richter am Dienstag in Vancouver. Meng ist nicht nur Finanzchefin des Telekommunikationsriesen Huawei, sondern auch die Tochter von Konzerngründer Ren Zhengfei. Sie war auf Geheiß der USA am 1. Dezember am Flughafen von Vancouver festgenommen worden. Die US-Justiz verlangt ihre Auslieferung. Die USA werfen ihr einen Verstoß gegen die Iran-Sanktionen vor Die USA beschuldigen Huawei, mithilfe einer Hongkonger Strohfirma Ausrüstung an den Iran verkauft und damit gegen US-Sanktionen verstoßen zu haben. Meng und Huawei wird zudem zur Last gelegt, amerikanische Banken über ihre angeblichen Geschäfte mit dem Iran in die Irre geführt zu haben. Der Telekommunikationskonzern hat die Vorwürfe zurückgewiesen. Bei einer Auslieferung und Verurteilung würden ihr laut Anklage 30 Jahre Haft wegen "Verschwörung zum Betrug von Finanzinstitutionen" drohen. Bei einer Gerichtsanhörung am Montag sagte ihr Anwalt, Meng sei bereit, ihren Pass abzugeben, eine elektronische Fessel zu tragen und 15 Millionen kanadische Dollar (knapp zehn Millionen Euro) Kaution zu zahlen. Festnahme eines kanadischen Diplomaten in China Der Fall belastet die Beziehungen Chinas zu den USA und Kanada. An den Finanzmärkten regten sich Sorgen wegen einer erneuten Eskalation des Handelsstreits zwischen Peking und Washington. China hat scharf gegen Mengs Festnahme protestiert und ihre sofortige Freilassung gefordert. Der Fall hat zudem zur Festnahme eines früheren kanadischen Diplomaten in China geführt. Die Festnahme bestätigte am Dienstag der kanadische Minister für öffentliche Sicherheit, Ralph Goodale. Die Regierung sei tief besorgt, erklärte der Minister und bestätigte damit Medienberichte, wonach ein Mitarbeiter der International Crisis Group, Michael Kovrig, in Peking festgenommen wurde. Zuvor hatte China Kanada vor Konsequenzen der Festnahme der Huawei-Managerin gewarnt. | Ein kanadischer Richter ordnete die Freilassung von Meng Wanzhou an - unter strengen Auflagen. Der Huawei-Managerin droht weiterhin eine Auslieferung an die USA. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/kanada-huawei-managerin-kommt-gegen-kaution-frei-1.4249726 | Huawei-Managerin gegen Kaution auf freiem Fuß | 00/12/2018 |
Großbritannien riskiere eine "nationale Krise", warnt CBI, die größte Unternehmervereinigung des Landes. Der Verband der Handelskammern nennt die Entscheidung "bestürzend". Die Lobbygruppe der Lebensmittelindustrie verkündet, auch ihre Mitglieder seien "bestürzt über das politische und wirtschaftliche Chaos, das von einer weiteren Verzögerung des Brexit-Prozesses hervorgerufen wird". Was die Unternehmer Ihrer Majestät so erzürnt, ist die jüngste Kehrtwende von Theresa May: Die Premierministerin lässt das Parlament doch noch nicht über den Brexit-Vertrag abstimmen. Einen neuen Termin gibt es nicht; es könnte Januar werden. Viele Brexit-Fans in Mays Konservativer Partei lehnen das Austritts-Abkommen ab, das London und Brüssel nach quälend langen Verhandlungen geschlossen haben. Die Rebellen klagen, die Regierungschefin sei der EU zu sehr entgegengekommen. Daher hätte die Politikerin die für Dienstag angesetzte Abstimmung wohl krachend verloren. Allerdings ist völlig offen, ob May im zweiten Anlauf eine Mehrheit finden kann. Bei einer Ablehnung droht am 29. März 2019 ein Brexit ohne Scheidungsvertrag. Dann fiele die vereinbarte Übergangsphase weg, in der sich für Firmen und Bürger fast nichts ändern soll. Stattdessen würden sofort Zölle und Zollkontrollen eingeführt. Für die meisten Unternehmen ist das eine Horrorvorstellung; schließlich sind die anderen EU-Staaten der mit Abstand wichtigste Exportmarkt. Wegen der Blockade im Parlament wissen Manager weiterhin nicht, welchen Regeln Geschäfte über den Ärmelkanal von Ende März an unterliegen werden - und das zweieinhalb Jahre nach dem Referendum und weniger als vier Monate vor dem Austritt. Weder die Häfen in Großbritannien noch auf dem Festland sind darauf vorbereitet, demnächst Zollgrenze zwischen dem Königreich und der EU zu sein. Exporteure müssten Zollpapiere ausfüllen, Lastwagenfahrer müssten sie abgeben, Grenzbeamte würden stichprobenartig die Ladung überprüfen. Die Folge wären Chaos und endlose Staus. An Spitzentagen fertigt der Hafen im englischen Dover 10 000 Laster von Fähren nach und aus Calais und Dünkirchen in Frankreich ab. Großbritannien führt fast ein Drittel der Lebensmittel aus der EU ein. Zudem sind Fabriken auf steten Nachschub an Zulieferteilen angewiesen. Allein zu den britischen Autowerken bringen jeden Tag mehr als 1100 Laster Teile vom Festland. Viele Industriebetriebe und Lebensmittel-Importeure versuchen, sich so gut es geht auf den schlimmsten Fall vorzubereiten. Sie mieten zusätzlichen Lagerplatz an und bauen ihre Vorräte aus. Der Verband der Lebensmittelindustrie warnt bereits, dass Kühlhäuser komplett ausgebucht seien. Der Münchner Autokonzern BMW wiederum zieht im Oxforder Werk seiner Tochtermarke Mini die Sommerpause auf den Brexit-Termin Ende März vor. Pharmafirmen wurden von der britischen Regierung angewiesen, Arzneimittelvorräte für mindestens sechs Wochen anzulegen, damit Patienten bei Engpässen in den Häfen nicht leiden müssen. Das Kabinett diskutiert auch darüber, den Platz auf Fähren zu rationieren: Weniger wichtige Fracht müsste dann an Land bleiben. Umfragen der Notenbank Bank of England zeigen allerdings, dass die Mehrheit der britischen Unternehmen keine Vorbereitungen für einen Chaos-Brexit getroffen hat: weil das nicht möglich oder zu teuer ist, oder weil die Manager hoffen, nicht betroffen zu sein. Bisher läuft die britische Wirtschaft gut, trotz manch düsterer Vorhersagen, wie ein Sieg des Brexit-Lagers im EU-Referendum der Konjunktur schaden würde. Erst am Dienstag veröffentlichte die Statistikbehörde erfreuliche Arbeitsmarktdaten: Die Löhne steigen demnach so schnell wie seit zehn Jahren nicht mehr, und die Zahl der Beschäftigten ist höher denn je. Schätzungen zufolge soll die Wirtschaft in diesem Jahr um 1,3 Prozent wachsen, was für britische Verhältnisse langsam, aber kein Desaster ist. Doch ein ungeordneter Brexit mit Zöllen und Kontrollen würde die Konjunktur massiv belasten. Wie sehr, hängt auch von London und Brüssel ab. Ist ein Brexit ohne Scheidungsvertrag unvermeidlich, könnten beide Seiten trotzdem versuchen, das Schlimmste zu verhindern: mit Absprachen und pragmatischen Arrangements. Die EU-Kommission schlug bereits vor, in so einem Fall Briten weiter ohne Visum einreisen zu lassen. Die britische Regierung versprach wiederum, Fluggesellschaften aus der EU nicht zu behindern. Großbritannien kann die Zölle nicht einfach nur für die EU abschaffen Wird Ladung von Lastwagen an der Grenze kontrolliert, drehen sich die Prüfungen oft darum, ob die Fracht Standards entspricht oder eine Gefahr für Verbraucher darstellt. Als EU-Mitglied beachtet Großbritannien sämtliche Vorgaben, und das wird sich direkt nach dem Brexit nicht ändern. Daher könnte die EU anfangs darauf verzichten, die Fracht britischer Laster in den französischen Häfen oder an der inneririschen Grenze zu prüfen. Es ginge aber nicht so ohne weiteres, Exporteuren die Zölle zu erlassen - und damit die lästige Pflicht, Zollpapiere einzureichen. Bei einem Austritt ohne Abkommen gelten die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO), und die sehen etwa Zölle von zehn Prozent auf Autos vor. Würde die britische Regierung beschließen, alle Einfuhrzölle auf null Prozent zu senken, um Firmen Bürokratie und Kosten zu ersparen, müsste das Land dies sämtlichen Staaten auf der Welt anbieten. Ausschließlich Importe aus der EU zu befreien, und das ohne Handelsvertrag mit Brüssel, würde die Regeln der WTO brechen. Und aller Pragmatismus und guter Wille könnten nicht verhindern, dass die Wirtschaft unter so einem Austritt ohne Vertrag leiden würde. Der Traum der Brexit-Fans von der großen Freiheit könnte sehr teuer werden. | Im britischen Parlament gibt es keine Mehrheit für den Austrittsvertrag mit der EU. Aber für Firmen und Behörden ist ein Brexit ohne Abkommen eine Horrorvorstellung, denn darauf sind sie nicht vorbereitet. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/brexit-unternehmen-chaos-1.4248414 | Großbritannien - Ohne Brexit-Einigung droht das Chaos | 00/12/2018 |
Wohnen in Deutschland wird für viele Menschen immer teurer. Das liegt nicht nur an den steigenden Mieten, vor allem in den Städten. Ein zusätzlicher Kostenblock beim Wohnen sind schon immer die Betriebskosten oder bei vermieteten Wohnungen die sogenannte "zweite Miete". Der Deutsche Mieterbund (DMB) hat nun wieder vorgerechnet, wie viel für Heizung, Warmwasser, Grundsteuer, Hausmeister oder Müllbeseitigung draufgeht. Im Durchschnitt sind das 2,19 Euro pro Quadratmeter und Monat. In Deutschland erhalten 21 Millionen Haushalte jedes Jahr eine Betriebskostenabrechnung. In Häusern mit besonderen Zusatzkosten, etwa für die Gartenpflege oder einen Aufzug, belaufen sich die Nebenkosten sogar bis auf durchschnittlich 2,79 Euro pro Monat und Quadratmeter. Die Ausgaben für Strom, die Mieter im Normalfall direkt an ihren Versorger zahlen, sind dabei nicht berücksichtigt. Dies geht aus dem neuen Betriebskostenspiegel hervor, den der DMB vorgelegt hat. Sind alle möglichen Betriebskosten fällig, wären für eine 80-Quadratmeter-Wohnung im Durchschnitt etwa 2678 Euro im Jahr zu bezahlen. Die Untersuchung beruht laut Mieterbund auf den Daten von tausenden Abrechnungen aus ganz Deutschland mit einer Mietwohnfläche von mehr als elf Millionen Quadratmeter. Die Daten beziehen sich allerdings auf das Jahr 2016, da die Abrechnungen erst viel später den Mietervereinen und dem Dachverband in Berlin vorliegen. Es lässt sich aber schon jetzt absehen, dass es für viele Haushalte in Zukunft noch teurer werden könnte. Ulrich Ropertz, Geschäftsführer des Mieterbunds, rechnet damit, dass Mieter mit einer Ölheizung bei der nächsten Abrechnung für das zu Ende gehende Jahr "eine spürbare Erhöhung einkalkulieren müssen". Ropertz begründet dies mit den im Jahresvergleich 2017 zu 2018 kräftig gestiegenen Heizölpreisen. "Daran kann auch der milde Oktober, in dem gar nicht oder wenig geheizt werden musste, nichts ändern", sagt der Jurist. Bei Immobilien, die mit Fernwärme oder Gas beheizt werden, erwartet Ropertz, dass die abgerechneten Heizkosten stabil bleiben. Die Ausgaben für Heizung und Warmwasser gelten als entscheidender Faktor bei den Nebenkosten fürs Wohnen. Im Durchschnitt fielen dafür 2016 rund 1,03 Euro an, bei einer Bandbreite von 0,72 bis 1,88 Euro, je nach dem energetischen Standard der Wohnung und den lokal teilweise unterschiedlichen Preisen für Gas, Heizöl oder Fernwärme. Die Kosten sind damit im Vergleich zu 2015 leicht gesunken. Für eine 80 Quadratmeter große Wohnung ergeben sich jedoch immer noch im Durchschnitt Heiz- und Warmwasserkosten in Höhe von knapp 1000 Euro im Jahr. Der Mieterbund rät, die Durchschnittswerte mit der eigenen Abrechnung zu vergleichen, um heraus zu finden, ob eher viel oder wenig für die zweite Miete fällig ist. Auch sollten Mieter auf mögliche Fehler in den Abrechnungen achten. Beispiel: Die Ausgaben für die Reparatur eines Fahrstuhls darf der Vermieter nicht auf die Mieter umlegen, die Wartungskosten schon. Doch häufig verbergen sich unter dem Begriff Wartungskosten Reparaturkosten. Der DMB rät deshalb: "Ein genauer Blick kann sich lohnen." | Viele müssen sich in diesem wie im nächsten Jahr darauf einstellen, dass Wohnen durch höhere Betriebskosten noch teurer wird. Viel hängt aber auch davon ab, wie man heizt. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/betriebskosten-warmmiete-heizkosten-1.4248400 | Warmmiete: Betriebskosten steigen für viele | 00/12/2018 |
Immer mehr Veranstalter setzen bei ihren Messen auf das Thema Nachhaltigkeit. Doch die Unternehmen müssen sich auch selbst bei der Durchführung ihrer Veranstaltungen um mehr Umweltschutz bemühen. Möchten Sie wissen, woher das Holz des Tisches stammt, an dem Sie mit Freunden und Ihrer Familie zusammenkommen? Diese Frage stellt Britta Wirtz, Geschäftsführerin der Karlsruher Messe- und Kongress GmbH. Sie wirbt so für eine neue Fachmesse, die sich um nachhaltige und ökologische Materialien für den Bau und die Einrichtung von Gebäuden dreht. Architekten, Planer, Bauträger, Baustoffhersteller, Schreiner sollen auf der Veranstaltung namens SBM Expo um nachhaltige Werkstoffe wetteifern. Das Datum ist der 18. bis 19. Juni 2020. Die Karlsruher liegen mit ihrer Expo im Trend, denn immer mehr Messen schmücken sich mit dem Prädikat nachhaltig. Etwa die E-World Energy & Water, die Ideen für effizientere Städte sammelt und vom 5. bis 7. Februar 2019 in Essen stattfindet. Schon die Galabau in Nürnberg zeigte im September ihren Besuchern, wie man Gärten, Parks und Grünanlagen für lange Zeit naturnah plant, baut und pflegt. Auf der Messe für Umwelttechnologie Ifat in München konnten Besucher erleben, wie man Mikroplastik filtert, Kunststoffe recycelt, und zwar möglichst digital. Wasser, Abwasser, Abfall und Rohstoffe spielten die Hauptrolle. Es ging um Lösungen für Energiekonzepte der Zukunft. Manche Messen sprechen weniger die Fachwelt, sondern gleich die Verbraucher an. Sie sammeln Ideen für nachhaltigen Konsum und alternative Lebensweisen. Sie nennen sich Heldenmarkt, Fairgoods, Green World Tour. "Wenn du mal vier Kinder hast, denkst du anders über die Zukunft nach", sagt etwa Messeveranstalter Michael Lülf, der die Entwicklung zu einer nachhaltigen Gesellschaft beschleunigen will. Das heißt, nicht nur Tesla fahren und vegane Döner essen. Heldenmarkt-Gründer Lovis Willenberg will Leute mit Visionen zusammenbringen. Nachhaltigkeit bedeute keineswegs Verzicht, sondern sei richtig sexy und stylish, sagte er dem Econeers Blog. Daniel Sechert leitet die Ecoventa-Agentur für ökologische Veranstaltungen, hat fünf Kinder. Er plädiert für fleischlose Kost der Umwelt und dem Tierschutz zuliebe. Mit ungewöhnlichen Veranstaltungsorten wie dem ehemaligen Schlachthof in Dresden, der Zeche Zollverein in Essen oder dem alten Postdepot in Köln kontrastiert er gern sein Motto "Bio, fair und nachhaltig". Ähnlich ticken Veranstalter und Besucher der Messe Veggie & frei, die in Stuttgart dieses Mal den Schwerpunkt auf null Müll (Zero Waste) setzten. Für die im Verband Auma zusammengeschlossenen Messen hat das Thema Nachhaltigkeit zwei Aspekte. Zum einen gibt es immer mehr Veranstaltungen, die sich diesem Thema ganz oder teilweise verschreiben. Zum Beispiel gibt es auf Modemessen immer mehr speziell auf Wiederverwertung oder auf Kleidung ohne Chemie spezialisierte Anbieter. Auf der Grünen Woche in Berlin werden in einer Sonderschau nachwachsende Rohstoffe ebenso gezeigt wie der nachhaltig bewirtschaftete Wald. Zum anderen müssen sich die etablierten Veranstalter in Deutschland bei der Durchführung ihrer Messen um mehr Nachhaltigkeit bemühen. Dabei geht es um den Verkehr, der durch die Anreise vieler Besucher entsteht. Es geht um die Energie, die für die Veranstaltungen gebraucht wird. Berater halten eine ganze Reihe an Ratschlägen bereit, wie man die Messestände nachhaltig baut. Da geht es um Lösungsmittel und Lacke, Materialien und Drucke, aber auch um Wiederverwertung und Einlagerung. Sogar die Wissenschaft hat sich mit dem Thema Messe und Nachhaltigkeit beschäftigt, weil diese Branche sehr viele Ressourcen auf einmal bindet. Auma-Geschäftsführer Harald Kötter hält eine generelle Kritik an Messen mit Hinweis auf die Nachhaltigkeit für abwegig. "Die Konzentration von Geschäftskontakten auf Messen führt zu einer deutlich besseren Umweltbilanz als Tausende Gespräche an unterschiedlichen Orten und Terminen", sagt Kötter. Kaum ein Unternehmen kaufe technische Verfahren für viel Geld, die nur online vorgeführt werden. Während einer Messe mit 100 000 Besuchern und 1000 Ausstellern finden nach Angaben der Auma innerhalb weniger Tage durchschnittlich ein bis zwei Millionen Gespräche statt. Auch unter dem Aspekt der Kosten seien Messen die bessere Alternative. Längst gebe es bei den Messeständen bestimmte Standards. Auch in der Messegastronomie habe sich viel getan. Die Messe Düsseldorf lädt Bürger bei der "Langen Nacht der Industrie" regelmäßig in ihre "Unterwelt" ein. Die Führung zeigt die Versorgungsgänge unter den Messehallen, bei der die Besucher Einblicke in den sparsameren Umgang mit der Energie erhalten. "Wer langfristig Erfolg haben möchte, muss wirtschaftlich, ökologisch und sozial Stellung beziehen", betont Werner Dornscheidt, Vorsitzender der Geschäftsführung der Messe Düsseldorf. Dank moderner Infrastruktur und systematischen Energiemanagements spare man pro Jahr rund 5000 Tonnen CO₂. Nachhaltigkeit sei seit vielen Jahren fester Bestandteil seiner Unternehmensstrategie. Dazu zählen Konzepte für die Lastwagen-Logistik und die Entsorgung sowie fünf Elektroautos für die Belegschaft und eine eigene U-Bahn-Haltestelle. Auch bei der Weltausstellung 2020 in Dubai geht es um Nachhaltigkeit. Kreativdirektor Andreas Horbelt von der Agentur Facts and Fiction, der das Ausstellungskonzept für den Campus Germany verantwortet, erläutert: "In Dubai wollen wir zeigen, dass der Mensch nicht nur zerstörerisch auf den Planeten wirkt, sondern auch Fähigkeiten hat, dank seiner Intelligenz und Kreativität die Entwicklung wieder ins Positive zu drehen, wenn wir - wie es das Expo-Motto nahelegt - die Kräfte bündeln." Deutschland wird etwa mit einem riesigen Bällebad vorgestellt. Jeder der 155 000 Bälle erzählt eine Geschichte, präsentiert eine Zahl oder stellt einen Menschen in Deutschland vor, der sich für Nachhaltigkeit engagiert. Wer einen Ball auf ein Lesegerät legt, erhält eine kurze Präsentation. "Hier kann man etwas lernen - und hat Spaß dabei", sagt Horbelt. Billig ist der gesamte deutsche Pavillon mit dem Thema Nachhaltigkeit nicht. 50 Millionen Euro sind für das Projekt im Bundeshaushalt eingestellt. | Immer mehr Veranstalter setzen bei ihren Messen auf das Thema Nachhaltigkeit. Doch die Unternehmen müssen sich auch selbst bei der Durchführung ihrer Veranstaltungen um mehr Umweltschutz bemühen. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/nachhaltige-messen-gruen-ist-sexy-1.4248057 | Nachhaltige Messen - Grün ist sexy | 00/12/2018 |
SZ: Können Messen mit ihrem enormen Aufwand an Material, Logistik, Verkehr, Energie, Abfall nachhaltig sein? Wolfgang Marzin: Im Hinblick auf eine CO₂-Reduzierung dürften Messen unschlagbar sein. Anstatt zu vielen einzelnen Treffen rund um den Globus zu reisen, trifft sich die Branche punktgenau und an wenigen Tagen im Jahr. Das spart Zeit und Energie. Außerdem beraten wir und geben praxisbezogene Hinweise zu einer umweltschonenden Messeteilnahme. Was tut die Messe Frankfurt konkret, um Aussteller und Besucher auf Bahn und Busse umzuleiten? Wir verfügen mit einer S-Bahn-Station sowie dem U-Bahn- und Straßenbahnanschluss über ein umweltschonendes Verkehrssystem. Dazu kommt die direkte Nähe zum Hauptbahnhof. Wir haben ein Kombiticket eingeführt, unsere Gäste nutzen also ihre Eintrittskarte gleichzeitig als Ticket für den Nahverkehr. Doch bei jeder Messe entsteht ein Müllberg. Die Quote der Wiederverwertung für den Abfall liegt bei bis zu 90 Prozent. So wird beispielsweise Papier als Rohstoff für die Papierproduktion eingesetzt, Holz teilweise zur Herstellung neuer Spanplatten und als Brennmaterial im Biokraftwerk. Kunststoffe werden nach Sorten getrennt zu Granulat verarbeitet und ebenfalls zur Produktion eingesetzt. Wir arbeiten mit der Meinhardt-Städtereinigung zusammen, die Konzepte für Kreislaufwirtschaft und Entsorgung bietet, zertifiziert ist und vom Regierungspräsidium in Darmstadt kontrolliert wird. Wie sparen Sie Energie? Effiziente Technologien bis hin zur Vermeidung unnötiger Verbräuche sind Teil unseres Energiemanagements genauso wie die Sensibilisierung jedes einzelnen Mitarbeiters. Die Umstellung der Beleuchtung in der Halle 03 auf LED hat zum Beispiel innerhalb eines Jahres eine Verbrauchsreduktion von rund 60 Prozent ergeben. Die Herausforderung bleibt der bedarfsgerechte Einsatz aller Einrichtungen und dessen ständige Überwachung auf ihre Effizienz, um bei Abweichungen zeitnah korrigieren zu können. Wir haben ein Energieteam ins Leben gerufen. Der dort erarbeitete Aktionsplan soll bis 2020 zehn Prozent des Energieverbrauchs des Messegeländes, der Hallen und Bürogebäude einsparen. Vermeiden Sie bei der Verpflegung Pappbecher, Plastikteller und Strohhalme? Bei unserer Tochtergesellschaft Accente Gastronomie Service beginnt umweltverträgliches Wirtschaften bereits beim Einkauf der Waren. An allen fest installierten gastronomischen Betriebsstellen werden zum großen Teil Porzellan, Geschirr und Glas verwendet. Lediglich an Stellen, wo das Spülen aus hygienerechtlichen Gründen nicht möglich ist, wird auf Einwegmaterialien zurückgegriffen. Dafür werden hauptsächlich Materialien aus Polyactid- Technik verwendet. Diese werden aus stärkehaltigen Pflanzen gewonnen und sind biologisch abbaubar. Außerdem können unsere Kunden Mehrweg-to-go-Becher kaufen. Die Stände der Aussteller werden oft für jede Messe neu aufgebaut, hergerichtet und individuell gestaltet. Bemerken Sie einen Trend zu nachhaltigen Systemen? Die Nachfrage nach nachhaltigen Systemständen hat zugenommen. Gefragt sind wegen der langen Lebensdauer der Materialien modulare Systemstände, die besonders nachhaltig sind. Hier bieten wir unseren Kunden Pakete an. Auch individuelle Anfertigungen kommen mehrfach zum Einsatz. Diese können auf Wunsch unserer Kunden eingelagert werden. Viele unserer Kunden mieten ihre Standbaumaterialien vor Ort über die lokalen Messebauer. Das spart CO₂. Ist Nachhaltigkeit bei Ihren Messen in Frankfurt auch ein wichtiges Thema? Nachhaltigkeit ist auf jeder unserer Veranstaltungen und quer durch unsere Branchenfelder ein Leitthema. Innovationen sind ohne Nachhaltigkeit nicht denkbar. Haben Sie Beispiele? Das Thema spielt mit Schwerpunkten wie Recycling, nachhaltige Mobilität, Wasserwirtschaft, Abfallversorgung, Energieeffizienz und Ökotextilien überall eine Rolle. Die ISH ist beispielsweise eine Plattform, auf der Lösungen für politisch-wirtschaftliche Themen, gerade vor dem Hintergrund der ambitionierten weltweiten Klimaziele gezeigt werden. Wenn es um intelligente und marktreife Lösungen in Wohn- und Bürogebäuden geht, kommt der Light + Building, Leitmesse für Licht und Gebäudetechnik, eine besondere Rolle zu. LED-Technologie, Photovoltaik, Elektromobilität bis hin zur intelligenten Stromnutzung gehören zur Veranstaltung. Wir haben das Messeduo Greenshowroom und Ethical Fashion Show im textilen Portfolio. Künftig sollen die ökologischen Modemessen Neonyt heißen. Neonyt wird im kommenden Jahr zu einem globalen Hub für Mode, Nachhaltigkeit und Innovation. Dieses erfolgreiche Format werden wir internationalisieren. Unser Netzwerk Texpertise Network mit über 50 Messen profitiert ebenfalls vom Know-how-Transfer und der Bedeutung der Nachhaltigkeit für die gesamte Textil- und Modeindustrie. Können Sie mit Nachhaltigkeit auch Geld verdienen? Nachhaltigkeit ist nicht nur ein wirtschaftlich relevantes Attribut, sondern entwickelt sich auch für uns als Messeunternehmen zunehmend zum Standortvorteil, da viele unserer Gastveranstalter Wert auf ein nachhaltiges Messemanagement legen. Ressourcenschonendes Wirtschaften spart dem Unternehmen per se Geld, etwa durch geringeren Verbrauch von Trinkwasser und Energie oder die Aufbereitung von Abwasser. Sie betreiben viele Messen im Ausland. Wie halten Sie es da mit der Nachhaltigkeit? Die Messe Frankfurt betreibt eine konsequente Marken- und Globalisierungsstrategie. Insofern sind alle Veranstaltungen mit einheitlicher Struktur weltweit unterwegs und den lokalen Bedingungen angepasst. Da wir im Ausland Messegelände anmieten, können wir nur bedingt auf die Nachhaltigkeit dortiger Betreiber einwirken. | Wie der Frankfurter Messechef Wolfgang Marzin auf die ökologischen Herausforderungen und Trends reagiert. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/messe-frankfurt-die-umwelt-im-blick-1.4248059 | Messe Frankfurt - Die Umwelt im Blick | 00/12/2018 |
Häuslebauern geht es nicht selten so: Der Lichtschalter hätte eigentlich ganz woanders hingehört, doch die Wand ist schon verputzt und gestrichen - was also tun? Eigentlich kein großes Problem mehr im Zeitalter vernetzter Lampen. Einen Funkschalter kann man überall hinkleben. Doch was bleibt, ist das lästige Wechseln der Batterien, die natürlich gerne dann leer werden, wenn man es gar nicht brauchen kann. Aber auch das ist inzwischen nicht mehr nötig - dank einer Firma aus Oberhaching bei München. Der Schalter sieht aus wie ein gewöhnlicher, und er passt auch - wenn gewünscht - in eine herkömmliche Dose für Wandschalter. Es gibt ihn von vielen Herstellern, die man aus der klassischen verkabelten Technik kennt, wie etwa Busch+Jaeger. Auch beim Drücken fällt eigentlich kaum etwas auf, das Licht geht an wie sonst auch. Dabei funktioniert im Hintergrund alles anders als sonst. Enocean, eine Ausgründung aus dem Siemens-Konzern, hat eine Technik entwickelt, die ohne Batterie auskommt. Die zum Senden der Steuersignale nötige Energie gewinnen die Schalter aus der kinetischen Energie, die beim Drücken des Schalters anfällt. Enocean entwickelte in jahrelanger Arbeit Systeme aus Spulen und Magneten, die mit einer kleinen Platine verbunden sind. Auf der sitzt ein Funkchip. Mittlerweile beherrschen die Enocean-Schalter alle gebräuchlichen Standards wie etwa Bluetooth oder Zigbee. Die gab es anfangs noch nicht, weshalb die Münchner notgedrungen einen eigenen Standard entwickelt haben, genannt wie das Unternehmen Enocean. Nicht nur An und Aus: Die Technik übertragt Rohdaten an das Internet der Dinge Anfangs setzte Enocean noch auf eine andere Technik, auf die sogenannte Piezoelektrizität, dann entwickelten die Ingenieure die Systeme mit Spule und Magnet. Sieht man sich die kleinen Schalter an, scheinen sie nicht besonders kompliziert zu sein. Doch die Entwickler hatten eine ganze Menge an Hürden zu meistern, zum Beispiel mussten sie verhindern, dass es eine Rolle spielt, wie fest oder schnell man auf einen Schalter drückt. Denn das kennt man vom Fahrrad-Dynamo: Je schneller der sich dreht, umso heller leuchtet das Licht, weil mehr Elektrizität erzeugt wird. Auch die Stärke des Impulses, mit dem ein Schalter gedrückt wird, würde sich auswirken, wenn die Entwickler das nicht berücksichtigen würden. Mit der zunehmenden Vernetzung von Alltagsgegenständen - dem Internet of Things (IoT) - gewinnt auch die Technik von Enocean mehr und mehr an Bedeutung, es geht weit über bloße Schalter hinaus. "Wir erzeugen Rohdaten für das Internet of Things und stellen sie über Funk bereit", sagt Andreas Schneider, der das Unternehmen mit gegründet hat. Jeder Fenstergriff kann damit zum Datensender werden oder jede Maschine in einer Fabrik. Enocean arbeitet längst mit vielen Partnern zusammen, so etwa dem Watson IoT Center von IBM in München. Ein Schwerpunkt ist die Gebäudeautomatisierungstechnik, aber auch in vielen anderen Produkten wie etwa in Straßenbahnen stecken die kabel- und batterielosen Sensoren von Enocean. Knapp 50 Menschen beschäftigt Enocean zurzeit. Die kümmern sich um die Entwicklung und das Marketing. Die Produktion findet zwar in Deutschland auf einer selbst entwickelten Produktionslinie statt, ist aber an ein anderes Unternehmen aus dem Schwarzwald ausgelagert. Momentan konzentriert sich Enocean auf drei Regionen: Europa, Nordamerika und Japan. In mehr und mehr Produkten stecken ihre Schalter und Sensoren, das Unternehmen aus Oberhaching wächst mit jährlich mehr als 20 Prozent und verdient Geld. "Die Anwendungen treiben das Wachstum", sagt Geschäftsführer Schneider. Sowohl Anbieter aus dem industriellen Sektor fragten die Produkte nach, als auch Händler, die an Heimanwender verkaufen. | Und trotzdem geht das Licht an: Ein Unternehmen hat einen Schalter entwickelt, der ohne Kabel und ohne Batterie funktioniert. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/innovation-auf-putz-verklebt-1.4249097 | Auf Putz verklebt | 00/12/2018 |
Instagram zum Hören: Die beliebte Foto-App Instagram hat eine neue Funktion. Nutzer können künftig über den Dienst Sprachnachrichten verschicken. Die moderne Variante des Anrufbeantworters gibt es mittlerweile in vielen Apps, beispielsweise im vielgenutzten Messenger Whatsapp. Google Plus minus: Nach einer neuerlichen Datenpanne schließt das Online-Netzwerk Google Plus vier Monate früher als ursprünglich geplant. Nutzer haben nun noch bis Ende April 2019 Zeit, um ihre Inhalte aus dem sozialen Netzwerk zu sichern. In den kommenden Wochen sollen Nutzer noch genauere Informationen darüber erhalten, ob und wie sie mit ihren Daten zu anderen Diensten umziehen könnten. Das Herunterladen der Inhalte ist jetzt schon über Googles Datenexport-Funktion möglich, wenn man sich mit dem Konto der entsprechenden Google-Plus-Seite angemeldet hat. Gesichert werden können Daten aus verschiedenen Bereichen wie Kreisen, Communities oder Stream, die jeweils separat heruntergeladen werden müssen. Bei der jüngst entdeckten Datenpanne waren Google zufolge Informationen von rund 52,5 Millionen Nutzern betroffen. Dabei hätten Software-Entwickler Zugang unter anderem zu Namen, E-Mail-Adressen, Alter und Beschäftigung gehabt. | Die beliebte Foto-App bietet eine neue Funktion. Nutzer können künftig auch Sprachnachrichten verschicken. Google Plus schließt nach einer neuerlichen Datenpanne vier Monate früher. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/themen-und-trends-instagram-und-google-1.4249205 | Themen und Trends - Instagram und Google | 00/12/2018 |
Der Sachverstand von Friedrich Merz ist gefragt. Es war falsch, dass er nicht als Partei-Vize kandidiert hat. Seine Fans hoffen, dass er trotzdem bleibt - auch ohne Spitzenamt. Die Niederlage ist für Politiker in der DNA ihres Berufsstandes angelegt. Wer sich in demokratische Wettbewerbe begibt, muss damit rechnen, darin überstimmt zu werden. Die entscheidende Frage ist dann, wie man anschließend damit umgeht. Schaut man nach vorne im Dienste der Partei? Oder zieht man sich zurück? Und ausgerechnet hier ist Friedrich Merz, der Hoffnungsträger des wirtschaftsnahen und konservativen Flügels der CDU, gerade dabei, das Falsche zu tun und sich zurückzuziehen. An diesem Mittwoch hat er die Chance, das noch zu korrigieren. Merz will in Berlin auftreten und seine Fans hoffen, dass er genauer erklären wird, wie er künftig seine Partei dabei unterstützen will, an Kraft und Stärke zu gewinnen. Nach seiner Niederlage in der Stichwahl um den Parteivorsitz am vergangenen Freitag hatte Merz darauf verzichtet, als Partei-Vize oder für das mächtige Präsidium zu kandidieren. Er mag persönliche Gründe dafür gehabt haben, falsch war es trotzdem. Es überrascht deshalb nicht, dass seine Fans es nicht hinnehmen wollen, dass Merz, der einem Kometen gleich gerade erst am Firmament der CDU aufgestiegen war, ebenso schnell in der Realität verglüht. Und so wird die Idee ventiliert, wenn Merz schon nicht die CDU führen darf, dann doch mindestens das Bundeswirtschaftsministerium. An dieser Idee ist einiges bizarr. Zunächst einmal die anstandslose Vermischung von Partei und Regierung. Ja, sicher, die CDU regiert, sie ist im Bündnis der drei Koalitionspartner sogar rein zahlenmäßig der größte. Und, ja, die Parteivorsitzende hat ein gewichtiges Wort mitzureden bei der Besetzung von Ministerposten und damit des Kabinetts. Faktum ist aber auch, dass das Amt vergeben ist. Die CDU stellt bereits den Wirtschaftsminister. Er heißt Peter Altmaier. Es grenzte an Hinterzimmergemauschel, tauschte die CDU mal eben so ihren Minister aus. Was die Sache wesentlich verkompliziert, ist, dass der Wirtschaftsflügel der CDU dem Wirtschaftsminister aus den eigenen Reihen in herzlicher Abneigung zugetan ist. Und daraus keinen Hehl macht. Man brauche "wieder mehr Verstand und Marktwirtschaft", lässt die Mittelstandsvereinigung öffentlich wissen, in der Energie- und Umweltpolitik, bei Unternehmensteuern und der Reform der Währungsunion. Für vieles davon ist Altmaier zuständig. Ohne seinen Namen zu nennen, steht plötzlich ein riesiges Fragezeichen hinter seiner Kompetenz. Und, wen wundert's, ein potenzieller Nachfolger mit ausgewiesener Wirtschaftserfahrung bereit: der Unternehmer Friedrich Merz. Das ist zweifelsohne ein ungewöhnlicher Vorgang. Wobei man wissen muss, dass die hochgradige Unzufriedenheit der eigenen Leute mit Altmaier nicht nur dessen blasser Performance im Amt geschuldet ist. Rein verbal hat der Minister zwar schon ein halbes Dutzend Batteriezellenwerke eröffnet, den Soli abgeschafft, den Handelskrieg beendet und die Energiewende vollendet. Praktisch aber gleicht sein Haus einem Bermudadreieck, das alles anzieht und verschluckt. Dass manche in der CDU beinahe unverhohlen den Austausch des Ministers fordern, geht aber auch auf die Wut zurück, die sich seit 2015 angestaut hat. Damals hatte der Vertraute von Angela Merkel als Kanzleramtschef und später Flüchtlingskoordinator die Sorgen der Menschen über die Migranten immer wieder gern kleingeredet. Man kann gewichtige Argumente dafür finden, den amtierenden Wirtschaftsminister abzulösen oder zumindest mal die Leviten zu lesen. Aber was bitte schön spricht dafür, dass es Merz besser machen würde? Gewiss, er hat es als Unternehmer zu einigem Wohlstand gebraucht und sich in den vergangenen Wochen als glühender Vertreter des Leistungsprinzips inszeniert. Merz punktete mit einer "Agenda für die Fleißigen" im Land. Diejenigen, die anpacken und etwas leisten, sollten profitieren. Das Problem ist nur, dass Merz im entscheidenden Augenblick eben selbst nicht geliefert hat. Als er es in der Hand hatte, Kopf und Herz der Delegierten des CDU-Parteitages zu gewinnen, lieferte er eine Leistung ab, die nicht zum Sieg und damit zum politischen Spitzenjob reichte. Sondern zum Platz in der zweiten Reihe. Und genau diesen Platz sollte er jetzt einnehmen statt sich wieder in die Privatwirtschaft zu verabschieden oder auf einen schnellen Posten im Kabinett zu spekulieren. Merz hat es selbst immer wieder gesagt: nächstes Jahr im Mai findet mit der Europawahl eine richtungsweisende Abstimmung statt. Danach werden viele Karten neu gemischt. Stellt sich Merz bis dahin demütig in den Dienst seiner Partei, wird sie es ihm womöglich danken. | Der Sachverstand von Friedrich Merz ist gefragt. Es war falsch, dass er nicht als Partei-Vize kandidiert hat. Seine Fans hoffen, dass er trotzdem bleibt - auch ohne Spitzenamt. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/kommentar-fuer-die-zweite-reihe-1.4248394 | Kommentar - Für die zweite Reihe | 00/12/2018 |
Um zwei ist Schichtwechsel. Die Bergarbeiter strömen aus dem Werkstor, vorbei an den Solidarność-Fahnen. Viele haben noch den Helm auf, manchen baumelt die Grubenlampe vor der Brust. So sieht es aus in Nowy Bytom, keine 15 Kilometer von Kattowitz. Während die neue Schicht in die Mine einfährt; während nebenan die Kokerei aus der Steinkohle Koks macht; während wenige Kilometer weiter das Steinkohlekraftwerk Kattowitz mit neuer Kohle beschickt wird; während also das alles passiert, verhandeln in Kattowitz Diplomaten aus aller Welt darüber, wie und wann das alles aufhört. Nie zuvor war ein Klimagipfel den Ursachen der Erderwärmung so nah wie hier - und auch den Schwierigkeiten, diese Ursachen aus der Welt zu schaffen. Der Strukturwandel ist mit Händen zu greifen, auch in Oberschlesien. Nicht weit vom Werkstor in Nowy Bytom sind schon Bagger angerückt, sie reißen alte Teile der Mine nieder. Eine Stahlhütte am anderen Ende der Stadt ist auf dem Weg zum Industriedenkmal. Wo jetzt die Konferenz tagt, war mal eine Mine. Doch noch leben mehr als 70 000 Menschen von der schlesischen Kohle, sie bewohnen Plattenbauten und alte Bergarbeitersiedlungen. Vor der Kirche in Nowy Bytom steht die heilige Barbara, Schutzpatronin der Bergleute. "Wenn der Prozess der Dekarbonisierung so schnell abläuft wie sich die EU das vorstellt, werden wir das nicht überleben", sagt Dominik Kolorz, Chef der Solidarność in Schlesien, "weder ökonomisch noch sozial." Wenn die Minen ihre Produktivität steigern wollen, müssen sie Mitarbeiter entlassen Nichts deutet auf ein Ende der Kohle in Polen. 20 Kilometer von Kattowitz entfernt, in Imielin, will der staatliche Energiekonzern PGG 400 Millionen Euro in eine neue Mine investieren - just während der Klimakonferenz machte Firmenchef Tomasz Rogala das publik. In fünf Jahren soll sie mit der Förderung beginnen, weitere 60 Millionen Tonnen Kohle lagern unter der Erde. "Wir müssen den Klimawandel stoppen", sagte Rogala der Nachrichtenagentur Reuters. "Aber Europa ist nicht alleine verantwortlich." Die meiste Kohle werde schließlich anderswo genutzt. Das sieht die polnische Regierung ähnlich. Am Dienstag muss Polens Umweltminister Henryk Kowalczyk in einer Art Beichtstuhl-Verfahren erklären, wie Polen den Kampf gegen den Klimawandel in den nächsten Jahren aufnehmen will. Doch die Kohle spielt für Kowalczyk nur dann eine Rolle, wenn sie in Häusern verbrannt wird. "In den Siebzigern hat keiner auf die Heizkosten von Häusern geachtet", sagt er. "Denn es gab ja ausreichend Kohle." 25 Milliarden Euro sollen nun über zehn Jahre in die Sanierung von Einfamilienhäusern fließen. So würden Kohleverbrauch und Kosten sinken, etwa durch neue Fenster. "Das ist unser realistischer Beitrag, den die Bürger akzeptieren", sagt Kowalczyk. "Denn jeder Beitrag muss akzeptiert werden". Von Kohle in Kraftwerken spricht er nicht. Derzeit sorgt sie für fast 80 Prozent des Stroms. Dieser Anteil soll über die nächsten Jahre schrumpfen - zugunsten der Atomkraft. Von 2033 an sollen bis zu sechs Reaktoren ans Netz gehen. Bis 2040, so sieht es ein Energieplan der Regierung vor, soll der Anteil der Kohle auf 60 Prozent fallen. Ein Abschied aus der Steinkohle, wie ihn Deutschland dieser Tage vollzieht, ist nicht in Sicht. Ebenso wenig ein schrittweises Ende des Kohlestroms, wie ihn eine Regierungskommission derzeit ausheckt. Stattdessen setzt Warschau bei der Klimakonferenz ganz auf das Konzept eines "gerechten Strukturwandels". Eine eigene Erklärung hat Polen dafür entworfen, mehrere Dutzend Staaten haben sie schon unterzeichnet. Die Schaffung guter Jobs, so heißt es darin, sei "entscheidend", um den Rückhalt für Klimapolitik zu steigern. Es sind jene Job-Alternativen, nach denen in Deutschland auch die Kohlekommission fieberhaft sucht. Parallel will Polen eine Erklärung zum Wald verabschieden. Schließlich soll auch Aufforstung dazu beitragen, die Klimabilanz aufzubessern. Was die Kohle an Treibhausgasen in die Atmosphäre schickt, sollen neue Wälder wiedergutmachen. Zumindest teilweise. Umweltschützern reicht das alles nicht. Passend zur Klimakonferenz hat die Umweltstiftung WWF einen Plan vorgelegt, wie das schrumpfende Schlesien wieder prosperieren könnte: mit besseren Universitäten, mehr Dienstleistungen, einer moderneren Industrie. Ohnehin gerate die Kohle unter Druck. "Nur die effizientesten Minen werden sich halten können", urteilt ein Gutachten für den WWF. "Aber auch das nur, wenn sie ihre Produktivität steigern und Mitarbeiter entlassen." Klingt wie von einer Unternehmensberatung. Die Minenarbeiter in der Solidarność wollen von alldem nichts hören. Zusammen mit US-Klimaskeptikern verfasste die Gewerkschaft dieser Tage einen Aufruf. "Es gibt keinen wissenschaftlichen Konsens über die Hauptgründe und Folgen des Klimawandels", steht darin. Es soll schließlich alles weitergehen, wie immer. | Nie war ein Klimagipfel den Problemen so nahe wie in Kattowitz. Während die Staaten über den Ausstieg diskutieren, planen Kohlefirmen neue Minen. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ausstiegsplaene-kohleschutzkonferenz-1.4248417 | Ausstiegspläne - Kohleschutzkonferenz | 00/12/2018 |
Der Bayer-Chef kommt im schwarzen Rollkragenpulli, graue Hose, ohne Schnickschnack. "Für uns ist wichtig, dass wir im Dialog sind", sagt Werner Baumann. Der 56-Jährige muss dieser Tage viel Kritik einstecken: Erst hat Bayer den Saatguthersteller Monsanto übernommen, den Umweltschützer wegen des Unkrautbekämpfungsmittels Glyphosat verschmähen. Dann hat Baumann verkündet, dass Bayer Tausende Stellen streichen will. Jetzt hat sich der Vorstandschef in Düsseldorf den Fragen von Lesern der Rheinischen Post gestellt. Wieder sind Umweltschützer vor Ort, aber auch Aktionäre und frühere Mitarbeiter. Allen gibt Baumann Antwort. Seit Mai 2016 steht der Rheinländer an der Spitze des Chemie- und Pharmakonzerns. Gleich zu Beginn handelte Baumann den Kauf von Monsanto aus, mit mehr als 50 Milliarden Euro die größte Übernahme, die ein hiesiges Unternehmen je in Amerika gewagt hat. "Wir haben die größtmögliche Sorgfalt walten lassen, als wir uns Monsanto angesehen haben", sagt Baumann zwar. Und doch ist die Bayer-Aktie jetzt, wo der Konzern die neue Tochter integrieren kann, ein Drittel weniger wert als beim Antritt des Vorstandschefs. Ein Grund sind die etwa 9300 Klagen gegen Monsanto, die Bayer zuletzt zählte. "Die Zahl wird heute höher sein", räumt Baumann ein. Seitdem eine Agentur der Weltgesundheitsorganisation Glyphosat als "wahrscheinlich krebserregend" eingestuft hat, ermuntern Anwälte in den USA Krebskranke zu entsprechenden Schadenersatzklagen - obwohl viele andere Studien den Wirkstoff für ungefährlich halten, jedenfalls bei sachgerechtem Einsatz. Dennoch hat ein US-Gericht im August Monsanto in einem ersten Prozess zu mehreren Millionen Schadenersatz verurteilt, weil das Unternehmen einen krebskranken Hausmeister nicht ausreichend vor den Gefahren des Pflanzenschutzmittels gewarnt habe. Diese erste Instanz habe nun entschieden, sagt Baumann, doch habe Bayer Berufung eingelegt. "Ich kann Ihnen sagen, dass ich vollumfänglich hinter Glyphosat als sicherem Produkt stehe." Der gebürtige Krefelder hat Wirtschaftswissenschaften in Aachen und Köln studiert. Seit 30 Jahren arbeitet er bei Bayer, machte in Spanien und den USA Karriere. Vor knapp neun Jahren zog er als Finanzchef in den Vorstand ein. In den Jahren danach sei alles richtig gelaufen, was hätte richtig laufen können, sagt der Vater von vier Kindern. Gerade habe er eben "etwas weniger Fortune". Baumann gibt sich gelassen, obwohl nun angeblich der US-Fonds Elliott bei Bayer eingestiegen ist. Der Investor ist dafür berüchtigt, dass er Vorstände öffentlich kritisiert und auf Umbrüche drängt. "Ich kann Ihnen sagen, dass mich noch keiner angerufen hat", sagt Baumann kühl. Elliott steige gerne in Unternehmen ein, die an der Börse unterbewertet seien. "Wir haben bei 60 Euro jede Menge Potenzial nach oben", sagt der Bayer-Chef, dessen privates Portfolio auch überwiegend aus Aktien seines Konzerns bestehe. Dass Bayer nun 12 000 Stellen streichen und Randsparten verkaufen will, habe nichts mit dem Monsanto-Kauf zu tun, beteuert Baumann. Vielmehr laufe das Geschäft mit rezeptfreien Medikamenten nicht wie erhofft, auch fehlen der Pharmasparte vielversprechende Innovationen. "Solche Entscheidungen sind extrem schwer zu treffen", sagt der Rheinländer. Immerhin hat er den Gewerkschaften versprochen, keine betriebsbedingten Kündigungen in Deutschland auszusprechen. Als ihn ein Leser in Düsseldorf schließlich fragt, ob er Monsanto noch mal übernehmen würde, falls er die Entscheidung abermals treffen müsste, sagt Baumann geschwind Ja. "Und zwar ohne jedes Wenn und Aber." | Rollenkragenpulli und graue Hose: Bei einer Diskussion in Düsseldorf gibt sich Bayer-Chef Werner Baumann gelassen. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/nahaufnahme-etwas-weniger-fortune-1.4248396 | """Etwas weniger Fortune""" | 00/12/2018 |
Mit dem Adapter kommt das Internet quasi aus der Steckdose und erreicht das ganze Haus, im Starterkit für 150 Euro. Das Haus hat zwei Obergeschosse, aber der Wlan-Router kann nur unten an die Dose. Die Wohnung ist verwinkelt, aber der Router muss leider da stehen, wo man ihn eigentlich nicht braucht. Gründe gibt es genug, die Abdeckung mit Wlan zu verbessern oder wenigstens einen Anschluss an ein Lan-Kabel in ein anderes Zimmer zu bringen. Die einfachste, aber nicht allzu bekannte Methode, das ohne Bohrer zu ändern, sind Powerline-Adapter. Sie verwenden die ohnehin vorhandenen Stromleitungen für Daten - und das funktioniert erstaunlich gut. Ein Pionier dieser Technologie ist das deutsche Unternehmen Devolo aus Aachen. Dort hat man nun Adapter mit einem neuen Übertragungsstandard entwickelt, die um einiges schneller sein sollen als die bisherigen. Zum Test schickte Devolo das "Magic 2 Multiroom Kit". Es besteht aus drei Adaptern. Der erste wird per Kabel mit dem Router verbunden und in eine Steckdose gesteckt. Wie immer bei dieser Technik am besten in eine Wandsteckdose, nicht in einen Mehrfachstecker. Die beiden anderen kann man nach der Installation in jede beliebige Wandsteckdose in der Wohnung stecken. Die Installation verläuft einfach, wenn man einen Router mit WPS-Funktion hat, dabei wird das Wlan-Kennwort auf Wunsch automatisch an den Adapter übertragen. Danach reicht es, den Adapter in eine Steckdose zu stecken, und nach kurzer Wartezeit steht dort dann Wlan zur Verfügung. Die Adapter haben aber auch zwei Buchsen für Netzwerkkabel, an die man etwa einen stationären Rechner oder eine Dockingstation für Laptops direkt anschließen kann. Der neue Standard ermöglicht Datenraten, die für die heute verfügbaren Bandbreiten auf jeden Fall ausreichen sollten. Die neuen Geräte können parallel mit älteren Adaptern betrieben werden, die einen anderen Standard verwenden. Sie stören sich also nicht, sie kommunizieren aber auch nicht miteinander. Eine ebenso einfache Möglichkeit, Funklöcher zu Hause zu stopfen, bieten mittlerweile Router, die das Wlan von Gerät zu Gerät weiterreichen (der Fachbegriff lautet Mesh-Netzwerk). Die sind allerdings nicht ganz billig. Die neuen Powerline-Adapter gibt es als Zweier-Set mit Wlan von 150 Euro an, ohne Wlan sind 120 Euro fällig. | Mit dem Adapter kommt das Internet quasi aus der Steckdose und erreicht das ganze Haus, im Starterkit für 150 Euro. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/braucht-man-das-powerline-adapter-von-devolo-1.4248435 | Powerline-Adapter von Devolo | 00/12/2018 |
