text
stringlengths 276
36k
| summary
stringlengths 47
1.39k
| topic
stringclasses 21
values | url
stringlengths 36
209
| title
stringlengths 4
133
| date
stringclasses 108
values |
---|---|---|---|---|---|
Vor genau einer Woche hatte James von Moltke noch mit angesehen, wie Ermittler die Zentrale der Deutschen Bank durchsuchten und ziemlich viel Material beschlagnahmten. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt wegen Geldwäsche, bislang gegen zwei Mitarbeiter, man geht dem Verdacht nach, die Bank habe dabei geholfen, Offshore-Gesellschaften in Steueroasen zu gründen. Dabei soll Geld aus Steuerstraftaten und möglicherweise anderen Delikten auf Konten der Deutschen Bank transferiert worden sein, ohne dass das Institut einen Geldwäscheverdacht gemeldet habe. So lautete die bisher kommunizierte Version der Ermittler. Jetzt schickt die Bank ihren Finanzchef vor, um mehr über die Version der Bank zu verraten. Von Moltke ist im Vorstand so ziemlich der einzige, der in dieser Sache einigermaßen unbeschädigt ist. Erst im Juli 2017 fing er an, frisch aus New York, abgeworben von der Citibank. Auf einmal soll er erklären, wie die Bank nach Veröffentlichung der Panama Papers intern aufgeräumt habe, was die Bank alles getan habe, um problematische Kunden loszuwerden. Er soll der Presse erklären, was es bedeutete, als Konzernchef Christian Sewing mit Blick auf die Panama Papers sagte, man habe damals doch alles gründlich aufgearbeitet: "Für uns war der Fall abgeschlossen." Dabei war von Moltke im fraglichen Zeitraum noch gar nicht dabei. Das ist im Fall von Sewing anders. In dessen Zeit als Privatkundenvorstand fielen auch diese Aufräumaktionen im Kundengeschäft der Bank. Den heutigen IT-Vorstand Frank Kuhnke, der intern die Panama Papers aufgearbeitet haben soll, schirmt die Bank lieber ab. Von Sylvie Matherat, im Vorstand verantwortlich für die Geldwäscheregeln, ist in diesen Tagen sowieso nichts zu hören. Auch nicht von Fabrizio Campelli, der für die weltweite Vermögensverwaltung und damit auch das Offshore-Geschäft verantwortlich ist. Sie alle sind am Donnerstag offenbar verhindert, denn zeitgleich tagt in der Bank der Aufsichtsrat zu seiner turnusgemäßen Sitzung. Dort gab hatten die Vorstände wahrscheinlich viele Fragen zu beantworten. Die Trennung von zweifelhaften Kunden sei nicht so einfach gewesen, heißt es in der Bank Ist der Bankvorstand, völlig überrascht von den Vorwürfen der Strafverfolger, wirklich sicher, alles richtig gemacht zu haben? "Bislang sind wir uns keines Fehlverhaltens unsererseits bewusst, wir warten die Schlussfolgerungen der Staatsanwälte ab", sagte von Moltke am Donnerstag. Die Ermittler werten jetzt Beweismaterial zu einem Geschäft aus, von dem die meisten Kunden noch nie etwas gehört haben dürften. In der Konzerntochter "Global Trust Solutions" (GTS) bekamen Kunden Offshore-Dienstleistungen mit Briefkastenfirmen, Scheindirektoren und Stiftungen in Steueroasen. Gemacht für reiche Privatleute, die viel zu verstecken haben - womöglich auch hinterzogene Steuern. Im März 2016, kurz vor Veröffentlichung der Panama Papers, hat die Bank nach eigenen Angaben entschieden, den Bereich zu verkaufen, angeblich, weil er sich nicht mehr gelohnt hat. Im Sommer 2017 gab das Bundeskriminalamt bekannt, die Daten aus den Panama Papers gekauft zu haben. Darin fanden sie anscheinend schnell Hinweise darauf, dass die Bank doch nicht so genau hingeschaut hatte, wie sie es heute darstellt. Jedenfalls soll sie bei einigen Kunden Geldwäsche-Verdachtsmeldungen zu spät abgeben haben. Ende März 2018 ging GTS an die Bank NT Butterfield & Son aus Bermuda. Bis dahin habe die Sparte unter dem Dach der Deutschen Bank sogar weiter Neugeschäft gemacht, heißt es in Finanzkreisen. Hätte sich die Bank nicht schneller von den Kunden trennen können, schließlich war es ja das erklärte Ziel, möglichst viele "Hochrisiko-Kunden" loszuwerden? Offiziell äußern möchte man sich dazu nicht. Die Bank lässt aber durchblicken, eine Trennung von den Kunden sei technisch unmöglich gewesen, weswegen man die Dienstleistung als Ganzes verkauft habe. Ohnehin sei das Geschäft nur sehr klein gewesen. Für mögliche Strafzahlungen habe man keine neuen Rückstellungen gebildet. Anderen Banken hingegen haben es sehr wohl geschafft, sich von Offshore-Kunden zu trennen. Die Commerzbank etwa verabschiedete sich 2015 endgültig von Risiko-Kunden in Luxemburg. Wer bis zu einer bestimmten Frist keine Selbstanzeige gestellt hatte, flog raus. Eine Woche nach der Durchsuchungsaktion herrscht in der Frankfurter Konzernzentrale noch längst kein Alltag. Der Aktienkurs schloss am Donnerstag nur noch knapp über dem Rekordtief von 7,70 Euro, das in den Vortagen erreicht wurde. Am Abend wird auch noch bekannt, dass die Bank womöglich tiefer in den Geldwäsche-Skandal bei der Danske-Bank verstrickt ist. Wie die Financial Times unter Berufung auf ein internes Dokument des Geldhauses berichtet, hat das Institut 31 Milliarden Euro mehr an Zahlungen für die Dänen abgewickelt als bislang bekannt. Damit seien vier Fünftel der verdächtigen Gelder über die Deutsche Bank geflossen. Bislang war bekannt, dass das Institut 130 Milliarden Euro abgewickelt hat. | Nach der Razzia vergangene Woche geht die Deutsche Bank in die Offensive. Sie schickt den Finanzchef vor. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/deutsche-bank-ein-institut-in-erklaerungsnot-1.4242080 | Ein Institut in Erklärungsnot | 00/12/2018 |
Bevor es kalt wird, mussten die Luftfilter des Gasofens im Wohnzimmer ersetzt werden. Schon im letzten Winter sagte der Ofen mit sanfter weiblicher Stimme immer wieder, die Filter müsse gewechselt werden. Den äußeren Filter kann man selber reinigen oder austauschen, für den inneren Filter dagegen braucht es einen Monteur von der Firma Tokyo Gas. In Japan können die Öfen sprechen. Wenn man vor dem Schlafengehen den Timer einschaltet, sagt die Frauenstimme: "Der Timer ist auf 6 Uhr 30 gestellt." Erhöht man die Temperatur von 19 auf 20 Grad, bestätigt sie das auch. Die ebenfalls mit Gas beheizte Badewanne, die sich per Knopfdruck automatisch füllt und über einen Thermostat stabil warm bleibt, quittiert freundlich, was man eingestellt hat. Kurz bevor die Wanne voll ist, spielt sie eine Melodie: "Die Badewanne ist fast voll." Zwei Minuten später: "Die Badewanne ist jetzt bereit." | Die Liberalisierung des Strommarktes hat in Japan viel in Bewegung gebracht. Wer seine Heizung reparieren lässt, kann sich vor Angeboten zum Anbieterwechsel kaum retten. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/japan-strom-1.4241986 | Bei uns in Tokio - Sprechende Öfen | 00/12/2018 |
Man kann es so sagen: Sofern nicht unerwartet Donald Trump auftaucht, wird die Detroit Motorshow eher ziemlich langweilig. Praktisch kein deutscher Hersteller fährt mehr im kommenden Januar in die "Motorcity", die Heimat der drei großen US-Autokonzerne General, Ford und (Fiat-)Chrysler. Zu schwach ist dort die Kaufkraft der Menschen im Mittleren Westen mittlerweile. Dafür ein paar Millionen Euro - mitunter sogar zweistellige Beträge - ausgeben und Etliches organisieren, Standbau, Hotels, Reisen, Werbevideoschnipsel, Redenschreiberei? Und dann braucht es idealerweise irgendein Modell, das Premiere haben kann oder zumindest ein schickes "Concept car". Audi, BMW und Mercedes haben auf den Aufwand immer weniger Lust, genauso wenig wie etliche andere internationale Autobauer. Also fällt diese frühere "A"-Messe in den USA vorerst aus dem Programm, so wie Messen generell infrage gestellt werden bei den Autoherstellern: Ist das noch zeitgemäß? Wenn ja, mit welchem Aufwand? Ist das Internet nicht viel besser? Oder: unsere eigene Party? Drei Entwicklungen sind dabei auszumachen, neben der generell größeren Zurückhaltung im Auftritt: Die Autohersteller präsentieren sich verstärkt dort, wo die reichen Kunden sind, im Falle der deutschen Premiummarken: die früher zu vernachlässigenden Messen in New York City und Los Angeles gewinnen wie auch Shows in Shanghai oder Peking an Bedeutung. Zudem besucht man neue Messeformen, die oft Konferenzen gleichen, weil Autos da kaum noch auf der Bühne stehen, sondern gegebenenfalls vor der Tür. So etwa bei der CES, der Consumer Electronics Show, bei der in Las Vegas allerlei Technikfirmen zusammenkommen - neue Mitspieler wie Google oder Grafikkartenhersteller genauso wie herkömmliche Autobauer. Gesprochen wird in irgendwelchen Hotelzimmern, und alles fühlt sich deswegen für manche nach großem Aufbruch an. "Wir sehen uns dann auf der CES", sagen sie in der Branche, was bedeutungsvoll klingen soll, nach Start-up. Wobei auch solche Formate eine Ablaufzeit haben. SXSW, kurz für South by Southwest, ist etwa schon wieder nicht mehr ganz so im Trend. Diese spannende, aber von der Zielsetzung etwas unklare Zusammenkunft von Philosophen, Technologen und Wirtschaftsmenschen scheint eher ineffektiv zu sein für Marketingzwecke: Daimler war dort sehr präsent, zieht sich aber wieder zurück. Vielleicht auch, weil das Publikum zu abgelenkt ist. Und so gibt es die dritte Entwicklung beim Außenauftritt der Autofirmen. Sie veranstalten immer öfter ganz eigene "Events", früher hätte man gesagt: Hausmessen, bei denen meist auch ein Modell Premiere hat. Mitunter sind diese Veranstaltungen aber inhaltlich spannend und regen sogar zum Denken an, auch wenn die Marketingmenschen sich so ungelenk anstellen bei den Konferenznamen. Bram Schot, Audi-Interims-Chef, hat bei einem "MQ! Innovation Summit" - das hieß tatsächlich so - auf dem Firmengelände in Ingolstadt vor einigen Tagen über seine Idee von Arbeit gesprochen: Nicht nur die Aufgabe erledigen, sagte er, sondern auch Tagträumen sei wichtig, das bringe alle voran, Mensch wie Firma. Oder eben, wieder, Daimler: Sie riefen in diesem Herbst nach Stockholm, um ein Elektroauto vorzustellen. Wie gut war es, dass es noch spannende "Talks" gab und schöne Musik: Das lenkte ein wenig ab vom Wagen: der ist zwar "all new", aber in den Augen vieler Fachleute doch nicht so toll wie erhofft. Vielleicht wäre in dem Fall eine ganz normale, alte, trubelige Messe sogar der bessere Ort gewesen für Daimler. | Warum sich die deutschen Autohersteller von den großen internationalen Events verabschieden. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/detroit-motorshow-zu-viel-aufwand-zu-uncool-1.4241977 | Detroit Motorshow - Zu viel Aufwand, zu uncool | 00/12/2018 |
Kein Durchkommen unter dieser Nummer. "Das ist jetzt schlecht, der Herr Notar hat Stress, er ist laufend in Beurkundungen", sagt die Angestellte einer Münchner Kanzlei am Telefon. Erst für das neue Jahr könne man wieder einen Termin ausmachen. Das Phänomen, dass bei Notaren gegen Jahresende der Stress zunimmt, gibt es schon länger. In diesem Jahr aber ist es besonders krass. Die Angestellte eines anderen Münchner Notariats formuliert es so: "Normalerweise geht es im Dezember los, aber diesmal dachte man schon im November: Ja, ist denn schon Dezember?" Normalerweise beurkunden die zwei Notare in ihrer Kanzlei vielleicht fünf Immobilienverträge am Tag, derzeit sind es etwa doppelt so viele. Die Jahresendrallye beim Notar hat finanzielle Gründe: Wer noch bis Silvester eine Immobilie an seine Erben überträgt, kann viel Geld sparen. Zum 1. Januar passen Städte und Kommunen in Deutschland die sogenannten Bodenrichtwerte an. Da der Immobilienboom seit Jahren anhält, werden die Werte deutlich steigen, besonders in Ballungsräumen wie München. Die Finanzämter orientieren sich an den Bodenrichtwerten, wenn sie die Erbschaft- und Schenkungsteuer berechnen. "Steuerberater schicken Leute, die schenkungsteuergefährdet sind, deshalb derzeit gern zu uns", heißt es bei einem Notar. Wer sein Haus zu Lebzeiten verschenkt, hat einen Freibetrag von 400 000 Euro pro Kind. Verstirbt er nicht binnen zehn Jahren, lässt sich der Freibetrag im Erbfall erneut nutzen. Ein Beispiel, gerechnet für ein Eigenheim in München, das nach dem letzten Bodenrichtwert von Ende 2016 eine Million Euro wert ist: Experten halten es für realistisch, dass der Wert seitdem um rund 30 Prozent gestiegen ist. Demnach legt das Finanzamt ab 1. Januar 2019 einen Wert von 1,3 Millionen Euro zugrunde. Vor dem Stichtag sind also abzüglich des Freibetrags 600 000 Euro zu versteuern, nachher 900 000 Euro. Das ergibt einmal eine Steuerlast von 90 000 Euro (Steuersatz: 15 Prozent), ein andermal von 171 000 Euro (Steuersatz: 19 Prozent). In dem Beispiel ließen sich also 81 000 Euro Steuern sparen. Besonders stark fallen die Unterschiede in Bundesländern aus, die die Bodenrichtwerte nur alle zwei Jahre anpassen. Dazu zählen neben Bayern auch Hessen oder Sachsen. Das Bundesgesetz schreibt mindestens einen Zwei-Jahres-Rhythmus vor, die Länder können die Werte aber auch jedes Jahr berechnen. So machen es etwa Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen oder Rheinland-Pfalz. "Wenn man jetzt noch Werte von Ende 2016 mitnehmen kann, macht man das natürlich gern", drückt es die Amtsrätin eines Notars in München lakonisch aus. In München gibt es mehr als 2200 verschiedene Richtwerte Einer, der in diesen Tagen auch viel zu tun hat, ist der Rechtsanwalt Wolfram Theiss von der Münchner Kanzlei Noerr. Er ist auf Erbschaftsrecht spezialisiert und berät Mandanten, wie sie ihr Vermögen möglichst steuerschonend übertragen können. Manchmal geht es um sehr große Vermögen, manchmal nur um ein Eigenheim. Auch das zu übertragen, kann schon kritisch sein, wie das Beispiel zeigt: Nicht jedes Kind bringt eine sechsstellige Summe für die Schenkungsteuer auf. "Weil die Preise und damit die Steuer so dramatisch gestiegen sind, ist es viel schwieriger geworden, Immobilienvermögen in der Familie zu halten", sagt Anwalt Theiss, der sich zuletzt bei vier Notaren vergeblich um einen Termin vor Silvester bemühte. Im schlimmsten Fall müsse das Haus verkauft werden, um die Steuer zu zahlen. Der Mann, der in München für die Bodenrichtwerte verantwortlich ist, heißt Albert Fittkau. Er ist Vorsitzender des Gutachterausschusses, der demnächst alle bis Silvester beurkundeten Immobilienverträge auswertet und daraus in etwa zehn Sitzungen bis Mai die neuen Bodenrichtwerte errechnet. Es ist eine ziemliche Fieselarbeit, schließlich gibt es in München mehr als 2200 verschiedene Richtwerte. Manchmal umfasst eine Zone fast ein ganzes Stadtviertel, manchmal aber auch nur wenige Häuser. Der Richtwert gibt Nutzungsart und Wert des Grundstücks je Quadratmeter an, dazu die Dichte, mit der es bebaut werden kann. Aus diesen und weiteren Angaben lässt sich der Preis einer Immobilie einschätzen. Die Einsicht kostet in München 30 Euro Gebühr. | Anfang 2019 können Erbschaft- und Schenkungsteuer für Immobilien deutlich teurer werden. Viele Hausbesitzer verschenken ihre Immobilie jetzt noch schnell an die Erben - doch das kann ein Fehler sein. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/erbschaft-haus-schenkung-1.4240062 | Erbschaft - Häuser zu verschenken | 00/12/2018 |
Zweieinhalb Stunden verhandelten Donald Trump und Präsident Xi Jinping in Argentinien einen Waffenstillstand im Handelsstreit. Dabei hatten die Amerikaner heimlich bereits den nächsten Angriff gestartet. Im 12 000 Kilometer entfernten Vancouver ließen die USA die Finanzchefin des chinesischen Tech-Konzerns Huawei festnehmen. Die Managerin Meng Wanzhou wollte an dem kanadischen Flughafen nur umsteigen. Seit Samstag sitzt sie dort nun in einer Zelle. Die USA werfen Huawei vor, das gegen Iran verhängte Handelsembargo missachtet zu haben, und fordern die sofortige Auslieferung der Managerin. Meng Wanzhou arbeitet seit 1993 für Huawei, heißt es auf der Internetseite des Unternehmens. Ein kleines Detail über die 46-Jährige wird dort allerdings unterschlagen: Meng ist auch die Tochter des Huawei-Gründers Ren Zhengfei, einem der einflussreichsten Unternehmer Chinas. Ihr Vater, der einst als Ingenieur für die Armee arbeitete, war Ende der 1980er Jahre dem Aufruf der Regierung gefolgt und in die neugegründete Sonderwirtschaftszone Shenzhen gezogen. Die heute Zwölf-Millionen-Metropole an der Grenze zu Hongkong war damals noch ein kleines Fischerstädtchen. Ren hatte schon damals die Vision, aus Huawei einen Konzern von Weltrang zu machen. "Meine Eltern waren der Partei gefolgt", erzählte Meng einmal über diese Zeit. "Sie arbeiteten unendlich hart, während draußen unaufhörlich der Regen fiel und in unsere ärmliche Wohnung nieselte". Heute ist Huawei nicht nur der weltweit zweitgrößte Handyhersteller hinter Samsung, sondern auch ein Schlüsselkonzern für Chinas Wirtschaft. Der Konzern gehört zu den wenigen chinesischen Techunternehmen, die auch im Ausland erfolgreich sind. Nicht nur mit Handys. In Deutschland rüstet es beispielsweise auch die Telekom aus und könnte bald auch die Infrastruktur für den 5G-Mobilfunk-Standard liefern. Für China ist die Festnahme von Meng Wanzhou nicht weniger als eine "Kriegserklärung". So erklärte es der Chefredakteur der englischsprachigen Staatszeitung Global Times, Hu Xijin, am Donnerstag auf dem Kurznachrichtendienst Weibo. Die chinesische Botschaft in Kanada sprach von einem "schweren Verstoß gegen die Menschenrechte". Im Netz gibt es erste Boykott-Aufrufe gegen US-Konkurrent Apple. Unter den Angestellten wird sie auch "die Prinzessin" genannt Die festgenommene Unternehmerin ist in China sehr beliebt. Meng hat nicht an einer Elite-Uni in den USA studiert, sondern ging auf eine fast unbekannte Technikuniversität in Zentralchina. Die schwarzen Haare meist nach hinten gekämmt und zu einem Knoten gebunden, trete sie stets bescheiden, zurückhaltend und leise auf, heißt es über sie. Nie zeige sie sich überheblich gegenüber den Angestellten, berichten Mitarbeiter. In ihrer Zeit als Empfangsdame hätte sie stets mit jedem gerne geplaudert. Sechs Jahre nachdem ihr Vater das Unternehmen im südchinesischen Shenzhen gegründet hatte, startete Meng Wanzhou ihre eigene Karriere in der Firma. In den Anfangsjahren arbeite sie als Telefonistin am Empfang. Zwischenzeitlich arbeitete sie an den Produkt-Katalogen des Unternehmens. Erst nach 25 Jahren, die sie fast durchgehend für das Unternehmen gearbeitet hat, war Meng als Finanzchefin und Vize-Aufsichtsratsvorsitzende ganz oben angekommen. "Unsere Mitarbeiter bewerben sich nicht mit ihrem Familienhintergrund, sondern mit ihren Leistungen", sagte Meng einmal. Bisher hieß es, Meng könne eines Tages die Firma übernehmen. Sie hat einen Bruder, Meng gilt aber als besser qualifiziert. Unter den Angestellten wird sie auch "die Prinzessin" genannt. Und aus chinesischer Sicht haben die USA diese nun entführt. | Das Land ist empört darüber, dass Meng Wanzhou im Gefängnis sitzt. Die Managerin arbeitet nicht nur für den Milliardenkonzern Huawei. Sie ist auch die Tochter des Gründers. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/huawei-finanzchefin-meng-wanzhou-1.4242408 | Huawei - Festnahme sorgt in China für Entsetzen | 00/12/2018 |
Noch immer kommt er fast jeden Tag ins Büro. Und er spiele eine "aktive Rolle" im Unternehmen, berichten sie in München, auch wenn er die Führung des operativen Geschäfts schon vor sieben Jahren abgegeben hat. Hubert Burda, 77, ist Verleger, Netzwerker und Unternehmer durch und durch. Eigentlich wollte er Maler werden, dann studierte er Kunstgeschichte, Archäologie und Soziologie, 1966 schließlich stieg er in das Unternehmen seines Vaters ein. Er wurde Verlagsleiter, gründete ein Männermagazin (das schnell wieder eingestellt wurde), avancierte, als Nachfolger seines Vaters Franz, zum Chefredakteur der Bunten. 1987 schließlich wurde der jüngste der drei Burda-Brüder Alleingesellschafter und Chef des Medienunternehmens. Jetzt, genau 30 Jahren später, regelt Hubert Burda, der vor zwei Jahren groß seinen 75. Geburtstag gefeiert hatte, die Nachfolge, zumindest ein bisschen. Denn die Mediengruppe bekommt eine neue Struktur. Aus der Holding wird eine europäische Aktiengesellschaft, kurz SE. In dem neuen Verwaltungsrat sitzen neben Hubert Burda nun seine Kinder aus der Ehe mit der Schauspielerin und Ärztin Maria Furtwängler, 50, mit der er seit 1991 verheiratet ist: Jacob, 27, und Elisabeth, 25 (die den Nachnamen ihrer Mutter trägt), außerdem Burda-Chef Paul-Bernhard Kallen und Rechtsvorstand Andreas Rittstieg. Jacob und Elisabeth, so heißt es, sollen damit behutsam an den Konzern herangeführt werden, in wichtige Entscheidungen eingebunden und für ihre spätere Aufgabe als Verleger fit gemacht werden. "Ich habe größtes Vertrauen, dass meine Kinder einmal ein sehr gut aufgestelltes, innovatives und zukunftsfähiges Unternehmen übernehmen werden", sagte Burda. Und: Mit der Umwandlung in die Burda SE sei "eine sehr gute Lösung für die Zukunft" gefunden worden. Fest steht offenbar, dass Burda in Familienhand bleiben soll. Burda ist eines der größten Medienunternehmen in Familienbesitz, mit mehr als 10 000 Mitarbeitern und einem Umsatz von zuletzt rund 2,25 Milliarden Euro. Zum Konzern gehören Magazine wie Bunte, Freundin oder Focus, aber auch Druckereien und internationale Zeitschriften sowie eine große Zahl von erfolgreichen Internetfirmen. Anfang des Jahres übernahm Burda in London die TV-Zeitschrift Radio Times und das dazugehörige Medienunternehmen Immediate Media. Gerade erst hatte Hubert Burda weitere Anteile an seine beiden Kinder übertragen. Jacob und Elisabeth halten jetzt jeweils knapp 37,5 Prozent an dem 1903 in Offenburg gegründeten Familienunternehmen, der Vater noch 25,1 Prozent. Die Stimmrechte allerdings liegen nach wie vor bei Hubert Burda, die Macht aus der Hand geben wollte er bislang dann doch nicht. Die beiden Kinder verfolgen derzeit auch andere Karrieren: Jacob promoviert derzeit in Oxford in Philosophie, Elisabeth hat Kunstgeschichte studiert und versucht sich in den USA im Musikgeschäft. Um die Heranführung der Kinder an den Konzern soll sich auch Kallen, 60, kümmern. Der promovierte Volkswirt, der früher als Unternehmensberater gearbeitet hat, genießt das volle Vertrauen von Hubert Burda und bekommt nun noch mehr Macht. Denn künftig ist er nicht nur Konzernchef, sondern auch Vorsitzender des Verwaltungsrats der neuen Burda SE. Er diskutiere viel und mitunter kontrovers mit dem Verleger, erzählte Kallen einmal. "Meine Aufgabe ist nicht, einfach das zu tun, was dem Verleger gerade durch den Kopf geht. Das will er übrigens auch nicht", sagt Kallen, der offenbar weitere zehn Jahre dabeibleiben soll. Dann ist möglicherweise auch die nächste Generation so weit. Einen Familienstreit, wie ihn Hubert Burda einst mit seinen Brüder austragen musste, soll es nicht geben. | Hubert Burda regelt seine Nachfolge, zumindest ein bisschen. Das Unternehmen wird eine Europa-AG, im Verwaltungsrat sitzen künftig auch seine beiden Kinder. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/hubert-burda-verleger-1.3572751 | Der ewige Verleger | 00/12/2018 |
Forscher wollen herausfinden, welche Auswirkungen Sanktionen auf das Leben von Hartz-IV-Empfängern haben. Der Berliner Verein "Sanktionsfrei" plant eine bundesweite Studie, um zu untersuchen, wie sich ein Leben ohne Sanktionen auf Menschen auswirkt, die Sozialleistungen beziehen. Dafür sucht der Verein ab Donnerstag 500 Menschen, die Hartz IV-Leistungen beziehen oder möglicherweise bald beziehen. Herausfinden möchten die Berliner, welche Folgen es für Gesundheit, Arbeitsleben und die sozialen Beziehungen hat, wenn Menschen nicht damit rechnen müssen, beispielsweise für ein nicht angetretenes Bewerbungsgespräch finanzielle Einbußen zu haben. 250 Menschen sollen Sanktionen erstattet bekommen Interessenten können sich auf einer Online-Plattform anmelden, die Teilnehmer werden per Los entschieden. Für die Studie von Februar 2019 bis Januar 2022 sollen sie vierteljährlich einen anonymen Fragebogen ausfüllen. Die Antworten wird ein Team um den Wirtschaftspsychologen Rainer Wieland vom Institut für Unternehmensforschung und Organisationspsychologie der Bergischen Universität Wuppertal auswerten. Während sie teilnehmen, sollen 250 der 500 Hartz-IV-Empfänger die Garantie haben, dass sie Sanktionen, die vom Hartz-IV-Regelsatz abweichen, erstattet bekommen. Die zweite Hälfte der Teilnehmer wird die Kompensation nicht erhalten und weiter von den Sanktionen betroffen sein, damit die Auswirkungen verglichen werden können. Das Geld für den Versuch stammt von Privatpersonen, Stiftungen und Unternehmen. Der Verein will "die Diskussion um Sanktionen auf ein wissenschaftliches Fundament" stellen. Der Verein ist gegen die Kürzung von Hartz-IV-Zahlungen und hilft Betroffenen beispielsweise juristisch. | Das dürfte die Debatte um Hartz-IV-Sanktionen erneut beleben: Wissenschaftler wollen untersuchen, was mit Arbeitslosen passiert, die keine Sanktionen fürchten müssen. Sie suchen Freiwillige. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/hartz-iv-alg-ii-sanktionen-1.4240694 | Hartz IV - Verein erforscht ALG II ohne Sanktionen | 00/12/2018 |
Die Finanzchefin des chinesischen Smartphone-Herstellers Huawei ist auf Ersuchen der US-Behörden in Vancouver festgenommen worden. Die USA drängen auf die Auslieferung der Top-Managerin Meng Wanzhou, wie ein Sprecher des kanadischen Justizministeriums bestätigte. Für Freitag sei jedoch zunächst eine Kautionsanhörung angesetzt worden. Laut der kanadischen Zeitung The Globe and Mail, die zuerst über die bereits am 1. Dezember erfolgte Festnahme berichtet hatte, sucht die US-Justiz Wanzhou wegen Sanktionsverstößen. Einem Insider zufolge werde die Tochter von Huawei-Gründer Ren Zhengfei beschuldigt, das US-Handelsembargo gegen Iran verletzt zu haben. Huawei bestätigte die Verhaftung. Der Konzern habe aber nur wenige Informationen darüber erhalten, was der Managerin vorgeworfen werde und ihm sei kein Fehlverhalten bekannt. Huawei halte sich an alle Gesetze und Regulierungen, inklusive Exportkontrollen und Sanktionen der Vereinten Nationen sowie der USA und der EU. In den USA steht Huawei unter Spionageverdacht In den USA kursieren allerdings schon länger Medienberichte, wonach Justizbehörden gegen den chinesischen Telekommunikationsausrüster ermitteln. Das Wall Street Journal schrieb bereits im April, dass wegen der Iran-Geschäfte von Huawei eine strafrechtliche Untersuchung laufe. Die USA haben den Konzern zudem unter Spionageverdacht, deshalb kann Huawei dort geschäftlich auch nur stark eingeschränkt agieren. Zuletzt hatte man auch europäische Länder davor gewarnt, beim Aufbau des 5G-Mobilfunknetzes auf Komponenten des Herstellers zurückzugreifen. Deutsche Behörden konnten bislang allerdings keine verdächtigen Teile finden. China, das gerade erst im Handelsstreit mit den USA einen "Waffenstillstand" vereinbart hatte, reagierte mit scharfem Protest gegen beide Länder auf die Festnahme. Die chinesische Seite habe die "USA und Kanada aufgefordert, das Fehlverhalten sofort zu korrigieren und die persönliche Freiheit von Frau Meng Wanzhou wiederherzustellen", teilte die chinesische Botschaft in Kanada mit. Man werde "alle Maßnahmen ergreifen, um die legitimen Rechte und Interessen der chinesischen Bürgerin entschlossen zu schützen". | Die USA verdächtigen Meng Wanzhou, gegen die Iran-Sanktionen verstoßen zu haben, und fordern ihre Auslieferung. China übt scharfe Kritik. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/huawei-finanzchefin-kanada-1.4241689 | Huawei-Finanzchefin Wanzhou in Kanada festgenommen | 00/12/2018 |
Wenn so ein Containerschiff am Hamburger Hafen anlegt, hat es schon einiges durchgemacht. Mitunter war es wochenlang auf den Weltmeeren unterwegs. Hat schweren Seegang überstanden. Brutale Hitze. Schließlich hat es sich durch die Elbe gequetscht. Alles nur, um endlich hier anzulegen: an der Hamburger Kaikante. Für die vielen Tausend Container, die auf so einem Schiff sind, war das aber erst der Anfang. Sie werden einzeln vom Schiff geholt und dann auf dem Festland weitertransportiert - mit der Bahn oder öfter mit dem Lkw. Genau dieser Transport ins Hinterland soll in ein paar Jahren deutlich schneller gehen, so stellt sich das zumindest die HHLA vor, der wichtigste Terminalbetreiber im Hamburger Hafen. Die HHLA präsentierte am Mittwoch eine Kooperation mit dem US-amerikanischen Unternehmen Hyperloop Transportation Technology. Das Ziel: Container künftig in einer Röhre mit 1200 Kilometern pro Stunde vom Hafen ins Hinterland zu schießen. Ihr sei klar, dass so ein Projekt immer auch viele Kritiker auf den Plan rufe, sagte die HHLA-Chefin Angela Titzrath. Aber man können nicht immer nur jammern, dass Deutschland bei der digitalen Entwicklung hinterherhinke. Es brauche eben auch den Mut, visionäre Projekte zu verfolgen. "Ein mutiger Beginn ist der halbe Gewinn", sagte Titzrath. Hyperloop TT ist eines von mindestens vier Unternehmen, die an der Umsetzung des Hyperloop-Konzepts arbeiten. Das Konzept wurde ursprünglich vom Tesla-Gründer Elon Musk vorgestellt, er steht aber mit Hyperloop TT in keiner Verbindung. Die Technologie sei bereits weit fortgeschritten, sagte Hyperloop TT-Chef Dirk Ahlborn - bezog sich damit aber auf den Personentransport. Das Hyperloop-System sieht vor, Menschen in einer Kapsel, vergleichbar mit dem Rumpf eines Flugzeugs, zu transportieren. Die Kapsel befindet sich in einer Röhre, in der mit Hilfe von Pumpsystemen Unterdruck erzeugt wird. Das verringert den Luftwiderstand und soll Reisen mit sehr hoher Geschwindigkeit - die Rede ist von 1200 Stundenkilometern - bei gleichzeitig geringem Energieaufwand ermöglichen. Schon "im kommenden Jahr" werde das System erstmals Menschen transportieren, kündigte Ahlborn an. Der Schritt, das Hyperloop-Konzept für den Gütertransport anzupassen, sei eine vergleichsweise überschaubare Herausforderung. Zwar wären Container deutlich schwerer als Menschen, dafür ist der Personentransport viel komplexer. Anders ausgedrückt: Dem Container wird während der Fahrt nicht übel. "Wer Menschen transportieren kann, kann auch Güter befördern", sagte Ahlborn. Zur Umsetzung gründen die HHLA und Hyperloop TT ein Joint Venture. Die Verträge wurden am Mittwoch unterschrieben, ein Geschäftsführer für das Gemeinschaftsunternehmen soll noch benannt werden. Sieben Millionen Euro wollen beide Partner zusammen in das Projekt stecken. Das erste Ziel ist die Entwicklung einer Transportkapsel für den Gütertransport, der Bau einer Übergabestation und die Errichtung einer etwa 100 Meter langen Teststrecke direkt im Hafen, voraussichtlich am Containerterminal Altenwerder, das schon jetzt hochautomatisiert betrieben wird. Der Zeitplan sei ambitioniert, räumte HHLA-Chefin Titzrath ein, allerdings brauche Deutschland mehr Mut und den Innovationsgeist, "den man am Silicon Valley immer so bewundert". Für die Umsetzung werden zudem einige neue gesetzliche Regelungen nötig sein, weil die Technologie neu ist, sagte die Vorstandschefin. Das deutsche Bau- und Planungsrecht mache Infrastrukturmaßnahmen oft besonders schwer realisierbar - wie sich bei der Elbvertiefung gezeigt habe. Detailansicht öffnen Ab durch die Röhre: So sieht das Konzept aus, das der Terminalbetreibers HHLA und die US-Gesellschaft Hyperloop TT entwickeln. (Foto: HHLA/Hyperloop) Die Hafengesellschaft könnte das Konzept weiterverkaufen Titzrath, früher Personalvorständin bei der Deutschen Post, ist seit zwei Jahren Chefin der HHLA. Der Zeithorizont, den sie nun für das Hyperloop-Projekt abgesteckt hat, ist wohl kein Zufall: 2021 ist Hamburg Austragungsort des ITS Weltkongresses, einer für die Branche besonders wichtigen Messe für intelligente Transportsysteme. Kann Titzrath bis zu dieser Veranstaltung eine Hyperloop-Teststrecke präsentieren, schmückt das nicht nur ihre Bilanz als HHLA-Chefin, sondern ermöglicht vielleicht auch den Verkauf der Technologie an andere Hafenstandorte weltweit. Die HHLA und ihre ambitionierte Chefin könnten dann also gleichzeitig glänzen und Geld verdienen - und damit vielleicht auch gleich den Ausbau der eigenen Hyperloop-Verbindungen ins Umland finanzieren. Perspektivisch könnten an einem Hyperloop-Terminal etwa 4100 Container pro Tag abgefertigt werden, sagte Titzrath. Viele Tausend Lkw-Fahrten würden dadurch eingespart und die Abgasbelastung verringert. Hyperloop-TT-Chef Ahlborn sagt: Manchmal brauche man im Leben eben auch ein bisschen Vorstellungskraft. | Container sollen im Hamburger Hafen künftig mit 1200 Kilometern pro Stunde durch eine Röhre ins Hinterland geschossen werden. Das könnte Tausende Lkw pro Tag überflüssig machen. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/hyperloop-hamburg-hafen-1.4240082 | Logistik - Hamburg will den Hyperloop | 00/12/2018 |
Wer ein Unternehmen gegründet und geführt hat, gibt ungern die Verantwortung ab. Mit einem Family Office können Familienunternehmen die Kontrolle über ihr Vermögen behalten. Oft lohnt sich so eine Institution aber erst ab einem dreistelligen Millionenvermögen. Große Unternehmen gründen oft ein Family Office, das sich um den Erhalt und die Vermehrung des Vermögens kümmert. Damit kann ein Wir-Gefühl am Leben gehalten werden, auch wenn die eigene Firma bereits verkauft ist. Sie sind erfolgreich und haben mit ihren Unternehmen viel Geld verdient. Torsten Toeller, zu Wohlstand gekommen durch die Tiernahrungskette Fressnapf, gehört ebenso dazu wie der Media-Markt-Mitgründer Leopold Stiefel oder Bernhard Schadeberg, Miteigentümer der Krombacher Brauerei. Sie alle lassen - so wie auch legendäre Unternehmerdynastien etwa vom Schlage der Familie Henkel (Persil) - große Teile ihres Familienvermögens in einem Family Office verwalten. Insgesamt gibt es nach Schätzungen des Instituts für Familienunternehmen an der WHU - Otto Beisheim Schoool of Management 350 bis 450 Single Family Offices, die sich im Besitz einer deutschsprachigen Unternehmerfamilie befinden. Im Unterschied zu Multi Family Offices, die für mehrere Familien Dienstleistungen erbringen, sind Single Family Offices auf eine Familie oder einen Vermögensinhaber fokussiert. Es geht um mehr als Investitionen in Aktien, Gold und Immobilien Ziel eines Family Office ist es, das Familienvermögen zu erhalten und zu mehren. "Ab einem dreistelligen Millionenvermögen lohnt sich der Aufbau professioneller Strukturen eines eigenen Family Office", sagt Professorin Nadine Kammerlander, Leiterin des Instituts für Familienunternehmen an der WHU. Meist geht es dabei um mehr als um standardisierte Investitionen in einen Mix aus Aktien, Anleihen, Gold und Immobilien. Es geht auch um mehr als steuerliche und rechtliche Expertise oder die Unterstützung beim Kauf von Yachten, Flugzeugen, Oldtimern oder Kunst. Das Single Family Office baut ein Netzwerk aus Spezialisten für die einzelnen Anlageklassen auf und beschäftigt eigene Anlageexperten. "Ebenso wie diese Familien es gewohnt sind, die Kontrolle über ihr Unternehmen zu haben, wollen sie durch von ihnen selbst eingestellte Mitarbeiter auch ihr Vermögen lenken und kontrollieren", erläutert Kammerlander. Dieser Trend habe seit der Finanzmarktkrise 2008/2009 spürbar zugenommen. Häufig wird das Management einzelner Anlageklassen einem externen Geldinstitut überlassen. "Das Family Office entscheidet, welche Bank für bestimmte Investments über die beste Expertise verfügt und welche Anlagen lieber das eigene Team übernimmt", so Kammerlander. Vermögensverwaltende Strukturen entwickeln sich oft zunächst innerhalb des Familienunternehmens. Sie übernehmen das Management der nicht an die Eigentümer ausgeschütteten Überschussrenditen, häufig auch die Verwaltung der Konzernliegenschaften sowie des privaten Immobilienbestands der Familie. Ein in der Firma angesiedeltes Family Office hat den Vorteil, dass das Unternehmen Wachstumsfinanzierungen oder Zukäufe aus dem Konzern heraus tätigen und stille Reserven aufbauen kann. Allerdings werden die mangelnde Unabhängigkeit vom Unternehmen und die weitgehend fehlende Haftungsbegrenzung als Nachteile gesehen, sodass viele Familien das Family Office lieber als rechtlich und organisatorisch eigenständige Einheit installieren. Ein wichtiger Treiber für das eigene Family Office ist das Ziel, den Zusammenhalt zu fördern und eine Aufteilung des Familienvermögens zu vermeiden. Hinzu kommen besondere Anreize nach einem Verkauf des Unternehmens, durch den die Familie zu Geld gekommen ist. "Zum einen ist durch die zeitnahe gemeinsame Reinvestition in neue unternehmerische Beteiligungen eine gewinnsteuerliche Verschonung des Verkaufserlöses möglich", sagt Max Leitterstorf, Professor für Unternehmensfinanzierung an der WHU. Zum anderen werde das Single Family Office häufig auch zu einem emotionalen Identitätsanker. Das Wir-Gefühl einer Familie, die über Jahrzehnte oder länger ein Unternehmen aufgebaut und geführt hat, lebt im gemeinsamen Family Office weiter. Ist die Firma noch im Familienbesitz, dienen die Investitionen auch zur Diversifikation des Anlagerisikos. Naheliegend wäre da die Erwartung, dass dabei Anleihen, Immobilien sowie Gold und andere Rohstoffe im Vordergrund stehen. Doch das ist heute nicht mehr so. "Getrieben vom Niedrigzinsumfeld hat neben der Anlage in Aktien der Erwerb von unternehmerischen Direktbeteiligungen stark zugenommen", sagt Leitterstorf. Dabei geht es um den mehrheitlichen oder vollständigen Kauf mittelständischer Firmen, wobei durch ein Engagement in unternehmensfremden Branchen eine Risikostreuung möglich ist. Viele Family Offices investieren gerne in junge Technologiefirmen Besonders ausgeprägt ist das Interesse bei Familien, die ihr Ursprungsunternehmen verkauft haben. Sie ziehen aus dem Aufbau eines Beteiligungsportfolios erneut eine gemeinsame unternehmerische Identität und wollen im Beirat oder Aufsichtsrat der erworbenen Firmen auch strategisch aktiv sein. Für kleine und mittlere Firmen, die das Interesse dieser Investoren auf sich ziehen, eröffnet sich damit zunehmend eine neue Finanzierungsquelle. "Immer häufiger kommt es auch zu sogenannten Club-Deals, bei denen mehrere Single Family Offices gemeinsam investieren", sagt Wissenschaftlerin Kammerlander. Dafür spreche, dass man sich oft schon seit Jahren kennt und mit hoher Wahrscheinlichkeit gleiche Ziele verfolgt. Familien, die nicht mehr im Besitz des gemeinsamen Ursprungsunternehmens sind, haben zudem ein deutlich stärkeres Interesse an Private-Equity-Fonds, die in ein Portfolio aus unterschiedlichen Beteiligungen investieren. Zudem sind sie eher bereit, Wagniskapital für junge innovative, technologieorientierte Start-ups bereitzustellen. Doch auch wenn das Ursprungsunternehmen noch in Familienbesitz ist, gibt es gute Gründe für Risikokapitalinvestitionen. Zum Beispiel, um an einer Technologie, die für die eigene Branche künftig wichtig ist, teilzuhaben. "Ebenso kann der Technologievorsprung eines kleinen oder mittelständischen Unternehmens aus Sicht des Family Office attraktiv für eine Beteiligung sein, weil sich dadurch das Unternehmen der Familie möglicherweise einiges an Forschungs- und Entwicklungsaufwand sparen kann", so Kammerlander. | Große Unternehmen gründen oft ein Family Office, das sich um den Erhalt und die Vermehrung des Vermögens kümmert. Damit kann ein Wir-Gefühl am Leben gehalten werden, auch wenn die eigene Firma bereits verkauft ist. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/single-family-office-exklusiv-fuer-die-familie-1.4237130 | Single Family Office - Exklusiv für die Familie | 00/12/2018 |