Bei manchem Gesetz fragt man sich, was die Regierung damit überhaupt bezweckt. Das weiß Hendrik Hoppenstedt allzu gut, er was mal Bürgermeister von Burgwedel. Jetzt soll er als Spitzenbeamter im Kanzleramt für weniger Bürokratie und verständliche Gesetze sorgen. Wie verständlich Gesetze des Bundes sind? Wie die Pragraphenwerke vor Ort ankommen? Der Staatsminister im Kanzleramt, Hendrik Hoppenstedt, weiß das nur zu gut. Hoppenstedt war vor seinem Wechsel nach Berlin neun Jahre Bürgermeister der Stadt Burgwedel in der Region Hannover. Natürlich frage man sich bei manchem Gesetz, was die Regierung damit überhaupt bezwecke, sagt Hoppenstedt. Jetzt soll der Spitzenbeamte genau das verhindern. Im Kanzleramt soll Hoppenstedt für weniger Bürokratie und besser verständliche Gesetze sorgen. An diesem Mittwoch will das Bundeskabinett nun ein entsprechendes Arbeitsprogramm beschließen. Im Kanzleramt hat Hoppenstedt, Koordinator der Bundesregierung für Bürokratieabbau, dafür Vorschläge aller Ressorts gebündelt. Nach Angaben aus Regierungskreisen geht es um mehr als 20 konkrete Vorhaben, die noch in dieser Legislaturperiode vereinfacht werden sollen. So sollen etwa die Verfahren bei familienpolitischen Leistungen transparenter und leichter zu beantragen sein. Zudem wollen Ressorts die Leistungen für Bildung und Teilhabe verbessern. Die Regierung prüfe etwa, den Eigenanteil der Eltern bei der Schulverpflegung abzuschaffen, heißt es. Auch bei der Gründung von Unternehmen soll es künftig unkomplizierter zugehen. Ziel der Regierung sei es, eine einzige Anlaufstelle zu schaffen, bei der Gründer alle Formalitäten erledigen können. Es geht beim Problem ausufernder Gesetze längst um einen Wirtschaftsfaktor. Schon 2015 hatte die Regierung eine Art Bürokratiebremse beschlossen. Damals trat eine Regelung in Kraft, nach der die Bundesministerien für jede die Wirtschaft belastende neue Regelung eine alte zurückziehen mussten: "One in, one out", heißt das von Großbritannien übernommene Prinzip. Nach Angaben der Bundesregierung hat die Regel der Wirtschaft zu rund zwei Milliarden Entlastung an jährlichem Aufwand gebracht. Allerdings wird ein Teil davon wieder aufgezehrt, weil es immer mehr Richtlinien unterhalb der Gesetzesebene gibt, die davon nicht betroffen sind. Der Nationale Normenkontrollrat (NKR) mahnt zudem ein höheres Tempo bei der Umsetzung an. Das unabhängige Beratergremium wacht seit rund zehn Jahren darüber, dass die deutsche Bürokratie nicht vollends ausufert. Die Experten forderten am Dienstag, dass es mit dem Programm nicht bei Bürokratie bleiben dürfe. "Die Bundesregierung muss das Arbeitsprogramm jetzt durch konkrete Maßnahmen mit Leben füllen", sagte Johannes Ludewig, Vorsitzender des NKR, am Dienstag in Berlin. "Und die zügig auf den Weg bringen. | Bei manchem Gesetz fragt man sich, was die Regierung damit überhaupt bezweckt. Das weiß Hendrik Hoppenstedt allzu gut, er was mal Bürgermeister von Burgwedel. Jetzt soll er als Spitzenbeamter im Kanzleramt für weniger Bürokratie und verständliche Gesetze sorgen. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/buerokratie-kann-das-weg-1.4248532 | Bürokratie - Kann das weg? | 00/12/2018 |
Der Chef der oberfränkischen Firma Brose übt harte Kritik am Sparkurs der Autohersteller. Dadurch sei es nicht mehr möglich, in Deutschland zu produzieren. Er prangert den hohen Krankenstand an - und hat dazu Vorschläge. Familienunternehmer Michael Stoschek, 71, hat die Automobilindustrie kritisiert und diese zu mehr Solidarität mit ihren Zulieferern aufgerufen. "Wir haben Fälle, wo deutsche Automobilhersteller uns nicht mehr erlauben, ein Angebot aus einem deutschen Standort abzugeben", sagte der Vorsitzende der Gesellschafterversammlung der Firma Brose, ein Zulieferer aus dem oberfränkischen Coburg. Um die Kosten zu drücken, würden Hersteller auf Zulieferung aus billigeren osteuropäischen Standorten bestehen. "Wir brauchen aber die Unterstützung unserer Kunden, wenn wir Produktion in Deutschland erhalten wollen", sagte Stoschek. | Der Chef der oberfränkischen Firma Brose übt harte Kritik am Sparkurs der Autohersteller. Dadurch sei es nicht mehr möglich, in Deutschland zu produzieren. Er prangert den hohen Krankenstand an - und hat dazu Vorschläge. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/brose-zulieferer-1.4248423 | Zulieferer - Zweite Klasse | 00/12/2018 |
Zum Auftakt des Rechtsstreits um die deutsche Pkw-Maut vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) hat Österreich die Pläne des Bundesverkehrsministeriums hart angegriffen. Die Abgabe verstoße gegen EU-Recht, hieß es am Dienstag vom österreichischen Verkehrsministerium nach der mündlichen Verhandlung in Luxemburg. Straßennutzer würden unter anderem aufgrund der Staatsangehörigkeit diskriminiert (Rechtssache C 591/17). Österreich hat vor dem Europäischen Gerichtshof gegen das CSU-Prestigeprojekt geklagt. Die Niederlande hatten sich dem angeschlossen. Beide Länder sehen mit dem deutschen Vorhaben EU-Recht verletzt, weil die Maut letztlich nur für Ausländer Zusatzkosten bedeute und sie damit diskriminiere. Die Maut soll auf Bundesstraßen und Autobahnen kassiert werden. Inländische Autofahrer sollen künftig im Gegenzug für Mautzahlungen durch eine geringere Kfz-Steuer komplett entlastet werden. Fahrer aus dem Ausland sollen nur für Autobahnen zahlen. Die Regierung in Wien argumentierte vor dem Gericht, dass durch den zeitlichen Zusammenhang zwischen Maut und Entlastung klar sei, dass Deutsche bessergestellt werden sollten. Diskriminierend sei auch, dass auf den Straßen dann nur Ausländer kontrolliert würden. Bei den Deutschen würde das Geld ja automatisch eingezogen. Beim EuGH verhandelt in der Sache die große Kammer mit 15 Richtern über die deutsche Maut. Das gilt als Hinweis darauf, dass der Gerichtshof selbst den Fall als bedeutend und schwierig einschätzt. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hatte zuletzt angekündigt, das vom Bundestag beschlossene Vorhaben noch in dieser Wahlperiode umzusetzen, die Maut also spätestens 2021 einzuführen. Im März 2017 hatte auch der Bundesrat grünes Licht für die auf Druck der EU-Kommission leicht geänderten Mautgesetze gegeben. Ein Erfolg der Klage würde für den Zeitplan der Bundesregierung einen herben Rückschlag bedeuten. Das Bundesverkehrsministerium hat bereits erste Aufträge für die Einführung an Unternehmen vergeben. Ein Urteil dürfte voraussichtlich erst Mitte des kommenden Jahres fallen. Die Pkw-Maut soll nach Angaben des Verkehrsministeriums einige hundert Millionen Euro für Investitionen in das Straßennetz bringen. Nach Abzug der Kosten sollen gut 500 Millionen Euro zur Verfügung stehen. | Im Rechtsstreit vor dem Europäischen Gerichtshof attackiert Österreich die deutschen Pläne - die Abgabe belaste nur Ausländer. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/pkw-maut-angriff-aus-wien-1.4248412 | Angriff aus Wien | 00/12/2018 |
Ein optimistischer Blick der Börsenprofis auf die Konjunktur treibt die Aktienkurse in die Höhe. Wirecard profitiert vom Zugang zu Apple Pay. Aber auch die Aktionäre von Auto-Aktien freuen sich über steigende Kurse. Unerwartet gute Wirtschaftsdaten haben dem deutschen Aktienmarkt am Dienstag weiteren Auftrieb gegeben. Der Dax stieg um 1,5 Prozent auf 10 761 Punkte. Die Börsenprofis blicken optimistischer auf die deutsche Konjunktur. Das Barometer für ihre Erwartungen im nächsten halben Jahr stieg im Dezember überraschend um 6,6 auf minus 17,5 Punkte, wie das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) seiner monatlichen Umfrage unter rund 200 Analysten und Anlegern mitteilte. Berichte, wonach der chinesische Vizepremier Liu He einen Zeitplan für Handelsgespräche mit US-Finanzminister Steven Mnuchin besprach, trugen ebenfalls zur Verbesserung der Stimmung der Anleger bei. Zu den Top-Favoriten im Dax zählte die Aktie von Wirecard mit einem Kursaufschlag von 3,2 Prozent. Die Papiere des Zahldienstleisters profitierten zum einen von dem Abschluss der Ermittlungen wegen Marktmanipulation zum Zatarra-Report. Aber auch die Nachricht, dass Boon-Kunden in Deutschland künftig den mobilen Apple-Zahldienst, Apple Pay, nutzen können, trieb den Kurs der Wirecard-Aktie nach oben. Boon ist eine von Wirecard entwickelte mobile Bezahl-App. Weiterhin gehörten auch die Anteilsscheine von Linde mit einem Plus von vier Prozent zu den Gewinnern. Wie bereits am Vortag bekannt wurde, will Linde nach dem Zusammenschluss mit Praxair Aktien im Umfang von einer Milliarde US-Dollar zurückkaufen. Die Aktien der Automobilhersteller reagierten mit deutlichen Kursgewinnen auf einen Medienbericht über eine baldige Kürzung der chinesischen Strafzölle auf US-Autos. BMW-, Daimler- und Volkswagen-Papiere verteuerten sich zwischen 1,8 und 3,6 Prozent. Dank einer Kaufempfehlung durch die Investmentbank Goldman Sachs schnellten im Tec-Dax die Aktien von Nordex um 6,4 Prozent nach oben. Dagegen brachen die Papiere der Hornbach Holding nach einer Gewinnwarnung um knapp 17 Prozent ein und fielen auf den tiefsten Stand seit acht Jahren. Auch an der Wall Street ging es mit den Kursen nach unten. Der Dow Jones lag zum Handelsschluss 0,2 Prozent tiefer bei 24 370 Punkten. Auch hier waren die Aktien der Automobilhersteller gefragt: General-Motors-Papiere verteuerten sich um 0,8 Prozent, Ford-Aktien zogen um 0,2 Prozent an. | Ein optimistischer Blick der Börsenprofis auf die Konjunktur treibt die Aktienkurse in die Höhe. Wirecard profitiert vom Zugang zu Apple Pay. Aber auch die Aktionäre von Auto-Aktien freuen sich über steigende Kurse. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/aktienmaerkte-dax-auf-erholungskurs-1.4248371 | Dax auf Erholungskurs | 00/12/2018 |
Wer Krypto-Währungen tauschen will, merkt schnell: Das ist kompliziert. Der Handel läuft meist nur über Börsen, erfordert spezielle Konten und vor allen Dingen viel Geduld. Das Start-up Bitwala will genau das ändern und Bitcoin für alle zugänglich machen. An diesem Mittwoch startet das Unternehmen in Deutschland das erste regulierte Konto auf Blockchain-Basis. Das soll es den Kunden ermöglichen, über ein und dasselbe Konto sowohl ganz normale Bankgeschäfte abzuwickeln, als auch mit der Kryptowährung Bitcoin zu handeln. Bisher läuft der Handel mit Krypto-Währungen meist so: Wer seine Euro oder Dollar in Bitcoin oder Etherum wechseln will, muss sich ein spezielles Konto bei einer oft ausländischen Börse anlegen, dorthin Geld überweisen, damit dann wiederum auf der Plattform handeln und das Geld am Ende zurück auf sein Bankkonto überweisen. Trotz fehlendem Komfort lassen Börsen sich den Service gut bezahlen und nehmen teils Gebühren von fünf oder sechs Prozent. Bitwala nimmt nur einen Prozent je Transaktion, bis das Geld da ist, dauert es etwa eine Stunde. Jörg von Minckwitz, einer der drei Gründer sagt: "Geld gegen Bitcoin zu tauschen wird jetzt so einfach und günstig wie noch nie". Von der Handelsgebühr abgesehen ist das Konto kostenlos und kommt mit einer Debitkarte. Bitwala ist keinesfalls neu auf dem Markt, auch wenn es im ersten Moment so scheint. Das Start-up wurde bereits im Jahr 2015 gegründet und war als Payment-Anbieter aktiv, tauschte dann Kryptogeld gegen normale Währungen, gab eine Visa-Debitkarte aus. Doch als einem Partner Anfang 2018 seine Lizenz entzogen wurde und die eigene Bank Bitwala rausschmiss, musste das Start-up das eigene Geschäft einstampfen und sich komplett neu aufstellen. "Wir haben hart am Relaunch gearbeitet und uns in der Zeit nicht einmal Gehalt ausgezahlt", sagt Gründer Jörg von Minckwitz. Das neue Konto nun soll das Start-up wieder auf Spur bringen. Ein erster Schritt in die Richtung war eine Finanzierung in Höhe von vier Millionen Euro, unter anderem durch den Risikokapitalgeber Earlybird. Der Handel mit Bitcoin ist in Deutschland rechtlich noch immer nicht abschließend geklärt. Damit es keine Probleme mit der Aufsicht gibt, hat sich Bitwala die Berliner Solarisbank an Bord geholt. Diese leiht Bitwala ihre Banklizenz und ermöglicht so das Bankgeschäft und den Krypto-Handel. Den Aussagen des Teams zufolge haben die Spezialisten eng mit der Finanzaufsicht Bafin gearbeitet, um auf der sicheren Seite zu sein. Das Sparguthaben der Einleger ist bis 100 000 Euro abgesichert, das in Kryptowährungen allerdings überhaupt nicht. Hier ist der Anleger also auch nicht geschützt. Von der Funktionsweise erinnert alles an ein durchschnittlichen Bankkonto. Die Firma kann das monatliche Gehalt darauf überweisen. Auch der Auftritt ähnelt einer hippen Digitalbank: Grüne Zahlen markieren den Geldeingang, rote Werte sind zu sehen, wenn man etwas bezahlt, dazu gibt es auch Symbole wie Messer und Gabel, wenn man im Restaurant bezahlt. Erst wer in die Seitenleiste schaut, sieht den Reiter "Krypto", über den man dann Bitcoin handeln kann. Eine Alleinstellung hat Bitwala mit der Idee nicht. Es gibt auch andere, die so etwas machen. Mit Savedroid will nämlich noch ein zweites Start-up diese Bitcoin-Geschäfte anbieten. Über die App des Frankfurter Fintechs können Nutzer bisher über Automatismen Geld sparen, zukünftig soll das auch mit Kryptowährungen möglich sein. Das Start-up war mit großen Ambitionen gestartet, hatte zwischenzeitlich fast 40 Millionen Euro über einen ICO, einen sogenannten Krypto-Börsengang, eingesammelt. Dann täuschte Gründer Yassin Hankir den Diebstahl des Geldes vor. Was sich am Ende als ein Witz herausstellte, fanden Anleger und Krypto-Enthusiasten jedoch gar nicht witzig und meiden das Start-up seitdem regelrecht. Seither geht es drunter und drüber in Frankfurt. Als Konkurrenz sieht man Savedroid deshalb nicht, heißt es nun bei Bitwala. Zudem besetze man eine Nische, die über das Sparen hinausgehe. Die Kurse fallen seit Monaten, viele Anleger haben das Vertrauen verloren Ob Konkurrenz oder nicht - der Startzeitpunkt für das erste Krypto-Konto von Bitwala hätte ungünstiger kaum sein können. Der Hype um die Krypto-Währungen ebbt seit Monaten gewaltig ab. Die deutsche Finanzaufsicht Bafin hat sich bereits mehrfach kritisch über die Währungen geäußert. Und die Krypto-Börsengänge, die im vergangenen Jahr fast jede Woche Wirbel machten, gibt es zurzeit kaum noch. Die Kurse fallen seit Monaten, die Anleger, so scheint es, haben vielerorts das Vertrauen verloren. War ein Bitcoin im vergangenen Jahr noch mehr als 15 000 Euro wert, sind es mittlerweile nur noch knapp 3000 Euro. Bei Bitwala sehen sie das gelassen. Bereits zum Start am Mittwoch hat die Blockchain-Bank 40 000 Voranmeldungen, die sie nun nach und nach für die Plattform freischalten wird. | Das Start-up Bitwala ermöglicht den Handel mit Bitcoin über ein normales Bankkonto. Der Start fällt allerdings auf einen ungünstigen Zeitpunkt für die Kryptowährungen. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/blockchain-bank-mit-kette-1.4248410 | Bank mit Kette | 00/12/2018 |
Pläne für höhere Staatsausgaben in Frankreich sorgen für Unruhe an den dortigen Anleihemärkten. Der Risikoaufschlag (Spread) für die zehnjährigen französischen Titel auf die ebenso lang laufenden Bundesanleihen weitete sich am Dienstag auf 48 Basispunkte aus und erreichte damit den höchsten Stand seit eineinhalb Jahren. Die französischen Staatsanleihen werfen derzeit eine Rendite von 0,7021 Prozent ab. Premierminister Edouard Philippe räumte ein, dass die Maßnahmen das Haushaltsdefizit im Jahr 2019 nach oben treiben werden. Die EU-Kommission kündigte bereits an, dass man die Folgen der Versprechungen für den Haushalt genau beobachten werde. Der französische Präsident Emmanuel Macron will mit sozialen Maßnahmen auf die seit Wochen anhaltenden Proteste gegen die Steuerpläne der Regierung reagieren. So soll der Mindestlohn um 100 Euro pro Monat steigen. Ruheständler, die eine Rente unter 2000 Euro beziehen, sollen von Steuererhöhungen ausgenommen werden. Zudem soll auf die Wiedereinführung der Vermögenssteuer verzichtet werden. Der Eurokurs fiel weiter. Am Abend wurde die europäische Gemeinschaftswährung bei 1,1317 Dollar gehandelt und damit 0,4 Prozent tiefer als am Vortag. Am Montag hatte die Verschiebung der Parlamentsabstimmung in Großbritannien über die Brexit-Vereinbarung die Anleger verunsichert. Der Euro war um etwa ein halbes Prozent abgerutscht. Ähnlich wie der Euro konnte sich auch das Pfund Sterling nach den kräftigen Vortagesverlusten vorerst stabilisieren. Die britische Währung übersprang die Marke von 1,26 Dollar und notierte am Abend bei 1,2605 Dollar. Allerdings erwarteten Devisenexperten weiterhin starke Schwankungen und schlossen neue Rücksetzer nicht aus. Das Risiko für einen harten Brexit steigt, sagen Experten. Geplant ist bislang, dass Großbritannien die Europäische Union am 29. März verlässt. | auf die Stirn. Die Verunsicherung wird sichtbar in Form weiter steigender Risikoaufschläge bei den Staatsanleihen. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/anleihen-und-devisen-frankreichs-zins-steigt-1.4248373 | Anleihen und Devisen - Frankreichs Zins steigt | 00/12/2018 |
Erst veränderten Roboter die Industrie, nun halten sie in der Medizin Einzug. Auch ein Start-up aus München versucht, in diesem Markt Fuß zu fassen - gegen mächtige Wettbewerber. Drei Wochen hat Stefan Vilsmeier an dem Brief gefeilt, hat jedes Wort gewogen, jeden Satz, hat verworfen und neu formuliert. Doch dann, ein paar Wochen später, erhielt er die Zusage von Angela Merkel: Sie werde nach München-Riem kommen, um die neue Zentrale von Brainlab zu eröffnen, einen langen, flachen Bau, der sich an den Tower des einstigen Flughafens schmiegt. Fast eineinhalb Jahre ist das nun her, und seither hat sich manches verändert im Leben des Unternehmers Stefan Vilsmeier. Der Studienabbrecher aus Poing ist zum gefragten Ansprechpartner der Politik geworden, er wird nach Berlin geladen und darf Merkel begleiten, wenn sie mit einer Wirtschaftsdelegation ins Ausland reist. Das sei ein ganz neues, weites Feld für ihn, erzählte Vielsmeier neulich am Rande eines Empfangs in Schwabing. Bei der Gelegenheit berichtete er auch, dass sich unternehmerisch ebenfalls manches weitet bei Brainlab, dem kaum bekannten Weltmarktführer aus dem Münchner Osten: einer Software-Firma mit rund 1500 Mitarbeitern, einem Umsatz von bald 300 Millionen Euro, 90 Prozent davon im Export, und einer Technologie, die ihresgleichen sucht. Brainlab liefert ein Navigationssystem für den Operationssaal. Die Software erlaubt es Neurochirurgen, während einer Operation präzise zu sehen, wo sie sich mit ihren filigranen Werkzeugen im Kopf des Patienten befinden, auf großen Bildschirmen können sie deren Positionen verfolgen und zum Beispiel Tumore exakt aufspüren und entfernen. Zur Software sind längst Geräte hinzugekommen, die dem Chirurgen bei der Navigation helfen, Apparaturen, die den Operationstisch vermessen und die Position der Instrumente abbilden. In 4000 Krankenhäusern weltweit ist die Technologie im Einsatz, viel mehr ist gar nicht möglich. Und so wagen sie sich bei Brainlab nun an den nächsten Schritt: Im nördlichen Teil des Gebäudes arbeiten fast drei Dutzend Mitarbeiter an Robotern für den Operationssaal. Diesen Helfern, so glaubt man nicht nur hier, gehört die Zukunft. Auch 40 Kilometer weiter westlich, im Institut für Robotik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Oberpfaffenhofen, meinen die Experten, dass die Medizinrobotik sich in den nächsten Jahren sehr dynamisch entwickeln wird - so wie einst die Robotik in der Industrie. Die Roboter-Entwickler im Brainlab-Gebäude setzen dabei auf ein kleines, günstiges System, auf einen schlanken Roboter-Arm, der wenig wiegt, gerade mal elf Kilogramm, und sich bequem an jeden Operationstisch schrauben lässt - sozusagen als der dritte Arm des Operateurs. Dieser Arm soll den Arzt nicht ersetzen, sondern ihn unterstützen, er lässt sich leicht in jede Richtung bewegen und, sobald er seine Position erreicht hat, mit elektrischen Bremsen fixieren, an ihm lassen sich je nach geplanter Anwendung viele verschiedene Roboterhände fixieren, um das jeweilige Operationsbesteck zu halten und zu bewegen. Der Roboter aus dem Münchner Osten taugt also, anders als die OP-Helfer großer Medizintechnik-Firmen, nicht bloß für eine einzige Anwendung - sondern für viele. Und der Arm kostet, samt Roboterhand, eben auch nicht bis zwei Millionen Euro, so wie der mehrarmige Da Vinci, der derzeit erfolgreichste Medizinroboter der Welt, der von der amerikanischen Firma Intuitive Surgical entwickelt wurde - sondern samt Hand nur etwa 150 000 Euro. "Wir sind die ersten, die so ein modulares Konzept entwickelt haben und verkaufen", sagt Stephan Nowatschin, einer der beiden Gründer von Medineering. Vor vier Jahren hatten er und sein Kompagnon Maximilian Krinninger die Idee für diesen flexiblen, modularen Arm. Die beiden kannten sich von der Technischen Universität München, wo sie promoviert hatten, und waren damals bei etablierten Medizintechnikfirmen angestellt. Doch dort ließ sich die Idee nicht umsetzen, die Widerstände waren zu groß - und so gründeten sie in Seefeld am Ammersee ihr Start-up. "Wir hatten keine Prototypen, nichts, nur ein weißes Blatt Papier mit unserer Idee", erinnert sich Nowatschin. Auf der Suche nach Geldgebern landeten sie zunächst bei halb-öffentlichen Geldgebern wie dem Hightech-Gründerfonds und Bayernkapital, die die Anschubfinanzierung lieferten, in der nächsten Runde klapperten sie alle bekannten Medizintechnik-Firmen ab und überzeugten schließlich Stefan Vilsmeier, bei Medineering einzusteigen. Seither wächst das Start-up stetig, eng arbeiten dessen Entwickler mit denen von Brainlab zusammen, die auf derselben Etage sitzen, nur ein paar Schritte entfernt. Denn Medineering will die verschiedenen Roboter-Aufsätze für seinen Arm nicht alle selber entwickeln, sondern auch andere Hersteller sollen die Plattform nutzen können. Brainlab hat bereits einen Aufsatz namens Cirq für die Neurochirurgie entwickelt, Medineering selber konzentriert sich auf die HNO, also Operationen an Hals, Nasen und Ohren. Stephan Nowatschin ist bewusst, dass es viel Zeit braucht, um im Geschäft mit den Medizinrobotern erfolgreich zu sein. Die Technik müsse wieder und wieder getestet werden, Mediziner und Krankenhäuser müssten überzeugt und dann auch zum Kauf bewegt werden. Solche Entscheidungsprozesse ziehen sich hin, auch die Entwicklung dauert. Sechs Patente hat Medineering bereits erhalten, weitere zwölf sind beantragt. Aber wohin die Entwicklung mit Glück und Fleiß gehen kann, lässt sich direkt nebenan beobachten, in der Eingangshalle von Brainlab. Dort wird in einer multimedialen Ausstellung die Geschichte von Brainlab erzählt: vom Start-up, das 1989 begann, bis zum Weltmarktführer heute. | Erst veränderten Roboter die Industrie, nun halten sie in der Medizin Einzug. Auch ein Start-up aus München versucht, in diesem Markt Fuß zu fassen - gegen mächtige Wettbewerber. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/das-deutsche-valley-der-dritte-arm-1.4248205 | Der dritte Arm | 00/12/2018 |
Die Ökostrom-Erzeugung in Deutschland steuert auf einen neuen Rekord zu. Nach Berechnung des Energieversorgers Eon werden Windparks, Solaranlagen und andere erneuerbare Energiequellen schon im Laufe dieser Woche mehr Strom produziert haben als im gesamten Vorjahr. "Bis Jahresende rechnen wir mit mehr als 200 Milliarden Kilowattstunden erzeugtem und eingespeistem Strom aus erneuerbaren Energien, rund fünf Milliarden mehr als 2017 und so viel wie nie zuvor", sagte Victoria Ossadnik, Vorsitzende der Geschäftsführung von Eon Deutschland. Der Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch dürfte nach Eon-Berechnungen in diesem Jahr rund 38 Prozent erreichen. Im vergangenen Jahr waren es 36 Prozent. Rund die Hälfte des Ökostroms wurde von Windkraftanlagen an Land und auf See erzeugt. Wegen fehlender Leitungen kann aber nicht die gesamte Kapazität der Windräder genutzt werden. Die Betreiber der Windparks erhalten dann eine Entschädigung, die von den Stromkunden über die Netzentgelte bezahlt werden muss. Im vergangenen waren das laut Bundesnetzagentur 610 Millionen Euro, 237 Millionen Euro mehr als 2017. Auch im ersten Quartal 2018 stiegen die Entschädigungsansprüche, um 86 Millionen auf 224 Millionen Euro. Es würden aber 90 bis 95 Prozent der Produktionskapazitäten der Windenergieanlagen genutzt, heißt es in einem Bericht der Netzagentur. Zuvor hatte die Augsburger Allgemeine über den Anstieg der Entschädigungen berichtet. Der Januar war in diesem Jahr mit rund 20 Milliarden Kilowattstunden der Monat mit der höchsten Ökostromerzeugung. Davon steuerten allein die Windkraftanlagen an Land und auf See fast drei Viertel bei. Grund waren starke Windböen und der Sturm Friederike zu Jahresbeginn. Fotovoltaikanlagen waren dank des sonnigen Wetters vor allem von April bis September deutlich ertragreicher als im Vorjahr. Mit mehr als sechs Milliarden Kilowattstunden überholten sie im Juli sogar die Windkraftanlagen als stärkste Erzeugungsart unter den Erneuerbaren. Nicht in die Statistik geht Strom aus Solaranlagen ein, der direkt im Haushalt verbraucht und nicht ins Netz eingespeist wird. Um das Windstrompotenzial besser nutzen zu können, haben der Übertragungsnetzbetreiber Tennet und die Energiekonzerne Siemens und Shell am Dienstag vorgeschlagen, Offshore-Windräder mit Wasserstofferzeugung an Land zu koppeln. So könnten Stromüberschüsse gespeichert werden. "Das bringt Flexibilität, entlastet das Stromnetz und macht die Stromversorgung sicherer", sagte Tennet-Geschäftsführer Lex Hartman laut Mitteilung. Die Unternehmen sprechen sich dafür aus, zusätzliche Offshore-Windenergie mit gekoppelter Wasserstoff-Erzeugung auszuschreiben. | Deutschland wird voraussichtlich mehr erneuerbare Energien erzeugen als im Vorjahr. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/energiemarkt-rekord-bei-oekostrom-1.4248375 | Rekord bei Ökostrom | 00/12/2018 |
Die Partei möchte überprüfen lassen, ob die Deutsche Umwelthilfe gemeinnützig ist. Dahinter steckt ein selten gesehener Übergriff der Politik auf die Zivilgesellschaft. Ein kleiner Verein vom Bodensee ist, so scheint es, zur Bedrohung des Staates geworden. Zumindest ist er so gefährlich, dass er möglichst von allen staatlichen Zuwendungen abgeschnitten werden soll. So hat es die CDU auf ihrem Bundesparteitag Ende der vergangenen Woche gefordert: Es solle geprüft werden, ob die Deutsche Umwelthilfe (DUH) "noch die Kriterien für die Gemeinnützigkeit erfüllt", beschlossen die Delegierten. Außerdem solle der Verein keine Fördergelder mehr direkt vom Bund erhalten. Was nach Fußnote klingt, ist ein selten gesehener Übergriff der Politik auf die Zivilgesellschaft. Ob ein Verein gemeinnützig ist oder nicht, entscheiden die Finanzverwaltung und nötigenfalls die zuständigen Gerichte. Dafür gibt es klare Regeln, eine Gesinnungsprüfung durch Parteien oder die Regierung gehört nicht dazu. Aus gutem Grund. Gemeinnützig zu sein - oder eben nicht -, ist für viele Vereine eine existenzielle Frage. Ohne diesen Sonderstatus wären sie nicht lebensfähig. Er bedeutet Erleichterungen bei der Körperschafts- und Umsatzsteuer, vor allem aber die Möglichkeit, Spendenbescheinigungen auszustellen, die Spender wiederum in der Steuererklärung geltend machen können. Gemeinnützig ist eine Körperschaft, so legt es die Abgabenordnung fest, "wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern". Dazu gehört, so hat es der Bundesfinanzhof schon vor Jahrzehnten entschieden, auch das praktische und politische Engagement für den Umweltschutz, vorausgesetzt, man hält sich an Recht und Gesetz. Das tut die DUH - nach dem Geschmack der CDU aber offenbar etwas zu sehr. Der Verein klagt auf die Einhaltung der Gesetze. Ihn dafür abzustrafen, wäre verheerend Den Zorn der Politiker, der Autokonzerne und von Millionen Dieselbesitzern hat der Verein nämlich mit seinen Klagen für Fahrverbote in ganz Deutschland auf sich gezogen. Die DUH klagt auf die Einhaltung von geltenden Grenzwerten für die Luftqualität, vor allem, was die Belastung mit Stickoxiden angeht. Dabei ist sie zugegebenermaßen recht fleißig: Nach eigenen Angaben verfolgt die DUH derzeit in 30 Städten Gerichtsverfahren. Dabei hat sie sich nicht nur mit den Kommunen angelegt, die nun sehen müssen, wie sie mit dem Verkehr klarkommen. Der Dieselmotor, einst Verkaufsschlager der deutschen Hersteller, ist auch durch die DUH öffentlich ziemlich in Verruf geraten. Und sie hat die Dieselbetrügereien der Autokonzerne zum ganz konkreten Problem von Millionen Autofahrern gemacht. Die einen fürchten nun also den Verkehrskollaps, die anderen um Jobs oder Gewinne, und die dritten wissen nicht mehr, welchen Weg sie zur Arbeit nehmen sollen und was ihr Auto noch wert ist. Freunde macht man sich so nicht. Man muss die DUH also nicht mögen, wahrlich nicht. Und tatsächlich trägt sie maßgeblich dazu bei, dass auf immer mehr deutschen Straßen bald immer weniger Diesel unterwegs sein könnten. DUH nun als "Abmahnverein" in eine Ecke zu stellen mit windigen Rechtsanwälten, ist absurd Aber: Sie mag der Auslöser dafür sein, der Grund ist sie nicht. Der liegt bei den Autokonzernen mit ihren frisierten Motoren und bei Bund, Ländern und Kommunen mit ihrer aufs Auto fixierten Verkehrspolitik. Die DUH nun als "Abmahnverein" in eine Ecke zu stellen mit windigen Rechtsanwälten, die ahnungslose Internetnutzer abzocken, ist absurd. Die DUH fordert vor Gericht die Einhaltung der Gesetze ein, und zwar vom Staat selbst. Dazu hat sie das Recht. Sie dafür beim Finanzamt abzustrafen, wäre ein verheerendes Signal. Es wäre der Versuch, eine unbequeme Stimme verstummen zu lassen. Nicht mehr gemeinnützig zu sein, könnte schnell bedeuten, dass die Spendeneinnahmen der DUH nach unten gehen. Die vielen Prozesse könnten dann schnell zu teuer werden. Problem gelöst. Dass dieses Kalkül in der CDU mehrheitsfähig ist, erschreckt. Und doch: Auf dem Parteitag wurde der entsprechende Antrag, wie es der Sitzungsleiter formulierte, "nahezu einstimmig bei einigen Enthaltungen und ein, zwei Gegenstimmen" angenommen. Dass sich damit nichts an den vielerorts weit überschrittenen Schadstoff-grenzwerten ändert? Dass die Autokonzerne die Verantwortung dafür tragen, dass ihre Wagen viel mehr Dreck hinauspusten als erlaubt? Egal. Hauptsache, es herrscht wieder Ruhe. Dass der Umbruch in der Autoindustrie auch ganz ohne DUH längst läuft und die deutschen Konzerne dabei bisher kaum eine Rolle spielen, wird großzügig übersehen. Der CDU-Beschluss mag hübsch plakativ und stammtischfähig sein - dumm ist er trotzdem. Er schadet der Demokratie, der Umwelt und langfristig auch der Wirtschaft. Das ist sicher nicht gemeinnützig. | Die Partei möchte überprüfen lassen, ob die Deutsche Umwelthilfe gemeinnützig ist. Dahinter steckt ein selten gesehener Übergriff der Politik auf die Zivilgesellschaft. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/umwelthilfe-fahrverbote-1.4246740 | CDU will eine unbequeme Stimme zum Schweigen bringen | 00/12/2018 |
Die Gegner der billionenschweren Anleihenkäufe durch die Europäische Zentralbank (EZB) haben vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) eine deutliche Niederlage erlitten. Die besonders in Deutschland umstrittenen Transaktionen, die der Konjunktur in der Euro-Zone helfen sollen, verstoßen nicht gegen EU-Recht, urteilten die Richter in Luxemburg. Das Bundesverfassungsgericht hatte im Sommer 2017 Zweifel geäußert, ob die Käufe noch in den Kompetenzbereich der EZB fallen und die Sache dem EuGH zur Prüfung vorgelegt. Die deutschen Richter sahen "gewichtige Gründe", dass die Transaktionen gegen das Verbot der monetären Staatsfinanzierung verstoßen und die EZB damit ihr Mandat überschreitet. Geklagt hatten unter anderem Peter Gauweiler und Bernd Lucke Die Richter am EuGH halten die Maßnahmen allerdings für legitim. Aus den EU-Verträgen gehe eindeutig hervor, dass die EZB auch auf den Finanzmärkten tätig werden könne. Würden der EZB derartige Mittel verwehrt, könne dies zum "unüberwindbaren Hindernis" bei der Sicherung einer stabilen Geldpolitik werden, teilen die Richter mit. Anders gesagt: Würden sich die EZB-Kritiker durchsetzen, wäre die Notenbank geknebelt. Gegen die Anleihenkäufe hatten unter anderem der CSU-Politiker Peter Gauweiler, der AfD-Gründer Bernd Lucke und der Berliner Professor Markus Kerber geklagt. Die EZB kauft seit März 2015 Staatsanleihen und andere Wertpapiere. Sie wollte damit die Konjunktur in der Euro-Zone stärken und die vergleichsweise niedrige Inflation ankurbeln. Inzwischen läuft die Wirtschaft wieder besser. Die EZB will das Anleihenkauf-Programm, das sich inzwischen auf 2,6 Billionen Euro summiert, deshalb zum Jahreswechsel auslaufen lassen. | Die billionenschweren Anleihenkäufe verstoßen nicht gegen EU-Recht, urteilen die Richter und stärken damit die Geldpolitik der EZB. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/anleihenkaeufe-deutsche-ezb-kritiker-scheitern-vor-dem-eugh-1.4248252 | Deutsche EZB-Kritiker scheitern vor dem EuGH | 00/12/2018 |
Der Bezahldienst Apple Pay wird an diesem Dienstagmorgen auch in Deutschland starten. Kunden könnten den Bezahldienst "ab sofort" nutzen, teilte der Tech-Konzern am Dienstagmorgen mit. Folgende Geldhäuser kooperieren dabei mit Apple: Comdirect, Deutsche Bank, American Express, Boon, Bunq, Fidor Bank, Hanseatic Bank, Hypo Vereinsbank/Unicredit, N26, O2 Banking, Ticket Restaurant Edenred, Vimpay. Wer ein Smartphone von Apple besitzt, erhält mit dem Bezahldienst eine Alternative zum Portemonnaie an der Ladenkasse. Bislang streikte das iPhone bei der gängigen mobilen Bezahlweise, der Funkübertragung über die sogenannte Near Field Technology (NFC). Bereits im Sommer hatte Apple-Chef Tim Cook verkündet, Apple Pay komme "noch dieses Jahr" nach Deutschland. In vielen anderen Staaten, darunter in Nachbarländern wie Frankreich, Dänemark oder Polen, können Verbraucher bereits seit Monaten, teils Jahren mit Apple Pay bezahlen. Hierzulande haben sich der US-Konzern und die Banken lange nicht darauf geeinigt, wer wie viel an einer Kartentransaktion verdient. Experten berichten, dass Apple einen hohen Prozentsatz verlangt, gegen den sich viele Banken lange wehrten. In der Folge gab Apple die NFC-Schnittstelle an seinen Geräten nicht für die Banken und andere Bezahl-Apps frei. So lässt sich der Dienst aktivieren Immerhin jeder fünfte Smartphone-Besitzer in Deutschland nutzt ein Gerät von Apple. Um ab sofort auf den konzerneigenen Dienst zugreifen zu können, reicht es allerdings nicht, ein Handy oder ein anderes Gerät mit Apfel im Logo zu haben. Man muss auch Kunde bei einer der teilnehmenden Banken sein. Wer dort ein Konto besitzt, kann in der Apple-Wallet, so heißt die digitale Brieftasche auf den Geräten, seine Kreditkarte oder Debitkarte in digitaler Form hinzufügen. Über diese Karte wird dann die Zahlung abgewickelt. Nicht hinterlegen kann man, so heißt es, die Girocard - womöglich ein Nachteil für viele potenzielle Kunden: Denn in Deutschland besitzt nur gut jeder Dritte eine Kreditkarte, fast jeder aber eine Debitkarte. Meist handelt es sich dabei um die Girocard, die früher als EC-Karte firmierte. Eine Alternative gibt es zumindest für all jene, die kein Konto bei einer der teilnehmenden Banken besitzen. Sie haben die Möglichkeit, den bankenunabhängigen Dienst Boon zu nutzen, der zum Dax-Konzern Wirecard gehört. In der Boon-App können etwa auch Kunden der Sparkasse oder der Volksbanken eine digitale Debit-Mastercard anlegen, automatisch aufladen und dann mit dem Apple-Gerät bezahlen. Damit das auch wirklich funktioniert, muss der Händler die NFC-Technologie unterstützen. Die meisten Kassen sind inzwischen entsprechend umgerüstet, da die Technik auch beim kontaktlosen Bezahlen mit der Karte zum Zug kommt. Um eine Rechnung zu begleichen, hält die Kundin ihr Smartphone an das Terminal und muss sich mit dem Fingerabdruck oder Gesicht authentifizieren. Erst dann gilt der Bezahlvorgang als abgeschlossen. Auf diese Weise möchte Apple sicherstellen, dass Kriminelle nicht einfach mit einem gestohlenen Handy bezahlen können. Generell ist das Bezahlen mit dem Smartphone, sei es nun mit einem iPhone oder einem Android-Gerät, sehr sicher. Der Käufer muss sich zumindest bei höheren Beträgen ausweisen, etwa mit dem Fingerabdruck oder via Face-ID, also Gesichtserkennung. Apple wirbt zudem damit, dass die persönlichen Daten nicht gespeichert werden - und versucht auf diese Weise, die sicherheitsbewussten Menschen hierzulande zu überzeugen. Die Apple-Nutzer hatten den Bezahldienst auch deshalb sehnsüchtig erwartet, weil andere Anbieter wesentlich schneller gewesen waren. Die Lösung Google Pay, die auf Geräten mit dem Betriebssystem Android läuft, startete bereits im Sommer dieses Jahres mit großen Partnerbanken, darunter der Commerzbank. Seit einigen Wochen ist zudem Paypal als mächtiger Unterstützer an Bord. Girocard kann bei anderen Apps hinterlegt werden Die Volksbanken und Sparkassen haben, ebenso wie der Handel, eigene Apps entwickelt, über die Kunden an den Kassen von Aldi, Rewe oder Netto bezahlen können. Es ist allerdings fraglich, wie erfolgreich eine solche Silo-Lösung sein kann. Sparkassenkunden beispielsweise, die ein iPhone nutzen, können außer über Boon weiterhin nicht mit dem Smartphone bezahlen. Das Gleiche gilt für die Kunden der Volks- und Raiffeisenbanken. Die beiden Institutsgruppen wiederum können anders als Apple Pay damit punkten, dass sich bei ihnen die Girocard hinterlegen lässt. Bei den VR-Banken, die im August einen mobilen Bezahldienst auf den Weg brachten, haben nur 20 Prozent der Kunden ihre Kreditkarte hinterlegt, alle anderen nutzen die digitale Girocard. Das zeigt, dass es Apple Pay in Deutschland schwer haben könnte, solange sich keine Girocard hinterlegen lässt. Nicht nur mit Kreditkarten fremdeln viele Menschen in Deutschland, auch mit dem mobilen Bezahlen generell halten sie sich bislang zurück. Nicht mal jeder Zehnte hat bisher eine Rechnung mit dem Smartphone beglichen, zeigen Zahlen der Bundesbank. Viele meiden mobile Bezahldienste aus Sicherheitsgründen, die meisten Verbraucher sehen jedoch schlicht keinen Nutzen darin, mit dem Handy zu bezahlen. "Wirklich durchsetzen wird sich das mobile Bezahlen wohl erst, wenn die Kunden dadurch einen spürbaren Mehrwert erhalten", sagt Oliver Hommel, Experte für Zahlungsverkehr bei der Beratung Accenture. Das könnten Treuepunkte oder Sonderangebote sein, aber auch die Möglichkeit, ein Produkt vorab zu bestellen und mobil zu bezahlen, ohne sich in der Warteschlange einreihen zu müssen. | Auch Besitzer von Apple-Geräten können nun in Deutschland mobil bezahlen. Zumindest teilweise. Die Konkurrenz bietet das schon länger an. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/apple-pay-deutschland-1.4246744 | Apple Pay startet in Deutschland | 00/12/2018 |
In Deutschland ist eine Diskussion um Hartz IV in Gang gekommen. Die SPD will Hartz IV überwinden. Wie das gehen soll, sagt sie aber nicht. Eigentlich war es schon klar, als die Essener Tafel Ende Februar verkündete, nur noch Deutsche aufzunehmen. Und erst recht, als der designierte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) Anfang März sagte, mit Hartz IV habe jeder, was er brauche - und Empörung erntete. Die Sozialpolitik, das ließ sich plötzlich nicht mehr leugnen, hatte es zurückgeschafft auf die ganz große Bühne. Mitten im Aufschwung und trotz der Konkurrenz von Asylstreit, Hitzesommer, Diesel und WM-Desaster. "Es ist gut, dass Sozialpolitik wieder ein beherrschendes Thema ist", sagt Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK. Vor Ort seien es die sozialen Fragen, weniger die der Weltpolitik, die den Menschen wichtig seien. Genug passiert sei allerdings nicht. Der Qualifizierungsoffensive von Sozialminister Hubertus Heil (SPD) kann sie manches abgewinnen, ebenso dem geplanten sozialen Arbeitsmarkt für Langzeitarbeitslose und den Verbesserungen für künftige Erwerbsminderungsrentner. Auch dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Krankenversicherung wieder zu gleichen Teilen finanzieren müssen, findet sie gut. Das war es dann aber auch schon. "Noch immer profitieren nicht alle von der guten wirtschaftlichen Entwicklung" Als "dramatisch" bezeichnet sie, dass nichts getan worden sei für heutige Erwerbsminderungsrentner. Die verschärfte Mietpreisbremse reiche nicht als Mittel gegen die Wohnungsknappheit, der Mindestlohn müsse endlich über zwölf Euro steigen, und dass in Deutschland Kinder in Armut lebten und schlechte Bildungschancen hätten, sei "nicht akzeptabel". Bentele sagt: "Wir brauchen definitiv mehr Umverteilung. Die Sozialausgaben sind der Kitt für den sozialen Frieden." In Euro ausgedrückt ist dieser Kitt der Bundesregierung dieses Jahr allerdings schon fast 174 Milliarden Euro wert gewesen; fünf Milliarden Euro mehr als im Vorjahr und etwas mehr als die Hälfte aller Haushaltsausgaben von gut 340 Milliarden Euro. Kein Etat ist so groß wie der 140-Milliarden-Euro-Haushalt von Sozialminister Heil, aus dem alleine rund 94 Milliarden Euro an die Rentenversicherung geflossen sind. Der Minister verteidigt seine Politik: "Zum Glück geht es Deutschland wirtschaftlich derzeit gut", sagt er. "Aber noch immer profitieren nicht alle im Land von der guten wirtschaftlichen Entwicklung." Chancen auf Bildung und Wohlstand seien nach wie vor ungleich verteilt. "Viele Menschen in Deutschland erleben die eigene Situation als gut, sehen aber der Zukunft mit Sorge entgegen." Diese Abstiegsängste müsse man ernster nehmen, sagt Heil und meint damit, dass die sozialen Sicherungssysteme wieder enger geknüpft werden müssten. Andreas Peichl, Ökonom am Ifo-Institut, blickt jedoch skeptisch auf die Klöppelei der Regierung. "Aus meiner Sicht ist nicht viel Gutes passiert", sagt er. Es seien "ein paar Rentengeschenke" verteilt worden, wirklich zukunftsweisende Diskussionen aber habe er nicht ausmachen können. Ähnlich sieht es Johannes Vogel, Arbeits- und Rentenexperte der FDP-Fraktion im Bundestag: "Sozialpolitisch hat die große Koalition 2018 einiges getan. Leider ziemlich viel vom Falschen." Gerade das Rentenpaket hält der FDP-Abgeordnete für einen "fatalen Irrweg". Mit Blick auf Mütterrente und Haltelinien für Rentenniveau und Beitragssatz bis 2025 wirft Vogel der Regierung vor, die Rente zu destabilisieren und die Mitte der Gesellschaft, besonders die junge Generation, schwer zu belasten. "Und all das für ein Paket, bei dem 90 Prozent der Ausgaben gar nicht zielgerichtet gegen Altersarmut helfen." Heil lässt das naturgemäß nicht gelten. Von Januar 2019 an würden jährlich mehr als 170 000 Arbeitnehmer von höheren Erwerbsminderungsrenten profitieren, sagt er, und Mütter mit vor 1992 geborenen Kindern von der höheren Mütterrente, auch der Arbeitslosenbeitrag werde zum neuen Jahr spürbar um 0,5 Prozentpunkte gesenkt. Außerdem verweist er auf die höheren Weiterbildungsmittel, viele könnten schon "im ersten Quartal" passende Qualifizierungsangebote nutzen. Für "die Menschen mit mittleren und kleinen Einkommen, die unsere Gesellschaft am Laufen halten" werde zudem der Soli abgeschafft, das Kindergeld erhöht und die Kinderbetreuung verbessert. Und für sozial schwache Familien hätten er und Familienministerin Franziska Giffey (SPD) das Starke-Familien-Gesetz gemacht, "das Familien mit Kindern spürbar entlasten wird". ‹ › Seniorinnen in Bremen. Zwei von ihnen sind auf einen Rollator angewiesen. Bild: Mohssen Assanimoghaddam/dpa ‹ › Aquagymnstatik für die Gesundheit. Bild: imago stock&people ‹ › Vorsichtige Annäherung. Ein Kind auf der Rutschbahn. Bild: Sean Gallup/Getty Images Wird geladen ... Jobcenter-Mitarbeiter verbringen sehr viel Zeit mit der Prüfung von Anträgen Peichl aber findet, dass ausgerechnet beim Thema Kinderarmut zu wenig passiere; etwa beim Kinderzuschlag. Den bekommen Geringverdiener, damit sie nicht wegen ihrer Kinder in Hartz IV fallen. Weil diese Leistung heute komplett wegfällt, sobald die Eltern etwas mehr verdienen, lohne es sich für sie oft nicht, mehr zu arbeiten. Bei Alleinerziehenden könne das Nettoeinkommen sogar niedriger ausfallen, wenn sie mehr arbeiteten, sagt Peichl. Was Heil und Giffey planten, mildere zwar den Effekt, aber "nur marginal". Mehrarbeit lohne sich in vielen Fällen trotzdem kaum. "Dabei sehen wir, dass das genau die Haushalte sind, die von Armut betroffen sind." Und später setze sich das Problem fort, mit geringen Rentenansprüchen alleinerziehender Frauen. Ausgerechnet dort, kritisiert Peichl, wo relativ einfach etwas getan werden könnte, seien nur "ein paar hundert Millionen Euro" vorgesehen. Und dann ist da noch die Mutter aller sozialpolitischen Debatten: Hartz IV. SPD-Chefin Andrea Nahles will "Hartz IV überwinden", allerdings ohne bisher ins Detail gegangen zu sein. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hat sein "solidarisches Grundeinkommen" aus der Schublade geholt, das kommunale Arbeitsplätze statt Grundsicherung vorsieht. Und Grünen-Chef Robert Habeck schlägt eine Garantiesicherung ohne Arbeitszwang vor. Doch so lebhaft die Debatte dieses Jahr auch war - passiert ist bislang: nichts. "Wir sind jetzt schon dabei, den Sozialstaat weiterzuentwickeln", sagt der zuständige Minister. Heil, der die Agenda 2010 stets unterstützt hat, hat nichts gegen bestimmte Lockerungen. "Ich finde zum Beispiel, Sanktionen, die in der Praxis nicht wirken und Menschen unnötig verunsichern, gehören abgeschafft", sagt er. Um gleich hinzuzufügen: "Aber an einer grundsätzlichen Mitwirkungspflicht halte ich fest. Wenn jemand zum zehnten Mal den Termin beim Jobcenter versäumt, dann muss das Konsequenzen haben." Wichtiger ist dem Minister ohnehin sein sozialer Arbeitsmarkt. Mit dem würden ab Jahresbeginn 2019 Menschen aus der Langzeitarbeitslosigkeit geholt, sagt Heil. Vier Milliarden Euro sind in den kommenden Jahren für geförderte Jobs vorgesehen. Ob das den Hartz-IV-Kritikern in Heils Partei reichen wird, darf man allerdings bezweifeln. VdK-Präsidentin Bentele plädiert für durchschaubare Verwaltungsstrukturen in den Jobcentern und kritisiert die besonders scharfen Sanktionen für jüngere Hartz-IV-Empfänger. "Wir müssen den Menschen mehr Chancen bieten, wieder in Arbeit zu kommen. Dafür braucht es aber ausreichende Mittel für die Eingliederung." Auch Peichl vom Ifo-Institut hält es für einen Missstand, dass die Jobcenter-Mitarbeiter einen großen Teil ihrer Arbeitszeit mit Anträgen und der Überprüfung von Ansprüchen verbringen. Für besonders ungerecht aber hält er, genau wie Vogel von der FDP, etwas anderes: die hohe "Transferentzugsrate". Gemeint ist damit, dass Hartz-IV-Empfänger, die zusätzlich zur Grundsicherung arbeiten, jenseits von 100 Euro nur zehn bis 20 Prozent ihres Zuverdienstes behalten dürfen. "Es muss sich lohnen, von einem Minijob in einen sozialversicherungspflichtigen Vollzeitjob zu gehen", sagt Peichl. Im Übrigen, da ist der Ökonom sich ziemlich sicher, bräuchte man dann kaum noch Sanktionen, wenn Mehrarbeit sich tatsächlich lohnen würde. Richtig wäre es seiner Meinung nach zudem, das Schonvermögen, das Betroffene behalten dürfen, davon abhängig zu machen, wie viele Jahre jemand in die Sozialversicherungen eingezahlt hat. "Die Hartz-Reformen waren damals richtig", sagt Peichl über die Agenda 2010. "Aber das ist jetzt eine ganze Zeit her." Eine Debatte sei deshalb durchaus berechtigt. | 2018 wurde in Deutschland viel über Armut gestritten. Milliarden wurden verteilt - doch der Unmut bleibt. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/deutschland-174-milliarden-euro-fuer-den-sozialen-frieden-reicht-das-1.4246767 | 174 Milliarden Euro für den sozialen Frieden | 00/12/2018 |