Hier der Finanzinvestor, der dem Unternehmen Schulden aufbürdet und sich dann schnell wieder verabschiedet. Dort eine Unternehmerfamilie, die auf langfristigen Werterhalt achtet. Würde man so den Unterschied zwischen Private-Equity-Gesellschaften und einem Family Office darstellen, käme ein grob überzeichnetes Bild heraus. Das Institute of Family Business an der WHU - Otto Beisheim School of Management hat in einem ausführlichen Praxisreport einige Vorurteile auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft und so manches Bild zurechtgerückt. Private Equity (PE) steht für in einem Fonds gesammelte vorbörsliche Unternehmensbeteiligungen, wobei das Geld meist von institutionellen Investoren wie Pensionskassen und Versicherungen stammt. Die Fonds sind nach einigen Jahren zur Rückzahlung an die Investoren verpflichtet und stellen diesen überdurchschnittliche Renditen in Aussicht. "Private-Equity-Fonds müssen ihre Zielunternehmen deshalb innerhalb einer Spanne von vier bis sieben Jahren weiterentwickeln und wieder verkaufen", erläutert Max Leitterstorf, Professor für die Finanzierung von Familienunternehmen an der WHU. Etwas mehr Zeit nehmen sich sogenannte Evergreen-Fonds. Diese Investoren bleiben durchschnittlich zehn Jahre an einem Unternehmen beteiligt. Anders ist die Herangehensweise von Single Family Offices, die das Vermögen von Unternehmerfamilien verwalten. Sie zeigen ebenfalls zunehmend Interesse an unternehmerischen Beteiligungen. Family Offices aber müssen aufgrund ihrer Strukturen anders als Private Equity nicht notwendigerweise nach einer bestimmten Zeitspanne wieder verkaufen. Was beide Investorengruppen eint: Sie haben oft ein hohes Interesse an Beteiligungen am deutschen Mittelstand. Single Family Offices sind bei einer durchschnittlich angestrebten Haltedauer ihrer Beteiligungen von 19 Jahren sehr langfristig orientiert. Oft bleiben sie sogar über Generationen hinweg und mehr als 30 Jahre engagiert. "Diese Ausrichtung führt dazu, dass Family Offices oder Familienmitglieder ein Beteiligungsunternehmen entsprechend steuern und die Renditemaximierung nicht unbedingt im Vordergrund steht", sagt Leitterstorf. Dabei seien auch nichtfinanzielle Ziele wie die Reputation der Unternehmerfamilie und der Erhalt von Arbeitsplätzen, die für Private Equity keine Rolle spielen, von Bedeutung. Private-Equity-Unternehmen hingegen streben eine durchschnittliche Haltedauer von fünf Jahren an, innerhalb der sie durch operative oder strategische Verbesserungen den Unternehmenswert steigern wollen. Ein Vorurteil dagegen ist es, dass nur Family Offices langfristigen Wert schaffen und Private-Equity-Gesellschaften die Investitionen lediglich mit Blick auf ihre kurzfristige Wirkung beurteilen. Der überwältigenden Mehrheit der befragten Private-Equity-Investoren ist es wichtig, einen langfristigen Wert zu schaffen. "Das ist auch glaubwürdig, denn ein guter Käufer findet sich nur, wenn das Beteiligungsunternehmen nach der Zeit beim Private-Equity-Fonds interessante Perspektiven bietet", sagt Leitterstorf. Wenn sie mit anderen Investoren konkurrieren, sind sie auch zu mehr Risiko bereit Die große Mehrheit der Private-Equity-Fonds nutzt die Schuldenaufnahme als Instrument, um größere Transaktionen zu ermöglichen und gleichzeitig die Rendite auf das eingesetzte Kapital zu maximieren. "Im Durchschnitt der von uns befragten Private-Equity-Unternehmen liegt der Fremdkapitalanteil pro Transaktion bei 42 Prozent, wobei dieser Anteil unter dem Niveau der noch vor einigen Jahren in vielen Fällen genutzten Fremdkapitalquoten liegt", sagt Leitterstorf. Dahinter stehe der Wille, nicht übertrieben hohe Risiken einzugehen. Andererseits mischen, so die Studie, auch 47 Prozent der Single Family Offices bei ihren Investitionen entweder Fremdkapital oder sogenannte Mezzanine-Finanzierungen, eine Mischform aus Eigen- und Fremdkapital, bei. Family Offices, bei denen das ursprüngliche Familienunternehmen bereits verkauft wurde, sind zur Schuldenaufnahme sogar noch eher bereit. Sie nehmen also auch ein höheres Risiko in Kauf. Mitunter resultiert die Bereitschaft zur Einbeziehung von Fremdkapital aber auch aus der Tatsache, dass das Single Family Office nur so mit Private-Equity-Investoren im Konkurrenzkampf um ein Zielunternehmen mithalten und einen entsprechenden Preis zahlen kann. Das Klischee der höheren Risikobereitschaft von Private Equity relativiert sich bei näherem Hinsehen. Denn auch wenn die Finanzinvestoren in der Regel zur Schuldenaufnahme bereit sind, so bevorzugen sie anderseits doch Zielunternehmen mit stabilen laufenden Geschäftserträgen, um die Zinszahlungen sicher leisten zu können. Einen großen Unterschied bestätigt aber auch die WHU-Studie. "Bei den Private-Equity-Unternehmen steht die Renditemaximierung im Vordergrund, während Single-Family-Offices dem Kapitalerhalt eine größere Bedeutung zumessen", sagt Professorin Nadine Kammerlander, Leiterin des Instituts für Familienunternehmen an der WHU. Private-Equity-Investoren investierten zudem mit etwas größeren Summen und tendenziell auch häufiger in größere Unternehmen. Wenn es um finanzielle Stabilität geht, so Kammerlander, haben beide Investorengruppen den langfristigen Erfolg im Visier. Anders dagegen sieht es bei der Beurteilung der Chancen von größeren Investitionen etwa in neue Technologien aus. "Das Single Family Office steht dann für das geduldigere Kapital und wartet länger ab, ob eine Medizintechnik in einigen Jahren ein neues Medikament ermöglicht oder eine Energietechnik die Gewinnung umweltfreundlicher Energie", sagt Kammerlander. Für Private Equity dagegen muss der Fortschritt der Entwicklung innerhalb eines Zeitraums von fünf bis sieben Jahren messbar sein, um dem nächsten Käufer des Unternehmens eine attraktive Perspektive bieten zu können. | Unternehmerfamilien sind als Finanzinvestoren meist geduldiger und halten ihre Beteiligungen auch länger als Private-Equity-Investoren. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/finanzinvestoren-die-guten-heuschrecken-1.4237136 | Finanzinvestoren - Die guten Heuschrecken | 00/12/2018 |
Seit der Finanzkrise dürften die Begriffe Bank und Verantwortung vielen Bürgern unvereinbar erscheinen. Aber würden die weltweit 25 000 Geldhäuser Finanzierungen in nachhaltige Verwendungen lenken, wäre dies ein gewaltiger Katalysator für notwendige Veränderungen. Befördern wollen genau dies nun die Vereinten Nationen mit einer Initiative für ein verantwortungsvolles Bankgeschäft. Wer als Geldinstitut mitmacht, verpflichtet sich, sein Geschäftsmodell an zentralen ökologischen und gesellschaftlichen Zielen auszurichten. | Die UN will Banken auf Nachhaltigkeit verpflichten. 28 Geldhäuser entwickelten nun Regeln. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/banken-allianz-meilenstein-fuer-die-finanzbranche-1.4240073 | "Banken-Allianz - ""Meilenstein für die Finanzbranche""" | 00/12/2018 |
Die beiden sassen vor etwa 20 Jahren mal auf demselben Flur, beide arbeiteten damals an der Ludwig-Maximilias-Universität an ihrer Habilitation, beide sind Jahrgang 1968, und beide waren später als Professor in Köln tätig: Achim Wambach und Clemens Fuest kennen sich schon lange und gut, und sie gehören heute zu den wichtigsten Ökonomen und Politikberatern in Sachen Wirtschaft in Deutschland. Wambach ist inzwischen Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) Mannheim (wurde dort 2016 Nachfolger von Fuest) und Vorsitzender der Monopolkommission, Fuest führt das Münchner Ifo-Institut. In dieser Woche nun war Wambach zu Gast bei den Münchner Seminaren, die vom Ifo-Institut und der Süddeutschen Zeitung organisiert werden. Fuest begrüßte seinen ehemaligen Kollegen mit dem Eingeständnis, früher manchmal gar nicht verstanden zu haben, worüber Wambach forschte. Kein Wunder, studierte der gebürtige Rheinländer doch zunächst Mathematik und Physik, bevor er zur Volkswirtschaft kam. | Der Wirtschaftsprofessor Wambach kritisiert deutsche Defizite bei der Digitalisierung. "Die Digitalisierung kratzt schon an unserem Wirtschaftsmodell", sagt er. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/wirtschaftspolitik-auf-der-bremse-1.4240095 | Wirtschaftspolitik - Auf der Bremse | 00/12/2018 |
Das Kreditinstitut muss wegen des Cum-Ex-Aktiendeals eine Strafe zahlen. Der Fall geht auf eine Razzia im Jahr 2015 zurück. Am Finanzplatz Frankfurt erzählen sich derzeit viele die Geschichte, wonach die Staatsanwaltschaften selten handfeste Ergebnisse brächten, wenn sie bei einer Bank zur Razzia anrückten. Oft sei das ja "nur Buhei". Am Mittwoch jedoch lieferten die Behörden konkrete Ergebnisse, die unter anderem auf eine Razzia bei der Deutschen Bank im Juni 2015 zurückgehen: Demnach musste das Institut im Zusammenhang mit Ermittlungen wegen umstrittener Cum-Ex-Aktiendeals ein Bußgeld von vier Millionen Euro bezahlen. | Das Kreditinstitut muss wegen des Cum-Ex-Aktiendeals eine Strafe zahlen. Der Fall geht auf eine Razzia im Jahr 2015 zurück. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/deutsche-bank-cum-ex-strafe-1.4240093 | Cum-Ex-Aktiendeal - Bußgeld für die Deutsche Bank | 00/12/2018 |
Wer nach diesem Schreiben noch nicht verstanden hat, was dem Finanzsektor bevorsteht, passt bald nicht mehr in die Zeit. Die 19 Seiten tragen den Briefkopf der Bank von England, sie dokumentieren ein Umdenken, sie zeigen, dass die Aufsichtsbehörden langsam die Geduld verlieren. Bis Mitte Januar, so verlangt es die britische Zentralbank von Versicherern und Banken im Vereinigten Königreich, sollen die Finanzhäuser detailliert darlegen, wie sie mit den Risiken der Erderwärmung umgehen. "Es braucht ein klares Engagement und Verantwortung auf Vorstandsebene, um die finanziellen Risiken des Klimawandels zu managen", heißt es im Schreiben der Währungshüter. | Banken wollen von Unternehmen immer häufiger wissen, wie sie sich gegen die Erderwärmung rüsten, schließlich bedroht der Klimawandel das Geschäft. Wer hier zögert, dem drohen höhere Zinsen. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/banken-klimawandel-1.4240071 | Kriterien für Kredite - Klima aus Leidenschaft | 00/12/2018 |
Die Anlegerflucht am Vortag in den USA sowie negative Nachrichten rund um die Brexit-Entscheidung haben deutsche Aktien am Mittwoch unter Druck gesetzt. Der Dax ging mit einem Minus von 1,2 Prozent bei 11 200 Punkten aus dem Handel. An der New Yorker Wall Street hatten am Vorabend Konjunktursorgen und Zweifel an der Nachhaltigkeit der jüngsten Vereinbarungen im Handelsstreit zwischen den USA und China kräftige Verluste ausgelöst. Der Dow Jones verlor gut drei Prozent. Mit Sorge blickten die Anleger auch nach London. Vor Beginn der fünftägigen Debatte über den EU-Austritt Großbritanniens erlitt Premierministerin Theresa May einen weiteren Rückschlag. Die Abgeordneten entschieden, dass die Regierung die Rechte des Parlaments missachtet hat. Ohnehin werden May nur geringe Chancen zugestanden, eine Mehrheit für ihr Abkommen bei der geplanten Abstimmung am 11. Dezember im Parlament zu erreichen. Aus Branchensicht standen vor allem die Papiere der Versicherer unter Verkaufsdruck. Händler führten die Einbußen insbesondere auf die niedrigen Zinsen bei länger laufenden Anleihen am US-Bondmarkt zurück. Die Titel der Allianz und der Munic Re zählten mit Abschlägen von 2,4 und 1,9 Prozent zu den größten Dax-Verlierern. Im M-Dax gaben die Papiere von Hannover Rück um 1,8 Prozent nach. Die Anleger trennten sich auch von konjunkturabhängigen Technologie-Werten. So waren Wirecard-Papiere mit minus 2,7 Prozent der schwächste Wert im Dax. Infineon-Titel gaben um 2,4 Prozent nach. Die Aktie von Bayer stand dagegen mit plus 0,7 Prozent auf der Gewinnerseite. Das Unternehmen stellte weitere Dividendenerhöhungen und mögliche Aktienrückkäufe in Aussicht. Zudem will der Pharma- und Agrarchemiekonzern sein Umsatz- und Gewinnwachstum beschleunigen. Trotz der Hoffnung vieler Anleger auf gute Geschäfte in den USA nach dem Treffen deutscher Automanager im Weißen Hau, konnten sich die Titel der Autohersteller dem negativen Markttrend nicht entziehen. Die Titel von BMW, Volkswagen und Daimler verloren zwischen 0,4 und einem Prozent an Wert. Nach dem Treffen hatten die deutschen Autobauer ein stärkeres Engagement in den USA angekündigt. Die US-Börsen blieben am Mittwoch wegen des Gedenkens an den verstorbenen Ex-Präsidenten George Bush geschlossen. | Nach kräftigen Verlusten an der Wall Street am Dienstag wegen aufgeflammter Rezessionsängste trennen sich auch europäische Anleger von Aktien. Die US-Börsen blieben am Mittwoch ob der Trauer um Ex-Präsident Bush geschlossen. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/aktienmaerkte-rueckzug-der-anleger-1.4239896 | Rückzug der Anleger | 00/12/2018 |
An den internationalen Finanzmärkten ist fast über Nacht ein Gespenst wieder aufgetaucht. Fachleute nennen das Phänomen die "flache Zinskurve" und sie nehmen es als eine Art Vorzeichen für eine drohende Rezession. Nach einer Börsenregel geht jeder Rezession eine Phase voraus, in der die Zinskurve flach wird. Aber nicht jede derartige Phase führt zwingend zu einer Rezession. Es ist also viel "Kaffeesatzleserei" mit im Spiel, wie der Präsident der Federal Reserve Bank of New York, John Williams, am Dienstag einräumte. Er werde die Zinskurve jedenfalls sehr genau beobachten. Die Sache ist keine Spielerei. Jenseits der Gemeinde der Finanzmarktprofis wird die Zinskurve bisher wenig beachtet. Dabei ist sie durchaus ein anschauliches Instrument, um zu verstehen, wo Risiken für die Konjunktur liegen könnten. Sind die Verhältnisse normal und es gibt wenig Risiken, dann bekommen Anleger umso höhere Renditen, je langfristiger sie ihr Geld fest anlegen. In Deutschland ist dies derzeit der Fall: Zweijährige Staatspapiere brachten am Mittwoch eine Rendite von minus 0,63 Prozent, zehnjährige Bundesanleihen eine von plus 0,25 Prozent. Der Unterschied beträgt 0,88 Prozentpunkte. Verbindet man die Ergebnisse mit einer Linie bekommt man die Zinskurve, und die ist derzeit steil. Anders dagegen ist die Lage in Amerika. Dort liegt der Abstand der Renditen von zwei- und zehnjährigen Bundesanleihen ("Treasuries") bei nur noch 0,12 Prozentpunkten. Das ist der niedrigste Wert seit 2007, dem Jahr vor Ausbruch der Finanzkrise. Arturo Estrella, ein Ökonom, der früher viele Jahre bei der New York Fed arbeitete und als erster die Zinskurve als Prognoseinstrument einsetzte, sagte dem Wirtschaftssender CNBC: Die Lage sei "mehr und mehr besorgniserregend". Sollte die Notenbank im kommenden Jahr weiter ihre kurzfristigen Zinsen erhöhen, dann werde die Zinskurve sogar mit ziemlicher Sicherheit invers - das bedeutet, kurzfristige Papiere brächten dann höhere Renditen als langfristige. Nach einer Studie der Federal Reserve Bank of San Francisco ging in den Vereinigten Staaten seit 1955 jeder Rezession eine Zeit mit inverser Zinsstruktur voraus. Analyst Jochen Stanzl vom Online-Broker CMC Markets, warnt, laut Reuters: "Auch jetzt ist die Angst begründet. Die Weltwirtschaft könnte schon Mitte kommenden Jahres gänzlich anders aussehen als heute." Entscheidend ist für die Analyse, warum die Zinskurve flach oder gar invers wird. Unter vielen Erklärungen sind zwei besonders verbreitet: Erstens könnten die Anleger damit rechnen, dass die US-Notenbank in absehbarer Zeit die Zinsen senken wird, weil sie Angst vor schlechten Nachrichten aus der Wirtschaft hat. Die Investoren kaufen daher zehnjährige Anleihen, um sich für die Zukunft abzusichern. Werden mehr solche lange laufenden Anleihen gekauft, steigt deren Kurs, die Renditen fallen unter die kurzfristiger Papiere. Oder aber, zweite Erklärung: Die Wirtschaft befindet sich bereits auf dem Weg in die Rezession, weil es die Zentralbank mit Zinserhöhungen übertrieben hat und die kurzfristigen Zinsen jetzt überschießen. Die Meinung vertritt etwa der Bloomberg-Kolumnist Karl W. Smith. Auf den ersten Blick erscheint es absurd, wenn sich die Amerikaner über eine drohende Rezession Gedanken machen. Der Wirtschaft der Vereinigten Staaten geht es so gut wie lange nicht mehr. Der Aufschwung geht in seinen 112. Monat, er ist einer der längsten seit dem Zweiten Weltkrieg. Auf dem Arbeitsmarkt herrscht Vollbeschäftigung. Die auf Pump finanzierte Steuerreform von Präsident Donald Trump treibt das Wachstum weiter an. Die Federal Reserve wird mit Zinserhöhungen jetzt sehr vorsichtig sein Was die Anleger nervös macht, ist auch nicht die US-Binnenwirtschaft, sondern die Schwäche der Weltwirtschaft. Das globale Wachstum geht zurück, wie der Internationale Währungsfonds bereits im Oktober gewarnt hat. Auch in Deutschland musste die Bundesregierung die Wachstumsprognosen zurücknehmen. Alarmiert reagieren die Anleger auf einen drohenden Brexit ohne Deal, vor allem aber auf einen weiter eskalierenden Handelskonflikt zwischen den USA und China. Als am Dienstag klar wurde, dass nach dem Treffen von Trump und dem chinesischen Staats- und Parteichef Xi Jinping viel weniger geklärt war, als es zuerst den Anschein hatte, brach der Dow Jones um 799 Punkte ein, die Rendite zehnjähriger US-Bundesanleihen fiel unter die Marke von drei Prozent. Von erheblicher Bedeutung ist die flache Zinskurse und ihre Auslegung für die Notenbanken der Welt - für die Fed, aber auch für die Europäische Zentralbank (EZB). Träfe der Verdacht zu, dass die Fed die Leitzinsen bereits zu weit nach oben gebracht hat, stünden jetzt Zinssenkungen an statt der erwarteten Erhöhungen. Aber auch, wenn dies nicht zutreffen sollte, dürfte Fed-Chef Jerome Powell im Zweifel zögern, ehe er im kommenden Jahr die Zinsen weiter erhöht. Es sei jetzt "weise, geduldig zu sein", sagte Robert Kaplan, der die Fed-Niederlassung in Dallas leitet und über die Zinsen mitentscheidet. Nach den Erwartungen an den Finanzmärkten wird die Fed bei ihrer nächsten Sitzung am 18. und 19. Dezember ihren Leitzins um einen Viertelpunkt auf 2,25 bis 2,5 Prozent erhöhen. Was danach kommt, wird stark davon abhängen, ob die Zinskurve tatsächlich invers wird. Und die EZB könnte in die unangenehme Situation kommen, dass die Fed sich mit Zinssenkungen auf eine Rezession einstellt, während in Europa der Leitzins immer noch bei null liegt. | Was eine flache Strukturkurve ist und warum sie als Frühwarnzeichen für eine Rezession gilt. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/zinsen-vorahnungen-der-finanzprofis-1.4240080 | Vorahnungen der Finanzprofis | 00/12/2018 |
Wenn ihm etwas gegen den Strich geht, wählt Jean-Claude Juncker deutliche Worte. Es sei schlicht "lächerlich", dass europäische Unternehmen europäische Flugzeuge nicht in Euro, sondern in Dollar kauften, sagte der EU-Kommissionspräsident in seiner jüngsten Rede zur Lage der Union. Es ergebe auch keinerlei Sinn, dass "wir in Europa unsere Energieimporte in Höhe von 300 Milliarden Euro pro Jahr zu 80 Prozent in US-Dollar bezahlen". Schließlich stammten nur etwa zwei Prozent der Öleinfuhren aus den USA. Für Juncker ist deshalb klar: "Wir müssen mehr tun, damit unsere gemeinsame Währung auf dem internationalen Parkett die Bedeutung erlangen kann, die ihr zusteht." Der Euro müsse "das Gesicht und das Werkzeug" einer neuen europäischen Souveränität werden. Um Europas finanzielle Abhängigkeit vom Dollar zu verringern, präsentierte die Kommission am Mittwoch erste Vorschläge, die beim EU-Gipfel in der kommenden Woche diskutiert werden sollen. Die Brüsseler Behörde will Europas Unternehmen dazu ermutigen, insbesondere Energiegeschäfte künftig in Euro statt in Dollar abzuwickeln. Vor allem in diesem Sektor brächte die Abhängigkeit von der US-Währung "Unsicherheiten, Risiken und Kosten mit sich", erklärte die Kommission. Eine stärkere Nutzung des Euro würde "das Risiko von Versorgungsunterbrechungen verringern und die Autonomie europäischer Firmen stärken". Da die Politik den Unternehmen nicht einfach vorschreiben kann, Öl- und Gasimporte in Euro zu bezahlen, will die Kommission Firmenchefs und Finanzexperten befragen. Im Sommer soll es einen Zwischenbericht geben. Brüssel sieht in dem Streit über den Iran-Deal auch ein Zeichen für die Dominanz des Dollar Der Hauptgrund für die europäische Attacke auf den Dollar ist die America-First-Politik von Donald Trump. Aus Sicht der Kommissionsspitze setzt der US-Präsident die amerikanische Währung immer stärker als außenpolitische Waffe ein - zuletzt etwa im Streit um das Atomabkommen mit Iran. Washington hatte europäischen Unternehmen mit dem Ausschluss aus dem US-Finanzsystem gedroht, sollten sie sich Sanktionen gegen Iran widersetzen. In Brüssel sieht man die Auseinandersetzung über den Iran-Deal, den Trump aufkündigte, auch als Zeichen für die Dominanz des Dollar an. Die EU kündigte deshalb bereits an, iranische Ölimporte künftig in Euro anstatt in Dollar zu bezahlen. Auch der Vorschlag von Bundesaußenminister Heiko Maas, den Zahlungsverkehr unabhängiger vom US-Dollar zu machen, war eine Reaktion auf Trumps Verhalten in Sachen Iran. Detailansicht öffnen Ein Flüssiggas-Tanker liegt im Rotterdamer Hafen. Öl- und Gasgeschäfte werden in Dollar abgerechnet. (Foto: LEX VAN LIESHOUT/AFP) In Brüssel macht man sich allerdings keine Illusionen: Den Dollar wird der Euro nicht so schnell als Weltwährung ablösen - wenn überhaupt. Die Kommission will die amerikanische Währung auch nicht durch den Euro ersetzen; sie will aber durchaus ihre Dominanz brechen. Neben dem Euro und dem Dollar könnten auch der chinesische Renminbi und der japanische Yen für mehr Vielfalt im internationalen Währungssystem sorgen. Weltweit ist der Euro schon jetzt die bedeutendste Devise nach dem US-Dollar. Sein Anteil am internationalen Zahlungsverkehr lag laut Kommission im Jahr 2017 bei 36 Prozent; jener des Dollar mit 40 Prozent nur knapp darüber. Nach der Asien- und Euro-Krise setzten internationale Anleger vor allem auf die US-Währung Ganz anders sieht es bei den weltweiten Währungsreserven aus. Da liegt der Anteil des Euro bei lediglich 20 Prozent; der Dollar wiederum erreicht 60 Prozent. Dieses Missverhältnis ist vor allem der Asien- und der Euro-Krise geschuldet. Damals zogen internationale Anleger den sicheren Dollar gegenüber asiatischen und europäischen Währungen vor - und hatten seitdem auch keinen Grund, ihre Bestände groß zu verändern. Die EU-Kommission dringt deshalb darauf, dass die Euro-Staaten die Wirtschafts- und Währungsunion weiter reformieren, um den Euro krisenfester zu machen. Doch nicht nur EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici hat seine Zweifel daran, dass dies gelingt. Nachdem sich die Euro-Finanzminister in der Nacht zum Dienstag auf ein Reformpaket geeinigt hatten, erklärte er, dass man "keine großen Schritte nach vorne" gemacht habe. So ähnlich sieht das auch der finanzpolitische Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament. "In der jetzigen Lage ist die Stärkung des Euro in der Welt nicht mehr als Wunschdenken", sagt Sven Giegold. Ein starker Euro sei ein richtiges, aber aufgrund des Reformstaus in der Euro-Zone gleichwohl ein realitätsfernes Ziel. "Wer sich nicht auf interne Reformen einigen kann, wird es auch nicht mit dem Dollar aufnehmen können", meint Giegold. Damit der Euro sein internationales Potenzial ausschöpfen könne, müssten grundlegende Fortschritte in der Wirtschafts- und Währungspolitik erreicht werden. Die jüngsten Reformschritte seien "eine verpasste Chance, weil sie den Euro nicht krisenfest machen". Der christdemokratische Europapolitiker Markus Ferber ist davon überzeugt, dass der Euro nur dann eine international gewichtige Rolle spielen kann, wenn an seiner Stabilität keine Zweifel bestehen. "Eine Grundvoraussetzung dafür ist, dass die Euro-Länder ihre Staatsverschuldung im Griff haben", sagt der CSU-Mann. Deswegen sei es entscheidend, dass es nicht die geringsten Zweifel an der Einhaltung der europäischen Regeln gebe. Nur: "Es war die Kommission selbst, die die Integrität des Stabilitäts- und Wachstumspakts über die Jahre immer weiter untergraben hat, indem sie ihn zum Ausnahmenkatalog gemacht hat", warnt Ferber. | Europas Unternehmen sollen Öl- und Gasgeschäfte künftig nicht mehr in Dollar abwickeln. Weil Donald Trump die US-Währung zunehmend als politische Waffe einsetzt, will die EU-Kommission die Rolle des Euro stärken. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/euro-vs-dollar-die-systemfrage-1.4240075 | Euro vs. Dollar - Die Systemfrage | 00/12/2018 |
Der Digitalgipfel der Bundesregierung war eine Enttäuschung - und steht damit leider symptomatisch für die gesamte Digital-Politik der Bundesregierung. Damit sich das verbessert, muss das Internet Chefsache werden. Kanzlerin Angela Merkel musste selber ein wenig schmunzeln, als sie beim Digitalgipfel in Nürnberg erzählte, wie sie wegen ihres Diktums vom Internet als "Neuland" 2013 einen Shitstorm zu erdulden hatte. Sie wolle das deshalb nun nicht wiederholen. Und dann sagte sie: "Also jedenfalls ist es auch ein in gewisser Weise noch nicht durchschrittenes Terrain." Gelächter im Publikum. Nun kann man sich da feixend anschließen, ganz nach dem Motto, das mit dieser Digitalisierung werde man schon noch hinkriegen. Und es ist ja auch richtig: Vieles in unserer Gesellschaft hinkt den technischen Entwicklungen tatsächlich hinterher, zum Beispiel in der Juristerei oder im Steuerwesen. Da gibt es wirklich noch viel Terrain zu durchschreiten. Doch es ist auch zu fragen, ob Deutschland genug dafür tut, sich der größten wirtschaftlich-gesellschaftlichen Umwälzung seit der Erfindung der Dampfmaschine zu stellen. Nach zwei Tagen Digitalgipfel fällt das Fazit äußerst nüchtern aus: An Ankündigungen und Absichtsbekundungen fehlte es in Nürnberg zwar nicht, wohl aber an Beispielen für die Umsetzung. Wem das irgendwie bekannt vorkommt, der liegt ganz richtig. So ist das schon viel zu lange. Und eine Veranstaltung wie der Digitalgipfel ist zwar sicher gut gemeint, erfüllt aber in keiner Weise den Anspruch, den man an ein solch hochkarätiges Treffen eigentlich stellen müsste. Es wirkt vielmehr wie eine Veranstaltung von Beamten für Beamte unter obligater Mitwirkung von Lobbyisten. Alleine schon den Haupttag mit dem nun wirklich nicht sonderlich innovativen iPad auf Rädern, dem Roboter Pepper, zu beginnen, zeugt von dieser Geisteshaltung. Im Publikum dominieren ältere Herren, Beamte, Institutsdirektoren, Vertreter der üblich verdächtigen Firmen. Die Panels, weichgespült-unkritisch moderiert, sind Foren der Selbstbestätigung. Kein frischer Gedanke, nirgends, keine Gründer, keine wirklich kritische Stimme. So ist man dann schon froh, wenn einer der obersten Lobbyisten, Achim Berg vom Branchenverband Bitkom, eine auch rhetorisch gelungene und halbwegs kritische Rede hält und die Defizite der Regierungspolitik nacheinander aufzählt. Doch darf man dabei eines nicht vergessen: Berg ist eben Lobbyist und vertritt in erster Linie die Interessen der Verbandsmitglieder. Die sind oft, aber sicher nicht immer im Einklang mit dem, was ausgewogene Digitalpolitik im Sinn haben sollte. Nein, die Bundesrepublik ist nicht der digitale Vorreiter. Aber es gibt auch hier viele spannende Gründungen, es gibt Forscher von Weltrang. Die aber, wenn sie denn eingeladen werden, bleiben bei den Veranstaltungen am Vortag weitgehend unter sich. Viel spannender wäre doch, sie mit den hochrangigen Politikern zusammenzubringen, auf die Gefahr hin, dass es auch mal kracht. Natürlich, dafür gibt es die immer zahlreicheren Arbeitskreise und Beratergremien. Die Diskussion mit ihnen auf der Bühne, gerne auch eine kontroverse, würde aber viel transparenter machen, worum gerungen wird. So wissen nur Eingeweihte, was in den Hinterzimmern gesprochen wird. Man erfährt bloß, was die Politiker daraus (nicht) machen. Digitalpolitik in Deutschland muss zur Chefsache werden Es wäre auch an der Zeit, dass sich die Regierenden selber besser einarbeiten in ein Gebiet, das - zugegeben - neuer ist als andere. Das Internet aber gibt es mittlerweile schon eine ganze Generation. Man kann das Thema also durchaus geistig durchdringen, auch wenn die Finger auf dem Smartphone nicht so flink sein mögen wie bei einem Teenie. Man stelle sich einmal vor, ein Regierungschef würde zugeben, dass ihn die Gesundheitspolitik überfordere - ein Sachgebiet, dem es an Komplexität und divergierenden Interessen verschiedenster Lobbygruppen gewiss auch nicht mangelt. Der Shitstorm wäre gigantisch. Es ist wirklich höchste Zeit, dass das auch für die Digitalpolitik gilt. Die eifrige Staatsministerin Bär hat zu wenig Macht, wirklich etwas zu bewegen. Ein Ministerium neben den bestehenden aufzubauen, die ja auch alle mit der Querschnittsaufgabe Digitalisierung zu tun haben, hätte nicht zwingend eine Erfolgsgarantie. Am ehesten aber dann, wenn Kanzler oder Kanzlerin sich so gut auskennten, dass er oder sie ihr Kabinett auf diesem Gebiet zu mehr konkreten Ergebnissen antreiben könnte. Immerhin: Friedrich Merz ist seit November 2018 auch auf Twitter. | Der Digitalgipfel der Bundesregierung war eine Enttäuschung - und steht damit leider symptomatisch für die gesamte Digital-Politik der Bundesregierung. Damit sich das verbessert, muss das Internet Chefsache werden. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/kommentar-so-wird-das-nichts-1.4240066 | Kommentar - So wird das nichts | 00/12/2018 |
Zunehmend wählen große Firmen ihre Bewerber mithilfe von Algorithmen aus. Viele Menschen, die einen Job suchen, wissen nicht, wie sie sich darauf einstellen sollen und wie man davon profitiert. Die wichtigsten Fragen und Antworten. Wenn nach einer Bewerbung die Absage kommt, ist der Frust groß. Unweigerlich kommen dann die ersten Selbstvorwürfe: Hätte man die eigene Erfahrung klarer herausstreichen sollen? Wäre es besser gewesen, den Einstieg anders zu formulieren? Bewerber stellen sich dann vielleicht vor, dass in dem Unternehmen ein Mensch die Bewerbung kurz überflog und anschließend entsorgte, weil eine Kleinigkeit nicht passte. Doch womöglich war es gar kein Mensch, der einem den Traumjob vorenthielt. Manchmal trifft die Entscheidung auch ein Algorithmus, ein computergesteuerter Rechenvorgang, der nach bestimmten Schemata arbeitet. Knapp sechs Prozent der größten Unternehmen Deutschlands setzen schon einen solchen Algorithmus ein, weitere 13 Prozent haben das zumindest vor. Das ergab eine Untersuchung der Universitäten Bamberg und Erlangen-Nürnberg. Wer eine Bewerbung abschickt, muss also mittlerweile damit rechnen, dass sie automatisiert bewertet wird. Wie funktioniert der Algorithmus als Personaler? Die Gespräche führen Bewerber fast immer noch ausschließlich mit Menschen. Der Algorithmus ist in den meisten Fällen nur ein erster Filter, damit sich später der menschliche Personaler mit weniger Bewerbungen auseinandersetzen muss. Der Computer scannt dazu die Unterlagen und sortiert Bewerber aus, die die zuvor programmierten Einstellungskriterien nicht erfüllen. Wie schreibe ich für einen Algorithmus? Der Algorithmus suche in den Bewerbungen nach Schlüsselwörtern, mit denen die Stelle ausgeschrieben sei, sagt Wirtschaftsinformatiker Sven Laumer von der Universität Erlangen-Nürnberg, der solche Algorithmen erforscht. Bewerber sollten darum genau die Schlüsselwörter aus der Stellenausschreibung in ihrem Bewerbungsschreiben verwenden. Wenn in der Ausschreibung einer Stelle beispielsweise zwei Jahre Erfahrung im Einzelhandel vorausgesetzt würden und die Bewerberin zwei Jahre als Verkäuferin gearbeitet habe, solle sie auf jeden Fall den Begriff "Einzelhandel" verwenden und nicht schreiben, sie habe zwei Jahre lang "verkauft". Auch englische Begriffe aus der Stellenausschreibung sollten Bewerber einfach übernehmen. Das scheint aber nicht immer nötig zu sein: Neuere Algorithmen seien schlau genug, die Bedeutung der Begriffe auch dann zu erkennen, wenn sie anders aufgeschrieben seien, sagt Sven Semet von der IT-Firma IBM. Ein neuerer Rekrutierungsalgorithmus würde auch die Bewerberin, die schreibt, sie habe verkauft, nicht aussortieren. Schlimmer als falsch verwendete Begriffe sind falsch geschriebene: Laumer sagt, dass der Algorithmus oft gar nicht wisse, was der Satz mit einem falsch geschriebenen Wort bedeute. Soll ich eher ausführlicher oder eher knapper schreiben? "Unsere Software kann in einer Minute 8000 Bücher lesen", sagt Semet über die selbst lernende IBM-Software. Es spiele für den Algorithmus demnach keine Rolle, wie lang die Bewerbung sei. Theoretisch könnte sich ein Bewerber also in seinem Schreiben sehr ausführlich vorstellen. Jede Information, die in der Bewerbung steht, könnte ja ein Einstellungsgrund sein. Laumer sieht jedoch ein Problem bei langen Bewerbungen: Irgendwann könnten sie dann eben doch auf dem Tisch eines menschlichen Personalers liegen, dessen Geduld und Aufmerksamkeit begrenzt ist. Deswegen rät er trotz Algorithmen zu möglichst kurzen Bewerbungen. Was muss ich tun, damit mich ein Algorithmus einer Firma vorschlägt? Aussieben müssen nur Unternehmen, die zu viele Bewerber haben. Die, die zu wenige haben, müssen sich ihre Bewerber aktiv suchen. Das macht derzeit laut der Studie der Universitäten Bamberg und Erlangen-Nürnberg jedes zehnte Top-Unternehmen. Wer von solchen Firmen Stellenangebote haben möchte, braucht einen "digitalen Fußabdruck", sagt Semet. Vor allem auf den Online-Karrierenetzwerken Xing und Linkedin solle man präsent sein. Laumer rät Bewerbern, sich beim Ausfüllen des eigenen Profils auf den Netzwerken immer zu fragen: "Mit welchen Begriffen würde ein Unternehmen suchen?" Diese Begriffe gehörten dann auch in die Profile in den Karrierenetzwerken. | Zunehmend wählen große Firmen ihre Bewerber mithilfe von Algorithmen aus. Viele Menschen, die einen Job suchen, wissen nicht, wie sie sich darauf einstellen sollen und wie man davon profitiert. Die wichtigsten Fragen und Antworten. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/bewerben-wenn-der-computer-nein-sagt-1.4240087 | Wenn der Computer Nein sagt | 00/12/2018 |
Wenn typisch menschliches Vorgehen bedeuten sollte, sich von Vorurteilen leiten zu lassen und Ressourcen zu verschwenden, könnte man eigentlich ganz gut darauf verzichten. Tatsächlich diskriminieren menschliche Personaler Muslime und Schwarze, haben Forscher des Wissenschaftszentrums für Sozialforschung in Berlin herausgefunden. Und sie benötigen viel Zeit, aus einer großen Zahl von Bewerbungsschreiben die auszusortieren, die gar nicht zur Firma passen. Algorithmen können Personalern diese Arbeit abnehmen und weniger ausgrenzen - sie können aber auch besonders diskriminierend sein. Denn sie werden normalerweise an den Profilen der bisherigen Mitarbeiter trainiert. Wenn man den Algorithmus also mit den Profilen der bisherigen Mitarbeiter "füttert", anhand derer er dann neue Mitarbeiter suchen soll, sind die von der Maschine gefundenen Mitarbeiter so wie die alten. In dem Fall kann der Algorithmus Bewerber benachteiligen, die sich zu stark von der vorhandenen Belegschaft im Unternehmen unterscheiden. Bei Amazon ist das passiert: Ein Algorithmus hat dort Männer gegenüber Frauen mit gleicher Qualifikation bevorzugt. Bei Amazon arbeiten vorwiegend Männer, der Algorithmus wurde also größtenteils an Männern geschult. Er speicherte die Eigenschaft männlich als positiv ein. Weiblich zu sein, war eine neutrale Eigenschaft. Und so hatten männliche Bewerber immer Vorteile bei dem Algorithmus. Er ist aber laut Amazon nie eingesetzt worden. Dass Algorithmen im großen Stil Bewerber diskriminieren können, sei ein Risiko für das Gemeinwohl, sagt Tobias Knobloch von der Stiftung Neue Verantwortung, der die Auswirkungen von Algorithmen auf das Gemeinwohl erforscht. Ein Algorithmus, der sich das Diskriminieren einmal beigebracht hat, höre auch von selbst nicht mehr damit auf. Und Diversität sei nicht nur wegen der Fairness wichtig, ein Unternehmen habe damit normalerweise auch mehr Erfolg. Personaler müssten ihre Algorithmen anhand vieler verschiedener Profile schulen. Nur so sei Diversität langfristig garantiert. Sven Semet von der IT-Firma IBM sagt, man könne einen Algorithmus auch einfach anpassen, damit dieser Geschlecht, Hautfarbe und Religion der Bewerber ignoriere. Algorithmen sind also nicht immer fair, sie könnten es aber sein. "Die schlimmste Blackbox ist der menschliche Kopf." Auch die Bewerberauswahl sei laut Knobloch mit Algorithmen erst mal schwieriger nachzuvollziehen. Denn welcher Betriebsrat versteht schon die Zahlencodes, nach denen Algorithmen handeln? Wenn aber IT-ler in den Betriebsräten sitzen, könne Diskriminierung von Bewerbern leichter entlarvt werden. Der Betriebsrat darf laut Gesetz einsehen, warum der eine Bewerber eingestellt und der andere abgelehnt wurde. Wenn ein menschlicher Personaler eine Bewerberin wegen ihres Kopftuchs ablehnt, dürfte ihm schnell eine nicht diskriminierende Ausrede für sein Handeln einfallen. "Die schlimmste Blackbox ist der menschliche Kopf", sagt Knobloch. Algorithmen hingegen sind ehrlich. Wer ihre Zahlencodes lesen kann, weiß, wieso sie wann zu welchem Ergebnis gekommen sind. Aber ist diese neue Personalauswahl nicht der Gipfel der Leistungsgesellschaft, auf dem Algorithmen Bewerbern eine Liste von Voraussetzungen vorgeben, die es im Arbeitsleben abzuarbeiten gilt, um an den Traumjob zu kommen? Man müsse schon aufpassen, dass mit Algorithmen die Menschlichkeit nicht verloren gehe, sagt Knobloch. Er kann sich aber auch eine "Hochtechnologie und Hochmenschlichkeit" mit den Algorithmen vorstellen: Denn wenn Personaler weniger Zeit mit dem Aussortieren von Bewerbungen verbringen, könnten sie sich besser auf die persönlichen Gespräche mit den Bewerbern konzentrieren. Und vollautomatisiert würde die Auswahl von Bewerbern ohnehin nicht. Denn laut der Datenschutzgrundverordnung dürfen Maschinen alleine keine Entscheidungen treffen, die für Menschen zentral sind. | Algorithmen können in Unternehmen gerechte Personalentscheidungen ermöglichen - oder sie grenzen erst recht aus. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/diskriminierung-die-berechnete-gesellschaft-1.4240089 | Die berechnete Gesellschaft | 00/12/2018 |
Die Aussicht auf eine langsame Abkehr der Europäischen Zentralbank von ihrer ultralockeren Geldpolitik hat den Euro am Mittwoch gestützt. Die Gemeinschaftswährung legte zeitweise auf 1,1361 Dollar zu, am Vorabend hatte sie 1,1344 Dollar gekostet. Nach Jahren des ultrabilligen Geldes stellte die EZB Insidern zufolge die Weichen für eine Zinswende. Zudem schwächten die Sorgen der Anleger vor einer Rezession in den USA den Dollar auch zu anderen wichtigen Devisen. Vor allem der Zollstreit zwischen den USA und China könnte den momentanen wirtschaftlichen Aufschwung abwürgen, erklärten Experten. Am Markt für Edelmetalle eilte der Palladiumpreis von einem Rekord zum nächsten. Das in Katalysatoren für Benzinmotoren eingesetzte Metall verteuerte sich bis auf 1260 Dollar je Feinunze und kostete damit gut 20 Dollar mehr als Gold. Am Dienstag hatte der Preis für Palladium den von Gold erstmals seit Herbst 2002 kurzzeitig überflügelt. Der Preis von Platin fiel bereits vor gut einem Jahr hinter dem für Palladium zurück. Platin, das für Diesel-Katalysatoren öfters benötigt wird, kostete am Mittwoch 799,80 Dollar. Experten der Commerzbank machten Geschäfte spekulativ orientierter Anleger für die Entwicklung verantwortlich und erwarteten mittelfristig eine Annäherung der beiden Preise. Am Staatsanleihenmarkt erfreuten sich Bundespapiere einer verstärkten Nachfrage. Entsprechend sanken die Renditen. Die 0,3-Prozent-Marke stellte kein Hindernis für deutsche Titel mit einer Laufzeit von zehn Jahren dar. Zeitweise rentierten sie nur noch bei 0,24 Prozent. Der Grund für die Beliebtheit der Bundesanleihen ist die Suche der Anleger nach sicheren Anlagen. Trotz steigender US-Lagerbestände zogen die Ölpreise weiter an. Ein Fass der Sorte Brent kostete zuletzt mit 63,23 Dollar 1,9 Prozent mehr. Insidern zufolge will Saudi-Arabien Russland zu einer gemeinsamen kräftigen Senkung der Ölproduktion im nächsten Jahr bewegen. | Die Hoffnung auf eine Abkehr von der seit Jahren andauernden Niedrigzinspolitik im Euro-Raum stützt die Gemeinschaftswährung. Deutsche Bundesanleihen sind als sichere Anlage bei den Investoren beliebt. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/anleihen-devisen-rohstoffe-euro-leicht-im-plus-1.4239898 | Anleihen, Devisen, Rohstoffe - Euro leicht im Plus | 00/12/2018 |
Immer wieder hatten die deutschen Automanager betont: Diese recht überhastete Ausfahrt nach Washington sei nur ein Arbeitstreffen. Und wenn man auf den Twitter-Account des US-Präsidenten Donald Trump schaut, trifft das zu: Entgegen seinen Gepflogenheiten hat er von seinem Gespräch am Dienstag nichts getwittert. Kein Händedruck-Foto, kein raunziger Kommentar. Nur Stille. Das klingt tatsächlich nach Arbeitstreffen. Ist das nun gut oder schlecht? Im Autoland Deutschland gibt man sich überwiegend zufrieden. Daimler-Chef Dieter Zetsche glaubt sogar, die Gespräche hätten die "potenzielle Bedrohung" durch neue US-Importzölle reduziert. "Ich denke, wir haben einen großen Schritt vorwärts gemacht, um die Zölle zu vermeiden", sagt auch VW-Chef Herbert Diess. Gemeinsam mit BMW-Finanzchef Nicolas Peter waren sie am Dienstag in die USA geflogen. Die Gesprächspartner, der Ablauf des Treffens wie auch der Erwartungshorizont der Einladenden - all das war lange unklar. Über das wichtigste, weil folgenreichste Thema, eben die Zölle, konnten die Deutschen indes kaum reden, weil sie dazu auch keine Entscheidungsbefugnis haben. Das sei der US-Regierung auch klar gewesen, heißt es am Tag danach aus den drei deutschen Konzernen, die erst zu Einzelgesprächen mit US-Handelminister Wilbur Ross geladen waren - um dann spontan eine halbe Stunde mit US-Präsident Trump zusammenzutreffen. Das Unbehagen der USA über die derzeitigen Zölle sei "nachvollziehbar", heißt es von VW: 2,5 Prozent Aufschlag verlangen die Vereinigten Staaten derzeit für den Import europäischer Wagen, andersherum sind es zehn Prozent. Allerdings sind diese Quoten Teil komplizierter Zollvereinbarungen, die weit über die Autobranche hinausgehen. Volkswagen jedenfalls kam den Amerikanern offenbar am weitesten entgegen: Man könnte mit Ford in den USA Fabrikkapazitäten teilen und vielleicht gemeinsam Elektroautos auf VW-Plattformen bauen, ist zu hören; Ford wiederum könnte seine Expertise bei Roboterauto-Techniken mit VW teilen. Ein gesellschaftsrechtliches Zusammengehen von Ford und VW ist allerdings nicht geplant. Eher vage scheinen indes die Daimler-Vertreter geblieben zu sein; BMW erzählte von seinem sowieso geplantem Ausbau des US-Werkes in Spartanburg. Die deutschen Manager versuchten dabei auch zu erklären: So einfach lassen sich Fabriken nicht verlagern. Insofern seien die Gespräche mit Trump und seinen Wirtschaftsentscheidern "sinnvoll" gewesen, heißt es. Und alle beteuern hernach: Um "Weltpolitik" sei es nicht gegangen. Dafür sei ja die Politik zuständig, die nun weitermachen müsse. Das Verhandlungsmandat für Zölle liegt bei der Europäischen Union. Gerade in Brüssel war man deshalb verstimmt über die Reise der Firmenvertreter. Wie es aus der EU-Kommission heißt, werde Handelskommissarin Cecilia Malmström am Freitag bei der Tagung des europäischen Autolobbyverbandes womöglich mit den Autobossen über ihre Reise sprechen. Und über die Herausforderungen der Autoindustrie in den USA und im Rest der Welt. Die sind enorm, die internationalen Handelskonflikte schlagen längst auf das Geschäft durch, erklärte Bernhard Mattes, oberster deutscher Autolobbyist, am Mittwoch. Der Streit zwischen China und den USA zeige, wie viel dabei auf dem Spiel steht. Der Export deutscher Konzerne von Autos aus US-Werken nach China sei in den ersten zehn Monaten dieses Jahres um ein Drittel eingebrochen. Zugleich stagniere der Auto-Weltmarkt. Wie im Vorjahr würden in diesem Jahr etwa 85 Millionen Wagen verkauft, im nächsten Jahr soll der Markt um etwa ein Prozent steigen - allerdings auch nur, wenn nicht neue Strafzölle den Handel erschweren. Mit dieser Lagebeschreibung haben die Manager das Thema bei ihrem Treffen in Washington übrigens doch eingebracht: Durch Zölle werde der Autoexport aus den USA teurer und unrentabler, das erklärten die BMW-Vertreter wohl - und dass dies auch Amerika schade. Denn die deutsche Autoindustrie ist mit ihren Werken dort führend beim Export. Noch. | Nach ihrem spontanen Ausflug nach Washington zu US-Präsident Donald Trump geben sich die deutschen Autokonzerne vorsichtig optimistisch. Allerdings steht nun ein unangenehmes Treffen mit der EU-Kommission an. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/auto-industrie-immerhin-kein-tweet-1.4240064 | Auto-Industrie - Immerhin kein Tweet | 00/12/2018 |
Takeda, der größte Pharmakonzern Asiens, übernimmt für 54 Milliarden Euro den irischen Medikamentenhersteller Shire. Gegen den Widerstand früherer Takeda-Manager und der Gründerfamilie stimmte am Mittwoch eine außerordentliche Hauptversammlung in Osaka dem bisher teuersten Kauf einer ausländischen Firma durch eine japanische Firma zu. Der Deal soll bis 8. Januar vollzogen werden. Neben dem hohen Preis und mangelnder Transparenz ist es diese Eile, die die Kritiker Konzernchef Christophe Weber vorwerfen. Der Franzose, nach dem Sturz von Renault-Nissan-Chef Carlos Ghosn der letzte prominente ausländische Firmenchef in Japan, fahre "rücksichtslos und zu schnell, er versteht nicht, dass seine Passagiere Angst haben", sagt Shigeru Mishima, ein Sprecher der Übernahmegegner. "Wir sind nicht gegen Globalisierung, Übernahmen sind nötig", so Kazuhisa Takeda von der Gründerfamilie: "Aber Shire ist nicht die Antwort auf die Schwäche unserer Entwicklungs-Pipeline. Takeda wird künftig nicht mehr in der Lage sein, jährlich 180 Yen Dividende zu zahlen. Und die Schulden werden viel zu hoch." Die Börse scheint ihm Recht zu geben. Seit der Ankündigung der Übernahme im März hat die Takeda-Aktie um 28 Prozent nachgegeben. Die Shire-Papiere dagegen legten 50 Prozent zu. Takeda will für die Übernahme Kredite über 34 Milliarden Euro aufnehmen. Zudem will die in Osaka beheimatete Traditionsfirma Kosten sparen, Nebenwerte abstoßen und neue Aktien im Wert von 28 Milliarden Euro ausgeben. "Die künftigen Aktionäre werden zu 70 Prozent ausländisch sein, das ist keine japanische Firma mehr", so Kazuhisa Takeda. Shires wichtigstes Produkt ist "Advate", ein Medikament gegen Hämophilie, eine Erbkrankheit, bei der das Blut nicht gerinnt. Bisher beherrscht Shire diesen Markt. Doch demnächst wird Roche aus der Schweiz mit "Hemlibra" ein neues Bluter-Medikament einführen, das Advate überlegen ist. Der ursprünglich vereinbarte Preis, zu dem Takeda Shire übernehmen wollte, wurde deshalb reduziert. Kritiker werfen Weber vor, Shire nicht sorgfältig geprüft zu haben. Japanische Übernahmen im Ausland scheitern oft an schlampiger Due-Diligence. Der Elektronikriese Toshiba ist daran zerbrochen. Doch Banken und Analysten in Tokio begrüßen den Deal. "Ja jene, die selber involviert sind und daran verdienen", so Mishima. Mit Takeda und Shire prallen unterschiedliche Kulturen aufeinander. Takeda wurde 1781 gegründet, die Firma ist - auch mit Übernahmen - sachte, aber stetig gewachsen. Aber die erst 32 Jahre Shire sei "keine organisch gewachsene Firma", so Mishima, sondern "ein Konglomerat zusammengekaufter Firmen. Da stecken viele Risiken in den Büchern". | Der Pharmakonzern Takeda kauft eine irische Firma - das löst eine Kulturdebatte aus. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/japan-umstrittene-uebernahme-1.4239900 | Umstrittene Übernahme | 00/12/2018 |
Die Digitalisierung geht auch an der Rentenversicherung nicht spurlos vorbei. Dieses Jahr hätten sie gut 300 000 E-Mail-Anfragen beantwortet, sagte die Vorstandsvorsitzende der Deutschen Rentenversicherung Bund, Dagmar König, am Mittwoch. Das sei eine Verdreifachung gegenüber 2010. Viele Anfragen erreichten sie inzwischen auch über Facebook, wo die Rentenversicherung einen eigenen Auftritt hat. Die Möglichkeit, mit den Rentenexperten per Chat in Kontakt zu treten, werde verstärkt genutzt. Auch der Internetauftritt der Rentenversicherung verzeichne im Monat rund 29 Millionen Seitenzugriffe. Besonders viel Beratungsbedarf gibt es offenbar zur Rente mit 63. | Mehrere Hunderttausend E-Mail-Anfragen hat die Rentenversicherung dieses Jahr beantwortet, immer mehr Menschen kommen über Facebook. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/digitalisierung-informationen-zur-rente-via-facebook-chat-1.4240696 | Informationen zur Rente via Facebook-Chat | 00/12/2018 |
Michael Rüdiger, 54, war im Jahr 1996 zum ersten Mal Bankvorstand: beim Vorgänger der heutigen UBS in Deutschland. Nach Stationen bei Allianz und Credit Suisse kam er zur Deka. Die Deka-Bank verliert überraschend ihren Vorstandschef Michael Rüdiger. Der 54-Jährige werde im kommenden Jahr vorzeitig sein Amt niederlegen, teilte das Spitzeninstitut der Sparkassen am Mittwoch mit. Er trete auf eigenen Wunsch und aus Gründen der persönlichen Lebensplanung zurück, hieß es in einer von der Bank verschickten Mitteilung. "Viele von Ihnen kennen mich persönlich, und Sie ahnen, dass ich diesen Schritt nur schweren Herzens vollziehe", schrieb Rüdiger in einer internen Mitteilung. Er habe tatsächlich aus freien Stücken beschlossen, aufzuhören, hieß es im Umfeld der Bank; andere private Gründe hätten bei der Entscheidung nicht im Vordergrund gestanden. | Michael Rüdiger, Chef des Fondsdienstleisters Deka, hat unerwartet seinen Rückzug angekündigt, er begründet ihn persönlich. Sein Abgang sorgt am Finanzplatz Frankfurt und bei den Sparkassen für Erstaunen. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/deka-michael-ruediger-rueckzug-1.4240085 | Sparkasse - Aufhören, wenn's am Schönsten ist | 00/12/2018 |
Gesundheitsminister Spahn will Pflegeschulen im Ausland aufbauen, um mehr Fachkräfte nach Deutschland zu lotsen. Anders als vermutet sind die Standards von Ausbildung und Tätigkeit in Deutschland oft viel zu niedrig. Die Altenheime der Republik sind unterbesetzt. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) weiß Rat: Für die Zukunft stellt er sich deutsche Pflegeschulen im Ausland vor, die dort Menschen nach deutschen Standards ausbilden sollen. In ihrem Heimatland könnten die neuen Pflegefachkräfte bereits Deutsch lernen - um dann hier in den Pflegeheimen die personellen Löcher zu stopfen. "Idealerweise sollen sie dann mit Ende der Ausbildung in Deutschland ihre Arbeit starten können", sagte Spahn der Rheinischen Post. Als mögliche Länder für eine Kooperation nannte er Kosovo, Mazedonien, die Philippinen und Kuba. In Deutschland ist die akademische Ausbildung nicht der Standard Neun Millionen Euro will Spahn in ausländische Pflegeschulen investieren. Der Präsident des Bundesverbands privater Anbieter sozialer Dienste, also der Altenheimbetreiber, Bernd Meurer, freute sich darüber: "Wer pflegebedürftigen Menschen eine verlässliche Unterstützung sichern will, muss jede Möglichkeit nutzen, Deutschland attraktiv auch für ausländische Fachkräfte zu machen", sagte er. Doch anders als der Vorschlag vermuten lässt, sind die deutschen Pflegeheime für Krankenpfleger aus dem Ausland alles andere als attraktiv. Denn die Ausbildung deutscher Pflegekräfte unterscheidet sich deutlich von der vieler anderer Staaten: Sie ist hierzulande weniger anspruchsvoll. "Deutschland gehört zu den wenigen Ländern, in denen die akademische Ausbildung für Pflegekräfte nicht der Standard ist", sagt Johanna Knüppel vom Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe. Das führe dazu, dass sich Pfleger aus dem Ausland hier bisher nicht selten unterfordert fühlten. "Pflegekräfte aus Spanien waren beispielsweise fassungslos, welche Tätigkeiten man ihnen in deutschen Altenheimen zumutete. Das waren Tätigkeiten, die noch unterhalb von Helfertätigkeiten in ihrem eigenen Land lagen", sagt Knüppel. Medizinische Aufgaben, für die Pflegekräfte an ausländischen Universitäten ausgebildet werden, übernehmen in Deutschland eher die Ärzte. Und im Ausland sind es entweder Helfer oder Familienmitglieder, die den Pflegebedürftigen beim Waschen und Anziehen helfen. Die pflegepolitische Sprecherin der Grünen, Kordula Schulz-Asche, sieht die Idee der Pflegeschulen im Ausland wegen dieser großen Unterschiede kritisch. Es sei "fraglich, inwieweit Fachkräfte dort für die Langzeitpflege, insbesondere für die Pflege älterer Menschen, ausgebildet werden", sagt sie. Außerdem sieht Schulz-Asche ein weiteres Problem bei der Anwerbung von Krankenhauspersonal aus dem Ausland. Denn nicht nur in Deutschland gibt es einen Personalmangel im Gesundheitswesen, sondern weltweit: "Wir brauchen eine Zuwanderung von Pflegefachkräften, aber ohne den Partnerländern die dort notwendigen Fachkräfte zu entziehen", sagt sie. In Deutschland sind für die Ausbildung von Pflegerinnen und Pflegern nach wie vor Schulen und bislang fast keine Universitäten zuständig. Im vergangenen Jahr hat der Bundestag zwar die Ausbildung der Pfleger reformiert. Künftig sollen alle Auszubildenden zwei Jahre lang gemeinsam lernen, um dann, im dritten Jahr, einen Schwerpunkt zu wählen. Zum Schluss sind sie dann entweder Pflegefachmann oder -frau, Altenpfleger oder Kinderkrankenpfleger. Doch auch in Zukunft bleiben die Unterschiede zwischen deutschem Pflegepersonal und dem anderer europäischer Länder bestehen. Deutsche Altenpfleger werden beispielsweise mit ihren neuen Abschlüssen nicht automatisch im europäischen Ausland arbeiten können. Wenn die neue Pflegeausbildung in rund einem Jahr startet, soll sie trotzdem ein erster Schritt sein, um den Pflegeberuf aufzuwerten. Denn nur, wenn der Wert des Berufsbildes höher werde, argumentieren viele Experten, stiegen auch die Löhne und die Lust junger Menschen, sich um Alte und Kranke zu kümmern. Oft kämpfen Kliniken und Pfleger monatelang mit Ämtern, bis diese Arbeitszeugnisse anerkennen Auf die Pflegeschulen kommen durch die neuen Lehrpläne, die neuen Materialien und die Fortbildungen der Lehrer nun Kosten von knapp 400 Millionen Euro zu, sagt Elisabeth Fix vom der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege. Kosten, für die die Träger der Schulen Unterstützung fordern. Doch das Gesundheitsministerium sieht sich hier - anders als bei den Pflegeschulen im Ausland - nicht in der Pflicht: "Die Unterstützung der Umsetzung der Pflegeberufereform, etwa in Form einer sogenannten Anschubfinanzierung, liegt in der Verantwortung der Länder", heißt es von der Gesundheitsstaatssekretärin Sabine Weiss. Doch auch die Bundesländer, sagt Fix, hätten "bislang keine Finanzierung zugesichert". Und so blickt sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn derzeit ins Ausland um, während die heimischen Schulen noch mit ihrer Ausbildung hadern. Die Pflegedirektorin der Berliner Charité, Judith Heepe, die bereits seit mehreren Jahren Pfleger aus Ländern außerhalb Europas anwirbt, beklagt im Übrigen ein Problem, das bisher keine Pflegeschule im In- oder Ausland beheben kann: die großen Hürden der Bürokratie in der zuständigen Landesbehörde und in der Arbeitsagentur. Monatelang kämpften Kliniken und Pfleger mit den deutschen Ämtern, bis deren Arbeitszeugnisse und Dokumente endlich anerkannt seien. Solche Schwierigkeiten soll künftig ein Gesetz zur Fachkräfteeinwanderung lösen - entworfen worden ist es aber nicht in Spahns Haus, sondern von seinen Kabinettskollegen im Innen-, Wirtschafts- und Arbeitsministerium. | Gesundheitsminister Spahn will Pflegeschulen im Ausland aufbauen, um mehr Fachkräfte nach Deutschland zu lotsen. Anders als vermutet sind die Standards von Ausbildung und Tätigkeit in Deutschland oft viel zu niedrig. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/pflege-eine-frage-des-niveaus-1.4240091 | Eine Frage des Niveaus | 00/12/2018 |
Gleich zu Beginn gesteht Werner Baumann, dass er überhaupt nicht glücklich sei mit der Entwicklung seiner Bayer-Aktie. Gut 66 Euro kostet das Papier noch, ein Drittel weniger als zu Jahresbeginn. "Ihre Enttäuschung ist unsere Enttäuschung", sagt der Vorstandschef, der seine Investoren zu einem Kapitalmarkttag nach London geladen hat. Wie Baumann seine Aktionäre künftig wieder beglücken will, musste der Konzern teilweise schon ad hoc am vergangenen Donnerstag mitteilen, so gewaltig ist der Umbruch: Bayer will 12 000 Stellen streichen und mehrere Geschäfte verkaufen. Hinzu kommt nun, dass der Konzern erwägt, in den nächsten Jahren eigene Aktien zurückzukaufen. "Wir schauen uns das ernsthaft an", kündigt Finanzvorstand Wolfgang Nickl an, wenngleich es noch keine konkreten Pläne gebe. Derlei Rückkäufe sind grundsätzlich umstritten, da sie die verbleibenden Anteilsscheine zwar knapper und damit tendenziell wertvoller machen. Das Unternehmen kann das Geld, mit dem es eigene Aktien kauft, freilich nicht mehr für Zukunftsinvestitionen ausgeben. Vorstandschef Baumann verteidigt vor den Investoren seinen Kurs, dass sich Bayer ganz auf Arzneimittel und die Agrochemie konzentrieren soll. "Wir sind in den richtigen Märkten", sagt der 56-Jährige. Der Leverkusener Konzern hat im Frühjahr den Saatgutkonzern Monsanto übernommen, für mehr als 50 Milliarden Euro. Doch haben in den USA gut 9000 Menschen die neue Bayer-Tochter verklagt, weil sie nicht ausreichend vor den Risiken ihres Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat gewarnt habe. Bayer verweist hingegen auf viele Studien und amtliche Prüfungen, wonach der Wirkstoff bei sachgerechter Anwendung sicher sei. "Wir stehen fest hinter dem Produkt", sagt Baumann. Wenn der Konzern nun seine Geschäfte mit Tiermedizin, Sonnenschutz und Fußpflege sowie seine Beteiligung am Dienstleister Currenta verkaufen will, wolle man die Einnahmen nutzen, um Schulden abzubauen, höhere Dividenden zu zahlen oder Aktien rückzukaufen und in Innovationen zu investieren, kündigt Finanzchef Nickl an. Der Umsatz solle Jahr für Jahr um vier Prozent steigen, der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen gar um neun Prozent. An der Börse gewann Bayer am Mittwoch zeitweise zwei Prozent an Wert. | Der Leverkusener Konzern hat an der Börse stark an Wert verloren. Wie Bayer die Investoren künftig wieder erfreuen will. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/chemie-und-pharmakonzern-bayer-erwaegt-aktienrueckkauf-1.4240097 | Chemie- und Pharmakonzern - Bayer erwägt Aktienrückkauf | 00/12/2018 |
Bis Ende des Jahres können Verbraucher noch einiges erledigen, um Geld zu sparen. Was VW-Diesel-Fahrer, iPhone-Besitzer, Immobilien-Finanzierer, Riester-Sparer und Solaranlagen-Betreiber in diesem Jahr noch machen sollten, um kein Geld zu verschwenden. Sich der Musterfeststellungsklage gegen VW anschließen Viele Ansprüche von Dieselfahrern gegenüber Volkswagen gelten nur noch bis zum Ende des Jahres. Besitzer eines Dieselautos mit EA189-Motor aus dem VW-Konzern, die noch nichts unternommen haben, sollten sich der großen Musterklage des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (VZBV) anschließen. Das kostet nichts und birgt keine Risiken. Dieselfahrer sollten sich zunächst durch den Klage-Check klicken, den der VZBV online anbietet. Dann erhalten sie eine Einschätzung von dem Programm, ob sie sich in ihrer Situation lohnt, sich der Musterfeststellungsklage anzuschließen. Den iPhone-Akku für 29 Euro erneuern lassen Besitzer eines iPhones mit schwacher Batterie können sich nur noch im Dezember den Akku der meisten Modelle für 29 Euro erneuern lassen. Mit dem Jahreswechsel wird der Preis dafür mindestens auf 49 Euro steigen. Die Termine bei Apple und autorisierten Händlern sind allerdings knapp. Betroffene müssen mit zwei, drei Wochen Wartezeit rechnen. Deswegen sollten Apple-Kunden einfach ohne Termin hingehen. Wer sein iPhone bei Apple einschickt, bekommt es erfahrungsgemäß schneller zurück - muss aber auch eine Versandpauschale von gut 12 Euro zahlen. Den Baukredit tilgen Wer einen Immobilienkredit aufgenommen hat, sollte prüfen, ob dieser bis Ende des Jahres noch mit einer Sondertilgung abbezahlt werden kann. Meist ist das ganz einfach möglich durch eine Überweisung auf das Kreditkonto mit dem Zweck "Sondertilgung". Mit Sondertilgungen kann man viel Geld sparen: Je schneller man den Baukredit abzahlt, desto weniger Zinsen fallen an. Riester-Zulagen sichern Wer im vergangenen Jahr den Job gewechselt oder eine Gehaltserhöhung bekommen hat, sollte bis zum Jahresende noch Beiträge nachzahlen, um danach die vollen staatlichen Zulagen zu erhalten. Vier Prozent des Vorjahresbrutto sollten aus Beiträgen und Zulagen zusammenkommen. Es sei denn, das ist schon so viel, dass der Rieser-Sparer den geförderten Höchstsatz von 2100 Euro erreicht. Förderung für Solar-Speicher Damit sich die Anschaffung eines Batteriespeichers für Solaranlagen-Betreiber auch lohnt, hat die Bundesregierung das Förderprogramm 275 aufgelegt. Wegen des Programms haben Verbraucher 2017 im Schnitt rund 2100 Euro von der staatlichen KfW-Bankengruppe dazubekommen. Um die Förderung zu nutzen, muss ein Angebot für einen Speicher oder auch für Speicher und Solaranlage zusammen eingeholt werden. Damit wendet man sich an seine Bank. Diese beantragt den Kredit bei der KfW. Ist der Antrag bewilligt, kann der Verbraucher den Kredit bei seiner Hausbank abschließen und das System kaufen und installieren lassen. Das Programm läuft nur noch bis Ende 2018. | Wer ein paar Dinge beachtet, kann 2018 noch Geld sparen oder Ansprüche sichern. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/sparen-tipps-jahreswechsel-1.4239851 | Tipps zum Sparen bis Ende 2018 | 00/12/2018 |
Die mittlerweile geschlossene Anwaltskanzlei Mossack Fonseca steht im Mittelpunkt des Steuerhinterziehungsskandals, den die Panama Papers aufgedeckt haben (im Bild das Hauptquartier in Panama-Stadt). In den USA sind in Zusammenhang mit den Panama Papers vier Personen wegen ihrer mutmaßlichen Beteiligung an Steuerhinterziehung angeklagt worden. Darunter seien auch zwei Deutsche, teilten die US-Ermittler mit. Bei den Beschuldigten handle es sich um Angestellte und Kunden der Anwaltskanzlei Mossack Fonseca, die im Mittelpunkt des Skandals steht und in diesem Jahr geschlossen wurde. Den Angeklagten drohen bis zu 20 Jahre Haft. Es ist das erste Mal, dass ein Fall in Zusammenhang mit den Panama Papers in den USA vor Gericht kommt. In der Anklageschrift heißt es, zwei der Verdächtigen - ein 50-jähriger Mann aus Panama und ein 54-jähriger Deutscher - hätten Klienten der Kanzlei mit Briefkastenfirmen und Stiftungen dazu verholfen, ihr Vermögen und Einkommen vor den US-Behörden zu verstecken. Bei einem ihrer Kunden handle es sich um einen 81-jährigen Deutschen, der ebenfalls angeklagt wurde. Der vierte Verdächtige ist ein 74-jähriger US-Bürger. Erst in der vergangenen Woche waren Büros der Deutschen Bank durchsucht worden. Deutschlands größtes Geldhaus ist wegen des Verdachts der Geldwäsche im Zusammenhang mit den sogenannten Panama Papers ins Visier der Staatsanwaltschaft geraten. Die Ermittler gehen dem Verdacht nach, dass Mitarbeiter der Deutschen Bank Kunden geholfen haben, Offshore-Gesellschaften in Steuerparadiesen zu gründen. Dabei soll Geld aus Straftaten auf Konten der Deutschen Bank transferiert worden sein, ohne dass das Institut Geldwäscheverdachtsanzeigen erstattet hat. Zur Themenseite Panama Papers der Süddeutschen Zeitung gelangen Sie hier. | Bei den Verdächtigen handelt es sich um Angestellte und Kunden der Anwaltskanzlei Mossack Fonseca. Es ist das erste Mal, dass in Zusammenhang mit den Panama Papers ein Fall in den USA vor Gericht kommt. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/steuerhinterziehung-panama-papers-zwei-deutsche-in-den-usa-angeklagt-1.4239820 | Panama Papers: Zwei Deutsche in den USA angeklagt | 00/12/2018 |
Wenn sie gekommen waren, um sich die zwei Gesichter des Donald Trump einmal aus der Nähe anzusehen, dann hat sich der Ausflug nach Washington für Herbert Diess, Dieter Zetsche und Nicolas Peter auf jeden Fall gelohnt. Am Dienstagmittag reichte zunächst ein Blick aufs Handy, um die eine, die bekanntere, Seite des US-Präsidenten zu erleben: "Ich bin ein Mann der Zölle", schrieb er im Kurzmitteilungsdienst Twitter. Wer in die USA komme, um sie zu "plündern", werde mit Einfuhrabgaben bestraft. Sie seien "immer der beste Weg, um unsere wirtschaftliche Macht zu maximieren". Zwar bezogen sich Trumps Aussagen auf China, aber Diess, Zetsche und Peter, die Chefs von VW und Daimler und der Finanzvorstand von BMW, wissen natürlich, dass auch die europäische Autoindustrie unter verschärfter Beobachtung des "Zoll-Mannes" steht. Kurz darauf jedoch sollten die drei deutschen Topmanager den Krawall-Präsidenten auch von einer anderen, gesprächsbereiteren Seite kennenlernen - und das sogar höchstpersönlich. Richtig viel schlauer allerdings waren sie nach dem kurzen Treffen im Weißen Haus offenbar nicht. Diess sagte vor Journalisten, er glaube, dass man bei der Unterredung mit Trump einen Schritt nach vorne gemacht habe. Auch Zetsche äußerte die Hoffnung, dass sich Zölle vermeiden lassen werden. Diess bekräftigte zudem, dass VW an einer Allianz mit dem US-Autobauer Ford arbeite und über den Bau eines zweiten US-Werks nachdenke. BMW erklärte in einer schriftlichen Stellungnahme, man habe dem Präsidenten den Umfang der eigenen Aktivitäten in den USA deutlich gemacht und ihm die "Erfolgsstory" des Werks in Spartanburg geschildert. "Freier Handel hat diese Erfolgsstory erst möglich gemacht", hieß es. Trump droht seit Monaten damit, eine zusätzliche Abgabe von 25 Prozent auf die Lieferung von Autos und Autoteilen aus Europa einzuführen. Grund ist das hohe Handelsbilanzdefizit seines Landes mit der EU. Dass er nun Topmanager betroffener ausländischer Unternehmen im Weißen Haus empfängt, ist durchaus ungewöhnlich und zeigt, dass er sich in der Zollfrage entgegen manch anderslautender Berichte offenbar noch nicht endgültig entschieden hat. Diess, Zetsche und Peter waren zuvor einzeln jeweils rund 45 Minuten mit mehreren führenden US-Regierungsvertretern zusammengetroffen. Angekündigt waren Wirtschaftsminister Wilbur Ross, Trumps oberster Wirtschaftsberater Larry Kudlow und der Handelsbeauftragte Robert Lighthizer. Grund für die Einzelgespräche waren unter anderem Bedenken, es könne sonst Kartellvorwürfe gegen die Konzerne geben. Anschließend gab es nach Angaben aus Teilnehmerkreisen ein gemeinsames Treffen aller Beteiligten, dem "ohne Vorwarnung" eine 30-minütige Unterredung sowie ein Fototermin mit Trump folgten. Der Besuch der Manager war umstritten Der Besuch der Manager in Washington war durchaus umstritten, da für Handels- und Zollgespräche mit den USA allein die EU-Kommission zuständig ist. In Brüssel und Berlin fürchtet man, dass Trump die Manager womöglich nur eingeladen hat, um sie gegen die Bundesregierung und die Kommission in Stellung zu bringen. Wirtschaftsminister Ross hatte die deutschen Autobauer vor Beginn der Treffen aufgefordert, mehr Wagen als bisher in den Vereinigten Staaten zu bauen. Die Unternehmen produzierten in ihren US-Werken allesamt an der Kapazitätsgrenze. Anstatt jedoch die Fabriken auszubauen, würden Pkw und Pkw-Teile aus Europa importiert. Das sei ein Grund für das immense Handelsdefizit der USA mit Europa: Rund 30 Milliarden des gesamten Fehlbetrags von 65 Milliarden Dollar gingen auf die Automobilindustrie zurück. Das sei neben China die größte handelspolitische Herausforderung der Amerikaner. "Wenn wir das Problem der Autos, der Autoteile und das mit China nicht angehen, werden wir nichts erreichen", sagte Ross. Trump hält die hohen Handelsdefizite seines Landes für eine Art nationale Schmach, obwohl auch US-Unternehmen - etwa durch die Auslagerung ihrer Fertigung nach China - in erheblichem Maße dazu beitragen. Ross rief die deutschen Autobauer dazu auf, neue Werke zum Bau von Elektro-Pkw vorrangig in den USA anzusiedeln. Das sei für seine Regierung von größter Bedeutung. Ross' Ministerium arbeitet seit Monaten an einem Bericht, der bewerten soll, ob die große Abhängigkeit der Vereinigten Staaten von Autoimporten die nationale Sicherheit bedroht. Die Feststellung einer solchen Bedrohung ist Voraussetzung dafür, dass Trump Zusatzzölle ohne Rücksprache mit dem Kongress verhängen kann. Der Bericht wird derzeit von anderen mit dem Thema befassten Ministerien gegengelesen und geändert. Erst danach wird er auf dem Schreibtisch des Präsidenten landen. Ross erinnerte an Trumps Zusage, dass die USA keine Zölle verhängen würden, solange die Handelsgespräche mit der EU zügig vorankämen. Der Präsident hatte allerdings zuletzt mehrfach über angeblich zu geringe Fortschritte geklagt. | Der US-Präsident twittert vor dem Treffen mit den Topmanagern von Daimler, BMW und VW noch drohende Worte. Danach sind diese wohl nicht schlauer als vorher. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/usa-manager-trump-1.4239810 | Deutsche Autobosse zu Besuch bei Trump | 00/12/2018 |
Der Euro sollte die Mitgliedstaaten einen, stattdessen spaltet er den Kontinent. Die nun geplante Reform reicht nicht aus, die EU vor der nächsten Krise zu bewahren. Vor gut einem Jahr hat Emmanuel Macron einen Reformeifer entfacht, dem sich Europa nicht entziehen konnte. In seiner flammenden Rede an der Universität Sorbonne beschwor Frankreichs Präsident nicht weniger als die Neugründung des "europäischen Vorhabens". Im Mittelpunkt seines Werbens stand die Zukunft der Wirtschafts- und Währungsunion. Macron wollte den Bürgern vor der Europawahl im kommenden Frühjahr beweisen, dass die Staatengemeinschaft die Euro-Zone sicherer und gerechter machen kann. Doch daraus wird nichts, von seinen großen Reformvorschlägen ist nicht viel übrig geblieben. Die Euro-Finanzminister verständigten sich in der Nacht zum Dienstag nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner. Ganze 16 Stunden haben sie verhandelt, doch unter dem Strich steht die Zeit in keinerlei Verhältnis zum Ertrag. Das ist nicht nur für Macron eine schlechte Nachricht, sondern für ganz Europa. Wenn der französische Präsident nächste Woche zum EU-Gipfel nach Brüssel reist, um dieses Euro-Paket im Kreis der Staats- und Regierungschefs zu beschließen, kann von einer echten Reform keine Rede sein. Es ist nicht mehr als Stückwerk. Darin finden sich kleine, durchaus richtige Schritte, die Banken sicherer machen - nur nicht das, was eine Währungsunion braucht, um der nächsten Krise zu trotzen. Die Euro-Staaten haben es versäumt, ihre Gemeinschaft in wirtschaftlich guten Zeiten auf das Schlimmste vorzubereiten. Und Deutschland hat eine historische Chance verstreichen lassen. Mit Macron hatte Kanzlerin Angela Merkel nach langer Zeit endlich wieder einen französischen Präsidenten als Partner, der die ökonomischen Defizite seines Landes mit politischem Kapital ausgleichen konnte und gewillt ist, für Europa zu kämpfen. Warum dieser Kampf dringend nötig ist, zeigt ein Blick nach Italien. Dass in Rom eine Populisten-Regierung amtiert, die auf europäische Regeln pfeift, hat zu einem guten Teil mit dem Euro zu tun. Jene Währung, die Europas Staaten noch stärker verbinden sollte, spaltet in Wahrheit den Kontinent. Weite Teile Südeuropas haben sich noch immer nicht von der Euro-Krise der Nullerjahre erholt. Eine Generation junger, arbeitsloser Europäer hat Angst, abgehängt zu bleiben. Weil die EU ihr Wohlstandsversprechen nicht mehr einlösen kann, suchen diese Menschen nach Schuldigen. Viele machen die deutsche Sparpolitik dafür verantwortlich. Das mag falsch und ungerecht sein, aber der Vorwurf bleibt unbeantwortet, solange es den Menschen nicht besser geht. Nördlich und südlich der Alpen ist man unterschiedlicher Auffassung, was gute Wirtschaftspolitik leisten kann Die für den Euro zuständigen Politiker kennen diese Sorgen, aber sie entkräften sie nicht. Sie tun das auch jetzt nicht, da in Italien eine neue Krise droht. Noch immer verdrängen die Staats- und Regierungschefs die Widersprüche innerhalb der Euro-Zone. Noch immer ignorieren sie das grundsätzliche Konstruktionsproblem ihrer Währungsunion. Vereinfacht gesagt, gibt es nördlich und südlich der Alpen eine unterschiedliche Auffassung, was eine gute Wirtschaftspolitik leisten soll. Dieser Dissens zwischen Sparen und Verschuldung - man könnte auch sagen: Investition - muss aufgelöst werden, wenn die Währung Bestand haben soll. Macron hat das offen ausgesprochen. Doch in Berlin hat das Werben des Franzosen nicht verfangen. Merkel reagierte lange gar nicht, um dann schließlich zaghaft auf Paris zuzugehen. Als Symbol dafür steht der gemeinsame Wille, ein Euro-Zonen-Budget einzuführen. Ein solcher Investitionshaushalt kann dabei helfen, dass die Lebensverhältnisse in der Euro-Zone nicht zu sehr auseinanderdriften. Doch anstatt dieses Instrument solidarischer Politik voranzutreiben, wird es in den Verhandlungstopf des nächsten EU-Gesamthaushalts geworfen. Auf Wiedervorlage im Jahr 2020. Selbst der deutsche Vorschlag, den Euro-Rettungsfonds ESM zu einem Europäischen Währungsfonds auszubauen, ist missglückt. Der Fonds bekommt zwar neue Aufgaben, aber er bräuchte weitaus mehr Befugnisse, damit Europa auf globaler Ebene unabhängiger wird. Gerade in einer Welt, in der man sich auf alte Bündnispartner nicht mehr verlassen kann, ist das unumgänglich. Schon allein aus Selbstschutz braucht es eine stabile Währungsunion - und damit einen Fonds, der nicht erst eingreift, wenn ein Land in derart schweren Turbulenzen steckt, dass es nur noch mit Milliarden gerettet werden kann. In den USA gibt es Beispiele, wie das ohne neue Transfers gelingen kann: mit Schlechtwetterfonds, die bei kleineren Krisen helfen oder einer Arbeitslosenversicherung, die Kredite bereitstellt. All diese Ideen liegen nicht erst seit Macrons Europa-Rede auf dem Tisch. Und so bleibt nach dieser Brüsseler Nachtsitzung nur eine bittere Erkenntnis: Die Euro-Staaten sind offenbar nur zu großen Reformen in der Lage, wenn sie im Angesicht der Krise stehen. Nur dann, wenn es nicht mehr anders geht, kommt es zu Entscheidungen, die den Euro wirklich stärken. Bleibt zu hoffen, dass es beim nächsten Mal nicht schon zu spät ist. | Der Euro sollte die Mitgliedstaaten einen, stattdessen spaltet er den Kontinent. Die nun geplante Reform reicht nicht aus, die EU vor der nächsten Krise zu bewahren. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/euro-eu-gipfel-reform-1.4238642 | Die EU handelt erst, wenn es fast zu spät ist | 00/12/2018 |
Schlafen, wo man hält: Die Parkplätze an Rastplätzen wie hier an der A2 sind oft überfüllt, weil die Fahrer einen Ort zum Übernachten brauchen. Lastwagen-Fahrer sollen künftig ihre Wochenruhezeit im Hotel verbringen statt im Truck. Damit will die EU ihnen helfen. Ob das klappt, ist unklar. Marian Morario streckt seinen rechten Zeigefinger aus und drückt ihn spitz gegen seinen Hals. "Viele Chefs machen so", sagt der Rumäne und lächelt aus dem Führerhaus seines silbergrauen Sattelschleppers. Seine drastische Geste soll heißen: Die Spediteure werden sich einen Dreck um diese neuen Regeln kümmern. Er finde es zwar gut, dass Lkw-Fahrer nach sechs Tagen auf Achse künftig EU-weit einen Anspruch auf eine 45-stündige Pause außerhalb der Fahrerkabine haben sollen. Doch dass sich viele daran halten werden, kann er sich nicht vorstellen. Morario, der eigentlich anders heißt, ist Mitte 30, steht auf der Autobahnraststätte Denkendorf bei Stuttgart und macht Pause. Die Fahrer aus Osteuropa stehen mit dem Rücken zur Wand, so deutet es Morario an, der Druck ihrer Chefs ist enorm: Jeder Fahrer erhält etwa 1200 Euro Lohn pro Monat, das muss für alles reichen. Fürs Essen und Trinken, fürs Übernachten. Wie viel am Ende für die Familie übrig bleibt, hängt auch vom Fahrer ab: Wenn er im Lkw schläft und nicht im Motel, bringt er mehr nach Hause. Morario selbst kann zwar seine Wochenenden immer zu Hause in Rumänien verbringen. Aber er weiß von vielen Kollegen, die acht Wochen am Stück oder länger unterwegs sind. Und in dieser Zeit ausschließlich in ihrem Brummi schlafen. "Die leben im Lkw", sagt Kollege Toni Kunath. Der 54-Jährige Dresdner steht mit seinem Truck auf dem Stellplatz nebenan. Um dieses wochen- oder gar monatelange Nomadentum zu beenden und bessere Arbeitsbedingungen zu schaffen, haben sich die EU-Verkehrsminister in der Nacht zum Dienstag in Brüssel auf neue Gesetzesvorschläge für den Lkw-Verkehr verständigt. Das Kabinen-Schlafverbot gilt wohlgemerkt nur für die vorgeschriebene 45-stündige Wochenruhezeit nach sechs Tagen am Steuer. In den sechs Tagen zuvor dürfen die Trucker nach wie vor im Lastwagen übernachten. Dennoch bezweifeln Fahrer wie Spediteure die Durchsetzbarkeit der neuen Vorschriften: "Ich bin ja dafür, aber das ist ein Lacher", sagt Toni Kunath aus Dresden, "wo willst du denn die nötigen Hotels herkriegen?" Er stehe am Wochenende mitunter an Raststätten mit 300 Lkws, da sei es definitiv ausgeschlossen, alle Fahrer in Herbergen unterzubringen. "Da soll die EU erst mal die Grundlagen schaffen", fordert Kunath. Deshalb geht er auch davon aus, dass das EU-Parlament den neuen Gesetzen die nötige Zustimmung verweigern wird. "Es gibt definitiv nicht genügend Betten an den Fernstraßen." Andrea Marongiu vom Verband Spedition und Logistik Baden-Württemberg sieht das anders: Er geht davon aus, dass das Parlament die neuen Vorschriften billigt; "Endlich bekommen wir klare Regeln. Der Flickenteppich muss beendet werden." Bislang gelten die Vorschriften bereits in Deutschland, Frankreich und Belgien. Mit der Folge, dass grenznahe Parkplätze schon am Freitagmittag überfüllt sind mit Lastwagen von Fahrern, die ihr Wochenende zwischen Kühler und Ladefläche verbringen. Auch in Deutschland sehe er nach wie vor "definitiv zu viele" solcher Männer, die sich am Sonntag auf einem Gaskocher ein Spiegelei braten. Damit soll jetzt Schluss sein, wenn es nach den westeuropäischen Verkehrsministern geht. Ihre osteuropäischen Kollegen kritisieren, dass Länder wie Deutschland und Frankreich nur ihre Märkte gegen die günstigere Konkurrenz abschotten wollen. Entsprechend umstritten sind die neuen Vorschriften auch, die Minister verhandelten am Montag bis tief in die Nacht. Die Vertreter von Polen, Ungarn, Bulgarien, Kroatien, Malta, Irland, Lettland und Litauen sind nach wie vor gegen die Vorschläge. Ihr Widerstand ist nicht ganz unbegründet, Frankreich und Deutschland haben immer wieder über unfaire Wettbewerbsbedingungen durch Lohndumping osteuropäischer Unternehmen geklagt. Das Verhandlungsergebnis der Verkehrsminister macht allerdings die Unternehmen aus dem Westen ebenfalls nicht wunschlos glücklich. Auch Verbandsgeschäftsführer Marongiu sieht offene Fragen: "Es gibt definitiv nicht genügend Betten an den Fernstraßen." Zudem sei es ein Problem, wenn die Fracht über Nacht unbewacht herumstehe. Marongiu berichtet von Spediteuren, die in Deutschland, Belgien und Frankreich versucht hätten, Wohnungen anzumieten. Aber nichts fanden. Auch die Idee, Wohncontainer aufzustellen, scheiterte. Kein Eigentümer habe sein Grundstück für diesen Zweck zur Verfügung gestellt. Hauptgeschäftsführer Frank Huster vom Deutschen Speditions- und Logistikverband ergänzt: "Im Zweifel ist die Übernachtung in einem gut ausgestatteten Lkw besser als in einer schlechten Unterkunft." Außerdem wollen die Minister, dass Fernfahrer künftig mindestens alle vier Wochen in das Heimatland ihres Unternehmens zurückkehren. Bei längeren Auslandseinsätzen sollen sie zudem den Status "entsandter Arbeitnehmer" haben und somit zu gleichen Bedingungen wie ihre Kollegen im Einsatzland arbeiten. Sowohl Frank Huster vom Deutschen Speditions- und Logistikverband als auch Vertreter des Deutschen Gewerkschaftsbundes bezeichnen diesen Vorschlag als "faulen Kompromiss". Das letzte Wort hat nun das EU-Parlament: Die Mitgliedstaaten müssen die neuen Richtlinien mit den Abgeordneten endgültig aushandeln. | Lastwagen-Fahrer sollen künftig ihre Wochenruhezeit im Hotel verbringen statt im Truck. Damit will die EU ihnen helfen. Ob das klappt, ist unklar. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/lkw-eu-hotel-1.4238520 | """Wo willst du denn die Hotels herkriegen?""" | 00/12/2018 |
Kein Mensch hat nur schlechte Seiten, und über Ryanair-Chef Michael O'Leary lässt sich zumindest sagen: Man weiß bei ihm, woran man ist. Es wäre untertrieben, das Visier, mit dem er kämpft, als offen zu bezeichnen. Einem Mitarbeiter, der bei Twitter mit Kunden diskutierte, sagte er: "Geh' zurück an die Arbeit, du Faulpelz, sonst wirst du entlassen." Seine Flugbegleiterinnen erfuhren: "Wenn Sie ein schlechter Verkäufer sind, sind Sie weg." Eine Pose, in denen er sich fotografieren ließ: das Modell einer Ryanair-Maschine, das er zwischen den Beinen nach oben hält. Michael O'Leary hat seine Firma immer nach einer Devise geführt, die umgangssprachlich "Wer hat den längsten?" heißt; "das Recht des Stärkeren" wäre der gewähltere Ausdruck. Damit ist hoffentlich bald Schluss. Im November hat sich Ryanair mit Verdi auf einen Tarifvertrag für seine Flugbegleiter in Deutschland geeinigt. Am Dienstag folgte die Übereinkunft mit der Vereinigung Cockpit (VC) für die Piloten hierzulande. Künftig kann das fliegende Personal der Firma mit verlässlichen Grundgehältern rechnen; der Anteil variabler, also oft willkürlicher Einkommensteile sinkt. Die Arbeitsverträge unterliegen nun deutschem statt irischem Recht - und Piloten und Flugbegleiter werden endlich einen Betriebsrat bekommen. Bei Ryanair besteht nun die Chance auf seriöse Zeiten. Um jetzt doch wieder etwas Schlechtes über O'Leary, den Chef, zu sagen: Nichts davon ist ihm zu verdanken. Die Firma ist ein besonders drastisches Beispiel, wohin ein ungehemmter Kapitalismus führt - und wie allein er sich vielleicht einhegen lässt. Eine wirklich verhängnisvolle Annahme im Kapitalismus ist ja, niedrige Preise seien ein Wert an sich: Für 9,78 Euro von Düsseldorf nach Fuerteventura, hin und zurück. Ein Schal, bei Primark, für vier Euro. Jakobsmuscheln, bei Lidl, 5,49 Euro. Nichts davon ist zu solchen Preisen herstellbar. Entweder die Natur oder die Arbeitnehmer, die sie herstellen, zahlen drauf; in der Regel sogar beide. Solche Preise sind nur deshalb gang und gäbe, weil nach inzwischen verbreiteter Auffassung jeder ein Grundrecht auf Jakobsmuscheln und Fuerteventura hat - und weil viele Menschen in ihrer Eigenschaft als Arbeitnehmer zwar wie Sozialisten empfinden, als Kunden jedoch die schlimmsten Neoliberalen sind. Auch Beschäftigte von Ryanair kaufen sicher gerne beim Discounter ein. Freie Gewerkschaften sind das Beste, was Arbeitnehmer haben Zu beheben ist das allenfalls über die Erscheinungsform Arbeitnehmer. Dazu braucht es einen Arbeitgeber, der es zu lange zu weit getrieben hat. Der Punkt muss kommen, an dem der Zorn der Arbeitnehmer größer ist als deren Angst, bei Widerspruch gefeuert zu werden. Zudem dürfen sie nicht umstandslos zu ersetzen sein. Einer wie O'Leary gibt von sich aus niemals etwas. Die Sprache, die er versteht, besteht aus zwei Wörtern: Kosten und Nutzen. In einem autoritären Land, in China oder in Russland, wäre jeder Beschäftigte seiner Willkür ausgeliefert. In einer Demokratie kann das zwar lange Zeit ebenfalls so sein. Aber nur in der Demokratie haben die Beschäftigten überhaupt die Chance, ihr Schicksal zu ändern. Denn sie stellt ihnen die Instrumente dafür zur Verfügung. Die müssen sie dann jedoch auch bitte in die Hand nehmen. Das wichtigste Instrument: freie Gewerkschaften, wie Verdi und VC. Ohne den Zusammenschluss, ohne die fachliche Kompetenz und strategische Professionalität von Gewerkschaften bleibt jeder Zorn harmlos. Bei Ryanair hat dies ein hinreichender Teil des Personals begriffen. Hinreichend heißt: Es müssen so viele Mitarbeiter organisiert sein, dass ihre Streiks dem Arbeitgeber richtig weh tun. Nur mit Arbeitnehmern, die bereit waren, ihre Arbeit niederzulegen sowie in die Öffentlichkeit zu gehen und auch Politikern die Zustände zu schildern, konnten die beiden Gewerkschaften die Tarifverträge erwirken - plus eine Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes. So schnell hat selten ein Minister eine Neuregelung durchgesetzt, wie es Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hier gelungen ist. Künftig hängt es nicht mehr vom Okay einer Fluggesellschaft ab, ob Piloten und Flugbegleiter einen Betriebsrat haben. Der Bundestag hat diese Regelung, die es für fast keine andere Branche gibt, abgeschafft. Die Folge wird sein, dass Michael O'Leary künftig mehr fürs Personal ausgeben muss. Aber er wird kreativ genug sein, um seine 9,78-Euro-Flüge aufrecht zu erhalten. Sie sind sein Geschäftsmodell. Die Umgangsformen, die er hat, mögen viele Leute verachten. Die Wirkung aufs Klima mag ihnen vielleicht Unbehagen bereiten. Aber seine Preise sind einfach zu herrlich, um ignoriert zu werden. | Ryanair ist ein besonders drastisches Beispiel für den Turbokapitalismus. Zum Glück gibt es noch freie Gewerkschaften. Durch sie könnte die Fluggesellschaft tatsächlich seriös werden. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ryanair-gewerkschaften-kapitalismus-1.4238534 | Für 9,78 Euro nach Fuerteventura und zurück | 00/12/2018 |
Start-ups in Berlin tun sich immer häufiger schwer damit, genug Mitarbeiter zu finden. Denn die Mieten steigen schneller als die Gehälter. Dass Berlin sich gerne als Hauptstadt der Start-ups feiert, merkt man, sobald man auf das offizielle Stadt-Portal berlin.de geht. Dort findet man neben Telefonnummern der Bürgerämter, diversen Formularen und Informationen zur Abfallentsorgung auch eine Liste der Start-ups, die sich in Berlin angesiedelt haben, alphabetisch geordnet von A wie "ActNow" bis Y wie "Yukoono". Dazu Interviews mit Gründerinnen und Geschäftsführern, die dann, wie der Gründer der Sprachenlern-App Babbel, etwa davon schwärmen dürfen, wie attraktiv die Stadt "für junge Leute mit Ideen und Ambitionen" ist. Tatsächlich gibt es wenige Städte, die sich so offensiv um Start-ups bemühen wie Berlin. Entrepreneure erhalten vom Land Hilfe und Informationen bei der Standortsuche und Vernetzung, jedes Jahr entstehen allein 500 neue Tech-Start-ups. Auch Geld ist genug vorhanden. Die deutsche Start-up-Wirtschaft konnte im ersten Halbjahr 2018 insgesamt 2,4 Milliarden Euro von Investoren einsammeln, davon entfielen 1,6 Milliarden Euro auf Berlin, wie aus einer Untersuchung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young hervorgeht. Und für das gesamte Jahr 2018 rechnen die Berliner Unternehmen mit einer Zuwachsrate von zehn Prozent beim Umsatz. 45 Prozent der Firmen konnten nicht einstellen, weil sie Bewerbern nicht genug zahlen Und doch ist in der "neuen Gründerzeit", wie das in Berlin gerne genannt wird, nicht alles ideal. Denn während es für die Unternehmen relativ unkompliziert ist sich niederzulassen, wird es immer schwieriger, passende Leute einzustellen. Sechs von zehn Gründern im Raum Berlin finden keine Mitarbeiter, heißt es in einer Studie der Beratungsgesellschaft PWC über die deutsche Start-up-Wirtschaft. Vor allem bei IT-lern, Entwicklern und Programmierern ist der Mangel groß. Ein Grund ist, dass es aufgrund der guten Konjunktur generell nicht genügend Fachkräfte gibt. Und Berlin mag zwar in vielen Bereichen für junge Leute attraktiv sein, allerdings nicht bei den Gehältern. Die sind in vielen Branchen noch immer niedriger als im Bundesschnitt, 45 Prozent der von PWC befragten Start-ups konnten demnach nicht einstellen, weil sie an den Gehaltsvorstellungen der Bewerber scheiterten. Dazu kommt, dass es vor allem auf dem Feld der Technologien sehr wichtig ist, mit Konzernen und etablierten Unternehmen zusammenzuarbeiten, und davon gibt es in der Hauptstadt, die immer schon arm an Industrie war, nicht besonders viele. Und der Erfolg der boomenden Start-up-Metropole hat seinen Preis: die Lebenshaltungskosten nämlich. Knapp jedem zweiten Gründer würden steigende Mieten und Personalkosten Sorgen bereiten, heißt es bei PWC. | Start-ups in Berlin tun sich immer häufiger schwer damit, genug Mitarbeiter zu finden. Denn die Mieten steigen schneller als die Gehälter. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/berlin-sexy-aber-teuer-1.4238546 | Sexy, aber teuer | 00/12/2018 |