Detailansicht öffnen Im Warnstreik: Nicht nur in Hannover legten Bahn-Mitarbeiter am Montag zeitweilig die Arbeit nieder. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa) Was man jetzt gar nicht brauchen könnte: die üblichen Bahnbeschimpfer. Woran gewiss auch kein Bedarf besteht: an einem übel gelaunten, gar hektischen Zugchef, oder an einem dieser Durchsagemonster, die mitunter einen ganzen Bahnsteig zusammenstauchen, nur weil sich einer noch schnell durch die Zugtür zwingen will. Aber dieser Zugchef hier, im IC 2263, der am Montagmittag in Stuttgart losgefahren ist, macht die Lage erträglicher: "Wenn alles gut geht, erreichen wir München Hauptbahnhof um 15.35 Uhr", gibt er durch; "wir werden versuchen zu retten, was vielleicht nicht mehr zu retten ist". Einen Speisewagen gebe es leider nicht. "Wir wünschen Ihnen, sofern dies noch möglich ist, eine gute Reise." Niemand rollt die Augen, was soll man sauer sein auf jemanden, der seine Kunden nicht mit 08/15-Sprüchen beschallt, sondern nur selber endlich ankommen will. Warum die Gewerkschaft zum Warnstreik aufruft Streiks gibt es bei der Bahn ja immer wieder; normalerweise ist es jedoch das Zugpersonal, das von seiner Gewerkschaft, der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), zur Arbeitsniederlegung aufgerufen wird. An diesem Montag allerdings kam der Streikaufruf von der anderen, zahlenmäßig größeren Arbeitnehmer-Organisation, der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) - bei der man erst einmal im Archiv nachschauen muss, wann es so etwas das bisher letzte Mal gab. "März 2013", heißt es schließlich. Und damals auch nur zwei Stunden lang, von 6 bis 8 Uhr. Warum ruft die EVG zum Warnstreik auf? Seit Oktober verhandelt die Organisation mit der Deutschen Bahn (DB) um einen neuen Tarifvertrag für die Beschäftigten des Konzerns. Vor der vierten Verhandlungsrunde, vergangene Woche in Hannover, hatte die Gewerkschaft erklärt, nun müsse ein Ergebnis her; andernfalls werde gestreikt. Dieser Punkt war am Samstagmorgen um 5.38 Uhr erreicht. Ein Plus von insgesamt 7,5 Prozent hatte die EVG gefordert, wobei die Beschäftigten wählen sollen, ob sie mehr Geld haben - oder einen Teil der Erhöhung lieber in zusätzliche freie Tage umwandeln wollen. Eine solche Regelung hatte die EVG bereits vor zwei Jahren ausgehandelt: eine Lohnerhöhung in zwei Stufen um insgesamt 5,1 Prozent. Die zweite Erhöhung betrug 2,6 Prozent, wahlweise sechs zusätzliche freie Tage. Diese Zahlen sollte man sich einen Moment lang merken - um sie zu vergleichen mit dem Angebot, das die Bahn den Gewerkschaftern in Hannover machte. Es lautete: eine Lohnerhöhung um 5,1 Prozent, in zwei Stufen. Stufe eins: 2,5 Prozent; Stufe zwei: 2,6 Prozent, wahlweise sechs zusätzliche freie Tage. Daraufhin erklärte EVG-Bundesgeschäftsführer Torsten Westphal: "Wir kehren an den Verhandlungstisch zurück, wenn die DB deutlich macht, ernsthaft mit uns verhandeln zu wollen." Man hat richtig gelesen - Zahlen, auf die die EVG sich noch vor zwei Jahren mit dem Konzern einigte, dienen ihr nun als Beweis dafür, dass es an Ernsthaftigkeit fehle. Was für eine Logik ist das? Verhandlungsführerin der EVG ist, wie seit Jahren, ihre stellvertretende Vorsitzende Regina Rusch-Ziemba. Sie begründet den Abbruch der Gespräche Samstagfrüh mit einer Bedingung, an welche die Bahn ihr Angebot gekoppelt habe: eine Laufzeit des Tarifvertrags von 29 Monaten - statt von 24, wie beim vergangenen Mal. Arbeitgeber lieben längere Laufzeiten, weil die ihnen Planungssicherheit geben. Gewerkschaften mögen sie nicht so sehr, weil es dadurch länger dauert, bis sie das nächste Mal Tariferhöhungen erstreiten können. Deswegen haben längere Laufzeiten bei ihnen immer einen Preis. Die EVG argumentiert, wenn die erste Stufe der Lohnerhöhung von 2,5 Prozent mit insgesamt 29 Monaten Laufzeit einhergehe, bedeute das eine Verschlechterung im Vergleich zu 2016. Hinzu komme, dass all diejenigen, die in der zweiten Stufe lieber sechs weitere freie Tage statt 2,6 Prozent bekommen möchten, sich damit bis Anfang 2021 gedulden sollten. Erkämpfter Abschluss An diesen Einwänden mag etwas dran sein. Aber ein Angebot ist immer nur ein Angebot, kein Abschluss. Und die DB-Vertreter um Personalvorstand Martin Seiler hatten ihrerseits ein Argument, warum sie die zusätzlichen freien Tage erst 2021 bewilligen wollen: Weil sie, allein um den Arbeitsausfall auszugleichen, 1500 neue Mitarbeiter finden und einstellen müssen. Also: Sind eine Diskussion um fünf Monate mehr Laufzeit sowie die Umsetzung einer Freie-Tage-Regelung ein Grund zum Streik? Dazu muss man wissen: Wenn Gewerkschafter dazu aufrufen, machen sie zwar immer die Arbeitgeber verantwortlich. Aber manchmal brauchen sie den Streik, und seien es nur die fünf Stunden von Montag: um ihren Mitgliedern das Gefühl zu geben, sich den Abschluss erkämpft zu haben; um langjährige Mitglieder durch diese Gemeinschaftsaktion zu binden; um neue zu werben. Knapp 190 000 Mitglieder hat die EVG noch, seit Jahren fürchtet sie um ihre Eigenständigkeit. Als der Vorsitzende Alexander Kirchner vor acht Jahren ins Amt kam, sah er Anlass zu dem Versprechen, alles zu tun, damit er nicht derjenige Vorsitzende sein werde, "der das Licht ausmacht". Damals betrug die Mitgliederzahl noch 232 000. Im Fall der EVG, der zweitkleinsten der acht DGB-Gewerkschaften, kommt noch etwas anderes hinzu: Sie muss sich immer auch gegenüber der GDL behaupten, mit der sie ums Zugpersonal rivalisiert. Von deren Chef Claus Weselsky wird sie seit Jahren als "Hausgewerkschaft" der DB bezeichnet, was nicht als Kompliment gemeint ist. Auch deshalb hat man am Montag, wenn man ein bisschen herumtelefoniert in der EVG, hinterher unter anderem den schönen Satz im Block stehen: "Wir mussten beweisen, dass wir's können." Immerhin, das hat wohl geklappt. Auf "mehrere Tausend" beziffert die EVG die Zahl der Teilnehmer - was bemerkenswert wäre. Will die GDL einen Effekt erzielen, muss sie so viele der 19 000 DB-Lokführer wie möglich zum Streik bewegen. Der EVG hingegen, deren Schwerpunkt beim stationären Personal liegt, würden im Prinzip ein paar Dutzend Fahrdienstleiter reichen, um den Bahnverkehr lahmzulegen. Aber sie hat sich am Montag ausdrücklich nicht darauf beschränkt, nur eine Berufsgruppe oder nur in einer Region zum Streik aufzurufen. Folglich haben sich neben Fahrdienstleitern auch Reiniger, Disponenten, Bereitsteller, Ticketverkäufer und viele andere beteiligt - obwohl die Gewerkschaft kein Streikgeld gezahlt hat. An diesem Dienstag soll nun wieder verhandelt werden. Nachdem die EVG während des Streiks als Bedingung dafür noch ein neues Angebot, und zwar ein schriftliches, genannt hatte, war ihr nach dessen Ende derlei nicht mehr so wichtig. Sie hat ihren Auftritt gehabt, und auch bei der Bahn verbreitete niemand Skepsis, oder gar Aufregung - wie zu Zeiten monatelanger GDL-Streiks. Die Verhandlungen mit dieser Gewerkschaft gehen übrigens auch an diesem Dienstag weiter; Streiks der Lokführer stehen vorerst nicht zur Debatte. GDL-Chef Weselsky sagt zwar: "Am Dienstag ist Zahltag, eine nächste Runde wird es nicht geben." Aber zwischen GDL und DB gibt es ein Schlichtungsabkommen. In dem Moment, da Weselsky die Verhandlungen für gescheitert erklärte, könnte die Bahn die Schlichtung anrufen. Und solange die läuft, besteht Friedenspflicht. | Für die Reisenden bedeutet ein Streik Frust pur, der Gewerkschaft dient er auch zur Selbstvergewisserung. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/bahngewerkschaft-wir-mussten-beweisen-dass-wir-s-koennen-1.4247068 | Gewerkschafter für ein paar Stunden im Rampenlicht | 00/12/2018 |
Banken, Kohle- und Stahlunternehmen haben eines gemeinsam: Von Aufbruchsstimmung ist in diesen Branchen zumeist wenig zu spüren. Bestenfalls stagniert dort der Markt (Stahl und Banken), oder aber es geht dem Ende entgegen (Kohle). Für die Manager und Managerinnen dieser Branchen besteht das Kunststück daher darin, ihre Mitarbeiter trotzdem zu motivieren. Schließlich ist es ja keine Option, sich aus dem Handelsregister zu löschen oder neuen digitalen Angreifern das Feld zu überlassen. Michael Mandel, Privatkundenvorstand der Commerzbank, treibt die Frage der Mitarbeitermotivation fast täglich um. Die zweitgrößte deutsche Privatkundenbank streicht Tausende Stellen, will aber das Filialnetz aufrecht erhalten und mehr Privat- und Firmenkunden anlocken. "Wir müssen den Mitarbeitern klar machen, dass wir die Bank komplett umbauen und das in einer Zeit, in der uns der Wind wegen der Niedrigzinsen und der teuren Regulierung komplett ins Gesicht bläst. Das ist nicht einfach", sagte Mandel auf dem SZ- Wirtschaftsgipfel Salon in Frankfurt. Die Commerzbank hat sich daher zu einem - für die Finanzbranche - radikalen Schritt entschlossen: Von Januar 2019 an schafft das Kreditinstitut die individuelle Vergütung für einen Großteil der Mitarbeiter ab. Sie bemisst sie künftig nur noch am Erfolg von Bank und Abteilung. Während Firmen wie Infineon, Deutsche Telekom, Bosch, Deutschen Bahn oder Adidas bei den Boni längst das Team in den Fokus gerückt haben, war daran in der Bankenwelt bislang nicht zu denken - dort legt man großen Wert auf die individuelle Leistung. Günstiger wird es für die Commerzbank nun zwar nicht: Durch das neue Modell werden die Ausgaben für die Vergütung sogar steigen. Die individuelle Bezahlung aber habe eben eher für Frust und Missstimmung gesorgt statt für Motivationsschübe. "Wir arbeiten intensiv daran, wie wir Leute mitnehmen", sagt Mandel. "Den Bonus halte ich dabei für keinen echten Motivator." Zudem schafft Mandel ab Januar die zentralen Ziele für seine 65 Niederlassungen ab. Die Niederlassungsleiter vor Ort geben sich künftig eigenverantwortlich Vorgaben, wie viel neues Geschäft sie gewinnen können. In der Branche hielten dies zwar viele für mutig und überraschend, sagt Mandel. "Aber ich glaube nicht, dass zentrale Ziele motivieren". In eine ähnliche Richtung denkt Ilse Henne, Vorstandschefin des Werkstoffhändlers Thyssenkrupp Schulte, ein Tochterunternehmen des Essener Stahlkonzerns Thyssenkrupp. Seit 1999 arbeitet die Belgierin für das Unternehmen, das an 40 Standorten 3500 Mitarbeitern beschäftigt. Als sie vor fast drei Jahren den Chefposten übernahm, mistete die Managerin erst einmal radikal das Kennzahlen-System aus. Große Unternehmen werden in der Regel anhand von zahlreichen so genannter Key Performance Indicators (KPI) gesteuert. "Es war ein unglaublicher Aufwand, das zu erstellen", sagt Henne. Das System habe aber nicht wirklich etwas gebracht: "Was man dort herauslesen konnte, führte nicht unbedingt zu richtigen Entscheidungen", sagt Henne. Jetzt steuere sie das Unternehmen nur noch nach zwei Kennzahlen: Wie viel verdienen wir mit einem Geschäft und welchen Zusatznutzen bringt es uns? Detailansicht öffnen Eine Sprachwissenschaftlerin als Stahlmanagerin: Ilse Henne mit Commerzbank-Vorstand Michael Mandel, RWE-Vorstandschef Rolf Martin Schmitz und Berater Stefan Lunau (von links). (Foto: Matthias Ferdinand Döring) Abgesehen davon legt die studierte Sprach- und Literaturwissenschaftlerin vor allem Wert auf gute Kommunikation. Die meisten Probleme seien auf schlechte Kommunikation zurückzuführen. "Es hat mir daher bei der Unternehmensführung sehr geholfen, dass ich mich im Studium viel mit Literatur und Kommunikation beschäftigt habe", sagt sie. Schließlich verändere sich auch der Stahlhandel rasant. Früher hätten die Produkte der Stahlbranche eine Lebensdauer von zehn Jahren gehabt. Heute gelte es, jeden Tag neue Produkte zu entdecken. "Auch uns hat es erwischt, auch Stahl will man online kaufen", sagt Henne. Hinzu kommt, dass nun vor allem Ingenieure das Sagen hätten und weniger die Betriebswirte und Juristen, sagt Stephan Lunau von der Beratung UMS. Auch das verändere die Kommunikation. Vor mindestens ebenso großen Herausforderungen steht Rolf Martin Schmitz, Vorstandschef des Energiekonzerns RWE. Schmitz wollte eigentlich weg vom Image des sterbenden Atom- und Kohlekonzerns. Windparks und Solarkraftwerke sollten RWE ein modernes Image verpassen. Als der Konzern dieses Jahr verkündete, den Hambacher Forst für den Kohle-Tagebau roden zu wollen, waren die Bemühungen schnell wieder dahin. Auch in diesem Geschäft aber müsse man die Mitarbeiter achten, sagt Schmitz. "Auch der Tagebau ist honorig". Der Kohle-Ausstieg stehe zwar fest, es gehe daher nicht mehr um das "ob" sondern nur noch das "wie". Wer das aber klar mache, könne auf seine Mitarbeiter setzen. "Wenn Sie in ein paar Jahren 1,9 Milliarden Euro aus dem Kraftwerksbetrieb rausholen müssen, dann wissen die Leute, was sie tun müssen, sonst verlieren sie ihren Job". Am besten lasse man die Mitarbeiter dann übrigens einfach machen - und vergesse nicht zu loben. "Es wird ja viel zu wenig gelobt in unserem Land." | Gerade in Krisenbranchen wie der Stahl- oder Finanzindustrie ist es oft schwer, Mitarbeiter zu motivieren. Die althergebrachten Rezepte reichen dafür nicht immer aus. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/sz-wirtschaftsgipfel-salon-wenn-der-bonus-nicht-mehr-zieht-1.4246796 | SZ-Wirtschaftsgipfel Salon - Wenn der Bonus nicht mehr zieht | 00/12/2018 |
Mehrere Risiken belasten derzeit die Börsen. Der Dax gibt weiter nach. Besonders hart trifft es am Montag die Aktionäre von BASF. Sorgen um die Weltwirtschaft haben den deutschen Aktienmarkt am Montag erneut belastet. Der Dax fiel auf den tiefsten Stand seit zwei Jahren und schloss eineinhalb Prozent tiefer bei 10 622 Punkten. Ein langsameres Wachstum des chinesischen Außenhandels im November bestätigten Anleger in ihrer Skepsis wegen negativer Folgen des Handelsstreits mit den USA. Chinas Außenhandel hatte im November deutlich nachgelassen, wie von der Regierung in Peking veröffentliche Zahlen zeigten. Zudem halten Befürchtungen zu einer möglichen Eskalation des Konflikts rund um die Verhaftung der Huawei-Finanzchefin Meng Wanzhou an. Händler verwiesen auch auf Risiken für die Finanzmärkte wegen des Hin und Her ob der anstehenden Brexit-Abstimmung sowie wegen der Gelb-Westen-Proteste in Frankreich und der zerbrochene Regierungskoalition in Belgien. Bei den Einzelwerten standen die Titel von BASF nach einer Gewinnwarnung im Rampenlicht. Die Aktien des Chemiekonzerns sackten zeitweise um sechs Prozent ab und waren damit größter Verlierer im Dax. Der Schock bei Anlegern sitze tief, jedoch habe sich die Misere auch schon abgezeichnet, sagte ein Händler. Schon im dritten Quartal musste BASF wegen des niedrigen Wasserstandes im Rhein, der für das Unternehmen ein wichtiger Transportweg ist, eine Ergebnisbelastung verdauen. Für 2018 rechnet BASF nun mit einem Rückgang des bereinigten operativen Gewinns (Ebit) um 15 bis 20 Prozent. In den Abwärtsstrudel gerieten auch die Aktien des Kunststoffherstellers Covestro, der kürzlich ebenfalls seine Gewinnziele gesenkt hatte. Die Papiere fielen um mehr als vier Prozent. Die beiden Chemiekonzerne Lanxess und Evonik büßten im M-Dax 3,8 und zwei Prozent ein. Top-Favorit im Dax war die Aktie von Fresenius. Nach dem jüngsten Kursdebakel infolge einer Gewinnwarnung erholten sich die Papiere um 2,3 Prozent. Einen katastrophalen Börsentag erwischten hingegen die Aktionäre von RIB Software. Die Titel brachen im S-Dax um 27 Prozent ein. RIB verliert bei dem wichtigen Joint Venture YTWO Formative den Partner Flex und muss nun die Kosten alleine stemmen. Die Wall Street präsentierte sich ohne klar erkennbare Tendenz. Der Dow Jones lag zum Handelsschluss 0,1 Prozent im Plus bei 24 423 Punkten. | Mehrere Risiken belasten derzeit die Börsen. Der Dax gibt weiter nach. Besonders hart trifft es am Montag die Aktionäre von BASF. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/aktienmaerkte-basf-schockiert-die-anleger-1.4246671 | BASF schockiert die Anleger | 00/12/2018 |
Die Tarifbeschäftigten in Deutschland haben sich im fast abgelaufenen Jahr über kräftige Einkommenssteigerungen freuen können. Ihre tariflich vereinbarten Einkünfte stiegen im Schnitt um 3,0 Prozent, wie eine am Montag vorgestellte Analyse der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung zeigt. Die Tariferhöhungen fielen demnach 2018 deutlich stärker aus als in den beiden Vorjahren, in denen die Vergütungen um jeweils 2,4 Prozent zugelegt hatten. Bei einem zu erwartenden Anstieg der Verbraucherpreise um 1,9 Prozent ergebe sich ein Reallohnzuwachs von rund 1,1 Prozent, erklärten die Studienautoren. Die Beschäftigten hätten in der Folge mehr Geld für den privaten Konsum zur Verfügung und stützten das Wachstum. Für das kommende Jahr sind ebenfalls bereits Lohnerhöhungen vereinbart in einer Spanne zwischen 2,0 und 3,6 Prozent. Viel Aufmerksamkeit ziehen gerade die Streiks der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) auf sich. 2018 spielten tarifliche Vereinbarungen zur Arbeitszeit eine größere Rolle als zuvor, etwa in der Metall- und Elektroindustrie sowie bei der Deutschen Post AG. Vereinbart wurden neue Möglichkeiten der individuellen Arbeitszeitverkürzung sowie Wahloptionen, bei denen die Beschäftigten zwischen mehr Geld oder zusätzlichen freien Tagen wählen können. Der Leiter des Böckler-WSI-Tarifarchivs, Thorsten Schulten, sieht darin eine "Renaissance der tariflichen Arbeitszeitpolitik", die sich künftig fortsetzen werde. Zwischen den Abschlüssen in den einzelnen Branchen gab es deutliche Unterschiede. Die Spannweite der aufs Kalenderjahr bezogenen Erhöhungen reichte von 2,2 Prozent mehr Geld für Beschäftigte der Energiewirtschaft Nordrhein-Westfalen bis zu 6,6 Prozent im ostdeutschen Bauhauptgewerbe. Im öffentlichen Dienst des Bundes und der Gemeinden gab es für einige niedrige Lohngruppen mehr als für die anderen Beschäftigten. Die guten Daten vom Arbeitsmarkt haben auch Auswirkungen auf den Haushalt der Bundesagentur für Arbeit. "Obwohl durch die Beitragssatzsenkung rund sechs Milliarden Euro weniger eingenommen werden, steht weiterhin ausreichend Geld für die Finanzierung von Fördermaßnahmen in der Arbeitslosenversicherung zur Verfügung", sagte die Finanzvorständin der Bundesagentur, Valerie Holsboer. Für Arbeitslosengeld II hat die Bundesagentur im kommenden Jahr 20,6 Milliarden Euro an Ausgaben in den Haushalt eingestellt. Weitere rund fünf Milliarden Euro fließen in sogenannte Eingliederungsleistungen. | Im Durchschnitt fielen die Lohnerhöhungen im vergangenen Jahr deutlich höher aus. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/tarifloehne-drei-prozent-mehr-1.4246771 | Tariflöhne - Drei Prozent mehr | 00/12/2018 |
Die Unsicherheit über die Parlamentsabstimmung in Großbritannien über den Brexit-Austrittsvertrag sorgt für weitere Kursverluste bei der britischen Währung. Seit Anfang des Jahres verlor das Pfund zum Dollar rund sieben Prozent an Wert. Das Chaos um die Abstimmung im britischen Parlament über das hoch umstrittene Brexit-Abkommen hat die Anleger am Devisenmarkt stark verunsichert. Sie zogen sich am Montag aus dem Pfund Sterling zurück und drückten die britische Währung auf ein Eineinhalb-Jahres-Tief. Wegen des massiven Widerstands im britischen Unterhaus hat die Premierministerin Theresa May die Verschiebung des geplanten Votums über das Brexit-Abkommen angekündigt. Oppositionsführer Jeremy Corbyn sprach von einer "Verzweiflungstat" der Regierungschefin. Eine Interpretation sei, dass May eine Abstimmungsniederlage vermeiden wolle, sagte Finanzmarkt-Experte John Marley vom Anlageberater Smart Currency Business. Es bestehe aber auch die Möglichkeit, dass sie kurz vor einer Einigung mit der EU über Nachbesserungen stehe, mit denen die Wahrscheinlichkeit einer Zustimmung verbessert werden könne. May kündigte am Montag an, zu neuen Brexit-Gesprächen nach Brüssel zu reisen. Das Pfund Sterling notierte am Montagabend mit 1,2541 Dollar so tief wie zuletzt im April 2017. Seit Anfang des Jahres wertete die britische Währung um rund sieben Prozent ab. Die Bank von England rechnet mit einem Absturz des Pfundes bei einem Brexit ohne Abkommen. Es würde demnach um 25 Prozent an Wert verlieren, hieß es. Auch der Immobilienmarkt würde schwer getroffen. Zentralbanker gehen von einem Fall der Hauspreise um 30 Prozent aus. Mit sorgenvoller Miene blickten Anleger auch gen Frankreich, wo Präsident Emmanuel Macron nach erneut gewaltsamen Protesten gegen seine Reformpolitik eine Rede an die Nation halten und den Demonstranten entgegenkommen will. Investoren trennten sich von französischen Bonds und trieben die Rendite der zehnjährigen Titel auf 0,725 von 0,683 Prozent. Der Euro gab leicht nach und notierte am Abend unter der Marke von 1,14 Dollar. | über den Brexit-Austrittsvertrag sorgt für weitere Kursverluste bei der britischen Währung. Seit Anfang des Jahres verlor das Pfund zum Dollar rund sieben Prozent an Wert. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/devisen-und-anleihen-pfund-wertet-weiter-ab-1.4246673 | Devisen und Anleihen - Pfund wertet weiter ab | 00/12/2018 |
Händler lassen sich vieles einfallen, um die Kunden in ihre Läden zu locken. Auch Sterne-Koch Nelson Müller arbeitet als Show-Koch - hier in einem Küchenstudio im Rheinland. Weil der Druck der Internetfirmen stetig größer wird und sie nicht so billig sein können wie Discounter, müssen sich die stationären Lebensmittelhändler immer wieder Neues einfallen lassen, um die Kunden zu halten. Als Erstes fallen Lara Kittel die Orangen auf, die rechts neben dem Eingang auf der Saftpresse gestapelt sind. Direkt daneben die verschieden großen Flaschen, um den selbstgepressten Saft abzufüllen. Um die Ecke befindet sich auf einem Platz zwischen Reihen voller frischem Obst und Gemüse, daneben die Sushi-Bar - sie wirbt mit der "Veggie Lover"-Platte für 34,90 Euro oder dem "California Dreamer" für 54,90 Euro. | Weil der Druck der Internetfirmen stetig größer wird und sie nicht so billig sein können wie Discounter, müssen sich die stationären Lebensmittelhändler immer wieder Neues einfallen lassen, um die Kunden zu halten. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/lebensmittelhandel-schlemmen-im-supermarkt-1.4246804 | Schlemmen im Supermarkt | 00/12/2018 |
Nach fünf langen Jahren hat der Industrie-Dienstleister Bilfinger eine schwere Bürde abgelegt: Das Korruptions-Verfahren des US-Justizministeriums gegen den Konzern ist seit Sonntagmitternacht abgeschlossen. Der von der Behörde entsandte Überwacher Mark Livschitz bescheinigt dem Unternehmen endlich saubere Geschäftspraktiken und zieht sein Team aus der Bilfinger-Zentrale in Mannheim ab. Damit kann Vorstandschef Tom Blades einen Schlussstrich unter diverse Bestechungsfälle ziehen, die zwar vor seiner Zeit passierten, aber die Sanierung des Krisenkonzerns arg behinderten. "Ich bin sehr froh und stolz", sagte Blades am Montag in einer Telefon-Pressekonferenz, "jetzt können wir weiter positiv nach vorn schauen." Indirekt ließ Blades Kritik an seinen Vorgängern durchblicken: "Wir sind heute ein ganz anderes Unternehmen als vor fünf Jahren", sagte er. "Der systematische Compliance-Verstoß, wie man das vielleicht von Bilfinger gekannt hat, ist Vergangenheit." Auslöser des Verfahrens des US-Justizministeriums war ein Korruptionsfall in Nigeria: Um den Auftrag für ein Ölpipeline-Projekt zu erhalten, hatten Bilfinger-Manager im Jahr 2003 Regierungsvertreter geschmiert. Deshalb hatte die Justizbehörde ein Verfahren gegen Bilfinger und ein US-Unternehmen eingeleitet. Im Dezember 2013 zahlte Bilfinger in den USA 32 Millionen Dollar und verpflichtete sich dazu, ein Compliance-System aufzubauen, das eine rechtskonforme Unternehmensführung sicherstellt. Mit dieser Zusage verhinderte Bilfinger ein Strafurteil und ein drohendes Ende aller Geschäfts-Aktivitäten in den USA. Zur Abmachung gehörte auch, dass ein sogenannter externer "Monitor" die Firma überwacht und dem Justizministerium mitteilt, ob sie es mit ihren internen Aufräumarbeiten ernst nimmt oder nicht. Ähnliche Prozesse haben die deutschen Konzerne Daimler und Siemens erfolgreich hinter sich gebracht. Bei Bilfinger in Mannheim hat das anfangs allerdings viel schlechter geklappt als in Stuttgart und München: Nach zwei Jahren teilte Aufseher Mark Livschitz im September 2016 den Behörden in Washington D.C. mit, die Korruptionsbekämpfung bei Bilfinger sei immer noch mangelhaft. Das Verfahren wurde verlängert, Bilfinger bekam noch eine weitere, letzte Chance. Tom Blades, der erst Mitte 2016 den Vorstandsvorsitz übernommen hatte, verstand die Botschaft von Livschitz. Blades trieb den Wandel der Konzernkultur vom Wegschauen zum Ganz-genau-Hinschauen massiv voran - ganz im Gegensatz zu seinen Vorgängern Per Utnegaard und Roland Koch, wie Blades selbst andeutet: "Wirklich los ging es erst 2016", sagte der 62-Jährige, "das war eine Menge Arbeit." Jetzt sei sauberes Unternehmertum "ein wesentlicher Teil unserer DNA". Bilfinger habe mehr als 100 Millionen Euro in den Aufbau des Kontroll-Systems investiert, jeder Manager habe im Schnitt 30 Prozent seiner Zeit mit dem Thema verbracht. Das habe den US-Monitor überzeugt. Seit Montag ist die Zeit der Fremdüberwachung vorbei, die 36 000 Mitarbeiter können sich nun auf das Geschäft konzentrieren. Dabei hat Blades noch jede Menge weiterer Altlasten abzubauen: Das einstige Flaggschiff der deutschen Bauindustrie hatte seine Bau- und Immobiliensparte verkauft und unzählige Firmen in aller Welt angeschafft. Blades entschlackt den Konzern und konzentriert sich auf Wartung und Reparatur von Industrie-Anlagen. Er machte aber nach wie vor Verlust. Nebenher prüft der Aufsichtsrat, ob er von zwölf früheren Vorstandsmitgliedern Schadenersatz über 118 Millionen Euro einfordern soll. Einer von ihnen ist der ehemalige Bilfinger-Chef und hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU). Der Vorwurf: Die Manager hätten kein ordnungsgemäßes Antikorruptionssystem eingeführt. Koch weist das zurück und pocht auf ein Gutachten. Der Aufsichtsrat seinerseits hat zwei Gutachten erstellen lassen. Wie der Streit endet, ist offen. Im Sommer machte auch die Kündigung einer ehemaligen Bilfinger-Mitarbeiterin Schlagzeilen. Unter der Überschrift "Die Frau, die zu viel wusste" berichtete der Spiegel über eine interne Ermittlerin, die Anfang 2017 auf einer Geschäftsreise in Abu Dhabi vergiftet worden sein soll, aber gerade noch überlebte. Im März 2017 wurde ihr gekündigt, und der Artikel legt nahe, der Konzern habe damit verhindern wollen, dass die Ermittlerin Korruptionsfälle aufdeckt. Bilfinger weist die Vorwürfe "entschieden" zurück und begründet die Kündigung damit, die Mitarbeiterin habe gegen Compliance-Richtlinien verstoßen. Vor dem Arbeitsgericht bekam die Mitarbeiterin aber in erster Instanz recht. Bilfinger legte Rechtsmittel ein. Der Verhandlungstermin vor dem Landesarbeitsgericht Mannheim wurde kurzfristig abgesagt. Das Verfahren ist ausgesetzt. Die Streitparteien verhandeln nun außergerichtlich. Parallel ging Bilfinger auch gegen die Berichterstattung des Spiegel vor. Blades: "Wir haben vor dem Landgericht Hamburg obsiegt." Allerdings nicht endgültig. Der Spiegel hält die einstweilige Verfügung des Gerichts für falsch und hat ein Hauptsacheverfahren beantragt. | Nach Anlaufschwierigkeiten beendet der Baukonzern die fünfjährige Ära unter einem US-Aufseher. Konzernchef Blades kritisiert indirekt die Vorgänger. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/bilfinger-wieder-eine-altlast-weg-1.4246789 | Wieder eine Altlast weg | 00/12/2018 |
Im Fall der in Kanada verhafteten Topmanagerin des chinesischen Telekommunikationsausrüsters Huawei sind weitere Details bekannt geworden, die ihre vorzeitige Freilassung gegen Kaution erschweren könnten. So soll Meng Wanzhou mindestens sieben Pässe besitzen, drei davon aus Hongkong. Dort ist nur der Besitz eines gültigen Passes erlaubt. Zudem soll die Managerin bereits seit Frühjahr eine Einreise in die USA vermieden haben, als sie von den Ermittlungen erfuhr. Obwohl einer ihrer Söhne in Neuengland lebt. Am späten Montagabend (Ortszeit) wird in Kanada nach einer ersten Anhörung am Freitag weiter über eine mögliche Freilassung bis zum Prozess verhandelt. Der Anwalt der Staatsanwaltschaft John Gibb-Carsley drängte das Gericht, den Antrag Mengs abzulehnen. Huaweis Finanzchefin habe die Mittel für eine Flucht nach China. Das Land hat kein Auslieferungsabkommen mit den USA. Verteidiger David Martin sagte, niemandem sollte aufgrund seines Reichtums die Kaution verwehrt werden. Meng stehe im öffentlichen Fokus und werde ihren Vater, ihren Konzern und ihr Heimatland China nicht durch einen Bruch der Kautionsbedingungen in Verruf bringen. Die Managerin berief sich außerdem auf gesundheitliche Probleme. Sie hätte während ihrer Inhaftierung aufgrund von Bluthochdruck behandelt werden müssen. Das Unternehmen soll Sanktionen gegen Iran missachtet haben Die Huawei-Managerin ist stellvertretende Vorstandschefin und Tochter des Konzerngründers Ren Zhengfei. Sie war am vergangenen Samstag auf Betreiben der amerikanischen Behörden bei einem Zwischenstopp auf dem Weg nach Mexiko am Flughafen in Vancouver festgenommen worden. Bereits im August sollen die USA den Haftbefehl gegen die 46-Jährige ausgestellt haben. Meng wird laut Anklage vorgeworfen, bewusst die Geschäftsbeziehung zwischen Huawei und der in Hongkong ansässigen Firma Skycom verschleiert zu haben. Skycom habe trotz eines Handelsembargos der EU und der USA zwischen 2009 und 2014 Geschäfte mit einem iranischen Telekom-Anbieter gemacht. Sie habe Banken verschwiegen, dass es sich bei Skycom de facto um eine Huawei-Tochter handelte. Sollten sich die Vorwürfe gegen Meng erhärten, drohen der Managerin im Fall einer Verurteilung bis zu 30 Jahre Haft. Nach Kanada bestellte Peking am Sonntag auch den Botschafter der USA ein. Man werde weitere Schritte unternehmen, sofern dies notwendig sein sollte, heißt es zudem in einer Erklärung des Außenministeriums in Peking. China fordert Mengs Freilassung. Huawei gehört zu Chinas führenden Techunternehmen. Der Konzern ist hinter Samsung der zweitgrößte Smartphone-Hersteller der Welt. Weltweit rüstet er Telekommunikationsanbieter mit Netzwerktechnologie aus. Jeden zweiten Yuan verdient das Unternehmen im Ausland. In Deutschland könnte es die Technologie für den Ausbau des Mobilfunkstandards 5G liefern. Entgegen vieler Befürchtungen belastet die Verhaftung die Verhandlungen im Handelsstreit zwischen den USA und China angeblich bisher nicht. "Die China-Gespräche laufen gut!", twitterte US-Präsident Donald Trump am Freitag. Auch das chinesische Handelsministerium sprach von "guter Kommunikation" zwischen den Verhandlungsteams. | Die kanadische Staatsanwaltschaft will die Freilassung von Meng Wanzhou gegen Kaution verhindern. China bestellt US-Botschafter in Peking ein. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/huawei-eine-frau-sieben-paesse-1.4246783 | Eine Frau, sieben Pässe | 00/12/2018 |
In den Tagen vor der Entscheidung sah es so aus, als hätte der indische Whisky-Baron Vijay Mallya nichts anderes mehr im Kopf gehabt als Twitter. Er feuerte eine verbale Verteidigungssalve nach der anderen ab, beteuerte, dass die Dinge ganz anders lägen, als viele dächten. Betrug? Flucht vor indischen Behörden? Gestohlene Millionen? "Ständig reden Medien und Politiker lautstark über mich als einen Schuldner, der mit dem Geld öffentlicher Banken davongerannt sei. Das ist alles falsch". Wo er doch längst angeboten habe, alles zurückzuzahlen. "100 Prozent", beteuerte der säumige Unternehmer. "Nehmt es bitte." | Der Multimillionär und Whisky-Baron Vijay Mallya ist hoch verschuldet und hat deshalb Ärger mit der Justiz. Nun droht ihm in Indien eine Gefängnisstrafe. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/indien-vijay-mallya-1.4246808 | Indien - Ausgefeiert | 00/12/2018 |
Operation an einer Wirbelsäule in einem Krankenhaus in München. Nicht überall geht es mit rechten Dingen zu, etwa in Osnabrück. Vorwürfe nach Veröffentlichung der "Implant Files" gegen einen Chirurgen: Er soll mitgewirkt haben, bestimmte Implantate einzusetzen, und dafür Geld bekommen haben. Verdacht schwerer Bestechung: In gleich zwei Fällen hat die Staatsanwaltschaft Osnabrück Anklage gegen den ehemaligen Leiter der Abteilung für Wirbelsäulenchirurgie des Klinikum Leer am Landgericht Aurich erhoben. Der Arzt ist nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR wegen Verdachts der Vorteilsannahme und der Bestechlichkeit im besonders schweren Fall angeklagt. Dem Mediziner wird vorgeworfen, er solle daran mitgewirkt haben, dass bestimmte Implantate bei Operationen in der Abteilung für Wirbelsäulenchirurgie des Klinikums Leer eingesetzt wurden. Als Gegenleistung soll er prozentual an den Umsätzen mit dem Produkt beteiligt worden sein. In den Jahren 2011 bis 2015 soll der Arzt mehr als 14 000 Euro erhalten haben. Laut der zweiten Anklage soll der Arzt zudem mit einem Unternehmen aus Oberursel eine umsatzabhängige Provision vereinbart haben - gekoppelt an den Verkauf der Medizinprodukte aus dem Bereich der Wirbelsäulenchirurgie ans Klinikum Leer. Die Zahlungen sollen sich von 2011 bis 2016 auf mehr als 128 000 Euro belaufen haben. Die Anwaltskanzlei, die den Arzt vertritt, teilt auf Anfrage mit, man werde im Zwischenverfahren Einwände vorbringen, um den Vorwurf zu entkräften und sei zuversichtlich, dass das Landgericht diesen folgen werde. Der Arzt war zuletzt im Zuge der weltweiten Recherche der Implant Files in die Kritik geraten. Er hatte über Jahre hinweg Bandscheidenprothesen des britischen Herstellers Ranier Technology eingesetzt, die im Körper der Patienten wanderten, zerbröselten und zu heftigen Schmerzen führten. Nach Informationen von NDR, WDR und SZ hatte es bereits in einer vorherigen Affenstudie Probleme mit der Bandscheibenprothese gegeben. Dutzenden Patienten des Klinikum Leer musste die Prothese Cadisc-L in einer Operation wieder entfernt werden. Das Unternehmen Ranier Technology ist mittlerweile insolvent, der ehemalige Firmengründer teile einem Recherchepartner der SZ auf Anfrage mit, alle Studien hätten den regulatorischen Anforderungen genügt. Der Arzt muss sich auch in diesem Fall in Aurich vor der Staatsanwaltschaft verantworten, wegen Körperverletzung: Er soll Patienten eine andere Prothese eingebaut haben als versprochen. | Vorwürfe nach Veröffentlichung der "Implant Files" gegen einen Chirurgen: Er soll mitgewirkt haben, bestimmte Implantate einzusetzen, und dafür Geld bekommen haben. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/implant-files-anklage-gegen-arzt-1.4246793 | Anklage gegen Arzt | 00/12/2018 |
Anfang kommenden Jahres soll es so weit sein: Dann wird die Fusion der beiden Konzerne Linde und Praxair endlich vollzogen, derzeit werden noch die Auflagen der Kartellbehörden erfüllt, bis dahin müssen beide Firmen noch eigenständig agieren. Mit der Milliardenfusion wird der weltweit größte Anbieter von Industriegasen entstehen. An diesem Mittwoch treffen sich in München die Aktionäre der alten Linde AG zum letzten Mal, um die Übertragung aller Aktien abzusegnen, die noch nicht getauscht wurden. Künftig wird es dann nur noch den neuen Konzern geben, der unter Linde plc firmiert und weiter im Deutschen Aktienindex (Dax) notiert ist. Am Montag teilte die Linde plc mit, dass im kommenden Jahr Aktien zurückgekauft werden sollen. Bis zum 30. April 2019 sollen eigene Papiere im Volumen von einer Milliarde Dollar, das sind 876 Millionen Euro, erworben werden. Zum Kurs von 135,50 Euro müsste Linde damit knapp 6,5 Millionen Aktien kaufen, das sind 1,2 Prozent des Grundkapitals. Die Papiere sollen anschließend eingezogen oder als Aktienboni an Mitarbeiter ausgegeben werden. Außerdem wird für die Zukunft mit einer deutlich niedrigeren Dividende geplant als bisher von der alten Linde AG. Insgesamt sollen 3,30 Dollar für das Gesamtjahr 2018 ausgezahlt werden, das sind umgerechnet 2,90 Euro. Die alte deutsche Linde AG, die von Anfang an im Dax notiert war, hatte zuletzt eine Dividende von sieben Euro ( für 2017 und 2018) ausgeschüttet. Die neue Linde plc hat ihren juristischen Sitz in Dublin und ihren steuerlichen Sitz in Großbritannien. Dort sollen auch der Verwaltungsrat tagen und die Hauptversammlung stattfinden. Die Hauptverwaltung wird am ehemaligen Praxair-Sitz im US-Bundesstaat Connecticut sowie in München sein. Konzernchef Steve Angel und sein Finanzvorstand werden von dort aus arbeiten. | Nach der Fusion mit Praxair soll die Dividende niedriger ausfallen. Die alte Linde zahlte zuletzt sieben Euro pro Aktie. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/linde-praxair-1.4246785 | Fusion - Linde will Aktien zurückkaufen | 00/12/2018 |
Den Begriff "aufregend" kann man ja positiv oder negativ interpretieren, er könnte "energiegeladen" bedeuten - oder "chaotisch". Wenn man auf die Ära von Tobias Bergmann als Präsident der Hamburger Handelskammer zurückblickt, dann ist aufregend wohl genau die richtige Charakterisierung. Am Wochenende hat Bergmann, 47, seinen Job als Handelskammer-Präses hingeschmissen, mit sofortiger Wirkung, wie er sagt. "Es war mir eine Ehre, Freude und Bürde", twitterte Bergmann, dazu stellte er einen Screenshot seiner E-Mail an das Präsidium der Handelskammer. Sein Ziel sei eine "transparente, demokratische und sparsame Handelskammer" gewesen, heißt es darin. Vieles sei "trotz Widerständen" gelungen. Nun müsse die Reform konsequent weitergeführt werden, schreibt Bergmann. "Für diese Aufgabe fehlt mir jedoch der notwendige Rückhalt." Es ist das nüchterne Ende einer gescheiterten Revolution. Als Bergmann und seine Liste "Die Kammer sind Wir!" Anfang 2017 die Macht in der Handelskammer an sich rissen, erschütterte das diese Institution nachhaltig. Einen Mann wie ihn hatten sie hier noch nicht gesehen: Bergmann ist Unternehmensberater und Hobbyboxer, er ist laut, rhetorisch gewitzt, er ist ein Fantast. Und er ist Bayer. Man könne nicht immer nur nobel und zurückhaltend sein, sagte er damals. "Sonst ändert sich ja nichts." Schon kurz nach dem krawalligen Wahlkampf zeigte sich, dass seine Pläne nicht finanzierbar sind Die Hamburger Handelskammer aber ist in der Hansestadt eine standesbewusste Institution. Noblesse wird hier erwartet, das Haus hat seine Macht in der Stadt seit der Gründung 1665 stetig und diskret ausgebaut. Den Einfluss der Kammer sieht man auch im Machtzentrum der Stadt: Zwischen der Handelskammer und dem Rathaus gibt es einen Verbindungsgang. Ob der offen oder geschlossen ist, kann man allerdings nur von einer Seite aus bestimmen - nämlich von jener der Kämmerer. Bergmann aber hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass ihn dieser Standesdünkel befremdet, er warf der Kammer Verschwendung vor und empörte sich über das Gehalt des langjährigen Kammergeschäftsführers Hans-Jörg Schmidt-Trenz, der zuletzt eine halbe Million Euro im Jahr verdient haben soll. Vor allem aber wetterte Bergmann gegen die Zwangsgebühren, mit der die Unternehmen die Kammer finanzieren. Die Gebühren müssten fallen, forderte Bergmann in einem krawalligen Wahlkampf. Der brachte seiner Liste schließlich den Sieg bei den Handelskammer-Wahlen und ihm den Job als Präses. Doch schon kurz nach Amtsantritt musste Bergmann einräumen, dass die üppigen Pensionsverpflichtungen der Kammer seiner Idee von der Gebührenabschaffung zuwiderliefen. Bergmann verschlankte die Struktur, scheiterte aber auch an komplexen Regularien: Er könne rechtlich niemanden aus dem Präsidium "entfernen", klagte er. Dazu gab es Unstimmigkeiten in seiner Liste, die Gegner formierten sich. Zuletzt warfen sie Bergmann vor, was er einst seinen Vorgängern angekreidet hatte: unverantwortlich mit Kammergeld umzugehen. Bergmann hatte für seinen Job als Präses einen Business-Coach in Anspruch genommen und die Kosten dem Haus in Rechnung gestellt. Von knapp 5000 Euro ist die Rede, für die Kammer eigentlich eine Lappalie. Trotzdem muss man sagen: genützt hat das Coaching wohl nix. Wer Bergmann folgt und ob es Neuwahlen gibt, ist offen. | Revolution durch Chaos: Der krawallige Bayer Tobias Bergmann wollte die noble Hamburger Handelskammer verändern. Jetzt tritt er zurück. Woran ist er gescheitert? | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/interessensvertretung-die-mauer-haelt-1.4246787 | Interessensvertretung - Die Mauer hält | 00/12/2018 |
Das Strafverfahren gegen Carlos Ghosn ist kein Kriminalfall, jedenfalls nicht primär. Die Staatsanwaltschaft, die den 64-Jährigen vor drei Wochen aus Nissans Privatjet verhaftete, scheint Mühe zu haben, ihm eine Straftat nachzuweisen, die ihr Vorgehen rechtfertigt. Die Affäre gerät viel mehr zum Lehrstück über die Dysfunktion von Japans Unternehmensspitzen und die Willkür seiner Justiz. Die Staatsanwaltschaft hat den inzwischen rausgeworfenen Nissan-Präsidenten und seinen angeblichen Mittäter Greg Kelly am Montag formell angeklagt, gegen das Finanz- und Börsengesetz verstoßen zu haben, weil Nissan die Hälfte seiner Bezüge nicht gemeldet hatte. Zugleich verhaftete sie die beiden erneut. Nach dem Gesetz darf sie Verdächtige ohne Anklage nur 23 Tage festhalten. Mit der Neuverhaftung beginnt diese Frist jedoch von vorn. Ghosn und Kelly streiten jede Straftat ab: Ghosn hat die ihm versprochenen Bezüge noch nicht erhalten, sie sollten ihm erst bei seinem Ausscheiden ausbezahlt werden. Dass sie nicht offiziell registriert waren, habe Nissan mit der Finanzbehörde vereinbart. Außerdem trägt das Dokument über die hinausgeschobenen Zahlungen auch die Unterschrift von Hiroto Saikawa, dem Nissan-Chef, einst Ghosns Ziehsohn, der nach dessen Verhaftung seinen Rauswurf durchpeitschte. Gleichwohl wurde Saikawa bisher nicht verhört, er sprach nur auf "freiwilliger" Basis mit der Staatsanwaltschaft. Wer in Japan verhaftet wird, gilt bereits als überführter Täter Ghosns Bezüge - allein jene, die Nissan offiziell gemeldet hatte - gelten in Japan als obszön. Es geht um etwa fünf Milliarden Yen in fünf Jahren, also 40 Millionen Euro. Dazu ließ er sich private Immobilien, Familienurlaube und Weiteres finanzieren. Ghosn hat diese Summen freilich nicht gestohlen. Der Vorstand wusste Bescheid, er hat die Zahlungen bewilligt, die Buchprüfer auch. Saikawa bestätigte sie per Unterschrift. Damit trägt er Mitverantwortung. Zwar klagte die Staatsanwaltschaft am Montag auch Nissan an; aber einzelne Manager zieht sie in solchen Fällen sonst nicht zur Verantwortung. Ghosns Handeln war unmoralisch. Doch es ist fraglich, ob sich daraus eine relevante Straftat konstruieren lässt. Und wenn, dann hat sich auch die Nissan-Spitze strafbar gemacht. Japan erklärt seine drastischen Strafen meist mit dem Leid der Opfer. Hier fällt es jedoch schwer, Opfer zu benennen. Der japanische Staat könnte geschädigt sein, wenn Ghosn für seine künftigen und inoffiziellen Bezüge nach japanischem Steuerrecht bereits vorab steuerpflichtig war. Nissans Aktionäre, Mitarbeiter und Kunden wurden nicht substanziell geschädigt. Nissan setzte voriges Jahr fast 12 Billionen Yen um, 93 Milliarden Euro und machte 5,8 Milliarden Euro Reingewinn. Da fallen Ghosns Extravaganzen nicht ins Gewicht. Ghosn hat Nissans Produktion und den Verkauf modernisiert, die veralteten Führungsstrukturen dagegen veränderte er nicht. Im Gegenteil, er machte sie sich zunutze, um Nissan diktatorisch zu führen. Im Vorstand gab es bisher keine Kommission, die sich einzelner Fragen angenommen hätte, etwa der Kontrolle der Gehälter. Die meisten Verwaltungsräte und Manager hätten Ghosn gefürchtet, so Japans Medien. Niemand habe es gewagt, ihm zu widersprechen. Damit dürfte Nissan kein Einzelfall gewesen sein. In Japan gelten Verwaltungsräte generell als passiv und wenig kompetent. Sie vernachlässigen ihre Kontrollpflicht. Neuerdings verlangt die Regierung von börsennotierten Unternehmen deshalb, dass sie auch Leute von außerhalb in ihre Vorstände berufen. Gezwungen werden sie dazu jedoch nicht. Während Ghosn die Dysfunktion der Nissan-Spitze bisher für sich genutzt hat, so scheint er jetzt über sie gestolpert zu sein. Er wollte Renault und Nissan fusionieren, oder die Fusion mit einer Umstrukturierung vorbereiten. Die Nissan-Spitze war strikt dagegen. Sie scheint jedoch kein Mittel gefunden zu haben, Ghosn in Güte zu stoppen und seine Raffgier zu bremsen. Also nutzte sie diese, so eine Erklärung für die Verhaftung, um ihn loszuwerden. Sie schaltete die Staatsanwaltschaft ein. Japans Anklagebehörde genießt fast völlige Autonomie. Die Staatsanwälte können frei entscheiden, welche Fälle sie zur Anklage bringen. Offizialdelikte gibt es nicht. Zuweilen nützt die Staatsanwaltschaft diese schier unbegrenzte Macht, um sich in die Politik einzumischen. Oder im Falle Ghosns in die Wirtschaftspolitik. Mit seiner Verhaftung hat sie eine Fusion von Nissan mit Renault abgewendet. Nur braucht sie jetzt, um ihr Gesicht zu wahren, eine Verurteilung von Ghosn und Kelly. Japans Rechtspraxis kennt keine Unschuldsvermutung. Sobald jemand verhaftet worden ist, behandeln die hiesigen Medien ihn als Verbrecher. Ghosn als Ausländer erst recht. Er muss nun seine Unschuld beweisen. Die Staatsanwälte werden derweil versuchen, ihm ein Geständnis abzuringen, indem sie ihn zermürben, zum Beispiel mit mehrmaligen Neuverhaftungen. Japans Gerichte stützen die meisten Verurteilungen auf ein Geständnis, nicht selten auf ein erzwungenes. Liegt ein Geständnis vor, dann ignoriert der Richter mögliche Gegenbeweise, selbst wenn der Angeklagte sein Geständnis widerrufen hat. So kommt Japans Verurteilungsrate von 99,9 Prozent zustande. Unklare Fälle ohne Geständnis lassen die Staatsanwälte lieber fallen. Doch Ghosns Fall wäre dafür wohl viel zu prominent. | Carlos Ghosn vor. Was genau sie dem Automanager vorwirft, bleibt aber unklar | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/nissan-auf-wackeligen-beinen-1.4246779 | Auf wackeligen Beinen | 00/12/2018 |