Vor Kurzem hatte der Ryanair-Chef noch ausgeschlossen, je mit Gewerkschaften zu verhandeln - jetzt gibt es eine Tarifeinigung. Die Billig-Fluggesellschaft muss sich umstellen - und wird unflexibler. Peter Bellew ist ein Mann, den offenbar so leicht nichts erschüttert. Bei Malaysia Airlines sorgte er als sehr kommunikativer Chef für eine gute Außendarstellung, als die Airline das Trauma zweier Abstürze verarbeiten und sich strategisch neu orientieren musste. Im Vorstand der Fluggesellschaft Ryanair besteht seine Aufgabe im Wesentlichen darin, die total zerrütteten Beziehungen mit den Mitarbeitern zu retten, während Konzernchef Michael O'Leary weiter gegen Piloten ätzt. Und am Dienstag twitterte er sichtlich vergnügt, die Einigung mit den Piloten sorge für Ryanair in Deutschland über Weihnachten für einen "klaren Himmel". | Vor Kurzem hatte der Ryanair-Chef noch ausgeschlossen, je mit Gewerkschaften zu verhandeln - jetzt gibt es eine Tarifeinigung. Die Billig-Fluggesellschaft muss sich umstellen - und wird unflexibler. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ryanair-klarer-himmel-an-weihnachten-1.4238696 | Klarer Himmel an Weihnachten | 00/12/2018 |
Ums Eck: Der Software-Konzern Microsoft stellt offenbar seinen Browser Edge ein. Der sollte eigentlich das Browser-Fossil Internet Explorer ablösen, doch über einen homöopathischen Anteil an den Nutzerstatistiken kam er nie hinaus. Die Sache ist deshalb nicht ganz unbedeutend, weil es dann eine Technologie weniger für Browser gibt. De facto konkurrieren dann das von Google entwickelte Chromium und der Firefox-Browser miteinander. Würde Firefox weiter zurückgedrängt, könnte das zu einer Monopolstellung von Chromium führen, das viele Browser als Grundlage nutzen. Monopole aber sind meist nicht gut für die Weiterentwicklung von Technologien. Das zeigte ein Unternehmen um die Jahrtausendwende recht deutlich: Microsoft mit seinem Internet Explorer. Später dran: Im kommenden Jahr sollen die Frequenzen für den neuen Mobilfunkstandard 5G versteigert werden. Die großen Smartphone-Hersteller sind also schon dabei, 5G-fähige Geräte zu entwickeln und den Markteintritt vorzubereiten. Wer Apple nutzt, wird darauf aber etwas länger warten müssen: Das Unternehmen will frühestens 2020 ein erstes iPhone-Modell mit 5G-Unterstützung herausbringen. Das berichtet das Portal Golem und beruft sich auf einen Bericht von Bloomberg. Ähnlich verzögert hielt es das Unternehmen schon bei dem Standard 3G und 4G. Für Apple könnte das problematisch werden. 5G verspricht, viel mehr Daten in viel kürzerer Zeit übertragen zu können - und das wird von Kunden sehnlichst erwartet. Zieht der iPhone-Hersteller nicht schnell genug nach, könnte er Kunden an andere Anbieter mit Android-Betriebssystem verlieren. | Der Software-Konzern Microsoft stellt offenbar seinen Browser Edge ein. Und iPhone-Nutzer müssen wohl etwas länger auf den neuen Mobilfunkstandard 5G warten. Das hat bei Apple schon Tradition. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/themen-trends-aus-fuer-edge-1.4238572 | Themen & Trends - Aus für Edge | 00/12/2018 |
Bei VW geht der Mitarbeiter durchs Werkstor und schraubt am Band Blech zusammen. Das fertige Auto rollt hinter ihm vom Band, kommt in ein Wolfsburger Autohaus und wird dort verkauft. Wolfsburg, Niedersachsen und die Bundesrepublik erhalten viele Steuern, wenn VW viel Gewinn macht. Bei Internetkonzernen ist alles anders. Sie sammeln zwar Daten wie am Fließband, und Programmierer schrauben am Code. Aber das passiert irgendwo auf der Welt - unabhängig davon, ob ein Wolfsburger Autohaus eine Anzeige auf Facebook schaltet. Das soziale Netzwerk und auch die Suchmaschine Google werden jeden Tag von Millionen Deutschen benutzt, aber das Finanzamt profitiert nicht davon. Dieses Problem soll die Digitalsteuer lösen. Deutschland und Frankreich haben nun einen klugen Vorschlag gemacht, wie die Digitalsteuer konkret aussehen könnte. Die Länder sind nicht in die Falle getappt, Daten zu besteuern. Stattdessen zielt die Steuer auf Werbung im Internet. Das ist gut, denn es gibt online zu viel Werbung. Anzeigen an sich sind nicht das Problem, es geht um Menge und Qualität. Jede neue Steuer bremst die damit verbundene Aktivität: Die Tabaksteuer hat geholfen, dass Menschen weniger rauchen. Wenn eine Gemeinde weniger Hunde haben will, weil nicht jeder Halter hinter dem Tier sauber macht, erhöht sie die Hundesteuer. Diese Digitalsteuer ist eine Hundesteuer für das Internet: Konzerne sollen drei Prozent ihrer Online-Werbeeinnahmen an das Finanzamt überweisen. Daten zu besteuern, wäre fatal gewesen. Denn Deutschland und Europa brauchen mehr Daten, nicht weniger. Viele denken bei Daten nur an die intimen Nachrichten, die sie über Facebook schicken, oder die Krankheiten, die sie googeln. Doch ohne enorme Datensammelei ist es beispielsweise gar nicht möglich, autonome Autos zu entwickeln und zu bauen. Gerade das Hochindustrieland Deutschland braucht Daten. Und die Sammelei kann sogar Leben retten: In Nevada haben vor Kurzem Behörden und Firmen die Daten von Navigationssystemen analysiert und konnten die Zahl der Unfälle auf einer Autobahn um fast 20 Prozent senken. Werbung zu besteuern, trifft die richtigen Firmen, die ihre Nutzer intensiv überwachen und sie damit locken, dass sie nichts bezahlen müssen. Das sind vor allem Google und Facebook. Die Kosten für Online-Anzeigen sind vor allem dank Google und Facebook enorm gesunken. Das führt zu dem Überangebot an Werbung, vor allem an schlechter Werbung. Es ist leicht, absurde Beispiele zu finden: Auf Facebook sehen Menschen Anzeigen für Abitur-Nachhilfe, obwohl sie ihren Uni-Abschluss offiziell auf Facebook eingetragen haben. Google glaubt, dass sich jemand für Country-Musik und Wassersport interessiert, der sich auf keinen Fall für Country-Musik oder Wassersport interessiert. Digital-Dienste mit anderen Geschäftsmodellen kämen bei der Steuer besser weg. Wer sich mehr darauf stützt, von seinen Kunden Geld einzunehmen, statt ihnen Werbung zu zeigen, hat einen Vorteil. Das betrifft beispielsweise Netflix und Amazon (und digitale Zeitungs-Abos, um das nicht zu verschweigen). Auch diese Firmen sammeln Daten, um Nutzern Serien oder Bücher zu empfehlen. Das ist völlig in Ordnung, macht den Kunden im Idealfall ein besseres Angebot. Irre Verschwörungstheorien profitieren vom Kampf um Werbeeinnahmen Der Kampf um Werbeeinnahmen hat bisweilen unangenehme Effekte. Wann immer Nutzer Facebook öffnen, leuchtet ein roter Hinweis-Knopf, obwohl gar nichts Wichtiges passiert ist. Aber das hält die Nutzer auf der Seite, wo die Anzeigen zu sehen sind. Googles Videoplattform Youtube zeigt automatisch die irrsten Verschwörungstheorien, weil das die Leute vor dem Bildschirm hält. Wenn sich Werbung weniger lohnt, könnten auch diese Taktiken zurückgehen. Der deutsch-französische Kompromiss, dem alle EU-Länder zustimmen müssten, bevor er Gesetz werden kann, ist bisher nur grob ausformuliert. Es fehlt etwa noch eine Ausnahme für Start-ups und kleinere Firmen. Sie sollten von der Werbesteuer befreit sein, die Grenze für den Anzeigenumsatz könnte beispielsweise zwischen 100 und 500 Millionen Euro im Jahr liegen. Das ermöglicht weiterhin Innovationen aus Europa und den USA. Allerdings: Gegen die Steuertricks der großen Internetkonzerne hilft die Digitalsteuer praktisch gar nicht. Wer Gewinne in Steueroasen verschiebt, den hält auch die Digitalsteuer nicht auf. Die verschobenen Gewinne aus Werbung werden nur etwas kleiner - immerhin. | Die neue Digitalsteuer, die Deutschland und Frankreich vorschlagen, könnte das Internet besser machen. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/kommentar-hundesteuer-fuer-das-internet-1.4238694 | Kommentar - Hundesteuer für das Internet | 00/12/2018 |
Unwahrscheinlich, dass einer der beiden Partner am Ende noch Freude hatte an der Zusammenarbeit. Toyota nicht, weil die Deutsche Umwelthilfe (DUH) zuletzt immer lauter - und erfolgreicher - gegen die Autoindustrie vorging, auch gegen Toyota selbst. Und die Umwelthilfe nicht, weil das Sponsoring der Japaner auch Raum für alle möglichen Verschwörungstheorien bot: Ist der Umweltverein aus Radolfzell am Bodensee am Ende nur der verlängerte Arm eines gewieften Autoherstellers? Der seiner Konkurrenz so die Nerven raubt? Aus und vorbei: Am Dienstag hat Toyota das Ende der Zusammenarbeit bestätigt, ab nächstem Jahr gibt es kein Geld mehr für die Umwelthilfe. Als erstes hatte die Frankfurter Allgemeine Zeitung davon berichtet. Der finanzielle Schaden für den Umweltverband hält sich in Grenzen. Auf zuletzt 30 000 Euro habe sich die Spende von Toyota belaufen. "Das waren drei Promille unseres Jahresetats", sagt DUH-Chef Jürgen Resch. "Das können wir über die wachsende Zahl unserer Unterstützer kompensieren." Die Umwelthilfe war zuletzt vor allem mit Klagen gegen deutsche Kommunen in Erscheinung getreten. Erst vor dem Bundesverwaltungsgericht, anschließend vor vielen deutschen Verwaltungsgericht hatte sie Fahrverbote durchgesetzt - als Antwort auf überhöhte Stickoxid-Konzentrationen entlang deutscher Hauptstraßen. Mit dem Erfolg vor Gericht wuchs auch die Zahl der Unterstützer. Mittlerweile kämen nur noch zehn Prozent der Spenden-Einnahmen von Unternehmen, dafür aber 20 Prozent von Privatleuten. Noch vor zwei Jahren sei das umgekehrt gewesen, heißt es. Toyota Deutschland hatte unter anderem den Deutschen Klimaschutzpreis und eine Aktion zu "Umwelttaxis" gesponsort. Gegenwind bekommt die Umwelthilfe derzeit auch aus der CDU. Für den bevorstehenden Parteitag hat der Bezirksverband Nordwürttemberg einen Antrag eingebracht, dem Umweltverband die Gemeinnützigkeit abzuerkennen. Seinen Sitz hat der Bezirksverband in der Autostadt Stuttgart. | Die Japaner beenden nun ihre Kooperation mit der Umwelthilfe. Diese war immer lauter gegen Autokonzerne vorgegangen. Beide dürften froh über die Trennung sein. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/deutsche-umwelthilfe-toyota-steigt-aus-1.4238703 | Toyota steigt aus | 00/12/2018 |
Es dauerte keine 24 Stunden, bis Donald Trump ein Ventil gefunden hatte, um seinem Ärger Luft zu machen. "Wir werden GM alle Subventionen streichen, inklusive derer für Elektroautos", wetterte der US-Präsident vergangene Woche im Kurzmitteilungsdienst Twitter. Wenn der Autobauer daheim in Nordamerika Werke schließe, Tausende Stellen streiche und dafür auf Fabriken in China und Mexiko setze, "dann wird diese Rechnung nicht aufgehen", schrieb Trump. "Ich bin hier, um Amerikas Arbeiter zu schützen." Mittlerweile hat dem Präsidenten offensichtlich jemand erklärt, dass es gar nicht so einfach ist, einer einzelnen Firma Staatshilfen wegzunehmen, die für die gesamte Branche gelten. Deshalb denkt Trump nun über ein neues Instrument nach: Statt nur für General Motors will er die Elektroautosubventionen gleich für alle Hersteller streichen - und jene zur Förderung erneuerbare Energien wie Wind- und Wasserkraft gleich mit. So hat es jetzt sein Wirtschaftsberater Larry Kudlow verkündet. Kudlow zufolge sollen die Steueranreize für den Kauf von E-Autos "allesamt in naher Zukunft enden". Bislang können Käufer von Elektro-Pkw bis zu 7500 Dollar von ihrer Steuerschuld abziehen - eine massive Ersparnis, die allerdings schon jetzt mit einem Verfallsdatum versehen ist: Sobald ein Hersteller 200 000 E-Autos verkauft hat, laufen die Anreize schrittweise aus. Kudlow konnte nicht erklären, wie genau die Beseitigung des Programms beschleunigt werden soll, denn ein präsidialer Erlass reicht dafür wohl nicht. Vielmehr bräuchte Trump die Zustimmung des Kongresses. Kudlow sagte lediglich: "Wir wollen und werden diese und andere Subventionen der Regierung Obama beenden." Dass die Demokraten, die vom kommenden Januar an für mindestens zwei Jahre die Mehrheit im Repräsentantenhaus stellen werden, die Streichungen mitmachen, ist höchst unwahrscheinlich. Im Gegenteil: Es gab schon Versuche, die Deckelung der Staatshilfe bei 200 000 verkauften E-Autos aufzuweichen oder gar aufzuheben. Im Senat stößt diese Idee sogar bei einigen Republikanern auf Sympathie. Unklar blieb zunächst, welche Subventionen zur Förderung erneuerbarer Energien Trump wann und wie abschaffen will. Der Kongress hatte eine Reihe von Steueranreizen für die Wind-, Solar- und E-Autoindustrie erst im Zuge der jüngsten Steuerreform um mehrere Jahre verlängert. Andere Hilfen laufen in naher Zukunft ohnehin aus. Gut möglich also, dass Kudlows Ankündigung in Wahrheit kaum mehr ist als ein PR-Gag. | Weil er dem Autobauer GM die Subventionen nicht einfach streichen kann, will US-Präsident Donald Trump jetzt wohl sämtliche Öko-Staatshilfen abschaffen. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/foerdergelder-volle-breitseite-1.4238524 | Fördergelder - Volle Breitseite | 00/12/2018 |
"Ihr Liebesspiel liegt uns am Herzen", heißt es im Onlineshop der Drogeriemarktkette dm. Und seit mehr als einem Jahr liegen die Hilfsmittel dafür auch in den Regalen des Unternehmens: Im Juli 2017 tat sich dm mit dem Erotikversender Amorelie zusammen, um seinen Kunden zusätzlich zu Klopapier, Kosmetik und Babybrei auch Vibratoren und anderes Sexspielzeug anzubieten - online bereits seit Mai 2017. Damit hat der Drogist auf einen Trend gesetzt, der gerade einen vorläufigen Höhepunkt erreicht: Der Umsatz mit Sextoys ist im Jahr 2018 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um etwa 27 Prozent gestiegen. Das berichtet die Lebensmittelzeitung und beruft sich auf Zahlen des Marktforschungsinstituts Nielsen. Offenbar sind die Zeiten vorbei, in denen Kunden Kondome oder Gleitgele verschämt auf das Kassenband legten oder Penisringe und Vibratoren im neutral-diskreten Paket nach Hause orderten. "Zusammen mit dm wollen wir den offenen Umgang mit Liebe, Beziehung und Sexualität zur Normalität machen", sagt Lea-Sophie Cramer, Gründerin und Geschäftsführerin von Amorelie, über die Kooperation. Das fünf Jahre alte Unternehmen rechnet in diesem Jahr mit einem Umsatz von mehr als 50 Millionen Euro. Zu mehr Normalität und Sichtbarkeit tragen sicherlich auch die zwei Adventskalender bei, die Amorelie passend zur Jahreszeit anbietet: 129 Euro für die Classic-Edition, 229 Euro für die Premium-Ausgabe. Auch stationär verkauft sich die Ware - wegen aggressiven Marketings Der Erfolg dürfte aber auch darin liegen, dass die Drogeriemarktkette aus Karlsruhe die Zusammenarbeit mit Amorelie gut vermarktet hat. Im Sommer veranstaltete dm in 186 Filialen Toypartys nach Ladenschluss: Frauen über 18 Jahre konnten sich kostenlos anmelden und wurden zwei Stunden lang von Amorelie-Beraterinnen über die einzelnen Spielzeuge informiert, mit Tipps versorgt und mit einer Goodie-Bag beglückt. Außerdem suchte das Unternehmen bei Facebook nach Produkt-Testerinnen und gab sich viel Mühe, auf die zweideutig-belustigten Kommentare zu reagieren. Online lief der Versand von Erotikartikeln ohnehin schon vorher nicht schlecht. Der höhere Umsatz im Handel ergibt sich vor allem aus dem stationären Verkauf. Erhältlich sind bei dm etwa Liebeskugeln, Penisringe, Vibratoren und zwei Sorten Gleitgel und Rasiercreme. Die Produkte sind - sehr passend - im Bereich Gesundheit einsortiert, gemeinsam mit Kondomen und Schwangerschaftstests. Auch andere Händler haben das Geschäft entdeckt: Die Amorelie-Spielzeuge haben ebenfalls einzelne Edeka-Märkte, Otto und Media-Märkte gelistet. Händler wie Rossmann bieten ähnliche Produkte anderer Hersteller an. | Der Umsatz mit Sexspielzeug ist 2018 erheblich gestiegen. Das liegt auch daran, dass Händler die Toys ins reguläre Sortiment übernommen haben, die Drogeriekette dm etwa. Sie kooperiert mit dem Erotikversender Amorelie - mit großem Erfolg. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/einzelhandel-klopapier-und-vibrator-1.4238707 | Klopapier und Vibrator | 00/12/2018 |
Dass Stefan Effenberg Sinn fürs Geschäft hat, ist kein Geheimnis: Zwar kickt er seit 2004 nicht mehr professionell, vom Fußball lebt er trotzdem immer noch. Er ist TV-Experte, besitzt eine Lizenz als Profitrainer, betreibt gemeinsam mit seinem Sohn eine Beratungsagentur für Sportler - und hat bei der Volks- und Raiffeisenbank Bad Salzungen Schmalkalden einen Arbeitsvertrag unterschrieben. Jener Stefan Effenberg, der den FC Bayern 2001 zwar nicht ganz, aber doch fast alleine zum Triumph in der Champions League führte. Ein Marketing-Gag? Nein, nein, beeilt sich der Sprecher zu betonen: "Herr Effenberg wird ein regulärer Mitarbeiter unserer Bank, was zum Beispiel bedeutet, dass er einen ganz normalen Vertrag erhält und ganz normal in unserem Organigramm geführt wird." Effenberg, 50, Spitzname: Tiger, Status: gewesenes Enfant Terrible des deutschen Profifußballs, im Organigramm einer Provinz-Bank? Auf den ersten Blick wirkt die VR-Bank Bad Salzungen Schmalkalden wie eines jener braven genossenschaftlichen Institute, die es überall im Land gibt. Und tatsächlich ist die Bank am Fuße des Thüringer Waldes mit einer Bilanzsumme von 820 Millionen Euro eher klein. Brav jedoch ist sie beileibe nicht. Wer den jüngsten Mitgliederbrief durchblättert, findet auf den Seiten 46 und 47 beispielsweise ein Interview mit Alexander Wehrle, dem Geschäftsführer des 1. FC Köln. Der rheinische Traditionsverein hat eine sogenannte Kontokorrentlinie bei den Genossen - die er allerdings noch nie in Anspruch genommen hat. Und nicht nur der 1. FC Köln. Im vorangegangenen Mitgliederbrief rühmt sich die Bank, sich "eine Position als Finanzierungspartner zahlreicher Fußballvereine" erarbeitet zu haben - darunter nicht nur Klubs der 1. und 2. Bundesliga, sondern auch Vereine aus der Champions League. Das wiederum passt zu einer Geschichte, die neulich im Spiegel stand: Demnach soll die VR-Bank Bad Salzungen Schmalkalden allein dem spanischen Spitzenverein Atlético Madrid rund zehn Millionen Euro gepumpt haben. Bis zu zehn Prozent betrage die Verzinsung, war zu lesen - bei einem scheinbar überschaubaren Risiko. Wenn die Geschäfte aber wirklich so sicher sind, würde sie dann nicht jemand anderes machen? Warum leiht sich Atlético das Geld nicht bei einer spanischen Bank? Und warum geht der 1. FC Köln nicht, sagen wir, zur Commerzbank? Woran sich dann die nächste Frage anschließt: Sind die thüringischen Volksbanker - bei allem Respekt - wirklich in der Lage, die möglichen Fallstricke ihrer Engagements zu überblicken? Zumindest scheint klar, wie die große weite Fußballwelt überhaupt zur kleinen Bank kommt. Die Verbindung läuft über einen weiteren Prominenten in Reihen der Genossen: den früheren thüringischen Ministerpräsidenten Dieter Althaus. Der sitzt nicht nur in Bad Salzungen im Aufsichtsrat, sondern auch in jenem der Investmentfirma Score Capital. Deren Geschäftsmodell scheint darin zu bestehen, klamme Klubs an liquide Banken zu vermitteln - wie die VR-Bank Bad Salzungen Schmalkalden. Die verlieh ausweislich des Jahresabschlusses Ende 2017 schon 13,4 Prozent ihrer sämtlichen Kredite an "Organisationen ohne Erwerbszweck/Fußball". Das wären fast 60 Millionen Euro. Effenberg soll nun helfen, das Geschäft weiter auszubauen. Der Ex-Profi, der unter anderem für Gladbach, Florenz, die Bayern und Wolfsburg gekickt hat, könnte das Geldhaus unmittelbar bei den Klubs verankern. Über die notwendigen Kontakte dürfte er verfügen. Und an Ehrgeiz scheint es ihm auch nicht zu mangeln: Seit April besucht Effenberg ein Seminar für Bankmanager an der Akademie Deutscher Genossenschaften. | Ex-Profi-Fußballer Stefan Effenberg heuert bei einem thüringischen Geldinstitut an. Was auf den ersten Blick erstaunt, hat eine gewisse Logik. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/nahaufnahme-auf-der-bank-1.4238536 | Auf der Bank | 00/12/2018 |
Ein Krankenhaus in Texas behandelt einen Patienten wegen eines Schlangenbisses, das Tier war hochgiftig. Das kommt in diesem Teil der Welt nicht selten vor. Ganz unnormal ist dagegen die Rechnung des Klinikbetreibers: Er verlangt eine Million US-Dollar, weil er ein seltenes Serum besorgen musste. Oscar, der Krankenversicherer des Patienten, will das nicht hinnehmen. Am Ende zahlt der Versicherer weniger als ein Zehntel. Aber auch das ist ein heftiger Betrag. Dieser Fall sei symptomatisch, sagt Oscar-Gründer und Chef Mario Schlosser im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung. "Die hohen Preise der Ärzte und Krankenhäuser sind der wesentliche Grund dafür, dass das Gesundheitssystem in den USA doppelt so teuer ist wie in vielen europäischen Ländern", sagt Schlosser. "In allen anderen Gesundheitssystemen sind die Kosten auf der Anbieterseite gedeckelt, hier nicht." Die Ärzte können die Preise für ihre Leistungen selbst bestimmen, auch wenn es Mondpreise sind. "So lange jemand bezahlt, ist das nicht illegal." Detailansicht öffnen Mario Schlosser, 40, hat in Hannover und Harvard Informatik und Betriebswirtschaft studiert. Er arbeitete für McKinsey und den Vermögensverwalter Bridgewater, 2012 gründete er Oscar. (Foto: Eduardo Munoz/Reuters) Ein solches System sei auf Dauer nicht tragfähig, glaubt Schlosser. Gemeinsam mit Joshua Kushner - dem Bruder von Trump-Schwiegersohn Jared Kushner - und Kevin Nazemi ist der Deutsche deshalb 2012 angetreten, den Auswüchsen des US-Systems mit einem neuen Modell beizukommen. Ihr digitaler Krankenversicherer Oscar schließt Verträge mit Ärzten, Krankenhäusern und anderen Leistungsanbietern ab. Außerdem versucht Oscar, seine Versicherten gezielt im Gesundheitswesen zu steuern. Das New Yorker Unternehmen hat inzwischen 250 000 Versicherte und ist in sechs US-Bundesstaaten aktiv. "Im nächsten Jahr sind wir in neun Bundesstaaten und 14 Städten präsent", kündigt Schlosser an. Der Umsatz liegt bei 1,2 Milliarden Dollar. Da im ersten Halbjahr traditionell weniger Rechnungen eingereicht werden und wegen des komplexen Risikoausgleichs unter den US-Krankenversicherern konnte Oscar im ersten Halbjahr 2018 sogar einen Gewinn verbuchen. "Im Gesamtjahr 2018 werden wir aber wieder einen Verlust machen", sagt er. Das liegt vor allem an den hohen Kosten für die weitere Expansion und die stetige Verbesserung der Technik. Expandieren will Oscar nicht nur in neue Bundesstaaten, sondern auch in neue Märkte. "2020 gehen wir in die Medicare Advantage Versicherung", sagt Schlosser. Medicare ist das staatliche Krankenversicherungsprogramm für über 65-Jährige und Menschen mit Behinderungen. Bei Medicare Advantage übernehmen private Anbieter Teile der Versicherungsleistungen. Im August 2018 hat sich die Google-Muttergesellschaft Alphabet an Oscar beteiligt. Es handele sich um ein rein finanzielles Engagement, sagt Schlosser. Alphabet hält etwas weniger als zehn Prozent, auch der Founders Fund von Investor Peter Thiel und die Fondsgesellschaft Fidelity sind beteiligt. Über einen Fonds kontrollieren Schlosser und sein Kompagnon Kushner die Mehrheit. Für die Arbeit von Oscar spielen die familiären Verbindungen Kushners zum Weißen Haus keine Rolle, betont Schlosser. Detailansicht öffnen Die Kosten für die medizinische Versorgung in den USA sind nicht gedeckelt – jeder Arzt kann verlangen, was er will. (Foto: Fernando Vergara/AP) Insgesamt haben die Investoren Oscar mit etwa einer Milliarde Dollar ausgestattet. Alphabet hat für seinen Anteil 375 Millionen Dollar bezahlt. Das heißt, Oscar wird von seinen Anteilseignern aktuell mit mehr als 3,75 Milliarden Dollar bewertet. Oscar kooperiert mit Klinikanbietern und baut um sie herum ein Netz an Leistungserbringern auf. Die Kooperationen ermöglichen es dem Krankenversicherer, Einfluss auf die Kosten zu nehmen. Ärzte und Kliniken auf der anderen Seite profitieren von der Zuweisung der Patienten. Beispiel Cleveland. Dort arbeitet Oscar mit der Cleveland Clinic zusammen. Sie bieten gemeinsam eine Krankenversicherung an und tragen die Risiken zu je 50 Prozent. Dadurch hat auch das Krankenhaus Interesse daran, die Kosten einzudämmen. Planbare Operationen müssen sich die Ärzte anders als sonst üblich nicht vorab genehmigen lassen. 11 000 Versicherte hat das Modell inzwischen. "Das können sehr schnell noch viel mehr werden." Das Unternehmen bietet den Versicherten an, sich bei allen Fragen rund um die Gesundheit von einem sogenannten Concierge-Team aus sechs Mitarbeitern beraten zu lassen, darunter immer auch Krankenpfleger und -schwestern. Die Mitarbeiter helfen bei der Einschätzung von gesundheitlichen Problemen und der Suche nach geeigneten Behandlern. Das kommt offenbar gut an. "Die Versicherten lassen sich gern an die Hand nehmen", berichtet Schlosser. Wenn die Kunden zum ersten Mal einen Arzt aufsuchen, informieren sie sich vorher zu 40 Prozent über Oscar: beim Concierge-Team, auf der App oder der Webseite. "Das ist zehn Mal mehr als bei anderen Versicherern, die so etwas anbieten", sagt Schlosser nicht ohne Stolz. "Wir wissen viel über die Ärzte und können besser erklären, wer für welches Problem gut ist." Digitalisierung über den Kfz-Händler Die Digitalisierung in der Versicherungswirtschaft wirkt sich auch in der Autoversicherung aus. Die Anbieter setzen hier immer stärker auf Telematik-Tarife. Bei diesen Verträgen protokollieren entweder eine fest verbaute Box, eine Smartphone-App oder andere technische Lösungen das Fahrverhalten der Nutzer. Wer vorsichtig fährt, nicht abrupt bremst oder beschleunigt wird mit Preisnachlässen belohnt. Eine Hürde ist noch die Technik. Die besten Daten liefert eine fest verbaute Box. Ihr Einbau ist allerdings teuer. Hakan Koc, Mitgründer und Co-Chef der Gebrauchtwagen-Plattform Auto 1, glaubt, eine Lösung für das Problem gefunden zu haben. "Wir installieren am Tag sowieso 5000 Dongles in Autos", sagte Koc am Dienstag auf der SZ-Fachkonferenz "The Digital Insurance". Auto 1 nutzt die Dongles zu Analysezwecken beim Ankauf von Autos. Würde das Unternehmen in jedes Fahrzeug ein dauerhaft bleibendes Gerät verbauen, gäbe es in sieben Jahren zehn Millionen Telematik-fähige Autos, rechnet Koc vor. Die Berliner Online-Plattform Auto 1 hat seit ihrer Gründung 2012 einen steilen Aufstieg hingelegt. Das Unternehmen erwirbt unter der Marke "wirkaufendeinauto.de" Gebrauchtwagen und verkauft sie an kooperierende Händler weiter. Zudem hat Auto 1 mit der Allianz und der Deutschen Bank das Joint Venture Auto 1 Fintech gegründet. Patrick Hagen Oscar setzt stark auf die Telemedizin: Die Patienten tauschen sich per Video oder Chat mit einem Arzt aus, ohne eine Praxis aufsuchen zu müssen. "30 bis 40 Prozent unserer Mitglieder nutzen Telemedizin", sagt er. Oscar beschäftigt knapp 50 Ärzte für die telemedizinische Versorgung. Künftig sollen es noch wesentlich mehr werden. Der Versicherer will es für die Kunden leichter machen, Operationen oder Arztbesuche über die App zu planen. Auch das Abrechnungssystem soll noch wesentlich leichter und schlanker werden. Das erfordert wieder hohe Investitionen in die IT. Die Krankenversicherung ist in den USA wie in den meisten Ländern hoch politisch, Präsident Trump hat die Wahl auch mit dem Versprechen gewonnen, das von seinem Vorgänger Barack Obama eingeführte System abzuschaffen. "Aber inzwischen hat sich die Lage bei der Regulierung beruhigt", sagt Schlosser. "Ich bin fest davon überzeugt, dass sich das Gesundheitswesen in den USA individualisieren muss, weg von der Versicherung über die Firma hin zur Versicherung des Einzelnen." Auch bei Ärzten und Kliniken sei der Frust groß über das bisherige System. "Die Uhr kann nicht mehr zurückgedreht werden." | Der digitale Krankenversicherer Oscar will die Kosten im Gesundheitssystem der USA senken. Das Unternehmen schließt direkt Verträge mit Ärzten und Kliniken ab. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/versicherungen-schluss-mit-teuer-1.4238719 | Schluss mit teuer | 00/12/2018 |
Es war schon kurz vor dem Auftritt für eine Hochzeitsfeier in Italien, da bekam der Musikveranstalter Chris Sheldrick einen sehr ungewöhnlichen Anruf: Die Band hatte ihre Instrumente auf einer anderen Hochzeit aufgebaut - an einem völlig falschen Ort. Das Erlebnis ließ den 37-Jährigen nicht mehr los. Und es war nicht das erste Mal, dass Bands den Eingang eines Clubs nicht fanden, oder dass Produktionsfirmen die Instrumente an der falschen Bühne ablieferten, weil der Straßenname falsch buchstabiert gewesen war. Sie alle ließen Sheldrick zu dem Schluss kommen: Adressen, zumindest in der Form Straße, Hausnummer, Postleitzahl, reichen oft nicht. Auch in Deutschland führen nur 33 Prozent der üblicherweise angegebenen Adressen direkt zur richtigen Tür. 18-stellige Längen- und Breitengrade sind auch keine Lösung, fand Sheldrick. Mit einem befreundeten Mathematiker tüftelte Sheldrick deshalb ein neues Adresssystem aus. Die beiden nannten es What3Words - welche drei Wörter. Mittlerweile arbeiten mehr als 80 Menschen für das 2013 gegründete Londoner Start-up, in Büros in den USA, der Mongolei und Südafrika. Es gibt Kooperationen mit Daimler, verschiedenen nationalen Post- und Lieferdiensten und der Deutschen Bahn. Sogar einen Fernsehauftritt hatte What3Words bereits: in der US-Krimi-Serie "NCIS: Los Angeles" retten die Polizisten neuerdings Geiseln mithilfe des Adresssystems. Ob das wirklich klappt, testet die Londoner Polizei derzeit im echten Leben. Je drei Wörter in 57 Billionen Kombinationen beschreiben jeden Ort der Welt Wie aber funktioniert das System? Ganz einfach, verspricht das Unternehemen. Man lege ein gedachtes Netz bestehend aus drei mal drei Meter großen Quadraten über die gesamte Erdoberfläche. Wie auf einem Schachbrett fällt so jedes Fleckchen Land oder auch Wasser in eines der Quadrate. Anders als bei Längen- und Breitengraden werden bei What3Words keine Zahlen, sondern Wörter zugeteilt. Drei an der Zahl, deshalb auch der Name. 57 Billionen Kombinationen waren nötig, damit jedes neun Quadratmeter-Kästchen drei unterschiedliche Worte bekommt. Der Parkplatz in Hamburg am St. Pauli Fischmarkt beispielsweise liegt auf Fische.Erde.Abheben. Um eine solche Drei-Wort-Adresse herausfinden zu können, programmierte Sheldricks Unternehmen eine Weltkarte, die online abrufbar ist und ziemlich genauso funktioniert wie Google Maps, nur dass in einem kleinen roten Kasten über der gesuchten Adresse die drei Wörter erscheinen. Praktischer für den Gebrauch im Alltag ist vermutlich die kostenlose App, die sogar ohne Handynetz funktioniert. Will man sich mit einem Freund zum Fischkauf in Hamburg treffen, brauchen beide ein Smartphone plus App und schon kann man sich gegenseitig den eigenen Standort in drei Worten beschreiben beziehungsweise suchen. In die Suchfunktion kann entweder eine ganz gewöhnlich Adresse getippt werden, die App übersetzt diese sodann in eine Drei-Wort-Adresse und navigiert dorthin. Oder aber man sucht gleich nach einer Drei-Wort-Adresse, die beispielsweise von jemand anderem mit der App bereits gefunden wurde. Detailansicht öffnen Höhle.Ankommen.Reiter: Mit diesen drei Wörtern ist jenes Handtuch an einem kalifornischen Strand in den USA zu lokalisieren. (Foto: PR) Für Sheldrick und seine zwei Mitgründer geht es allerdings nicht nur um die Beseitigung von Alltagsproblemen. Darüber hinaus "bergen Orte ohne Adressen ein riesiges ökonomisches Potenzial", sagt Sheldrick. So sieht man das auch bei DB Schenker. Als erstes Unternehmen der Bahn-Gruppe hat der Transport- und Logistikdienst das neue Adresssystem in seine Geschäftsabläufe integriert. "Anstatt dreimal um den Block zu fahren, bis sie das richtige Tor gefunden haben, kommen unsere Fahrer damit auch auf großen Messegeländen oder Terminals schneller ans Ziel", sagt ein Sprecher von DB-Schenker. "Insbesondere in weniger entwickelten Regionen auf der Welt, in denen es keine Straßennamen gibt, hat das Navigationssystem Vorteile", sagt auch Jochen Thewes, der Geschäftsführer von DB Schenker. Und tatsächlich: Seit in dem afrikanischen Staat Dschibuti oder auch in der Mongolei Drei-Wort-Adressen als offizielle Adressierungsmethode eingeführt wurden, können Menschen zum ersten Mal Waren im Internet bestellen und bis an die eigene Haustüre geliefert bekommen. Das freut nicht nur die Menschen, sondern auch die Konzerne, die bisher wortwörtlich nicht lokalisierbare Kundengruppen erschließen können. In Indien wurde getestet, ob die Zustellung von Post mit What3Words besser funktioniert als die bisher verwendete Methode. Das Ergebnis: ja - und zwar um 9,6 Prozent. Vier Milliarden Menschen können den Standort ihrer Wohnung nicht angeben Auch die Vereinten Nationen dürften What3Words gut finden. Laut deren Schätzungen haben vier Milliarden Menschen weltweit keine verlässliche Möglichkeit, den Standort ihrer Wohnung anzugeben. Oftmals sind allerdings bestimmte staatliche Leistungen an die Angabe des Wohnsitzes geknüpft: Bankkonten eröffnen, Geburten registrieren oder auf die Strom- und Wasserversorgung zugreifen. Würde Sheldricks System weiter etabliert, könnten diese Menschen außerhalb des Rasters sichtbar gemacht werden. Für die Verwendung des Systems zahlen große Konzerne deshalb Lizenzgebühren, sie bilden damit die wichtigste Einnahmequelle des Start-ups. Für Privatpersonen ist es dagegen immer kostenlos, die App zu verwenden. Detailansicht öffnen Mieten.Häufungen.Skript: So hat das Start-up den Platz vor einem Gebäude in Toronto, Kanada, bezeichnet. (Foto: PR) Nichtregierungsorganisationen oder humanitäre Hilfsprogramme zahlen lediglich einen sehr geringen Betrag. Das philippinische Rote Kreuz hat die App bereits im Katastrophenschutz eingesetzt: Standorte von Flut- oder Erdbebenopfern können mithilfe der Drei-Wort-Adressen von Mitarbeitern am Boden an Kollegen in der Luft oder in den Zentralen weitergegeben werden. Ein wichtiger Erfolg für Sheldricks Unternehmen ist zudem eine Kooperation mit Daimler-Benz. Großes Potenzial sehe man in der Autobranche und damit in Deutschland, denn "die Frustration mit der derzeitigen Adressierung ist hier besonders groß", heißt es von What3Words. 2017 wählte Daimler das Unternehmen aus mehreren Start-ups aus. Und seit Mai dieses Jahres kann jeder Fahrer - auch schon bereits ausgelieferter E- und S-Klassen aus dem Jahr 2016/17 - sein Auto auffordern: "Hey Mercedes, navigiere zu Fische Punkt Erde Punkt Abheben". Er wird dann zum Parkplatz in Hamburg am Fischmarkt von St. Pauli geführt. Die Kunden seien bisher sehr zufrieden mit diesem Angebot, sagt Daimler-Sprecher Georg Walthart. Deshalb wird nun auch eine ganze Reihe weiterer Mercedes-Modelle ihre Fahrer mit nur drei Worten ans Ziel bringen. *Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version hieß es, es seien 57 Millionen 3x3 m-Quadrate. Das ist falsch, es sind 57 Billionen. | Mit seinem neuen Adresssystem "What3Words" will der Engländer Chris Sheldrick vieles einfacher machen: Post zustellen, Flutopfer retten, Auto fahren. Das interessiert nicht nur Logistiker. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/navigation-ohne-koordinaten-bring-mich-hin-1.4238566 | Navigation ohne Koordinaten - Bring.mich.hin | 00/12/2018 |
Die Euphorie an den Aktienmärkten ist am Dienstag der Ernüchterung gewichen. Hierzulande schloss der Dax 1,1 Prozent tiefer bei 11 335 Punkten. Der Hoffnung auf eine Lösung im Handelskonflikt zwischen den USA und China folgte nun deutliche Skepsis. Die Verschiebung der geplanten weiteren Strafzölle gebe bei genauerer Betrachtung wenig Anlass zur Freude, sagte Portfolio-Manager Thomas Altmann vom Vermögensberater QC Partners. "Noch sind beide Seiten weit von einer finalen Einigung entfernt. Der Waffenstillstand schließt zwar neue Zölle bis Anfang April aus, danach ist aber weiterhin alles möglich." Am Markt überwog - auch angesichts schwacher deutscher Auto-Absatzzahlen im November - die Vorsicht: VW-Titel verloren drei Prozent, für die Aktien von Daimler und BMW ging es um 2,9 beziehungsweise anderthalb Prozent bergab. Die Autozulieferer standen ebenfalls unter Druck, wofür auch eine negative Studie verantwortlich war. Anteile von Continental und Hella büßten fast fünf und sechseinhalb Prozent ein. Der weiter steigende Ölpreis löste erneut Gewinnmitnahmen bei den Aktien der Lufthansa aus. Die Papiere der Fluggesellschaft führten mit einem Minus von 6,2 Prozent die Dax-Verlierer an. Allerdings hatten die Lufthansa-Papiere seit Ende Oktober infolge nachgebender Ölnotierungen fast 25 Prozent zugelegt. Dank der Fusion von Linde und Praxair wird die Aktie des deutschen Gaseherstellers und Anlagenbauers nun auch in den Stoxx-Europe-50-Index aufgenommen. Linde-Aktien gewannen an der Dax-Spitze zwei Prozent. Besonders kräftige Verluste verzeichneten die US-Börsen, nachdem die Anleger den Burgfrieden zwischen den USA und China infrage gestellt hatten. Der Dow Jones rutschte um drei Prozent ab. Vor allem Industrie- und Technologiewerte gerieten unter Druck. Die beiden Sektoren reagieren meist sehr sensibel auf Nachrichten rund um den Handelskonflikt. Den Dow Jones belasteten vor allem die Börsenschwergewichte Boeing und Caterpillar, die 4,8 beziehungsweise sieben Prozent verloren. Apple-Aktien gaben 4,4 Prozent nach und drückten so auch den S&P 500 und den Nasdaq Composite nach unten. Visa- und Mastercard-Titel verloren jeweils 4,5 Prozent. Die Kreditkarten-Anbieter haben den EU-Wettbewerbsaufsehern im Kartellstreit zu Händlergebühren Zugeständnisse angeboten. | den USA und China ist die Stimmung an den Börsen weltweit gekippt. Auch der Dax fällt ins Minus. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/aktienmaerkte-dow-jones-verliert-mehr-als-drei-prozent-1.4238424 | Dow Jones verliert mehr als drei Prozent | 00/12/2018 |
Der Zoemini von Canon druckt sofort und bietet eine Bildbearbeitung, die Fotos mit Filtern und Emojis verschönert. Sein Preis ist für die junge Zielgruppe allerdings noch etwas zu hoch. Manchmal wohnt dem Ende schon ein Anfang inne. So hat Polaroid vor genau einer Dekade die Produktion von Sofortbildkameras eingestellt. Zu früh offenbar, denn den Boom der Smartphones hat das Unternehmen so verpasst - und die Tür für Rivalen geöffnet. Einer, der die Gunst der Stunde erkannt hat, war Canon. Mit dem Zoemini bieten die Japaner einen Drucker, so klein wie ein Smartphone, der in Minutenschnelle ein Foto ausgibt. Ein schöner Partyspaß, wenn auch mit Abstrichen. Immerhin, eine Tochter von Polaroid profitiert vom Erfolg der Minidrucker, die es nicht nur von Canon gibt. Der Zoemini benutzt wie auch der HP Sprocket oder der Prynt Pocket die Drucktechnik Zink, die für Zero Ink steht, also ohne Tinte. Alle Farbinformationen finden sich schon auf dem noch unbehandelten Papier und erblicken über unterschiedliche Temperaturen das Tageslicht. Das Patent dafür liegt bei der Polaroid-Tochter Zink Imaging. Der Nachteil dieser Technologie: Brillant sieht anders aus. Die Farben wirken blass. Da macht auch der Zoemini keine Ausnahme. Aber für prächtige Wandposter ist das Gerät sowieso nicht das richtige. Die Fotos aus dem Minidrucker messen gerade mal 50 mal 75 Millimeter. Dafür kommt das Gerät selbst aber auch nur auf 118 mal 82 mal 19 Millimeter bei 160 Gramm. Verbunden wird der Zoemini über Bluetooth. Auf iOS- und Android-Geräten läuft eine spezielle App von Canon, die sich intuitiv bedienen lässt. Als Gag können in einer einfachen Bildbearbeitung die Fotos mit allerlei Rahmen, Filtern, Emojis oder Texten verschönert werden. Wer's braucht. Größere Bilder bringt die App auch zustande, indem sie auf dem Smartphone ein Bild in vier oder neun Kacheln zerlegt und diese einzeln druckt. Jedes Fotopapier verfügt über eine abziehbare Rückseite und wird so zu einem Sticker. Man sieht: Der Zoemini ist vollends auf die junge Zielgruppe zugeschnitten. Die allerdings für den Spaß einiges vom Taschengeld hergeben muss. Das Gerät alleine kostet um die 100 Euro. Für das Papier werden im günstigsten Fall weitere zwölf Euro für 20 Blatt verlangt - also stolze 60 Cent pro Abzug. In jedem Drogeriemarkt geht das günstiger, größer und eben auch brillanter. Aber eben nicht sofort. | Der Zoemini von Canon druckt sofort und bietet eine Bildbearbeitung, die Fotos mit Filtern und Emojis verschönert. Sein Preis ist für die junge Zielgruppe allerdings noch etwas zu hoch. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/braucht-man-das-mini-fotodrucker-canon-zoemini-1.4238570 | Mini-Fotodrucker Canon Zoemini | 00/12/2018 |