"Wenn unser Rezept der expansiven Ausgabenpolitik funktioniert, dann sollten wir es in allen EU-Ländern anwenden", sagt Luigi Di Maio. Industrieminister Luigi Di Maio scheitert mit seinen Politikideen an der Realität, zuletzt mit der Ökosteuer für Autokäufer. In Luigi Di Maios Welt ist Kompetenz verdächtig. Sie gilt als Privileg, das von Eliten gegen die Bürger eingesetzt wird. Nicht auf Sachverstand kommt es beim Regieren an, sondern auf die politische Entscheidung im Interesse des Volkes. Der dogmatische Dilettantismus zwingt den 32-jährigen Studienabbrecher aber immer häufiger, seine Irrtümer geradezubiegen. Momentan plagt den Frontmann des italienischen Populismus, der zugleich Vizepremier, Industrieminister, Arbeits- und Sozialminister sowie Parteichef der Cinque Stelle ist, die Sache mit der "Pandarella". Wobei der Fiat Panda, Italiens Kleinwagen schlechthin, nur das Symbol des neuesten Missgeschicks ist. Eingebrockt hat sich Di Maio den Ärger mit der "Pandarella" in der Etatdebatte. Die Koalitionsparteien verabschiedeten einen Änderungsantrag der Cinque Stelle zur Einführung einer Ökosteuer beim Kauf von Diesel- und Benzinfahrzeugen. Sie soll in drei Jahren 900 Millionen Euro einbringen. Mit dem Geld will Di Maio den Kauf von E-Autos mit bis zu 6000 Euro subventionieren. Nun dürfte die Strafsteuer aber für 85 Prozent der Autos fällig werden, auch für den Panda, und so die Erneuerung der veralteten Flotte auf Italiens Straßen blockieren. Den Schaden hätten der Staat durch Steuerausfälle, die Umwelt und die Beschäftigten der heimischen Autoindustrie, die kein einziges Elektroauto herstellt. An der Börse stürzte der Fiat-Kurs ab. Die Gewerkschaften schimpften: "Die sozial schwächeren Schichten finanzieren die E-Autos der Reichen." Dem Minister blieb nichts anderes übrig, als in seiner Uniform aus nachtblauem Anzug und gesteiftem Hemd bei Facebook aufzutreten und eine Revision der Entscheidung zu versprechen. Er knickte diesmal nach wenigen Stunden ein. Gewöhnlich vergehen Wochen, bevor Di Maio einsieht, dass seine Politik nicht mit der Realität kompatibel ist. Die Rückzieher sind so häufig wie seine unfreiwilligen Gags. Wenn er zum Beispiel auf Auslandsmission den chinesischen Präsidenten nicht Xi, sondern Ping nennt. Oder Venezuela mit Chile verwechselt. Oder am Konjunktiv scheitert. Der Kult der Ahnungslosigkeit richtete in den ersten sechs Regierungsmonaten beträchtlichen Schaden an. Beispiel: das Zurückdrehen der Arbeitsmarktreform. Di Maio wollte Millionen befristet Beschäftigten ihre "Würde zurückgeben". Doch die verschärften Auflagen für Zeitverträge und Leiharbeit erwiesen sich als Bumerang. Die Zahl der Arbeitslosen nahm zu. Befristete Jobs wurden nicht verlängert. Aber auch deren Stabilisierung blieb meist aus. Nun warnt der Verband der Metallindustrie: Jedes dritte Unternehmen wird die zum 1. Januar auslaufenden Verträge nicht erneuern. 53 000 Beschäftigte drohen ihren Job zu verlieren. Derweil nimmt in den Umfragen auch die Popularität Di Maios ab. Der Stern des Jungstars der italienischen Politik sinkt. Den Zorn der Unternehmer zog sich Di Maio im Juli mit seiner Gegenreform des Arbeitsmarkts zu. Es folgten die Stopps für Infrastrukturprojekte. Dann trat die Regierung mit ihren Schuldenplänen den Haushaltsstreit mit der EU-Kommission los, der seit 80 Tagen das Vertrauensklima in der italienischen Wirtschaft vergiftet. Investitionen werden eingefroren, der Aufschwung brach ab, und nun gehen die Arbeitgeber gegen die wachstumsfeindliche Politik sogar auf die Barrikaden. Nur in Di Maios Welt spürt man von alldem nichts. "Wenn unser Rezept der expansiven Ausgabenpolitik funktioniert, dann sollten wir es in allen EU-Ländern anwenden", sagt der Vizepremier unbekümmert. Am Mittwoch werden ihm Norditaliens Handwerker antworten: mit einem Massenprotest in Mailand. | Industrieminister Luigi Di Maio scheitert mit seinen Politikideen an der Realität, zuletzt mit der Ökosteuer für Autokäufer. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/nahaufnahme-kult-der-ahnungslosigkeit-1.4246742 | Kult der Ahnungslosigkeit | 00/12/2018 |
Ärgerlich für Online-Shopper: Im Silicon Valley werden massenhaft Pakete geklaut - vor der Haustür. Für die Händler ist das vor allem: teuer. Wer in Deutschland gern über die Paketzustellung schimpft, dem sei versichert: Auch im amerikanischen Silicon Valley ist das Problem der letzten Meile noch nicht gelöst, selbst wenn zahlreiche Unternehmen hier an Lösungen arbeiten. Das Dilemma ist in Mountain View dasselbe, wie in Memmingen: Online-Shopping ist super, so lange das Paket aus dem Wagen des Zustellers tatsächlich in die Hände des Käufers gelangt. Das Problem der letzten Meile ist also eher eines der letzten Meter. Hier wie dort. Völlig unterschiedlich ist aber der Umgang mit diesem Problem: In Deutschland nehmen die Zusteller das Paket meistens wieder mit, wenn der Empfänger nicht zu Hause ist. Das mag den Regeln entsprechen, für den Kunden ist es das schlechteste Ergebnis. Wer sein Paket bei der Post abholen muss, kann auch gleich einkaufen gehen. In Amerika ist die größte Sorge der Zusteller und der Internetshops, dem Kunden Unbehagen zu bereiten. Also landen die Pakete immer vor der Haustür, wird schon gut gehen. Die Diebe werden Veranda-Piraten genannt In der Bay-Area, also dem Großraum aus San Francisco, Berkeley, Oakland und dem Silicon Valley, führt das dazu, dass vor vielen Häusern bis zum Abend hüfthohe Pakettürme stehen. Denn zum einen erledigen die Menschen hier bis auf die Avocados und Granatäpfel, die sie am Wochenende gern beim Schlendern über den Bauernmarkt kaufen, jede Besorgung im Internet. Und zum anderen ist kaum jemand tagsüber zu Hause, weil ja irgendwie die irren Mieten bezahlt werden müssen. Das mit der letzten Meile hieße aber wohl nicht "Problem", wenn diese Pakettürme vor den Haustüren eine Lösung wären. Zum einen ist da der Regen, zum anderen sind da Diebe. Die werden inzwischen landläufig "Porch Pirates" genannt, also Veranda-Piraten. Offizielle Zahlen gibt es nicht, weil das Piratentum in den Statistiken nicht von anderen Diebstählen unterschieden wird. Allerdings wird nirgendwo in den USA so oft die Wortkombination "Amazon Paket gestohlen" gegoogelt, wie in der Bay Area. Man kann also annehmen, dass das Problem hier besonders groß ist. Dafür spricht auch, dass die Polizei im Silicon Valley regelmäßig Lock-Pakete mit GPS-Sendern versieht, um die Diebe zu verfolgen. Verschiedenen Umfragen zufolge ist jeder vierte, manche sagen: jeder dritte Kunde schon bestohlen worden. Lokale Nachbarschaftsforen im Internet sind voll mit Berichten über gestohlene Pakete. Menschen veröffentlichen Bilder der Diebe, die sie mit Überwachungskameras gemacht haben. Helfen würden die Kameras nicht, schreibt einer: "Sie schrecken nicht ab und das einzige, was sie dir bringen, ist ein Foto des Piraten." Andere berichten von Dieben, die den Lieferwagen folgen, um zuzuschlagen, sobald das Paket abgelegt wurde. Und die Nutzer tauschen Tipps aus, wie man sich schützen kann. Einer der beliebtesten: Teure Produkte nicht mehr im Internet bestellen. Damit wird die Sache zu einem echten Problem für die Internethändler. Für sie wäre es keine gute Entwicklung, wenn die Kunden aus Angst vor Veranda-Piraten zwar Toilettenpapier und Mineralwasser bestellen, aber für Laptops und Schmuck wieder in Läden gehen. Wohl auch deshalb arbeitet Amazon fieberhaft an Lösungen für das Problem - von schlauen Türschlössern, die den Lieferanten Zugang zum Haus gewähren, bis hin zur Lieferung in die Autos der Kunden. Bis es so weit ist, ersetzen vor allem die großen Internethändler, also Amazon und Walmart, die gestohlene Ware meist umstandslos, auch wenn sie dazu nicht verpflichtet sind. Zahlen nennen beide nicht, aber die Kosten für diesen Kundenservice dürften horrend sein. Die Kulanz wiederum ist ein Problem für kleinere Händler, die ihre Waren über Amazons Marketplace vertreiben. Denn automatisch erwarten die Kunden von ihnen den gleichen Service wie von Amazon selbst. Schon bieten Anwälte und Unternehmensberater Hilfe dabei an, sich zu wehren. Immer öfter nämlich behaupten offenbar betrügerische Kunden, ein Paket sei gestohlen worden, obwohl sie es vor ihrer Haustür gefunden haben. Das ist dann wieder eine eigene Form des Piratentums. | Ärgerlich für Online-Shopper: Im Silicon Valley werden massenhaft Pakete geklaut - vor der Haustür. Für die Händler ist das vor allem: teuer. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/handel-vorsicht-piraten-1.4246818 | Vorsicht, Piraten | 00/12/2018 |
Der Oktober lief trotz Spannungen in der Handelspolitik gut für deutsche Firmen, sie verkauften viel ins Ausland. Das fünfte Rekordjahr in Folge scheint in Sicht. Deutschlands Exportunternehmen gehen trotz handelspolitischer Stürme mit Schwung ins Jahresendgeschäft. Im Oktober führten sie Waren im Wert von 117,2 Milliarden Euro aus. Das waren 8,5 Prozent mehr als im Vorjahresmonat, wie das Statistische Bundesamt am Montag in Wiesbaden mitteilte. Die Importe legten um 11,3 Prozent auf 98,9 Milliarden Euro zu. Auch gegenüber dem schwachen Vormonat gewann der Außenhandel an Tempo. "Mit einem guten Einzelergebnis meldete sich der deutsche Außenhandel im Oktober zurück und zeigte sich zum Auftakt des vierten Quartals äußerst dynamisch", sagte Holger Bingmann, der Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA). Zu dem Wachstum trugen sowohl die wichtigen europäischen Handelspartner als auch Länder außerhalb der EU bei. Größter Einzelmarkt waren die Vereinigten Staaten, trotz der vor allem von Washington angeheizten Handelskonflikte. In den ersten zehn Monaten stiegen die Ausfuhren aus Deutschland um 4,1 Prozent auf 1105,3 Milliarden Euro. Die Importe kletterten um 6,6 Prozent auf 912,8 Milliarden Euro. Der BGA rechnete zuletzt für das Gesamtjahr mit einem Exportwachstum von 3,5 Prozent. Die Branche würde damit das fünfte Rekordjahr in Folge verbuchen. Das Wachstumsziel von ursprünglich fünf Prozent hatte der Verband angesichts internationaler Handelskonflikte allerdings kassiert. Bingmann warnte daher auch vor Sorglosigkeit. "Es gibt weltweit viele Baustellen, die ein großes Risiko für den Welthandel bedeuten." Die unklare Lage beim Brexit verursacht Unsicherheit. "Sollte das Abkommen scheitern, wäre der ungeordnete Brexit fast unausweichlich - mit unabsehbaren Folgen für die europäische und britische Wirtschaft." Hinzu komme der weltweite Trend zu wirtschaftlicher Abschottung bei gleichzeitig schwächerem Wirtschaftswachstum. Auch ING-Chefvolkswirt Deutschland Carsten Brzeski sieht keinen Anlass für Euphorie. Die Oktober-Daten brächten "etwas Erleichterung" für die deutsche Exportwirtschaft nach den schwachen Sommermonaten. Allerdings sei es noch ein langer Weg, bis die Wachstumsmaschine der deutschen Wirtschaft wieder ihre volle Stärke erreichen werde. Handelskonflikte und eine Abkühlung der Weltwirtschaft hinterließen ihre Spuren. Der deutschen Elektroindustrie brachte der Oktober ebenfalls Aufwind. Die Bestellungen stiegen gegenüber dem Vorjahresmonat kräftig um 10,1 Prozent. Von Januar bis Oktober verzeichnete die Branche ein Plus von 0,9 Prozent. Während Kunden im Inland mit Bestellungen zögerten (minus 2,7 Prozent), gingen aus dem Ausland 4,0 Prozent mehr Aufträge ein. Die Produktion stieg in den ersten zehn Monaten um 3,5 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. | Der Oktober lief trotz Spannungen in der Handelspolitik gut für deutsche Firmen, sie verkauften viel ins Ausland. Das fünfte Rekordjahr in Folge scheint in Sicht. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/konjunktur-exporte-steigen-deutlich-1.4246675 | Exporte steigen deutlich | 00/12/2018 |
Sich festzulegen ist out, Besitz übrigens auch: Beim Hamburger Versandhändler Otto kann man nun nicht nur Fernseher und Waschmaschine mieten, sondern auch Möbel. Das kommt den Lebensumständen vor allem junger Menschen entgegen. Mit dem Besitz ist das ja so eine Sache. Mancher strebt danach, andere empfinden ihn als Belastung. Der Hamburger Versandhändler Otto bietet künftig die Möglichkeit an, Möbel für die eigene Wohnung nur auf Zeit zu buchen, statt sie zu kaufen. Künftig können Kunden Esstische, Stühle, Kommoden oder Betten für einen festgelegte Zeit mieten - möglich sind drei, sechs, zwölf oder 24 Monate. Nach Ablauf der Mietdauer holt das Unternehmen die Möbel wieder ab, bereitet sie auf und vermietet sie weiter. Das Angebot gilt nicht für das ganze Sortiment, sondern umfasst etwa 30 verschiedene Stücke in Einrichtungsstilen, die Otto als "Skandinavisch", "Industrial" und "Vintage" bezeichnet. Man wolle prüfen, ob der Trend zum Mieten auch bei Möbeln funktioniere, heißt es bei dem Konzern. Tatsächlich bieten mehrere große Händler seit einiger Zeit an, Produkte nur auf Zeit zu erwerben, dazu gehören neben Otto auch Tchibo, Media Markt, Saturn oder Real. Besonders bei Elektronik- und Haushaltsgeräten wie Fernseher oder Waschmaschinen findet das Angebot bisher seine Zielgruppe, auch Kinderkleidung wird offenbar gern gemietet. Im Möbelsegment ist Otto nun aber der erste der großen Händler, der die Option zur Miete anbietet. Verbraucherschützer sehen den Trend aber nicht ohne Skepsis: Sie raten beim Abschluss eines Mietvertrags, unbedingt die Haftungsbedingungen genau zu prüfen. Eine Haftpflichtversicherung, die eventuell entstandene Schäden ersetzt, sei essenziell - vor allem bei der Miete von oft sehr teuren Elektronikgeräten. Zudem sollten die Geschäftsbedingungen (AGB) genau gelesen werden und auch geprüft werden, wer denn eigentlich der Vertragspartner bei dem Mietvertrag ist. Die großen Händler arbeiten bei der Vermietung oft mit Start-ups zusammen. Bei Otto heißt es Ottonow, die Firma gehört allerdings zur Unternehmensgruppe. Ebenfalls zu empfehlen sei ein kritischer Preisvergleich: Je nach Nutzungsdauer könne die Vermietung mitunter teurer werden als der Kauf. Bei Otto wird etwa das Bett "Quadrato" für 500 Euro zum Kauf angeboten, wer über Ottonow mieten möchte, zahlt dafür laut Website zwischen 19 und 48 Euro pro Monat. Den Trend zum Mieten erklären Branchenbeobachter mit den oft schnell wechselnden Lebensumständen vor allem junger Leute - und mancher schätzt vielleicht auch einfach nur die Abwechslung. | Sich festzulegen ist out, Besitz übrigens auch: Beim Hamburger Versandhändler Otto kann man nun nicht nur Fernseher und Waschmaschine mieten, sondern auch Möbel. Das kommt den Lebensumständen vor allem junger Menschen entgegen. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/handel-esstisch-auf-zeit-1.4246820 | Esstisch auf Zeit | 00/12/2018 |
Was Betreiber von Facebooks Fan-Seiten nach dem EuGH-Urteil beachten müssen. Zusammen mit dem US-amerikanischen Konzern sind sie verantwortlich dafür, wie Daten verbreitet werden. Im Juni hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass die Betreiber von Facebooks Fanseiten zusammen mit Facebook dafür verantwortlich sind, wie Daten verarbeitet werden. Das Unternehmen hat seine Nutzungsbedingungen aktualisiert und die Berliner Datenschutzbeauftragte einen Fragenkatalog veröffentlicht, mit dem die Betreiber prüfen sollen, ob sie die gesammelten Daten rechtmäßig verarbeiten. Franziska Ladiges, Rechtsanwältin im Bereich IT bei SKW Schwarz in München, weiß, was die Fanpage-Betreiber beachten sollten. SZ: Frau Ladiges, wie sieht eine datenschutzkonforme Facebook-Fanseite aus? Franziska Ladiges: Betreiber sollten Besuchern ihrer Website oder Fanpage in jedem Fall transparent machen, welche Daten zu welchem Zweck durch wen verarbeitet werden, und sie sollten darüber aufklären, dass sie dafür die gemeinsame Verantwortlichkeit mit Facebook tragen. Die Datenschutzerklärung der Unternehmen, auf die auf jeder Webseite verlinkt werden muss, ist anzupassen. Besonders die Besucher sind zu berücksichtigen, die kein Mitglied von Facebook oder einer anderen Social-Media-Plattform sind, weil sie der Verarbeitung ihrer Daten durch Facebook nie zugestimmt haben. Dass er eine rechtmäßige Datenverarbeitung gewährleisten kann, muss der Fanseiten-Betreiber nachweisen können. Und er muss angeben, wem gegenüber Seitenbesucher ihre Rechte aus der DSGVO geltend machen können. Reicht das? Nutzt der Betreiber der Social-Media-Plattform Trackingtools, muss er nach Ansicht der Datenschutzkonferenz auch dazu eine Einwilligung der Besucher einholen. Diese Anforderung ist jedoch stark umstritten, da anonymes Tracking auch auf das berechtigte Interesse des Betreibers gestützt werden könnte. Inwieweit soll der jetzt veröffentlichte Fragenkatalog der Berliner Datenschutzbeauftragten dabei helfen? Der Fragenkatalog ist sehr detailliert und wird durch die Betreiber von Fanpages nicht ohne die Hilfe von Facebook bearbeitet werden können. Er zeigt, worauf die Aufsichtsbehörde ein besonderes Augenmerk legt. Aus dem Fragenkatalog ergibt sich, dass die Behörde davon ausgeht, dass die bislang von Facebook vorgelegte Vereinbarung nicht ausreichend ist, um Datenschutzkonformität herzustellen. Betreiber von Fanseiten sollten daher in ihre Datenschutzerklärungen detaillierte Informationen zur gemeinsamen Verarbeitung aufnehmen. Was können die Betreiber dabei alles falsch machen? Die größte Hürde dürfte noch immer sein, dass Facebook keinen Einblick in die internen Verarbeitungsvorgänge gewährt. Insofern stehen Betreiber einer Fanpage vor einem Informationsdefizit und können nicht so detailliert aufklären, wie sich einige Datenschutzbehörden das wohl vorstellen. Aber die Datenschutzerklärung sollte so transparent wie möglich über die Datenverarbeitung und die Rechte der Besucher aufklären. Drohen Sanktionen, wenn die Betreiber die Vorgaben nicht einhalten? Die zuständige Aufsichtsbehörde kann die umgehende Stilllegung der Fanseite verlangen und Bußgelder nach der DSGVO verhängen. Zu beachten ist, dass erster Ansprechpartner für die korrekte Ausgestaltung des Datenschutzes auch nach Ansicht des EuGH Facebook ist. Inwiefern sich deutsche Aufsichtsbehörden daran halten, bleibt abzuwarten. Müssen die Betreiber zusätzlich mit Abmahnungen rechnen? Abmahnungen durch Nutzer oder Konkurrenten sind aktuell nicht sehr wahrscheinlich. Zum einen gibt es inzwischen Gerichtsurteile, die die Abmahnfähigkeit von Verstößen gegen Datenschutzvorschriften verneinen (z. B. LG Bochum vom 07.08.2018, I.12 O 85/18). Zum anderen ist die Rechtslage zu Fanseiten bis zu einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts - auf dessen Vorlagefragen hatte der EuGH entschieden - nicht abschließend geklärt, sodass nicht einmal feststeht, ob es tatsächlich einen Verstoß gibt. Was raten Sie den Betreibern von Facebook-Fanseiten? Auf keinen Fall sollten Seitenbetreiber in Panik geraten und voreilig ihre Fanpage stilllegen. Viele Unternehmen nutzen ihre Fanpage, um Kunden oder Mitarbeiter zu gewinnen. In diesen Fällen wäre eine Stilllegung fatal. Wird die Fanseite nicht aktiv genutzt, ist die vorübergehende Stilllegung eine Option. Die Betreiber sollten die Entwicklung weiterverfolgen und abwarten. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts wird entscheidend dafür sein, wie es mit diesen Seiten weitergeht. Wann das Urteil kommt, ist allerdings noch nicht bekannt. | Was Betreiber von Facebooks Fan-Seiten nach dem EuGH-Urteil beachten müssen. Zusammen mit dem US-amerikanischen Konzern sind sie verantwortlich dafür, wie Daten verbreitet werden. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/facebook-eine-stilllegung-waere-fatal-1.4246791 | """Eine Stilllegung wäre fatal""" | 00/12/2018 |
Deutsche Bahn Hit By EVG Union Strike FRANKFURT, GERMANY - DECEMBER 10: A passenger passes a train with the sign 'Nicht einsteigen' (Do not board) at central station shortly after a strike by Deutsche Bahn workers on December 10, 2018 in Frankfurt/Main, Germany. The strike, launched by the EVG labor union, shut down Deutsche Bahn's S-Bahn and Regio commuter rail services as well as long distance passenger and freight rail transport across Germany today for four hours in the early morning, forcing commuters to seek alternate. (Photo by Thomas Lohnes/Getty Images) 5,1 Prozent mehr Lohn, so lautet das Angebot der Deutschen Bahn an die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG). Das klingt zunächst nach gar nicht so wenig, doch betrachtet man die Zahl genauer und setzt sie vor allem in Vergleich zu den Tariferhöhungen, die andere Branchen in diesem Jahr erreicht haben, sieht das schon etwas anders aus. Denn die Lohnerhöhung soll nicht auf einmal erfolgen, sondern in zwei Schritten: 2,5 Prozent im März 2019 und 2,6 Prozent im Januar 2020, bei einer Vertragslaufzeit von 29 Monaten. Zum Vergleich: In diesem Jahr steigen die Tariflöhne aller Branchen durchschnittlich um drei Prozent. Das hat die Tarifbilanz des Wirtschaft- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung ergeben, die am Montag veröffentlicht wurde. Berücksichtigt man lediglich die Neuabschlüsse aus diesem Jahr, ist sogar eine Lohnsteigerung von 3,5 Prozent zu verzeichnen. Das Plus aus Vereinbarungen, die in den Jahren zuvor getroffen wurden, liegt bei 2,5 Prozent. "Im Durchschnitt gibt es also spürbare Reallohnzuwächse", teilte Thorsten Schulten, Leiter des WSI-Tarifarchivs, mit. Der vorläufigen Jahresbilanz zufolge liegen diese bei voraussichtlich 1,1 Prozent, wenn man von einem durchschnittlichen Anstieg der Verbraucherpreise von 1,9 Prozent ausgeht. Höhere Löhne macht die Arbeit attraktiver Bei den Lohnsteigerungen gibt es jedoch deutliche Unterschiede, je nach Branche: Während die Tariflöhne in der Energiewirtschaft Nordrhein-Westfalen zum Beispiel durchschnittlich um 2,2 Prozent stiegen, lag der Zuwachs im ostdeutschen Bauhauptgewerbe bei 6,6 Prozent. Die Bahnmitarbeiter liegen mit einer Entgeltsteigerung von 2,6 Prozent im Jahr 2018 unter dem allgemeinen Durchschnitt von drei Prozent. Allerdings erhielten nur jene Mitarbeiter die Gehaltserhöhung, die sie auch wählten. Denn die Beschäftigten konnten alternativ auch mehr Freizeit in Anspruch nehmen. Ein Fahrdienstleiter beispielsweise, der die 2,6 Prozent gewählt hat, verdient inklusive anteiligem Weihnachts- und Urlaubsgeld zwischen 2500 und 3560 Euro brutto im Monat, je nachdem, wo er eingesetzt wird. Sein Kollege, der die Urlaubsoption gewählt hat, kommt dementsprechend auf 2440 bis 3470 Euro. Fahrdienstleiter steuern Weichen und Signale, sie sind für einen reibungslosen Zugverkehr verantwortlich. Die Tariferhöhungen werden die Bahn viel Geld kosten, sie könnten allerdings auch helfen, ein Problem des Konzerns zu lindern: den großen Personalmangel, der inzwischen auch die Servicequalität und die Pünktlichkeit beeinträchtigt. Das Unternehmen will im nächsten Jahr gut 20 000 neue Mitarbeiter einstellen. Höhere Löhne dürften helfen, mehr Interessenten für eine Arbeit bei der Bahn zu gewinnen. | Die Bahn-Angestellten streiken, weil sie deutlich mehr Gehalt wollen. Die Bahn sagt: Es gibt 5,1 Prozent mehr. Ist das viel? | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/gehaelter-was-die-bahn-im-vergleich-zu-anderen-branchen-bietet-1.4247072 | Gehälter: Was die Bahn im Vergleich zu anderen bietet | 00/12/2018 |
Hunderttausende Pendler sind von dem Streik bei der Deutschen Bahn betroffen. Wie verhältnismäßig ist der Arbeitskampf der Gewerkschaft EVG? Die Bahn kommt - mal wieder nicht. Hunderttausende Pendler waren am Montag von dem Warnstreik bei der Bahn betroffen. Unmut entlädt sich bei den Pendlern. Worum es bei dem Arbeitskampf der Gewerkschaft EVG geht und ob die Forderung nach 7,5 Prozent mehr Geld verhältnismäßig ist, erklärt Henrike Roßbach. Die Berliner SZ-Wirtschaftsredakteurinzeigt, dass die Bahn für die vielen anstehenden Neueinstellungen auch ein attraktiver Arbeitgebersein muss. Weitere Themen: EUGH: Exit vom Brexit ist möglich, Frankreich: Rede Macron angekündigt, UN-Migrationspakt verabschiedet So können Sie unseren Nachrichtenpodcast abonnieren "Auf den Punkt" ist der Nachrichtenpodcast der SZ mit den wichtigsten Themen des Tages. Der Podcast erscheint von Montag bis Freitag immer um 17 Uhr. Sie finden alle Folgen auf sz.de/nachrichtenpodcast. Verpassen Sie keine Folge und abonnieren Sie unser Audio-Angebot, etwa bei: iTunes Spotify Deezer oder in Ihrer Lieblings-Podcast-App. Sie haben Fragen oder Anregungen? Dann schreiben Sie uns: podcast@sz.de. | Hunderttausende Pendler sind von dem Streik bei der Deutschen Bahn betroffen. Wie verhältnismäßig ist der Arbeitskampf der Gewerkschaft EVG? | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/podcast-nachrichten-bahnstreik-1.4246738 | "SZ-Podcast ""Auf den Punkt"" - Nachrichten vom 10.12.2018" | 00/12/2018 |
Ein Plastiksammler im Slum Dandora in Kenias Hauptstadt Nairobi. Die Umweltverschmutzung durch die Überreste von Konsumgütern ist nicht nur auf dem afrikanischen Kontinent eine der großen Herausforderungen. Auf Verantwortung und wissenschaftliche Erkenntnis gibt manch ein Staats- oder Regierungschef schon länger nichts mehr. Bei der Klimakonferenz in Kattowitz muss Europa sich neue Verbündete suchen. Die Erleichterung über den Klimavertrag von Paris war kaum in Worte zu fassen. Jahrelang hatten die Staaten über ein Abkommen verhandelt, das alle Länder zum Klimaschutz verpflichtet. Als es im Dezember 2015 verabschiedet wurde, war der Jubel so groß, dass seine Schwächen darin untergingen. Etwa, dass der Vertrag zwar Ziele für den Klimaschutz aufstellte, die Wege dorthin aber nur grob umschrieb. Dass er auf freiwilligen Anstrengungen der Staaten beruhte, aber offenließ, wie sie den Erfolg dieser Anstrengungen messen und dokumentieren würden. Es ließ sich nicht alles auf einmal regeln, aber an gutem Willen mangelte es ja nicht. Damals. Drei Jahre später hat sich die Welt dramatisch verändert. Im polnischen Kattowitz treffen sich in dieser Woche Minister aus aller Welt, sie sollen das Herzstück des Pariser Abkommens schaffen: jenes exakte Regelwerk, für das 2015 keine Zeit mehr war. Doch in Washington regiert nun Donald Trump, und in Brasília wird bald sein Geistesbruder Jair Bolsonaro übernehmen. Die beiden reden einem Nationalismus das Wort, in dem ein multilaterales Abkommen keinen Platz hat, nicht mal für ein Umweltproblem, das alle nationalen Grenzen sprengt. Überall in Europa stellen Populisten den Multilateralismus infrage, mitunter sogar den Klimawandel selbst. In Österreich etwa hat der Vizekanzler von der FPÖ es zur "offenen Frage" erklärt, inwieweit der Mensch das Klima beeinflussen kann. Solidarität, Verantwortung, wissenschaftliche Erkenntnis - all das scheint plötzlich wertlos geworden zu sein. Wer Kinder oder Enkelkinder hat, muss sich um deren Zukunft Sorgen machen. Sie werden den Klimawandel in all seinen Formen und Facetten zu spüren bekommen. Entgegen allen Beteuerungen und guten Absichten steigen die globalen Treibhausgas-Emissionen wieder an, folgerichtig auch deren Konzentration in der Atmosphäre, mithin die Temperatur und das Risiko von Katastrophen, unter denen der heiße Sommer 2018 noch eine der harmloseren gewesen sein dürfte. Am härtesten wird es die treffen, die mit und von der Natur leben, denen die Mittel fehlen, sich zu schützen oder Vorsorge zu treffen. Es zählt zu den größten Ungerechtigkeiten auf der Welt, dass diese Ärmsten der Armen zugleich diejenigen sind, die für den Klimawandel am wenigsten können. Ob der Klimawandel immer dramatischere Ausmaße annimmt, hängt nicht zuletzt von der Konferenz in Kattowitz ab. Und hier kommt es vor allem auf die Europäer an. Zusammen mit den Kanadiern sind sie in der industrialisierten Welt mittlerweile die letzten, die sich ihrer Verantwortung stellen und auf klare, harte Regeln für den Pariser Klimavertrag drängen können. Nur so lässt sich verhindern, dass sich nur einige wenige für den Klimaschutz anstrengen, während der Rest weitermacht wie bisher. Schwierigster Gegenspieler der Europäer sind die Chinesen. Sie geben sich als Freunde des Klimaabkommens, aber das nur nach ihren eigenen Regeln: Sie sehen kontrollbewehrte Pflichten vor allem für andere Staaten vor. China, der größte Problemfall für das Weltklima, betrachtet sich nach wie vor als Entwicklungsland, das aufholen muss. Zu diesem Aufholprozess zählt, dass Peking daheim Kohlekraftwerke stilllegt, in Afrika aber neue Anlagen hochzieht, als gäbe es kein Morgen. Für die Europäer steht in Kattowitz mehr auf dem Spiel als ein paar Regeln: Es droht ein Drei-Klassen-Klimaschutz, in dem die Europäer selbst die meisten Pflichten haben, Staaten wie China und Indien laxe Regeln befolgen und die USA und Brasilien gar keine. Das würde nicht nur das Pariser Abkommen aushöhlen, sondern auch den Klimaschutz in Europa schlechthin. Niemand litte mehr unter dieser Niederlage des Multilateralismus als die EU, die ein multilaterales Gebilde ist. Die Klimapolitik gerät an den Scheideweg In dieser ernsten Lage fallen wichtige Verbündete aus. Brasilien war bisher Bindeglied zwischen Industriestaaten und Schwellenländern. Doch seit der Wahl des Rechtspopulisten Bolsonaro sind diese sonst so konstruktiven Verhandler verstummt. Und die USA empfanden sich immer als Chinas Gegenspieler in der Klimapolitik, drängten auf gleiche Regeln für alle, auf maximale Transparenz. Ein Staat aber, der selbst aus dem Abkommen austreten will, kann kaum noch glaubhaft für dessen Schlagkraft eintreten. So gerät die Klimapolitik in Kattowitz an den Scheideweg. Die Europäer werden nur dann strenge Regeln durchsetzen können, wenn sie eine breite Allianz bilden: mit den Willigen unter den Industriestaaten, aber vor allem auch mit den Opfern der Erwärmung, mit Inselstaaten und den besonders verletzlichen Entwicklungsländern. Die Europäer werden bis ans Äußerste gehen, ein Scheitern der Konferenz riskieren müssen. Denn wenn sie sich nicht durchsetzen, verliert ihre Klimapolitik große Teile ihrer Legitimation. Dumm nur, dass sich manche in der EU genau das wünschen - womöglich sogar die polnischen Gastgeber der Konferenz. | Auf Verantwortung und wissenschaftliche Erkenntnis gibt manch ein Staats- oder Regierungschef schon länger nichts mehr. Bei der Klimakonferenz in Kattowitz muss Europa sich neue Verbündete suchen. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/klima-klimawandel-erderwaermung-1.4245541 | Der Welt droht ein Drei-Klassen-Klimaschutz | 00/12/2018 |
Störungen, Baustellen, Personalmangel und jetzt: Streik. Die Misere der Bahn ist offenkundig. Die Maßnahme der Gewerkschaft geht trotzdem zu weit. "Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was verzählen", dichtete Matthias Claudius im späten 18. Jahrhundert. Die Eisenbahn meinte er damit naturgemäß nicht, heute aber ist die Deutsche Bahn unangefochten die Nummer eins, was Reiseanekdoten angeht. Leider sind es allzu oft wenig erbauliche. Inzwischen gehört zu jeder Ankündigung einer Bahnreise der Zusatz: Wenn alles klappt. Und wenn einen der Staatskonzern tatsächlich einmal reibungslos von A nach B gebracht hat, empfindet man das geradezu als Wunder. Die Hürden zwischen dem Start- und Zielbahnhof scheinen unüberwindlich: kaputter Zug, ausgefallener Zug, fehlender Lokführer, Signalstörung, Weichenstörung, Störung im Betriebsablauf, Baustelle. Hinzu kommen die Unannehmlichkeiten, die Zugfahrer jenseits der Pünktlichkeit ertragen müssen: geschlossene Bordbistros, gesperrte Toiletten, umgekehrte Wagenreihung, ausgefallene Reservierungssysteme, nicht öffnende Türen. So kann es nicht weitergehen, das wissen alle. Das wissen die Manager im gläsernen Bahn-Tower am Potsdamer Platz in Berlin. Das wissen die Verkehrspolitiker im Bundestag, den man vom Bahn-Turm aus sehen kann, das weiß der Bundesverkehrsminister - und das wissen die Mitarbeiter der Deutschen Bahn samt der Gewerkschaften, die ihre Interessen vertreten. Sie ziehen nur alle zum Teil deutlich unterschiedliche Schlüsse aus der Misere. Die Verkehrsgewerkschaft EVG hat sich dafür entschieden, ihre Macht voll auszuspielen. Dass es mies läuft, liegt ihrer Meinung nach in erster Linie an zu wenig Personal und das wiederum an zu wenig attraktiven Arbeitsbedingungen. Letzteres will sie nun unbedingt ändern, daran lässt der Warnstreik keinen Zweifel. Damit es keine Missverständnisse gibt: Die Bahn hat wirklich zu wenige Leute, und Warnstreiks sind legitime Mittel im Tarifstreit. Erlaubt sein muss aber auch der Blick auf den Stein des Anstoßes. Und der ist im Fall des EVG-Warnstreiks wohl eher ein Kiesel. Im Vergleich mit anderen Branchen stünden die Bahner nicht schlecht da 7,5 Prozent mehr Geld verlangt die EVG, zusätzlich sollen die Bahn-Mitarbeiter noch mehr als bisher die Möglichkeit haben, zwischen mehr Geld oder mehr Freizeit zu wählen. Insgesamt umfasst ihr Forderungskatalog 37 Punkte, und nach der dritten Verhandlungsrunde hatte sie verkündet, die meisten bereits durchgesetzt zu haben. Die vierte Runde scheiterte dann aber trotzdem spektakulär; an - wie die EVG freimütig vorrechnet - einem Prozentpunkt zu wenig Geld und der Forderung der Bahn, der neue Tarifvertrag solle 29 statt 24 Monate laufen. 5,1 Prozent mehr Geld hatte die Bahn angeboten, plus einmalig 500 Euro. Damit stünden die Bahner nicht schlecht da gemessen an dem, was zuletzt in Tarifverhandlungen im Schnitt drin war. Natürlich darf die EVG unzufrieden sein, dass die Bahn sich ihre Forderung nicht vollständig zu eigen gemacht hat. Ob das allerdings gleich einen Warnstreik mit derart gravierenden Folgen für Millionen Pendler und Reisende rechtfertigt, darf man getrost bezweifeln. Denn die haben vermutlich schon genug Anekdoten gesammelt. | Störungen, Baustellen, Personalmangel und jetzt: Streik. Die Misere der Bahn ist offenkundig. Die Maßnahme der Gewerkschaft geht trotzdem zu weit. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/deutsche-bahn-streik-1.4246862 | Deutsche Bahn: So kann es nicht weitergehen | 00/12/2018 |
Die Drogeriemarktkette Müller wirbt in diesen Tagen am Eingang mancher Filialen mit einer ungewöhnlichen Aktion um Kunden: "Jetzt Ihren 10% Coupon von Rossmann, dm und Douglas einlösen und 15 % Rabatt auf das gesamte Müller-Sortiment erhalten", steht auf einem Plakat vor den Läden. Das Angebot ist eine freundlich formulierte Kampfansage an die Konkurrenz. Sie schenken sich seit jeher nichts, die Drogeriemärkte in Deutschland. Branchenführer dm schickt nach wie vor seine Mitarbeiter zu Rossmann, um dort besonders günstige Angebote einzusacken und sie ins eigene Regal zu stellen. Scharmützel um den günstigsten Preis liefert sich dm auch mit Aldi. Derzeit wetteifern sie darum, wer die günstigsten Bio-Produkte hat. Dem Kunden kann der Dauerpreiskampf recht sein, wobei er genau hinschauen sollte, denn für andere Artikel steigen die Preise. Auch bei Rabatt-Coupons, die einen Preisnachlass versprechen, lohnt es sich, genau hinzuschauen, nicht immer spart man mit den Gutscheinen auch wirklich Geld. Eher geht es den Händlern darum, die Kunden an sich zu binden oder sie überhaupt erst anzulocken. Für die Hersteller haben die Gutscheine den Vorteil, Restposten loszuschlagen. Rund um die zahllosen Boni- und Treue-Programme hat sich eine findige Industrie entwickelt, die mit dem Spartrieb der Verbraucher spielt. Müllers Angebot hat rein rechnerisch wenig Sinn. Wenn der Drogist aus Ulm die Ware noch stärker rabattiert als die Konkurrenz, könnte das Geschäft am Ende Löcher in die eigene Kasse reißen. Handelsexperte Jochen Krisch kalauert auf Twitter, Rossmann und dm sollten doch direkt vor den Müller-Filialen Zehn-Prozent-Gutscheine ausgeben. "Mal sehen, wie lange Müller das durchhalten würde." Bis zur Pleite? Der Rabattklau unter den Händlern ist durchaus legal. Rossmann und dm lösen je nach Kulanz in der Filiale auch die Coupons des jeweils anderen ein. dm wandelt die Fremd-Coupons sogar in "11-fach Payback-Punkte" um, dem größten Kundenbindungsprogramm in Deutschland mit 29 Millionen Nutzern. "Zum Vorteil der Kunden", sagt ein Sprecher. Der Vorteil für das Unternehmen besteht darin, dass es dann wichtige Daten über das Kaufverhalten der Kunden erhält. Rechtlich ist an dem Coupontausch nichts einzuwenden, vorausgesetzt, der Kunde wird nicht beschwindelt. Der Gutschein muss auch tatsächlich eingelöst werden, so entschied es der Bundesgerichtshof (BGH) vor zwei Jahren. Schon damals hatte Müller mit Rossmann-Coupons geworben, die zehn Prozent Rabatt dem Kunden dann aber an der Kasse nicht gewährt. Der Kunde beschwerte sich, die Wettbewerbszentrale beanstandete die irreführende Werbung mit der Einlösung fremder Coupons. Der BGH entschied, der Drogist müsse, wenn er mit fremden Coupons Kunden werbe, explizit darauf hinweisen, dass diese nicht in jeder Filiale eingelöst werden könnten. Müller verpflichtete sich, darauf hinzuweisen, wenn die Coupons nicht überall gültig sind. Wenn Kunden beispielsweise über den Filialfinder im Internet einen Müller-Drogeriemarkt suchen, muss dann klar sein, ob der Rabatt dort zu haben ist oder nicht. Falls nicht, kann sich der Kunde den Weg in die Filiale sparen. Aus Kundensicht stellt sich freilich die Frage, worauf der Rabatt gegeben wird? Auf einen überhöhten Preis? So wie das inzwischen leider gängige Praxis ist? Dann könnte der Kunde getrost darauf verzichten. | Ketten wie dm oder Rossmann bieten zehn Prozent Rabatt. Müller nimmt die Coupons entgegen - und erhöht auf 15. Klingt nach Vorteilen für die Kunden, doch die sollten genau hinschauen. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/mueller-drogerie-rabatt-1.4245259 | Müller wirbt mit Rabatt-Coupons von dm | 00/12/2018 |
Europäische Verbraucherschützer wollen Airlines, die die sogenannte No-Show-Regel nutzen, zu Änderungen zwingen. Bei den Fluggesellschaften verfällt das Ticket, wenn der Hinflug nicht angetreten wurde. Die europäischen Verbraucherverbände haben eine breit angelegte Initiative gegen die bei vielen Fluggesellschaften üblichen sogenannten No-Show-Klauseln gestartet. Der europäische Verbraucherverband BEUC forderte die EU-Kommission in einem Brief dazu auf, die Klauseln zu verbieten. Auch auf Länderebene drängt der Dachverband die Fluggesellschaften, die Regelungen zu ändern, KLM Royal Dutch Airlines soll in Griechenland und den Niederlanden verklagt werden. Und darum geht es: Bei vielen Fluggesellschaften verfällt automatisch auch der Rückflug, wenn ein Passagier den Hinflug nicht angetreten hat. BEUC-Chefin Monique Goyens hält dies für unfair. "Der Passagier hat für die Tickets bezahlt und erwartet, dass er sie auch nutzen kann. Es kann sein, dass man den Hinflug verpasst hat oder eine bessere Möglichkeit gefunden hat, ans Ziel zu kommen. Es gibt keine Entschuldigung für die Fluggesellschaften, dann auch den Rest des Tickets zu stornieren." Die No-Show-Regel hängt mit der komplexen Art und Weise zusammen, wie Fluggesellschaften Preise bestimmen. Der Preis hängt von einer Unzahl von Faktoren ab, unter anderem dem Zeitpunkt der Buchung und der Streckenführung. Tickets für die einfache Strecke werden oft zu höheren Preisen verkauft als etwa Hin- und Rückflug oder mehrere kombinierte Strecken zusammen. Mit den Klauseln wollen die Airlines unter anderem verhindern, dass Passagiere Billigtickets buchen, aber nur die im Einzelverkauf teurere Route nutzen, während die für sie reservierten Sitze auf den übrigen Strecken nicht mehr zu höheren Preisen vermarktet werden können. Aber nicht jede Airline verfährt mit den Klauseln gleich. Die Lufthansa, mit weitem Abstand Marktführer in Deutschland, etwa storniert das Ticket nicht, berechnet aber den Flugpreis, der am Tag der Buchung für die tatsächliche Streckenführung fällig gewesen wäre. Wer ein flexibles Ticket hat und den Hinflug nicht angetreten hat, kann sich den Flugpreis ganz erstatten lassen. Der BEUC kritisiert neben der Existenz der Klauseln auch, dass diese in den Beförderungsbedingungen versteckt seien. Viele Passagiere kreuzten am Flughafen auf und seien schockiert, wenn sie nur einsteigen dürfen, wenn sie ein neues Ticket kaufen oder eine teure Zusatzgebühr entrichten. | Europäische Verbraucherschützer wollen Airlines, die die sogenannte No-Show-Regel nutzen, zu Änderungen zwingen. Bei den Fluggesellschaften verfällt das Ticket, wenn der Hinflug nicht angetreten wurde. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/flugverkehr-no-show-regel-schlicht-unfair-1.4245265 | "No-Show-Regel ""Schlicht unfair""" | 00/12/2018 |
Ein bundesweiter Streik hat am Montag weite Teile des Bahnverkehrs in Deutschland lahm gelegt. Die Deutsche Bahn musste zeitweise den gesamten Fernverkehr und Teile des Regionalverkehrs einstellen. Der Ausstand, zu dem die Gewerkschaft EVG bundesweit aufgerufen hatte, ist seit neun Uhr beendet. Der Zugverkehr läuft langsam wieder an. Es müsse allerdings noch während des ganzen Tages mit Verspätungen und Ausfällen im Fernverkehr gerechnet werden, teilte das Unternehmen mit. Die Bahn empfiehlt ihren Kunden dringend, Reisen auf den Dienstag zu verschieben. Alle Tickets behielten ihre Gültigkeit, Zugbindungen seien aufgehoben - auch für den Dienstag. Betrifft Sie der Bahnstreik? Dann schreiben Sie uns! Frieren Sie am Bahnsteig oder stecken Sie im ICE fest? Dann schreiben Sie uns und erzählen, wie Ihre Odyssee am heutigen Montag aussieht. Die Streiks betreffen in vielen Bundesländern auch den Regionalverkehr. In Bayern fuhr am Montagmorgen nahezu kein Zug mehr, auch in Nordrhein-Westfalen stand der Regionalverkehr weitgehend still. In Städten wie Berlin oder Frankfurt fuhr zeitweise keine S-Bahn mehr. Die EVG hat ihre Mitglieder in ganz Deutschland zu dem Ausstand aufgerufen und dabei keinen regionalen Schwerpunkt gesetzt. Die Gewerkschaft hatte zuvor die Tarifverhandlungen mit der Bahn nach zweimonatigen Verhandlungen abgebrochen. Sie will erst wieder verhandeln, wenn die Deutsche Bahn ein neues Angebot vorlegt. Der Vorschlag der Bahn beinhaltete eine Lohnerhöhung von 5,1 Prozent in zwei Stufen für einen Zeitraum von 29 Monaten sowie eine Einmalzahlung von 500 Euro. Mitarbeiter sollten die Möglichkeit bekommen, statt mehr Geld mehr Freizeit zu wählen, allerdings erst ab 2021. Die Bahn spricht von einer "völlig überflüssigen Eskalation". Die Gewerkschaft GDL, die den Bahnverkehr beispielsweise 2015 mit Streiks zum Erliegen gebracht hatte, setzt weiter auf Verhandlungen mit der Bahn. Nach Ansicht der kleineren Lokführer-Gewerkschaft liege der Grund für den Streik der Kollegen nicht in den Tarifverhandlungen. Er glaube, die EVG wolle auch mal zeigen, dass sie streiken könne, witzelte GDL-Chef Claus Weselsky am Sonntag. Ihr Ausstand treffe jedoch ein Unternehmen, das angesichts des Sparkurses schon geschwächt sei. "Da muss man als Gewerkschaft auch ein bisschen Rücksicht nehmen." Die Bahngewerkschaft EVG droht allerdings schon mit weiteren Warnstreiks, sollte die Deutsche Bahn kein deutlich besseres Angebot für Tariferhöhungen auf den Tisch legen. "Wir erwarten von der Bahn ein substanziell besseres Angebot", sagte EVG-Sprecher Uwe Reitz im ARD-"Morgenmagazin". | Die Bahn muss den gesamten Fernverkehr einstellen, in vielen Regionen fällt auch der Nahverkehr aus. Hunderttausende Reisende sind betroffen. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/bahn-streik-montag-1.4246554 | Bahn-Warnstreik: Fernverkehr eingestellt | 00/12/2018 |
Militärfahrzeuge und Hubschrauber in Bewegung während einer Parade etwa 80 Kilometer nördlich der Stadt Tschita in Ostsibirien. Die weltweite Produktion von Rüstungsgütern ist 2017 zum dritten Mal nacheinander gestiegen. Wie das Internationale Friedensforschungsinstitut in Stockholm (Sipri) mitteilte, belief sich der Verkauf von Waffen- und Militärdiensten der 100 weltweit größten Rüstungsunternehmen im vergangenen Jahr auf 398,2 Milliarden US-Dollar (350 Mrd. Euro). Das waren 2,5 Prozent mehr als im Jahr zuvor. "Viele Länder modernisieren ihre Waffensysteme", erklärte Sipri-Expertin Aude Fleurant den Anstieg. Die Spannungen in bestimmten Ländern und Regionen hätten zudem die Nachfrage nach moderneren Systemen steigen lassen. Die Forderungen der USA, die europäischen Länder sollten einen größeren Nato-Beitrag leisten, sei an den Daten allerdings noch nicht ablesbar. US-amerikanische Unternehmen stehen nach wie vor an der Spitze der weltweiten Rüstungsproduzenten. "US-Unternehmen profitieren direkt von der anhaltenden Nachfrage des US-Verteidigungsministeriums nach Waffen", sagte Fleurant. Grund für den russischen Zuwachs sind Sipri zufolge die Probleme mit den USA Russische Konzerne steigerten ihre Produktion um 8,5 Prozent - mit einem Gesamtanteil von nunmehr 9,5 Prozent an den weltweiten Rüstungsproduzenten verdrängte das Land Großbritannien vom zweiten Platz in dem Ranking. Fleurant sagte dazu: "Es gibt zunehmend Spannungen zwischen den USA und Russland, und das kann zu erhöhten Ausgaben für den Waffenerwerb führen." Die 24 Rüstungsunternehmen in Westeuropa steigerten ihren Absatz auf 94,9 Milliarden US-Dollar (83,7 Mrd. Euro). Sie beherrschen damit knapp ein Viertel des Marktes. Großbritannien bleibt der größte europäische Waffenlieferant. Die vier deutschen Rüstungskonzerne erhöhten ihre Produktion um 10 Prozent. Nach der Tötung des regierungskritischen saudischen Journalisten Jamal Khashoggi hatte Deutschland zuletzt mit einem vollständigen Rüstungsexportstopp in das Land reagiert. Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums sollen aus Deutschland nun auch keine Waffen oder anderen Rüstungsgüter mehr nach Saudi-Arabien ausgeliefert werden, deren Export bereits genehmigt wurde. Der Rüstungskonzern Rheinmetall beliefert das Land jüngsten Medienberichten zufolge aber offensichtlich weiter mit Munition - und zwar über Tochterfirmen in Italien und Südafrika. | Im letzten Jahr wurden Waffen im Wert von fast 400 Milliarden Dollar verkauft, 2,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Vor allem Russland rüstet weiter auf. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ruestungsproduktion-waffen-russland-1.4246559 | Sipri-Bericht - Rüstungsproduktion steigt weltweit an | 00/12/2018 |
"Alle Euro-Staaten haben zurzeit ein Defizit unter drei Prozent. Darauf können wir doch stolz sein": Mário Centeno, Präsident der Euro-Gruppe. Mário Centeno, der Präsident der Euro-Gruppe, über Lehren aus der Krise und die Frage, warum es eine Einlagensicherung für die Währungsunion braucht. Wenn die Staats- und Regierungschefs diese Woche zum EU-Gipfel kommen, wollen sie von ihm wissen, wie der Euro krisenfester werden soll: Als Präsident der Euro-Gruppe wird der portugiesische Finanzminister Mário Centeno über die neuen Reformpläne berichten. Ein Gespräch über deutsche Bedenken, italienische Befindlichkeiten und so manch lange Nacht in Brüssel. | Mário Centeno, der Präsident der Euro-Gruppe, über Lehren aus der Krise und die Frage, warum es eine Einlagensicherung für die Währungsunion braucht. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/montagsinterview-wir-mussten-es-auf-die-harte-tour-lernen-1.4245249 | """Wir mussten es auf die harte Tour lernen""" | 00/12/2018 |
In der Abgasaffäre bei Volkswagen hat Aufsichtsratschef Hans-Dieter Pötsch als Beschuldigter nach Informationen von SZ, NDR und WDR zwei Mal umfassend bei der Staatsanwaltschaft Braunschweig ausgesagt. Das ist ungewöhnlich, da Top-Manager bei solchen Skandalen in der Regel lange warten, bevor sie persönlich Fragen der Strafverfolger beantworten. Oft nehmen sie nur schriftlich Stellung und lassen sich gar nicht vernehmen. Pötsch ist zur Staatsanwaltschaft gegangen, obwohl er als Beschuldigter das Recht hat, die Aussage zu verweigern. Er hat bei den Ermittlern alle Vorwürfe dementiert. Pötsch hat mit seinen Aussagen einen anderen Kurs eingeschlagen als der langjährige Vorstandschef Martin Winterkorn und der heutige Konzernchef Herbert Diess. Winterkorn und Diess haben der Staatsanwaltschaft bisher nicht angeboten, zu einer Vernehmung zu kommen. Gegen die beiden und gegen Pötsch wird wegen des Verdachts ermittelt, sie hätten die VW-Aktionäre zu spät über drohende finanzielle Folgen der Abgas-Affäre informiert. Pötsch war damals noch Finanzvorstand von Volkswagen. Alle drei Beschuldigten werden durch die Aussagen von VW-Beschäftigten schwer belastet. Winterkorn und Diess weisen ebenso wie Pötsch den Vorwurf zurück, sie hätten frühzeitig von den Abgas-Manipulationen bei Diesel-Fahrzeugen in den USA und dort drohenden Schadenersatzzahlungen und Strafen in Milliardenhöhe erfahren. Das gilt auch für die Aussage eines VW-Juristen, der als Zeuge bei der Staatsanwaltschaft angegeben hat, er habe Pötsch bei dem Termin am 29. Juni 2015 darüber unterrichtet, dass es sich um 600 000 Fahrzeuge auf dem US-Markt handele und dies den Konzern bis zu 35 Milliarden Dollar kosten könne. VW erklärte auf Anfrage, man weise die Zeugenaussage des Juristen "nachdrücklich als unzutreffend zurück". Öffentlich bekannt geworden waren die Abgas-Manipulationen und die drohenden Strafen in Milliardenhöhe erst am 18. September 2015 durch eine Pressemitteilung der US-Umweltbehörde Epa. Daraufhin war der Aktienkurs von VW abgestürzt. Zahlreiche Aktionäre verklagen den Autokonzern nunmehr auf fast zehn Milliarden Euro Schadenersatz. Ob sich Winterkorn und Diess von der Staatsanwaltschaft vernehmen lassen, ist offen. Ihre Anwälte wollen erst einmal schriftlich Stellung nehmen. | Ungewöhnlicher Vorgang in der Diesel-Affäre: VW-Aufsichtsratschef Pötsch ist zum Staatsanwalt gegangen. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/diesel-affaere-gang-zum-staatsanwalt-1.4245263 | Diesel-Affäre - Gang zum Staatsanwalt | 00/12/2018 |
Die Weihnachtszeit ist die Zeit der Wunder, aber es wäre schon ein sehr großes Wunder nötig, damit das britische Parlament am Dienstag für das Austrittsabkommen stimmt. Zahlreiche Brexit-Enthusiasten bei den regierenden Konservativen wollen ihre Unterstützung verweigern für den Vertrag, auf den sich London und Brüssel in quälend langen Verhandlungen geeinigt haben. Premierministerin Theresa May wird bereits gedrängt, die historische Abstimmung zu verschieben. Doch die Zeit ist knapp: In weniger als vier Monaten verlassen die Briten die EU. Eine Verschiebung würde zudem nichts an den Streitpunkten ändern. Dieses Gewürge hat schlimme Folgen für die Wirtschaft, für Arbeiter und Verbraucher: Die Unternehmer hoffen, dass am Dienstag endlich die Ungewissheit endet, was nach dem Austritt am 29. März geschieht. Die Ungewissheit, welche Regeln dann für Geschäfte mit dem wichtigsten Handelspartner, den EU-Staaten, gelten werden, belastet die Firmen seit zweieinhalb Jahren, seit dem Referendum. Aber die Brexit-Rebellen in Mays Partei verweigern den Managern die erlösende Sicherheit. Stattdessen blockieren diese Rechtgläubigen das Abkommen. Sie klagen, May habe zu viele Zugeständnisse gemacht, und verlangen Nachverhandlungen. Dabei nehmen sie in Kauf, dass Großbritannien ohne Vertrag aus der EU kracht - mit übelsten Konsequenzen. Dieses Spiel mit dem Feuer ist verantwortungslos. Zumal klar ist, dass die EU keinen besseren Deal anbieten wird. Die Mitgliedstaaten haben sich mühsam auf fast 600 Seiten voll ausgefeilter juristischer Formulierungen geeinigt. Dieses Paket wird nicht wieder aufgeschnürt. Möglich sind höchstens kosmetische Änderungen, unverbindliche, schöne Worte. Den Brexit-Fanatikern in der gespaltenen Konservativen Partei sind jedoch die Folgen ihres Handelns egal. Sie nutzen die Abstimmung für Schaufenster-Politik. Sie sind gegen den Vertrag, dies ist nicht ihr Brexit: Diese Botschaft wollen sie verbreiten, für Wähler, für die Parteibasis und für die Geschichtsbücher. Ideologie siegt über Pragmatismus, und das Land zahlt den Preis dafür. Dabei galten die Konservativen, die Tories, lange als Partei der wirtschaftlichen Vernunft im Königreich. Allerdings hat die über Jahre gehegte und gepflegte EU-Feindlichkeit großer Teile der Partei diese Vernunft vernebelt. Die Brexit-Fans wollen sich von Mays Abkommen distanzieren, weil der Vertrag ihr Lügengebäude einstürzen lässt. Vor der Volksabstimmung behaupteten sie, der Austritt bringe Freiheit von Brüsseler Regeln und Kontrolle über EU-Einwanderung. Der reibungslose Handel mit dem Festland werde aber nicht leiden, die Wirtschaft werde von der Scheidung sogar profitieren. Diese hehren Versprechungen kollidierten schnell mit der Realität. Vollkommen erwartbar besteht die EU darauf, dass nur solche Länder die Vorteile des gemeinsamen Binnenmarktes und der Zollunion genießen, die sich auch an die Regeln halten: Regeln, auf die London nach dem Brexit keinen Einfluss mehr hat. Premierministerin May zauderte lange, womöglich zu lange. Sie scheute eine ehrliche Debatte darüber, welchen wirtschaftlichen Preis der Brexit, der vage Traum von der Freiheit, wirklich wert ist. Schließlich entschied sie sich vernünftigerweise für eine enge Anbindung an Brüssel, um Zollkontrollen an der Grenze und Bürokratie für Exporteure zu verhindern. Blockiert das Parlament den Vertrag, droht dagegen ein ungeregelter Austritt. Die vereinbarte Übergangsphase, in der sich für Firmen fast nichts ändern soll, fiele weg. Stattdessen würden nach dem 29. März Zölle und Grenzkontrollen eingeführt. Das Königreich und die verbleibenden EU-Staaten sind darauf nicht vorbereitet; an den Häfen käme es zu Chaos und Staus. Der stete Nachschub an Zulieferteilen für Fabriken, an Lebensmitteln für Supermärkte würde unterbrochen. Die große Mehrheit der Parlamentarier ist gegen so einen Kamikaze-Brexit. Nach einer Niederlage im Unterhaus würde London daher versuchen, das Desaster abzuwenden: Die Regierung könnte den Vertrag mit kosmetischen Änderungen noch einmal zur Abstimmung stellen. Oder Brüssel um die Verschiebung des Austritts bitten. Die Brexit-Rechtgläubigen hätten mit ihrer Ablehnung dann nichts gewonnen. Doch leider gehören Pragmatismus und Vernunft nicht zu den Stärken von Fanatikern. | Am Dienstag kommt für Großbritannien und Brexit-Enthusiasten die Stunde der Wahrheit. Es droht das Chaos. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/kommentar-fanatismus-schlaegt-vernunft-1.4245257 | Kommentar - Fanatismus schlägt Vernunft | 00/12/2018 |
Mit jeder Klimakonferenz wächst der Druck ein bisschen mehr. Manche sagen, es gehe nicht schnell genug. Andere sind optimistischer: Wenigstens tut sich etwas. Wenigstens hat sich in der Finanzindustrie endlich herumgesprochen, dass ohne deren Beitrag zum Klimaschutz nicht genügend Geld zusammenkommen wird, um die Erderwärmung zu begrenzen. Zwar führe die EU den Kampf für den Klimaschutz an, sagte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in diesem Jahr. Um aber die Pariser Klimaziele zu erreichen, müsse auch "Europas Finanzsektor den grünen Wandel anführen und unsere Union zum weltweiten Bezugspunkt für nachhaltige Investitionen machen." | Wer in ethisch-ökologisch korrekte Projekte investieren will, hat immer mehr Indexfonds zur Auswahl - vor allem aktiv gemanagte Fonds. Aber man sollte aufpassen. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/geldanlage-saubere-welle-1.4245267 | Süddeutsche.de | 00/12/2018 |
Eine Überweisung zu tätigen muss längst nicht mehr kostenlos sein. In den vergangenen Jahren haben sich die Banken unterschiedlichste Preismodelle überlegt, um in zinslosen Zeiten mit dem Girokonto Geld zu verdienen. Bei der einen Bank kostet der Geldtransfer in Papierform 2,50 Euro, beim anderen Anbieter fallen 25 Cent am SB-Schalter an, beim dritten sind es neun Cent für die SMS-Tan. Und die Sofortüberweisung, die kostet 25 Cent. Natürlich nur im günstigsten Kontomodell, im teuersten ist sie im Preis inklusive. Alles klar? Gerade weil es für Verbraucher so kompliziert ist, die Kontomodelle und Kosten der Banken zu vergleichen, müssten sie bereits seit knapp sechs Wochen auf eine kostenfreie und zertifizierte Vergleichswebseite für Girokonten zugreifen können. So sah es die EU in einer Richtlinie vor, und so wollte die Bundesregierung das Gesetz bis zum 31. Oktober in Deutschland umsetzen. Doch die Seite existiert bis heute nicht - aus einem kuriosen Grund: Es hat sich über Monate hinweg keine Prüfstelle wie TÜV oder Dekra gefunden, die die Vergleichsplattformen zertifizieren wollte. Jetzt scheint sich zwar etwas zu tun, doch es bleibt unklar, wann die Website online gehen wird. Die Bundesregierung hatte sich gegen ein staatliches Angebot und für ein privatwirtschaftliches Modell ausgesprochen, das bekannte Vergleichsplattformen wie Check24 oder Verivox betreiben können sollen. Diese haben Interesse signalisiert, müssen aber bestimmte Regeln einhalten, um sich zertifizieren zu lassen. So regelt das Gesetz, dass alle Banken das gleiche Recht haben müssen, im Preisvergleich gelistet zu werden. Erhalten die Plattformen bei Vertragsabschluss eine Provision von einzelnen Geldinstituten, darf dies das Suchergebnis nicht beeinflussen, heißt es in der Verordnung außerdem. Damit die Verbraucher sichergehen können, dass all diese Vorgaben eingehalten werden, muss eine Prüfstelle die neuen Konto-Plattformen zertifizieren - und dafür bei der Deutschen Akkreditierungsstelle (DAkkS) einen entsprechenden Antrag stellen. Für viele Prüfstellen scheint diese Aufgabe nicht besonders attraktiv zu sein, denn bei der DAkkS ging erst vor wenigen Wochen der erste Antrag ein. Der TÜV Saarland habe "eine Vielzahl von Unterlagen" bei der Akkreditierungsstelle eingereicht, wie Geschäftsführer Thorsten Greiner auf Anfrage mitteilt. Banken müssen Verbraucher jetzt vor Vertragsabschluss über Gebühren informieren Im ersten Schritt prüft die DAkkS derzeit, ob sich der TÜV Saarland als Zertifizierer eignet, erst danach kann die Prüfstelle mit ihrer Arbeit beginnen und wiederum die Vergleichsportale zertifizieren. "So schaffen wir einen doppelten Boden für die Verbraucher", erklärt die DAkkS das mehrstufige und komplex anmutende Verfahren. Wann die Verbraucher tatsächlich online die Gebühren für Girokonten vergleichen können, darüber möchten derzeit weder die Akkreditierungsstelle noch das zuständige Bundesfinanzministerium spekulieren. Die Bundesregierung nehme Verbraucherpolitik als Thema ohnehin nicht ernst genug, kritisiert der Grünen-Bundestagsabgeordnete Gerhard Schick, und dann schaffe sie es "noch nicht einmal", eine EU-Regelung rechtzeitig umzusetzen. Auch wenn die Vergleichswebseite auf sich warten lässt, erfahren Bankkunden bald zumindest genau, was sie für ihr Girokonto im vergangenen Jahr bezahlt haben - inklusive aller zusätzlichen Gebühren für Überweisungen, Kreditkarten oder den Dispokredit. Denn ebenfalls seit dem 31. Oktober müssen die Banken ihre Kunden mindestens einmal im Jahr gebührenfrei darüber informieren, wie viel sie das Konto tatsächlich gekostet hat. Zudem sind die Institute neuerdings dazu verpflichtet, die Verbraucher vor Vertragsabschluss darüber zu informieren, welche Gebühren sie für ein Girokonto erheben. Das taten viele Banken zwar auch schon bislang auf ihrer Webseite, verpflichtet waren sie dazu jedoch nicht. Die rechtlichen Voraussetzungen sind also geschaffen, um als Verbraucher leichter Preise vergleichen zu können. Um dabei die Übersicht zu behalten, fehlt jetzt noch die Vergleichswebseite. | Seit sechs Wochen müsste es eine Vergleichswebseite für Girokonten geben. Tut es aber nicht - aus einem kuriosen Grund. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/eu-vorschriften-portale-und-pruefstellen-1.4245585 | Portale und Prüfstellen | 00/12/2018 |
Ungleichheit spaltet in den Augen vieler unsere Gesellschaft. Damit mehr Menschen am Wohlstand teilhaben, nutzt die Politik oft Umverteilungsmaßnahmen. Doch selbst wenn Umverteilung zu größerer Gleichheit der Einkommen beiträgt, geht sie zumeist auf Kosten von Anreizen, den Wohlstand zu mehren. Stattdessen könnte die Politik stärker auf Gleichheit der Chancen abzielen, indem sie die Menschen dazu befähigt, von den Möglichkeiten einer Marktwirtschaft und einer offenen Gesellschaft zu profitieren. Insofern besteht das beste Mittel gegen Ungleichheit in einer Bildungspolitik, die allen Bürgerinnen und Bürgern gute Startchancen sichert. Wie kürzlich wieder in einer OECD-Studie bestätigt, ist es mit der Chancengerechtigkeit im deutschen Bildungssystem aber im internationalen Vergleich nicht weit her. Zahlreiche Studien zeigen, dass Bildungserfolg hierzulande stark damit zusammenhängt, aus welchen sozialen Hintergründen und familiären Einkommensverhältnissen die Kinder und Jugendlichen kommen. Ein Beispiel: Die Mathematikleistungen von 15-Jährigen aus schwierigen sozialen Verhältnissen liegen im Durchschnitt etwa vier Schuljahre hinter jenen aus guten sozialen Verhältnissen zurück. Warum sehen wir also nicht mehr Bildungsreformen, die versuchen, die Chancengleichheit im Bildungssystem zu erhöhen? Oftmals wird argumentiert, dass solche Reformen nicht mehrheitsfähig sind, weil das Bürgertum nur an die eigenen Kinder denkt und wenig Interesse hat, benachteiligte Kinder zu fördern. In einer neuen Studie finden wir hingegen, dass viele Reformen, die auf größere Chancengleichheit abzielen, in der deutschen Bevölkerung deutliche Mehrheiten haben. Dazu haben wir im ifo Bildungsbarometer über 7000 Erwachsene nach ihrer Meinung zu verschiedenen bildungspolitischen Maßnahmen befragt. Mehr als drei Viertel der Deutschen sprechen sich dafür aus, dass der Staat die Kindergartengebühren für alle Kinder aus einkommensschwachen Familien ab vier Jahren übernimmt. Gleiches gilt dafür, dass der Staat deutlich mehr finanzielle Mittel für Schulen mit vielen Kindern aus benachteiligten Verhältnissen zur Verfügung stellt. Auch für den Ausbau von Stipendienprogrammen, die einkommensschwache Studierende unterstützen, sprechen sich mehr als drei Viertel der Deutschen aus. Zwei Drittel der Deutschen sind dafür, dass die Aufteilung der Schülerinnen und Schüler auf Gymnasium und andere weiterführende Schularten erst nach der sechsten Klasse erfolgt. 65 Prozent sind für einen verpflichtenden Kindergarten für alle Kinder ab vier Jahren. Alle diese Reformvorschläge haben oft das Ziel, die Chancengleichheit zu erhöhen - und sie finden sehr deutliche Mehrheiten in der deutschen Bevölkerung. Die Mehrzahl der Deutschen ist für kostenfreie und verpflichtende Kindergärten Für drei weitere Vorschläge finden sich zwar keine absoluten, aber immerhin relative Mehrheiten: dass Lehrkräfte einen Gehaltszuschlag erhalten, wenn sie an Schulen mit vielen Schülerinnen und Schülern aus benachteiligten Verhältnissen unterrichten; dass alle Kinder bis 16 Uhr in die Ganztagsschule gehen; und dass Kinder mit und ohne Lernschwäche zusammen in Regelschulen unterrichtet werden. Wir wollten auch wissen, ob die Deutschen Bildungsungleichheit überhaupt als Problem ansehen und wie gut sie über ihr Ausmaß informiert sind. 55 Prozent sind der Meinung, dass Ungleichheit von Chancen für Kinder aus unterschiedlichen sozialen Verhältnissen im deutschen Bildungssystem ein ernsthaftes oder sogar sehr ernsthaftes Problem ist. Nur 14 Prozent sind der Meinung, dass sie ein kleines oder gar kein Problem ist. Dabei unterschätzt der Großteil das Ausmaß der Bildungsungleichheit deutlich: Nur fünf Prozent der Befragten schätzen die beschriebene Größenordnung des sozialen Unterschieds in Mathematikleistungen richtig, ganze 84 Prozent unterschätzen sie. Vor diesem Hintergrund haben wir untersucht, ob sich die Ergebnisse ändern, wenn die Befragten Informationen über das tatsächliche Ausmaß der Ungleichheit im Bildungssystem erhalten. Dazu haben wir im Rahmen eines Experiments eine zufällige Teilgruppe der Befragten über die bestehenden Leistungsunterschiede informiert, bevor wir ihnen dieselben Meinungsfragen gestellt haben. In der so informierten Teilgruppe steigt der Anteil, der die Ungleichheit der Chancen für ein ernsthaftes Problem hält, von 55 auf 68 Prozent. Dieser Effekt ist besonders groß unter denjenigen, die die Ungleichheit zunächst deutlich unterschätzt hatten. Auch in einer Nachbefragung rund zwei Wochen später ist das Problembewusstsein unter denjenigen, die in der eigentlichen Befragung über das Ausmaß der Ungleichheit informiert wurden, noch deutlich höher. Demgegenüber hat die bereitgestellte Information nur wenig Einfluss auf die Zustimmung zu den verschiedenen bildungspolitischen Maßnahmen. Das mag zum Teil daran liegen, dass die Zustimmung ja zumeist bereits sehr groß ist. Lediglich beim verpflichtenden Kindergarten gibt es einen deutlichen Anstieg: Unter den Befragten, die über das tatsächliche Ausmaß der Ungleichheit informiert wurden, steigt die Zustimmung zur Einführung eines verpflichtenden Kindergartenbesuchs von 65 auf 71 Prozent. Dass sich die Information gerade bei der Kindergartenpflicht auswirkt, könnte damit zusammenhängen, dass diese Maßnahme die benachteiligten Familien nicht nur fördert, sondern auch einfordert, dass sie ihre Kinder in den Kindergarten schicken. Interessanterweise steigt die Zustimmung zum verpflichtenden Kindergarten noch weiter auf 79 Prozent, wenn die Befragten zusätzlich über die Ergebnisse einer aktuellen Studie informiert wurden. Sie hat gezeigt, dass der Besuch eines Kindergartens die späteren Chancen für Kinder aus schwierigen sozialen Verhältnissen stark verbessert - und dass gerade diese Kinder von ihren Eltern seltener zum Kindergarten angemeldet werden. Diese Ergebnisse sollten die Politik ermutigen, Reformen für mehr Chancengerechtigkeit im Bildungssystem anzugehen. Deutliche Mehrheiten der Deutschen sind für kostenfreien und verpflichtenden Kindergarten, zusätzliche Mittel für Schulen in benachteiligten Lagen, eine Aufteilung erst nach der sechsten Klasse und Stipendien für einkommensschwache Studierende. Für den Fall des verpflichtenden Kindergartens zeigt sich, dass sich die Zustimmung durch aufklärerische Maßnahmen noch zusätzlich steigern lässt. Langfristig wäre eine Bildungspolitik, die gerade die benachteiligten Kinder und Jugendlichen fördert, der beste Ansatzpunkt gegen die Ungleichheit in der Gesellschaft. | Das beste Mittel gegen Ungleichheit sind gute Startchancen für alle. Kindergärten, kostenfrei und verpflichtend, würden Kindern aus sozial schwachen Familien helfen. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/forum-fuer-gerechte-bildung-1.4245251 | Für gerechte Bildung | 00/12/2018 |
Der amerikanische Fahrdienstleister strebt an den Aktienmarkt. Es dürfte einer der größten Börsengänge werden - obwohl das Unternehmen bis heute nichts verdient. Wenn der Name einer Firma zum Verb wird, dann kann man wohl zu Recht sagen, dass es die Firma zu einiger Popularität gebracht hat. Bestes Beispiel dafür ist der Ausdruck "googeln", der für die Suche im Internet steht. Ähnlich verhält es sich mit dem englischen "to uber", zumindest in den USA, wo das Uber-Auto für viele Menschen inzwischen ein Standard-Transportmittel ist. Einfach mit der App auf dem Handy einen freiberuflichen Fahrer buchen - und schon geht es los. Das Konzept kommt so gut an, dass das Taxigewerbe um seine Zukunft fürchtet. Nun soll sich die Popopularität für das Unternehmen auszahlen. Nicht einmal zehn Jahre nach der Gründung zieht es Uber offenbar an die Börse. Wallstreet Journal und New York Times melden übereinstimmend, dass der Dienstleister die Unterlagen für eine Aktienemission bei der US-amerikanischen Börsenaufsicht eingereicht hat. Tatsächlich dürfte es einer der größten Börsengänge werden, die es bislang gab. Derzeit wird Uber mit 120 Milliarden Dollar bewertet, also etwa so hoch wie Daimler und BMW zusammen. Und der Wert steigt offensichtlich rasch - noch im August wurde Uber auf 76 Milliarden Dollar geschätzt. Es ist ein Schritt, auf den viele mit Spannung gewartet haben: Da sind zum einen einige Tausend Mitarbeiter und Investoren von Uber, die Anteile an dem Unternehmen halten. Sie werden am Tag des Börsengangs, also vermutlich irgendwann im ersten Halbjahr 2019, auf einen Schlag mindestens zu Millionären. Man darf erwarten, dass zahlreiche von ihnen mit dem Geld ein eigenes Start-up gründen werden. Dem Silicon-Valley steht damit eine weitere Welle an Innovationen bevor. Und dann sind da all die anderen Internetfirmen der Generation Uber. Geht der Börsengang des Fahrdienstvermittlers gut über die Bühne, dürften auch andere bald darauf den Schritt wagen, darunter etwa Airbnb, der Vermittler von privaten Unterkünften. Es ist natürlich kein Zufall, dass Uber seine Unterlagen den Berichten zufolge am selben Tag einreichte wie der ewige Rivale Lyft. Die beiden Firmen teilen sich ein Geschäftsmodell, das nahezu identisch ist. Vor einigen Jahren scheiterte eine Fusion vor allem an der Eitelkeit ihrer Gründer. Seither liefern sich Uber und Lyft einen Wettkampf darum, wer die meisten Fahrer rekrutieren und wer die günstigeren Preise bieten kann. Noch hat Uber einen großen Vorsprung, Lyft wird mit gerade einmal 15 Milliarden Dollar bewertet. Doch der Kleinere holt auf. Während Ubers Umsatz im vergangenen Jahr um 61 Prozent wuchs, legte Lyft ein Wachstum von 168 Prozent hin. Uber ist heute schon in etwa 600 Städten in mehr als 60 Ländern vertreten, Lyft ist gerade erst dabei, sein Angebot auf Städte außerhalb der USA auszuweiten. Nur Deutschland ist auf den Landkarten beider Unternehmen ein weißer Fleck. Während Ubers rasender Erfolg bei seinen Kunden die Politiker in vielen Ländern dazu bewegte, die Gesetze zur Personenbeförderung aufzuweichen und Taxi-Konkurrenz durch private Chauffeure zuzulassen, blieb Deutschland hart. Der klassische Uber-Dienst ist hierzulande nach wie vor verboten. Nur in München, Berlin und neuerdings auch in Düsseldorf können Kunden mit der Uber-App Limousinen mit Chauffeur bestellen - als luxuriöseren Taxi-Ersatz. Das größte Problem Ubers beim Börsengang und in der Zeit danach dürfte sein, dass das Unternehmen bis heute kein Geld verdient, sondern im Gegenteil Unsummen verbrennt, zuletzt etwa eine Milliarde Dollar im Quartal. Bislang gab es auch keinen großen Druck, daran etwas zu ändern, die Investoren schossen bereitwillig immer weitere Milliarden nach. Bislang scheint ihr Kalkül aufzugehen, der Börsengang dürfte für sie alle der große Zahltag werden. | Der amerikanische Fahrdienstleister strebt an den Aktienmarkt. Es dürfte einer der größten Börsengänge werden - obwohl das Unternehmen bis heute nichts verdient. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/usa-zahltag-fuer-uber-1.4245498 | USA - Zahltag für Uber | 00/12/2018 |
Die große Zeit von Linde begann im Münchner Vorort Höllriegelskreuth, wo Carl von Linde im Februar 1901 eine Versuchsanlage in Betrieb nahm. 2016 entstand vor den Toren der Stadt in Unterschleißheim das größte Füllwerk für Medizinal- und Industriegase in Deutschland. Carl von Linde hat in München den Kühlschrank erfunden, seine Firma ist Stadtgeschichte. Davon wird nach der Fusion mit dem US-Konkurrenten nicht viel bleiben. Was das mit der Steuer zu tun hat? Natürlich nichts. Eine enge Treppe führt hinunter in den Keller, eine Glastür, ein schmaler Flur, riesige Drehregale. Zwei Kilometer Akten gebe es hier insgesamt, sagt Julia Sandqvist, fast stolz. Die Chefarchivarin von Linde redet von Akten wie von Freunden. An den Wänden hängt die ganze Geschichte: Carl von Linde, der Gründer, sein pompöser Bart, ein Gruppenfoto des Vorstands von Anfang des vorigen Jahrhunderts, eine alte Luftaufnahme des Werksgeländes mit Backsteinhallen. Unter dem Fenster stehen zwei Kühlschränke, aus den Fünfzigerjahren, mit dem geschwungenen Schriftzug "Linde". Die Luft ist abgestanden. | Carl von Linde hat in München den Kühlschrank erfunden, seine Firma ist Stadtgeschichte. Davon wird nach der Fusion mit dem US-Konkurrenten nicht viel bleiben. Was das mit der Steuer zu tun hat? Natürlich nichts. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/carl-von-linde-unternehmen-fusion-1.4245636 | Süddeutsche.de | 00/12/2018 |
Wer in diesen Wochen die Webseite der Bahn aufruft, sieht das Zeichen häufiger, als es Kunden lieb sein kann: Ein rotes Dreieck mit Ausrufezeichen bereitet Passagiere auf ernste Probleme vor. Mal warnt es vor Baustellen, mal vor gesperrten Schnelltrassen wegen eines ICE-Brands. Seit Sonntag steht das Zeichen sogar ganz oben auf der Seite. Denn zum Wochenstart droht ein noch größerer Stillstand: In ganz Deutschland wird ein Warnstreik den Zugverkehr ausbremsen. Betrifft Sie der Bahnstreik? Dann schreiben Sie uns! Frieren Sie am Bahnsteig oder stecken Sie im ICE fest? Dann schreiben Sie uns und erzählen, wie Ihre Odyssee am heutigen Montag aussieht. Die größte und mächtigste Bahngewerkschaft des Landes will an diesem Montag von fünf Uhr bis neun Uhr im ganzen Land S-Bahnen, Regional- und Fernzüge lahmlegen. Die Auswirkungen würden sich wohl weit in den Tag hineinziehen, warnte ein Sprecher der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG). Damit droht nach den Rekordstreiks des Jahres 2015 erstmals wieder eine heftige Tarifauseinandersetzung bei der Bahn. Dass diesmal nicht die kleinere Lokführergewerkschaft GDL, sondern die größere Gewerkschaft EVG zu den Streiks aufruft, könnte Kunden hart treffen. Denn sie vertritt auch Beschäftigte in den Stellwerken und Betriebszentralen. Schon wenige streikende Mitarbeiter könnten so für großflächigen Stillstand sorgen. Beim Staatskonzern spricht man von einer "völlig überflüssigen Eskalation" Und so könnte die Warnung der Bahn noch untertrieben sein. "Es ist aktuell ein Schwerpunkt in Nordrhein-Westfalen am Vormittag angekündigt, der voraussichtlich überregionale Auswirkungen haben wird", teilte die Bahn am Sonntag auf ihrer Internetseite mit. Die Bahn richtete am Abend eine kostenfreie Hotline für die Fahrgäste unter der Rufnummer 08000 996633 ein. Fernverkehrstickets für Montag behielten bis Dienstag ihre Gültigkeit, für Reisende mit Flexpreis- und Sparpreistickets mit Gültigkeit am Montag werde die Zugbindung aufgehoben. Die Bahn empfahl, Reisen mit ICE und IC auf Dienstag zu verschieben. Bei den laufenden Tarifverhandlungen war es am Samstagmorgen zum Eklat gekommen. Die EVG erklärte die seit zwei Monaten laufenden Tarifverhandlungen für gescheitert. Sie will erst dann wieder zurück an den Verhandlungstisch, wenn die Bahn ein neues Angebot vorliegt, wie EVG-Sprecher Uwe Reitz am Sonntagabend vor Journalisten in Berlin betonte. Das Angebot der Bahn umfasste eine Lohnerhöhung von 5,1 Prozent in zwei Stufen und eine Einmalzahlung von 500 Euro. Mitarbeiter sollten die Möglichkeit bekommen, statt mehr Geld mehr Freizeit zu wählen, aber erst ab 2021. Die Bahn spricht von einer "völlig überflüssigen Eskalation". Und weiter: "Bei diesem Angebot den Verhandlungstisch zu verlassen, ist nicht nachvollziehbar und verunsichert völlig unnötig unsere Kunden mitten in der Weihnachtszeit", erklärte Personalvorstand Martin Seiler. EVG-Verhandlungsführerin Regina Rusch-Ziemba sagte, die Bahn habe eine Vertagung auf Dienstag vorgeschlagen. "Das kam für uns nicht infrage." Für den Konzern kommt die Eskalation zur Unzeit. An diesem Mittwoch wollen Aufsichtsräte der Bahn über Wege aus der aktuellen Krise beraten. Eigentlich hatte sich die Bahn schon für dieses Jahr vorgenommen, pünktlicher zu werden. Geplant war, dass 82 Prozent der Züge rechtzeitig ankommen. Tatsächlich fuhren nur noch 70,4 Prozent der Intercity, Eurocity und ICE im November nach Plan - was nach Definition des Staatskonzerns ohnehin nur heißt: weniger als sechs Minuten nach der planmäßigen Zeit. Wie aus internen Unterlagen hervorgeht, braucht die Bahn bis 2023 etwa elf Milliarden Euro zusätzlich, um Schienennetz und Züge in Schuss zu halten und den Betrieb zu verbessern. | Von 5 bis 9 Uhr will die Gewerkschaft EVG S-Bahnen, Regional- und Fernzüge lahmlegen. Zur Rücksicht auf den Bahn-Konzern mahnt ausgerechnet der Chef der Konkurrenz-Gewerkschaft GDL. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/bahn-streik-evg-1.4245253 | Bahn-Streik der EVG: Zugausfälle deutschlandweit | 00/12/2018 |
Millionen Bahn-Pendler müssen sich am Montag auf dem Weg zur Arbeit auf Verspätungen und Ausfälle einstellen. "Der Ausstand wird bundesweit am Montagmorgen von 5 Uhr bis 9 Uhr dauern", sagte ein Sprecher der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft am Sonntag. Der Streik soll S-Bahnen, Regional-, Fern- und Güterverkehr betreffen. Die Auswirkungen würden sich weit in den Tag hineinziehen, so der Sprecher. Der Konzern hatte am Sonntag zunächst auf seiner Webseite geschrieben, dass die Gewerkschaft für den Vormittag einen Schwerpunkt des Streiks in NRW angekündigt habe. Die Bahn empfahl Reisenden von und nach Nordrhein-Westfalen daher, schon am Sonntag anzureisen oder ihre Fahrt auf Montag nach Warnstreik-Ende zu verschieben. "Für Reisende mit Flexpreis- und Sparpreistickets mit Gültigkeit am Montag wird die Tages- und Zugbindung aufgehoben und die Tickets können heute bereits genutzt werden", schreibt die Bahn. Wer seine Reise wegen der Warnsteiks nicht antreten möchte, findet hier ein entsprechendes Erstattungsformular. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) hatte ihre Tarifgespräche mit dem Management der Bahn am Samstag abgebrochen und Warnstreiks angekündigt. "Völlig überflüssige Eskalation" Die EVG nannte ein aus ihrer Sicht zu geringes Lohnangebot als Anlass für die Warnstreiks. Über den Umfang und die genaue Dauer sei noch nicht entschieden. Die Bahn sprach hingegen von einer "völlig überflüssigen Eskalation". "Bei diesem Angebot den Verhandlungstisch zu verlassen, ist nicht nachvollziehbar und verunsichert völlig unnötig unsere Kunden mitten in der Weihnachtszeit", erklärte Bahn-Personalvorstand Martin Seiler. Zum Tarifangebot gehörten nach Bahn-Angaben eine Entgelt-Erhöhung von insgesamt 5,1 Prozent in zwei Stufen und eine Einmalzahlung von 500 Euro. Anstelle der zweiten Stufe sollte den Mitarbeitern erneut die Möglichkeit eröffnet werden, mehr Freizeit zu wählen. Dies solle nach Darstellung der EVG aber erst ab Anfang 2021 möglich sein. Ihre Verhandlungen mit der anderen Gewerkschaft, der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), vertagte die Bahn auf den kommenden Dienstag. Die GDL zeigte sich mit dem Verlauf der dreitägigen Verhandlungen bisher "grundsätzlich zufrieden". "Die erzielten Teilergebnisse rechtfertigen die Fortsetzung der Verhandlungen", erklärte ihr Chef Claus Weselsky. So habe man Fortschritte bei der Gestaltung der Schichtpläne erzielt und sich auf die Höhe der Feiertags- sowie Nachtzulagen verständigt. Der Bahn-Vorstand weigere sich bislang aber, in seinen Betrieben "die permanente Umgehung und Aufweichung der persönlichen Planungssicherheit zu verbieten", sagte Weselsky. Auch sei der GDL bis zum Samstagmittag noch kein konkretes Angebot zum Entgelt vorgelegt worden. Sollte die Bahn die Erwartungen enttäuschen, werde "unmittelbar" reagiert. Vor Weihnachten würden die Lokführer aber nicht streiken: "Wenn, dann rappelt die Kiste im neuen Jahr." Anders als die EVG kann die GDL derzeit nicht zu Streiks aufrufen, sie hat mit der Bahn eine Schlichtungsvereinbarung geschlossen. Der neue Fahrplan der Bahn ist erst am Sonntag in Kraft getreten. Er bringt für die Kunden mehr Züge, aber auch höhere Preise. "Die Anzahl der neuen Züge kann man an einer Hand ablesen", kritisierte der Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter in einem Gespräch mit der Welt am Sonntag. Auch am Ticketsystem übte er Kritik: "Das Ticketsystem versteht kaum ein Fahrgast." Es sei es höchste Zeit, "das Ticketwirrwarr zu entflechten: Das günstigste Ticket muss jeder auf einen Blick erfassen können - am Automaten und im Internet." | Zugreisende müssen ab 5 Uhr mit Zugausfällen und Verspätungen rechnen. Die Gewerkschaft EVG und die Bahn hatten sich in ihren Tarifgesprächen nicht einigen können. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/zugverkehr-bundesweiter-bahn-streik-am-montagmorgen-1.4245713 | Bundesweiter Bahn-Streik am Montagmorgen | 00/12/2018 |
In der Abgasaffäre bei Volkswagen hat Aufsichtsratschef Hans-Dieter Pötsch als Beschuldigter zwei Mal frühzeitig und umfassend bei der Staatsanwaltschaft Braunschweig ausgesagt. Das geht aus Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR hervor. Pötschs Verhalten ist ungewöhnlich, denn normalerweise warten Top-Manager bei solchen Skandalen oft lange, bevor sie persönlich Fragen der Strafverfolger beantworten. Oft nehmen sie auch nur schriftlich Stellung. Pötsch ist zur Staatsanwaltschaft gegangen, obwohl jeder Beschuldigte das Recht hat, die Aussage zu verweigern. Damit hat er sich mit seinen Aussagen für einen ganz anderen Kurs entschieden als der langjährige Vorstandschef Martin Winterkorn und der heutige Konzernchef Herbert Diess. Die beiden haben sich bislang nicht vernehmen lassen. Gegen alle drei wird wegen des Verdachts ermittelt, sie hätten die VW-Aktionäre zu spät über drohende finanzielle Folgen der Abgas-Affäre informiert. Pötsch wird in der Abgasaffäre durch einen langjährigen Mitarbeiter der Rechtsabteilung des Konzerns schwer belastet. Er habe Pötsch schon im Juni 2015 über Abgasmanipulationen bei Dieselfahrzeugen in den USA und drohende Kosten in Milliardenhöhe informiert, sagte der Jurist der Braunschweiger Staatsanwaltschaft. Pötsch war damals Finanzvorstand von Volkswagen und als solcher dafür zuständig, dass die Aktionäre rechtzeitig über wichtige Vorgänge in dem Autokonzern informiert werden. Der VW-Jurist berichtete bei seiner Zeugenaussage den Ermittlern, dem Finanzvorstand Pötsch sei bei dem Termin am 29. Juni 2015 vermittelt worden, dass es sich um 600 000 Fahrzeuge auf dem US-Markt handele und dies den Konzern bis zu 35 Milliarden Dollar kosten könne. Es würde den Konzern 19 Milliarden Dollar kosten, die Fahrzeuge zurückzukaufen. Weitere 16 Milliarden Dollar drohten durch Strafen. Er habe Pötsch mitgeteilt, dass die Fahrzeuge zurückgekauft werden müssten, sagte der Jurist der Staatsanwaltschaft. Über die Zeugenaussage des Juristen vom 20. Dezember 2017 hatte Spiegel Online bereits Ende Oktober berichtet. Mehrere Details dieser Aussage sind bislang aber nicht bekannt gewesen. Die Aussage widerspricht der Darstellung von Pötsch und Volkswagen, man habe bis zum 18. September 2015 die Brisanz der "Dieselthematik" nicht erkennen können und insofern keine Veranlassung gehabt, die Aktionäre zu warnen. An diesem Tag hatte die US-Umweltbehörde Epa nach einer langen Untersuchung den Abgasbetrug von Volkswagen in den Vereinigten Staaten öffentlich bekannt gemacht und darauf verwiesen, dass horrende Strafen folgen könnten. VW und Pötsch bleiben allerdings bei ihrer Sicht der Dinge. Der Autokonzern erklärte auf Anfrage, man weise die Zeugenaussage des Juristen "nachdrücklich als unzutreffend zurück". Das "Dieselthema" sei im Sommer 2015 mehrmals Gegenstand von Gesprächen auch mit dem damaligen Finanzvorstand Pötsch gewesen. Doch in keinem dieser Termine sei etwas zur Sprache gekommen, was Pötsch hätte veranlassen müssen, die Aktionäre zu informieren. Das gelte auch für die fragliche Besprechung am 29. Juni 2015. Die von dem Juristen in seiner Zeugenaussage gemachten Angaben seien nicht Inhalt des Gesprächs gewesen. So hätten das andere Personen mitgeteilt, die Kenntnis von dem Termin und seinem Inhalt hätten. Zahlreiche Aktionäre sehen das alles völlig anders und verklagen Volkswagen beim Oberlandesgericht Braunschweig auf fast zehn Milliarden Euro. Die Anleger verlangen Schadenersatz für die Kursverluste ihrer Papiere nach dem 18. September 2015, als der Aktienkurs abgestürzt war. Der Konzernvorstand, so der Vorwurf, habe viel früher von dem Abgasbetrug in den USA gewusst und hätte darüber informieren müssen. Pötsch und VW bestreiten das vehement. Bis zum 18. September 2015 habe man davon ausgehen können, nicht mehr als rund 100 Millionen Euro zu verlieren. Diese Summe wäre so gering gewesen, dass sie den Aktienkurs nicht beeinflusst hätte. Die meisten lehnen so frühe Aussagen ihrer Mandanten ab Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt seit Herbst 2016 gegen Pötsch, der nach Beginn der Abgasaffäre vom Vorstand in den Aufsichtsrat gewechselt und dort den Vorsitz übernommen hatte. Pötsch hat frühzeitig, offenbar schon 2017, bei der Staatsanwaltschaft als Beschuldigter ausgesagt, alle Fragen beantwortet und alle Anschuldigungen zurückgewiesen. Einblick in die Ermittlungsakten hat Pötsch ebenso wie Diess und Winterkorn erst im Sommer 2018 bekommen. Weil eine Aussage vor Einblick in die Akten das Risiko beinhaltet, Angaben zu Vorgängen zu machen, zu denen es später ganz andere Erkenntnisse gibt. Insofern lehnen die meisten Strafanwälte solch frühe Aussagen ihrer Mandanten ab. Das gilt auch bei Ex-Vorstandschef Winterkorn und dem heutigen Konzernchef Diess, die beide bislang nicht ausgesagt haben. Dem Vernehmen nach plant die Verteidigung von Winterkorn, in absehbarer Zeit eine erste Stellungnahme vorzulegen. Ob Winterkorn später zu einer Vernehmung nach Braunschweig kommt, ist offen. Diess will bei der Staatsanwaltschaft im kommenden Jahr über seine Verteidigung eine umfangreiche schriftliche Stellungnahme abgeben. Zu der Frage, ob sich Diess von den Ermittlern vernehmen lassen will, möchte sich sein Anwalt Tido Park derzeit nicht äußern. Das Vorpreschen von Pötsch wirft die Frage auf, warum Winterkorn und Diess diesen Weg nicht ebenfalls beschritten haben. | VW soll seine Aktionäre zu spät darüber informiert haben, wie viel Geld der Konzern wegen der Abgas-Afffäre verlieren könnte. Aufsichtsratschef Pötsch hat nach SZ-Informationen dazu bei der Staatsanwaltschaft ausgesagt - untypisch für einen Top-Manager. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/poetsch-aussage-1.4245050 | VW-Aufsichtsratschef Hans-Dieter Pötsch hat ausgesagt | 00/12/2018 |
Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) hat am Samstag die Tarifverhandlungen mit der Bahn abgebrochen. Sie kündigte Warnstreiks an. Die Bahn hätte nur Angebote vorgelegt, "die nicht den Forderungen unserer Mitglieder entsprachen", sagte eine Sprecherin der EVG. Reisende müssten schon zu Beginn der kommenden Woche "mit erheblichen Zugausfällen rechnen". Die Bahn verhandelte mit der EVG und der Lokführergewerkschaft gleichzeitig. Die Gespräche mit der Lokführergewerkschaft sollen am Dienstag fortgesetzt werden. Beide Gewerkschaften fordern 7,5 Prozent mehr Geld für rund 160 000 Bahn-Beschäftigte. Die Bahn biete ihren Beschäftigten 6,7 Prozent mehr, sagt sie selbst. Außerdem erfülle sie auch die Forderung der Gewerkschaften, ein Wahlmodell einzuführen, bei dem Beschäftigte zwischen Lohnerhöhung, Arbeitszeitverkürzung und mehr Urlaub wählen können. Die Tarifgespräche bei der Bahn laufen seit zwei Monaten. Die Verhandlungspartner hatten zuvor noch Fortschritte gemeldet, etwa bei den Verhandlungen um Mietzuschüsse für Auszubildende und der Altersteilzeit, die es älteren Bahn-Mitarbeitern ermöglichen soll, ihre Wochenstunden vor der Rente zu reduzieren. Die abgebrochenen Tarifverhandlungen in der Vorweihnachtszeit kommen in einer Zeit, in der die Bahn sowieso schon mit vielen Problemen zu kämpfen hat. Sie hat sich eigentlich vorgenommen, dass ihre Fernzüge pünklicher werden, tatsächlich werden diese immer unpünklicher. Nur jeder fünfte Zug ist voll funktionsfähig, weist also gar keine Defekte auf. Am Donnerstag urteilte der Bundesrechnungshof: Die Bahn sei außer Kontrolle geraten. | Die Tarifverhandlungen bei der Deutschen Bahn sind überraschend abgebrochen worden. Von kommender Woche an kann es zu Zugausfällen kommen. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/bahn-streik-zugausfaelle-1.4244987 | Bahn-Gewerkschaft kündigt Streiks an | 00/12/2018 |
Kurz vor Weihnachten verschickt der Verlag der mund- und fußmalenden Künstler wieder seine Karten. Doch hinter der Fassade der Wohltätigkeit steckt ein weltweites Unternehmen. Die Spuren reichen bis nach Panama. Alle Jahre wieder: ein Umschlag mit sieben Karten, sechs Geschenkanhängern und einem Taschenkalender. Bedruckt mit Weihnachtsmalerei, für 10,95 Euro. Wer nicht zahlt, darf trotzdem alles behalten. Der Absender bietet auch große Kalender, Puzzles und Bücher an; Bestellschein und Überweisungsträger liegen bei. Ebenso ein Brief. "Verehrter Kunstfreund", beginnt er, "wir sind Künstler, die mit dem Mund oder Fuß malen, weil uns der Gebrauch der Hände infolge Krankheit, Unfall oder von Geburt an genommen ist." Dank einer "eigenen Selbsthilfeorganisation" aber sei es "uns möglich, mit dem Malen unseren Lebensunterhalt selbst zu verdienen." Rechtzeitig vor Weihnachten, wenn viele Menschen besonders barmherzig und freigebig sind, wird der Bettelbrief verschickt, mutmaßlich millionenfach. Absender ist der "MFK Mund- und Fußmalende Künstler Verlag GmbH" in Stuttgart. Anrührende Fotos zeigen Maler mit Pinseln zwischen Zähnen oder Zehen; darüber steht "Selbsthilfe und Wohltätigkeit". Was selbstlos und sozial, mitleiderregend und bewundernswert daherkommt, ist in Wahrheit ein ebenso riesiges wie undurchsichtiges Geschäft. Dessen Fäden laufen in Liechtenstein zusammen, jahrzehntelang diskreter Zufluchtsort von Geldwäschern, Steuerbetrügern und Finanzkriminellen aus der ganzen Welt. Bei den Geschäften mit den mund- und fußgemalten Bildern spielt ein Mann mit seinem Umfeld eine zentrale Rolle, den man in Deutschland aus Steuerskandalen und der CDU-Parteispendenaffäre gut kennt: der Treuhänder Herbert Batliner. Aus einem vierstöckigen Haus in einer ruhigen Nebenstraße der Liechtensteiner Gemeinde Schaan heraus betreibt die Vereinigung der mund- und fußmalenden Künstler (VDMFK) ein globales Malerei-Geschäft. In das Handelsregister des Fürstentums als Verein eingetragen, ist sie tatsächlich ein weltweites Unternehmen. Aktiv in 46 Ländern, mit Tochterfirmen wie dem MFK-Verlag und einem Geflecht aus fragwürdigen Beteiligungsgesellschaften. Wie jene VDMFK International Corporation mit Sitz in Panama, deren Unverzichtbarkeit für das soziale Tun sich nicht unbedingt sofort erschließt. "Wer glaubt, er unterstützt hier mit seinem Geld eine anerkannt mildtätig-karitative Organisation, der ist auf dem Holzweg, dafür ist die VDMFK definitiv die falsche Adresse", sagt Burkhard Wilke, Leiter des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI). "Alles klingt uneigennützig, mildtätig und fürsorglich, dabei stehen knallharte wirtschaftliche Interessen dahinter." Die VDMFK erklärt auf Nachfrage, "seit ihrer Gründung" sei sie "ein Wirtschaftsunternehmen und eine deklarierte Selbsthilfeorganisation". Sie sammle keine Spenden; Geschäftsmodell sei der "Verkauf von Produkten, die auf den Gemälden der Mund- und Fußmaler basieren". Auf ihrer Homepage findet sich, wenn auch etwas versteckt, ein ähnlicher Hinweis. Vornehmlich suggeriert wird jedoch etwas anderes. "Die ganze Wortwahl, insbesondere auf den Internetseiten, ist geeignet, den unzutreffenden Eindruck zu erwecken, dass es sich um eine mildtätige oder gemeinnützige Organisation handelt", ist Wilke überzeugt. Auffallend oft fielen Begriffe wie "Selbsthilfeorganisation", "fürsorglich" oder "unabhängig". Bei Menschen ohne juristische Bildung, so Wilke, könne das einen falschen Eindruck erwecken. "Das ist nicht seriös", sagt er. Mit den Vorwürfen konfrontiert, kontert die VDMFK, sie sehe "keinerlei Veranlassung, sich dafür zu rechtfertigen, dass die Werke ihrer Künstler weltweit offenbar großen Anklang finden und es gelungen ist, ein wirtschaftliches Modell zu etablieren, das daraus erfolgreich Nutzen zieht". Der Ruch allerdings, mit raffinierter Täuschung Gutgläubiger ordentlichen Reibach zu machen, haftet ihr seit der Gründung in Liechtensteins Hauptstadt Vaduz am 28. Februar 1956 an. Damals schon dabei: Herbert Batliner. Er arbeitete jahrzehntelang eng mit dem eigentlichen Initiator Erich Stegmann zusammen, einem bayerischen Mundmaler, der bis zu seinem Tod 1984 als VDMFK-Präsident amtierte. Süffisant schrieb der Spiegel bereits 1965, Stegmann habe die Neigung "zahlloser Bundesbürger, mit obligaten Weihnachtsgrüßen ein gutes Werk zu verbinden", zu einem stattlichen Vermögen verholfen. "Er besitzt seine Villa und nebst anderen Wagen einen Mercedes-Benz 600 in Pullmannausführung". Einer, der das VDMFK-Gebaren schon lange kritisch beurteilt, ist Otto Dobbeck. Bereits vor 20 Jahren habe sie sich "in einer Grauzone" bewegt, sagt der Hamburger Rechtsanwalt, der damals für Pro honore arbeitete, einen Verein für seriöses Wirtschaften. "Die Mitleidswerbung war täuschend", sagt Dobbeck. "Es ging immer ums Geschäft und darauf wurde das Etikett 'behindert' draufgeklebt." Das eigentliche Problem aber sei gewesen: "Das Geld nahm verschlungene Wege, die kein Mensch nachvollziehen konnte." Das ist immer noch so. "Die VDMFK hat nicht ansatzweise die Finanztransparenz gegenüber der Öffentlichkeit, die bei seriösen, mildtätigen Organisationen inzwischen zum guten Ton gehört", sagt DZI-Chef Wilke. Schweigen ist Geschäftsprinzip, festgeschrieben in den Vereinsstatuten, die andernfalls sogar mit dem Liechtensteiner Staatsschutzgesetz drohen. Folglich blockte die Organisation auch SZ-Fragen nach Einnahmen, Rücklagen, Vermögen, laufenden Kosten und Zuwendungen an das eigene Führungspersonal ab. Als "privatwirtschaftliches Unternehmen" mache man dazu keine Angaben. Nur so viel: Jedes sogenannte Vollmitglied erhalte monatlich 6500 Schweizer Franken, umgerechnet etwa 5750 Euro. Aktuell firmieren nach eigenen Angaben 74 der insgesamt 790 VDMFK-Angehörigen als Voll- und 57 weitere als assoziierte Mitglieder. Daneben gibt es Stipendiaten. | Kurz vor Weihnachten verschickt der Verlag der mund- und fußmalenden Künstler wieder seine Karten. Doch hinter der Fassade der Wohltätigkeit steckt ein weltweites Unternehmen. Die Spuren reichen bis nach Panama. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/geschaeft-mitleid-1.4243331 | Mund- und Fußmaler - Das Geschäft mit dem Mitleid | 00/12/2018 |