Zwei Städte, eine Erfolgsgeschichte: Die boomende Tech-Industrie schafft einen enormen Wohlstand und verteilt ihn. Viele Milliardäre und noch viel mehr Millionäre nennen die Städte ihr Zuhause. Zwei Städte, ein Problem: Der Zuzug Zehntausender Bestverdiener treibt die Immobilienpreise erst in die Höhe - und dann immer weiter. All die Menschen, die den Tech-Mitarbeitern ihre Wohnungen putzen, die ihnen abends das Essen liefern, die auf ihre Kinder aufpassen, ziehen ins Umland oder, weil es da auch nicht viel billiger ist, in einen Wohnwagen. Es muss im Leben dieser Menschen nicht mehr viel passieren, damit sie obdachlos werden. In beiden Städten gibt es eine erschütternde Anzahl Menschen, die in Zelten leben. Zwei Städte, eine Idee: Eine Sondersteuer auf große Unternehmen soll Maßnahmen gegen Obdachlosigkeit finanzieren. Es gibt viele Parallelen zwischen den beiden US-Westküstenstädten Seattle und San Francisco. Und einen großen Unterschied: In Seattle musste Amazon, der mit Abstand größte Arbeitgeber der Stadt, im Sommer nur ein paar Tage die Bauarbeiten an seinen neuen Bürotürmen stoppen, um die Stadtregierung einknicken und die Sondersteuer verschwinden zu lassen. Zu groß war die Sorge der Politik, das Wohlwollen Amazons zu verlieren. In San Francisco waren es die Bürger, die in einer Abstimmung für die Sondersteuer votierten. Gegen den Willen der Bürgermeisterin. Sie ließen sich von Drohungen nicht beeindrucken. 0,5 Prozent soll die Steuer auf Umsätze von mehr als 50 Millionen Dollar betragen, 250 bis 300 Millionen Dollar dürfte das bringen. Derzeit hängt die Steuer vor Gericht fest, weil ihre Gegner bezweifeln, dass die 60 Prozent Zustimmung ausreichen. Aber egal, wie es am Ende mit "Proposition C" ausgeht, die Initiative hat für eine intensive Diskussion in der Stadt gesorgt, die andere Städte sich zum Vorbild nehmen könnten. In San Francisco mag die Situation besonders brenzlig sein - auf knapp 900 000 Einwohner kommen 7500 Obdachlose. Zum Vergleich: In München mit 1,5 Millionen Einwohnern leben etwa 500 Menschen auf der Straße. Aber die Frage, um die es geht, ist ja in vielen Städten auf der ganzen Welt virulent: Sollen und müssen Unternehmen sich an der Lösung für Probleme beteiligen, die sie mit ihrem Erfolg verursachen? Oder sind die Firmen nur einem einzigen Ziel verpflichtet, nämlich erfolgreich zu wirtschaften und den Wohlstand ihrer Aktionäre zu mehren? Sie wären dann nicht viel mehr als Kunden ihrer Heimatstadt, die weiterziehen, wenn die Bedingungen anderswo attraktiver erscheinen. In San Francisco vertreten zwei Milliardäre diese beiden Pole der Diskussion: Marc Benioff, Chef des Software-Herstellers Salesforce, und Jack Dorsey, Chef des Kurznachrichtendienstes Twitter und von Square, einem Anbieter mobiler Bezahlsysteme. Benioff, der kaum eine Gelegenheit auslässt, über seine tatsächlich großen philanthropischen Verdienste zu sprechen und Gleiches auch von anderen Gründern und Chefs einzufordern, spendete Millionen, um die Kampagne für "Proposition C" zu finanzieren. Am Freeway in die Innenstadt prangte wochenlang Werbung für die Sondersteuer unter dem Salesforce-Logo. Es ist nicht abwegig, zu glauben, dass Benioff alleine für den Erfolg von "Proposition C" gesorgt hat. Die Einwohner der Stadt denken sich: Warum lassen wir uns von Konzernen so unter Druck setzen? Zunächst sei er auch gegen die Steuer gewesen, erzählte Benioff kürzlich in einem Interview: "Schließlich sollen alle Unternehmen immer gegen alle Steuern sein. Das ist ja das erste, was man an der Universität lernt." Am Ende sei es aber doch einfach: "Man ist entweder für die Obdachlosen oder man ist es nicht." Die erwarteten zehn Millionen Dollar im Jahr zahle er dafür gerne. Wenn man es einen hoffnungslosen Kampf nennen will, als vielfacher Milliardär gegen mehr Hilfen für Obdachlose zu argumentieren, was wird dann erst daraus, wenn man einen Gegner wie Marc Benioff hat? Der Streit zwischen ihm und Dorsey gipfelte in einem erhitzen Austausch auf Twitter, an dessen Ende Benioff schrieb: "Hi Jack. Danke fürs Feedback. Welche Programme gegen Obdachlosigkeit in unserer Stadt unterstützt du? Und in welcher finanziellen Höhe?" Kein Wunder, dass kaum ein Kollege Dorsey öffentlich unterstützen will, auch wenn viele seiner Meinung sind. Dorsey jedenfalls bemühte sich redlich, zu betonen, dass ihm die Obdachlosen in San Franciscos sehr wohl am Herz liegen. Bevor man die Finanzierung verdopple, solle man aber doch zunächst untersuchen, was den Menschen wirklich helfe. Außerdem glaube er an das Primat der Politik, Bürgermeisterin London Breed sei schließlich erst im Juli ins Amt gekommen, nachdem sie die Obdachlosigkeit im Wahlkampf zu ihrem wichtigsten Thema gemacht hatte. Nun solle man ihr Zeit geben. Dann versuchte er es mit der Amazon-Strategie: Im Übrigen könne er mit seinen beiden Unternehmen und Tausenden Mitarbeitern auch gut in eine andere Stadt ziehen. Viele neue Freunde hat Dorsey sich damit nicht gemacht. Die Menschen erinnern sich noch gut daran, dass Twitter 2011 üppige Steuernachlässe gewährt bekam, nachdem das Unternehmen mit Wegzug gedroht hatte. "Soll er doch gehen", ist etwas, das man dieser Tage oft in der Stadt hört. Selbst Einwohner, die selber bei Google, Facebook oder Apple arbeiten, schwärmen von Zeiten, in denen die Preise zwar hoch, aber noch nicht verrückt waren, als San Francisco sich noch so etwas wie eine Alternativ-Kultur leistete, als man noch Menschen traf, die nicht bei einem Tech-Konzern arbeiten. | Im Silicon Valley kämpfen zwei Firmenchefs um die Meinungshoheit: Müssen Konzerne Krisen lösen? | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/kolumne-silicon-valley-milliardaer-gegen-milliardaer-1.4238560 | "Kolumne ""Silicon Valley"" - Milliardär gegen Milliardär" | 00/12/2018 |
Die Zukunft trifft sich im Erdgeschoss des Vorstandsgebäudes von Airbus in Ottobrunn, auf dem Gelände des europäischen Luft- und Raumfahrtkonzerns am südlichen Stadtrand von München. Hier, wo auch die Airbus-Akademie sitzt, in der Führungskräfte weitergebildet werden, wurde ein Extra-Raum eingerichtet und kindgerecht umgestaltet. Seit Anfang Oktober gibt es die Haba-Digitalwerkstatt, für Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren, die damit an die Digitalisierung herangeführt und für neue Techniken wie die Raumfahrt begeistert werden sollen. | Der Konzern will Kinder für Digitalisierung und Raumfahrt begeistern und hat dafür südlich von München eine Werkstatt eingerichtet. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/airbus-werkeln-fuer-die-zukunft-1.4238721 | Werkeln für die Zukunft | 00/12/2018 |
Die Annäherung der Renditen kurz- und langfristiger US-Anleihen hat die Anleger am Dienstag beunruhigt. Fallen die Renditen langfristiger Titel unter diejenigen mit kürzerer Laufzeit, wird das im Fachjargon als "inverse Zinskurve" bezeichnet. Diese deutet darauf hin, dass Anleger einen Wirtschaftsabschwung fürchten. Zweijährige Titel rentierten mit 2,813 Prozent nur geringfügig tiefer als zehnjährige mit einer Rendite von 2,94 Prozent. Die fünfjährigen Bonds warfen nur 2,807 Prozent ab. Am Montag war ihre Rendite erstmals seit 2007 unter diejenige der zweijährigen Papiere gerutscht. Den Experten der Rabobank zufolge spiegelt dies die wachsende Angst vor einer Abkühlung der Weltkonjunktur wider. Der Burgfrieden im Zollstreit zwischen den USA und China habe diese Furcht nur kurz gedämpft, da eine endgültige Lösung des Konflikts noch nicht in Sicht sei. Die Entwicklung bei den US-Bonds strahlte auf deutsche Schuldtitel ab. Der Renditeabstand zwischen zwei- und zehnjährigen Bundespapieren war mit 0,88 Prozentpunkten so niedrig wie zuletzt vor rund eineinhalb Jahren. Spekulationen auf einen Ausstieg vom Brexit gaben dem britischen Pfund Auftrieb. Der Empfehlung eines Generalanwalts beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) zufolge kann Großbritannien seinen Antrag zum EU-Austritt einseitig widerrufen. Der EuGH ist an die Empfehlungen seiner Generalanwälte nicht gebunden, folgt diesen in der Regel aber. Schottische Brexit-Gegner klagen vor dem EuGH und drängen auf ein zweites Referendum, um den Ausstieg Großbritanniens aus der EU noch abzuwenden. Das Pfund stieg bis auf 1,2839 von zuvor 1,2729 Dollar und machte damit seine Vortagesverluste wieder wett. Der Euro gab anfängliche Gewinne im Verlauf komplett ab und notierte am späten Abend bei 1,1340 Dollar. Zuvor hatte sich die Gemeinschaftswährung bis auf 1,1420 Dollar verteuert. | Eine sogenannte "inverse Zinskurve" sorgt für Nervosität bei Investoren von US-Staatsanleihen. Die Entwicklung nährt die Furcht vor einem bevorstehenden Wirtschaftsabschwung. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/staatsanleihen-und-devisen-us-renditen-machen-anleger-nervoes-1.4238426 | Staatsanleihen und Devisen - US-Renditen machen Anleger nervös | 00/12/2018 |
Nicht jede Preisauszeichnung ist ein Grund zur Freude. In diese Kategorie gehört auch der "Goldene Windbeutel", den die Verbraucherorganisation Foodwatch seit 2009 vergibt. Platz eins im Wettbewerb um die "dreisteste Werbelüge" errang dieses Jahr Coca-Cola mit seinem Glacéau Smartwater. Die Freude beim US- amerikanischen Getränkekonzern hält sich entsprechend in Grenzen. Coca-Cola halte die Auszeichnung für nicht gerechtfertigt und nehme sie nicht an", hieß es dort am Dienstag. Bleibt die Frage, was an Smartwater, also am schlauen Wasser, so dreist ist, dass es dafür einen Negativpreis gibt? Vereinfacht ausgedrückt monieren Kritiker, dass hier einfach nur Wasser in Flaschen verkauft wird, allerdings zu einem Preis, der mit 1,65 Euro je Liter bis zum Siebenfachen über dem von normalem Mineralwasser liegt. Was das Produkt von anderen unterscheidet? Mineralwasser kommt hier nicht einfach in die Flasche, es wird zuerst verdampft und dann wieder aufgefangen. Mineralsalze, die dabei verloren gehen, werden später wieder hinzugefügt. Also ein einfacher technischer Vorgang, der jede Menge Energie verbraucht. Freilich lässt sich das auch netter ausdrücken. "Von Wolken inspiriert", "Smartwater" oder "dampfdestilliertes natürliches Mineralwasser", bewirbt Coca-Cola sein Produkt. "Smartwater ist einfach nur ein schnödes Wasser, teuer verkauft", sagt Foodwatch-Frau Sophie Ungerer. Der Konzern hält dagegen, das Wasser habe eine besonders klaren und wenig mineralischen Geschmack. An der Online-Abstimmung haben sich laut Foodwatch fast 70 000 Menschen beteiligt, knapp ein Drittel votierte für Smartwater. Insgesamt fünf Produkte waren für den Negativpreis nominiert Die Verbraucher konnten neben dem Coca-Cola-Produkt auch ein Olivenöl wählen, das mit großen Oliven auf dem Etikett wirbt, aber zu 49 Prozent aus Sonnenblumenöl besteht. Außerdem standen ein Erbseneintopf, ein Ketchup für Kinder sowie ein Müsliriegel auf der Liste. | Coca-Cola erhält den Preis für die "dreisteste Werbelüge des Jahres". Das Produkt Smartwater sei schnödes Wasser, nur teuer verkauft, monieren Verbraucherschützer. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/goldener-windbeutel-einfach-nur-wasser-1.4238711 | Einfach nur Wasser | 00/12/2018 |
Es dauerte dann doch länger als gedacht: Ganze 16 Stunden verhandelten Europas Finanzminister über eine Reform der Wirtschafts- und Währungsunion. Erst am frühen Dienstagmorgen konnte Euro-Gruppen-Chef Mário Centeno eine Einigung verkünden. Das Paket, das nun auf dem Tisch liegt, soll in der kommenden Woche von den Staats- und Regierungschefs bei ihrem EU-Gipfeltreffen beschlossen werden. Die wichtigsten Punkte im Überblick. Euro-Rettungsfonds Eigentlich sollte der Euro-Rettungsfonds ESM zu einem Europäischen Währungsfonds ausgebaut werden. Die Idee dafür stammt ursprünglich vom ehemaligen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Sein sozialdemokratischer Nachfolger Olaf Scholz will zwar weiter an diesem Ziel festhalten, aber bis der ESM auf Augenhöhe mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) ist, dürfte es noch lange dauern. Bislang kann er vor allem pleitebedrohten Staaten mit Krediten im Gegenzug für Spar- und Reformauflagen beispringen - wie zuletzt etwa Griechenland. Sollte künftig ein Euro-Staat vor der Pleite stehen, spielt der ESM eine stärkere Rolle beim Entwurf und der Überwachung von Kreditprogrammen. Da sich der IWF wohl kaum mehr an europäischen Krisenprogrammen beteiligen dürfte, soll der ESM die Schuldentragfähigkeit von Staaten selbst bewerten, um sicherzustellen, dass Kredite langfristig zurückgezahlt werden können. Außerdem soll der Zugang zu einer sogenannten "vorsorglichen Kreditlinie" klarer geregelt werden, die ein Land abrufen kann, wenn es unverschuldet in wirtschaftliche Turbulenzen gerät. Als Beispiel wird stets Irland genannt, das von einem Brexit-Schock getroffen werden könnte. Diese Kreditlinie gibt es beim ESM zwar schon länger, wurde aber bislang noch nie genutzt. Bankenunion Der Euro-Rettungsfonds soll auch bei der Abwicklung von maroden Kreditinstituten eine wichtigere Rolle spielen. Beim ESM wird die sogenannte Letztsicherung (Backstop) für den Bankenabwicklungsfonds SRF angedockt. Dieser soll bis zum Jahr 2024 von den Banken selbst mit 55 Milliarden Euro befüllt werden. Damit soll verhindert werden, dass Steuerzahler für Bankenpleiten haften müssen. Reicht der Geldtopf nicht aus, greift der Backstop, für den die Euro-Staaten weitere 60 Milliarden Euro bereit stellen sollen. Die Euro-Länder wollen so das Vertrauen in den Bankensektor stärken und Kettenreaktionen in der Finanzbranche verhindern. Die Letztabsicherung soll von 2024 an funktionsfähig sein. Euro-Gruppen-Präsident Mário Centeno sagte, der Backstop könne auch schon früher kommen, wenn es im Jahr 2020 genügend Fortschritte bei der Reduzierung von Risiken bei den Banken gebe. Beim Thema Einlagensicherung, das auch zur angestrebten Vollendung der Bankenunion gehört, gab es keine weiteren Fortschritte. Beim EU-Gipfel soll lediglich bekundet werden, dass man weiter daran arbeite. Darüber hinaus wurde noch das sogenannte Bankenpaket beschlossen, das die Risiken in den Bilanzen weiter reduzieren soll. Zudem sollen die Geldhäuser eine verbindliche Verschuldungsquote von drei Prozent einhalten. Systemrelevante Kreditinstitute wie die Deutsche Bank oder die französische Société Générale müssen ausreichende zusätzliche Kapitalpuffer aufbauen, die im Falle einer Abwicklung Verluste ausgleichen sollen. Euro-Zonen-Haushalt Der deutsch-französische Vorschlag eines Budgets für die Währungsunion soll im Kreis der Staats- und Regierungschefs diskutiert werden. Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire goutierte, dass seine europäischen Kollegen "zum ersten Mal eine echte Perspektive auf einen Haushalt der Eurozone" eröffnet hätten. An der von Paris gewünschten Möglichkeit einer Stabilisierung von wirtschaftlich schwächelnden Staaten werde aber noch gearbeitet. Länder wie die Niederlande lehnen eine solche Funktion kategorisch ab und wären - wenn überhaupt - nur für einen Investitionshaushalt zu haben, der für mehr Wettbewerbsfähigkeit sorgen könnte. Das Euro-Zonen-Budget soll innerhalb des EU-Haushalts angesiedelt werden. Damit werden die Verhandlungen darüber erst im Zuge der Gespräche über den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen der Jahre 2021-2027 beginnen. Die mögliche Größe eines Budgets ist genauso offen wie die Frage, wie Nicht-Euro-Staaten davon überzeugt werden sollen, diesem Vorhaben zuzustimmen. Das müssen sie nämlich, denn der EU-Haushalt muss einstimmig verabschiedet werden. Unklar ist auch, woher das Geld dafür kommen soll - im Gespräch ist eine Finanztransaktionssteuer. | Nach 16 Stunden Verhandlung haben sich die Euro-Finanzminister endlich geeinigt. Die wichtigsten Punkte im Überblick. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/eurozone-reform-plaene-1.4238686 | Euro-Reform - So soll die Euro-Zone reformiert werden | 00/12/2018 |
Eine Einladung ins Weiße Haus, was für eine Ehre! Bei so ziemlich allen US-Präsidenten der vergangenen Jahrzehnte, vielleicht abgesehen vom spalterischen und falschspielenden Nixon, wäre das die natürliche wie angemessene Reaktion, zumal wenn die Eingeladenen keine Politiker sind, sondern Wirtschaftslenker. Nun reisen drei wichtige deutsche Automanager - die Chefs von Volkswagen und Daimler, Herbert Diess und Dieter Zetsche, sowie BMW-Finanzvorstand Nicolas Peter nach Washington. Am späten Dienstagnachmittag deutscher Zeit steht ein Treffen an zwischen Autoindustrie und der US-Regierung. Die inoffizielle Abstimmung läuft bereits seit einigen Tagen, betrieben von Richard Grenell, dem hiesigen US-Botschafter. Es dürfte vor allem eine unangenehme Reise sein, auch wenn es sicher ein bemerkenswertes Foto gibt und einen hübschen Eintrag in der Firmenhistorie. Denn für das, was der Präsident und seine Adlaten von den deutschen Managern verlangen werden, haben diese keinerlei Prokura (in Handelsfragen liegt die Verhandlungskompetenz bei der EU). Die Autobosse haben vor allem einiges zu verlieren und mit ihnen Europa. Was nach Ehre aussieht, ist ein Risiko. Das Thema des chaotisch avisierten Termins ist klar: die Übermacht der deutschen Autoindustrie in den USA. Sie stört den US-Präsidenten ganz persönlich. ("Wenn man durch die Fifth Avenue geht, hat jeder einen Mercedes-Benz vor seinem Haus stehen.") Er will das einhegen, findet auch die Zölle ungerecht: Für Wagen, die aus Europa in die USA eingeführt werden, gilt ein Aufschlag von nur 2,5 Prozent, andersherum sind es zehn Prozent. Die Lösung aus Sicht Trumps: ein guter "Deal" zugunsten der US-Industrie. Sonst gibt es saftige Strafzölle, zum Schaden vor allem der deutschen Hersteller. Unter früher geltenden Verhaltensmaßgaben könnte ein Termin im Weißen Haus die Aufgeregtheiten befrieden. Die Deutschen könnten ihre bekannten Punkte nochmals pointiert zum Besten geben und über die 118 000 Jobs sprechen, die an den US-Werken von BMW, Daimler und Volkswagen hängen. BMW ist der größte Autoexporteur des Landes, weil in South Carolina die weltgrößte BMW-Fabrik steht. Kurzum: Wer der deutschen Autoindustrie schadet, schadet auch dem amerikanischen Arbeiter. Die Hersteller können vortragen, dass auch sie den Zollunterschied für schwierig halten, ihn beiderseits auf Null senken wollen. Aber die Manager werden darauf verweisen müssen, dass die Autozölle Teil eines fein justierten Abkommens mit vielen Branchenkapiteln sind, das nur von den Politikern der Europäischen Union im Einvernehmen umgeschrieben werden kann, zuvorderst von Handelskommissarin Cecilia Malmström. Es besteht natürlich die Möglichkeit, dass diese Argumente bei Trump verfangen. Doch die Chance dürfte gering sein. Er wird bei so einem Vortrag über das Primat der Politik wohl nicht nicken, seine Leute werden ähnlich ablehnend sein. Miteinander reden ist besser als übereinander reden - dieses Grundprinzip der Diplomatie gilt nicht mehr in diesen Zeiten, gilt nicht bei dieser US-Regierung, die zu emotional agiert, zu wenig rational. Die Trump-Regierung wird versuchen, die EU-Institutionen zu schwächen Die US-Regierung wird es so aussehen lassen, als kämen die Manager als Bittsteller, was noch verkraftbar wäre. Vor allem aber wird die Regierung in den USA versuchen, die europäischen Institutionen zu schwächen, einen Keil hineinzutreiben. Wieso sind die Deutschen bei den Autos gesprächsbereit, die Franzosen bei den Agrarprodukten aber nicht? Aus solchem Stoff könnten seine Tweets im Anschluss dann sein. Spalte und herrsche ist sein Ansatz, und die Manager müssen höllisch aufpassen, nicht aufs Spielfeld gezogen zu werden und der Einheit der EU zu schaden. Denn tatsächlich ist der Ärger in Europa über deutsche Nebenabreden programmiert, selbst wenn es eigentlich keine Nebenabreden gab. Zugleich wird der Termin teuer für die deutsche Industrie: Um die Sinnlosigkeit des Treffens zu kaschieren müssen seine Gäste dem US-Präsidenten etwas anbieten. Trump, im Grunde seines Wesens ein einfacher Immobilienhändler, wird ein Gespräch mit drei Autohändlern nicht ohne Deal beenden wollen, also neue Investitionen einfordern. Und im Zweifel wird er seine Leute entsprechend instruieren. Wer am meisten bietet bei diesem Schaulaufen der Industrie, bekommt hernach dann den freundlichsten Tweet. Und Gnade dem, der ohne freundliche Gabe nach Washington kommt! Volkswagen könnte dabei gut wegkommen, der Konzern plant sowieso gerade ein E-Auto-Werk in den USA, das er ohne viel Aufwand zur Trump-Fabrik umwidmen könnte; BMW überlegt, eine Motorenfabrik zu bauen; Daimler hofft Gerüchten zufolge, im Fahrtwind mit dem Zulieferer Magna etwas als Weihnachtsgeschenk anbieten zu können, in Form einer neuen Fabrik. Insofern ist es geschickt, dass der Termin nun offenbar tiefer gehängt worden ist, und BMW tut gut daran, nicht den Vorstand mit den meisten Schulterklappen zu senden. Zumal die Reise offenbar auf nichts anderem fußt als auf einer Email des US-Botschafters Grenell. Handelsminister Wilbur Ross und der Handelsbeauftragte Robert Lighthizer könnten dabei sein - schon in dieser Konstellation kann viel schief laufen. Aber immerhin deutet derzeit nichts darauf hin, dass kommt Trump dazu kommt. Das wäre der Ehre zu viel. Diplomatisch ausgedrückt. | Manager von VW, Daimler und BMW reisen ins Weiße Haus. Versprechen können sie eigentlich nicht viel. Dennoch könnte es ein teurer Besuch werden. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/autozoelle-usa-trump-1.4225612 | Die deutschen Autobosse müssen höllisch aufpassen | 00/12/2018 |
Die neue Digitalsteuer, auf die sich Deutschland und Frankreich geeinigt haben, ist eine gute Idee. Sie könnte sogar das Internet besser machen. Bei Volkswagen geht der Mitarbeiter durchs Werkstor und schraubt am Band Blech zusammen. Das fertige Auto rollt hinter ihm vom Band, kommt in ein Wolfsburger Autohaus und wird dort verkauft. Das ist nicht nur eine schöne Wirtschaftswundergeschichte, sondern auch steuerlich ein einfacher Fall: Wolfsburg, Niedersachsen und die Bundesrepublik bekommen viele Steuern, wenn VW viel Gewinn macht. Bei Internetkonzernen ist alles anders. Sie sammeln zwar Daten wie am Fließband, und Programmierer schrauben an Code herum. Aber das passiert irgendwo auf der Welt - unabhängig davon, ob ein Wolfsburger Autohaus eine Anzeige auf Facebook schaltet oder nicht. Die Einnahmen eines Digitalkonzerns und sein Firmensitz sind völlig entkoppelt. Facebook und Google werden jeden Tag von Millionen Deutschen benutzt, aber das Finanzamt merkt nichts davon. Dieses Problem soll die Digitalsteuer lösen. Sie soll die großen Internetkonzerne dazu bringen, endlich in Europa Steuern zu zahlen. Deutschland und Frankreich haben nun gemeinsam beschlossen, wie die Digitalsteuer konkret aussehen könnte - und dabei einen klugen Vorschlag gemacht (PDF via Politico). Denn die beiden Länder sind nicht in die Falle getappt, Daten zu besteuern. Stattdessen zielt die Steuer auf Werbung im Internet. Das ist gut, denn es gibt online zu viel Werbung. Anzeigen an sich sind nicht das Problem, es geht um die Menge und die Qualität. Jede neue Steuer bremst die damit verbundene Aktivität. Die steigende Tabaksteuer hat geholfen, dass die Menschen weniger rauchen und gesünder leben. Wenn eine Gemeinde weniger Hunde haben will, weil nicht jeder Halter hinter dem Tier sauber macht, erhöht der Gemeinderat die Hundesteuer. Die neue Digitalsteuer ist eine Hundesteuer für das Internet: Konzerne sollen drei Prozent ihrer Online-Werbeeinnahmen an das Finanzamt überweisen Daten zu besteuern, wäre fatal gewesen. Denn Deutschland und Europa brauchen mehr Daten, nicht weniger. Viele denken bei Daten nur an die intimen Nachrichten, die sie über Facebook schicken, oder die Krankheiten, die sie googeln. Doch ohne enorme Datensammelei ist es beispielsweise gar nicht möglich, autonome Autos zu entwickeln und zu bauen. Gerade das Hochindustrieland Deutschland braucht Daten. Und die Sammelei kann sogar Leben retten: In Nevada haben vor Kurzem Behörden und Firmen die Daten von Navigationssystemen systematisch analysiert und konnten die Zahl der Unfälle auf einer Autobahn um fast 20 Prozent senken. Werbung zu besteuern, trifft die richtigen Firmen, die ihre Nutzer intensiv überwachen und sie damit locken, dass sie nichts bezahlen müssen. Das sind vor allem Google und Facebook. Die Kosten für Online-Anzeigen sind vor allem dank Google und Facebook enorm gesunken. Das führt zu dem Überangebot an Werbung, vor allem an schlechter Werbung. Es ist leicht, absurde Beispiele zu finden: Auf Facebook sehen Menschen Anzeigen für Abitur-Nachhilfe, obwohl sie ihren Uni-Abschluss offiziell auf Facebook eingetragen haben. Und Google glaubt, dass sich jemand für Country-Musik und Wassersport interessiert, der sich auf keinen Fall für Country-Musik oder Wassersport interessiert (wer es lesen will, was Google für einen interessant findet, kann es eingeloggt hier einsehen). Der Kampf um Werbeeinnahmen hat bisweilen unangenehme Effekte Digital-Dienste mit einem anderen Geschäftsmodell kämen bei der Steuer besser weg. Wer sich mehr darauf stützt, von seinen Kunden Geld einzunehmen, statt ihnen Werbung zu zeigen, hat einen Vorteil. Das betrifft beispielsweise Netflix und Amazon (und digitale Zeitungs-Abos, um das nicht zu verschweigen). Auch diese Firmen sammeln Daten über ihre Nutzer, um ihnen die nächste Serie oder das nächste Buch zu empfehlen. Das ist völlig in Ordnung, macht den Kunden im Idealfall ein besseres Angebot. Der Kampf um Werbeeinnahmen hat bisweilen unangenehme Effekte. Wann immer Nutzer Facebook öffnen, schreit ein roter Knopf um Aufmerksamkeit, obwohl gar nichts Wichtiges passiert ist - aber das hält die Nutzer auf der Seite, wo die Anzeigen zu sehen sind. Googles Videoplattform Youtube zeigt gerne automatisch die irrsten Verschwörungstheorien, weil das die Leute vor dem Bildschirm hält. Wenn sich Werbung weniger lohnt, könnten auch diese Taktiken zurückgehen. Der deutsch-französische Kompromiss, dem alle EU-Länder zustimmen müssten, bevor er Gesetz werden kann, ist bisher nur grob ausformuliert, die Details sind noch offen. Es fehlt beispielsweise noch eine Ausnahme für Start-ups und kleinere Firmen, damit die eine Chance haben zu wachsen. Sie sollten von der Werbe-Steuer befreit sein, die Grenze für den Anzeigenumsatz könnte beispielsweise zwischen 100 und 500 Millionen Euro im Jahr liegen. Das ermöglicht weiterhin Innovationen, für Anbieter aus Europa und den USA. Allerdings muss auch gesagt werden: Gegen die Steuertricks der großen Internetkonzerne hilft die Digitalsteuer praktisch gar nicht. Wer Gewinne in Steueroasen verschiebt, den hält auch die Digitalsteuer nicht auf. Die verschobenen Gewinne aus Werbung werden nur etwas kleiner - immerhin. | Die neue Digitalsteuer, auf die sich Deutschland und Frankreich geeinigt haben, ist eine gute Idee. Sie könnte sogar das Internet besser machen. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/digitalsteuer-deutschland-frankreich-internet-1.4238484 | Die Digitalsteuer ist eine Hundesteuer für das Internet | 00/12/2018 |
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) ist derzeit wohl der größte Schreck der Autoindustrie. Der Verband klagt vor Gericht gegen zahlreiche Städte und Konzerne, um Diesel-Fahrverbote durchzusetzen und hat in vielen Städten bereits Erfolg damit gehabt. Ein prominenter Geldgeber will die Arbeit des Vereins nun offenbar nicht mehr unterstützen: Toyota wolle seine Zahlungen an den Verein stoppen, berichtet die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Die DUH stand wegen der Finanzierung durch Toyota zuletzt in der Kritik, weil das Unternehmen viele Hybrid-Fahrzeuge verkauft, die als Alternative zum Diesel gelten. Dem Bericht der FAZ zufolge unterstützt Toyota die DUH seit zwanzig Jahren mit fünfstelligen Beträgen pro Jahr. Zuletzt, um Studien zur Entwicklung des Taximarkts zu finanzieren. Als Grund nannte Toyota demnach, es sollten die Vorteile des Benzin-Hybridantriebs untersucht werden. Nun seien die Untersuchungen allerdings beendet, Zahlungen an die DUH also nicht mehr nötig. Die beiden Fahrzeuge, die Toyota der DUH zur Verfügung gestellt hatte, seien bereits zurückgeholt worden. Teile der CDU und der AfD wollen Gemeinnützigkeit aberkennen Die DUH hat nur wenige Hundert Mitglieder. Vor allem aus der Autoindustrie gab es in den vergangenen Monaten Kritik an der Organisation und der Art und Weise, wie sie sich finanziert. Der Vorwurf: Der Verein sei nicht unabhängig und nicht gemeinnützig. Offenbar finanziert sich die DU hauptsächlich durch Großspender, darunter viele Unternehmen. Die Deutsche Telekom zum Beispiel überwies in der Vergangenheit einmal 200 000 Euro. Ein Geschäftsbericht des Vereins weist für das Jahr 2015 Einahmen von knapp acht Millionen Euro aus. Zuletzt zweifelten auch Politiker an der Gemeinnützigkeit der DUH. Ein CDU-Bezirksverband will auf dem Bundesparteitag im Dezember darüber abstimmen lassen, ob dem Verein seine Gemeinnützigkeit aberkannt werden soll. Auch Vertreter der AfD forderten dies, unter anderem die Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg. Die DUH wehrte sich gegen diese Initiativen und bezeichnete sie als politisch motiviert. Die Entscheidung über Gemeinnützigkeit treffe das Finanzamt und nicht die Parteien. | Der Verein setzt derzeit vor Gericht ein Diesel-Fahrverbot nach dem anderen durch. Nun verliert er einen prominenten Geldgeber. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/deutsche-umwelthilfe-finanzierung-toyota-1.4238594 | Toyota will Zahlungen an die Deutsche Umwelthilfe stopp | 00/12/2018 |
Lkw-Fahrer arbeiten häufig unter sehr schlechten Bedingungen. Das wollen die EU-Verkehrsminister nun ändern. Sie haben sich auf Regeln für bessere Arbeitsbedingungenen geeinigt, teilte Österreichs Verkehrsminister Norbert Hofer in der Nacht zu Dienstag in Brüssel mit. Mit dem Beschluss soll Lohn-Dumping erschwert werden: Für gleiche Arbeit am gleichen Ort soll künftig auch der gleiche Lohn gezahlt werden. Außerdem sollen die Fahrer bei längeren Ruhepausen nicht mehr im Führerhaus übernachten dürfen. So sollen die Unternehmen offenbar verpflichtet werden, Unterkünfte für ihre Fahrer zu bezahlen. Laut Hofer würden damit die Missstände auf überfüllten Autobahnparkplätzen beseitigt. Europäisches Parlament muss noch zustimmen Für Lkw-Fahrer gibt es in Europa klare Vorgaben, wie lange sie fahren dürfen und wie viele Pausen sie machen müssen. Hofer sprach auf einer Pressekonferenz von einem "absoluten Kabinenschlafverbot". Eine Sprecherin stellte jedoch klar, dass dies nicht für die Übernachtung nach einer regulären Schicht gelte, sondern nur für die wöchentliche Ruhezeit. Pro Woche müssen Lkw-Fahrer mindestens 45 Stunden am Stück pausieren, in dieser Zeit sollen sie künftig nicht mehr im Fahrzeug übernachten. Vor allem in westeuropäischen Staaten gab es zuletzt Beschwerden, dass im Transportgewerbe Sozialdumping und unlauterer Wettbewerb herrschten. Frankreich, Österreich, Belgien, Dänemark, Italien, Luxemburg, Norwegen und Schweden hatten sich im vergangenen Jahr mit Deutschland zusammengeschlossen, um dagegen vorzugehen. Bemängelt wurde auch, dass Fahrer teilweise wochenlange Touren ohne eine Rückkehr nach Hause absolvieren müssten. Dem Verkehrsminister-Beschluss zufolge dürfen die Kraftfahrer nun maximal vier Wochen am Stück in Europa unterwegs sein. Bevor die Änderungen in Kraft treten können, muss noch eine Einigung mit dem Europäischen Parlament gefunden werden. | Die EU-Verkehrsminister wollen, dass die Firmen ihren Fahrern bei längeren Pausen eine Unterkunft bezahlen. Auch die Löhne und die Dauer der Einsätze sollen angepasst werden. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/lkw-fahrer-uebernachten-verbot-1.4238431 | Lkw-Fahrer - Übernachtung im Truck nicht mehr erlaubt | 00/12/2018 |
Einem Finanzinstitut in Thüringen ist kurz vor Jahresende offenbar ein spektakulärer Transfer gelungen: Der frühere Bayern-Profi und Nationalspieler Stefan Effenberg wird Mitarbeiter der Volks- und Raiffeisenbank Bad Salzungen/Schmalkalden. Das berichten das Banken-Nachrichtenportal Finanz-Szene sowie die südthüringische Zeitung Freies Wort. Der 50-jährige Ex-Fußballer wird demnach im Firmenkundengeschäft der Bank mitarbeiten, die schon länger im Fußballgeschäft involviert sein soll. "Wir stehen mit Herrn Effenberg seit längerem in einem gedanklichen Austausch zum Thema Fußball-Finanzierung", sagte ein Sprecher der Bank dem Portal Finanz-Szene. "Das Ergebnis dieser Sondierungen sieht so aus, dass Stefan Effenberg in Zukunft unserem 'Firmenkunden-Kompetenzteam Fußball' angehören wird." Die thüringische Bank soll einen Kredit an Atlético Madrid vergeben haben Die unscheinbare Bank in Thüringen soll sich auf die Finanzierung von Fußballvereinen spezialisiert haben. Einem Bericht des Spiegels zufolge lieh sich etwa der spanische Klub Atlético Madrid im vergangenen Jahr etwa zehn Millionen Euro bei der Bank. Auch andere Profiklubs sollen bereits Geschäfte mit der südthüringischen Volks- und Raiffeisenbank gemacht haben. Welche Rolle Effenberg dabei genau haben könnte, ist noch unklar. Der Sprecher betonte jedoch, dass es sich nicht um einen Marketing-Gag handle. "Herr Effenberg wird ein regulärer Mitarbeiter unserer Bank, was zum Beispiel bedeutet, dass er einen ganz normalen Vertrag erhält und ganz normal in unserem Organigramm geführt wird." Effenberg war für eine Stellungnahme zunächst nicht zu erreichen. Der 50-Jährige, der nach seiner Zeit als Profi unter anderem beim SC Paderborn als Trainer arbeitete, bereitet seine nächste Karriere als Bankmitarbeiter offenbar schon seit einigen Monaten vor. Seit April nimmt er an einem Management-Programm der Akademie Deutscher Genossenschaften (ADG) in der rheinland-pfälzischen Stadt Montabaur teil. | Früher Bayern München, jetzt VR-Bank Bad Salzungen/Schmalkalden. Ex-Nationalspieler Stefan Effenberg heuert offenbar bei einer thüringischen Bank an. Die soll schon länger im Fußballgeschäft involviert sein. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ex-fussballprofi-herr-effenberg-wird-ein-regulaerer-mitarbeiter-unserer-bank-1.4238358 | Stefan Effenberg wechselt zur Volksbank | 00/12/2018 |
Leverkusens Geschäftsführer Rudi Völler hat den Anpfiff des unter Dauerregen ausgetragenen Montagsspiels zwischen dem 1. FC Nürnberg und Bayer kritisiert. "Ich habe schon zur Halbzeit unter Zeugen gesagt, ich hätte es nicht angepfiffen, obwohl wir 1:0 geführt haben. Da ist zu viel Zufall, das muss heutzutage nicht mehr sein", sagte Völler nach dem 1:1 (1:0) der Leverkusener in Franken. Der 58-Jährige hatte nach eigener Aussage auch den Kontakt mit Referee Bibiana Steinhaus gesucht. "Ich habe sie gefragt, ob sie überlegt hat zu Beginn des Spiels, überhaupt anzupfeifen. Sie fand es nicht ganz so schlimm, das muss man akzeptieren", meinte Völler. Bayer-Trainer Heiko Herrlich erkannte "teilweise irreguläre Bedingungen" in Nürnberg. FCN-Coach Michael Köllner fand die Voraussetzungen auf dem durchnässten Rasen nicht ganz so schlimm. "Das Wichtigste ist, dass du es annimmst, dass du für dich einen guten Plan entwirfst", meinte er. Havertz und Marggreitter schießen die Tore Weil in der zweiten Halbzeit noch der Ausgleich fiel, hat Leverkusen den Anschluss ans obere Tabellendrittel der Fußball-Bundesliga verpasst. Der "Club" belohnte sich nach einer Leistungssteigerung vor 32 238 Zuschauern zumindest mit einem Punkt, wartet aber dennoch seit sieben Partien auf einen Dreier. Immerhin bleiben die Franken auf dem 15. Tabellenplatz, die Leverkusener verbesserten sich auf Rang elf. Nationalspieler Kai Havertz (30. Minute) brachte Bayer auf dem heftig durchnässten Rasen mit einem gefühlvollen Schuss in Führung. Georg Margreitter (56.) bewahrte den FCN vor der sechsten Niederlage am Stück gegen Leverkusen. Der Punkt ist aber für Nürnberg ein schmeichelhafter, weil Leverkusen über weite Strecken besser war. Trotz teilweise großer Pfützen kombinierten die Gäste in der Offensive schneller und spielten sich früh die ersten Chancen heraus. Erst scheiterte Karim Bellarabi (9.) aus spitzem Winkel an FCN-Keeper Fabian Bredlow, der den verletzten Christian Mathenia ersetzte. Eine Minute später ging ein abgefälschter Schuss von Sven Bender an die Latte - und nach einer halben Stunde folgte dann die verdiente Führung: Über Julian Brandt landete der Ball nach einer zu kurzen Faustabwehr von Bredlow vor den Füßen von Havertz, der den Ball locker und mit feiner Technik ins Tor hob. Die Mannschaft von Trainer Michael Köllner kam kaum zur Entlastung. Nürnberg spielte insgesamt viel zu behäbig, Wirkung zeigte dann aber die Rückkehr der Nürnberger Ultras zur zweiten Halbzeit, die nach ihrem Stimmungsboykott gegen die Montagspiele nun wieder in der Nordkurve sangen - und wenig später sogar völlig überraschend jubeln durften. Nach einer unglücklichen Abwehraktion der Gäste landete der Ball beim vorgerückten Margreitter, dessen von Dominik Kohr abgefälschter Schuss unhaltbar für Bayer-Keeper Lukas Hradecky ins Tor ging. | Im Dauerregen und unter Protest der Fans holt der 1. FC Nürnberg im Montagsspiel ein 1:1 gegen Leverkusen. Rudi Völler kritisiert, dass überhaupt Fußball gespielt werden musste. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/nuernberg-leverkusen-montagsspiel-regen-1.4238334 | Nürnberg punktet gegen Bayer Leverkusen | 00/12/2018 |
Die Finanzminister der Euro-Zone haben sich auf eine Reform der Währungsunion verständigt. Das teilte Euro-Gruppen-Chef Mário Centeno am Dienstagmorgen mit. Er sprach von einem "Durchbruch bei Schlüsselthemen". Auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) lobte das Ergebnis: "Die Euroreform kommt entscheidende Schritte voran", sagte er. Die europäischen Finanzminister hatten seit Montag 18 Stunden lang verhandelt. Dabei ging es insbesondere um einen besseren Schutz der Währungsunion vor den Auswirkungen von Bankenpleiten und eine Stärkung des Euro-Rettungsfonds ESM. Die Maßnahmen sollen kommende Woche bei einem EU-Gipfel beschlossen werden. Unklar war bis zuletzt, ob der deutsch-französische Vorschlag eines gemeinsamen Euro-Zonen-Budgets mehrheitsfähig ist. Die Euro-Finanzminister verweisen die Idee eines gemeinsamen Haushalts nun an die Staats- und Regierungschefs, die darüber entscheiden sollen - das ist zumindest kein Veto mehr. Das gemeinsame Eurozonen-Budget war eine Forderung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Das Budget soll helfen, die Lebensbedingungen in den Euro-Staaten einander anzunähern. Die Länder sollen sich enger über ihre Wirtschaftspolitik abstimmen und wettbewerbsfähiger werden. Das Geld des Haushalts soll vor allem für Investitionen in Forschung, Entwicklung sowie Aus- und Weiterbildung genutzt werden. Italien könnte EU im Haushaltsstreit entgegen kommen Nach langem Ringen hatten sich Deutschland und Frankreich Mitte November auf einen Vorschlag für ein solches Budget geeinigt. Es soll nicht unter der Hoheit der EU-Kommission, sondern der Regierungschefs der Euro-Staaten stehen und vor allem über Beiträge der Mitgliedsstaaten finanziert werden. Auch Steuereinnahmen könnten dafür verwendet werden, etwa aus einer Finanztransaktionssteuer. Vor allem die Nord-Länder der Eurozone stehen dem Vorhaben kritisch gegenüber. Fortschritte deuten sich derweil im Haushaltsstreit zwischen der EU und Italien an. Nach Angaben von Ministerpräsident Giuseppe Conte will die italienische Regierung in den "kommenden Stunden" einen neuen Haushaltsentwurf vorlegen. Ziel sei es, ein Defizitverfahren gegen Italien zu verhindern, sagte Conte der Zeitung Avvenire. Der neue italienische Vorschlag werde dazu führen, dass die EU-Kommission ein solches Verfahren "nicht in Betracht ziehen" müsse. | Euro-Gruppen-Chef Centeno spricht von einem "Durchbruch bei Schlüsselthemen". Die Reformen sollen bei einem EU-Gipfel kommende Woche beschlossen werden. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/eu-euro-waehrungsreform-1.4238369 | EU - Euro-Gruppe einigt sich auf Reformen | 00/12/2018 |
So ganz genau wissen Herbert Diess, Dieter Zetsche und Nicolas Peter nicht einmal, wer da eigentlich vor ihnen stehen wird, wenn sich an diesem Dienstagnachmittag die Pforten des Weißen Hauses für sie öffnen. Wirtschaftsminister Wilbur Ross, Präsidentenberater Larry Kudlow, der Handelsbeauftragte Robert Lighthizer - drei zweifellos wichtige Männer, die man aber auch mit weniger Aufwand andernorts hätte treffen können? Oder doch Donald Trump persönlich, dieser so schwierige Präsident, der seit Monaten Zölle auf alles und jedes verhängt und dem man als Topmanager eines exportabhängigen Konzerns lieber nicht absagen sollte? Die Chefs von VW und Daimler, dazu der Finanzvorstand von BMW im Weißen Haus: Man könnte das als "Auto-Gipfel" bezeichnen. Oder aber als Reise ins Unbekannte, denn keiner kann so recht sagen, was dieses Treffen eigentlich soll. In Europa hat nur die EU-Kommission das Recht, mit anderen Staaten über die Einführung oder Streichung von Zöllen zu verhandeln - nicht die Bundesregierung, schon gar nicht ein einzelnes Unternehmen. Von einer "panikartigen Reaktion" der deutschen Autobosse ist daher in Brüssel die Rede: Diess, Zetsche und Peter hätten sich schlicht nicht getraut, Nein zu sagen. Was aber sollen sie auch machen? Seit Monaten droht Trump damit, einen Einfuhrzoll von 25 Prozent auf Pkw-Lieferungen aus Europa einzuführen. Vor allem die deutschen Unternehmen sind dem Präsidenten ein Dorn im Auge, weil sie deutlich mehr Autos in die USA liefern als amerikanische Konkurrenten umgekehrt gen Bundesrepublik verschiffen. Das trägt maßgeblich zum immensen deutschen Exportüberschuss gegenüber den Vereinigten Staaten bei. Auch belastet die EU den Import amerikanischer Pkw mit zehn Prozent, während die USA umgekehrt nur 2,5 Prozent verlangen. Trump hatte deshalb schon einmal eine "Nulllösung" vorgeschlagen, dabei aber übersehen, dass die USA auf die Einfuhr der in Amerika besonders beliebten Pickup-Trucks - eine Art Geländewagen mit offener Ladefläche - satte 25 Prozent Zoll erheben. Eine Abschaffung sämtlicher Abgaben hätte somit auch diesen Spezialschutzwall für die US-Hersteller beseitigt. Ob es sinnvoll ist, mit Trump und seinen Adlaten direkt zu sprechen, ist auch unter den deutschen Autobauern selbst durchaus umstritten. Es gibt Manager, die die jetzige Reise für kontraproduktiv halten und davor warnen, die EU-Kommission zu desavouieren. Beim recht reisefreudigen VW-Konzern heißt es dagegen: "Miteinander reden ist stets besser als übereinander." Es gehe ja - zumindest nach dem Verständnis der Automanager - nur um Diskussionen, nicht um Verhandlungen. Auch sei man in engem Kontakt mit der Bundesregierung und der Brüsseler Kommission. Die unterschiedliche Herangehensweise hat auch damit zu tun, dass die Interessen der drei Firmen nicht identisch sind. BMW baut mittlerweile so viele Wagen in den Vereinigten Staaten, dass der Konzern zum größten Autoexporteur des Landes aufgestiegen ist - noch vor den US-Herstellern. Volkswagen betreibt zwar auch ein Werk, allerdings mit eher durchschnittlichem Produktionsvolumen. Zudem verbleiben alle in den USA gebauten Modelle in Amerika. Auch Daimler baut Autos im Land und ist zudem größter Lkw-Hersteller. So leiden die einen schon heute unter dem Handelskonflikt, den Trump etwa mit seinen Zöllen gegen China in Gang gesetzt hat, die anderen sind kaum betroffen. Als Initiator des Treffens im Weißen Haus wird in der Industrie Richard Grenell angesehen, der US-Vertreter in Berlin, der mit seiner fordernd-unverschämten Art die Rolle eines Botschafters völlig neu definiert hat. In Berlin weiß man nicht so recht, ob sein brüskes Vorgehen auf Trumps Geheiß geschieht, oder ob Grenell Treffen wie den Auto-Gipfel auch deshalb arrangiert, um sich beim Präsidenten lieb Kind zu machen. "Der macht eine Riesenwelle", klagt ein Top-Manager, während andere es richtig finden, dass Grenell den "Treiber" gibt: "Wir schätzen das." Immerhin erhalte man so die Möglichkeit, die Leistungen der deutschen Industrie in den USA zu erklären. Klar ist den Managern aber auch: Umsonst wird diese Reise nicht zu haben sein, wer ins Weiße Haus will, sollte etwas mitbringen. Das musste BMW-Chef Harald Krüger letzte Woche erfahren, als er sagte, man "überlege", ein Motorenwerk im Land zu bauen. "Autofirmen strömen in die USA, darunter BMW", triumphierte Trump umgehend im Kurzmitteilungsdienst Twitter, der Konzern habe "soeben den Bau einer großen neuen Fabrik angekündigt". Dass man in München schon seit zwei Jahren über das Projekt nachdenkt, fällt dabei ebenso weg wie der Umstand, dass ein Komponentenwerk eher keine "ganz große Fabrik" ist. Aber Trump sah sich wohl bestätigt, zumal am Tag darauf zu hören war, VW wolle weiter ein E-Auto-Werk in den USA bauen. Auch Daimler wird womöglich gemeinsam mit dem Zulieferer Magna den Bau eines neuen Werks ankündigen. Trump möchte die Autobosse womöglich gegeneinander ausspielen Was aber will Trump? Da die Manager keinerlei Prokura haben, mit seiner Regierung über Zölle oder andere wirtschaftspolitische Fragen zu verhandeln, kann es ihm eigentlich nur um den Versuch gehen, die Europäer gegeneinander auszuspielen. "Grenell will die deutsche Autoindustrie gegen die Kommission aufhetzen und so einen Keil in die laufenden Gespräche zwischen Brüssel und Washington treiben", sagt ein EU-Diplomat. Denkbar ist etwa, dass Trumps Adlaten erneut mit Zöllen auf den Import europäischer Pkw drohen werden, damit VW, Daimler und BMW ihrerseits in Berlin und Brüssel vorstellig werden und größere Zugeständnisse der EU an anderer Stelle einfordern - etwa beim Import amerikanischer Agrarprodukte. Dass ein solches Manöver gelingt, ist allerdings kaum vorstellbar: Die Autokonzerne sind auf gute Beziehungen zur EU mindestens so angewiesen wie auf solche zur US-Politik. Dem Vernehmen nach wird EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström am kommenden Freitag mit den deutschen Autobossen zusammenkommen. Immerhin: Kurz vor ihrem Abflug erhielten Diess, Zetsche und Peter am Montag Rückendeckung von beinahe höchster Stelle: Kanzlerin Angela Merkel sagte, die Manager reisten nicht nach Washington, um Handelsfragen zu debattieren, sondern als Vertreter von Firmen, die in den USA große Werke betrieben und Zehntausende Jobs sicherten. Sie hätten also allen Grund, "als amerikanische Arbeitgeber mit der amerikanischen Administration zu sprechen". | Topmanager von VW, Daimler und BMW sind am Dienstag zu Gesprächen mit der Trump-Regierung geladen. Die Frage ist, was der US-Präsident erreichen will. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/usa-zoelle-auto-1.4236936 | US-Zölle - Autobosse zu Gast im Weißen Haus | 00/12/2018 |