Haushaltspolitische Verlässlichkeit - das sollte ein Markenzeichen Emmanuel Macrons gegenüber den EU-Partnern sein. Doch jetzt, inmitten der scharfen Proteste der Gelbe-Westen-Bewegung gegen die Wirtschaftspolitik des französischen Präsidenten, rückt Macron von seiner Defizitplanung ab. Das heißt, der zuständige Budgetminister Gérald Darmanin tut es für ihn: Da die Regierung kostspielige Zugeständnisse macht, um wütende Demonstranten zu besänftigen, muss Darmanin das Ziel aufgeben, 2019 ein Staatsdefizit in Höhe von 2,8 Prozent der Wirtschaftsleistung auszuweisen - und lässt sogar erkennen, dass Frankreich den EU-Grenzwert von drei Prozent überschreiten könnte. "Ich bin kein Zahlenfetischist", sagt Darmanin. "Ob 2,9 oder 3,1 Prozent, das ist nicht so, dass auf der einen Seite die Hölle liegt und auf der anderen das Paradies." Anfang der Woche hatte die Regierung noch auf ein Defizit von maximal 2,8 Prozent gepocht. Zu Beginn seiner Amtszeit 2017 hatte Macron die Einhaltung der EU-Stabilitätsregeln zur obersten finanzpolitischen Priorität erhoben. So wollte er nach zehn Jahren des Regelbruchs nicht zuletzt das Vertrauen der Bundesregierung in Frankreich zurückgewinnen. Auf dieser Grundlage wiederum stellte Macron weitgehende Forderungen nach einer Reform der Euro-Zone. 2017 hatte Frankreich die Neuverschuldung auf 2,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gedrückt; für 2018 ist derselbe Wert angepeilt. 2019 nun sollte das Minus kontrolliert auf 2,8 Prozent steigen, um Firmen zu entlasten. Die Aufgabe des Konsolidierungskurses dürfte Macron jetzt umso leichter fallen, da Berlin seine Euro-Zonen-Reformen in den vergangenen Monaten fast komplett abgeblockt hat. Vor allem aber haben die heftigen, teils gewalttätigen Proteste der Gelbwesten den Präsidenten und seine Regierung massiv unter Druck gesetzt. Die Demonstranten fordern weniger Steuern und allgemein die Kaufkraft von Beziehern geringer und mittlerer Einkommen zu steigern. Mitte der Woche hat Macron einer ihrer Kernforderungen nachgegeben, indem er darauf verzichtet, eine Ökosteuer auf Sprit anzuheben. Dennoch sind für diesen Samstag neue Proteste geplant. Dass die Demonstrationen zunehmend in Gewalt ausufern, ändert bisher wenig an der Unterstützung einer breiten Bevölkerungsmehrheit für die Gelbwesten. Mehr noch: Einer Umfrage des Instituts Elabe zufolge wünschen sich 69 Prozent der Franzosen, dass Macron seine Wirtschaftsreformen unterbricht. Nur acht Prozent sind der Meinung, er solle sein hohes Reformtempo fortsetzen. Seine Beliebtheitswerte erreichen wöchentlich neue Tiefstwerte. Auch das dürfte die Aufgabe des Defizitziels begünstigt haben. Allein der Verzicht auf die Ökosteuer-Erhöhung bedeutet für den Staat 2019 Mindereinnahmen von vier Milliarden Euro. Das entspricht einer Defizitsteigerung um 0,2 Prozent. Hinzu kommen Ausgaben für Heizkostenzuschüsse und andere Hilfen, die von der Regierung schon zu Beginn der Gelbwesten-Krise zugesagt wurden. Überraschend milde zeigt sich angesichts des höheren Defizits die EU-Kommission: Budgetminister Darmanin habe "nicht unrecht" mit seinem undogmatische Ansatz, sagt EU-Währungskommissar Pierre Moscovici - der selbst Franzose ist. Es sei nicht an Brüssel, Frankreich Vorgaben zum richtigen Umgang mit den Protesten zu machen. Budgetminister Darmanin sucht Möglichkeiten, die Zugeständnisse zu kompenisieren Immerhin sucht Darmanin nach Möglichkeiten, die Zugeständnisse an die Demonstranten teilweise zu kompensieren. Der Zeitung Les Echos zufolge könnten fehlende Milliarden bei Frankreichs Unternehmen wieder hereingespielt werden. Die Regierung diskutiere, eine 2019 geplante Senkung der Körperschaftsteuer auszusetzen. Auch eine Reduzierung der Sozialabgaben könnte verschoben oder ganz aufgegeben werden. Die umstrittene Reichensteuer wieder einzuführen, die Macron 2017 abgeschafft hatte, schließt der Präsident dagegen aus. Vor den Protesten am Wochenende ging in Frankreich die Angst vor Gewaltexzessen um. Innenminister Christophe Castaner rief "vernünftige Gelbwesten" auf, nicht auf die Straße zu gehen. Er rechtfertigte die teils harten Polizeieinsätze - selbst solche gegen Gymnasiasten, die sich aus Protest gegen ein System zur Vergabe von Studienplätzen den Gelbwesten angeschlossen haben. Bilder aus Mantes-la-Jolie westlich von Paris hatten am Freitag für Empörung gesorgt. Darauf ist zu sehen, wie Polizisten etwa 150 Schüler festnehmen und dabei zwingen, auf die Knie zu gehen und die Arme hinter dem Kopf zu verschränken. Castaner warf den Schülern vor, sich mit Eisenstangen und Baseballschlägern für schwere Gewalttaten gerüstet zu haben. Zugleich versprach er eine Untersuchung des umstrittenen Einsatzes. | Um zu erfüllen, was die Gelbwesten fordern, muss Frankreich mehr Schulden aufnehmen und vielleicht sogar gegen eine EU-Regel verstoßen. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/frankreich-proteste-defizit-1.4243534 | Haushaltspolitik - Macron opfert den Gelbwesten seine Ziele | 00/12/2018 |
In Kalifornien gibt es sie in jedem Restaurant, jedem Supermarkt, an jeder Tankstelle: Die Halbliterflasche Arrowhead, das meistgetrunkene Mineralwasser an der Westküste. 20 Zentimeter hoch, das Plastik so dünn, dass es bei jeder Berührung knisternd einknickt, eine aufgeklebte Banderole. 500 Milliliter Wasser für etwa zwei Dollar. Aber was ist diese Flasche wirklich? Eine bequeme, gesunde Erfrischung, wie der Hersteller sagt? Glatter Diebstahl und ein Verbrechen an der Natur, wie die Umweltschützerin sagt? Oder doch nur ein bisschen überflüssig, "aber nicht unser größtes Problem", wie Wasser-Geologen sagen? Detailansicht öffnen Arrowhead ist das meistgetrunkene Mineralwasser an der Westküste. (Foto: mauritius) Verfolgt man den Weg des Arrowhead-Wassers von der Quelle bis in den Kühlschrank, lernt man viel darüber, was Trinkwasser zu einem besonderen Lebensmittel macht. Und über den Kampf darum, wem es gehört und wer an diesem lukrativen Geschäft verdient. Für Amanda Frye fängt es schon mit der Banderole auf den Flaschen an: "Ein Lieblingswasser der Region", steht da. Und: "Seit 1894". Beides falsch, findet sie. Niemand in der Region, der sich ein bisschen mit der Sache beschäftige, habe noch Sympathien für die Marke. Auch das mit der langen Tradition stimme nicht. Und dann dieses Bild, ein türkisblauer See vor schneebedeckten Gipfeln, dabei liegen die Arrowhead-Quellen in einer Wüstenregion, in den kargen San-Bernardino-Bergen, etwa eine Stunde von Los Angeles entfernt. An einem Berghang zeichnet sich deutlich eine Gesteinsformation ab, die tatsächlich aussieht wie ein Arrowhead, eine talwärts weisende Pfeilspitze. Für die amerikanischen Ureinwohner, die hier einst lebten, soll der Pfeil den Weg zum Reichtum gewiesen haben, zu den fruchtbaren Böden im Tal. Heute liegen da unten die Ausläufer des scheinbar endlosen Siedlungsbreis um Los Angeles. Der Reichtum aber, der liegt jetzt in der anderen Richtung. Weiter oben in den Bergen hat der Schweizer Lebensmittelkonzern Nestlé Edelstahlrohre in den Berg getrieben, um an das kostbare Quellwasser zu kommen. Unscheinbare hüfthohe Backsteinbehausungen schützen die Bohrlöcher, man sieht sie zwischen den Büschen erst, wenn man kurz davor steht. An den Bäumen daneben: Kratzspuren von Schwarzbären. Durch die Baumkronen jagen sich zwei kreischende Blauhäher. Das Produkt kommt fertig aus dem Boden und kostet den Konzern fast nichts Erst einmal sieht das alles ganz gesund aus - ein einsamer Berghang, bewachsen mit den trockenheitsliebenden Büschen, die typisch sind für diese Gegend. Nur in ein paar Furchen, die sich bis ins Tal ziehen ist das Grün dunkler, hier ist es feuchter, hier wachsen Laubbäume. "Klar sieht es gesund aus. Weil es das ja auch ist", sagt Larry Lawrence und strahlt. Dann führt er ein paar Schritte vom Bohrloch den Hang hinunter, hinein ins dichte Grün. Auf einen Schlag ist es ein paar Grad kühler, die Luft feuchter und süßlich. Tief in den Boden eingegraben und von Grün überwachsen fließt hier ein kleiner Bach, gespeist von der natürlichen Quelle, aus der sich auch Nestlé bedient. "Sieht das etwa aus, als fehle hier Wasser?" Immer noch strahlt Lawrence. Das ist genau die Frage, um die sich dieser Streit dreht - ist es viel oder wenig Wasser, das in dem Bächlein ins Tal rinnt? Und ist es zu viel Wasser, das ein paar Meter daneben durch die faustdicken Edelstahlrohre fließt? Es ist der Rohstoff, der am Ende in Plastikflaschen in den Kühlschränken von Los Angeles und San Francisco landet. Larry Lawrence glaubt die Antwort auf diese Fragen zu kennen: "Ich bin schon als Kind mit meinen Brüdern durch diese Berge gestreift. Ich weiß, wie es hier früher aussah. Ich kenne die Pflanzen, die Tiere und die Bäche. Ich würde nie irgendetwas tun, was ihnen schadet." Klar ist aber auch: Lawrence ist eine Partei in diesem Streit, er arbeitet für Nestlé, er ist verantwortlich für die Quellen in dieser Region. Wer ihn trifft, versteht sofort, warum Nestlé ausgerechnet ihn losschickt, um Besuchern die Quellen zu zeigen. Lawrence sieht aus wie der frühere amerikanische Vizepräsident Al Gore - und er hat die gewinnende Art von dessen früherem Chef Bill Clinton. Es ist schwer, ihn nicht zu mögen und es ist schwer, ihm nicht zu glauben, wenn er von seiner Liebe für die Natur spricht. Intern nennen sie ihn bei Nestlé "unseren Rockstar". Und dass Nestlé hier seinen Rockstar vorschickt, zeigt, wie nervös der Konzern ist. Irgendwo auf seiner Reise nämlich, in den Stahlrohren, in den Tankwagen, die es weitertransportieren oder in der Abfüllanlage, wird aus der natürlichen Ressource ein wertvolles Wirtschaftsgut. Wohl kein anderes Produkt bringt dem weltgrößten Nahrungsmittelkonzern auch nur eine annähernd so hohe Gewinnspanne wie das Wasser. Neben Kaffee, Kindernahrung und Gesundheitsprodukten ist Trinkwasser das Geschäft, in dem der Schweizer Konzern seine Zukunft sieht. Dutzende Trinkwasser-Marken rund um den Globus hat Nestlé in den vergangenen Jahren entweder gekauft oder erfunden. Detailansicht öffnen Kritiker werfen Nestlé Wasserdiebstahl vor. „Wasser ist ein Menschenrecht“ steht auf einem der Plakate, das sie bei einer Protestaktion vor der Arrowhead-Abfüllanlage in Los Angeles hochhalten. (Foto: Patrick T. Fallon/Reuters) Es ist ja auch ein Traum: Ein Produkt, das fertig aus dem Boden kommt, das nur noch gefiltert und in Flaschen gefüllt werden muss, bevor man es verkauft. An der Arrowhead-Quelle zahlt Nestlé gar nichts für das Wasser selbst, sondern gerade einmal 2000 Dollar Verwaltungsgebühren für den Zugang. An anderen Quellen sind es ein paar Cent je Gallone (3,8 Liter). So oder so, und auch wenn man Kosten für Abfüllung, Transport und Werbung einrechnet, haben Kritiker wohl recht, wenn sie von einer Gewinnspanne von mehreren Tausend Prozent sprechen. Das Einzige, was dazwischenkommen kann: Proteste von Anwohnern und Umweltschützern, schlechte Presse, ein negatives Image. Alles Dinge, die Nestlé gerade erfahren muss, und zwar weltweit. An der Quelle in Arrowhead, in Maine im Nordosten der USA, im französischen Vittel oder in Pakistan - überall gibt es Ärger. Auch an anderen Standorten des Unternehmens regt sich Widerstand Kein Wunder also, dass der Konzern nervös ist, kein Wunder, dass Larry Lawrence sich jetzt ins Zeug legt: "Vor ein paar Jahren gab es einen Waldbrand, der ganze Berghang war schwarz, hier wuchs nichts mehr. Und jetzt? Die Natur hätte sich doch nicht so prächtig erholt, würde Wasser fehlen." Das Problem ist, dass das niemand so genau weiß. Die Canyons sind steil, heiß und schwer zugänglich. Auf eine Straße hier hoch habe man zum Schutz der Umwelt verzichtet, sagt Nestlé. Der Hubschrauber, der die Ingenieure stattdessen hochbringt, störe die Tiere viel mehr, sagt Umweltschützerin Amanda Frye. Tatsache ist, dass niemand jemals untersucht hat, wie sich Nestlés Rohre und das Abzapfen großer Mengen auf die Natur auswirken. Detailansicht öffnen Viele wissen nicht, dass der Rohstoff für das Arrowhead-Wasser aus einer sehr trockenen Bergregion kommt, die auch Naturliebhaber anzieht. (Foto: mauritius) Amanda Frye glaubt es auch so zu wissen: Sie kann den Berghang von ihrer Terrasse aus sehen. Sie ist sich sicher: Früher war da mehr Wasser in den Bächen, die durch die Canyons fließen. "Das Ökosystem leidet, diese Bäche müssten ein erstklassiger Lebensraum für Schlangen, Frösche und Fische sein, aber die sind einfach nicht mehr da." Für Frye ist die Sache klar: "Mitten in einer schweren Dürreperiode entzieht Nestlé den Bergen große Mengen Wasser. Die Rohre sind voll, in den Bächen fließt nichts mehr." Seit vier Jahren liefert sich die zierliche Rentnerin einen Kampf mit Nestlé - mit Demonstrationen, Briefen an Politiker, in der Lokalzeitung und vor Gericht. Es geht um komplizierte Fragen des überaus komplizierten kalifornischen Wasserrechts. Die Frage etwa, ob Nestlé seinen Anspruch auf den Markennamen "Arrowhead Springs" wirklich nahtlos bis ins neunzehnte Jahrhundert zurückverfolgen kann. Damals, als die Welt noch einfacher war, füllte ein Hotelbesitzer ohne groß zu fragen Wasser in Flaschen und verkaufte es in Los Angeles. Er wollte damit Werbung für sein Haus machen: das Arrowhead-Hotel, Heimat des gesunden Arrowhead-Wassers, mit Blick auf die markante Arrowhead-Gesteinsformation. Das Hotel wird seit den Sechzigerjahren nicht mehr betrieben, aber wenn man den Feuerwehrmann, der auf das Gebäude aufpasst, freundlich fragt, zeigt er es einem. Man sieht dann die Pracht der Fünfzigerjahre, als die Hollywood-Prominenz hier die Wochenenden verbrachte. Die Party ging zu Ende, als Linienflüge an exotischere Orte verfügbar wurden und Las Vegas plötzlich aufregender erschien. In der Hotellobby hängen vor einem Spiegel noch fünf Wasserspender aus Messing - auch da konnten die Gäste das gute Wasser trinken. Für Nestlé sind solche Erzählungen wichtig, mit ihnen kann das Unternehmen seine juristischen Ansprüche mit einer schönen Geschichten untermauern. Was kann schon schlecht sein an einer Wassernutzung, die seit mehr als hundert Jahren betrieben wird? Was Nestlé natürlich nicht dazusagt, ist, dass vor hundert Jahren kein Mensch seinen Durst aus Wasserflaschen stillte. Trinkwasser kam aus dem Hahn oder dem Brunnen. Flaschenwasser konnte man in Apotheken kaufen, es galt als Medizin. Die damals verbrauchten Mengen sind also gar nicht vergleichbar mit den heutigen. Als Nestlé 1992 Perrier übernahm, bekam der Konzern die Markenrechte an Arrowhead dazu. So begründet der Konzern seinen Status als ältester Inhaber von Wasserrechten. Sollte irgendwann einmal ein Gericht feststellen, dass in der Region zu viel Wasser entnommen wird, bedeutet das nach kalifornischem Recht, dass Nestlé sich als Letztes einschränken müsste. Vorher müssten die Bewohner im Tal ihren Verbrauch reduzieren und theoretisch sogar ganz einstellen. Das zumindest ist Nestlés Position. Dass diese Position nicht bloß Theorie ist, sondern Nestlé bereit ist, solche Ansprüche auch durchzusetzen, erleben gerade die Einwohner von Vittel. In dem Kurort in den französischen Vogesen wird das Mineralwasser knapp, obwohl in der Region so viel Regen fällt, wie sonst kaum irgendwo in Europa. Das Problem hier: Seit vielen Jahren wird aus den tiefen Gesteinsschichten mehr entnommen, als nachsickern kann. Nestlé besteht auch hier darauf, sein berühmtes Markenwasser weiter aus dem Boden zu holen. Für die Einwohner soll nun Wasser per Pipeline herbeigeschafft werden, das wertvolle Vittel-Wasser ist für Nestlé reserviert. In Kalifornien muss nun vor einem Gericht geklärt werden, ob die alten Wasserrechte an der Arrowhead-Quelle für Nestlé überhaupt gelten. Die letzte Gerichtsentscheidung dazu liegt weit zurück, sie stammt aus dem Jahr 1930. Amanda Frye hat ganze Ordner voller Unterlagen, die belegen sollen, dass es eine nahtlose Kette zwischen dem heutigen Wassergeschäft von Nestlé und den Anfängen des Arrowhead-Hotels nicht gibt. Detailansicht öffnen Umweltschützerin Amanda Frye. (Foto: oh) Aber sie kann ihre Position auch ganz einfach ausdrücken: "Das Wasser gehört dem Wald", sagt sie. "Dieses Unternehmen aus der Schweiz hat nicht das Recht, es zu verkaufen. Sie stehlen unser Wasser." Sie spricht damit etwas aus, das es für Nestlé schwer macht, mit seinen Argumenten Gehör zu finden. Wasser ist eben kein Lebensmittel wie jedes andere. Der Gedanke, dass eine Firma Wasser quasi kostenlos aus dem Boden holt, verpackt und verkauft, löst bei vielen Unbehagen aus. Denn das Element, auf das jedes Leben angewiesen ist, wird so zum lukrativen Produkt. Der frühere Nestlé-Chef Peter Brabeck-Letmathe hat dem Image seiner Firma wahrscheinlich auf Jahrzehnte hinaus schweren Schaden zugefügt, als er 2005 sagte, es sei eine extreme Meinung, dass Menschen ein Recht auf Wasser hätten. Vielmehr sei Wasser ein Lebensmittel wie jedes andere und müsse demnach auch einen Marktwert haben. Da ist dann der Gedanke nicht mehr fern, eine Firma könnte auf die Idee kommen, saubere Luft aus abgelegenen Gebirgen in Flaschen zu pressen und zu verkaufen. Ein Gericht soll nun den Streit um die Besitzrechte klären Solche Vorhaltungen über die Ausbeutung von Wasservorkommen müssen sich etwa die Betreiber von Golfplätzen viel seltener anhören, dabei sind die für den Wasserhaushalt im knochentrockenen Südkalifornien wohl ein größeres Problem als Wasser in Flaschen. Auch über den enormen Durst der vielen Avocadoplantagen könnte man diskutieren oder über die etwa 15 000 Liter Wasser, die nötig sind, um ein Kilo Rindfleisch zu produzieren. "Global gesehen, ist der Verbrauch für Flaschenwasser nicht besonders bedeutungsvoll", sagt Jason Morrison. "Es gibt da wirklich andere Dinge, die mir größere Sorgen machen." Morrison ist Präsident des Pacific Institute, eine Forschungseinrichtung für verantwortungsvollen Umgang mit Trinkwasser. Die Umweltschützerin Amanda Frye hält solchen Argumenten entgegen, dass in Flaschen gefülltes Wasser grundsätzlich unsinnig und überflüssig sei, schließlich könne man genau so gut Leitungswasser trinken: "Es ist ein Marketing-Trick! Der einzige Wert, den Nestlé seinen Kunden verkauft, ist die Plastikflasche." Jason Morrison bestreitet das nicht, er spricht etwas diplomatischer von einem "sehr begrenzten Nutzen von abgefülltem Wasser". Und selbst Nestlé-Mann Larry Lawrence räumt ein, Flaschenwasser eigentlich nur zu trinken, weil es unterwegs so praktisch sei. Aber müsste man solche Fragen nach dem Sinn eines Produkts dann nicht auch in anderen Branchen stellen, etwa der Tabak- oder Alkoholindustrie? Offenbar wünschen sich ja viele Menschen diese Produkte, genau so, wie sie sich in Plastik verpacktes Wasser wollen. Einer der wichtigsten Grundsätze von Jason Morrison und seinem Pacific Institute ist, dass Unternehmen ihren Wasserbedarf nicht auf Kosten anderer lokaler Interessenten decken dürfen. In anderen Worten: Was Nestlé am Arrowhead macht, ist in Ordnung, solange der Konzern nicht Schlangen und Fröschen das Wasser abgräbt. In einer Untersuchung soll diese Frage nun erstmals geklärt werden. Bis dahin hat ein Gericht Nestlé das Recht zugesprochen, vorerst für weitere drei Jahre Arrowhead-Wasser abzuzapfen. Sollte Nestlé am Ende tatsächlich die Rechte an der Arrowhead-Quelle verlieren, wäre das vielleicht peinlich, viel ändern würde sich für den Konzern aber wohl nicht. Denn "Arrowhead" ist eine Marke, keine Herkunftsbezeichnung. Anders als das europäische erlaubt das amerikanische Lebensmittelrecht, dass Nestlé einfach Wasser aus einer seiner Hunderten anderen Quellen in die gleichen Flaschen füllt. | Nestlé zapft in einer besonders trockenen Bergregion in Kalifornien Wasser. Das bringt Anwohner und Umweltschützer in Rage. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/report-aufruhr-an-der-quelle-1.4243536 | Report - Aufruhr an der Quelle | 00/12/2018 |
Der Plan ging auf: Zum Fahrplanwechsel vor einem Jahr wurde die neue Schnellstrecke zwischen Berlin und München eröffnet, seitdem hat sich die Zahl der Passagiere auf dieser Strecke mehr als verdoppelt. 4,4 Millionen Fahrten wurden gezählt, viele Züge sind ausgebucht. An diesem Sonntag ist der jährliche Fahrplanwechsel der Deutsche Bahn, sie will künftig auf der Strecke fünf Sprinterzüge pro Tag und Richtung einsetzen, zwei mehr als bisher. Die 623 Kilometer lange Strecke legen sie laut Plan in weniger als vier Stunden zurück, gehalten wird in Nürnberg, Erfurt und Halle an der Saale. Die übrigen Direktverbindungen mit mehr Zwischenstopps brauchen, wenn sie pünktlich sind, rund viereinhalb Stunden. Von Sonntag an fährt zwischen München und Berlin dann auch der ICE 4, die neueste ICE-Generation. 3000 zusätzliche Sitzplätze pro Tag soll es dadurch geben. Auch zwischen Hamburg, München und Stuttgart sowie auf den Strecken ins Ruhrgebiet sollen die neuen Züge fahren. | Die Bahn wird teilweise teurer und teilweise schneller: Mit dem jährlichen Fahrplanwechsel stehen bei der Deutschen Bahn Veränderungen an. Der Überblick für Passagiere, was sich künftig anders wird - und was teurer. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/deutsche-bahn-fahrplan-1.4243525 | Deutsche Bahn - Weichenstellung | 00/12/2018 |
Fehler macht jeder mal, na sicher, aber blöd ist es schon, wenn statt bezahlter Anzeigen plötzlich nur ein gelbes Rechteck zu sehen ist. Das wäre ja, als würde ein Text ohne Schlusspointe enden! Der Arbeitsunfall des 21. Jahrhunderts hat mit einem gelben Rechteck zu tun. Bei den hippen Internetkonzernen aus dem Silicon Valley können keine Produktionsmaschinen still stehen oder Bauarbeiter vom Gerüst fallen. Zum Glück, einerseits: Das gelbe Rechteck ist für Menschen ungefährlich. Doch für Google hat es dennoch teure Konsequenzen. In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch erschien der Dummy auf zahlreichen Apps und Websites in den USA und in Australien - anstelle regulärer Online-Werbung, mit der Google viel Geld verdient. Bei einer Schulung mit einem Kunden von Google zum Thema Anzeigenschaltung hatte ein übereifriger Mitarbeiter ein paar Knöpfe zu viel gedrückt und versehentlich eine Order für eine sündteure Anzeige abgeschickt. Rund 45 Minuten lang war der gelbe Kasten anschließend online, bevor er entdeckt und entfernt wurde. Google hat für den Fehler die Verantwortung übernommen. Der geschätzte Schaden für Google liegt laut Financial Times bei zehn Millionen Dollar. Bleiben zwei Fragen: Wieso sagt Google seinen Mitarbeitern nicht klar und deutlich, dass jeder Klick zu viel ziemlich viel Geld kosten kann? Wie kann es sein, dass Google die Mitarbeiter nicht schützt, indem es sie an einer Testversion üben lässt? Man mag sich gar nicht vorstellen, was in anderen Branchen ohne Sicherungsmaßnahmen passieren würde! Wenn zum Beispiel bei der Zeitung niemand kontrollieren würde, ob Artikel wie dieser auch einen ordentlichen Schluss | Fehler macht jeder mal, na sicher, aber blöd ist es schon, wenn statt bezahlter Anzeigen plötzlich nur ein gelbes Rechteck zu sehen ist. Das wäre ja, als würde ein Text ohne Schlusspointe enden! | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/zwischen-den-zahlen-die-schulung-und-das-gelbe-rechteck-1.4243546 | Die Schulung und das gelbe Rechteck | 00/12/2018 |
Kann man Tickets verteuern, wenn die Qualität sinkt? Na sicher, findet man bei der Bahn. Jetzt drohen auch noch Zugausfälle, weil die Forderungen der größten Gewerkschaft nicht erfüllt werden. Wer in diesen Tagen pünktlich ans Ziel kommen will, wer im ICE schnell noch etwas per Handy klären muss, wer sich darauf verlässt, dass das Zugrestaurant schon am Morgen einen Kaffee verkauft, der weiß: Eine Fahrkarte für die Deutsche Bahn ist 2018 viel zu oft ein Fahrschein in die Welt vor dem modernen Reisen - Verspätung inklusive. Mitgebucht werden so tiefe Einblicke in die Mangelwirtschaft eines Weltkonzerns, dass dies längst nicht mehr nur Passagiere, sondern auch Behörden alarmiert. Am Donnerstag hat der Bundesrechnungshof ein verheerendes Urteil über die Deutsche Bahn gefällt. Fazit der Kontrolleure: Die Bahn ist außer Kontrolle geraten. In der nächsten Woche könnte es für Fahrgäste nun noch schlimmer kommen. Die größte Bahngewerkschaft EVG drohte am Samstag mit Warnstreiks, weil sie sich mit der Bahn bei den Tarifverhandlungen nicht einigen konnte. Von erheblichen Zugausfällen schon in den nächsten Tagen ist die Rede. Die Eskalation des Tarifstreits ist nicht allein dem Konzern-Management anzulasten. Doch was sich da gerade auf Deutschlands Schienen abspielt, ist ein Debakel der höchsten Stufe. Die Bahn hätte große Chancen, das Land im besten Sinne zu bewegen. Mit sicherer, bequemer und umweltfreundlicher Mobilität zu einem fairen Preis. Der Reisemarkt boomt, der Gütertransport auch. Nie waren mehr Menschen und Waren in Deutschland unterwegs. Und noch nie war der Druck zum Umsteuern wegen Verkehrsproblemen auf den Straßen, schlechter Luft in den Städten und wachsenden Klimaproblemen so groß wie heute. Die Realität aberist eine ganz andere. Die Bahn lässt kaum eine Gelegenheit aus, zum Problem zu werden, statt zur Lösung. Dem Konzern entgleitet nicht nur das richtige Timing bei den eigenen Fahrten auf der Schiene. Auch bei Unternehmensentscheidungen macht der Konzern keine glückliche Figur. Kann man Tickets verteuern, wenn die Qualität sinkt? Na sicher, findet man bei der Bahn. Während also die Verspätungen wieder zunehmen, erhöht die Bahn am Sonntag zum Fahrplanwechsel mal wieder ihre Preise. Fast zwei Prozent mehr kostet dann ein normales Ticket. Dabei machen Großbaustellen das Bahnfahren demnächst noch beschwerlicher: Allein auf der ICE-Hauptstrecke Hannover-Würzburg werden sie 2019 monatelang Fahrten um bis zu 45 Minuten verzögern. Zugausfälle durch Streiks wären wohl nur noch der Tropfen auf den heißen Stein. Seit Jahren zahlt der Staat seinem größten Konzern Milliarden, um endlich wieder in die richtige Spur zu kommen. Genauso lange aber misslingt das. Zwar ist inzwischen aus der behäbigen Beamtenbahn ein komplexes, global agierendes Unternehmen geworden, das Güter von Rio nach Shanghai bringt, das Buslinien in ganz Europa betreibt. Deutsche Bahnfahrer haben abseits der Paradestrecken davon bislang wenig. Entstanden ist ein Unternehmen, das es immer seltener schafft, Pendler pünktlich von A nach B zu bringen. Die Bahn bekommt eigentlich genug Geld Nicht jede Kritik ist fair. Auch auf der Straße legen Unwetter den Verkehr lahm. Auch Autofahrer kommen nicht immer pünktlich ans Ziel. Wer aber, wie die Bahn im Güterverkehr, zuerst Tausende Stellen abbauen will, um wenige Wochen später festzustellen, dass dann Personal für die bereits gebuchten Züge fehlt, wer bei Wartung von Schienen und Loks zuerst massiv spart, um zwei Jahre später genau dort über fehlendes Personal zu klagen, der macht klar: Es liegt nicht in erster Linie am Geld, dass es bei der Bahn nicht läuft. Dem Konzern fehlt vor allem ein nachhaltiges Konzept. Wenn Bahn und Bund in den nächsten Wochen über die Finanzierung des Staatskonzerns bis 2024 verhandeln, muss die Bundesregierung das Chaos auf deutschen Schienen auflösen. Wenn die Bahn mehr Passagiere befördern soll, braucht sie dafür mehr Geld von der Regierung für die Infrastruktur. Im Gegenzug muss der Konzern noch schärfer kontrolliert werden. Es geht vor allem um klare Vorgaben. Die Politik muss definieren, welche Erwartungen das Land an die Bahn hat. Und sie muss sicherstellen, dass der Konzern die auch einhält - pünktlich. | Kann man Tickets verteuern, wenn die Qualität sinkt? Na sicher, findet man bei der Bahn. Jetzt drohen auch noch Zugausfälle, weil die Forderungen der größten Gewerkschaft nicht erfüllt werden. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/bahn-preiserhoehung-fahrplanwechsel-1.4243333 | Zugverkehr - Die Bahn lässt keine Gelegenheit aus, zum Problem zu werden | 00/12/2018 |
Es wäre die größte Fusion, die der Telekommunikationsmarkt in Europa seit Jahren erlebt hat: Für 18 Milliarden Euro will Vodafone die Firma Unitymedia kaufen, die Millionen Haushalten in Deutschland Kabel-TV und Internet verkauft, sowie weitere Netze in Osteuropa. Bis kommenden Dienstag will die Europäische Kommission entscheiden, ob sie den Zusammenschluss genehmigt, ob sie eine zweite Prüfphase einleitet - oder ob sie den Fall an das Bundeskartellamt verweist. Gegner und Befürworter streiten erbittert über die geplante Übernahme, die Millionen Kunden betreffen würde. | Die Fusion der beiden größten Kabelnetz-Betreiber stößt auf Kritik. Was bedeutet der Deal für die Kunden? | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/tv-kabel-der-fernseh-riese-1.4243521 | TV-Kabel - Der Fernseh-Riese | 00/12/2018 |
Nach den kräftigen Vortagesverlusten hat der deutsche Aktienmarkt am Freitag zunächst Auftrieb erhalten. Der Dax gewann in der Spitze gut ein Prozent, die Gewinne bröckelten im Handelsverlauf allerdings komplett wieder ab, so dass das Aktienbarometer die Börsensitzung 0,2 Prozent tiefer bei 10 820 Punkten beendete. Über die Woche summierte sich das Minus damit auf 4,2 Prozent. Am Donnerstag hatte die Festnahme der Finanzchefin des chinesischen Technologiekonzerns Huawei Sorgen geschürt, dass sich die Spannungen zwischen China und den USA weiter verschärfen und den Dax um 3,5 Prozent unter 11 000 Punkte gedrückt. Experten gehen davon aus, dass die schwierigen Zeiten an der Börse noch lange nicht vorbei sind. "Die Nervosität auf dem Parkett bleibt hoch", sagte Marktanalyst Milan Cutkovic vom Brokerhaus AxiTrader. "Und die Chancen auf eine Weihnachtsrally schwinden." Fresenius enttäuschte schon zum zweiten Mal binnen weniger Wochen mit einer Gewinnwarnung. Die Papiere des Gesundheitskonzerns brachen um 17,7 Prozent ein. Seit der ersten Gewinnwarnung Mitte Oktober haben die Titel nun schon rund 40 Prozent an Wert eingebüßt. Fresenius kürzte wegen einer zuletzt schwächeren Geschäftsentwicklung und hoher Investitionen im kommenden Jahr seine Mittelfristziele für Umsatz und Gewinn. Die Aktien der Tochtergesellschaft Fresenius Medical Care verloren 8,5 Prozent. Der Dialyse-Spezialist rechnet im kommenden Jahr nur mit einem in etwa stagnierenden Ergebnis. Auf der Gewinnerseite standen die Titel von Adidas mit einem Plus von einem Prozent. Sie reagierten auf eine Übernahme im Sportartikelsektor. Eine chinesische Investorengruppe will den finnischen Sportartikelhersteller Amer Sports für 4,6 Milliarden Euro kaufen. Ebenfalls zu den Favoriten zählte das Papier von Bayer mit einem Aufschlag von 1,7 Prozent. Grund für den Kursgewinn waren Gerüchte, der US-Hedgefonds Elliott sei bei dem Pharma- und Chemiekonzern engagiert. An der Wall Street trübte sich die Stimmung weiter ein. Die wichtigsten US-Börsenindizes lagen zum Handelsende deutlich im Minus, der Dow Jones verlor 2,2 Prozent, damit belief sich sein Minus in der von Handelssorgen geprägten und wegen des Staatstrauertages für den verstorbenen ehemaligen Präsidenten George H. W. Bush verkürzten Handelswoche auf knapp vier Prozent. | Zunächst sah es nach einem versöhnlichen Wochenabschluss aus, aber kurz vor Handelsende verließ die Anleger der Mut. Der Dax geht mit leichten Verlusten aus dem Handel. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/aktienmaerkte-dax-rutscht-kurz-vor-schluss-ins-minus-1.4243388 | Dax rutscht kurz vor Schluss ins Minus | 00/12/2018 |
Für Tierschützer sind Wistar-Ratten sanfte Tiere mit weichem, weißen Fell. Für Forscher sind sie die idealen, weil standardisierten Versuchstiere. Die Nager wurden fürs Labor gezüchtet. In den Studien, die der Chemie- und Pharmakonzern Bayer auf seiner - wie er sie nennt - "Transparenzplattform" veröffentlicht, tauchen Wistar-Ratten häufiger auf. Für eine der beschriebenen Studien wurde dem Futter der Tiere zwei Jahre lang Glyphosat in unterschiedlichen Dosen beigemischt, um herauszufinden, wie giftig der Wirkstoff für die Tiere ist. Glyphosat ist zwar ein Breitbandherbizid; es tötet alle Pflanzen, es sei denn, sie sind genetisch so verändert, dass ihnen das Gift nichts anhaben kann. Für die Zulassungsstudien muss auch die Wirkung auf Säugetiere und Insekten getestet werden. Der US-Konzern Monsanto hat den Wirkstoff in den Siebzigerjahren zum ersten Mal synthetisiert. Das Patent ist längst abgelaufen. Ein paar Dutzend Konzerne verkaufen Pflanzenschutzmittel mit dem Wirkstoff, schon die Namen klingen vernichtend. Monsanto vertreibt es unter anderen unter dem Namen Round-up, Syngenta nennt sein Herbizid Touchdown, bei Adama heißt es Wipe-Out. Seit Juni gehört Monsanto zu Bayer, und der Konzern hat nun Zugriff auf die Zulassungsstudien. Seit Monaten graben sich Mitarbeiter durch Berge von Dokumenten. Auf der Plattform sind bislang nur Zusammenfassungen veröffentlicht. Die vollständigen Studien will Bayer 2019 online stellen, aber nur solche, die dem Konzern gehören und im Rahmen des Verfahrens zur Wiederzulassung im Dezember 2017 eingereicht wurden, also bei Weitem nicht alle Studien. Für den Antrag hatten sich etwa zwei Dutzend Hersteller zur "Glyphosate Task Force" zusammengeschlossen. Nach heftigen Diskussionen wurde der Einsatz in Brüssel bis Ende 2022 verlängert. Für die nötige Mehrheit sorgte der damalige Landwirtschaftsminister Christian Schmidt. Um die Toxikologie ging es nach Konzernangaben in 180 Studien. Darum, ob Glyphosat krebserregend ist, allerdings nur in einem Bruchteil der Studien. Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) stuft Glyphosat als "wahrscheinlich krebserregend" ein. Bei den Wistar-Ratten im Labor habe es keine Todesfälle infolge der Fütterung gegeben, heißt es in der Zusammenfassung. Bei Ratten sei Glyphosat nicht krebserregend. | Der Agrochemie-Konzern Bayer gibt erste Einblicke in Glyphosat-Studien. Bislang handelt es sich lediglich um Zusammenfassungen. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/bayer-ein-bisschen-transparenz-1.4243543 | Ein bisschen Transparenz | 00/12/2018 |
Am Rohölmarkt zogen die Preise nach der Einigung der Organisation der Erdöl exportierenden Staaten (Opec) auf eine weitere Drosselung der Ölförderung kräftig an. Ein Fass der Nordseesorte Brent verteuerte sich um 5,5 Prozent auf 63,73 Dollar, während die US-Sorte WTI mit 54,22 Dollar je Barrel zeitweise fünf Prozent mehr kostete. Das Ölkartell habe sich auf eine Kürzung um rund 800 000 Barrel pro Tag verständigt, sagte Iraks Ölminister am Freitag bei dem Treffen in Wien. Die Vereinbarung gelte für sechs Monate und solle im April überprüft werden. Zuvor hatte der Iran einem Opec-Insider zufolge grünes Licht dafür gegeben. Es sei ein Kompromiss mit dem Rivalen und Opec-Schwergewicht Saudi-Arabien über eine Ausnahme des Landes von der Reduzierung erzielt worden. Um die Vereinbarung in trockene Tücher zu bringen, schlossen sich Beratungen mit einer Gruppe anderer führender Ölstaaten außerhalb der Opec an - allen voran Russland. Es wurde vereinbart, dass diese Nicht-Opec-Länder zusätzliche Drosselungen im Volumen von 400 000 Barrel täglich beitragen. Der Iran galt zuletzt als größtes Hindernis für eine Vereinbarung. Die Islamische Republik verlangt nach früheren Informationen aus Opec-Kreisen eine Ausnahmeregelung wegen der US-Sanktionen im Atomkonflikt. | Die Aussicht auf eine weitere Drosselung der Ölfördermenge lässt die Preise für Rohöl kräftig steigen. Am Devisenmarkt gibt der Dollar nach enttäuschenden US-amerikanischen Arbeitsmarktdaten nach. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/devisen-und-rohstoffe-opec-einigung-treibt-die-oelpreise-nach-oben-1.4243390 | Devisen und Rohstoffe - Opec-Einigung treibt die Ölpreise nach oben | 00/12/2018 |
Die schnelle Einführung des neuen Mobilfunkstandards 5G droht zu platzen. In einem Brandbrief, den die Bundesnetzagentur an die Bundesministerien für Wirtschaft und Verkehr versandt hat, warnt die Behörde die Bundesregierung eindringlich vor nachträglichen Vorgaben für die Telekomkonzerne. Eine solche Änderung noch vor der für das Frühjahr geplanten Auktion der Frequenzen würde "erhebliche Rechtsunsicherheiten verursachen und das Auktionsverfahren gefährden", schreibt die Fachabteilung der Bonner Behörde. Dem Koalitionsvertrag der Bundesregierung zufolge soll der neue Mobilfunk-Standard Deutschland an die Weltspitze der digitalen Infrastruktur katapultieren. 5G soll Daten bis zu 20-mal schneller übertragen als das derzeitige LTE-Netz. Vor allem erlaubt es den verbundenen Geräten, quasi in Echtzeit zu kommunizieren. Das ist vor allem für industrielle Anwendungen wichtig, wie etwa das autonome Fahren oder neue Anwendungen in der Industrie. Allerdings erfordert 5G auch eine komplett neue Infrastruktur. Zum Problem könnte nach Ansicht der Bundesnetzagentur nun werden, dass Teile des Bundestags im Kampf gegen Funklöcher das sogenannte lokale Roaming erzwingen wollen. Dabei würden Handynutzer in einem Funkloch automatisch und kostenlos mit dem Netz eines anderen Telekomkonzerns verbunden. Netzbetreiber sehen das äußerst kritisch. Sie müssten Konkurrenten die Nutzung eigener Funkmasten ermöglichen und warnen vor diesem Hintergrund vor einer Entwertung ihrer Investitionen. Die Netzagentur sah das letztlich ähnlich und verzichtete auf das Instrument, als sie Ende November die Regeln für die Frequenzauktion präsentierte. Sie schrieb den Unternehmen nur vor, dass die Firmen miteinander über die gemeinsame Nutzung von Masten verhandeln müssen. Damit wollen sich führende Politiker des Bundestags nicht abfinden. Unions- und SPD-Parlamentarier starteten deshalb eine Initiative für eine Gesetzesänderung, der in Regierungskreisen gute Chancen eingeräumt werden. Eine sogenannte "Formulierungshilfe" zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes soll es der Netzagentur ermöglichen, das Roaming zu erzwingen. Als erstes hatte die FAZ darüber berichtet. Die Netzagentur sieht das allerdings kritisch, auch wenn sie dadurch mehr Macht erhielte. Die Fachleute gehen davon aus, dass der Vorstoß zum Rückschlag werden könnte. Sie fürchten, dass die Netzabdeckung so schlechter anstatt besser werden könnte. Mit Blick auf die rechtlichen Unsicherheiten sei fraglich, "ob und in welchem Umfang ein Netzbetreiber in den weiteren Netzausbau - insbesondere im ländlichen Raum - investieren wird, wenn er im Nachhinein Wettbewerber auf sein Netz lassen muss". Die Behörde wollte sich am Freitag nicht zu dem Vorgang äußern. | Der neue Mobilfunk-Standard 5G sollte Deutschland endlich an die Weltspitze der digitalen Infrastruktur katapultieren. Durch neue Vorgaben der Bundesregierung drohen nun Verzögerungen. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/mobilfunk-streit-um-roaming-bei-5g-1.4243527 | Streit um Roaming bei 5G | 00/12/2018 |
Genug kann nie genügen - deswegen sollte Gier als das akzeptiert werden, was es eben auch ist: ein biologisches Muster, das die Menschen antreibt und auch Systemkritiker und Asketen keineswegs verschont. Die Welt ist ungerecht, gerade gegenüber den Extrovertierten, die noch ein unverstelltes Verhältnis zu ihren Impulsen und Bedürfnissen haben. Besonders unfair behandelt sie jene, die sagen oder tun, was andere sich gern erlauben würden, wovon sie aber ein dünner zivilisatorischer Firnis gerade noch abhält oder wozu sie - mangels Klasse - nie die Gelegenheit haben werden. | Genug kann nie genügen - deswegen sollte Gier als das akzeptiert werden, was es eben auch ist: ein biologisches Muster, das die Menschen antreibt und auch Systemkritiker und Asketen keineswegs verschont. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/samstagsessay-gier-ist-menschlich-1.4243335 | Gier ist menschlich | 00/12/2018 |
Der digitale Fortschritt verunsichert viele und treibt sie in die Arme von Politikern wie Trump. Unternehmer müssen etwas dagegen tun. Warum ist der Populismus derzeit ein politisches Erfolgsmodell? Warum erfasst er immer mehr wohlhabende Gesellschaften wie die USA und Europa, aber auch Schwellenländer wie Brasilien? Die Ursachen dafür liegen unter anderem in der ungerechten Verteilung des Wohlstands, in den Migrationsbewegungen und im weitverbreiteten Gefühl der Menschen, vom Fortschritt ausgeschlossen zu sein. Aber ich meine, ein weiterer ganz entscheidender Grund ist, dass die Menschen zunehmend verunsichert sind angesichts der Digitalisierung und der immer schnelleren Abfolge technologischer Veränderungen, die ihr eigenes Leben und gesellschaftliche Ordnungen infrage stellen. Seit Jahrzehnten fegt ein regelrechter Wissens-Tsunami über uns hinweg. Personal Computer, Handy, Internet und Smartphone haben unseren Alltag revolutioniert. Die bedeutendsten Veränderungen, die uns bevorstehen, können wir nur erahnen. Die Finanzkrise von 2008 trug ihren Teil dazu bei: Viele Unternehmer nutzten die Gunst der Stunde und die plötzlich nahezu unbegrenzt zur Verfügung stehenden Mittel, um in neue Technologien zu investieren. Das beschleunigte nicht zuletzt die Entwicklung der künstlichen Intelligenz (KI). Wie ein Strudel erfassen disruptive Technologien alle Bereiche unseres Lebens und stellen sie auf den Kopf. Videos vom Wirtschaftsgipfel Den Mitschnitt zum Panel "Europa und seine Champions" und weitere Videos zum ersten Tag im Hotel Adlon finden Sie hier. Rational betrachtet bietet der technologische Wandel unbestreitbare Vorteile. Träumen wir nicht alle von einer Welt mit weniger Verkehrsunfällen? In der wir Krankheiten frühzeitig erkennen und behandeln? In der Umweltschutz Normalität ist? In der eine nachhaltige Landwirtschaft mehr Menschen versorgt und zugleich die Qualität unserer Lebensmittel verbessert? KI kann all das ermöglichen. So arbeitet zum Beispiel das Start-up Sentient AI mit dem amerikanischen Forschungsinstitut MIT an der qualitativen Verbesserung des globalen Getreideanbaus - mit überzeugenden ersten Ergebnissen. Obwohl damit unsere Vision von einer besseren Zukunft in greifbare Nähe rückt, überwiegt die Angst: vor dem Missbrauch unserer Daten, vor dem Verlust von Arbeitsplätzen, von Kontrolle und Selbstbestimmung - ein paradoxer Kampf zwischen Kopf und Bauchgefühl. Es geht dabei auch um die Zukunft unserer Kinder. Einen ähnlich großen Umbruch gab es schon einmal, zur Zeit der Aufklärung im 18. Jahrhundert. Auch damals explodierte das Wissen der Menschen. Sie wollten ihre Mündigkeit zeigen, die Gesellschaft umkrempeln und herrschende Eliten entmachten - angetrieben durch den Mut, sich ihres eigenen Verstandes zu bedienen. Das war ein anstrengender und langwieriger, aber letztlich revolutionärer Prozess. Während die Aufklärung eine lange Phase des Fortschritts und Wachstums zur Folge hatte, führen die disruptiven Entwicklungen von heute bei vielen zur Identitätskrise. Statt sich den Herausforderungen zu stellen, ziehen sie sich auf das Jetzt und Heute zurück. Das öffnet Populisten Tür und Tor, und sie nutzen unsere moderne, vernetzte Welt der Kommunikation und soziale Medien. Detailansicht öffnen Illustration: Stefan Dimitrov Zudem wankt unsere gewohnte Ordnung: Wir stehen vor einer Phase erhöhter Zinsen, Geld wird nicht mehr unbegrenzt zur Verfügung stehen. Dadurch wird sich die technologische Entwicklung verlangsamen, die Wirtschaft leiden, Pleiten werden zunehmen und viele hoffnungsvolle Jungunternehmer die Arbeitslosigkeit kennenlernen. Abstiegsangst und Existenznöte werden auch die bisherigen Eliten erfassen. Was eine übliche Rezession im Laufe eines Wirtschaftszyklus ist, kann heute ein viel größeres Feuer entfachen. Neue "Anführer" greifen die Ängste der Menschen auf und spielen mit ihrer Verunsicherung. Die Trumps und Bolsonaros, die Brexit-Verfechter und Salvinis dieser Welt verfolgen aus Eigennutz nur ein Interesse: für immer mehr Verunsicherung zu sorgen. Wir Führungskräfte aus Politik und Wirtschaft müssen uns dieser Realität stellen. Wir sind für viele das Symbol einer verfehlten, ungerechten Entwicklung, die immer weniger Gewinner und immer mehr Verlierer hervorbringt. Und wir laufen Gefahr, von den neuen Wortführern verdrängt zu werden. Das wird nicht nur die Wirtschaft schwächen und den technologischen Fortschritt erheblich bremsen, sondern auch die Gesellschaft in eine gefährliche Krise stürzen. Diese Erkenntnis muss das zukünftige unternehmerische und politische Handeln bestimmen. Wir müssen die Menschen dazu motivieren, ihre Chancen zu ergreifen Denn die Zukunft bietet auch neue Chancen, neue Gestaltungsspielräume und mehr persönliche Freiheiten, um eigene Entscheidungen zu treffen. Das müssen wir überzeugend erklären. Und die Menschen dazu motivieren, ihre Chancen zu ergreifen. Meine Vision ist, dass Europa - und allen voran seine Führungspersönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft - sich ihrer gemeinsamen Verantwortung stellen. Zusammen müssen wir ein politisches und gesellschaftliches Programm entwickeln, das Struktur in die unübersichtliche Welt bringt und den Bürgern nicht nur Hoffnung für die Zukunft, sondern auch Enthusiasmus vermittelt - ein Programm für mehr Mut, Transparenz und Flexibilität. Detailansicht öffnen Charles-Edouard Bouée ist seit 2014 CEO von Roland Berger. 2018 bestätigten ihn die Partner der einzigen international tätigen Unternehmensberatung mit europäischen Wurzeln für weitere vier Jahre im Amt. (Foto: Stephan Rumpf) Technologische Fortschritte wie die künstliche Intelligenz können uns dabei helfen. Die Führungskräfte aus Wirtschaft und Politik müssen den Menschen die Vorteile dieser neuen Technologien erklären: KI erhöht die Sicherheit im Straßenverkehr, erlaubt eine bessere globale Versorgung mit Lebensmitteln, schafft neue Chancen auf dem Arbeitsmarkt und hilft dabei, "Fake News" und damit Populisten zu bekämpfen. KI wird dem Menschen nicht schaden, sondern ihm zu neuem Selbstbewusstsein verhelfen und einen Mehrwert für die Gesellschaft bieten. Künstliche Intelligenz wird eine Erweiterung der menschlichen Intelligenz sein Klare Begrifflichkeiten sind dabei entscheidend. Was ist künstliche Intelligenz? Ich plädiere dafür, diesen Begriff auszutauschen. Er erweckt den Eindruck, die menschliche Intelligenz würde mit einer anderen, potenziell mächtigeren und bedrohlichen Form konkurrieren. Vielmehr sollten wir die Leistungen von Computern und Robotern als Erweiterung und Unterstützung der menschlichen Intelligenz beschreiben. Wir müssen die Bürger von der Komplementarität von Mensch und Maschine überzeugen, also davon, dass intelligente Maschinen die Arbeit erleichtern, sie aber nicht ersetzen werden. Um die Chancen der Technologisierung zu ergreifen, ist auch mehr Flexibilität in unserem Denken erforderlich, etwa auf dem Arbeitsmarkt. Eine aktuelle Studie des Weltwirtschaftsforums besagt, dass Maschinen bis zum Jahr 2022 rund 75 Millionen menschliche Arbeitsplätze ersetzt haben werden. Gleichzeitig soll es aber dank der Digitalisierung 133 Millionen neue Stellen geben, wir werden aus einer Vielzahl neuer Jobs wählen können. Für Politik und Wirtschaft bedeutet das: Wir müssen Fortbildungen und Umschulungen anbieten, die Mitarbeiter bei der Hand nehmen und sie motivieren. Transparenz ist der Schlüssel, damit Wirtschaft und Politik Vertrauen schaffen können. Menschen wollen wissen, was hinter den Algorithmen steckt und welchem Zweck sie dienen. Technologie ist wichtig, aber der Schutz von Privatleben und Intimsphäre des Menschen haben Vorrang. Künftig können wir nur dann echte Fortschritte erzielen, wenn Datenschutz auch Datensouveränität garantiert. Die Datenschutzgrundverordnung der EU war hier ein wichtiger Schritt. Politiker müssen klug regulieren und dabei über die eigenen Landesgrenzen hinwegblicken. Sich auf neue Technologien einzulassen, erfordert Mut. KI wird eine Erweiterung der menschlichen Intelligenz sein. Es geht also darum, eine Brücke zwischen eigenem und erweitertem Verstand zu bauen, nach dem Motto: "Habe Mut, dich deines eigenen sowie des Verstandes der Maschine zu bedienen." Diese Brücke muss nicht rein rationaler Natur sein. Sie wird stabiler, wenn sie auf Emotionen basiert. Stehen die neuen Technologien nun für eine verheißungsvolle Zukunft oder für Gefahr? Diese Frage stellten sich unsere Vorfahren auch - nur war es bei ihnen der elektrische Strom, der die Gemüter bewegte. Heute ist Strom zum Symbol des Fortschritts geworden. Staaten und Unternehmen haben sich verpflichtet, ihn allen zugänglich zu machen und für den Wohlstand aller einzusetzen. Dieselbe Leistung gilt es nun mit KI zu vollbringen. Sie kann uns intelligenter und stärker machen - als Individuen und als Gesellschaft. Und sie kann uns helfen, den Populisten den Wind aus den Segeln zu nehmen. | Der digitale Fortschritt verunsichert viele und treibt sie in die Arme von Politikern wie Trump. Unternehmer müssen etwas dagegen tun. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/gastbeitrag-populisten-ueberlisten-1.4207137 | Populisten überlisten | 00/12/2018 |