Im Streit um die Einführung einer Digitalsteuer für große Internet-Konzerne wie Google oder Facebook haben sich Deutschland und Frankreich auf einen gemeinsamen Kompromissvorschlag verständigt. Aus EU-Kreisen hieß es, Berlin und Paris treten für eine europäische Steuer in Höhe von drei Prozent des Umsatzes mit Werbeeinnahmen ein. Die EU-Kommission hatte ursprünglich vorgeschlagen, für Digitalriesen wie Google und Facebook mit einem weltweiten Jahresumsatz von mindestens 750 Millionen Euro sowie einem Online-Umsatz von 50 Millionen Euro in Europa drei Prozent Ertragsteuer zu erheben. International agierende Internet-Konzerne zahlen wegen fehlender Filialen in den Ländern ihrer europäischen Kunden deutlich weniger Steuern als traditionelle Firmen. Klassische Wirtschaftsunternehmen zahlen Schätzungen zufolge mehr als 20 Prozent Steuern, Digitalkonzerne gerade einmal halb so viel. In ihrem Vorschlag hatte die Kommission auch angeregt, den Verkauf von Nutzerdaten zu besteuern. So weit wollen die beiden größten EU-Staaten offenbar nicht gehen. Mit der Besteuerung der Online-Werbeeinnahmen werde die Steuer aber "eine der profitabelsten Geschäftsaktivitäten" treffen, hieß es aus EU-Kreisen. Mitgliedstaaten könnten demnach auch auf nationaler Ebene entscheiden, die Besteuerung breiter anzulegen. In einer gemeinsamen Erklärung betonen Deutschland und Frankreich nach Angaben aus EU-Kreisen ihre "Entschlossenheit, eine faire und wirksame Steuer auf große Digitalunternehmen einzuführen". Die Digitalsteuer solle ab dem 1. Januar 2021 in Kraft treten, falls bis zum Jahr 2020 auf Ebene der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) keine Lösung gefunden werde. Beide Seiten erwarten aber eine rechtzeitige Einigung. Die EU-Digitalsteuer würde nach den deutsch-französischen Plänen aber nur befristet bis 2025 gelten. Eine Steuer im Rahmen der OECD hätte eine größere Wirkung als nur in der EU, weil auch Staaten wie die USA, Japan und Südkorea vertreten sind. Die Finanzminister der 28 EU-Staaten beraten am Dienstag über die Digitalsteuer. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron fordert seit Monaten einen schnellen Beschluss zu einer EU-Steuer, um den Bürgern vor der Europawahl im Mai 2019 konkrete Ergebnisse zu präsentieren. Die Bundesregierung hatte lange Zeit nicht mitgezogen und stattdessen auf eine Einigung auf weltweiter Ebene gesetzt. | Berlin und Paris wollen sich für eine Umsatzsteuer von drei Prozent auf Werbeerlöse großer Internetkonzerne einsetzen, heißt es in EU-Kreisen. Den Verkauf von Nutzerdaten wollen sie aber nicht besteuern. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/digitalsteuer-internet-macron-1.4238354 | Digitalsteuer: Gegen Google und Facebook | 00/12/2018 |
Die gewalttätigen Proteste gegen die Politik von Präsident Emmanuel Macron haben drastische Folgen für Frankreichs Wirtschaft. Nach einem Treffen mit Unternehmensverbänden sprach Wirtschaftsminister Bruno Le Maire am Montag von "heftigen und andauernden Folgen", die einige Branchen durch Blockade-Aktionen der Bewegung der "Gelben Westen" erlitten. Vor allem den Einzelhandel, dessen Lieferketten beeinträchtigt sind, treffe es im Weihnachtsgeschäft hart: Hier beliefen sich die Umsatzeinbußen auf bis zu 40 Prozent, so Le Maire. Damit kosteten die Proteste allein diese Branche wöchentlich mehrere Milliarden Euro an Umsatz. Die Proteste der "Gelben Westen", die Frankreich seit Mitte November erfasst haben, richten sich gegen hohe Steuern und Lebenshaltungskosten. Am Wochenende kam es in Paris zu schweren Krawallen. Premierminister Édouard Philippe suchte am Montag Auswege aus der Krise und beriet sich mit den Spitzen aller Parteien. An diesem Dienstag wollte er eine Delegation gemäßigter "Gelber Westen" empfangen, die mit ihrer Forderung nach mehr sozialer Gerechtigkeit Rückhalt in der Bevölkerung genießen. Montagabend sagten die Delegierten der Bewegung das Treffen jedoch ab, Radikale aus den eigenen Reihen hätten sie bedroht, weil sie mit der Regierung sprechen wollten. Am Mittwoch will Philippe neue Hilfen für prekäre Haushalte verkünden. Erste Zugeständnisse, die er und Macron schon gemacht haben, konnten die Wut nicht besänftigen. Kostspielige Hilfen kann sich die Regierung jedoch nicht leisten, da ihr Haushaltsplan für 2019 bereits ein Staatsdefizit knapp unterhalb des EU-Grenzwerts von drei Prozent der Wirtschaftsleistung vorsieht. Zugleich droht durch die Proteste eine Eintrübung der Konjunktur, sodass das Ziel eines Wirtschaftswachstums um 1,7 Prozent für 2018 in Frage steht. Die rechts- und linksextreme Opposition nutzte die chaotische Lage Neben dem Handel leiden laut Le Maire Frankreichs Autohersteller unter Lieferproblemen. Auch die Lebensmittelindustrie registriere "starke Rückgänge". Die Hotelbranche beklagt Buchungseinbrüche von bis zu 20 Prozent. Der Chef des französischen Hotelverbandes Roland Héguy sagte, die Gewalt vom Wochenende habe "das einladende Image von Paris und Frankreich massakriert". Das Geschäft zum Jahresende sei "im Eimer". Le Maire plädierte für schnelle Steuersenkungen, um die Krise zu lösen. Das müsse mit der Kürzung von Staatsausgaben einhergehen. Allerdings fordern viele Demonstranten gerade den Erhalt und Ausbau öffentlicher Infrastruktur. Firmen, die wegen der Blockaden Finanzprobleme bekämen, versprach Le Maire "wohlwollende" steuerliche Behandlung. Die rechts- und linksextreme Opposition nutzte die chaotische Lage, um Neuwahlen zu fordern. Die konservativen Republikaner verlangten, eine zum 1. Januar geplante Erhöhung einer Ökosteuer auf Sprit auszusetzen. Dieser Forderung schlossen sich am Montag auch Abgeordnete aus Macrons Parlamentsmehrheit an. Der Präsident hat ein Ökosteuer-Moratorium aber ausgeschlossen. | Die gewalttätigen Blockaden kosten Milliarden Euro an Umsatz, besonders heftig trifft es den Einzelhandel. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/proteste-frankreich-gelbe-westen-schaden-1.4237890 | Proteste schädigen Frankreichs Wirtschaft enorm | 00/12/2018 |
Die Allianz zahlt ihren Kunden wieder mehr als drei Prozent. Das kann sie sich auch leisten - dank guter Strategie. Das Unternehmen setzt verstärkt auf Wertpapiere. 2001 bis 2003 waren Horrorjahre für die Versicherungswirtschaft. Damals bezifferten Experten die Verluste der Gesellschaften aus Anlagen in Aktien über drei Jahre auf 104 Milliarden Euro, fast alles Kundengelder. Danach fuhren die meisten die Aktienquoten scharf nach unten. Jetzt steigen sie langsam wieder an. In den 90er-Jahren hielten viele Gesellschaften über 30 Prozent der Kapitalanlagen in den Dividendenpapieren. Der Marktführer Allianz Leben lag 2001 bei 29,7 Prozent. Solange die Börse gut lief, waren die Versicherer die großen Gewinner. Um genügend Kapital von Sparern anzuziehen, gaben die Lebensversicherer ihren Kunden sogar Zinsgarantien von 4 Prozent für die Gesamtdauer der Verträge. Das schien damals eine sichere Sache. Doch 2001 drehte sich der Markt, die Blase platzte. Viele Versicherer bleiben bis heute skeptisch. Ein Grund: Unter dem Aufsichtssystem Solvency II müssen sie für Kapitalanlagen in Aktien viel mehr Eigenmittel vorhalten als bei Staatsanleihen. Je höher die Finanzstärke einer Gesellschaft, desto eher ist sie in der Lage, in Aktien anzulegen. Beispiel Allianz: Sie hat sich nie ganz aus dem Segment zurückgezogen. 2016 kam die Gesellschaft auf 12,3 Prozent Aktienquote (nach Berücksichtigung von Absicherungen), 2017 waren es schon 14,3 Prozent. Angesichts der rückläufigen Erträge aus reinen Zinspapieren ein wichtiger Teil des Ertragsmixes der Allianz - trotz der Rückschläge der vergangenen Wochen. Auch deshalb kann es sich die Allianz Leben leisten, ihren Kunden für 2019 eine unveränderte laufende Verzinsung von 2,8 Prozent bis 2,9 Prozent auf den Sparanteil der Prämie zuzusagen. Zusammen mit anderen Gewinnbestandteilen kommen Kunden auf 3,4 Prozent bis 3,7 Prozent. Fast alle Versicherer, die ihre Zahlen bekanntgegeben haben, bleiben 2019 ebenfalls auf dem Niveau von 2018. Die Ergo senkt nur im Bestand der Ergo Direkt die laufende Verzinsung um 0,25 Prozentpunkte auf 2,5 Prozent ab, bei den in Abwicklung befindlichen Ergo Leben und Victoria Leben bleibt sie bei 2,05 Prozent. Der einzige Ausreißer nach oben ist die Ideal Lebensversicherung in Berlin, die um 0,3 Punkte auf 3,3 Prozent erhöht. Hier sind es nicht die Aktien: Der Versicherer begründet den Schritt mit seinem hohen Immobilienbesitz in der Bundeshauptstadt. Die Überschussbeteiligung hat heute eine geringere Bedeutung als noch vor wenigen Jahren. Neukunden, die fondsgebundene oder andere kapitalmarktorientierte Verträge kaufen, haben von diesem Wert nichts. Viele Altkunden profitieren von den früher gegebenen Zinsgarantien, die in der Regel höher sind als die Überschussbeteiligungen. Was bleibt, ist der psychologische Effekt im Wettbewerb. | Die Allianz zahlt ihren Kunden wieder mehr als drei Prozent. Das kann sie sich auch leisten - dank guter Strategie. Das Unternehmen setzt verstärkt auf Wertpapiere. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/lebensversicherer-mehr-aktien-hoher-zins-1.4237487 | Lebensversicherer - Mehr Aktien, hoher Zins | 00/12/2018 |
Eine Nachricht, hastig getippt und dann per Twitter in die Welt geblasen, so arbeitet US-Präsident Donald Trump, so macht er Politik. Es war schon Montagmorgen in Peking, als Trump nach langer Rückreise vom G-20-Gipfel daheim in Washington auf Senden drückte: "China hat zugestimmt, die Tarife für Autos, die aus den USA nach China kommen, zu senken und zu streichen. Derzeit beträgt der Zollsatz 40 Prozent", schrieb Trump. Wenig später verfassten die Nachrichtenagenturen erste Eilmeldungen: "China baut nach Angaben von US-Präsident Donald Trump die Einfuhrzölle für US-Importautos ab." Wirklich? Anfang Juli hatte die chinesische Führung die Zölle für die Einfuhr ausländischer Autos von 25 Prozent auf 15 Prozent gesenkt. Als Reaktion auf den eskalierenden Handelsstreit mit den USA wurden die Abgaben für Autos aus amerikanischer Produktion jedoch kurz danach auf insgesamt 40 Prozent erhöht. Vor allem Daimler und BMW, die ihre auch in China beliebten großen Geländewagen in den USA fertigen lassen, sind seitdem die Leidtragenden. Am Samstag hatten Trump und sein chinesischer Amtskollege Xi Jinping bei einem zweieinhalbstündigen Abendessen bei Steak und schwerem argentinischen Rotwein eine Art Waffenstillstand im Handelsstreit vereinbart. Die USA verzichten demnach auf Zollerhöhungen, China sagte zu, künftig mehr US-Produkte zu kaufen. Zudem sollen die Verhandlungen zu Streitfragen wie den Schutz geistigen Eigentums oder Technologietransfer fortgesetzt werden. Eine Rücknahme der Autozölle, davon war bis zu Trumps Tweet nichts bekannt. Gefragt nach den Zollsenkungen, wich ein Sprecher des chinesischen Außenamts am Montagnachmittag einer direkten Antwort aus. Bei ihren Gesprächen hätten beide Seiten am Wochenende einen "Konsens über wirtschaftliche Probleme erreicht", sagte der Sprecher. Auch habe man sich darauf geeinigt, keine neuen Strafzölle zu verhängen. Es werde nun an einem "konkreten Abkommen" gearbeitet, um den Handelskonflikt beizulegen. Das Pekinger Handelsministerium, das sich in der Regel zu Zollfragen äußert, reagierte nicht auf den Tweet. Peking beabsichtige "sofort landwirtschaftliche Produkte zu kaufen", schreibt Trump Es herrscht ganz offenbar Uneinigkeit zwischen Washington und Peking, was genau in Buenos Aires vereinbart worden ist. Vergleicht man die Erklärungen, die beide Seiten nach dem Treffen veröffentlicht haben, fällt auf, wie unterschiedlich sie sind. Das Weiße Haus teilte mit, dass neue Strafzölle lediglich für 90 Tage ausgesetzt seien. Kommt es innerhalb dieser Frist nicht zu einer Einigung, ist der Waffenstillstand aufgehoben. In der chinesischen Fassung, die die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua verbreitete, sind die 90 Tage nicht erwähnt, stattdessen aber der 19. Parteitag. Beide Seiten würden die im vergangenen Herbst in China angestoßenen Reformen begrüßen, hieß es. Ob das allerdings auch die amerikanische Wahrnehmung ist, ist fraglich. Einer der Hauptkritikpunkte Washingtons bislang war der fehlende Reformeifer Pekings. Eine wirtschaftliche Öffnung sei nicht zu erkennen, befand noch wenige Tage vor dem Gipfel der amerikanische Handelsbeauftragte Robert Lighthizer. Ebenfalls nicht berücksichtigt in der chinesischen Mitteilung ist der Import landwirtschaftlicher Produkte aus den USA. Laut amerikanischer Aussendung soll Peking sich verpflichten, umgehend Gemüse und Früchte aus den USA zu kaufen. Mutmaßlich auch wieder Sojabohnen. Im Juli hatten die Chinesen einen Zoll von 25 Prozent auf amerikanische Bohnen erhoben und damit Bauern in den USA schwer getroffen, weil fast die gesamte Produktion nach China verkauft wird. Viele der Landwirte haben für Donald Trump gestimmt. Auch dazu äußerte sich der US-Präsident, diesmal am Abend nach Pekinger Zeit: "Die Landwirte werden ein sehr großer und schneller Nutznießer unseres Abkommens mit China sein", schrieb er. China beabsichtige "sofort landwirtschaftliche Produkte zu kaufen. Wir machen die besten und saubersten Produkte der Welt, und das will China. Bauern, ich liebe euch!" | Der US-Präsident und die chinesische Führung wollen den Handelskonflikt beilegen - wie, ist Auslegungssache. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/donald-trump-waffenstillstand-bei-steak-und-rotwein-1.4236938 | Waffenstillstand bei Steak und Rotwein | 00/12/2018 |
Seit 33 Jahren arbeitet er nun für Bayer. "Doch so einen Personalabbau habe ich noch nie erlebt", sagt ein Chemiearbeiter, der auf die Betriebsversammlung in Wuppertal wartet, bevor nachher seine Spätschicht beginnt. Sein Arbeitgeber will in den nächsten drei Jahren etwa 12 000 Stellen weltweit streichen, einen "signifikanten Teil" in Deutschland. "Von daher sind wir alle ein bisschen erschrocken", sagt der 54-Jährige, der seinen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen will, zu unsicher erscheint ihm die Lage. "Unglaublich, oder?", fragt ein Kollege mit gelber Gewerkschaftsweste, die Männer klatschen sich ab. "Hammerhart", antwortet er. | Beschäftigte protestieren in Wuppertal gegen den Plan des Konzerns, 12 000 Stellen zu streichen. Die Heimatstadt von Bayer ist besonders betroffen. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/bayer-wir-sind-alle-ein-bisschen-erschrocken-1.4236944 | """Wir sind alle ein bisschen erschrocken""" | 00/12/2018 |
Europas Finanzminister wollen gemeinsam Regeln schaffen, um den Euro zu stärken. Es geht um Themen wie die Abwicklung von Banken, ein Euro-Zonen-Budget und die Frage, wann und unter welchen Bedingungen ein Land Hilfe bekommt. Als Olaf Scholz mittags in Brüssel eintraf, zeigte er sich zuversichtlich. "Ich glaube, dass wir sehr große Fortschritte erreichen können in Fragen, die wir seit vielen Jahren miteinander besprechen und verhandeln", sagte der Bundesfinanzminister vor dem Treffen mit seinen europäischen Amtskollegen am Montag. Und fügte hinzu: "Wir werden uns - wenn alles so läuft, wie ich das erhoffe - heute irgendwann in der Nacht vermutlich mal verständigen." Und dann berichtete er noch kurz von seiner Reise nach Italien: "Ich habe in meinen Gesprächen in Rom vor einigen Tagen festgestellt, dass die Bereitschaft, einen Konsens zu suchen, groß ist." Doch bevor es um italienische Haushaltspläne und ein Reformpaket für die Euro-Zone ging, das beim EU-Gipfel im zehn Tagen beschlossen werden soll, stellte der Bundesfinanzminister zusammen mit seinem französischen Kollegen Bruno Le Maire Ideen für eine Finanztransaktionssteuer vor. Der Vize-Präsident der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis, sah den Vorschlag positiv: "Es gibt Raum für Diskussionen." Gut sei, dass Mittel aus der Steuer in den EU-Haushalt fließen könnten. Von der österreichischen Ratspräsidentschaft kam eine eher abwartende Reaktion. Finanzminister Hartwig Löger forderte mehr Details ein. Er sagte aber auch, wenn Länder wie Deutschland und Frankreich eine solche Initiative vorlegten, dann müsse man sich das natürlich anschauen. Nach seiner Lesart geht es allerdings nicht mehr um eine umfassende Finanztransaktionssteuer, die Berlin und Paris vorschlügen, sondern um einen alternativen Vorschlag, der allein auf den Aktienhandel abziele. "Der wird dann wie verlangt vertieft geprüft", sagte Löger. Wann und unter welchen Bedingungen erhält ein Land Hilfe? Weitaus freundlichere Worte fielen am Montag überraschenderweise über Italien. Nicht nur Scholz äußerte sich optimistisch, auch Dombrovskis erklärte: "Es ist positiv, das sich der Ton der Diskussion geändert hat." Man sei in intensiven Verhandlungen mit Italien und das Land müsse zeigen, ob es zu "substanziellen Änderungen" am Budgetentwurf 2019 bereit sei. Zuvor hatte Italiens Finanzminister Giovanni Tria Medienberichte bestätigt, wonach die Regierung in Rom nun eine Reduzierung des Defizitziels für 2019 auf 2,0 Prozent oder 1,9 Prozent anpeile. Bislang plant Italien für das kommende Jahr mit einem Defizit von 2,4 Prozent. Das ist drei Mal so viel wie von der Vorgängerregierung zugesagt. Die EU-Kommission fordert eine deutliche Korrektur und hat den Weg für ein Defizitverfahren gegen das hoch verschuldete Land geebnet, über das noch vor Weihnachten entschieden werden könnte. Die Situation in Italien galt den Finanzministern am Abend dann auch als eine Art Mahnmal, den Euro weiter zu stärken. So soll beim EU-Gipfel Mitte Dezember die Bankenunion weiter vertieft werden. Im Mittelpunkt steht dabei die Letztabsicherung für jenen Fonds, der für die Abwicklung der Banken zuständig ist. Diese soll künftig beim Euro-Rettungsfonds ESM angesiedelt sein. Im EU-Jargon nennt sich das "common backstop". Der Abwicklungsfonds, in den die Banken bis 2024 einen Betrag von gut 60 Milliarden Euro einzahlen sollen, wird mit einer ESM-Kreditlinie in etwa derselben Höhe aufgestockt. Damit soll es genug Sicherheitspolster geben für den Fall, dass die Mittel des Abwicklungsfonds bei einer Bankenpleite nicht ausreichen. So gut wie nichts dürfte sich allerdings beim Thema Einlagensicherung bewegen. Wenn überhaupt, soll es beim EU-Gipfel in der kommenden Woche nur eine unverbindliche Erklärung geben, weiter darüber zu sprechen. Auch der deutsch-französische Vorschlag eines Eurozonen-Budgets stand am Montag auf der Finanzminister-Agenda. Doch darüber wird erst in den Verhandlungen über den EU-Haushalt 2021 bis 2027 konkret gesprochen. Während einige nordeuropäische Länder einen Extra-Haushalt für die Währungsunion ablehnen, wollten Deutschland und Frankreich zumindest erreichen, das Thema in einer Absichtserklärung festzuhalten. | Europas Finanzminister wollen gemeinsam Regeln schaffen, um den Euro zu stärken. Es geht um Themen wie die Abwicklung von Banken, ein Euro-Zonen-Budget und die Frage, wann und unter welchen Bedingungen ein Land Hilfe bekommt. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/treffen-vor-eu-gipfel-gegen-die-krise-wappnen-1.4236982 | Treffen vor EU-Gipfel - Gegen die Krise wappnen | 00/12/2018 |
Computer- und Onlinespiele gelten schon länger als ein vielversprechendes Geschäft. Einer der großen Spieleentwickler in Deutschland ist die Berliner Firma Wooga: Sie hat in ihrer jungen Geschichte schon viele Höhen und Tiefen durchlebt. Zuletzt steuerte das einstige Vorzeige-Start-up in die Verluste. Nun wird es übernommen, und das soll neue Hoffnung geben. Der israelische Spielehersteller Playtika hat am Montag den Erwerb von Wooga mitgeteilt. Ein Kaufpreis wurde offiziell nicht genannt. Laut der Technologie-Website Venturebeats sind mehr als 100 Millionen Dollar geflossen. Wooga entwickelt vor allem Spiele für soziale Netzwerke und Smartphones, zum Beispiel "Pearl's Peril" oder "Jelly Splash", und vermarktet seine Spiele auch international. | Wooga war mal ein Vorzeige-Start-up in Berlin, doch dann geriet der Spiele-Anbieter in Schwierigkeiten. Jetzt zahlen Israelis mehr als 100 Millionen Dollar für das Unternehmen. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/computerspiele-wooga-verkauft-1.4237049 | Computerspiele | 00/12/2018 |
Alles da. Spielzeug für jedes Kind, jede Altersstufe, jedes Geschlecht. Anspruchsvolles und Seichtes, Billiges und Teures, mit oder ohne Elektronik. Bei einem Rundgang durch die Ausstellungsräume der Firmengruppe Simba-Dickie in Fürth öffnet sich Besuchern eine komplette Spielwarenwelt. Sie könnten meinen, bei einem umfassend bestückten Spielwarenhändler gelandet zu sein. Tatsächlich ist Simba-Dickie aber ein Hersteller. Emsig hat die Unternehmerfamilie Sieber in den vergangenen 20 Jahren eine Spielwarenmarke nach der anderen aufgekauft. Unter dem Dach ihrer Firma wird das Bobbycar von Big ebenso produziert wie Brettspiele von Noris oder Märklin-Modelleisenbahnen. Nun aber wird aus dem reinen Hersteller Simba-Dickie auch ein Händler - und zwar nicht nur im Internet. | Ob mit Barbie, Lego oder Kettcar: Spielwarenhersteller verlieren Umsatz, streichen Stellen, kämpfen ums Überleben. Die Branche steht vor Umwälzungen, das könnte vor allem der Handel zu spüren bekommen. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/spielwaren-rasen-und-schlittern-1.4236992 | Spielwaren - Rasen und schlittern | 00/12/2018 |
Der Kandidat für den CDU-Vorsitz findet, dass die Bürger mehr Aktien zur Altersvorsorge kaufen sollten. Der Vorschlag ist gut, aber Merz denkt das Thema nicht zu Ende. Vielen Menschen hierzulande fehlt schlicht das Geld für solche Investitionen. Friedrich Merz will steuerlich fördern, dass die Deutschen mehr Aktien kaufen. Weil Merz marktliberal ist und von den Kandidaten für den CDU-Vorsitz bei Weitem der reichste, erntet sein Vorschlag Hohn. Motto: Millionär Merz mag Aktien, na klar! Es lohnt sich trotzdem, über seine Idee nachzudenken. Denn wenn die Masse der Deutschen ihr Geld anders anlegen würde, profitierte sie endlich mehr vom Wirtschaftsboom und wäre im Alter besser abgesichert. Damit diese Strategie wirklich gelingt, bedarf es allerdings zusätzlich politischer Korrekturen, die Merz verschweigt. Der CDU-Mann hat die richtige Idee, aber er denkt sie nicht zu Ende. Erst mal ein Blick aufs Gesamtbild: Die finanzielle Situation der Bundesbürger ist erstaunlich dürftig, wie die Europäische Zentralbank herausfand. Trotz Jahren des Aufschwungs besitzt der mittlere Haushalt nur 60 000 Euro - halb so viel wie die Bewohner anderer Euro-Staaten, die uns um unseren Aufschwung beneiden. Nach anderen Studien haben die Deutschen sogar noch weniger. Wie kann das sein? Mit Aktien würden die Bürger an den hohen Gewinnen der Unternehmen beteiligt Eine Spur führt zum Anlageverhalten. Italienern und Spaniern gehört doppelt so häufig ein Haus wie Deutschen. Franzosen oder Niederländer kaufen weit häufiger Aktien. Die Deutschen dagegen halten traditionell an vermeintlich sicheren Banksparprodukten oder Lebensversicherungen fest. Dieser Unterschied hat mehrere Ursachen. Die deutsche Politik ist Banken und Versicherern besonders gerne zu Willen, statt Aktien- und Immobilienbesitz zu fördern. Auch haben die Bundesbürger nach zwei bitteren Währungsreformen 1923 und 1948 besondere Angst vor Verlusten. All das führt zu einer Geldanlage, die das Vermögen der Normalverdiener dezimiert. Denn Aktien und Immobilien werfen deutlich mehr ab als die Lieblingsprodukte der Bundesbürger. Der Bonner Ökonom Moritz Schularick zeigt genauso wie seine US-Kollegen Rajnish Mehra und Edward Prescott, dass Aktien und Immobilien über mehr als 100 Jahre konstant ein Mehrfaches einbrachten - aber gar nicht viel unsicherer waren. Ja, Aktienkurse fallen zuweilen heftig, so wie jetzt, da der Deutsche Aktienindex auf Jahresbasis im Minus steht. Aber solche Schwankungen gleichen sich über längere Zeit meist aus. Deutsche Normalverdiener zogen aus den Währungsreformen die falschen Schlüsse. 1948 wurden Geldersparnisse entwertet, nicht Sachvermögen wie Immobilien oder Maschinen. Gutverdiener wissen das. Sie legen viel häufiger in Aktien und Immobilien an - und siehe da: Sie sind mindestens so vermögend wie die Gutverdiener anderer Euro-Staaten. Natürlich lässt sich die Ungleichheit in Deutschland nur zum kleineren Teil mit der Geldanlage erklären. Dass Arm und Reich stärker auseinanderklaffen, resultiert vor allem aus lächerlichen oder nichtexistenten Kapital-, Erbschaft- und Vermögensteuern, stagnierenden Löhnen, Tarifflucht und dem Abbau des Sozialstaats. Die Anlagemisere schadet den Normalverdienern trotzdem. Die Politik würde ihnen also einen Gefallen tun, lockte sie sie durch finanzielle Anreize weg von ihren Lieblingsprodukten, an denen nur Banken und Versicherer verdienen. Mit Aktien würden die Bürger an den hohen Gewinnen der Firmen beteiligt, die der Boom erzeugt. Auch im Alter hätte die Masse mehr als heute, da ihre Vorsorge-Euros bei Lebensversicherern und Banken versickern. Jedem Zweiten nahe des Ruhestands werden im Alter 700 Euro zu seinem gewohnten Lebensstandard fehlen, woran Riester-Verträge bisher kaum etwas ändern. Damit die Masse der Deutschen wirklich zu mehr Vermögen kommt, braucht es aber Veränderungen, über die Friedrich Merz nicht redet. Sein Vorstoß erscheint reichlich unkonkret. Schwerer wiegt jedoch etwas anderes: Vielen Bürgern fehlt schlicht Geld, um nennenswert Aktien oder gar Immobilien zu kaufen. Um das zu ändern, müsste die Politik Normalverdiener von Steuern entlasten und Geringverdiener von Sozialabgaben. Sie müsste Tarifverträge allgemeingültig erklären, um Niedriglöhne einzudämmen. Und sie müsste nach Schwedens Vorbild staatliche Fonds auflegen, damit Bürger nicht ständig in Details der Aktienanlage eintauchen müssen. Mit anderen Worten: Die Politik müsste auch neoliberale Positionen korrigieren, für die der Politiker Merz selbst steht. Von ihm ist ein wirkungsvoller Gesamtplan daher eher nicht zu erwarten. Andere aus Union und SPD sollten in die Lücke springen und Merz' Idee komplettieren, damit die Deutschen endlich zu Vermögen kommen. | Der Kandidat für den CDU-Vorsitz findet, dass die Bürger mehr Aktien zur Altersvorsorge kaufen sollten. Der Vorschlag ist gut, aber Merz denkt das Thema nicht zu Ende. Vielen Menschen hierzulande fehlt schlicht das Geld für solche Investitionen. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/kommentar-merz-hat-die-richtige-idee-1.4236929 | Kommentar - Merz hat die richtige Idee | 00/12/2018 |
Die Deeskalation im Handelskonflikt verhilft auch dem Euro zu leichten Gewinnen. Ebenfalls deutlich verteuern sich die Preise für Industriemetalle. Als zusätzlicher Treiber erweist sich hier der schwächelnde Dollar. Der Euro hat am Montag von der Deeskalation im Handelskonflikt zwischen den USA und China profitiert. Hingegen geriet der Dollar, der von vielen Anlegern als Rückzugswährung in unsicheren Zeiten betrachtet wird, im Vergleich zu vielen anderen Währungen unter Druck. Ein Euro kostete mit 1,1380 Dollar zeitweise gut einen halben US-Cent mehr als am Freitag. Die USA und China haben sich am Wochenende auf dem G20-Gipfel auf einen "Waffenstillstand" in ihrem Handelskonflikt geeinigt. Dagegen zerrte die nahende Abstimmung im britischen Parlament über den Brexit-Deal weiter an den Nerven der Devisenanleger. Das Pfund Sterling verlor ein halbes Prozent und war mit 1,2700 Dollar zwischenzeitlich so billig wie zuletzt vor fünf Wochen. Am elften Dezember sollen die Abgeordneten über die Scheidungsvereinbarung zwischen Großbritannien und der EU entscheiden. Eine Zustimmung gilt wegen parteiübergreifender Kritik an der Vereinbarung als ungewiss. "Das Einzige, was wir mit absoluter Sicherheit wissen, ist die Tatsache, dass die jüngste Stabilität des Pfunds über die Spannungen unter der Oberfläche hinwegtäuscht", schrieb Stephen Gallo, Chef-Anlagestratege für Devisen bei der Investmentbank BMO. "Ab nun wird es rauer." Der Burgfrieden im Zollstreit zwischen China und den USA bewegte auch die Preise für Industriemetalle und trieb sie in die Höhe. So kletterte der Kurs des wichtigsten Industriemetalls Kupfer um 2,5 Prozent auf 6352 Dollar je Tonne. Analystin Helen Lau vom Brokerhaus Argonaut Securities erklärte, besonders Kupfer, das in den vergangenen Wochen immer wieder unter Druck gestanden hatte, habe großes Aufholpotenzial. Zink verteuerte sich um drei Prozent, der Preis für das in Shanghai gehandelte Aluminium legte um 2,9 Prozent zu. Rückenwind erhielten die in Dollar gehandelten Metallpreise auch von der leicht schwächelnden US-Währung. | Die Deeskalation im Handelskonflikt verhilft auch dem Euro zu leichten Gewinnen. Ebenfalls deutlich verteuern sich die Preise für Industriemetalle. Als zusätzlicher Treiber erweist sich hier der schwächelnde Dollar. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/devisen-und-rohstoffe-euro-mit-leichten-gewinnen-1.4236876 | Devisen und Rohstoffe - Euro mit leichten Gewinnen | 00/12/2018 |
Die Entspannung im Handelskonflikt zwischen den USA und China löst an den internationalen Börsen eine Erleichterungsrally aus. Der Dax steigt kräftig an. Besonders gefragt bei Investoren waren Aktien aus dem Automobilsektor. Die versöhnlichen Töne im US-Handelskonflikt mit China haben dem deutschen Aktienmarkt zum Wochenauftakt kräftige Gewinne beschert. Der Dax ging 1,9 Prozent höher bei 11 465 Punkten aus dem Handel. Anlässlich des G-20-Gipfels in Buenos Aires wendeten die USA und China eine weitere Eskalation in ihrem Handelsstreit vorerst ab. US-Präsident Trump und sein chinesischer Amtskollege Xi Jinping vereinbarten, dass die für Anfang Januar angedrohte nächste Runde von Strafzöllen erst einmal verschoben wird. Binnen 90 Tagen wollen die beiden größten Volkswirtschaften der Welt ihre Streitigkeiten beilegen und in dieser Zeit auf Zollerhöhungen verzichten. Trump teilte per Twitter mit, die Volksrepublik habe eingewilligt, Zölle auf Autoimporte aus den USA zu senken und zu beseitigen. Gegenwärtig liegt der Zollsatz bei 40 Prozent. Die wegen des Handelsstreits unter Druck geratenen Aktien von Autokonzernen waren daher bei vielen Anlegern gefragt. Anteilsscheine von VW, Daimler und BMW zählten mit Gewinnen von 2,9 bis 4,8 Prozent zu den Favoriten im Dax. Aktien des Autozulieferers Continental legten um 3,3 Prozent zu. Im M-Dax verteuerten sich die Titel der Zulieferer Dürr, Hella und Schaeffler um bis zu 5,5 Prozent. Anlegern von Fluggesellschaften missfielen die höheren Preise für Rohöl. Sie fürchteten steigende Kosten für Treibstoff. Lufthansa-Aktien waren mit einem Minus von 1,4 Prozent einer der wenigen Verlierer im Dax. Der Salz- und Düngemittelhersteller K+S bekräftigte trotzt der vergangenen trockenen Witterung seine Jahresziele. Im M-Dax stiegen die Titel um fünf Prozent. Der Windkraftanlagenbauer Nordex hat einen Großauftrag aus Schweden erhalten. Das trieb die Nordex-Papiere um 1,9 Prozent nach oben. Die Entspannungssignale im Handelsstreit gaben auch den US-Börsen Auftrieb. Der Dow Jones schloss 1,1 Prozent höher. Chip-Werte, die stark vom China-Geschäft abhängen, waren gefragt. So gewannen AMD-Aktien mehr als elf Prozent. Amazon stieg mit seinem Kursplus von bis zu 5,2 Prozent kurzzeitig zum wertvollsten Unternehmen an der Wall Street auf. Der Internet-Händler kam vorübergehend auf eine Marktkapitalisierung von 865 Milliarden Dollar. Wenige Tage zuvor hatte der Softwarekonzern Microsoft den iPhone-Hersteller Apple als wertvollstes Unternehmen entthront. | Die Entspannung im Handelskonflikt zwischen den USA und China löst an den internationalen Börsen eine Erleichterungsrally aus. Der Dax steigt kräftig an. Besonders gefragt bei Investoren waren Aktien aus dem Automobilsektor. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/aktienmaerkte-anleger-in-kauflaune-1.4236874 | Anleger in Kauflaune | 00/12/2018 |
Es gebe da noch ein kleines Familienunternehmen in Heidelberg, sagt Tanja Rückert, "aber da bin ich nicht der Chef". Die Chefin, das ist sie in einem etwas größeren Unternehmen, bei Bosch. Seit August leitet sie den Bereich Building Technologies und pendelt zwischen München, wo diese Abteilung von Bosch ihren Sitz hat, und Heidelberg, wo ihr Mann und ihre zwei Kinder (neun und zwölf) zu Hause sind. Würde man das bei einem Mann überhaupt erwähnen? Mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht, aber es ist Rückert, 48, promovierte Chemikerin, selbst, die das Thema zur Sprache bringt. Was sie nicht sagt: Sie ist bei den Schwaben die einzige Frau, die einen ganzen Bereich leitet. Sie bringt dafür beste Voraussetzungen mit. Beim Software-Konzern SAP, wo sie zuvor viele Jahre in Führungspositionen gearbeitet hat, war sie zuletzt für das Internet der Dinge (IoT) zuständig, also die Vernetzung aller möglichen Dinge, vor allem in der Produktion. Dass sie nun bei Bosch, wo viele dieser Dinge hergestellt werden, direkt an der Quelle sitzt, war einer der Gründe dafür, dass sie dem Werben von Bosch nachgegeben habe, sagt sie. "Die Unternehmen, die das Wissen über die Dinge und Innovation zu verbinden wissen, werden in Zukunft erfolgreich sein", ist sie sicher. BT, wie Rückerts Bereich intern heißt, ist ziemlich umfassend. Kamerasysteme gehören dazu ebenso wie Steuerungen für Heizung und Klima, das Unternehmen ist auf diesen Sektoren weltweit im Geschäft, im Shanghai-Tower genauso wie im Bosporus-Tunnel oder dem neuen Trainingszentrum von Juventus Turin. Am Wissen über die Dinge fehlt es einem Unternehmen wie Bosch nicht, wohl aber daran, wie man dieses Wissen in die neue Zeit bringt und mit neuen Techniken nutzbringend verbindet. Dafür soll und will Rückert sorgen. "Bosch ist beim Engineering führend", sagt sie, 25 000 Software-Entwickler seien auch kein Pappenstiel, das Innovative aber könne noch gestärkt werden. Sie bringt dafür Ideen in den Konzern, für die sie auch erst einmal werben muss. Die etwa, dass es in manchen Bereichen besser ist, auf offene Systeme zu setzen, als auf herstellereigene: "Wer nicht in diese Richtung denkt, wird vielleicht sein Königreich bewahren, aber er wird kein wirklich großer Player werden." Offene Plattformen seien gerade bei der Vernetzung wichtig, es heiße schließlich Internet der Dinge, nicht Inseln der Dinge. Die neue Offenheit repräsentiert zum Beispiel das hauseigene Start-up Sast, das ebenfalls in München ansässig ist. Das kleine Team von Sast hat ein Betriebssystem für Sicherheitskameras entwickelt, auf das man Apps laden kann, etwa eine, mit der sich ein Brand erkennen lässt, bevor Rauchmelder überhaupt den ersten Rauch abbekommen haben. Diese Plattform stellt Sast auch anderen Anbietern zur Verfügung - in der Hoffnung, dass dann auch mehr Apps entstehen, die man wiederum auch den eigenen Kunden anbieten kann. Aus Kreisen der Mitarbeiter hört man nur Gutes über die neue Chefin. Kommunikativ und offen sei sie. Wenn es Entscheidungen über eine neue Ausrichtung gebe, würden die Mitarbeiter auch über die Gründe dafür informiert und zögen so gerne mit. Mehr Offenheit kann sich Rückert auch nach außen hin vorstellen. Ihr neuer Arbeitgeber habe zwar gute Produkte, "aber wir reden nicht genug über die Innovationen, die es bei uns gibt". Einsetzen will sich Rückert aber auch für die Förderung von Frauen bei Bosch. Die schwäbische Ingenieurfirma steht mit einem Anteil von 16 Prozent gar nicht einmal so schlecht da. Aber wie die gesamte Firma könne auch das noch besser werden. | Tanja Rückert leitet seit August den Bereich Building Technologies bei Bosch. Und wirbt dort für mehr Offenheit - bei Technologien, aber auch bei der internen Kommunikation. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/nahaufnahme-netz-statt-insel-1.4236931 | Netz statt Insel | 00/12/2018 |
Es war einer dieser Cocktail-Empfänge des Airline-Branchenverbandes IATA, bei denen man zusammen herumsteht, bevor am nächsten Morgen das formale Programm der Tagung beginnt. "Ich bin der kleine Wolfi", scherzte in einer dieser Runden Wolfgang Prock-Schauer, damals Chef der indischen Jet Airways und später einmal bei Air Berlin. Dann schaute er zu Wolfgang Mayrhuber und sagte: "Und das da, das ist der große Wolfi." Der lächelte und widersprach nicht. Der Spruch bezog sich natürlich nicht nur auf die Körpergröße der beiden Österreicher. Denn Wolfgang Mayrhuber, der am vergangenen Samstag nach langer Krankheit im Alter von 71 Jahren gestorben ist, war für die Lufthansa in der Tat ein Großer. Ohne die Entscheidungen in den sieben Jahren, die Mayrhuber bis 2010 an der Konzernspitze verbracht hatte, würde Lufthansa heute anders aussehen, er schuf die Grundlagen des heutigen Airline-Verbundes. Und doch war Mayrhubers Wirken auch umstritten - manches ging schief, manches packte er gar nicht erst an, und manches endete auch im Streit. Mayrhuber hatte eine große Stärke, die in einem Konzern auf längere Sicht auch eine Schwäche werden kann. Er hatte Charisma im Überfluss - wenn er einen Raum betrat, dann füllte er diesen mit seiner Präsenz. Das hat seine Vorteile, wenn man ein Programm hat, das man gegen interne Widerstände durchziehen will. Es hat auch seine Nachteile, wenn sich diejenigen, die ein paar berechtige Einwände gegen einzelne Aspekte des Programms haben, nicht mehr trauen, diese dem Chef auch nahezulegen. So bekommt am Ende der Chef manchmal Kritik nicht mehr zu hören, die er besser mal berücksichtigt hätte. In diesem Sinne war Mayrhuber für die Lufthansa wohl manchmal ein bisschen zu charismatisch, oder aber seine Mitarbeiter irgendwann nicht mehr mutig genug. Mayrhuber kam 2003 als Nachfolger des langjährigen Lufthansa-Chefs Jürgen Weber an die Spitze. Eine undankbare Aufgabe, schließlich war es Weber, der aus einem Pleitekandidaten Anfang der 90er-Jahre eine weltweit führende Airline machte. Mayrhuber leitete damals das Sanierungsteam und wurde von Weber nach erfolgreich geleisteter Arbeit mit dem Chefposten in der Wartungssparte Lufthansa Technik belohnt. 2001 holte ihn Weber dann zunächst als seinen Stellvertreter in die Zentrale nach Frankfurt. Die beiden waren Weggefährten und lange Zeit Freunde, später zerstritten sie sich böse. Mayrhuber wollte auch die marode Alitalia übenehmen Das Programm des Neuen an der Spitze hieß nach der Krise der Jahre 2001 und 2002 Wachstum und Übernahmen. Nachdem Air France und KLM 2004 die gemeinsame Holding Air France-KLM gegründet hatten, zog Mayrhuber ein Jahr später nach und kaufte die zu diesem Zeitpunkt schon weitgehend sanierte Swiss International Air Lines. 2008 stieg Lufthansa bei Brussels Airlines ein und beschloss den Kauf von Austrian. Weber konnte in der Phase als Aufsichtsratschef in letzter Sekunde noch verhindern, dass Mayrhuber auch noch die marode Alitalia übernahm. Der Konzernchef kaufte ein, aber er integrierte nicht, sondern ließ die verschiedenen Airlines in der Gruppe mit Vergnügen gegeneinander fliegen. "Mayrhuber liebt Komplexität", klagte damals ein Aufsichtsrat. Und die Billig-Airlines nahm er auch nicht so richtig ernst. Sich mit denen auseinanderzusetzen und zu sparen, das überließ er gerne seinen Nachfolgern Christoph Franz und Carsten Spohr. Zwei Jahre, nachdem er aus dem Vorstand ausgeschieden war, kehrte Mayrhuber als Aufsichtsratschef zu Lufthansa zurück, obwohl dies Proteste von Investoren beinahe noch verhindert hätten. Den heutigen Vorstandschef Carsten Spohr ließ er lange zappeln, bis er ihm 2014 den Job dann doch gab, zuvor ließ er extern suchen - die beiden sind auch deswegen nie richtig warm miteinander geworden. Es war Mayrhubers letzte große Entscheidung in dem Konzern, bei dem er mehr als 40 Jahre zuvor als Ingenieur in der Triebwerkswartung begonnen hatte. Eine schwere Krankheit schwächte Mayrhuber in den letzten Jahren sichtbar immer mehr, 2017 gab er deswegen den Chefposten im Aufsichtsrat seiner geliebten Lufthansa ab. | Wolfgang Mayrhuber, der ehemalige Konzernchef der Lufthansa, ist nach langer Krankheit gestorben. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/nachruf-mann-mit-charisma-1.4236974 | Nachruf - Mann mit Charisma | 00/12/2018 |