"Man spürt richtig, wie ein Ruck durch die Bank geht" Christian Sewing will seine Leute wieder stolz machen. Von seinem Institut fordert er im Ringen um Kunden Kämpfermentalität. Die Position von Christian Sewing war in den vergangenen Monaten häufiger mal ungemütlich - jetzt dürfte sie vor allem auch ungewohnt gewesen sein für den Chef der Deutschen Bank: Die Fragen trafen ihn von rechts und von links auf der Bühne des SZ-Wirtschaftsgipfels. Sewing, stets bemüht, sich dem Fragesteller ganz zuzuwenden, war ständig in Bewegung, schlug die Beine mal zur rechten, mal zur linken Seite. Ein klein wenig anstrengend sei das gewesen, scherzte er hinterher. Herr Sewing, stimmt es, dass Sie eigentlich Journalist werden wollten? Sewing: Das stimmt, aber bei mir ist das am Numerus clausus gescheitert. Wie war denn Ihr Abi, verraten Sie das? Ja klar, Note 2,4 mit 576 Punkten, im Mittelfeld, so war es halt. Sie haben dann nicht studiert, sondern vor 29 Jahren eine Lehre bei der Deutschen Bank gemacht und sind dem Unternehmen treu geblieben. Wie hat Sie die Lehre geprägt? Enorm. Das war ja die Zeit, als die Deutsche Bank gerade in Deutschland, aber auch weltweit schon eine große Bedeutung hatte. Ich habe am Anfang gar nicht erwartet, dass wir so international sind. Aber wir hatten in Bielefeld eine Auslandsabteilung, deren Arbeit über Deutschland hinausging. Dieses Verständnis einer global aktiven Bank, die man in Deutschland braucht, das hat mich wahnsinnig geprägt. Warum haben Sie nicht studiert? Mein Vater hatte ein mittelständisches Unternehmen; er sagte damals, ich soll erst einmal etwas Ordentliches lernen. Ich war gerade 19 Jahre alt, und so richtig wusste ich nicht, was tun. Also sagten meine Eltern: Geh mal zu einer Bank und schau dir das an. Die Lehre hat mir dann so gut gefallen, dass ich dageblieben bin. Sie hatten keine Lust mehr zu studieren? Ich hatte das Glück, dass ich den letzten Teil der Lehre in der Firmenkundenabteilung verbringen durfte, und da war dann diese Internationalität. Außerdem hatte ich den direkten Kontakt zu den Kunden. Wie eine Spinne im Netz, zwischen Kunden und den anderen Marktteilnehmern, das fand ich erfrischend. Und ich konnte ja nebenher an der Bankakademie studieren. Live dabei Livestream: SZ und n-tv übertragen den Wirtschaftsgipfel von 9 bis 18 Uhr im Netz (sz.de, n-tv.de), außerdem an diesem Dienstag von 21 Uhr an den Auftritt von Angela Merkel. Highlights am Dienstag: Dorothee Bär (9 Uhr), Olaf Scholz (14 Uhr), Europa digital mit den Ministerpräsidentinnen von Estland, Island und Serbien (14.30 Uhr), Andreas Scheuer (16.15 Uhr). Der Livestream lässt sich zudem über sz-wirtschaftsgipfel.de aufrufen, ferner über die App "SZ-Wirtschaftsgipfel", die es für Apple- und Android-Geräte im Appstore gibt. Video: Wer ein Panel verpasst hat, kann sich dieses auch im Nachhinein anschauen. Ebenfalls zu finden auf der Website www.sz-wirtschaftsgipfel.de. Social Media: Verfolgen Sie alle Tweets unter dem Hashtag #SZGipfel. Aktuelle Fotos und Videos finden Sie nicht nur in der App, sondern auch auf Linkedin unter SZ-Wirtschaftsgipfel. Sie waren nur zwei Jahre bei einer anderen Bank. Hatten Sie nie das Bedürfnis, etwas ganz anderes zu machen? Nein, ich glaube, es ist heute noch genauso wie damals. Diese Position, dass man direkt in der Wirtschaft engagiert ist, Lösungen findet, Zusammenhänge versteht - in einer globalen Bank. Ich lerne jeden Tag etwas Neues, ich hatte nie das Bedürfnis, etwas anderes zu machen. Sie sind Westfale. Die gelten als bodenständig, bleiben eher auf der Scholle, sind wenig risikoorientiert. Sie auch? Westfalen sind nicht nur auf die Scholle fixiert, sondern nachhaltig und konsequent. Man kann uns zuweilen Sturheit vorwerfen, aber immer mit dem langfristigen Ziel im Blick. Daher bin ich froh, diesen regionalen Hintergrund zu haben. Das braucht unsere Bank jetzt, und wenn Sie dann im richtigen Team mit internationalen Kollegen arbeiten, dann ist das prima. Sie waren in vielen Abteilungen im Haus, aber nie im Investmentbanking, wo die ganzen Hallodris arbeiten. Das ist natürlich eine leichte Übertreibung, und das kann ich leicht wegnehmen. Klar gab es dort den einen oder anderen, bei dem wir uns ein besseres Verhalten gewünscht hätten - und wir waren als Bank dann auch nicht immer konsequent genug. Die große Mehrheit der Investmentbanker aber setzt sich für nachhaltiges Wachstum ein. Sie sind enorm wichtig für die Wirtschaft. Ich habe auch das Investmentbanking aus nächster Nähe erlebt. Ich war 15 Jahre im Risikomanagement, habe viel Zeit in Tokio und London verbracht. Das ist trotzdem eine andere Perspektive. Wird man mit Ihrer Vita dann auch eine andere Art Bankchef? Mit meiner Erfahrung repräsentiere ich die ganze Bank, ich war unter anderem im Firmenkundengeschäft, 15 Jahre lang im Risikomanagement und dann in der Revision. Wenn Sie diese drei Facetten von vorne bis hinten gemacht haben, dann haben Sie einen guten Überblick. Wir müssen die stabilen Geschäftsbereiche nach vorne stellen, damit wir in dieser Hinsicht einer JP Morgan oder Bank of America ähnlicher werden. Dort kommen 70 Prozent der Erträge aus stabilen Geschäften. Detailansicht öffnen Illustration: Stefan Dimitrov Die Deutsche Bank hatte mal einen anderen Ansatz, oder? Ja, daher sollten auch bei uns 65 Prozent aus dem stabilen Geschäft kommen, aus der Privat- und Firmenkundenbank, unserer Vermögensverwaltung und der Transaktionsbank. Auch die Investmentbanker wollen das. Wir sind auf gutem Weg, aber es braucht noch ein bis zwei Jahre. Andere versuchen, durch das Einführen des "Du" den Kulturwandel in der Firma voranzutreiben. Auch ein Weg für die Deutsche Bank? Es wird sich bei uns so oft geduzt. Im Vorstand sowieso, aber auch darüber hinaus - auch dadurch, dass wir eine internationale Bank sind. Die englischsprachigen Kollegen haben sowieso kein Verständnis für den Unterschied zwischen Du und Sie. Ich überlasse das immer jedem Mitarbeiter selbst. Wo sehen Sie denn Ihre Stärken als Führungskraft? Es gibt nicht so viele Führungskräfte in der Bank, die den Maschinenraum so gut kennen wie ich. Wenn Sie den aber kennen, dann haben Sie auch eine andere Durchschlagskraft, etwa um die Kosten zu senken. Wenn man 29 Jahre im Haus war, und fair mit allen umgegangen ist, dann spürt man diesen Rückenwind. Als Sie im April angefangen haben, wollten Sie von Ihren Mitarbeitern "Jägermentalität". Das klang nach alten Zeiten im Investmentbanking. Bereuen Sie das? Nein. Das kam intern sehr gut an. Jägermentalität bedeutet für mich, dass wir bei der Betreuung unserer Kunden nachlegen. Wenn eine Bank fünf Jahre Restrukturierung hinter sich hat, dann kommt es vor, dass der Kundenfokus nicht mehr dort ist, wo er sein sollte. Und diese Mentalität, eng am Kunden zu bleiben, die meinte ich. Das ist eine Kämpfermentalität. Hat der Stolz der Deutschen Bank gelitten in den letzten Jahren? Klar, wenn Sie drei Jahre Verluste schreiben, dann geht das gegen den Stolz einer Institution. Und deshalb ist es so wichtig, die Ziele zu erreichen, die wir im April genannt haben, sei es zur Bilanz, sei es zu den Kosten. Und natürlich ist es wichtig, dass wir dieses Jahr wieder profitabel sind. Man spürt richtig, wie ein Ruck durch die Bank geht. Wenn alles so gut läuft, wie Sie es schildern, warum ist dann der Aktienkurs so niedrig? Detailansicht öffnen Christian Sewing, 48, ist der fünfte Vorstandschef der Deutschen Bank in den letzten zehn Jahren. Im April übernahm Sewing die Führung von John Cryan. Seither kämpft er, das Vertrauen der Märkte zurückzugewinnen. (Foto: Stephan Rumpf) Natürlich sind nicht alle zufrieden mit dem Aktienkurs, daher will ich jetzt auch keine Verteidigungsrede halten, und ich bin der Erste, der sich einen höheren Aktienkurs wünscht. Aber angesichts dieser Profitabilität ist die Bewertung auch nicht komplett überraschend. Daher müssen wir Schritt für Schritt profitabler werden. Diese Disziplin muss unsere Bank jetzt zeigen. Viele sagen, in Europa wird es bald weniger Banken geben - glauben Sie das auch? Ja, wir haben in der Euro-Zone fast 5500 Banken, wir haben in Deutschland 1600 Banken. Das ist für einen Markt zu viel. Wenn wir das mit anderen großen Ländern vergleichen, dann wird das langfristig zu einer Konsolidierung führen. Deshalb ist es wichtig, dass die nächsten Schritte zu einem einheitlichen Europa auch getroffen werden. Das hat etwas mit Bankenunion zu tun, das hat etwas mit Kapitalmarktunion zu tun. Sie werden ja auch aus der Politik stark gedrängt, die Commerzbank zu übernehmen, oder? Ich spüre kein Drängen der Politik. Gibt es dann bei Ihnen ein Drängen, ein persönliches? Wir müssen jetzt erst mal unsere Hausaufgaben machen. Was danach passiert, müssen wir dann sehen. Die Deutsche Bank ist ja immer sehr nah an der Politik gewesen. Wen hätten Sie gerne als nächsten CDU-Vorsitzenden? Die Deutsche Bank muss Teil der Gesellschaft sein. Ich bin immer wieder erstaunt, dass es Leute gibt, die glauben, diese komplexen Herausforderungen, die es in der Welt gibt, könnten entweder nur von der Politik oder von der Wirtschaft gemeistert werden. Das geht nur zusammen, und wir wollen dabei einen aktiven Part spielen. Wir werden uns allerdings auch immer so verhalten wie schon in der Vergangenheit: Wenn es um Personen geht, dann äußern wir uns nicht. Jeder von uns hat die Möglichkeit, selbst zu wählen, und das werde ich auch so halten. Aber Sie sind ja Mitglied im CDU-Wirtschaftsrat, da müssen Sie doch auch eine Meinung haben. Ja, die habe ich auch. Aber die werde ich hier für mich behalten. Braucht Deutschland mal wieder einen Bundeskanzler, der nah an der Wirtschaft ist, der selbst in der Wirtschaft gearbeitet hat - oder ist das gerade schädlich? Dieses Land hat seit 2005 eine unglaubliche Entwicklung hingelegt. Die Arbeitslosigkeit hat sich halbiert. Wir haben Wachstum. Das ist ja erst einmal eine Entwicklung, auf der wir alle aufbauen können. Und jetzt müssen wir unbedingt mit einer zweiten Phase beginnen. Und das bedeutet unter anderem: Wie schaffen wir es, eine Banken- und eine Kapitalmarktunion zu bilden? Wenn ein amerikanischer Investor, der in Pfandbriefe investiert, erst unterschiedliche Pfandbrieflizenzen in Spanien, Italien und Deutschland lesen muss, dann werden wir nie die Region der Wahl für diese Investoren sein. | Christian Sewing will seine Leute wieder stolz machen. Von seinem Institut fordert er im Ringen um Kunden Kämpfermentalität. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/deutsche-bank-chef-man-spuert-richtig-wie-ein-ruck-durch-die-bank-geht-1.4207122 | "Deutsche-Bank-Chef - ""Man spürt richtig, wie ein Ruck durch die Bank geht""" | 00/12/2018 |
Der Chipkonzern zeigt sich optimistisch und investiert in zusätzliche Kapazitäten. Doch die Anleger an der Börse reagieren skeptisch. Der Halbleiterhersteller Infineon profitiert weiter von hoher Nachfrage: Gute Geschäfte mit Halbleitern für die Automobilindustrie, für Industrieantriebe und Windenergie ließen Umsatz und Ergebnis im vergangenen Geschäftsjahr 2017/18 steigen. Die Aktionäre sollen daher eine höhere Dividende erhalten, wie der Konzern mitteilte. Für die weitere Entwicklung zeigte sich Konzernchef Reinhard Ploss zuversichtlich. "Wir starten mit gut gefüllten Auftragsbüchern ins Geschäftsjahr 2019 und wollen weiter überdurchschnittlich wachsen." So erwartet der Chiphersteller für das neue Geschäftsjahr ein Umsatzwachstum von elf Prozent. Damit würde sich das Wachstum im Vergleich zum Vorjahr beschleunigen, als Infineon ein Umsatzplus von acht Prozent auf knapp 7,6 Milliarden Euro erreichte. Infineon hatte zuletzt umfangreiche Investitionen in den Ausbau der Kapazitäten angekündigt, etwa in Dresden oder im österreichischen Villach. 2018/19 will der Konzern insgesamt 1,6 bis 1,7 Milliarden Euro investieren. Für das Auftaktquartal erwartet Infineon eine saisonal typische Schwäche, der Umsatz dürfte dabei um vier Prozent sinken. Das Schlussquartal lieferte derweil starke Ergebnisse. Der Umsatz stieg um zwölf Prozent auf zwei Milliarden Euro, das operative Ergebnis nahm um mehr als ein Fünftel auf 400 Millionen Euro zu. Nahezu alle Sparten konnten zulegen, auch das Automobilgeschäft. Wermutstropfen im Quartal war der gesunkene Konzernüberschuss. Hier belasteten erhöhte Rückstellungen im Zusammenhang mit der ehemaligen Tochter Qimonda das Ergebnis. Hintergrund ist eine seit Jahren laufende Klage des Insolvenzverwalters von Qimonda. Die Anleger reagierten skeptisch, die Aktie rutschte nach anfänglichen Kursgewinnen deutlich ins Minus. Es mehrten sich Stimmen, die einen Konjunkturabschwung befürchten. | Der Chipkonzern zeigt sich optimistisch und investiert in zusätzliche Kapazitäten. Doch die Anleger an der Börse reagieren skeptisch. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/halbleiter-infineon-setzt-weiter-auf-boom-1.4207723 | Halbleiter - Infineon setzt weiter auf Boom | 00/12/2018 |
Der Vater des Wirtschaftswunders mag schon lange tot sein, das Vermächtnis aber lebt verlässlich fort. In politischen Reden wird er bemüht, in Debatten taucht er auf, und nicht zuletzt in der Neuerfindung der CDU als Volkspartei spielt der Name Ludwig Erhards eine wichtige Rolle, immer dann, wenn es um Ideen für eine Wirtschaftspolitik des 21. Jahrhunderts geht. Wenn es darum geht, den deutschen Sozialstaat und seine Pendants in Europa zukunftsfähig zu machen, während die Wirtschaftssysteme vor den größten Umbrüchen seit der Ära der Industrialisierung stehen. Also: Welche Antworten kann die ordnungspolitische Tradition Ludwig Erhards heute noch bieten? Provokanter gefragt: Kann die soziale Marktwirtschaft - sozialer Fortschritt durch freien Wettbewerb - im digitalen Zeitalter noch funktionieren? Achim Wambach, 50, Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim, glaubt nach wie vor an die normative Kraft Erhardscher Ideen. Zugleich betont er aber, dass sich in den volkswirtschaftlichen Daten noch kein radikaler Umbruch zeigt, mit dem sich Konzepte wie das bedingungslose Grundeinkommen oder Arbeitszeitverkürzungen rechtfertigen ließen, wie sie die Linken-Vorsitzende Katja Kipping befürwortet. "Digitaler Wohlstand für alle", lautet der Titel von Wambachs neuem Buch, das er mit Co-Autor Hans-Christian Müller verfasst hat. Die beiden erörtern, wie der Machtkonzentration weniger US-Internetkonzerne mit monopolistischen Zügen ordnungspolitisch zu begegnen ist. Sie beschreiben, wie der Wettbewerb als marktwirtschaftliches Grundprinzip im digitalen Zeitalter an Bedeutung zu verlieren droht. Wambach, der auch der Monopolkommission vorsitzt, betont: Auch im digitalen Zeitalter bleibe der Wettbewerb die entscheidende Kraft, durch die Innovationen entstehen, Leistung belohnt wird und Chancengleichheit gewahrt bleibt. Ihn gelte es daher zu schützen. "Wir müssen Wege finden, um das Instrument der Missbrauchskontrolle zu schärfen", sagt Wambach. Die Strafen der EU-Kommission gegen Google stehen beispielhaft für ein neues Paradigma der Wettbewerbskontrolle. Diese aber versage, befürchtet Foodwatch-Gründer Thilo Bode. "Ich glaube, dass die Wettbewerbspolitik nicht mehr greift", sagt er. Sie vernachlässige, dass sich wirtschaftliche Macht immer mehr zur politischen Macht entwickelt habe. "Demokratien sterben langsam, und nicht mit einem großen Big Bang. Das erleben wir zurzeit", sagt Bode. Darin stimmt Kipping ihm zu, sieht die Gefahren für die Demokratie aber mehr als Summe struktureller Probleme. Wo also bleibt das Soziale, wenn die Digitalisierung auch mit gesellschaftlicher Spaltung einhergeht? Wenn gerade eine Generation hofft, dass es ihren Kindern nicht schlechter geht als ihnen? Gepaart mit der Machtkonzentration bei Konzernen, die à la Facebook auch noch zur Fragmentierung der Gesellschaft beitragen, sieht es dieser Analyse zufolge schlecht aus für die sozialstaatlich verfasste Demokratie. Es wird noch viel nach Erhardschen Zukunftsideen zu suchen sein. | Die soziale Marktwirtschaft muss mit der Zeit gehen - nur wie? | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/erinnerung-an-ludwig-erhard-eine-neue-version-fuer-eine-bewaehrte-idee-1.4207131 | Erinnerung an Ludwig Erhard - Eine neue Version für eine bewährte Idee | 00/12/2018 |
Man kann das als einen Erfolg der IG Metall deuten: Mindestens 190 000 Arbeitnehmer in der Metall- und Elektroindustrie, wahrscheinlich jedoch deutlich mehr, wollen lieber mehr Freizeit anstatt mehr Geld. Bis Ende Oktober mussten sie erklären, ob sie 2019 zusätzlich acht freie Tage bekommen wollen, oder eine Sonderzahlung, die gut einem Viertel eines Monatsgehalts entspricht. Die IG Metall scheint also die Bedürfnisse der Beschäftigten getroffen zu haben, als sie diese Regelung im Frühjahr durchsetzte. Bevor diese sich nun aber freuen über die vermeintlich gewonnene Zeit, ist der Hinweis fällig: Noch ist nicht gewiss, dass sie die bekommen werden. Gewiss ist, dass der Tarifvertrag die Erwartung danach geweckt hat. Es ist richtig, dass die Gewerkschaft abstimmen ließ, das ist Demokratie In der Vereinbarung steht nämlich nicht, dass jeder Arbeitnehmer automatisch bekommt, was er sich wünscht. Darin steht, dass Anträge auf mehr Freizeit nur dann genehmigt werden, wenn es der Firma gelingt, die ausfallende Arbeit zu kompensieren. Sie sind also eine Art Wunschzettel. Nun müssen Betriebsräte und Personalabteilungen bis zum Jahresende Lösungen finden. Die IG Metall schlägt vor, gering qualifizierte Mitarbeiter fortzubilden sowie Teilzeit-Beschäftigte aufzustocken. Doch die Metall- und Elektroindustrie ist eine Männerbranche. Die allermeisten arbeiten in Vollzeit; schon an einer vorübergehenden, individuellen 28-Stunden-Woche - die der neue Tarifvertrag ebenfalls möglich macht - haben nur wenige Arbeitnehmer Interesse gezeigt. Mit dem Instrument des Aufstockens dürfte also nicht viel zu holen sein. Und Fortbildungen sind kaum auf die Schnelle zu organisieren. Mit anderen Worten: Es wird auf die Kreativität der Personalchefs und der Betriebsräte ankommen, wenn den Erwartungen im November nicht die Enttäuschung im Januar folgen soll. Indes enthalten all die Anträge ein Kompliment, an Arbeitgeber und Gewerkschaft. Sie haben die Entlohnung im Lauf der Jahrzehnte auf ein Niveau getrieben, dass vielen Arbeitnehmern mehr Erholung nun wichtiger wird als noch mehr Geld. Derzeit werden viele 100. Jahrestage begangen; am Donnerstag den der Tarifautonomie. Kaum gab es in Deutschland Demokratie, konnten Gewerkschaften den Arbeitgebern abringen, die Arbeitsbedingungen untereinander zu regeln, ohne Einmischung des Staates. Was immer man von den Details dieses Metall-Tarifvertrags halten mag - er ist eines von unzähligen Beispielen, das zeigt: Demokratie ist kein Lieferdienst von Wohltaten. Doch sie ist die einzige Staatsform, die allen Bürgern die Instrumente gibt, um für ihre Interessen zu kämpfen. Sie müssen diese Instrumente dann aber auch nutzen. In der Metallindustrie kann man sicher sein, dass Arbeitgeber und Gewerkschafter dies nun auch bei der Frage Geld oder Freizeit mit Verve tun. | Mehr Geld oder mehr Freizeit: Die IG Metall scheint mit ihrer Umfrage die Bedürfnisse der Beschäftigten getroffen zu haben. Das ist Demokratie. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/kommentar-eine-art-wunschzettel-1.4207442 | Kommentar - Eine Art Wunschzettel | 00/12/2018 |
Weil die Kunden kaum mehr in die Filialen kommen, müssen sich die Kreditinstitute etwas überlegen. Jetzt nutzt die erste Sparkasse die Geräte, um Beratungsgespräche anzubahnen. Es ist nur ein kleiner Button, aber er könnte große Wirkung entfalten. Wer bei der Frankfurter Sparkasse am Automaten Geld abhebt, sieht neuerdings Werbung für Versicherungen. Das ist nichts Neues für Bankkunden, auch andere Institute nutzen den Automaten, um etwa für Festgeld zu werben. Beim Angebot der Frankfurter Sparkasse aber ist etwas anders: Am Rande der Werbung befindet sich nämlich ein Button, auf den der Kunde klicken kann. Er bekundet damit Interesse an dem Produkt und kann später von einem Bankberater angerufen werden. Die Sparkasse in Frankfurt ist damit das erste Kreditinstitut in Deutschland, das Bankautomaten auf diese Weise für den Vertrieb nutzt. Die Geräte spucken nicht nur Geld aus - sie werden genutzt, um weitere Geschäfte anzubahnen. Das neue Tool wird zunächst an zehn Automaten ausprobiert. "Wir wollen mit der Testphase in Erfahrung bringen, wie bei unseren Kunden die Ansprache über diesen Kanal ankommt", sagt eine Sprecherin. Für die Bank sei es eine weitere Möglichkeit, zusätzlich zu Brief, Plakat oder Flyer. Das Beispiel könnte Schule machen. "Wir gehen davon aus, dass weitere Banken den Geldautomaten nutzen werden, um den Vertrieb von Produkten zu unterstützen", sagt Christian Richter von der Unternehmensberatung Accenture Strategy. Er sieht vielfältige Möglichkeiten: Wenn ein Kunde sich in der Filiale zum Beispiel über eine Geldanlage informiert hat, es sich aber noch einmal überlegen will, kann ihn der Geldautomat beim nächsten Abheben daran erinnern. Ein anderes Beispiel: Hat der Kunde eingewilligt, dass die Bank seine Daten auswerten darf, kann sie an den Konto- oder Kreditkartenaktivitäten sehen, wenn er sich etwa ein Fahrrad gekauft hat. "Es ist vorstellbar, dass die Bank den Kunden dann am Geldautomaten fragt, ob er sein Rad bei ihr versichern will", sagt Richter. Solche einfachen Policen ließen sich auch online abschließen, bei komplexeren Produkten wie einer Lebensversicherung sei es dagegen schwieriger. "Es muss relativ schnell gehen, denn niemand will 15 Minuten am Geldautomaten stehen." Die Frankfurter Sparkasse beschränkt sich in der Testphase darauf, Kunden am Geldautomaten über den "S-Privatschutz" zu informieren, ein Paket aus Unfall-, Haftpflicht- und Rechtsschutzversicherung, das die Sparkasse zusammen mit Versicherungspartnern anbietet. Signalisiert der Kunde Interesse, könne man auf ihn zugehen. "Der Abschluss einer Versicherung über den Automaten ist aber nicht möglich", betont die Sprecherin. Hintergrund der Entwicklung ist, dass die Kunden immer weniger an den Schalter kommen, wo Mitarbeiter sie ansprechen könnten, ob sie nicht Geld anlegen, einen Bausparvertrag oder eine Versicherung abschließen wollen - mit diesen Dienstleistungen verdient die Bank Geld. Die meisten Kunden kommen zwar noch ein-, zwei- oder dreimal im Monat in die Bank, aber nur, um sich Geld zu ziehen. Am Schalter schaut der Kunde im Durchschnitt nur noch einmal im Jahr vorbei, haben Bayerns Sparkassen gezählt. Viele Kreditinstitute könnten bald neue Einnahmequellen über die Geldautomaten erschließen Wenn der Kunde am Geldautomaten einen Beratungstermin anbahnen kann, bedeutet dies auch, dass der Schalter zum Teil in den Automaten verlagert wird. Er ist sozusagen die Fortsetzung des Schalters mit anderen Mitteln, nach dem Motto: Wenn die Leute nicht mehr zum Schalter kommen, dann muss der Schalter sich eben auf die Leute zubewegen. "Die Banken versuchen damit nicht nur, einen zusätzlichen Vertriebskanal zu installieren, sie wollen die Geldautomaten auch stärker auslasten", sagt Holger Sachse von der Unternehmensberatung Boston Consulting Group. Im Durchschnitt verdienten die Banken kaum Geld mit der Dienstleistung, einige Institute machten damit auch Verlust. Im vergangenen Jahr ging die Zahl der Geräte um 1,5 Prozent auf 58 000 zurück. "Erst sterben die Filialen, dann die Geldautomaten", sagt Sachse. Den Kosten für Anschaffung, Unterhalt und Sicherheit der Automaten stehen die Gebühren gegenüber, die Institute von Fremdkunden verlangen. Immer mehr Häuser gingen zuletzt dazu über, auch eigene Kunden zu belasten, ermittelte das Internetportal Biallo. Rund 400 Banken tun dies bereits. Meist ist das bei Girokonten mit einer günstigen Grundgebühr der Fall; bei einem teureren Kontomodell ist das Abheben in der Regel noch kostenlos. Berater Sachse kann sich "gut vorstellen, dass viele Häuser weitere Einnahmequellen über die Geldautomaten erschließen werden". Es könnte also sein, dass auch Kunden anderer Banken demnächst beim Geldabheben nicht nur Werbung auf dem Bildschirm finden - sondern auch einen Button dazu. | Weil die Kunden kaum mehr in die Filialen kommen, müssen sich die Kreditinstitute etwas überlegen. Jetzt nutzt die erste Sparkasse die Geräte, um Beratungsgespräche anzubahnen. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/banken-der-geldautomat-ist-der-neue-bankschalter-1.4207367 | Der Geldautomat ist der neue Bankschalter | 00/12/2018 |
Das Treffen von Xi Jinping und Donald Trump nach dem G-20-Gipfel: Es wurde als kleiner Schritt zum Miteinander der beiden Supermächte gedeutet. Mittlerweile geht es wieder um die Härte im Gegeneinander. Der Westen ließ sich von der Hoffnung leiten, dass China nicht nur der Marktwirtschaft verfällt, sondern auch den westlichen Werten. Das war ein Trugschluss. Eines der großen Rätsel der Weltpolitik ist entschlüsselt, eine der letzten Unbekannten in der Gleichung der Mächte scheint aufgelöst zu sein: China und die USA haben ihre Rivalität akzeptiert. Die Zeit von Ausgleich, gedeihlichem Miteinander, behutsamer Steuerung - sie ist vorbei. Es geht nun nicht mehr um die Modalitäten des Miteinanders, sondern um die Härte im Gegeneinander. In Washington jedenfalls wächst eine seltene Einigkeit zwischen allen politischen Lagern: Die USA müssen sich wehren gegen den Handelsgiganten, den Technologieriesen, den militärischen Aufsteiger China. Willkommen in der neuen Welt der Supermachtskonfrontation, in der nur noch nicht entschieden ist, wie heftig die Kollision ausfallen wird. Seit der Öffnung des Landes vor 40 Jahren war der Westen von der Hoffnung geleitet, dass China auf dem Weg der Marktwirtschaft auch von den Segnungen individueller Freiheiten und des Pluralismus geküsst werden würde, kurz: dass China irgendwann dem westlichen Modell verfallen müsste. Das war ein Trugschluss. Vielmehr hat das Land zwar einen rasanten Aufstieg absolviert, es hat Hunderte Millionen Menschen aus der Armut geführt und einen bemerkenswerten Ehrgeiz dabei gezeigt. Aber es hat auch eine eigene Form der Ordnung entwickelt, die nun mehr und mehr Konflikte mit dem Westen provoziert. Militärisch, technologisch, ideologisch, in den Spielregeln der Marktwirtschaft, der Transparenz, Offenheit und der Rechtsstaatlichkeit: Chinas Modell wird von einer wachsenden Zahl Politiker und Wirtschaftsführer im Westen als Bedrohung wahrgenommen. Die Landnahme oder besser Landgewinnung im Südchinesischen Meer steht geografisch für diese raumgreifende Grundhaltung, die staatlich proklamierte Technologiepolitik mit ihren strategischen Zukäufen in aller Welt ist ihre ökonomische Ausgeburt. Im Fall Huawei spiegeln sich alle Rivalitäten All dies fiele in die Kategorie natürliche und bisweilen auch heftige Konkurrenz, wenn denn der Wettbewerb unter gleichen Bedingungen stattfände. Findet er aber nicht, weder unter marktwirtschaftlichen noch unter politischen Gesichtspunkten. Vor allem die politische Absicht hinter Chinas neuem Expansionismus löst, wie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier beim China-Besuch so treffend gesagt hat, "ein mulmiges Gefühl" aus. Ökonomische Rivalität ließe sich steuern, politische Konfrontation mündet früher oder später in den Systemkonflikt. Dieser Wendepunkt auf dem Weg zum Konflikt ist mit den USA nun erreicht. Im Haftbefehl gegen die Huawei-Vorstandsfrau Meng Wanzhou spiegeln sich alle Rivalitäten um Märkte, Transparenz, Vertragstreue, Kontrolle und natürlich die Systemfrage: Wie viel Macht gesteht man einem Konzern in der Steuerung der Technologie der Zukunft zu, wenn unklar ist, wer diesen Konzern in welcher Absicht tatsächlich lenkt? Steinmeier hat freundlich im Ton, aber klar in der Sache seinen chinesischen Gastgebern die Grundvoraussetzungen für ein gedeihliches Miteinander unterschiedlicher Systeme genannt: Verlässlichkeit und Berechenbarkeit. Die USA sind weiter, auch weil Trump dem Dialog den Sauerstoff entzieht. Hier stehen sich nun zwei Großmächte feindselig gegenüber. Deutschland und Europa werden sich diesem Sog nicht entziehen können. | Der Westen ließ sich von der Hoffnung leiten, dass China nicht nur der Marktwirtschaft verfällt, sondern auch den westlichen Werten. Das war ein Trugschluss. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/usa-china-huawei-1.4243360 | USA und China - Konfrontation der Supermächte | 00/12/2018 |
Die schnelle Einführung des neuen Mobilfunkstandards 5G droht zu platzen. In einem Brandbrief, den die Bundesnetzagentur an die Bundesministerien für Wirtschaft und Verkehr versandt hat, warnt die Behörde die Bundesregierung eindringlich vor nachträglichen Vorgaben für die Telekomkonzerne. Eine solche Änderung noch vor der fürs Frühjahr geplanten Auktion der Frequenzen würde "erhebliche Rechtsunsicherheiten verursachen und das Auktionsverfahren gefährden", schreibt die Fachabteilung der Bonner Behörde. Politik, Verbraucher und Industrie setzen große Hoffnungen auf den neuen Mobilfunkstandard. Dem Koalitionsvertrag der Bundesregierung zufolge soll er Deutschland an die Weltspitze der digitalen Infrastruktur katapultieren. 5G soll Daten bis zu 20 Mal schneller übertragen als das derzeitige LTE-Netz. Vor allem aber erlaubt es den verbundenen Geräten, quasi in Echtzeit zu kommunizieren. Das ist vor allem für industrielle Anwendungen wichtig, wie etwa das autonome Fahren oder neue Anwendungen in der Industrieproduktion. Allerdings erfordert das 5G-Netz auch eine komplett neue Infrastruktur mit Tausenden neuen Funkmasten. Zum Problem könnte nach Ansicht der Bundesnetzagentur nun werden, dass Teile des Bundestags im Kampf gegen Funklöcher das sogenannte lokale Roaming erzwingen wollen. Dabei würden Handynutzer in einem Funkloch automatisch und kostenlos mit dem Netz eines anderen Telekommunikationskonzerns verbunden werden. Netzbetreiber sehen das äußerst kritisch. Sie müssten Konkurrenten die Nutzung eigener Funkmasten ermöglichen und warnen vor diesem Hintergrund vor einer Entwertung ihrer Investitionen. Politiker von Union und SPD wollen sich mit dem jetzigen Vorschlag nicht abfinden Die Netzagentur sah das letztlich ähnlich und verzichtete auf das Instrument, als sie Ende November die Regeln für die Frequenzauktion präsentierte. Sie schrieb den Unternehmen nur vor, dass die Firmen miteinander über die gemeinsame Nutzung von Masten verhandeln müssen. Damit wollen sich führende Politiker des Bundestags jedoch nicht abfinden. Unions- und SPD-Parlamentarier hatten deshalb eine Initiative für eine Gesetzesänderung gestartet. In Kreisen der Bundesregierung werden ihr gute Chancen eingeräumt. Eine sogenannte "Formulierungshilfe" zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes soll es der Netzagentur ermöglichen, das Roaming zu erzwingen. Als erstes hatte die FAZ darüber berichtet. Die Netzagentur sieht das dem Schreiben zufolge allerdings kritisch, auch wenn sie dadurch mehr Macht erhielte. Die Fachleute gehen davon aus, dass der Vorstoß zum Rückschlag werden könnte. Sie fürchten, dass die Netzabdeckung beim Mobilfunk-Standard der Zukunft so schlechter statt besser werden könnte. Mit Blick auf die rechtlichen Unsicherheiten sei fraglich, "ob und in welchem Umfang ein Netzbetreiber in den weiteren Netzausbau - insbesondere im ländlichen Raum - investieren wird, wenn er im Nachhinein Wettbewerber auf sein Netz lassen muss." Folge könnte nach Angaben aus Behördenkreisen sein, dass gar kein Anbieter mehr Funkmasten im ländlichen Raum errichtet. Das Auktionsverfahren als Ganzes gerate somit in Gefahr. Die Behörde wollte sich am Freitag nicht zu dem Vorgang äußern. | Politiker von Union und SPD wollen Betreiber zwingen, ihr Netz auf dem Land für Konkurrenten zu öffnen. Damit könnte die schnelle Einführung von 5G platzen, warnt die Bundesnetzagentur. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/mobilfunk-deutschland-1.4243552 | 5G - Start des schnellen Mobilfunks in Gefahr | 00/12/2018 |
Der Konzern hat sich mit dem Kauf von Monsanto übernommen - und leert nun die Alterskasse, bis jungen Menschen nur Brosamen bleiben. Es gibt derzeit mehrere deutsche Unternehmen, die Tausende Arbeitsplätze streichen. Der Fall Bayer ist dennoch besonders. Der Leverkusener Konzern kaufte für viel Geld die Glyphosat-Firma Monsanto, verlor vor Gericht gegen einen Krebskranken und stürzte an der Börse ab. Genau deshalb senken die Manager mit aller Gewalt Kosten. Wie sich nun herausstellt, soll der Personalabbau auch noch zulasten des Rentensystems gehen, also auf Kosten der Allgemeinheit. Bayer-Arbeiter finden den Jobkahlschlag bitter. "Hauptsache Mon(ey)santo", so lautet ein Slogan. Diesen Frust soll jetzt lindern, dass Beschäftigte schon mit 57 in Ruhestand dürfen. Das passt nicht in eine Zeit, in der die meisten Deutschen ihre Gesundheit mit 70 Jahren gut bis ausgezeichnet finden und die meisten über 80 Jahre alt werden. Aktionen wie die von Bayer senden ein absurdes Signal: Sie leeren die Alterskasse, bis jungen Deutschen nur Brosamen bleiben. Dass Firmen Mitarbeiter auf Kosten der Allgemeinheit entsorgen, hat in der Bundesrepublik schlechte Tradition. Als das einstige Wirtschaftswunderland in den 70er-Jahren plötzlich Arbeitslosigkeit erlebte, beschlossen Politiker, Gewerkschaften und Unternehmer, Ältere sollten Jüngeren Platz machen. Bald arbeiteten nicht mehr 80 Prozent der über 55-Jährigen, sondern weniger als die Hälfte. Der Beschäftigung half das kaum. Der heutige Jobboom verdankt sich anderen Faktoren, der umstrittenen Agenda 2010 von Kanzler Gerhard Schröder etwa. Eines bewirkte die Frühverrentung aber: Sie höhlte das Alterssystem finanziell aus. Deshalb stoppte die Politik sie zur Jahrtausendwende endlich. Und sie erhöhte das Rentenalter. Weil sich die SPD heute von der Schröder-Zeit distanziert, verabschiedete sie sich 2013 von verantwortungsvoller Alterspolitik - und belebte die Frührente wieder. Genau diese sollen nun die Bayer-Arbeiter nutzen. Insgesamt kostet die von der SPD durchgesetzte Frührente 40 Milliarden Euro Den Rest könnte der Konzern drauflegen. So wird der Monsanto-Käufer arbeitsfähige Beschäftigte los - und die Gesellschaft zahlt dafür. Insgesamt kostet die von der SPD durchgesetzte Frührente 40 Milliarden Euro bis zum Jahr 2030. Das Gesetz ist bereits dafür verantwortlich, dass ein hoffnungsvoller Trend zerstört wurde: Jahrelang stieg das Alter an, in dem die Deutschen in Ruhestand gehen. Inzwischen stockt diese Entwicklung, die das Alterssystem finanzieren half. Doch damit endet der Wahnsinn noch nicht. Bayer will seine Beschäftigten mit 57 nach Hause schicken, während die Wirtschaftsverbände lauthals über einen Mangel an Fachkräften klagen, während sie warnen, in einiger Zeit werde der Aufschwung enden, weil wegen Alterung und Kinderknappheit Millionen Arbeitnehmer fehlten. Wie passt das zusammen? Die Wahrheit ist, dass es in der Wirtschaft wie sonst im Leben auch solche und solche gibt. Unternehmen wie die Bahn oder Bosch bemühen sich, ältere Beschäftigte zu halten und weiterzubilden. Sie wollen deren Erfahrung nutzen, weil Studien zeigen, dass ergraute Kollegen genauso produktiv sind wie junge. Die Firmen wollen verhindern, dass ihnen irgendwann Geschäft entgeht, weil Angestellte fehlen. Es gibt solche weitblickende Firmen. Und es gibt Bayer. Der Konzern hat sich an Monsanto verschluckt und trennt sich dann massenhaft von Mitarbeitern mit 57 Jahren - assistiert von der taumelnden Frührentenpartei SPD. | Der Konzern hat sich mit dem Kauf von Monsanto übernommen - und leert nun die Alterskasse, bis jungen Menschen nur Brosamen bleiben. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/jobabbau-bayers-kahlschlag-geht-auf-kosten-der-allgemeinheit-1.4242043 | Bayer entsorgt Mitarbeiter auf Kosten der Allgemeinheit | 00/12/2018 |
Um das Klima besser zu schützen, müssen in Deutschland auch Wohnungen saniert werden. Aber die Regeln dafür sind weder fair noch effizient. Das zeigt der Fall Vonovia. Deutschlands größter Vermieter Vonovia vollzieht eine Kehrtwende, die erfreulich und zugleich bedauerlich ist. Der Konzern, bei dem eine Million Menschen zur Miete wohnen, will die Mieten nirgends mehr so stark erhöhen, dass sich ein Mieter seine Wohnung nicht mehr leisten kann. Das ist die gute Nachricht. Doch kündigt Vonovia im Gegenzug an, dass man künftig 40 Prozent weniger Geld ausgeben werde, um Mietshäuser in Deutschland energetisch zu sanieren. Das ist schlecht für den Klimaschutz. Damit zeigt das Beispiel das ganze Dilemma im Streit um Wohnungsmodernisierungen. Deutschland will seine CO₂-Emissionen stark reduzieren, das ist gut so. Dafür müssen nicht nur Kohlekraftwerke vom Netz und weniger Verbrennungsmotoren auf die Straßen. Dafür müssen auch Hausbesitzer Fassaden dämmen, sparsame Heizungen und moderne Fenster einbauen. Damit Vermieter einen Anreiz dazu haben, dürfen sie einen Teil ihrer Modernisierungskosten auf die Miete umlegen. Diese grundsätzlich sinnvolle Regel hat in der Praxis zwei Schattenseiten. Erstens gibt sie weder Menschen in den eigenen vier Wänden einen Anreiz zur Sanierung noch Vermietern in ländlichen Regionen, in denen Mieter nicht mehr zahlen können oder wollen - und auf andere Wohnungen ausweichen könnten. Ohne diese Eigenheime und Mietshäuser auf dem Land, wird die Energiewende im Gebäudesektor aber nicht gelingen können. Zweitens kann in Städten, in denen viele Menschen wohnen wollen, allein die Ankündigung einer Modernisierung soziale Schäden anrichten: Viele Mieter mit niedrigen Einkommen können es sich nicht leisten, dass ihre Wohnung auf einen Schlag Hunderte Euro mehr kosten soll, müssen womöglich ihr angestammtes Viertel verlassen. Dieses sogenannte Rausmodernisieren ist trostlos und unsozial. Deshalb ist es gut, dass die Modernisierungsumlage im nächsten Jahr von elf auf acht Prozent sinken wird. Auch darf die Miete nach Sanierungen künftig höchstens um drei Euro pro Quadratmeter steigen, bei günstigen Wohnungen um zwei Euro. Der Vonovia-Konzern geht nun noch ein wenig darüber hinaus. Doch wird er in der Folge Tausende Häuser nicht energetisch sanieren, nicht seniorenfreundlich oder barrierefrei umbauen, obwohl das gut wäre in Zeiten des Klimawandels und einer alternden Gesellschaft. Der Fall zeigt, dass die Regeln zu Modernisierungen weder fair noch effizient sind. Bislang müssen zu sehr die Mieter dafür zahlen, dass Vermieter einen Anreiz zum Sanieren haben. Während es sich in der Stadt lohnen kann, ein und dieselbe Wohnung energetisch und paar Jahre später noch mal altenfreundlich umzubauen, werden auf dem Land zu wenige Häuser gedämmt und Heizungen getauscht. Die Politik kann helfen, das zu ändern. Vermieter brauchen Anreize, ihre Häuser zu sanieren. Bislang geht dies zu sehr zulasten der Mieter Eine radikale Lösung wäre, dass die Miete nach einer energetischen Sanierung künftig nur so stark steigen dürfte, wie der Mieter absehbar an Nebenkosten sparen würde, weil er fortan weniger heizen müsste. Dann wären energetische Umbauten nicht mehr schlecht für die Mieter. Im Gegenzug müsste der Staat mehr Geld ausgeben, damit Vermieter trotzdem noch einen Anreiz zum Umbauen hätten. Statt einer kaum überschaubaren Menge an nationalen und regionalen Fördermitteln bräuchte es dann eine klare Subvention für Eigentümer, die eine Immobilie energetisch auf den neuesten Stand bringen. Ein solcher Anreiz müsste auf dem Land genauso wirken wie in der Stadt, für Vermieter genauso wie für Selbstnutzer. Die Idee hat freilich einen Haken: Eigentümer sanieren nicht nur energetisch, sie bauen etwa auch neue Balkone oder Aufzüge ein. Der Nutzen solcher Modernisierungen lässt sich nicht so gut beziffern. Worüber sich der eine Mieter freut, hält ein anderer womöglich für Schnickschnack. Auch deshalb wäre es so wichtig, dass sich die Nachfrage nach Wohnraum künftig besser auf Stadt und Land verteilen würde. Wenn sich in gefragten Gegenden nicht immer Dutzende Menschen auf eine Wohnung bewerben würden, könnten es sich Vermieter dort gar nicht leisten, gegen den Willen ihrer Mieter zu sanieren. Dass Vonovia nun für jeden Mieter eine Lösung finden will, damit niemand mehr verdrängt wird, mag aus Sicht einer Wohnungsgenossenschaft oder städtischen Firma nichts Besonderes sein. Für einen Dax-Konzern ist es sehr wohl ein löbliches Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft. | Um das Klima besser zu schützen, müssen in Deutschland auch Wohnungen saniert werden. Aber die Regeln dafür sind weder fair noch effizient. Das zeigt der Fall Vonovia. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/kommentar-mieter-versus-klimaschutz-1.4241973 | Kommentar - Mieter versus Klimaschutz | 00/12/2018 |
Über die Zukunft von Commerzbank-Vorstand Michael Reuther wurde in Frankfurt lange spekuliert. Die Probleme in seinem Bereich, dem Geschäft mit Firmenkunden, waren nicht mehr zu übersehen und ein Dauerthema für Investoren: Würde Reuther das noch in den Griff bekommen? Die Gelegenheit dazu, so steht seit Mittwochabend fest, wird er nicht mehr lange haben. Am Ende einer langen Aufsichtsratssitzung teilte die Bank mit, Reuther wolle seinen im kommenden Jahr endenden Vertrag nicht verlängern. Ende September 2019 ist für ihn Schluss. Vorstandschef Martin Zielke ließ sich mit den Worten zitieren, er bedauere Reuthers Entscheidung, respektiere sie aber. "Er hat die Neuorganisation im Firmenkundengeschäft sehr gut vorangebracht", sagte Zielke. Allerdings sind die erhofften Erträge ausgeblieben, was Reuther viel Kritik einbrachte. Unter Zielkes Führung hatte sich die Bank 2016 eine neue Strategie verpasst, im Zuge derer sie auch die Mittelstandssparte kräftig umbaute, ihr einstiges Aushängeschild. Das Firmenkundengeschäft verschmolz die Commerzbank mit den Resten ihres Investmentbankings, die kleineren Geschäftskunden ordnete sie den Privatkunden zu. Die Erosion der Erträge in diesem Bereich konnte der Umbau nicht stoppen. Allein im dritten Quartal schrumpften sie erneut um fünf Prozent. Im Sommer hatte das Geldhaus bereits seinen Ausblick für die Sparte gesenkt. Und Ende November war bekannt geworden, dass sich die Bankenaufseher der Europäischen Zentralbank um den Geschäftsbereich Sorgen machen. Nicht zuletzt wegen des lahmenden Firmenkundengeschäfts stieg die Commerzbank Anfang September aus dem deutschen Aktienindex Dax ab, dem sie seit dessen Gründung vor 30 Jahren angehört hatte. Die Aktie - seit einiger Zeit zum Spekulationsobjekt geworden - ist im Jahresvergleich mit mehr als 40 Prozent im Minus, der Marktwert der Bank liegt inzwischen deutlich unter zehn Milliarden Euro. Einige Analysten bezweifeln, ob die bereits angepassten Wachstumsziele für das kommende Jahr überhaupt zu erreichen sind. Einziger Lichtblick ist das Geschäft mit Privatkunden. 117 000 neue Kunden gewann die Bank im dritten Quartal, davon je die Hälfte über ihre etwa 1000 Filialen und die Direktbank-Tochter Comdirect. Reuther war 13 Jahre im Commerzbank-Vorstand. Jetzt, hieß es, wolle er noch einmal "ein neues Kapitel in seinem beruflichen Leben aufschlagen". Anders als in seinem Fall hat die Bank für dessen Kollegen Frank Annuscheit bereits einen Nachfolger bestimmt. Annuscheit, Vorstand für das operative Geschäft und zuständig für die Konzern-IT, gebe seinen Posten bereits Ende Februar aus gesundheitlichen Gründen ab, teilte die Bank mit. Auf ihn folgt Strategiechef Jörg Hessenmüller. | Die Commerzbank tauscht mehrere Vorstandsmitglieder aus. Während das Privatkundengeschäft wächst, bleiben die großen Probleme im Geschäft mit den Firmenkunden ungelöst. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/commerzbank-grosse-rochade-in-der-chefetage-1.4241752 | Große Rochade in der Chefetage | 00/12/2018 |