Der Name der früheren Premierministerin steht auf Seite vier der Liste, zwischen der Zoologin Margaret Savigear und der Lungenärztin Margaret Turner-Warwick: Margaret Thatcher ist eine Kandidatin dafür, das Gesicht der neuen Fünfzig-Pfund-Note zu werden. Noch bis 14. Dezember können Bürger Vorschläge bei der Bank of England einreichen. Die britische Notenbank veröffentlichte aber bereits eine sechsseitige eng bedruckte Liste jener Vorschläge, die Anfang November - beim Start des Verfahrens - eingegangen sind und die Kriterien erfüllen. Und dort findet sich der Name der Konservativen, die das Land von 1979 bis 1990 führte. Wegen ihrer knallharten Politik gegenüber Gewerkschaften erwarb sie sich den Ruf einer "Eisernen Lady". Die Währungshüter suchen allerdings als Schmuck für ihren wertvollsten Schein keine Politikerin, sondern britische Wissenschaftler. Thatcher schafft es trotzdem auf die Liste, weil sie in Oxford Chemie studiert und vor ihrer politischen Karriere im Labor des Lebensmittelkonzerns J. Lyons gearbeitet hat. Das war in den Jahren 1949 bis 1951. Dort soll sie Teil eines Teams gewesen sein, das Emulgatoren für Eiscreme erforschte. Dieses Team soll dabei geholfen haben, Softeis zu entwickeln. Zur Verbreitung dieses bunten Details aus Thatchers Leben trug der Bischof von London bei. Der brachte Thatchers Verdienste um die Softeis-Branche 2013 in seiner Rede bei der Trauerfeier zum Tod der Politikerin unter. Sämtliche Pfund-Noten zeigen Queen Elizabeth II. auf der Vorderseite. Die Rückseite der wenig genutzten Fünfzig-Pfund-Scheine schmücken bisher die Dampfmaschinen-Pioniere Matthew Boulton und James Watt. Die Banknoten bestehen aus Baumwollfaser-Papier - genau wie Euro-Scheine. Doch die Bank of England stellt nach und nach alles auf Polymer um, also auf Plastik: Die Kunststoff-Scheine halten länger. Den Anfang machte vor zwei Jahren die Fünf-Pfund-Note, voriges Jahr folgte die Zehn-Pfund-Note, 2020 kommt der Plastik-Zwanziger in Umlauf und kurz darauf dann der neue Fünfziger. Das Auswahlverfahren für das Gesicht auf der Rückseite hat mehrere Stufen: Zunächst wird geprüft, ob die Vorschläge der Bürger den Vorgaben entsprechen. Eine Chance haben nur tote Naturwissenschaftler, Mediziner, Mathematiker, Ingenieure und Astronomen. Nach Ende der Einreichungsfrist wählt ein Expertengremium daraus die vielversprechendsten Kandidaten aus. Marktforscher ermitteln, welche dieser Wissenschaftler am beliebtesten sind und wer heftige Ablehnung hervorruft. Zugleich wird deren Leben und Wirken genau untersucht. Am Ende erhält der Gouverneur der Bank, Mark Carney, eine kurze Liste der besten Vorschläge, und er bestimmt den Sieger. Gegen Thatcher als Gesicht des Fünfzigers spricht nicht nur, dass ihr politisches Erbe sehr polarisiert. Es ist auch unklar, wie bedeutend ihr Beitrag zur Softeis-Forschung wirklich ist. Immerhin wurde das herrlich fluffige Eis in den Vereinigten Staaten schon vor dem Zweiten Weltkrieg verkauft. Als Favoriten für den Geldschein gelten der Astrophysiker Stephen Hawking, die Computerpioniere Alan Turing und Ada Lovelace sowie die Biologin Rosalind Franklin, die den Aufbau des Erbmoleküls DNA mitentdeckt hat. Carney wird seine Entscheidung im kommenden Jahr verkünden. | Britische Fans wollen ein Porträt der Ex-Premierministerin auf der neuen 50-Pfund-Note sehen. Die Begründung für diesen Wunsch überrascht. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/grossbritannien-thatchers-softe-seite-1.4236933 | Thatchers softe Seite | 00/12/2018 |
Wer künftig mit einem elektrischen Tretroller durch die Stadt brausen möchte, braucht dafür einen Führerschein. Außerdem herrsche für Kraftfahrzeuge mit einer Höchstgeschwindigkeit von mehr als zwölf Kilometern pro Stunde Versicherungspflicht, wie aus einer am Montag veröffentlichten Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Fraktion hervorgeht. Durch eine Versicherungsplakette für "Elektrokleinstfahrzeuge" solle die Haftpflichtversicherung nachgewiesen werden. Weiter plant die Regierung, die Tretroller überwiegend auf Radwegen fahren zu lassen. Um die Geschwindigkeitsunterschiede zu Fahrrädern möglichst gering zu halten, sollen die Elektrokleinstfahrzeuge, zu denen etwa auch Hoverboards gehören, je nach Bauart maximal zwölf bis 20 km/h schnell fahren dürfen. Wann die Roller in Deutschland zugelassen werden, ist noch unklar. Während in Deutschland seit Jahren über die Zulassung von elektrischen Tretrollern gestritten wird, gibt es in anderen Ländern wie den USA oder Russland bereits einen harten Wettbewerb unter den Anbietern. Diese verkaufen die Roller teils an Privatleute, teilweise gibt es aber auch Roller-Sharing. Die Roller locken auch die Autoindustrie: Während BMW im Ausland schon einen E-Tretroller im Angebot hat, will die Daimler-Tochter Mytaxi noch dieses Jahr ins Verleihgeschäft einsteigen. Das fränkische Bamberg will den Roller-Verleih für den US-Anbieter Bird als erste deutsche Stadt per Sondergenehmigung erlauben. | Die Bundesregierung legt Vorschriften für die elektrischen Kleinstfahrzeuge fest. Dazu gehört auch der Abschluss einer Haftpflichtversicherung. Wann die Roller hierzulande zugelassen werden, ist allerdings noch unklar. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/tretroller-fuehrerschein-bitte-1.4237066 | Führerschein bitte | 00/12/2018 |
In den deutschen Innenstädten wuchs die Kette zeitweise rasant. 2015 bekam das Image von Vapiano erste Kratzer, inzwischen lässt sich die Krise aber auch an den Geschäftszahlen ablesen. Aus der Entfernung könnte man meinen, dass man bei einem Geschäftsmodell wie dem von Vapiano ja eigentlich nichts falsch machen kann. Vapiano verkauft hauptsächlich Pasta und Pizza - das isst nicht nur in Deutschland nahezu jeder. Zudem ist das Angebot standardisiert und schnell auf dem Teller, das passt zu den Gewohnheiten auch der notorisch gestressten Großstädter. Also wieso um alles in der Welt läuft dieser Laden nicht? In der vergangenen Woche legte die Schnellrestaurantkette schlechte Geschäftszahlen für die ersten neun Monate des Jahres vor: Bereinigt 13,2 Millionen Euro Verlust. Zudem wurde die Gewinnprognose nach unten korrigiert, schon zum zweiten Mal in diesem Jahr. Die Aktie hat seit dem Börsengang im Sommer 2017 mehr als zwei Drittel ihres Werts verloren. Am Ende der Woche war Vapiano-Chef Jochen Halfmann seinen Job los. Sein Nachfolger ist Cornelius Everke, 54, der bereits seit Mai als Verantwortlicher für das internationale Geschäft agierte und zuvor unter anderem für Starbucks arbeitete. Ob er es besser machen wird? Wenn man genauer hinsieht, erkennt man, dass Vapiano seine Misere in den vergangenen Jahren mit großer Hingabe selbst verursacht hat - und das begann schon lange bevor der nun geschasste Chef Halfmann überhaupt die Führung bei Vapiano übernommen hatte. Denn schon bei seinem Amtsantritt 2015 war Vapiano in der Dauerkrise. Es gab Berichte, wonach die Arbeitsleistung der Mitarbeiter nicht korrekt abgerechnet worden sei. Und es gab Meldungen über desaströse hygienische Zustände in einzelnen Restaurants. Jedes dieser beiden Probleme wäre für sich genommen schon ein Desaster - beide zusammen aber waren eine existenzielle Bedrohung für dieses Unternehmen, das mit seinen Restaurants ja eigentlich eine urbane, qualitätsbewusste Klientel ansprechen will. Also genau die Zielgruppe, die sich keine Sorgen darüber machen möchte, ob sie vielleicht in einem Restaurant isst, an dem die Speisen nicht frisch sind und die Mitarbeiter übervorteilt werden. Der branchenfremde Jochen Halfmann, der zuvor lange Jahre für die Parfümeriekette Douglas und später für die Schmuckmarke Pandora gearbeitet hatte, sollte diese Missstände abstellen. Das scheint ihm schnell gelungen zu sein - von grundlegenden Problemen bei der Hygiene oder im Umgang mit den Mitarbeitern war seit damals nicht mehr die Rede. Zudem erfüllte Halfmann das wichtigste Ziel der Eigentümer: Er brachte Vapiano im Juni 2017 an die Börse. Mit 23 Euro je Aktie startete Vapiano am Parkett. Ein Problem sind die Wartezeiten Einige andere von Halfmanns Initiativen allerdings hatten nicht den gewünschten Effekt. Auch um die Börse zufriedenzustellen, setzte Vapiano zuletzt auf hektische Expansion. Dabei wurde eine Menge Geld ausgegeben, die Lage der einzelnen Filialen aber wohl nicht immer kritisch genug geprüft. Deswegen liefern diese Restaurants nun nicht so viel Umsatz ab wie erhofft. Besonders in Schweden lief das Geschäft richtig mies, Halfmann erklärte das mit schlechtem lokalen Management. Der Aktienkurs schmierte auf sieben Euro ab. Dazu kam das Problem mit der Wartezeit: Das Konzept sieht eigentlich vor, dass Kunden nach wenigen Minuten ihr Essen auf dem Teller haben - aber gerade zur Mittagszeit brauchen Kunden bei Vapiano gute Nerven und eine großzügige Mittagspause. Das liegt nicht nur am Andrang, sondern auch daran, dass bei der Kreation von einigen neuen Gerichten der Zeitaufwand nicht richtig berücksichtigt wurde. Ein banaler handwerklicher Fehler, der in den Filialen aber fatale Auswirkungen hat. Dem neuen Chef Everke soll das nicht passieren. Er werde alle Innovationen "auf ein verbessertes Gasterlebnis" ausrichten, wurde Everke zitiert. Übersetzt heißt das wohl vor allem, dass der Bestellvorgang schneller werden soll, etwa durch automatisierte Terminals. Zudem kündigte Everke an, künftig "vermehrt mit unseren Franchise-Partnern" wachsen zu wollen. Neue Filialen würden so weniger Kapital binden. Das gefällt dann vielleicht auch den Anlegern. | Pizza, Pasta, Drama: Die Fastfood-Kette Vapiano findet keinen Weg aus der Krise, die sie selbst verschuldet hat. Jetzt soll ein neuer Chef es richten. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/vapiano-restaurant-italiener-1.4236946 | Warum läuft Vapiano nicht? | 00/12/2018 |
So begrüßen sich sonst nur alte Freunde. Als Saudi-Arabiens Kronpinz Mohammed bin Salman und der russische Präsident Wladimir Putin am Wochenende aufeinandertrafen, schlugen sie ein, anstatt sich einfach nur die Hand zu geben. Man sah, wie sie scherzten, man sah sie lachen, als sie beim G-20-Gipfel direkt nebeneinandersaßen. Während andere Staats- und Regierungschefs die Nähe des Thronfolgers wegen der Khashoggi-Mordaffäre mieden, ließen er und Putin die Welt abermals sehen, wie gut sie sich verstehen: Seit der ersten gemeinsamen Intervention am Ölmarkt Ende 2016 ist aus der Zweckgemeinschaft von damals eine Allianz geworden, ohne die in der Diplomatie der Petrostaaten nichts mehr geht. Während die beiden demonstrierten, wer auf dem wichtigsten Rohstoffmarkt der Welt die mächtigsten Kräfte sind, macht eine Entscheidung Katars klar, wer seinen einst großen Einfluss weitgehend eingebüßt hat: Der Energieminister des kleinen Emirats, Saad Sherida al-Kaabi, verkündete am Montag auf einer Pressekonferenz in Doha, dass sein Land zum Jahreswechsel aus der Opec aussteigen werde, dem lange von den Golfstaaten dominierten Kartell der Erdölexporteure. Doha war 1961 beigetreten, als sechstes Land nach den Gründungsstaaten Iran, Irak, Kuwait, Saudi-Arabien und Venezuela. Es ist der erste Austritt eines arabischen Landes aus dem Zusammenschluss - und insofern ein möglicher Wendepunkt in der langen Tradition des Länderklubs. Katar produziert pro Tag etwas mehr als eine Million Barrel Rohöl und Kondensat, zuletzt gingen 607 000 Barrel davon in den Export. Damit rangiert es innerhalb der Opec auf Platz elf und trägt nur etwa zwei Prozent zur gesamten Ausfuhr des Kartells bei. Die Auswirkungen auf Märkte und Preise dürften daher überschaubar bleiben. Offiziell begründete al-Kaabi den Ausstieg damit, Katar wolle sich auf die Produktion von Erdgas konzentrieren und seine Exporte von derzeit 77 Millionen Tonnen pro Jahr auf 110 Millionen Tonnen steigern. Damit würde Doha seine Stellung als Weltmarktführer weiter ausbauen, von der Energiemenge entspräche der gesamte Energie-Export dann 6,5 Millionen Barrel Öleinheiten, wobei Erdöl nur noch ein Zehntel davon ausmachte. Allerdings: Die Mitgliedschaft in der Opec steht diesen Plänen nicht entgegen. Deswegen vermuten Branchenanalysten vorwiegend politische Gründe für die Entscheidung. Al-Kaabi stellte zwar jeden Zusammenhang mit der im Juni 2017 verhängten Blockade Katars durch Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain und Ägypten in Abrede. Die Kapazität Katars ist zu klein, um wirksam die Bemühungen der Opec zu unterlaufen, den Ölpreis durch Produktionskürzungen zu stabilisieren; Saudi-Arabiens Energieminister Khalid al-Falih stellte in Aussicht, das Kartell und verbündete Staaten, vor allem Russland, könnten die Exporte um bis zu eine Million Barrel am Tag kürzen, um den Markt auszugleichen. Vielmehr dürfte Doha kein Interesse mehr haben, in einer vom saudischen Kronprinzen dominierten Opec mitzutun und damit indirekt die wirtschaftlichen Interessen seines wichtigsten Widersachers zu unterstützen. Katar hat in dem Kartell traditionell eine Mittlerrolle zwischen den arabischen Golfstaaten und anderen Mitgliedern wie Venezuela und Iran gespielt. Auch löst sich Doha so weiter aus dem Gefüge des Golfkooperationsrates, der eine weitgehende Integration der Wirtschaft seiner sechs Mitglieder anstrebte. Und überdies geht Emir Tamim bin Hamad al-Thani möglichem Ärger mit US-Präsident Donald Trump aus dem Weg, der sein Justizministerium beauftragt hat, ein sogenanntes Nopec-Gesetz zu prüfen, das auf die Zerschlagung des Kartells zielen würde. Je mehr ein Land produziert, desto größer ist sein Einfluss auf den Preis Wobei sich die US-Regierung solche Drohgebärden nur erlauben kann, weil die USA mit dem Schieferöl-Boom wieder zum weltweit größten Ölproduzenten aufgestiegen sind. Die Rechnung ist einfach: Je mehr Öl ein Land produziert, desto mehr hat es mitzureden und desto größer ist sein Einfluss auf die Preise. Russland, Saudi-Arabien und die USA haben allein einen Anteil am Weltmarkt, der in diesem Jahr auf 40 Prozent steigen könnte. Die Opec-Staaten mitsamt dem Königreich am Persischen Golf kommen gerade einmal auf knapp 33 Prozent. Die großen drei bestimmen, ob der Markt kurz- und mittelfristig über- oder unterversorgt ist. Bis auf wenige Ausnahmen agieren die Opec-Staaten dabei momentan nur noch als Erfüllungsgehilfen. Kronprinz Mohammed bin Salman hat schnell verstanden, wie wenig Macht die Opec ohne Russland und anderen Staaten außerhalb des Kartells nur noch hat. Also schmiedeten er und Putin eine unter dem Namen "Opec+" bekannt gewordene Allianz von 24 Staaten und einigte sich im Dezember 2016 erstmals auf Förderkürzungen. Nun trifft sich die Opec zwar turnusgemäß diesen Donnerstag in Wien, wichtiger aber ist der Freitag, an dem die Nicht-Opec-Länder dazustoßen. Die wesentlichen Entscheidungen werden ohnehin außerhalb der großen Runde vorab festgelegt, es geht dann bei den Treffen nur noch um Details. Aus katarischer Sicht ist der Ausstieg also folgerichtig. Für andere Mitglieder ist die Opec allein schon wichtig wegen technischer Hilfe und der Marktanalysen, die sie dort erhalten. Das kann Katar aus eigener Kraft leisten. Saudi-Arabien steht derweil vor einem alten Dilemma: Sitzt es die Phase niedriger Preise aus, behält oder steigert das Land zwar seine Marktanteile, riskiert aber unverzichtbare Einnahmen. Es bleibt also kaum etwas anderes übrig, als im Tandem mit Russland die Preise zu stabilisieren - allerdings ohne Trump zu verärgern, der stets die Tankstellenpreise in den USA im Blick hat. Wladimir Putin ist bekannt als einer, der solche Abhängigkeiten auszunutzen weiß. Auf dem G-20-Gipfel hatte er allen Grund zu lächeln. | Russland und Saudi-Arabien machen gemeinsame Ölpolitik - an der Opec vorbei. Dass Katar die Organisation nun verlassen will, zeigt, wie sehr sie an Bedeutung verloren hat. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/opec-die-schwindende-macht-des-oel-kartells-1.4236927 | Opec: Die schwindende Macht des Öl-Kartells | 00/12/2018 |
Im Kampf gegen Diesel-Fahrverbote haben sich Bund, Länder und Kommunen am Montag auf ein neues Maßnahmenpaket geeinigt. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) kündigte nach mehrstündigen Gesprächen im Bundeskanzleramt an, dass der Bund eine weitere knappe Milliarde Euro zur Verfügung stellen will, zusätzlich zu den bestehenden Hilfsgeldern von einer Milliarde Euro. Zum einen sollen die Diesel-Hilfen im kommenden Jahr um 500 Millionen Euro aufgestockt werden. Zum anderen will der Bund laut Merkel gut 400 Millionen Euro zusätzlich speziell für die Hardware-Nachrüstung von kommunalen Fahrzeugen und Lieferfahrzeugen in den 65 Problemstädten bereit stellen. In Deutschlands Rathäusern war zuvor der Ärger über die Regierung gewachsen. Kommunen fühlten sich vielerorts mit dem Problem drohender Fahrverbote allein gelassen. Dabei geht es um fehlende Finanzmittel, aber auch um die Frage, wer eigentlich die Verantwortung trägt. Klar wurde am Montag auch: Die Bundesregierung treibt ihre umstrittenen Pläne für die Massenüberwachung des Verkehrs voran, mit deren Hilfe Fahrverbote kontrolliert werden sollen. Dafür habe man bereits rechtliche Änderungen beschlossen, sagte Merkel. Der Bund werde die mobilen Geräte zur Kennzeichenerfassung fördern. Beschleunigt werden soll außerdem die Hardware-Nachrüstung von Dieselautos. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) kündigte an, die Vorgaben Ende des Jahres festzulegen. Ab 2019 könnten Hersteller Nachrüst-Sets genehmigen lassen. In 65 Städten werden die Grenzwerte gerissen Scheuer hatte die Kommunen zuletzt brüskiert. Er habe kein Verständnis dafür - so der Minister im Bundestag - dass sie "mit alten Luftreinhalteplänen vor Gericht scheitern" und dann Fahrverbote verhängt würden. Anders gesagt: Die Städte seien selber Schuld am Stillstand. Das wollten Bürgermeister bundesweit nicht hinnehmen. "Wie der Verkehrsminister den Städten den Schwarzen Peter zuschiebt, ist beschämend", sagte der Mainzer Oberbürgermeister und Präsident des Kommunalverbands VKU, Michael Ebling (SPD), in dessen Stadt von September 2019 an Stillstand für Diesel droht. Die Regierung habe das Thema nicht ernst genug genommen und werde nun von den Folgen überrollt, sagte Ebling. "Die Bundesregierung unterschätzt das Thema noch immer." Die Regierung will den Sorgen der Kommunen nun offenbar entgegentreten. Die Bundesregierung hatte bereits mehrfach zu Diesel-Gipfeln geladen - auch mit den betroffenen Kommunen. Doch die Probleme waren zuletzt größer statt kleiner geworden. In 65 Städten werden die Grenzwerte gerissen. In Hamburg sind bereits zwei Straßenabschnitte für Dieselautos gesperrt, die nicht die neueste Abgasnorm erfüllen. In Köln dürfen ältere Fahrzeuge von April an weite Teile der Stadt nicht mehr befahren. Stuttgart muss sie von Anfang 2019 an aus dem Stadtgebiet aussperren. Auch in Frankfurt dürfen alte Diesel von Februar an nicht mehr den Bereich innerhalb des Autobahnrings befahren. Von September 2019 an soll das auch für jüngere Euro-5-Fahrzeuge gelten. In Essen ordneten Richter sogar ein Fahrverbot für einen Autobahnabschnitt an, in Berlin für stark belastete Hauptstraßen. Vielen weiteren Städten drohen ebenfalls Fahrverbote. | Die Kommunen fühlen sich mit Verkehrsaufkommen und Luftverschmutzung allein gelassen. Die Bundesregierung will nun die Unterstützung erhöhen - und treibt Pläne für die Massenüberwachung des Verkehrs voran. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/diesel-fahrverbote-bund-1.4237287 | Diesel-Fahrverbot - Bund zahlt weitere Milliarde | 00/12/2018 |
Friedrich Merz will steuerlich fördern, dass die Deutschen mehr Aktien kaufen. Damit das Realität wird, braucht es aber Veränderungen, die es mit ihm kaum geben wird. Friedrich Merz will steuerlich fördern, dass die Deutschen mehr Aktien kaufen. Weil Merz marktliberal ist und von den Kandidaten für den CDU-Vorsitz der reichste, erntet sein Vorschlag Hohn. Motto: Millionär Merz mag Aktien, na klar. Es lohnt sich trotzdem, über seine Idee nachzudenken. Denn wenn die Masse der Deutschen ihr Geld anders anlegen würde, würde sie endlich mehr vom Wirtschaftsboom profitieren und wäre im Alter besser abgesichert. Damit diese Strategie wirklich gelingt, bedarf es allerdings zusätzlich politischer Korrekturen, die Merz verschweigt. Erst einmal ein Blick aufs Gesamtbild: Die Finanzlage der Bundesbürger ist erstaunlich dürftig, fand die Europäische Zentralbank heraus. Trotz Jahren des Aufschwungs besitzt der mittlere Haushalt nur 60 000 Euro - halb so viel wie die Bewohner anderer Euro-Staaten, die uns um unseren Aufschwung beneiden. Wie kann das sein? Eine Spur führt zum Anlageverhalten. Franzosen, Spanier oder Niederländer stecken mehr Geld in Aktien, Häuser oder beides. Die Deutschen aber halten an Banksparprodukten oder Lebensversicherungen fest. Der Ökonom Moritz Schularick weist wie US-Kollegen nach, dass Aktien und Immobilien über mehr als 100 Jahre konstant ein Mehrfaches der deutschen Lieblingsanlagen abwarfen - aber gar nicht viel unsicherer waren. Ja, Aktienkurse schwanken zuweilen, so wie jetzt. Aber das gleicht sich über längere Zeit aus. Vielen Bürgern fehlt schlicht Geld, um nennenswert Aktien zu kaufen Die Politik würde den Deutschen also einen Gefallen tun, lockte sie sie durch finanzielle Anreize weg von ihren Lieblingsprodukten, an denen nur Banken und Versicherer verdienen. Mit Aktien würden die Bürger an den hohen Gewinnen der Firmen beteiligt, die der Boom erzeugt. Auch im Alter hätte die Masse mehr als heute, da ihre Vorsorge-Euros bei Lebensversicherern und Banken versickern. Damit das Realität wird, braucht es aber Veränderungen, über die Friedrich Merz nicht redet. Vielen Bürgern fehlt schlicht Geld, um nennenswert Aktien oder gar Immobilien zu kaufen. Deshalb müsste die Politik Normalverdiener von Steuern entlasten und Geringverdiener von Sozialabgaben. Sie müsste Tarifverträge für allgemeingültig erklären, um Löhne zu erhöhen. Und nach Schwedens Vorbild Staatsfonds auflegen, damit Bürger nicht ständig in Details der Aktienanlage eintauchen müssen. Weil so ein Gesamtplan schlecht zu Merz' neoliberalen Grundeinstellungen passt, ist er von ihm wohl nicht zu erwarten. Andere aus Union und SPD sollten in die Lücke springen und Merz' Idee komplettieren, damit die Deutschen endlich zu Vermögen kommen. | Friedrich Merz will steuerlich fördern, dass die Deutschen mehr Aktien kaufen. Damit das Realität wird, braucht es aber Veränderungen, die es mit ihm kaum geben wird. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/merz-aktien-cdu-1.4237119 | Merz und die Aktien - es braucht Veränderungen | 00/12/2018 |
In manchen Situationen geht es nicht ohne Auto. In allen anderen sollte man es lieber stehen lassen. Warum sich Fahrradfahrer, Fußgänger und ÖPNV die Stadt zurückerobern müssen. Es ist so einfach, Autofahrer zu verdammen. Wenn sie einem nicht den Weg abschneiden, verpesten sie die Luft. Sie sitzen in ihren tonnenschweren Fahrzeugen, betrieben von einem Rohstoff fressenden Motor, und bewegen sich in Städten nur meterweise vorwärts. Für Fahrrad fahrende Urbanisten fühlt sich das an, als radle man durch ein düsteres Zukunftsszenario, das bereits Realität ist. Dass nun einer der mächtigsten Lobbyisten im Land, der ADAC, fordert, Parkplätze zu vergrößern, für die neueren Autos, die höher und breiter als früher sind, macht fassungslos. Straßen und Parkplätze nehmen längst riesige Flächen in Städten ein - jetzt also noch mehr davon? Man kann es auch so sagen: Die deutschen Autofahrer gleichen sich den amerikanischen an, für die massives Gerät zum Way of Life gehört. Auch für deutsche Autobauer lohnen sich vor allem SUVs. Es tut weh, dieser Unvernunft zuzuschauen. Individualverkehr wurde zu oft und zu ziellos verdammt Wenn Privateigentum öffentlichen Raum zuparkt und verdreckt, ist das eine gesellschaftliche, ja eine Machtfrage. Die Fahrradfahrer, die Fußgänger und der öffentliche Nahverkehr müssen sich diesen Raum zurückerobern. Städte müssen sich radikal wandeln - und zwar schnell. Vielen mag es wie ein müdes Mantra vorkommen, Individualverkehr zu verdammen. Zu oft, zu ziellos wurde es vorgebracht. Zu zahm sind die klingelnden Fahrrad-Demos, zu einfach lassen sich Stadtbewohner mit Helm auf dem Kopf als Gutmenschen verharmlosen. Wer auf dem Land lebt und vom Auto abhängig ist, hält diese Städter oft für arrogant, weil sie kurze Wege gewohnt sind und sich die Mieten leisten können. Dabei ist es anmaßend zu glauben, das Stadtleben sei per se privilegiert. Wer einmal länger als fünf Minuten ohne schützendes Auto an einer mehrspurigen Kreuzung stand, an Ampeln neben Lastern ausharren musste, der kann nicht ernsthaft behaupten, das sei Lebensqualität. Sehr viele Menschen leben an solchen Kreuzungen, sehr viele leben beengt. Der deutsche Wohlstand hängt vom Auto ab, aber noch viel mehr vom Klima Die Argumente für das Auto kennt jeder: In manchen Lebenssituationen, und besonders auf dem Land, geht es nicht ohne. An der Autoindustrie hängt der Wohlstand. Das freundliche E-Auto kommt ohnehin bald. Freie Fahrt für freie Bürger ist ein demokratisches Recht. Mag alles sein, aber: Am Ende ist der Mensch wichtiger als das Gerät. Erst eine Stadt, in der nur noch begrenzt Autos unterwegs sind, ist kinder- und familienfreundlich. Wer wirklich etwas für die nächste Generation tun will, fährt sie nicht mit Verbrenner zum Ballett, sondern schützt die Umwelt. Städte wie Pontevedra in Spanien haben Autos verbannt; wo sich früher Fahrzeuge stauten, spielen jetzt Kinder. Wer nach Pontevedra pendelt, lässt sein Auto in einem Parkhaus in der Peripherie und fährt mit dem Zug weiter. Ein Beispiel, das auch zeigt: Wenn gezwungenermaßen eine Möglichkeit wegfällt, müssen neue geschaffen werden, dann kommen eben mehr Züge und Trams. Ja, der deutsche Wohlstand hängt vom Auto ab - aber noch viel mehr vom Klima. Zeit also, sich schleunigst umzustellen, wirklich in neue Industrien zu investieren, wirtschaftlich, finanziell, politisch. Und ja, Städte sind bereits überfüllt, Pendler wird es immer geben. Wer das Land stärken will, muss deshalb auch Mittelstädte fördern, die Jobs, Kultur und Ruhe bieten. Dort kann man übrigens vor allem eines gut: zu Fuß laufen. | In manchen Situationen geht es nicht ohne Auto. In allen anderen sollte man es lieber stehen lassen. Warum sich Fahrradfahrer, Fußgänger und ÖPNV die Stadt zurückerobern müssen. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/auto-verkehr-staedte-1.4235826 | Verkehr: Der Mensch ist wichtiger als das Auto | 00/12/2018 |
Katar will die Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) verlassen. Katars Mitgliedschaft in der Opec werde im Januar 2019 enden, kündigte Energieminister Saad al-Kaabi am Montag in Doha an. Das Ölkartell wurde nach eigenen Angaben am Montagmorgen kurz vor der Bekanntgabe über die Entscheidung informiert. Der weltgrößte Ölproduzent Saudi-Arabien sowie Bahrain, die Vereinigten Arabischen Emirate und Ägypten hatten im Sommer 2017 ihre diplomatischen Beziehungen zu Katar abgebrochen und eine Verkehrs- und Handelsblockade gegen den Golfstaat verhängt. Sie werfen Katar vor, "Terrorismus" zu unterstützen und zu enge Beziehungen zum schiitisch geprägten Iran - dem Erzfeind Saudi-Arabiens - zu pflegen. Doha weist die Vorwürfe zurück. Opec verhandelt über die Ölförderung im kommenden Jahr Die Opec liefert ein Drittel des weltweiten Bedarfs an Öl und verfügt über die größten bekannten Reserven. Das Kartell wurde 1960 von Saudi-Arabien, dem Iran, dem Irak, Kuwait und Venezuela gegründet. Die Ankündigung Katars kommt kurz vor einem wichtigen Treffen der Opec: Im Dezember wollen die Mitgliedsländer in Wien über die Ölproduktion 2019 beraten. Der saudi-arabische Ölminister Khalid Al-Falih hatte zuletzt angekündigt, sein Land werde nicht mehr Öl fördern, als auf dem Weltmarkt benötigt werde. Mit niedrigeren Fördermengen könnte die Opec versuchen, den Ölpreis in die Höhe zu treiben: Künstliche Verknappung soll den Rohstoff teurer machen. Der omanische Ölminister Mohammed bin Hamad Al-Rumhy sagte am Sonntag, er erwarte einen Konsens für eine Drosselung. Oman sei bereit, sich der Entscheidung der Opec und ihrer Verbündeter für eine mögliche Kürzung anzuschließen. Russland, das zwar nicht Mitglied der Opec ist, aber zum informellen erweiterten Kreis Opec+ gehört, soll sich zuletzt ebenfalls offen für solche Vorhaben gezeigt haben. In den vergangenen Wochen war der Ölpreis deutlich gefallen. US-Präsident Donald Trump freute sich über diese Entwicklung, er forderte auch via Twitter niedrigere Preise. Außerdem hatte Trump unter anderem acht Ländern überraschend erlaubt, trotz amerikanischer Sanktionen übergangsweise weiter iranisches Öl zu kaufen. Das hatte Anfang November den Ölpreis weiter gedrückt. | Das Emirat ist nicht bereit, im Streit mit Saudi-Arabien und seinen Verbündeten klein beizugeben. Katars Mitgliedschaft in der Organisation Erdöl exportierender Länder soll schon im Januar 2019 enden. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/katar-opec-erdoel-1.4236816 | Katar will im Januar aus der Opec aussteigen | 00/12/2018 |
Die USA und China verzichten im Konflikt um Importabgaben auf eine weitere Eskalation. Trump hatte dem chinesischen Präsidenten Xi ein Ultimatum gestellt. Im Handelsstreit zwischen China und den USA hat China nach Angaben von US-Präsident Donald Trump zugesagt, Zölle auf US-Autos "zu reduzieren und abzuschaffen". Derzeit lägen die Zölle bei 40 Prozent, schrieb Trump am Sonntagabend auf Twitter. Genauere Angaben machte Trump nicht. Von chinesischer Seite wurde die Einigung nicht bestätigt. China hatte seine Zölle auf Autos aus dem Ausland im Sommer noch gesenkt, und zwar auf 15 Prozent. Doch nach weiterer Eskalation im Handelskonflikt erhöhte China die Zölle auf US-Autos auf 40 Prozent. China has agreed to reduce and remove tariffs on cars coming into China from the U.S. Currently the tariff is 40%. — Donald J. Trump (@realDonaldTrump) 3. Dezember 2018 Am Samstag hatten sich Trump und der chinesische Präsident Xi Jinping beim G-20-Gipfel in Buenos Aires zu einem gemeinsamen Abendessen getroffen. Das Weiße Haus teilte danach mit, die Erhöhung der Strafzölle der USA gegen chinesische Produkte werde vorerst ausgesetzt. Zum Jahresbeginn 2019 sollten die Zölle auf Importe aus China im Umfang von 200 Milliarden Dollar eigentlich von zehn auf 25 Prozent angehoben werden. Auch deutsche Hersteller leiden unter Autozöllen Die USA stellten China jedoch zugleich ein Ultimatum: Wenn Peking den Forderungen nach einem Abbau der Handelsbarrieren nicht binnen 90 Tagen nachkommt, sollen die Strafzölle wie geplant steigen. Unter den hohen Autozöllen in China leiden auch deutsche Hersteller. Daimler hatte im Sommer seine Gewinnprognose unter anderem wegen des internationalen Handelsstreits gesenkt. Die Stuttgarter produzieren in ihrem US-Werk in Tuscaloosa 290 000 Fahrzeuge, darunter besonders große Geländewagen, sogenannte SUV, die dann nach China exportiert werden. Daimler rechnete damals mit sinkenden Verkaufszahlen wegen der höheren Zölle. | Die USA und China verzichten im Konflikt um Importabgaben auf eine weitere Eskalation. Trump hatte dem chinesischen Präsidenten Xi ein Ultimatum gestellt. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/trump-china-zoelle-1.4236806 | Trump-Tweet: China will Zölle auf US-Autos senken | 00/12/2018 |
Ohne Brexit-Deal müssten Laster an der Grenze wieder kontrolliert werden. Der wichtigste britische Fährhafen in Dover würde kollabieren. Nirgends zeigt sich deutlicher, was beim EU-Ausstieg auf dem Spiel steht. Schaumkronen tanzen im Ärmelkanal auf den Wellen. Am Horizont trennt eine dunkle Linie den grauen Himmel vom grün-grauen Wasser. Diese Linie ist die französische Küste, gut 30 Kilometer entfernt von diesem Aussichtspunkt auf den Kreidefelsen von Dover. Direkt am Fuß der weißen Klippen befindet sich der Hafen: Drei mächtige Fähren haben angelegt. Der Wind trägt unverständliche Lautsprecherdurchsagen herbei. Von einem Schiff fahren Lastwagen herunter und auf eine Hochstraße, die in einem großen Bogen raus aus dem Gelände führt. Andere Straßen führen rein in den Hafen, zu Parkplätzen vor den Kais. Von hier oben wirkt Europas belebtester Fährhafen wie eine Miniatureisenbahn, nur dass statt Zügen Laster auf vorgegebenen Bahnen herumzuckeln. Autos sind kaum zu sehen. Bis zu sechzigmal am Tag kommt eine Fähre aus dem französischen Calais oder Dünkirchen an, bis zu sechzigmal legt eine ab. Neben Autos transportieren die Schiffe der Reedereien P&O Ferries und DFDS Seaways an Spitzentagen 10 000 Lastwagen. Das sind mehr Laster, als alle anderen britischen Häfen - und der Betreiber der Züge durch den Ärmelkanal-Tunnel - zusammen abfertigen. Die Lastwagen bringen Zulieferteile in Fabriken, die oft bloß Vorräte für wenige Produktionsstunden lagern. Just-in-time-Fertigung heißt dieses Prinzip. Oder sie bringen Obst und Gemüse, Bier und Wein für die Supermärkte. Wie eng die Wirtschaft des Königreichs mit der im Rest Europas verflochten ist, zeigt sich nirgendwo besser als im Port of Dover. Der Hafen ist die Lebensader, die Großbritannien mit dem Festland verbindet. Doch der Brexit könnte diese Lebensader verstopfen. Es ist ungewiss, ob das britische Parlament in anderthalb Wochen für den Austrittsvertrag stimmt, auf den sich London und Brüssel nach quälend langen Verhandlungen geeinigt haben. Zahlreiche Brexit-Enthusiasten bei den regierenden Konservativen finden, dass Premierministerin Theresa May der EU viel zu sehr entgegengekommen sei. Bei einer Ablehnung besteht die Gefahr, dass Großbritannien die Union am 29. März 2019 ohne Scheidungsvertrag verlässt. Dann würde die vereinbarte Übergangsphase wegfallen, in der sich für Firmen und Bürger fast nichts ändern soll. Stattdessen würden Zölle eingeführt, Grenzbeamte müssten Laster überprüfen. An den Häfen drohten Chaos und Staus. Fabriken würden die Zulieferteile ausgehen, Supermärkte könnten Regale nicht wieder auffüllen. Und selbst wenn das Parlament den Vertrag absegnet, müssen Spediteure und Hafenbetreiber, die Manager in Supermärkten und Fabriken weiter bangen. Dank der Übergangsphase bliebe zwar bis Ende 2020 oder vielleicht sogar bis 2022 alles wie gehabt. Aber ob danach Kontrollen vermieden werden können, hängt vom Handelsvertrag ab, den Brüssel und London während dieser Zeit abschließen wollen. Tim Reardon wird die Arbeit daher nicht so schnell ausgehen. Der 47-Jährige ist "Head of EU Exit" beim Hafenbetreiber in Dover, also der Brexit-Beauftragte. Sein Schreibtisch steht im fünften Stock eines Bürogebäudes auf dem Hafengelände. Er schreitet ans Fenster und zeigt auf eine Fähre. "Sehen Sie den Lastwagen mit dem weißen Auflieger, der gerade herunterfährt?", fragt er und blickt auf seine Armbanduhr. "Lassen Sie uns schauen, wie lange er bis zum Ausgang braucht." Der Laster, der dem Logo auf dem Anhänger zufolge der lettischen Spedition Kreiss gehört, fährt auf die Hochstraße im Hafen, vor ihm und hinter ihm andere Lastwagen. Eines der Gespanne hat den Namen einer ungarischen Spedition auf die Seite gedruckt, dann kommen Laster aus Litauen und den Niederlanden - eine Parade der europäischen Logistikbranche. "Hier, der Lastwagen hat ein Fahrgeschäft für einen Jahrmarkt geladen", sagt Reardon. Schließlich fährt das Kreiss-Gespann vorbei. Als es aus dem Sichtfeld verschwindet, kurz vor dem Ausgang des Hafens, schaut der Manager wieder auf seine Uhr. "Dreieinhalb Minuten von der Fähre", sagt er zufrieden. Reardon weist gen Meer: "Und da ist bereits das nächste Schiff." Alles geht so schnell, weil die Laster nach dem Anlegen einfach wegfahren können. Die Pässe werden immer schon am Abfahrtshafen geprüft. Das ist nötig, weil Großbritannien nicht Mitglied des Schengen-Raums ist. | Ohne Brexit-Deal müssten Laster an der Grenze wieder kontrolliert werden. Der wichtigste britische Fährhafen in Dover würde kollabieren. Nirgends zeigt sich deutlicher, was beim EU-Ausstieg auf dem Spiel steht. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/brexit-port-of-dover-zoll-1.4233690 | Brexit: Wenn Großbritanniens Lebensader verstopft | 00/12/2018 |
Neben Dönerbude und Billig-Bäcker wird in Dortmund die Gestaltung von Läden auf der ganzen Welt geprägt. Dort residiert Heinz-Herbert Dustmann, ein kleiner, älterer Herr, dem Top-Manager vertrauen. Sein Unternehmen "Dula" baut die Inneneinrichtung für Modeketten wie H&M oder Filialen des Kameraherstellers Leica. Und wenn Apple-Chef Tim Cook in der Konzernzentrale in Cupertino zur Konferenz lädt, sitzt er wahrscheinlich an einem Tisch aus Dustmanns Fertigung. Im vergangenen Jahr besuchte ihn der Tech-Manager sogar in einem Werk im Münsterland. Ein sympathischer Mann sei der Tim Cook, sagt Dustmann mit schmalem Lächeln. Der 66-Jährige weiß wohl: Viel mehr kann man als Familienunternehmer nicht erreichen. Dustmann baute Einrichtungen für Harrods, Harvey Nichols und De Bijenkorf Dennoch tritt er in den letzten Jahren seiner Karriere noch einen Beweis an. Dustmann will zeigen, dass das abgeschriebene Konzept "Kaufhaus" mit der richtigen Einrichtung noch eine Zukunft hat. Während Karstadt und Kaufhof scheinbar aus der Mode kommen, erprobt er in seinem Geschäft in Dortmund Innovationen. Das Erfolgsrezept: Ausgefallen muss es sein. Leicht könnte man den Mann mit dem schütteren, grauen Haar unterschätzen. Egal, worum es geht, ein Anekdötchen von einem Geschäftsfreund, einem Mitarbeiter oder seiner Familie hat er immer parat. Dustmann meint es ernst. Das Wort "Warenhaus" vermeidet er bei seiner Vision - auch, wenn er die Grundidee nach wie vor fantastisch findet. Er nennt seinen Laden lieber "Lifestylestore". "Die Häuser müssen hochwertiger werden", sagt Dustmann. Spartenprodukte wie Nähzubehör und Stoffe hat er rausgeworfen. Die lohnten sich nicht. Bei den Möbeln gibt es nur noch Designerprodukte. Wer Standardware will, fährt ins Möbelhaus, ist Dustmann überzeugt. Top-Marken gehören für ihn ins Sortiment. "Wir haben jetzt auch Gucci und Prada", sagt Dustmann. Darauf sei er sehr stolz. Im Dortmunder Stadtteil Hombruch läuft der Versuch seit einigen Wochen. Für viel Geld hat Dustmann sein Kaufhaus aufmöbeln lassen. Einst war Karstadt im Gebäude, nun nutzt der Unternehmer die Räume zur Leistungsschau. Hinter den Fenstern hängen rote Stoffe wie im Theater, die Köpfe der Schaufensterpuppen glänzen in Gold. Ausgerechnet in einer Einkaufsstraße im Osten des Ruhrpotts soll die Inszenierung Erfolg bringen. "Wenn man einen Leuchtturm schafft, kann man die Leute sogar in nicht so zentral gelegene Regionen locken", sagt Dustmann. Vertreter der Kette De Bijenkorf aus den Niederlanden sowie des britischen Luxusanbieters Harvey Nichols besichtigten die Dortmunder Ideenschmiede bereits. Für beide hat Dustmann genau wie für das Londoner Harrods schon Einrichtungen gebaut. Neben exklusiven Marken setzt er auf Aufenthaltsqualität. Die soll vor allem die Gastronomie schaffen. Anders als in Einkaufszentren, wo der Backfischverkäufer gefühlt gleichzeitig den Asia-Wok betreut, soll die Verköstigung bei Dustmann hochwertiger sein. Er spricht gerne von "genießen", nicht nur beim Einkauf, sondern auch drum herum. In der Champagnerlounge im zweiten Stock prosten sich schon am Freitagmorgen die Damen zu. Zusätzlich gibt es zwei Restaurants, eines so teuer, dass man für ein Menü in der Innenstadt problemlos 25 Currywürste finanzieren könnte. Beim Design geht es um jedes Detail. Es sollte für jedes Haus individuell passen Die Wissenschaft stützt Dustmanns Kurs. "Eventcharakter zieht. Als Gemeinschaftserlebnis überlebt analoges Shoppen", sagt Joachim Hurth, Professor für Handelsbetriebslehre an der Wolfsburger Ostfalia Hochschule. Einkaufen als Selbstzweck - das funktioniert nicht mehr. Für mehrere mittelpreisige Warenhäuser in einer mittelgroßen Stadt sieht der Forscher keine Zukunft. "Nach dem Krieg ging es darum, Überfluss zu zeigen", sagt Hurth. Doch die Zeit vollgestopfter Regale und dicht bepackter Kleiderständer sei vorbei. "Die Artikel müssen inszeniert werden, um Interesse zu wecken", sagt Hurth. Dustmann beherzigt diesen Ansatz. Statt Klamottenstapeln liegen bei ihm häufig einzelne T-Shirts oder Pullover auf den Tischen. Kunden bekommen einen besseren Eindruck von der Ware. Dass dieser Kniff zieht, hat Dustmann wohl auch beim Label Zara gelernt. Für die Spanier setzt er entsprechende Konzepte in Serie um. Mal müssen die Tische für die Läden der beliebten Kette höher werden, mal niedriger. Auf Details kommt es an. Dustmann verfolgt Einzelheiten mit Akribie. Er streift in seinem Anzug mit Zettel und Stift durch die Gänge seines Geschäfts und notiert, was noch besser werden kann. Ein Bauplan für alle Warenhäuser - das verspricht aus seiner Sicht keinen Erfolg. "Das Design muss in jedem Haus stimmen", sagt er. Es dürfe nicht monoton werden. Er will "Themenwelten" schaffen. Etwa durch Jeans, die auf Werkbank und Europalette ausgestellt sind. Wert legt der Unternehmer aufs Licht. Die Angebote sind exakt ausgeleuchtet. "Je höherwertiger, desto dramatischer und punktueller sollte das Licht sein", lautet die Faustformel. Jeden Winkel flutende Lampen nerven ihn. Wenn Dustmann das erklärt, klingt er so, als hätten die Großen in Sachen Einrichtung einiges falsch gemacht. Ist dem so? Haben Karstadt und Kaufhof beim Design Trends verpasst? Über die Konkurrenz spricht Dustmann ungern. Nur so viel: "Es ist traurig, was aus manchen Kaufhäusern geworden ist." | Ein Dortmunder Unternehmer glaubt zu wissen, wie Kaufhäuser aussehen müssen, um wieder Erfolg zu haben. Heinz-Herbert Dustmann hat selbst Harrods ausgestattet. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/kaufhaus-design-glitzerndes-gold-und-champagner-1.4235784 | Kaufhaus-Design - Glitzerndes Gold und Champagner | 00/12/2018 |