Im Februar 2015 plagten Mike LeBeau Bedenken. Besorgt schickte der Facebook-Produktmanager in einer Mail an Kollegen sogar seine Schreckensvision einer kritischen Schlagzeile über den Konzern: "Facebook verwendet neues Android-Update, um auf noch erschreckendere Weise in deinem Privatleben herumzuschnüffeln." Mit solchen Nachrichten werde man sich herumschlagen müssen, wenn Journalisten auf den Plan aufmerksam würden. Damals arbeiteten die Entwickler gerade an einem Update für Facebook, das dem Netzwerk auf Android-Handys weitreichende Befugnisse einräumen würde: Die App sollte auf SMS und die Anrufliste zugreifen und diese auf die Server von Facebook laden. Wenn Facebook sehen darf, wer wen anruft, kann das Unternehmen zum Beispiel erkennen, ob der Gesprächspartner auch auf Facebook ist - und ihn als Kontakt vorschlagen. So vernetzt das Unternehmen Menschen anhand ihrer Beziehungen außerhalb von Facebook, was die vielleicht nicht wollen. Ein Patient etwa will ja nicht seinen Psychotherapeuten als Freund vorgeschlagen bekommen. Mit diesem Manöver wollte LeBeau nichts zu tun haben. Doch er bekam nur die Antwort: Facebooks Team für Nutzerwachstum werde das Update durchziehen - und zwar ohne die Nutzer klar und deutlich zu informieren, wie weitreichend der Eingriff werde. Diese ernüchternde Auskunft kam ausgerechnet vom "Privatsphäre-Beauftragten" des Konzerns, Yul Kwon, dem der Schutz von Nutzern am Herzen liegen sollte. Der Mailwechsel ist Teil einer Sammlung interner E-Mails auf 223 Seiten, die einen seltenen Einblick in die strategischen Überlegungen eines der größten Konzerne des Silicon Valley geben. Auch Mails aus der Chefetage sind darunter, von Konzernchef Mark Zuckerberg und Geschäftsführerin Sheryl Sandberg. Veröffentlicht hat die Nachrichten der britische Parlamentsabgeordnete Damian Collins. Sie stammen aus einem Gerichtsprozess zwischen einem App-Entwickler und Facebook. Das Parlament hatte sich die Prozessakten im Rahmen der Aufklärung des Cambridge-Analytica-Skandals besorgt. In einer Stellungnahme erklärte Facebook: Die Mails seien aus dem Kontext gerissen. Sie stammten aus den Jahren 2012 bis 2015 und seien veraltet. Facebook habe sich verändert, achte nun stärker auf Datenschutz. Wer der Expansion im Weg stand, wurde blockiert oder gekauft Die Mails geben Aufschluss darüber, wie rücksichtslos Facebook in seinen Anfangsjahren das Wachstum vorantrieb. Sie zeigen, was sich hinter dem philanthropisch anmutenden Motto "Die Welt vernetzen" verbarg: volle Klarheit über die Risiken des eigenen Geschäftsmodells für Nutzer. Facebook sammelte und vernetzte immer mehr Daten über sie, um mehr Geld von Anzeigenkunden zu bekommen. Dabei setzte das Unternehmen unter anderem auf sogenannte dunkle Muster. Dabei handelt es sich um manipulatives Design, mit dem Nutzer ausgetrickst werden sollen. So zeigen die E-Mails, wie Facebook aus Angst vor Imageschäden das Android-Update absichtlich so konstruierte, dass die Nutzer nicht klar vor den weitreichenden Zugriffsrechten gewarnt wurden. Das Plattform-Modell der digitalen Ökonomie legen die Mails schonungslos offen: Facebook nutzte seine Macht gegenüber den Entwicklern kleiner Apps, die an das Netzwerk andockten. "Wir verkaufen keine Daten", verkünden Vertreter des Unternehmens immer wieder wie ein Mantra. Eine E-Mail von 2012 zeigt allerdings, dass Zuckerberg überlegte, ob er von App-Entwicklern nicht zehn Cent pro Nutzer und Jahr verlangen sollte. Dann könnten die zum Beispiel auf die Listen der Freunde ihrer Nutzer zugreifen, eine Option, die Datenschützer kritisch sehen. Und er sah es demnach als essenziell für sein Geschäftsmodell an, möglichst viele Quellen für Daten anzuzapfen: Dass App-Entwickler über Facebook Zugriff auf Nutzer des Konzerns bekommen, das "könnte gut für die Welt sein, aber nicht für uns, außer die Menschen teilen Inhalte mit Facebook und diese erhöhen den Wert unseres Netzwerkes", schrieb er. Es war also von höchster Stelle gewollt, dass Daten frei zwischen dem Netzwerk und den verbundenen Apps zirkulieren; und ebenso, dass die externen App-Bauer Daten ihrer Nutzer nicht nach ihrem Ermessen vor Facebook schützen können. Dass durch diese Wechselwirkung das Risiko von Missbrauch stieg, wurde von hochrangigen Mitarbeitern zwar angemerkt, Zuckerberg tat es aber ab: "Ich glaube nicht, dass das strategische Risiko eines Datenlecks so groß ist, wie du denkst", antwortete der Facebook-Chef lapidar. Wenige Jahre später geschah genau das: Im Fall Cambridge Analytica kopierten dubiose Drittfirmen und Entwickler unkontrolliert Massen an Nutzerdaten. Die Mails zeigen auch, wie Facebook gegen Konkurrenten vorging: Wer der Expansion im Weg stand, wurde blockiert oder gekauft. 2013 brachte Twitter seine App Vine auf den Markt, mit der Nutzer kurze Videos filmen und veröffentlichen konnten. Facebook schnitt die App den Dokumenten zufolge kurzerhand von einem Teil des lukrativen Datenstroms auf seiner Plattform ab. Zuckerberg segnete es persönlich per Mail ab - ein schwerer Schlag für eine "soziale" App wie Vine. Die Dating-App Tinder oder die Unterkunfts-Plattform Airbnb, die Facebook nicht als Konkurrenten sah, bekamen demnach dagegen privilegierten Zugang zu Daten. Aus den Dokumenten lässt sich auch erahnen, wie Facebook die Übernahme der Chat-App Whatsapp 2014 vorbereitete - und wie Facebook an Daten über Whatsapp-Nutzer kam. Das Unternehmen hatte eine VPN-App namens Onavo gekauft. Mit der sollen sich Nutzer eigentlich gegen Überwachung schützen. Facebook nutzte die App aber als eine Art Spionagewerkzeug. Die Daten darüber, was Nutzer auf ihren Handys taten, liefen über die Server von Facebook und wurden vom Unternehmen ausgewertet. Die Dokumente zeigen nun, wie Facebook die Infos über Whatsapp auswertete - um sich dann für eine Übernahme zu entscheiden. | Interne Mails geben Aufschluss darüber, wie rücksichtslos Facebook in seinen Anfangsjahren das Wachstum vorantrieb - mit Wissen und Mitwirkung von Mark Zuckerberg. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/facebook-dunkle-muster-1.4242091 | Süddeutsche.de | 00/12/2018 |
Im "The Accountant" spielt Ben Affleck einen Buchhalter. Im wahren Leben hat die Pensionskasse der Steuerberater Probleme. Der Pensionskasse der Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte fehlen Millionen. Sie muss der Finanzaufsicht Bafin nun einen Sanierungsplan vorlegen. Es drohen Leistungskürzungen für die Rentner. Schlechte Nachrichten für Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte: Die Deutsche Steuerberater-Versicherung (DSV), eine Einrichtung ihrer betrieblichen Altersversorgung, ist in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Die Pensionskasse, die sich um die Betriebsrenten dieser Freiberufler und ihrer Mitarbeiter kümmert, hat mitgeteilt, dass sie für das Jahr 2017 nicht mehr über ausreichend Eigenmittel verfügt, um die aufsichtsrechtlichen Vorgaben zu erfüllen. Es fehlen insgesamt 17,7 Millionen Euro. | Der Pensionskasse der Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte fehlen Millionen. Sie muss der Finanzaufsicht Bafin nun einen Sanierungsplan vorlegen. Es drohen Leistungskürzungen für die Rentner. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/deutsche-steuerberater-versicherung-1.4242093 | Deutsche Steuerberater-Versicherung - In Schieflage | 00/12/2018 |
Zu den vielen Risiken für die Weltwirtschaft gehört auch dieses: ein amerikanischer Präsident, der die Notenbank Federal Reserve öffentlich drängt, das Geld billiger zu machen, damit die Wirtschaft noch schneller wächst, die Aktienkurse steigen, ebenso wie die Chancen seiner Wiederwahl in weniger als zwei Jahren. "Die Vereinigten Staaten sollten nicht dafür bestraft werden, dass es ihnen gut geht", schrieb Donald Trump in einem Tweet. So als ob höhere Zinsen, die das Aufkommen von Inflation verhindern sollen, eine Strafe für ein Land wären. | Der frühere US-Präsident, der über den Watergate-Skandal stürzte, setzte die Geldpolitik effektiv für seinen Wahlkampf ein. Die heutigen Lenker der Notenbank sollten gewarnt sein. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/richard-nixon-us-oekonomie-1.4241983 | Pipers Welt - Wie bei Nixon | 00/12/2018 |
Viele Traditionsmessen sind in Deutschland weiterhin erfolgreich, aber sie müssen sich wandeln. Der Trend geht zu großen Festivals und Veranstaltungen, die sich nur einem Thema widmen. Seit rund einer Woche ist die deutsche Messewelt um ein paar Veranstaltungen ärmer. Zuerst wurde die IT-Schau Cebit in Hannover abgesagt, einen Tag später hieß es, auch die Modemesse Bread & Butter werde eingestellt. Und jetzt teilte die Koelnmesse mit, die weltgrößte Fotomesse Photokina werde erst ab 2020 jährlich stattfinden, nicht wie angekündigt ab 2018. Alles Einzelfälle, oder rumpelt es in der Messebranche? Weltweit ziehen 31 000 Messen jedes Jahr rund 4,4 Millionen Aussteller und 260 Millionen Besucher an. Deutsche Veranstalter organisieren rund ein Zehntel davon. Doch für viele Unternehmen sind diese Schauen nicht mehr so attraktiv wie früher. Es reicht nicht mehr, Einkäufern und Vertrieblern neue Produkte zum Anfassen und Ausprobieren zu zeigen. Wichtiger ist, sich dem Kunden auf einer coolen Veranstaltung als moderner Partner in allen Lebenslagen zu präsentieren. Statt der klassischen Messen gibt es deshalb zunehmend Festivals mit Bühnenprogramm und ein bisschen Ausstellungsfläche am Rande, die viel Publikum locken - und entsprechend auch die Medien. Daraus lassen sich zwei Schlüsse ziehen: Die Messe an sich ist nicht tot. Aber sie hat Konkurrenz bekommen - sich vernetzen geht heute auch anders. Nikolas Woischnik organisiert in Berlin das Tech Open Air (TOA), ein mehrtägiges Event für Start-ups und Unternehmen, das Technologie, Musik, Kunst und Wissenschaft verbindet und 20 000 Besucher anzieht. Er sagt, gerade die nach 1980 Geborenen wollen einfach etwas anderes sehen: "Früher ging es auf Messen nur um Transaktionen, heute steht mehr und mehr das Erlebnis im Vordergrund." Junge Menschen möchten spüren, was Technologien für ihr Leben bedeuten. Und sie möchten sich dazu mit anderen austauschen. Für die etablierten Unternehmen liegt der Mehrwert im Kontakt zu den Start-ups und in der Markenbildung. Als Veranstalter gibt Woischnik Firmen, die auf dem TOA ausstellen wollen, drei Tipps. Erstens: Wirkt möglichst kreativ und human. Dazu gehöre, seinen Stand aus Holz oder anderen Naturmaterialien zu bauen - junge Leute achten auf Nachhaltiges. Zweitens: Bietet Interaktives zum Anfassen. Drittens: Überlegt, wie ihr euch als Plattform präsentieren könnt - warum nur sich selbst zeigen? Google etwa habe beim TOA 2018 eine eigene Bühne bespielt, zusätzlich zu den neun Bühnen, die die Veranstalter ohnehin schon im Programm hatten. Das habe dennoch funktioniert, so Woischnik, die Besucher wollten sehen, welche Themen der Suchmaschinen-Betreiber dort setzt. Die Hälfte des Geldes, das Firmen für die Kontaktpflege investieren, fließt in Messen Fast die Hälfte des Geldes, das deutsche Firmen für die Pflege ihrer Geschäftsbeziehungen investieren, geben sie für Messen aus. Dabei innovativ zu bleiben, ist aber nicht so einfach. Das zeigt das Beispiel der Photokina, Leitmesse für Fotografie, die seit 1966 zweijährlich in Köln stattfindet. Nun sollte sie in einen jährlichen Rhythmus wechseln. Doch bei den Veranstaltern heißt es, gerade der jüngste große Erfolg der Messe mit 180 000 Besuchern spreche dagegen. Man habe so die Messlatte selbst sehr hoch gelegt: "Es ist deshalb unwahrscheinlich, dass wir im Mai 2019 nach nur gut sieben Monaten wieder eine so begeisternde Stimmung erzeugen können." Je mehr Veranstalter Konzerte und Talkshows bieten, desto mehr entfernen sie sich von einer klassischen Messe. Der Begriff ist in Deutschland, wenig überraschend, sogar gesetzlich definiert: Viele Aussteller zeigen "das wesentliche Angebot eines oder mehrerer Wirtschaftszweige". Das traf auf die Cebit zu. Seit 1986 bot sie jedes Jahr den großen Überblick über allerlei Innovatives aus der Tech- und Digitalbranche. Als die Leitmesse an Bedeutung verlor, reagierte die Deutsche Messe AG als Veranstalter zu spät. Die neue Cebit, im Sommer 2018 umgesetzt, wollte ein Festival sein, mehr Shows, mehr Bühnengespräche. Das hat nicht überzeugt, zumal es solche Events längst (und besser) gibt, im texanischen Austin etwa bei der South by Southwest (SXSW). Dazu kommt, dass große Unternehmen zunehmend Hausmessen veranstalten, um sich, und nur sich, präsentieren zu können. Dass der Begriff Messe, siehe Definition, in diesem Fall verfehlt ist, ändert nichts an der Wirkung. Der Erfolg hängt meist vom Zuschnitt einer Veranstaltung ab. Hausmessen kommen wieder Beim Verband der deutschen Messewirtschaft (Auma) ist man sich sicher, dass die Grundidee einer Messe immer noch trägt: Kunden können Produkte in die Hand nehmen, vergleichen, darüber sprechen. Der Bedarf sei ungebrochen, die Zahl der Aussteller wachse, sagt Auma-Sprecher Harald Kötter. Hausmessen mögen sinnvoll sein, um Kunden zu binden, "aber es führt in der Regel nicht dazu, dass man neue Kunden gewinnt", so Kötter. Außerdem sei es aufwendig für die Besucher: Sollen sie zu jedem Unternehmensevent fahren, wenn es doch viel einfacher wäre, alles an einem Ort zu sehen? Doch gerade der thematische Zuschnitt ist schwierig, auch das zeigt das Ende der Cebit. Sie war breit aufgestellt in einer Branche, die nicht mehr allein für sich steht. "Die Digitalisierung ist in vielen Wirtschaftszweigen der treibende Faktor - also haben alle relevanten Fachmessen sie längst in ihr Programm integriert", sagt Kötter. Hinzu kommt: Die riesigen Ausstellungsflächen in den deutschen Messestädten entsprechen oft nicht mehr den Anforderungen. Die Messehallen sind zum Teil veraltet, werden derzeit für viele Millionen saniert. Aber auf die Größe kommt es zukünftig vielleicht nicht mehr an. Zum einen muss sich nicht alles auf dem Gelände abspielen. Woischnik etwa bietet während dem TOA Satellitenevents in der ganzen Stadt, abseits vom eigentlichen Festival. Diese organisieren die Start-ups selbst, so können sie ein größeres Publikum einbinden. "Die Frage muss sein: Wie weit kann ich anderen ermöglichen, dem Event ihren Stempel aufzudrücken?" Zum anderen geht der Trend, neben den Festivals, zu kleineren Fachmessen, eng auf ein Thema zugespitzt. Das stellt sich etwa die Deutsche Messe AG in Hannover als Ersatz für die Cebit vor. Auch beim Branchenverband Auma ist man zuversichtlich, dass weitere, andere Veranstaltungen entstehen werden. Wenn sich in einer Branche heute ein neuer Produktionsschwerpunkt herausbildet, kann er Inhalt einer Messe sein. Die 3-D-Druck-Messe Formnext in Frankfurt zum Beispiel kam 2018 auf 27 000 Besucher und 632 Aussteller - nur vier Jahre nach ihrer Gründung. | Viele Traditionsmessen sind in Deutschland weiterhin erfolgreich, aber sie müssen sich wandeln. Der Trend geht zu großen Festivals und Veranstaltungen, die sich nur einem Thema widmen. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/nach-dem-aus-fuer-die-cebit-das-ende-vom-allerlei-1.4241975 | Nach dem Aus für die Cebit - Das Ende vom Allerlei | 00/12/2018 |
Bislang haben viele deutsche Konzerne kaum Deckungen gegen die finanziellen Folgen von Hackerangriffen. Das ändert sich gerade. Versicherer haben Erfahrung mit Angriffen aus dem Netz. Doch es fehlt an Transparenz. Lange waren die europäischen Großkonzerne skeptisch, wenn es um den Abschluss von Cyber-Versicherungen ging: Zu geringe Versicherungssummen, die den Schaden nur zum Bruchteil abdecken, kaum Nutzen für das Unternehmen. Doch jetzt denken wichtige Konzerne um. Der Flugzeughersteller Airbus hat gerade seine erste Cyber-Versicherung abgeschlossen, sagte Airbus-Manager Philippe Cotelle bei einer Fachkonferenz der SZ. Er ist Chef der Abteilung für Versicherung und Risikomanagement. Auch der Technologie-Konzern Siemens und der Automobilzulieferer ZF Friedrichshafen beschäftigen sich mit den Policen. "Zur Risikominimierung gehört am Ende vielleicht auch die Versicherung", sagte Wolfgang Klasen, der bei Siemens den Bereich Forschung und Entwicklung für Embedded Security leitet. "Wir sind im Entscheidungsprozess", sagte Klasen. "Das ist bei uns ein Thema." Ähnlich bei ZF Friedrichshafen: "Wir prüfen momentan sehr intensiv, ob wir eine Police abschließen", sagte IT-Chef Jürgen Sturm auf der Konferenz. Allerdings - einfach nur glücklich mit den vorhandenen Angeboten der Versicherer sind die Konzerne nicht. Airbus-Manager Cotelle fordert von den Anbietern mehr Transparenz darüber, was genau versichert und was ausgeschlossen ist. "Wir brauchen Klarheit, für was die Deckung gilt", sagte Cotelle. Das Interesse europäischer Konzerne an Cyber-Versicherungen markiert einen Wendepunkt für das junge Geschäftsfeld. Während solche Policen für US-Unternehmen selbstverständlich sind, schlossen deutsche Großunternehmen kaum Verträge ab. Doch inzwischen haben die Konzerne begriffen, dass sie trotz technischer Hochrüstung mit erfolgreichen Angriffen rechnen müssen. Zwar haben sie selbst Experten, die die Systeme wieder ans Laufen bringen. Aber die Spezialisten der Versicherer sammeln Erfahrungen aus zahlreichen Schadenfällen und können im Notfall zusätzliche Hilfe bieten. Wer schon viele Male mit einem Erpressungstrojaner im IT-System zu tun hatte, kann nützlich sein. Bisher kam für ZF eine Cyber-Versicherung nicht infrage. "Ich bin jetzt einige Jahre IT-Entscheider und habe mich bislang immer dagegen entschieden", sagte Sturm. "Als erste Policen auf in den Markt kamen, war meine Überlegung, dass die monetäre Abdeckung in Relation zum Schaden sehr gering ist." Bei einer massiven Attacke auf den Konzern sei die Versicherungssumme zwar hilfreich. "Doch angesichts des Gesamtschadens, ist das eigentlich nur ein Trostpflaster." Große Attacken wie der gegen die Hotel-Gruppe Marriott verursachen Millionen-Schäden Zudem habe der Automobilzulieferer einen Teil der Gefahren wie das Betriebsausfallrisiko über andere Policen abgesichert. "Heute denke ich anders", sagte der Manager. Eine Cyber-Versicherung könne ein wichtiger Mosaikstein in der Absicherung sein. "Wenn man betroffen ist, geht es auch darum, dass man schnell aus der Krise herauskommt", sagte Sturm. Cyberversicherer könnten ZF mit Schadenerfahrungen von anderen Kunden sowie mit ihrem Netzwerk aus IT-Fachleuten bei der Krisenbewältigung unterstützen. Dennoch bleibt die Kritik in der Industrie an der Höhe der Summen. Große Cyberattacken wie der aktuelle Hackerangriff auf die Marriott-Hotelgruppe verursachen Schäden im Milliardenhöhe, doch die angebotenen Versicherungssummen überschreiten selten 500 Millionen Dollar. Bei Siemens hatte der Stuxnet-Vorfall im Jahr 2010 zu einem Umdenken bei der IT-Sicherheit geführt, berichtete Siemens-Manager Klasen. Der Computerwurm hatte weltweit Industrietechnologie von Siemens infiziert. Stuxnet war mutmaßlich konzipiert worden, um das iranische Atomprogramm anzugreifen. "Nach Stuxnet gab es einen Ruck im Konzern und es wurde viel, viel mehr Geld für das Thema Sicherheit zur Verfügung gestellt." Heute kümmern sich bei Siemens rund 1 300 Mitarbeiter in verschiedenen Geschäftseinheiten darum. | Bislang haben viele deutsche Konzerne kaum Deckungen gegen die finanziellen Folgen von Hackerangriffen. Das ändert sich gerade. Versicherer haben Erfahrung mit Angriffen aus dem Netz. Doch es fehlt an Transparenz. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/cyber-versicherung-deckung-gegen-hacker-1.4242095 | Cyber-Versicherung - Deckung gegen Hacker | 00/12/2018 |
Viele EU-Länder verkaufen Pässe an reiche Ausländer - auch an dubiose. Wer viel investiert, bekommt schneller eine Aufenthaltsgenehmigung als andere. In ihrer bisherigen Form erleichtert diese Regel die Geldwäsche. Für gut 3000 Reiche aus aller Welt war es der einfachste Weg, schnell eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis für Großbritannien zu erhalten. Seit 2008 können Ausländer sogenannte "Goldene Visa" beantragen: Sie sagen mehrere Millionen Pfund an Investitionen im Land zu und dürfen dann einreisen und einem Job nachgehen. Wer mindestens zehn Millionen Pfund anlegt, kann bereits nach zwei Jahren die unbefristete Aufenthaltserlaubnis bekommen anstatt nach fünf Jahren wie sonst üblich. Doch das Innenministerium hat nun diese Luxus-Route ins Vereinigte Königreich - und damit in die EU - geschlossen. Ein neues Programm mit härteren Regeln soll 2019 starten. Die Regierung befürchtet, dass die 2008 eingeführten Investoren-Visa - so der offizielle Name - in ihrer bisherigen Form Geldwäsche erleichtern. Auch Geschäftsleute mit Verbindungen zu korrupten Politikern oder zu Kriminellen könnten sich das Bleiberecht erkaufen. Außerdem klagte ein Beratergremium bereits vor vier Jahren, dass die Visa der Wirtschaft kaum nützen. Schließlich investieren die allermeisten Reichen für die goldene Eintrittskarte nicht in britische Unternehmen, sondern in Staatsanleihen. Sie borgen also der Regierung Geld gegen Zinsen und werden dafür mit einer Luxus-Behandlung belohnt. Transparency International und Global Witness, zwei Organisationen, die gegen Korruption kämpfen, veröffentlichten im Herbst eine Studie, der zufolge vier EU-Länder Investoren als Anreiz ihre Staatsbürgerschaft anbieten. Zwölf Länder offerieren wie die Briten attraktive Aufenthaltstitel. Am meisten Geld konnte damit Spanien anziehen, vor Zypern, Portugal und Großbritannien. Die Organisationen warnen, dass einige Programme nicht genau genug die Herkunft des Kapitals und die Geschäfte der Bewerber prüfen. Die britischen Visa sind besonders beliebt bei Russen und Chinesen. Seit dem Giftanschlag von Salisbury fährt London aber eine härtere Linie gegen Oligarchen mit Verbindungen zum Kreml. Das bekam bereits Roman Abramowitsch zu spüren, der Eigner des Fußballklubs FC Chelsea. Die Verlängerung seines Visums verzögerte sich im Frühjahr, weil die Behörden sein Treiben genauer durchleuchteten. Der Milliardär zog seinen Antrag am Ende zurück. Kurz darauf wurde er israelischer Staatsbürger. Als solcher kann er ohne Visum ins Königreich einreisen. | Viele EU-Länder verkaufen Pässe an reiche Ausländer - auch an dubiose. Wer viel investiert, bekommt schneller eine Aufenthaltsgenehmigung als andere. In ihrer bisherigen Form erleichtert diese Regel die Geldwäsche. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/einreise-briten-stoppen-goldene-visa-1.4241996 | "Einreise - Briten stoppen ""Goldene Visa""" | 00/12/2018 |
Ängste vor eskalierenden Spannungen zwischen den USA und China haben am Donnerstag weltweit die Aktienmärkte stark belastet. Auslöser für die Kursverluste war die Festnahme der Finanzchefin des chinesischen Smartphone-Herstellers Huawei in Kanada. Die USA drängten Kanada zur sofortigen Auslieferung der Tochter von Huawei-Gründer Ren Zhengfei. Bereits vor Börseneröffnung in Europa gaben die Kurse an den asiatischen Handelsplätzen deutlich nach. In Tokio fiel der Nikkei 225 um knapp zwei Prozent, der Index der Börse Shanghai gab um 1,7 Prozent nach. Noch schlechter sah es in Europa aus. Der Dax sackte erstmals seit zwei Jahren unter die Marke von 11 000 Punkten und ging mit einem Abschlag von 3,5 Prozent auf 10 810 Punkte aus dem Handel. Der Euro Stoxx 50 verlor 3,7 Prozent auf 3034 Zähler. "Der Traum von einer Jahresendrallye könnte geplatzt sein", sagte Marktanalyst Salah Bouhmidi vom Brokerhaus DailyFX. "Die Risiken nehmen nicht ab, ganz im Gegenteil, es kommen immer mehr dazu. Die Angst im Markt ist wieder groß." Im Dax zogen sich die Kursverluste durch alle Branchen. Bei den Autowerten fielen Daimler-Aktien mit einem Minus von 6,2 Prozent auf den tiefsten Stand seit fünfeinhalb Jahren. Papiere von Volkswagen gaben um 3,1 Prozent nach, BMW um 2,8 Prozent. Die Autobauer, für die China ein wichtiger Absatzmarkt ist, hatten zuletzt besonders empfindlich auf die Handelsstreitigkeiten reagiert. Vonovia-Aktien entzogen sich dem negativen Markttrend und waren mit plus 1,3 Prozent einziger Dax-Gewinner. Für den größten deutschen Immobilienkonzern laufen die Geschäfte dank steigender Mieten in den Metropolen und weiterer Zukäufe gut. Nach der Vorlage des neuen Fünfjahresplans brachen die Papiere des Kohlefaserspezialisten SGL Carbon im S-Dax um 19,4 Prozent ein. Experten missfiel besonders, dass SGL für das kommende Jahr nur ein in etwa stabiles operatives Ergebnis anpeilt. Die Aktien des Verkehrstechnikkonzerns Vossloh legten dagegen wegen eines weiteren Großauftrags aus China um zwei Prozent zu. Auch an der Wall Street ging es zunächst steil bergab. Bis zum Schluss machten die wichtigsten Indizes jedoch ihre Verluste zum größten Teil wieder wett. Der Dow Jones ging mit minus 0,3 Prozent aus dem Handel. | Die Furcht der Investoren vor einer Eskalation des Handelsstreits lässt den Dax auf ein Zwei-Jahres-Tief fallen. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/aktienmaerkte-dax-faellt-unter-11000-punkte-1.4241748 | Dax fällt unter 11000 Punkte | 00/12/2018 |
Der Klimawandel meint es wirklich nicht gut mit den fossilen Energien. In den USA gibt es neuerdings öfters Streit ums knappere Wasser - von dem gerade die Öl- und Gasindustrie eine Menge braucht. In den Permafrost-Regionen Russlands und Alaskas schmilzt das Fundament von Pipelines dahin. Auf dem Rhein ließ sich zuletzt weniger Kraftstoff transportieren, der niedrigen Pegelstände wegen. Kohlekraftwerke müssen ihre Leistung drosseln, weil nicht genug Kühlwasser da ist. Schlägt das Klima jetzt zurück? Schön wär's ja, wenn das nur die fossilen Energien träfe: Was für eine feine Ironie in einer Welt, die ihren Wohlstand auf Kohle, Öl und Gas aufbaute - und das Klimaproblem gleich mit. Nur zieht das leider die gesamte Weltwirtschaft in Mitleidenschaft. Wie sich eine steigende Erdtemperatur in Kosten für die Wirtschaft und Verbraucher übersetzen lässt, beschäftigt Wissenschaftler seit mehr als einem Jahrzehnt. 2006 bezifferte der einstige Weltbank-Chefökonom Nicholas Stern für die britische Regierung erstmals die Kosten des Nichtstuns: Danach müsste die Welt auf Dauer fünf Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für die Bewältigung des Klimawandels aufwenden, sollte sie die Erderwärmung geschehen lassen. Denkbar seien auch Szenarien mit 20 Prozent und mehr, "wenn man eine größere Bandbreite von Risiken annimmt". Dagegen müsse sie nur ein Prozent aufwenden, um die schlimmsten Folgen noch abzuwenden. Es sind Zahlen, die seither auf jedem Klimagipfel vorgebracht werden, auch jüngst in Kattowitz. Detailansicht öffnen Eine Pipeline in Alaska. (Foto: Daniel Acker/Bloomberg) Der Trend geht dennoch in die andere Richtung. Allein die globalen Kohlendioxid-Emissionen sind seit jenen Tagen um sechs Gigatonnen gewachsen - als hätten sechs neue Deutschlands den Globus betreten. Entsprechend hat die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre zugenommen, und die extremen Wetterereignisse, vor denen auch der Stern-Report gewarnt hatte, sind häufiger geworden. Was das auch für die Wirtschaft bedeutet, lässt sich nachlesen in einem Bericht für die US-Regierung, vor zwei Wochen wurde er vorgelegt. Die Analyse ist schonungslos: Neben Dürren und Waldbränden, wie zuletzt in Kalifornien, drohten Einbrüche in der Landwirtschaft, ein Kollaps wichtiger Exportmärkte, der Zusammenbruch von Wertschöpfungsketten. Der Energieversorgung stünden häufigere und länger anhaltende Ausfälle bevor, die wiederum kritische Infrastrukturen in Mitleidenschaft zögen. Es ist, als würde die fossile Energie, einst Treiber der Weltwirtschaft, ihr jetzt den Stecker ziehen - auf einem Umweg über die Atmosphäre. Zusätzliche Gesundheitskosten und Umweltkosten kämen noch oben drauf, schrieben die Wissenschaftler. Bis zu zehn Prozent der US-Wirtschaftsleistung könne dies alles bis zum Ende des Jahrhunderts kosten. Das Weiße Haus verbreitete die 1600-Seiten-Studie vorsichtshalber am Tag nach Thanksgiving. Das war ein Brückentag. Die nüchterne Betrachtung von Kosten und Risiken könnte manchen Manager zum Klimaschützer machen - ließen sie sich bloß einpreisen. Ökonomen arbeiten dafür an den so genannten "Social cost of carbon", den gesellschaftlichen Kosten des Klimawandels. Sie sollen beziffern, wie hoch die Schäden sind, die mit jeder zusätzlichen Tonne Kohlendioxid entstehen, durch unnötige Risiken. Berechnungen landen zwischen 150 und 230 Dollar je Tonne, wenn die Temperatur um mehr als zwei Grad zunimmt. "Aber wir sind nur eine halbierte Marktwirtschaft", sagt Ottmar Edenhofer, Chef des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. "Wir haben nicht den Mumm, diese Kosten in Form von Steuern aufzuschlagen." Unternehmen selbst würden das von sich aus nicht tun. "Ein Manager interessiert sich vielleicht für eine Arte-Dokumentation zum Klimawandel", sagt Edenhofer. "Aber im Büro agiert er anders." Da regiert die kurze Frist. Detailansicht öffnen Hinter einem Karpfenteich steigt am späten Abend Wasserdampf aus den Kühltürmen des Braunkohlekraftwerks Jänschwalde der Lausitz Energie Bergbau AG. (Foto: Patrick Pleul/dpa) Das weiß auch Hermann Ott. Der einstige Grünen-Parlamentarier baut derzeit das Deutschland-Büro der Umweltrechtsorganisation Client-Earth auf. "Unternehmen haben immer Interesse, die wahren Kosten ihres Tuns zu verbergen", sagt er. Client-Earth verbündet sich derzeit mit Aktionären oder kauft selbst Anteile, um anschließend Druck auf das Management auszuüben. Gerade liegt sie als Aktionärin der polnischen Enea über den geplanten Bau eines Kohlekraftwerks im Clinch. "Würden die versteckten Risiken alle sichtbar, hätten wir sofort ein anderes Bild", sagt Ott. "In der Wirtschaft schlummert eine Kohlenstoff-Bombe." "Dahinter steckt auch eine soziale Frage" Dass es sich lohnen könnte, in Klimaschutz zu investieren, hat auch die deutsche Industrie mittlerweile erkannt. In einer Studie ließ ihr Dachverband BDI durchrechnen, wann Klimapolitik den Unternehmen mehr nutzt, als es sie kostet. Ergebnis: Zwar erfordert es eine Menge Investitionen, die Emissionen um 80 oder gar 95 Prozent unter das Niveau von 1990 zu drücken. Wenn aber die ganze Welt sich beteilige, habe das "sehr geringe, aber tendenziell positive Effekte auf das Bruttoinlandsprodukt". Die vermiedenen Zusatzkosten, wie sie die US-Studie präsentiert hatte, sind hier noch nicht mal eingerechnet. "Im Wesentlichen kommen hier zwei Effekte zum Tragen: Wir müssen weniger Öl und Gas importieren, und zusätzliche Investitionen könnten das Wachstum stimulieren", sagt Carsten Rolle, Klima- und Energieexperte beim BDI, "allerdings bräuchten diese Zusatzinvestitionen deutlich mehr politische Unterstützung." Mit konkreten Folgen des Klimawandels hätten hiesige Firmen derzeit weniger zu schaffen. "Das betrifft eher Unternehmen mit bestimmten Auslandsstandorten", sagt Rolle. Oder diejenigen, die sie versichern. "Da entwickeln sich auf Sicht Schäden, die es vorher so nicht gegeben hat", sagt Ernst Rauch, Klima- und Geowissenschaftler beim Rückversicherer Munich Re. Vieles lasse sich zwar absichern. Aber mit wachsendem Risiko steigen auch die Prämien - bis hin zu einer Situation, wo sich nicht mehr jeder eine Versicherung leisten kann. "Dahinter steckt auch eine soziale Frage", sagt Rauch. Wie viele andere Banken und Versicherer hat sich auch Munich Re aus der Finanzierung von Kohleprojekten zurückgezogen. "Das war folgerichtig", sagt Rauch. "Aber es wird nicht reichen, etwas nicht mehr zu finanzieren." Entscheidend sei, dass sich auch Kapital für die Entwicklung emissionsarmer Technologien finde, um fossile Energieträger zu ersetzen. Die Welt kann schließlich nicht warten, bis der Klimawandel die Fossilen erledigt. | Klimaschutz kostet weniger, als am Ende Schäden zu beheben. Experten sagen das seit Langem. Warum passiert nichts? | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/erderwaermung-die-kohlenstoff-bombe-1.4241992 | Klimawandel: Die Kohlenstoff-Bombe | 00/12/2018 |
Wenn die auf fünf Jahre geschlossene Finanzierungsvereinbarung zwischen Bund und Bahn im nächsten Jahr ausläuft, könnte der Bund mehr Kontrollen einführen. Doch der wolle gar nicht, klagt der Rechnungshof. Geänderte Wagenreihung, geschlossene Zugrestaurants, immer neue Verspätungen: Kaum ein Morgen am Bahnhof beginnt derzeit für Zugpassagiere ohne Überraschung. Dabei versucht die Bundesregierung den Betrieb des Staatskonzerns eigentlich schon seit Jahren mit hohen Milliardensummen für die teils marode Infrastruktur zu stabilisieren. Man frage sich, warum der Bund zwar viel zahle, die Leistung der Bahn aber schlechter statt besser werde, heißt es nun bei einem besonders kritischen Beobachter, dem Bundesrechnungshof. Die Antworten der Kontrolleure lesen sich wie ein dringender Appell, die Notbremse zu ziehen. Ein Bericht, der Regierung, Bundestag und Bundesrat an diesem Freitag zugeht, listet massive Mängel auf. Dem Bund, dem die Bahn gehört und der sie großteils finanziert, fehlten nicht nur Informationen über den Zustand des Bahnnetzes. Er übe auch noch viel zu wenig Kontrolle über die Verwendung der von ihm gezahlten Milliarden aus. So setze die Regierung systematische Fehlanreize für die Bahn. Denn während die Bahn für den Erhalt des Netzes verantwortlich ist, zahlt der Bund für sogenannte Ersatzinvestitionen zusätzlich. Damit fahre die Bahn finanziell gut, wenn sie die Pflege des Netzes vernachlässige, urteilt der Rechnungshof. Sanktionen könnten die Bahn davon nicht abhalten. Denn erfülle die Bahn ihre Pflichten nicht, drohten Strafen, die den Namen eigentlich nicht verdient hätten. Angesichts der aktuellen Probleme mit immer mehr Verspätungen gilt die Kritik der Kontrolleure als höchst brisant. Denn die Bahn führt die auch auf das marode Netz zurück - und fordert deshalb mehr Geld. Der Rechnungshof geht davon aus, dass mangelhafte Kontrolle durch das Bundesverkehrsministerium die Probleme der Bahn erst mit ausgelöst haben. "Die Eisenbahninfrastruktur wurde jahrelang auf Verschleiß gefahren", sagt Rechnungshof-Präsident Kay Scheller. "Sie ist in schlechtem Zustand, der Investitionsstau wächst." Bei ihrem Erhalt laufe zudem "vieles schief". Nicht einmal das verantwortliche Bundesverkehrsministerium wisse, wie der Staatskonzern und seine Töchter Milliardenzuschüsse für den Erhalt der Bahninfrastruktur einsetzten, klagt Scheller. Als Beispiel nennen die Prüfer die Sanierung von Brücken. Die Bahn habe sich zwar für die Milliardenzahlungen verpflichtet, bis Ende des nächsten Jahres 875 Brücken ganz oder teilweise zu erneuern. Dafür zahle der Bund Jahr für Jahr pauschale Beträge. Saniert aber seien nur 363. Die übrigen 512 noch in der verbleibenden Zeit auf Vordermann zu bringen, hält der Rechnungshof für "kaum zu schaffen". Die Milliarden flössen dennoch. Folgen? Bei Verstößen gegen die Vorgaben müsse die Bahn 15 Millionen Euro an den Bund überweisen. Es sei völlig klar, dass man da bei der Bahn entscheide, manche Brücken eben nicht zu reparieren, heißt es beim Rechnungshof - mit schlimmen Folgen für das System. Damit entgleiten dem Staat Steuergelder in Milliardenhöhe. Die Infrastruktur könnte sich weiter verschlechtern, fürchten die Kontrolleure Seit 2009 flossen 30 Milliarden Euro über die LUV genannte Finanzierungsvereinbarung vom Staat an die Bahn. Allein für das nächste Jahr sind 4,2 Milliarden Euro eingeplant. Künftig soll es sogar noch mehr werden, denn die Bahn fordert für den neuen Finanzierungszeitraum von 2020 bis 2024 jährlich noch eine Milliarde Euro mehr. Für den Bundesrechnungshof ein beunruhigendes Szenario: "Es besteht die Gefahr, dass sich der Zustand der Bahn-Infrastruktur weiter verschlechtert - und das trotz steigender Bundesmittel", warnt Scheller. Jedenfalls, dann, wenn sich das System nicht ändere. Für die Notbremse gibt es eigentlich eine gute Gelegenheit. Denn wenn die immer auf fünf Jahre geschlossene Finanzierungsvereinbarung zwischen Bund und Bahn im nächsten Jahr ausläuft, könnte der Bund mehr Kontrollen einführen. Doch der wolle gar nicht, klagt der Rechnungshof. Das Verkehrsministerium plane, das Vertragssystem einfach fortzuschreiben, ohne Schwachstellen zu korrigieren. Das Vorgehen von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sei "wenig ambitioniert und riskant". Wesentliche Änderungen wolle das Ministerium erst mit der übernächsten Finanzierungsvereinbarung ab 2025 umsetzen. Das aber ist in den Augen der Prüfer viel zu spät. Damit bahnt sich ein Konflikt an. Denn der Bundestag muss die neue Finanzierungsvereinbarung billigen. Das Verkehrsministerium plane, den Parlamentariern den fertig ausgehandelten Vertrag erst in der zweiten Jahreshälfte 2019 vorzulegen. Der Rechnungshof will das verhindern. "Wir denken, das Parlament sollte frühzeitig informiert werden", sagt Rechnungshof-Präsident Scheller. Auch die Grünen hatten zuletzt eine umfangreiche Bahn-Reform angemahnt. "Die Bundesregierung muss dafür sorgen, dass der Konzern sich neu aufstellt", hatte Fraktionschef Anton Hofreiter gefordert. | Der Rechnungshof geißelt die mangelhafte Aufsicht der Bahn durch den Bund. Der zahle zwar viel, die Leistung der Bahn werde aber schlechter statt besser. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/rechnungshof-die-bahn-ist-ausser-kontrolle-geraten-1.4241971 | Die Bahn ist außer Kontrolle geraten | 00/12/2018 |
Dass Schluss mit lustig ist, wenn die eigene Familie in die Schusslinie gerät, hätte sich gerade Donald Trump eigentlich denken können. Immer wieder hat der US-Präsident in der Vergangenheit seine Söhne und Töchter aggressiv verteidigt, wenn diese mit Vorwürfen zu tun hatten, Politik und Geschäft zu sehr miteinander zu verquicken. Nun hat Trumps Regierung in der Dauerfehde mit dem chinesischen Tech-Konzern Huawei ausgerechnet Meng Wanzhou festnehmen lassen, die nicht nur die Finanzchefin der Firma ist, sondern auch die Tochter von Gründer Ren Zhengfei. Ren ist in China so bekannt wie Bill Gates in den USA. Kein Wunder also, dass der Aufschrei im Land gewaltig ist. Meng wurde auf Bitten der USA bereits am Samstag auf dem Flughafen im kanadischen Vancouver festgenommen, wo sie lediglich umsteigen wollte. Die US-Behörden fordern nun ihre Auslieferung. Sie werfen Huawei vor, gegen Wirtschaftssanktionen verstoßen zu haben, die Washington im Atomstreit mit Iran gegen das Land verhängt hat. Bekannt gegeben wurde die Festnahme erst jetzt, nachdem eine kanadische Zeitung darüber berichtet hatte. Die USA verdächtigen Huawei, mit Geheimdiensten zusammen zu arbeiten. Ein Beweis fehlt Detailansicht öffnen Meng Wanzhou ist Finanzchefin des Technologie-Konzerns Huawei. Sie besucht viele Konferenzen. Eine Reise nach Kanada wurde ihr jetzt zum Verhängnis. Sie wurde dort festgenommen. (Foto: Alexander Bibik/Reuters) Dass Meng ausgerechnet an dem Tag in Haft landete, an dem Trump und sein chinesischer Amtskollege Xi Jinping in Buenos Aires über eine Annäherung im Handelskonflikt verhandelten, macht die Sache endgültig zum Politikum. An den Aktienbörsen der Welt rauschten die Kurse am Donnerstag in den Keller, weil befürchtet wird, dass die Festnahme die ohnehin geringen Fortschritte in den Handelsgesprächen wieder zunichtemachen und der Streit stattdessen in einen Kalten Krieg der beiden Supermächte münden könnte. So wie Meng nicht irgendeine Top-Managerin ist, ist der Huawei-Konzern nicht irgendein Unternehmen, weder für Chinesen noch für Amerikaner. Für Xi ist der Tech-Riese, der gerade den US-Rivalen Apple bei der Zahl der weltweit verkauften Smartphones überholt hat, gewissermaßen die Verkörperung seines Plans, die Volksrepublik bis Mitte des kommenden Jahrzehnts in zentralen Technologiebereichen zum Weltmarktführer hochzurüsten. Aus demselben Grund stellen sich die USA Huawei immer wieder in den Weg. Sie hegen zudem den Verdacht, dass der Konzern mit Chinas Geheimdiensten kooperiert und diesen erlaubt, von Handy- und Chipnutzern Informationen abzugreifen. Bisher sind keine Hinweise darauf bekannt, dass dieser Vorwurf der Amerikaner berechtigt ist. So hat etwa das deutsche Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik Huawei-Geräte geprüft und keine verdächtige Software entdecken können. Dennoch übt die US-Regierung Druck auf die Mobilfunkanbieter des Landes aus, ihren Kunden keine Huawei-Handys zu offerieren. Auch Einzelhandelsketten wie etwa Best Buy verkaufen die Geräte nicht mehr. Zugleich stehen die Mobilfunkanbieter jedoch unter Druck, ihre Netze für den kommenden, superschnellen Mobilfunkstandard 5G zu rüsten. Ohne Huawei, den Weltmarktführer im Bereich der Kommunikationstechnologie, dürfte der Netzausbau aber schwierig werden. Das gilt umso mehr, als viele Mobilfunkanbieter schon heute Huawei-Technik verwenden. Podcast "Das Thema" Falls der Podcast nicht korrekt abgespielt wird, kann er unter diesem Link aufgerufen werden. Neben Huawei haben die USA auch den chinesischen Telekommunikationsausrüster ZTE im Visier, dem ebenfalls Industriespionage sowie die Verletzung von Sanktionen gegen Nordkorea und Iran vorgeworfen werden. Die ersten Anschuldigungen stammen bereits aus dem Jahr 2012, also aus einer Zeit lange vor Trumps Amtsantritt. In diesem Frühjahr stand der Konzern schon vor dem Aus, nachdem die Regierung in Washington dem Chiphersteller Qualcomm untersagt hatte, ZTE weiter zu beliefern. Nach Zahlung einer Milliardenstrafe und dem Austausch von Managern hob der US-Präsident das Verbot jedoch auf Wunsch Xis wieder auf. Mit der Festnahme Mengs eskaliert der Konflikt nun wieder. Dass die USA von anderen Ländern die Überstellung von Drogenbossen oder Waffenhändlern verlangen, ist üblich. Die Auslieferung einer ausländischen Top-Managerin aber wäre ein Novum. Schon jetzt gibt es in China Stimmen, die sagen, Mengs Festnahme und das Auslieferungsgesuch der Amerikaner seien ein feindseliger Akt mit dem Ziel, Xi in den Gesprächen über eine Handelsvereinbarung zusätzlich unter Druck zu setzen. Trump verlangt von seinem Amtskollegen nicht nur, dass dieser entschlossen gegen das hohe US-Defizit im bilateralen Handel vorgeht, sondern auch, dass China die Gängelung ausländischer Firmen, den Diebstahl von Know-how und die massive Subventionierung eigener Betriebe beendet. Die chinesische Botschaft in Kanada forderte die Behörden in Ottawa und Washington auf, Meng nicht länger nachzustellen und sie umgehend freizulassen. Sie habe weder gegen kanadische noch gegen amerikanische Gesetze verstoßen, China protestiere deshalb aufs Schärfste "gegen diese ernsthafte Verletzung der Menschenrechte". In den staatlich kontrollierten chinesischen Medien fielen die Kommentare teils noch deutlicher aus. Die Global Times etwa warf den USA "Niedertracht" und "Hooliganismus" vor und erklärte, Trumps Regierung missbrauche das Justizsystem, "um Huawei fertigzumachen". | Auf Bitten der USA wurde die Tochter des Huawei-Gründers festgenommen. China ist stolz auf den Konzern, er verkauft mittlerweile mehr Handys als Apple. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/handelskonflikt-chinesischer-zorn-1.4241969 | Chinesischer Zorn | 00/12/2018 |
Spekulationen auf eine sinkende Nachfrage als Folge eines eskalierenden Handelsstreits haben den Ölpreisen am Donnerstag erneut zugesetzt. Hinzu komme das Tauziehen um eine Reduktion der Förderung, sagten Börsianer. Die jüngsten Signale der Organisation der Erdöl exportierenden Staaten (Opec) deuteten darauf hin, dass die Drosselung lediglich bei einer Million statt der erhofften 1,3 Millionen Barrel pro Tag liegen werde. Die Öl-Sorte Brent aus der Nordsee verbilligte sich zeitweise um 5,2 Prozent auf 58,36 Dollar je Fass (159 Liter). Damit kostet Brent im Vergleich zum jüngsten Hoch von 86 Dollar im Oktober 32 Prozent weniger. Der Preis für die US-Sorte WTI fiel um 4,8 Prozent auf 50,30 Dollar. Saudi-Arabien und Russland hatten sich bereits grundsätzlich auf eine Kürzung der Ölförderung zur Stabilisierung der Preise geeinigt. Störfeuer für diese Pläne kommt allerdings aus den USA. Präsident Trump hatte sich vehement gegen Fördersenkungen ausgesprochen. Daneben zehrte die heftige Diskussion im britischen Parlament um die ausgehandelte Scheidungsvereinbarung zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU erneut an den Nerven der Investoren. Zwar rechneten die Anleger mit einer Ablehnung des Brexit-Deals, sagte Commerzbank-Analystin Esther Reichelt. Da aber unklar sei, was danach komme, spiegele sich dies bislang kaum im Kurs des Pfund Sterling wider. Von Nachverhandlungen über Neuwahlen bis zu einem zweiten Referendum sei fast alles denkbar. Die britische Währung verteuerte sich leicht auf 1,2768 Dollar. Der Euro hielt sich ebenfalls im Plus bei 1,1370 Dollar. Am Dienstag hatte die europäische Gemeinschaftswährung noch bei 1,1344 Dollar notiert. In dieser Gemengelage waren Bundesanleihen als sichere Anlage erneut gefragt. Im Gegenzug gaben die Renditen der deutschen Staatstitel mit einer Laufzeit von zehn Jahren auf ein Sechs-Monats-Tief von 0,224 Prozent nach. | Trotz einer möglichen Drosselung der Ölförderung der Opec-Staaten sacken die Preise für den Rohstoff erneut deutlich ab. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/devisen-anleihen-rohstoffe-oelpreise-fallen-deutlich-1.4241750 | Devisen, Anleihen, Rohstoffe - Ölpreise fallen deutlich | 00/12/2018 |