Immer mehr Gesellschaften begrenzen die Absicherung von Berg- und Kraftwerken sowie die Investitionen in Aktien von Kohleunternehmen. Klimaschützer sehen das als großen Erfolg an - kritisieren aber Nachzügler. Versicherungskonzerne müssen sich seit Jahren mit Kritik von Klimaschützern auseinandersetzen, die ihnen die Unterstützung der klimaschädlichen Kohlebranche vorwerfen. Jetzt melden die Aktivisten erste Erfolge. "Einige der weltgrößten und vertrauenswürdigsten Versicherer verlassen den Kohlesektor und senden ein starkes Signal an Regierungen und Investoren, dass der dreckigste Energieträger keine Zukunft mehr hat", sagt Peter Bosshard, Koordinator der Kampagne "Unfriend Coal". Auf der Negativliste steht dagegen weiter die Talanx-Tochter Hannover Rück. | Immer mehr Gesellschaften begrenzen die Absicherung von Berg- und Kraftwerken sowie die Investitionen in Aktien von Kohleunternehmen. Klimaschützer sehen das als großen Erfolg an - kritisieren aber Nachzügler. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/versicherungswirtschaft-kohlegegner-feiern-erfolge-1.4235655 | Kohlegegner feiern Erfolge | 00/12/2018 |
Tickets für den Eurodisney-Park dürfen ab sofort in jedem Land geordert werden. Verbraucher in Europa können ab sofort leichter im Internet einkaufen. Denn nun tritt eine neue EU-Regelung in Kraft. Weihnachtsgeschenke aus Dänemark, Portugal oder Österreich? Von diesem Montag an ist das kein Problem mehr, nun wird das grenzüberschreitende Shopping im Internet leichter. Denn dann tritt die sogenannte Geoblocking-Verordnung in Kraft, die Händlern innerhalb der Europäischen Union verbietet, Kunden aus dem Ausland schlechter zu behandeln als solche aus dem eigenen Land. Ungleichbehandlungen dieser Art werden bisher durch technische Mittel durchgesetzt. Das aber ist von Montag an verboten. Was genau wird sich durch die Geoblocking-Verordnung ändern? Beim Versuch, einen Online-Shop mit Sitz in einem anderen EU-Land aufzurufen, wurden Nutzer bisher oft auf das Angebot ihres eigenen Landes umgeleitet. Dadurch konnten Händler zum Beispiel teurere Preise für ausländische Kunden durchsetzen. 2015 ermittelte die Europäische Kommission zum Beispiel gegen den Eurodisney-Park bei Paris, weil Franzosen dort günstigere Tickets erwerben konnten als Kunden, die die Webseite des Parks aus anderen Ländern aufriefen. Künftig ist das nicht mehr erlaubt: Händler dürfen den Zugang zu ihrer Webseite Kunden aus anderen EU-Ländern nicht mehr verwehren. Heißt das, Händler werden künftig nur noch eine Webseite für die ganze EU haben? Nein, verschiedene Länderversionen sind auch künftig erlaubt. Wer als deutscher Kunde aber zum Beispiel in einem Online-Shop in Frankreich oder Portugal einkaufen will, darf nicht mehr ohne seine Zustimmung auf die deutsche Seite des Händlers umgeleitet werden. Wie viele Online-Shops betrifft das überhaupt? Mehr als die Hälfte: Einer Untersuchung der Europäischen Kommission zufolge nutzten bislang 63 Prozent der europäischen Online-Händler Geoblocking, bisher erlaubt also nur eine von drei Webseiten Kunden aus anderen Ländern, dort einzukaufen. Durch die Verordnung soll sich das ändern. Kunden können dann leichter Preise vergleichen und im Ausland Waren erwerben, die sie in Deutschland vielleicht nicht oder nicht für diesen Preis bekommen würden. Gilt die neue Regelung nur für Waren? Nein. Das gilt auch für Tickets für Konzerte oder Vergnügungsparks sowie für bestimmte Dienstleistungen, die elektronisch erbracht werden - zum Beispiel Hosting-Dienste für Internetseiten. Die Verordnung gilt aber nicht für Verkehrsdienstleistungen wie zum Beispiel den Kauf von Flug- oder Fährtickets. Für diese sind Diskriminierungsverbote aber bereits in anderen EU-Gesetzen geregelt. Heißt das, ich kann mir jetzt alles von überall her liefern lassen? Nein. Händler können auch künftig selbst entscheiden, ob und in welche Länder sie ihre Waren liefern wollen. Wenn ein Händler seine Ware aber nicht über die Grenze schicken will, können Kunden die Lieferung selbst organisieren, etwa indem sie ein Paketunternehmen mit der Abholung beauftragen. Die Kommission erhofft sich von der neuen Regelung darum auch mehr Wettbewerb unter den Paketdienstleistern. Oft scheitern Bestellungen im Ausland nicht am Zugang zur Webseite, sondern an der Bezahlung. Auch das soll sich ändern: Künftig müssen Händler Kunden aus anderen EU-Ländern dieselben Zahlungsmethoden anbieten, die sie auch heimischen Kunden zur Verfügung stellen. Bietet ein dänischer Händler zum Beispiel Kreditkartenzahlung an, darf er diese einem deutschen Kunden nicht mit dem Hinweis verwehren, nur Kreditkarten für dänische Konten seien zulässig. Gilt das neue Geoblocking-Verbot auch für Fernsehanbieter oder Streamingdienste? Nein, in diesem Bereich bleibt alles, wie es ist - im Moment jedenfalls: Die Europäische Kommission hat aber angekündigt, in zwei Jahren erneut zu prüfen, ob auch für Fernseh- und Streamingdienste ein generelles Geoblocking-Verbot in Frage kommt. | Verbraucher in Europa können ab sofort leichter im Internet einkaufen. Denn nun tritt eine neue EU-Regelung in Kraft. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/online-handel-gleiches-shopping-fuer-alle-1.4235729 | Gleiches Shopping für alle | 00/12/2018 |
Er ist schon einmal aus der Politik ausgestiegen, um in die Wirtschaft zu wechseln, aber lange hielt er es nicht aus. Nun verlässt Matthias Machnig, 58, SPD-Politiker und zuletzt Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, den Berliner Regierungsbetrieb ein zweites Mal. Er wird bei der Firma Inno Energy Leiter der Industriestrategie, teilte das Unternehmen am Wochenende mit. Daneben heuere Machnig auch noch als Berater bei der australischen Investmentfirma Macquarie an, berichtet der Spiegel. | SPD-Politiker Matthias Machnig hat einst den SPD-Wahlkampf geleitet, jetzt wechselt er in die Wirtschaft. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/nahaufnahme-die-grosse-buehne-1.4235487 | Die große Bühne | 00/12/2018 |
Die Finanzminister Frankreichs und Deutschlands, Bruno Le Maire (rechts im Vordergrund) und Olaf Scholz (Mitte), sind fest entschlossen, die Finanztransaktionssteuer zurück auf die Agenda zu bringen. Wenn Olaf Scholz an diesem Montag nach Brüssel kommt, steht ihm ein langer Abend bevor. Zusammen mit seinen europäischen Amtskollegen soll sich der Bundesfinanzminister auf ein Euro-Reformpaket verständigen, das beim EU-Gipfel in zwei Wochen beschlossen wird. Doch bevor es um die Zukunft der Währungsunion geht, trifft sich Scholz im kleinen Kreis. Gemeinsam mit Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire will er einen neuen Vorstoß machen. Die beiden sind fest entschlossen, ein Thema zurück auf die Agenda zu setzen, über das seit nunmehr acht Jahren gestritten wird: die Finanztransaktionssteuer. Eine solche Abgabe könne "ein wichtiges Element" sein, um die Europäische Union zu stärken, heißt es im deutsch-französischen Positionspapier, dessen Entwurf der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Als Vorbild dient das bereits in Frankreich erprobte Modell. Dort werden sämtliche Transaktionen von im Inland emittierten Aktien besteuert. Und zwar von Unternehmen, deren Marktkapitalisierung bei mehr als einer Milliarde Euro liegt. Die Einnahmen der Steuer könnten "ein Beitrag zu einem Euro-Zonen-Budget" sein, heißt es in dem Papier. Geht es nach Berlin und Paris, soll dieses Extra-Budget Teil des EU-Gesamthaushalts sein, dem alle Mitgliedsstaaten zustimmen müssen. Für Scholz wird es nicht einfach, seinen Plan umzusetzen Um Länder, die ein Euro-Zonen-Budget kritisch sehen, davon zu überzeugen, soll es einen besonderen Anreiz geben: Die Einnahmen aus einer Finanztransaktionssteuer könnten mit den Beiträgen in den EU-Haushalt verrechnet werden. Wer sich also beteiligt, müsste weniger in die Gemeinschaftskasse zahlen. Während Paris darauf dringt, dass die Steuereinnahmen nur für das geplante Euro-Zonen-Budget verwendet werden sollen, gilt es in Berlin auch als vorstellbar, dass diese dem EU-Haushalt als Ganzes zugute kommen könnten. Diese Frage war zwischen Frankreich und Deutschland bis zuletzt umstritten. Le Maire und Scholz wollen ihren Vorschlag jedenfalls zunächst im Kreis all jener Staaten diskutieren, die sich in einer sogenannten verstärkten Zusammenarbeit noch immer um eine Finanztransaktionssteuer bemühen. Neben Deutschland und Frankreich zählen dazu Belgien, Griechenland, Italien, Portugal, Österreich, Spanien, Slowenien und die Slowakei. Diese zehn Länder sind am Ende übrig geblieben, nachdem die Europäische Kommission für ihren ursprünglichen Vorschlag im Jahr 2010 keine Mehrheit fand. Damals galt die Finanztransaktionssteuer als politische Antwort auf die Weltfinanzkrise; sie sollte ein Instrument sein, um deren Lasten gerechter zu verteilen. Über die Umsatzsteuer auf Finanzgeschäfte sollten Kreditinstitute zur Kasse gebeten und zugleich hochriskante Geschäfte wie der sekundenschnelle elektronische Handel mit Wertpapieren eingedämmt werden. Die Bundesregierung hatte stets betont, die Steuer einführen zu wollen. Die SPD hatte sogar einst ihre Zustimmungen zu den Euro-Rettungspaketen davon abhängig gemacht. Nun versucht sich mit Scholz ein sozialdemokratischer Finanzminister erneut daran, dieses Vorhaben auf europäischer Ebene durchzusetzen. Einfach wird das nicht. Denn Staaten, die bereits selbst eine Finanztransaktionssteuer eingeführt haben, müssten Einnahmen, die bislang dem nationalen Budget zugute kommen, künftig in den EU-Haushalt überweisen. Betroffen wären davon etwa Frankreich, Belgien, Italien oder Griechenland. Außerdem gibt es Mitgliedsstaaten, die wenig oder vielleicht sogar keine Einnahmen zu erwarten haben, weil die dortigen Unternehmen zu klein sind. In Berlin und Paris wird deshalb an einem Verrechnungsschlüssel gearbeitet, der Ausgleich schaffen und gewisse Rabatte bieten soll. So könnten etwa alle Steuereinnahmen zusammengeführt und dann unter den beteiligten Staaten so aufgeteilt werden, dass sich deren Beitrag zum EU-Haushalt gemessen an der Wirtschaftsleistung reduziert. Derzeit zahlen alle EU-Staaten etwa ein Prozent ihres Bruttoinlandprodukts in die europäische Gemeinschaftskasse. Die EU-Kommission dringt zwar weiter darauf, den nächsten EU-Haushaltsrahmen der Jahre 2021 bis 2027 noch vor der Europawahl im kommenden Frühjahr zu beschließen. Doch angesichts vieler Widerstände in den Mitgliedsstaaten, gilt das mittlerweile als nicht mehr machbar. Insofern dürfte es mit einer Finanztransaktionssteuer erst in frühestens zwei Jahren soweit sein. | Seit acht Jahren streitet Europa über das Thema, nun haben Paris und Berlin eine Idee: Wer sich beteiligt, soll weniger in den EU-Haushalt einzahlen. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/finanztransaktionssteuer-eu-olaf-scholz-1.4235483 | Neuer Anlauf für Finanztransaktionssteuer in Europa | 00/12/2018 |
Wie brisant die Lage bei der Deutschen Bank ist, zeigt am deutlichsten eine Mitteilung, die das Institut noch am Freitagabend verschickte. Tags zuvor hatten mehr als 170 Ermittler der Frankfurter Staatsanwaltschaft und des Bundeskriminalamts begonnen, die Geschäftsräume des größten deutschen Kreditinstituts zu durchkämmen. Mitarbeiter der Bank, so der Verdacht der Staatsanwaltschaft, sollen über Jahre vermögenden Kunden geholfen haben, Geld zu waschen oder es zumindest fahrlässig versäumt haben, die Behörden über verdächtige Transaktionen zu informieren. Ein ziemlicher Eklat. Kaum 24 Stunden später aber versuchten beide Seiten, die Sache herunter zu kochen. In einer gemeinsamen Erklärung versicherten Deutsche Bank und Staatsanwaltschaft Frankfurt, wie gut die Sache laufe. Rechtsvorstand Karl von Rohr sagte, dass man die "Ermittlungen selbstverständlich weiter aktiv" unterstützte. Der Leiter der Staatsanwaltschaft bestätigte, man habe seit Beginn der Durchsuchung "sehr rasche und sehr gute Fortschritte erzielt". Anfragen der Behörden von der Bank würden vorbehaltlos beantwortet. Die Kurse für Anleihen des Geldhauses fallen, das verteuert die Refinanzierung Was genau den Schulterschluss ausgelöst hat, blieb unklar. Die Deutsche Bank wollte sich am Wochenende nicht dazu äußern, die Staatsanwaltschaft reagierte nicht auf eine entsprechende Anfrage. Offen blieb auch, ob die Razzia nun abgeschlossen ist. Hat das Institut gar politischen Druck ausgeübt, wie nach einer Durchsuchung im Jahr 2012, als sich der damalige Bankchef Jürgen Fitschen nach Gutsherrenart bei Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier über das Vorgehen der Justiz beschwert hatte? Das ist wohl eher unwahrscheinlich. Bankchef Christian Sewing wird sich gut an die Kritik erinnern, die Fitschen damals für seinen ungewöhnlichen Anruf einstecken musste. Womöglich aber fürchtet man in der Bank schlicht die schonungslose Reaktion der Märkte. Der Aktienkurs fiel am Freitag um weitere 2,9 Prozent auf nur noch 8,06 Euro. Schwerer noch wiegen die fallenden Kurse für Anleihen des Geldhauses, was die Refinanzierung verteuert. Auch die Preise für Credit Default Swaps, also für jene Wertpapiere, mit denen man sich gegen eine Pleite der Deutschen Bank versichern kann, schnellten hoch. Seit Monaten wetten wieder Hedgefonds gegen die Bank. "Der Reputationsschaden ist schlimm genug. Jetzt kann man nur hoffen, dass das nicht wieder hohe Strafzahlungen nach sich zieht", sagte ein Vertreter eines Großaktionärs, der anonym bleiben wollte. Da sich die Ermittlungen auf Vorfälle zwischen 2013 und 2018 beziehen, gerät auch das aktuelle Management unter Druck. Bankchef Sewing kämpfte am Wochenende um seinen Ruf als Saubermann. Der 48-Jährige steht erst seit April an der Spitze der Bank. Zuvor war er für die Revision und von 2015 an im Vorstand erst für das Rechtsressort und dann für das Privatkundengeschäft zuständig. Hätte er das Fehlverhalten verhindern können? "Es ist mein persönlicher Wunsch, das alles so schnell wie möglich aufzuklären", sagte er der Bild am Sonntag. "Wir haben seit der Veröffentlichung der Panama Papers 2016 den kompletten Sachverhalt geprüft und dabei eng mit den Aufsichtsbehörden kooperiert. Für uns war der Fall abgeschlossen." Die Ermittlungen beziehen sich auf Offshore-Firmen in Steueroasen und Daten der Panama Papers. Angeführt vom BKA werten die Behörden diese derzeit aus und untersuchen, inwiefern Politiker, Sportfunktionäre und reiche Privatleute in krimineller Absicht Scheinfirmen in Panama genutzt haben, um Geld und Firmenbeteiligungen zu verstecken. Die beiden Mitarbeiter, auf die sich die Ermittlungen derzeit noch konzentrieren, nahm Sewing in Schutz. "Es gilt hier für mich bis zum Beweis des Gegenteils ganz klar die Unschuldsvermutung", sagte er. "Wenn wir bei der Deutschen Bank unsere eigenen Mitarbeiter vorverurteilen würden - insbesondere diejenigen, die Sachverhalte aufarbeiten -, dann liefe hier etwas ganz gewaltig schief". Wann immer etwas schief läuft, muss in der Führungsriege jemand dran glauben Einer, den der Ärger auch kalt erwischt hat, ist Aufsichtsratschef Paul Achleitner. Während die Beamten am Donnerstag die Konzernzentrale durchsuchten, saß er in einer Sondersitzung des Aufsichtsrats von Bayer. Über das Wochenende, hieß es in Bankkreisen, werde er intensiv nachdenken. Seit 2012 führt er den Aufsichtsrat der Deutschen Bank, und seither hat sich eine gewisse Routine im Opfern von Vorständen eingestellt. Wann immer etwas schief läuft, muss in der Führungsriege jemand dran glauben. Manchmal etwas verfrüht (John Cryan), manchmal vielleicht zu spät (Anshu Jain), zumeist aber senkt Achleitner seinen Daumen kurz vor der Hauptversammlung. Ihn selbst, der sich an die Spitze des Aufräumkommandos setzen wollte, trifft es nicht. Auf den Aktionärstreffen kann er sich als Aufklärer positionieren. Bleibt er sich auch diesmal treu? Das Muster scheint sich zu wiederholen. Treffen wird es wohl Sylvie Matherat, im Vorstand zuständig für Regeltreue, die einzige Frau in der obersten Führungsriege. Achleitner wird sie nicht für alles verantwortlich machen können, schließlich trug sich ein großer Teil der Skandale vor ihrer Amtszeit zu. Sie muss sich aber vorwerfen lassen, dass sich die Dinge unter ihrer Ägide nicht besserten. Ob sie bald ihren Job los ist, wird sich womöglich schon am Donnerstag zeigen. Dann trifft sich der Aufsichtsrat. Es gibt viel zu besprechen. | Nach der zwei Tage dauernden Razzia kämpft Deutsche-Bank-Chef Sewing um seinen Ruf als Aufklärer. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/geldwaesche-verdacht-fuer-uns-war-der-fall-abgeschlossen-1.4235521 | "Geldwäsche-Verdacht - ""Für uns war der Fall abgeschlossen""" | 00/12/2018 |
Der Versuch der Bundesregierung, Fahrverbote durch Diesel-Nachrüstungen zu vermeiden, kommt nicht voran. Die Kunden haben weder Klarheit darüber, welche Folgen die Updates für ihre Fahrzeuge haben, noch ob sie damit Fahrverbote vermeiden können. Deshalb sind die Programme der Bundesregierung für saubere Luft bisher nahezu wirkungslos verpufft. Für diesen Montag hat Bundeskanzlerin Angela Merkel erneut zu einem Spitzentreffen von Bund und Kommunen in Berlin geladen - rund ein Jahr nach dem letzten Dieselgipfel aber sind die Rahmenbedingungen für Hardware-Nachrüstungen immer noch nicht klar. Eine erste Bilanz: Schon im Frühjahr 2017 hatte das Umweltbundesamt Hardware-Nachrüstungen und eine "blaue Plakette" für relativ saubere Autos gefordert. In zehn deutschen Städten sind Klagen auf Fahrverbote für Dieselstinker mittlerweile erfolgreich, in mehr als 20 weiteren Städten stehen die Entscheidungen noch aus. Die Landtagswahlen in Bayern und Hessen wurden zum Denkzettel für die Regierung, daher konnte sich das Umweltbundesamt mit seinen Forderungen vor acht Wochen zumindest teilweise durchsetzen. Ab wann ist ein Diesel sauber genug? Im "Konzept für saubere Luft und die Sicherung der individuellen Mobilität in unseren Städten" hat die Bundesregierung erstmals Hardware-Maßnahmen für Kommunal- und Handwerkerfahrzeuge sowie private Pkw angekündigt: Durch die Nachrüstung von SCR-Katalysatoren sollen Euro-5-Diesel, die bis 2015 gebaut wurden, so sauber werden, dass sie weiterhin in hochbelastete Städte fahren dürfen. Nur: Über die Frage, was sauber genug ist, herrscht Streit zwischen dem Bundesumwelt- und dem Verkehrsministerium. Einig ist man sich über den Stickoxid-Zielwert von 270 Milligramm pro Kilometer. Vom Messverfahren hängt nun aber ab, welche Fahrzeuge zu welchen Kosten diese Hürde tatsächlich nehmen werden. Software-Updates sind dafür auf keinen Fall ausreichend. Sie sollen die Stickoxid-Emissionen der Altfahrzeuge um 25 bis 30 Prozent reduzieren. Doch dem Umweltbundesamt zufolge ist der Stickoxid-Ausstoß (NOx) der deutschen Diesel-Flotte um rund ein Drittel höher als bislang offiziell angenommen. Mit durchschnittlich 906 Milligramm pro Kilometer NOx überschreiten sie den zulässigen Prüfstandswert um 403 Prozent. Selbst mit dem Software-Update liegen die allermeisten Selbstzünder also immer noch um mehr als das Doppelte über dem Zielwert von 270 mg NOx. Klar ist, dass die Autohersteller nicht selbst nachrüsten werden Umweltministerin Svenja Schulze besteht daher darauf, dass die 270 mg/km im Realverkehr gemessen werden müssen. Das wäre ein Aufschlag von 50 Prozent auf das Prüfstandslimit von 180 mg NOx/km für Euro-5-Diesel. Anders als im Testlabor kann es auf der Straße aber kalt werden. Da SCR-Katalysatoren mindestens 200 Grad Celsius brauchen, um richtig zu funktionieren, haben die Außentemperaturen großen Einfluss auf das Messergebnis. In der Diskussion sind daher mögliche Abstufungen des Grenzwertes bei weniger als zehn Grad Celsius. Die Lage ist verfahren: Bisher ist nur klar, dass die Autohersteller die Hardware nicht selbst nachrüsten werden. Unter dem Druck der Politik (und den Zwangsrückrufen durch das Kraftfahrtbundesamt) gaben zumindest Daimler und VW Anfang November ihre Blockadehaltung teilweise auf. In Stuttgart erinnerte man sich plötzlich an "unsere Verantwortung, wenn es darum geht, die Luftqualität weiter zu verbessern und die individuelle Mobilität unserer Kunden zu sichern". Konkret haben Daimler und VW zugesagt, Hardware-Nachrüstungen mit bis zu 3 000 Euro zu unterstützen. Vorausgesetzt, der Besitzer des Fahrzeugs wohnt oder arbeitet in einem von 14 "Intensivstädten" mit besonders schlechter Luft. Daimler spricht von 150 000 Mercedes-Fahrzeugen, die von Fahrverboten betroffen sein könnten. | Kurz vor dem dritten Dieselgipfel wird heftig darum gerungen, wie es mit den Hardware-Nachrüstungen weitergehen soll. Selbst über die Frage, was sauber bedeutet, gehen die Meinungen auseinander. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/schmutzige-diesel-kampf-um-die-fahrverbote-1.4235653 | Diesel: Der Kampf um die Fahrverbote | 00/12/2018 |
Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), Reiner Hoffmann, hat in einem Brief an Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) gefordert, sich in der EU für bessere Arbeitsbedingungen von Kraftfahrern einzusetzen. Ruhe- und Lenkzeiten dürften nicht weiter flexibilisiert werden, heißt es in dem Schreiben, das der SZ vorliegt. Ein aktueller Vorschlag aus Österreich, über den an diesem Montag der EU-Verkehrsministerrat diskutieren wird, sehe jedoch genau dies vor, kritisiert Hoffmann. Die Arbeitsbedingungen würden sich durch neue Pausenregelungen "massiv verschlechtern und damit die Verkehrssicherheit im europäischen Straßenverkehr verschlechtern", schreibt er. Als besonders schwierig beurteilt Hoffmann die Regeln für Fahrer, die außerhalb ihres Heimatlandes arbeiten - wie etwa polnische Transportunternehmen, die innerhalb Deutschlands Waren oder Pakete ausliefern. Wenn diese Fahrer künftig nur noch eine Pause von zwei Tagen einhalten müssten, nachdem sie drei Fahrten im Ausland erledigt haben, würde das Transportgewerbe "entgrenzt", warnt Hoffmann. Der DGB schlägt zudem Kontrollen durch elektronische Tachografen vor. | Ruhe- und Lenkzeiten dürfen nicht weiter flexibilisiert werden, warnt der DGB den Verkehrsminister. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/lkw-fahrer-gewerkschaft-befuerchtet-schlechtere-bedingungen-1.4235755 | Gewerkschaft befürchtet schlechtere Bedingungen | 00/12/2018 |
Hartz IV wirkt und sichert vielen Menschen den Lebensunterhalt. Eine Abschaffung der Regelung wäre daher sicher der falsche Weg. Aber es gibt gute Gründe für eine Reform dieser staatlichen Grundsicherung. Die Arbeitswelt, wie wir sie kennen, befindet sich im Wandel. Automatisierung und Digitalisierung verändern Arbeitsabläufe, Produktionsformen und sogar ganze Berufsbilder. Nach Einschätzung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) führt dies dazu, dass in der deutschen Wirtschaft bis 2025 anderthalb Millionen Arbeitsplätze verschwinden und genauso viele neu entstehen. Allerdings werden die Anforderungen steigen. Weiterbildung wird deshalb immer wichtiger. Das Qualifizierungschancengesetz, das vergangene Woche vom Parlament beschlossen wurde, wird dem Einzelnen bessere Möglichkeiten für präventive Qualifizierung und damit mehr Sicherheit in bewegten Zeiten geben. "Wie verändert sich mein Arbeitsumfeld? Welche Anforderungen kommen auf mich zu, und bin ich diesen gewachsen? Oder geht mein Job sogar gänzlich verloren?" Solche Fragen bekommen damit eine arbeitsmarktpolitische Antwort, die die Menschen ohne existenzielle Sorgen in die Zukunft blicken lassen können. Wir tun gut daran, auch die staatliche Grundsicherung, bekannt als Hartz IV, nicht durch die Systemfrage zu destabilisieren. Denn das Grundsicherungssystem wirkt und gibt den Menschen in vielerlei Hinsicht Unterstützung und Sicherheit. In mehr als 400 Jobcentern in Deutschland - den kommunalen Jobcentern und den gemeinsamen Einrichtungen von Bundesagentur für Arbeit (BA) und Kommune - erarbeiten knapp 80 000 Beschäftigte täglich gemeinsam mit den arbeitslosen Menschen Perspektiven für den Weg aus dem Leistungsbezug. Wer behauptet, sie seien nur an schneller Vermittlung und Sanktionen interessiert, tut den Kolleginnen und Kollegen unrecht. Bevor sie mit der eigentlichen Vermittlungsarbeit beginnen können, organisieren sie Betreuungsmöglichkeiten für Kinder oder zu pflegende Angehörige, Plätze in Sprachschulen und Integrationskursen, Sucht- oder Schuldnerberatungen. Sie sind zunächst viel mehr "Kümmerer" als Vermittler. Vier von fünf Leistungsbeziehern haben mindestens zwei Einschränkungen, die eine Vermittlung erschweren: gesundheitliche Probleme, fehlende Schul- und Ausbildungsabschlüsse, sprachliche Defizite, Betreuungs- und Pflegeverpflichtungen, Suchtprobleme oder Schulden. Die Chancen, eine Beschäftigung zu finden, die den Lebensunterhalt sichert, liegen für diese Menschen biografisch bedingt bei unter zehn Prozent. Wir müssen hier also viele kleine Schritte gehen, bevor wir konzentriert die Arbeitssuche angehen können. Wer 30 Jahre gearbeitet hat, sollte besser behandelt werden wie jemand, der nie gearbeitet hat Das alles geschieht, bevor eine Sanktion ausgesprochen wird - übrigens als Ultima Ratio und im Monat nur bei drei Prozent der Leistungsberechtigten. Sanktionen werden auch nur dann ausgesprochen, wenn die Mithilfe und Initiative der Arbeitslosen fehlt. Sie spielen in der riesengroßen Mehrheit der Fälle keine Rolle, die meisten Menschen suchen sinnstiftende Arbeit. Die Menschen, die die Jobcenter aufsuchen, kommen nach unserem Selbstverständnis nicht als Bittsteller. Sie kommen, weil sie sich auf die Geldleistungen und Unterstützung des Sozialstaats verlassen können, wenn sie es für eine gewisse Zeit nicht schaffen, für ihren Lebensunterhalt selbst zu sorgen. Das System funktioniert weitgehend reibungslos und sichert knapp sechs Millionen Menschen verlässlich den Lebensunterhalt. Dies ist ein grundlegender Beitrag zum sozialen Frieden. Als ungerecht wird allerdings wahrgenommen, dass Menschen, die 30 Jahre gearbeitet haben, genauso behandelt werden wie jene, die noch nie gearbeitet haben. Das zu ändern könnte mehr Akzeptanz schaffen. Dabei bleibt aber immer zu berücksichtigen, dass Menschen, die zur Arbeit gehen, mehr Geld haben sollten, als Menschen, die dies nicht tun. Insofern gibt es einen inneren Zusammenhang zwischen der Höhe der Transferleistung und den Gehältern in den unteren Lohngruppen. Auch die Kassiererin im Supermarkt, die mit ihren Steuern die soziale Sicherung mitfinanziert, muss das System als gerecht empfinden. Die Grundsicherung für Arbeitssuchende können wir reformieren, das große Ziel muss dabei aber immer bleiben, dass der Einzelne sie hinter sich lässt. Denn ein gutes Leben mit persönlichen Alternativen gibt es nur mit auskömmlich finanzierter Arbeit unabhängig "vom Amt". Man sollte bei aller Abschaffungseuphorie nicht vergessen, dass das Grundsicherungssystem keine Endstation sein soll. Mit der Einführung der Grundsicherung für Arbeitssuchende wurden 1,5 Millionen aus der alten Sozialhilfe in die aktive Arbeitsförderung miteinbezogen, die vorher keine echte Perspektive am Arbeitsmarkt hatten. Natürlich gibt es Potenzial für Verbesserungen und eine echte Weiterentwicklung der Grundsicherung. Es ist nicht hinzunehmen, dass es trotz jahrelangen Aufschwungs mehr als 540 000 Menschen gibt, die bereits fast eine Dekade ausschließlich auf Grundsicherungsleistungen angewiesen sind. Aber auch hier ist viel in Bewegung. Wir verbessern den Betreuungsschlüssel in den Jobcentern, damit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mehr Zeit für die Menschen haben. Dadurch gelingt es deutlich, mehr Arbeitssuchende zu vermitteln - das schafft Zuversicht. Gut 22 000 Menschen erwerben im Moment mit Unterstützung der Jobcenter einen Berufsabschluss. Sinnvoll wäre es, wenn Umschulungen auf drei Jahre angelegt werden könnten, sofern sie faktisch eine Erstausbildung sind. Außerdem sollten die Menschen während der Qualifizierung ein höheres Unterhaltsgeld bekommen, das würde Abbrüchen vorbeugen. Unsere Vorschläge dafür liegen im Bundesarbeitsministerium. Mit dem vom Deutschen Bundestag verabschiedeten Teilhabechancengesetz wird auch den Menschen die Hand gereicht, die mehrere Jahre Grundsicherungsleistungen beziehen. Der neu geschaffene soziale Arbeitsmarkt ermöglicht ihnen einen Einstieg in eine sinnstiftende Beschäftigung, die auch die individuellen Einschränkungen berücksichtigt. Damit wird der Aspekt des Förderns weiter gestärkt. Das Signal, das davon an die Betroffenen ausgehen soll, ist klar: Wir lassen niemanden zurück. Und wenn Kinder ihre Eltern zur Arbeit gehen sehen, ist das ein wirksames Mittel gegen die Vererbung sozialer Benachteiligung. Die Grundsicherung 2018 ist nicht die aus dem Jahr 2005. Der Deutsche Bundestag und die Arbeitsministerinnen- und Minister haben sie gemeinsam mit den Ländern immer im Sinn der Arbeitslosen weiterentwickelt. Sie sollten ihre eigene Arbeit nicht so gering schätzen. | Hartz IV wirkt und sichert vielen Menschen den Lebensunterhalt. Eine Abschaffung der Regelung wäre daher sicher der falsche Weg. Aber es gibt gute Gründe für eine Reform dieser staatlichen Grundsicherung. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/forum-niemand-darf-zurueckbleiben-1.4235493 | Niemand darf zurückbleiben | 00/12/2018 |
Florian hat seinem Freund 3500 Euro überwiesen, auch mal 500 Euro in bar zugesteckt oder eine Rechnung für ihn bezahlt. Am Ende schuldete der Freund ihm 10 000. Der versprach, alles zurückzuzahlen, 170 Euro im Monat. Die erste Rate kam noch ohne Probleme. Jeder Zweite würde einem Freund 500 Euro leihen, hat eine Umfrage der Meinungsforscher von TNS Emnid im Auftrag der Postbank ergeben. Viele verzichten auf Zinsen und geben auch denjenigen Kredit, die von der Bank schon lange kein Geld mehr bekommen. Oft hat die Sache ein bitteres Ende. Jeder Zehnte sagt, dass schon eine Freundschaft wegen des Geldes zerbrochen ist. Der Ex-Nationaltorhüter Eike Immel beispielsweise hat etwa eine Million Mark verliehen - und alles verloren. "Es musste nur jemand traurig schauen, und schon habe ich ihm Geld geliehen", sagte er später. Auch der Rheinländer Florian ärgert sich heute, dass er zu naiv war. "Ich habe ihm alles blind gegeben", sagt er. Florians Freund schien richtig in Not zu sein: Wenn er nicht sofort der Staatsanwaltschaft Geld überweise, müsse er ins Gefängnis, sagte er zu Florian. Eine Freundin hat Florian darin noch bestärkt, die 10 000 Euro zu verleihen. Immerhin kenne man sich seit dem Kindergarten, da müsse man in so einer Notsituation helfen. Richtig engen Freunden müsse man Geld leihen, sagt auch der Psychologe Horst Heidbrink, der sich seit Jahren mit dem Thema Freundschaft beschäftigt. Natürlich nur, wenn das nicht in den eigenen finanziellen Ruin führe. Sonst sei das ein Vertrauensbruch, der die Freundschaft beende. Was die Freundschaft aber auch zerbrechen lasse: Wenn das Geld nicht zurückkomme, wie bei Florian. Das Leihgeschäft hat die Freundschaft auch erst nicht belastet. Die beiden haben immer noch gemeinsam Freizeit verbracht, zum Beispiel sind sie ab und zu gemeinsam essen gegangen. Dass sich in der Freundschaft, die laut Heidbrink im Idealfall immer gleichberechtigt ist, Hierarchien gebildet haben, ist bei Florian und seinem Freund nicht passiert. Das könne aber auch anders sein, sagt der Psychologe. Er könne sich vorstellen, dass wegen eines Geldverleihs aus einem gleichberechtigten Freundschaftsverhältnis ein Gläubiger-Schuldner-Verhältnis wird. Da die Person, die sich Geld geliehen hat, das Gefühl habe, schon genug genommen zu haben, habe sie das Gefühl, es dem Gläubiger Recht machen zu müssen: Es könne dann passieren, dass der Schuldner den Gläubiger zu Freizeitaktivitäten begleite, obwohl er selbst keine Lust darauf habe. Wenn sich solche Hierarchien entwickeln, stört das die Freundschaft, sagt Heidbrink. Die Zinsen und das Finanzamt Leihgeschäfte unter Freunden sind steuerfrei, wenn die verliehene Summe nicht verzinst wird. Wenn der Geldgeber aber Zinsen verlangt, kommt das Finanzamt ins Spiel - dann wird eine Steuer auf die Zinseinnahmen fällig, meist die Abgeltungssteuer. Aber auch die Höhe der verliehenen Geldsumme spielt eine Rolle, wie Stephanie Thomas von der Steuer- und Rechtsberatung WWS erläutert. Wenn Kredite unter Freunden zinslos vergeben werden, kann das ab einer gewissen Höhe als Schenkung gewertet werden - wenn das durch den Verzicht auf Zinsen ersparte Geld innerhalb von zehn Jahren die Grenze von 20 000 Euro übersteigt, wird eine Schenkungssteuer auf die eigentlich gesparten Zinsausgaben des Schuldners fällig. Das Finanzamt rechnet hier mit einem fiktiven Steuersatz von 5,5 Prozent. Wer sich zum Beispiel 60 000 Euro zinslos von einem Freund leiht und die Summe nach sieben Jahren auf einen Schlag zurückzahlt, dem würde das Finanzamt jährlich 5,5 Prozent der 60 000 Euro an fiktiven Zinsen anrechnen, also 3300 Euro. Diese Summe fällt dann wegen der siebenjährigen Laufzeit sieben Mal an. Dadurch kommen in der gesamten Laufzeit theoretische Zinsausgaben von 23 100 Euro zusammen. Und der Schuldner müsste eine Schenkungssteuer auf einen Teil der fiktiven Zinsausgaben zahlen, da das Leihgeschäft den Freibetrag von 20 000 Euro überschritten hat. Der Schenkungssteuersatz variiert zwischen sieben und 50 Prozent, abhängig vom Verwandtschaftsverhältnis und der Höhe der Geldsumme, um die es geht. Nur, wenn der Kredit mit Konditionen vergeben wird, die mit denen am Markt vergleichbar sind, sehe das Finanzamt davon ab, eine Schenkungssteuer zu erheben, sagt Thomas. Aber ist es überhaupt vertretbar, Zinsen von Freunden zu nehmen? Psychologe Horst Heidbrink hält das für angemessen. Sein Vorschlag eines ethisch vertretbaren Zinses unter Freunden: Den Zins, den der Gläubiger bekommen würde, wenn er das Geld anlegen würde. Denn das sei der Zins, der ihm durch das Leihgeschäft entgehe. Der Gläubiger hilft, ohne finanzielle Nachteile zu haben, und der Schuldner kann sich zu einem geringeren Zinssatz verschulden als am Markt. Die Banken nehmen bekanntlich einen höheren Zinssatz für Kredite, die sie vergeben, als den, den sie für Einlagen auszahlen. Heidbrinks Zinssatz akzeptiert das Finanzamt aber nur dann, wenn der Freibetrag von 20 000 Euro nicht überschritten wird. Sven Lüüs Um die zweite und die dritte Rate zu bekommen, musste Florian schon mehrmals nachhaken. Dann kam nichts mehr. Florian schrieb dem Freund per SMS, Whatsapp und Facebook, bot an, die Raten zu senken; fragte, was los sei. Es kam nie eine Antwort. Irgendwann wurden seine Nachrichten einfach blockiert. Die beiden sahen sich danach ab und zu auf der Straße. Wenn er den ehemaligen Freund dann auf dessen Schulden ansprach, sagte dieser, er wisse nicht, worum es gehe. Irgendwann zog er in eine andere Stadt. Die Freundschaft war nicht mehr zu retten, das Geld auch nicht. Was er an Beweisen für das Leihgeschäft hatte: Chats, auf die der Freund nicht antwortete, Überweisungen mit Betreffzeilen wie "Einzahlung" und die Freundin, die zwar von dem Leihgeschäft wusste, aber bei keiner Geldübergabe dabei war. Sie konnte das Leihgeschäft also nicht belastbar bezeugen. Damit hatte er vor Gericht keine Chance. Und das hat ihm ein Anwalt auch gesagt. Wenn im Verwendungszweck einer Überweisung die gleichen Dinge stehen, die auch in einem Vertrag stehen müssten, sei die Überweisung ein dem Vertrag gleichwertiger Beleg, sagt Stephanie Thomas von der Steuer- und Rechtsberatung WWS. Nur schreibe man eben meistens keinen Vertrag in eine Betreffzeile. Auch Chatverläufe können als Beweis vor Gericht dienen. Dabei kommt es aber immer auf die Richter an, außerdem könne die Echtheit eines Chats angezweifelt werden. Und man kommuniziere auf Whatsapp auch nicht wie in einem Vertrag. Ein Zeuge, der bei der Übergabe des Geldes dabei gewesen ist und auch mitbekommen hat, dass die Summe verliehen und nicht verschenkt ist, kann das Leihgeschäft auch belegen. Dem Zeugen darf aber keine Parteilichkeit nachgewiesen werden. Detailansicht öffnen Mit Freunden will man kein Geld verdienen - aber das Geld wiederhaben. (Foto: Imago Stock&People) Wer keine Lust hat, lange um sein Geld zu kämpfen, sollte also einen klassischen Vertrag abschließen. Was darin stehen muss: Wann wie viel Geld von wem an wen gezahlt wurde, und, dass der künftige Gläubiger das Geld auch zurückbekommen soll. Datum, Unterschrift - fertig. WWS-Expertin Thomas sagt, es sei sogar möglich, einen Rückzahlungszeitpunkt festzulegen. Wenn es keinen festen Rückzahlungszeitpunkt gebe, könne man als Gläubiger den Vertrag kündigen. Dann habe der Schuldner drei Monate Zeit, das Geld zurückzugeben. Je nachdem, ob der Schuldner dann zahlt oder nicht, drohen diesem dann nach einiger Zeit auch Pfändungen. Gläubiger sollten dabei beachten: Drei Jahre nach der Kündigung des Kreditvertrages verjährt der Anspruch des Gläubigers, sein Geld zurückzubekommen. Bis dann sollte es also wirklich da sein. Aber ein Vertrag unter Freunden, die sich doch eigentlich vertrauen sollten, kann man das machen? Ja, sagt Heidbrink. Ein Vertrag könne so einen Geldverleih nämlich entkrampfen. Etwas vertraglich festzuhalten, sei kein Zeichen für Misstrauen, es beuge vielmehr Missverständnissen und Ärger vor, und das könne die Freundschaft sogar stützen. Ungefähr ein Jahr hat es gedauert, bis Florian aufgegeben hat. Was der Freund mit dem Geld gemacht habe? "Keine Ahnung." Am meisten ärgerte Florian aber, dass der Anwalt und Bekannte ihm immer wieder vorwarfen, dass er nichts Schriftliches hatte. Finanziell ruiniert hat ihn der misslungene Geldverleih aber nicht. Er verleiht sogar immer noch Geld an Freunde. Aber jetzt nur noch mit Vertrag: "Wer schreibt, der bleibt". | Wer Freunden eine höhere Summe leiht, sollte das schriftlich festhalten. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/geldgeschaefte-vertrauen-ist-gut-vertrag-ist-besser-1.4235657 | Geldgeschäfte - Vertrauen ist gut, Vertrag ist besser | 00/12/2018 |
Kein Laut ist zu hören in den Wäldern Rhode Islands, als die beiden Männer mit Helmen und Schutzbrillen ihr pechschwarzes Ungetüm an diesem Novembermorgen in Stellung bringen. Das mächtige, leicht nach oben geneigte Kanonenrohr misst vom Verschluss bis zur Mündung satte drei Meter, allein der Anblick hätte in früheren Jahrhunderten gereicht, um ein feindliches Heer in die Flucht zu schlagen. "Lädt!", ruft einer der Männer, dann drückt er den Auslöser: "Feuer!" Ein langes, kräftiges Kantholz schießt aus dem Lauf und bohrt sich sieben, acht Meter weiter tief in ein mit Sperrholz verrammeltes Fenster. Hätte im echten Leben jemand auf der anderen Seite gestanden, er wäre jetzt wohl schwer verletzt oder gar tot. Zum Glück ist es nicht das echte Leben, sondern nur ein Versuch im Forschungszentrum des US-Versicherers FM Global. Mit der Druckluftkanone lässt sich simulieren, mit welch ungeheurer Kraft tropische Wirbelstürme Äste oder losgerissene Fassadenteile in potenziell tödliche Geschosse verwandeln können. Die gut ein Zentimeter dicken Sperrholzplatten, mit denen Amerikaner bei einem nahenden Hurrikan gerne die Fenster ihrer Häuser und Lagerhallen verrammeln, wären in diesem Fall nicht ausreichend gewesen. Stattdessen hätte man zwei Platten voreinander schrauben müssen, wie der nächste Versuch zeigt: Diesmal prallt das Kantholz ab wie an einer Gummiwand. "Manchmal ist es gar nicht so schwer, sich zu schützen", sagt Joel Stoklosa, der durch das Forschungszentrum führt. "Man muss nur wissen wie." Mit 5,7 Milliarden Dollar Jahresumsatz und Kunden in fast 150 Ländern, allein 900 davon in Deutschland, ist FM Global einer der bedeutendsten Industriesachversicherer der Welt. Auch andere Branchengrößen wie AIG, Zurich und Axa beackern den Markt, in einem Punkt jedoch unterscheidet sich FM grundlegend von ihnen: Während es bei den Wettbewerbern vor allem Versicherungsmathematiker sind, die vom Schreibtisch aus einzelne Risiken und die daraus abzuleitenden Prämienzahlungen der Kunden kalkulieren, beschäftigt der Konzern aus Johnston vor den Toren Bostons weltweit 1800 Ingenieure, die Kunden besuchen, in deren Fabriken und Lagerhallen nach Schwachstellen beim Katastrophenschutz suchen und konkrete Verbesserungsvorschläge unterbreiten. Der beste Schaden ist der, der dank technischer Vorkehrungen gar nicht erst entsteht: Diese Idee steht im Mittelpunkt der Firmenphilosophie von FM Global, seit der Textilfabrikant Zachariah Allen aus Rhode Island 1835 beschloss, die dauernden Feuersbrünste in den Werkstätten seiner Zeit nicht länger als gottgegeben hinzunehmen. Er traf Vorkehrungen, um Brände einzudämmen oder ganz zu verhindern - und bat dann seine Assekuranz um eine Prämiensenkung. Der Versicherer lehnte ab und stellte sich damit selbst ein Bein: Allen sammelte gleichgesinnte Fabrikanten um sich und gründete mit ihnen die Gruppe der "Factory Mutuals" (FM), einen Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, in dem Unternehmer mit ausschließlich "guten Risiken" bei Sachschäden füreinander einstehen. Auch heute noch, zahllose Fusionen später, sind die Versicherungsnehmer zugleich die Eigentümer von FM Global. Sie profitieren von niedrigeren Prämien oder einer höheren Deckung und von der Rückzahlung überschüssiger Einnahmen. Vor allem aber profitieren sie vom technischen Knowhow, das der Konzern in fast zwei Jahrhunderten angesammelt hat und das er bis heute täglich im Forschungszentrum in West Glocester bei Providence generiert. 800 Brände werden hier pro Jahr gelegt, 250 Mal bebt die Erde, 150 Mal fliegt irgendetwas in die Luft. "Das ist die größte Einrichtung zur Zerstörung von Vermögen weltweit", scherzt Konzernsprecher Steve Zenofsky. Man könnte auch sagen: Die FM-Ingenieure zündeln, schießen und sprengen, um Feuer, Zerstörung und Explosionen zu verhindern. 140 Menschen arbeiten auf dem Campus im Nirgendwo, auf einem Gelände so groß wie 850 Fußballfelder. Der Bau der Hallen und Laboratorien hat über die Jahrzehnte 125 Millionen Dollar an Investitionen verschlungen. Das Labor für Naturkatastrophen etwa kann Wind in Hurrikanstärke und Hagelstürme simulieren. Ein garagengroßer "Shake Table", eine Erdbebenversuchsanlage, lässt Regale umkippen und Gasleitungen bersten. Nebenan, in einer Art Betonsilo von der Größe eines kleinen Hauses, werden Schutzmaßnahmen gegen Staubexplosionen erforscht. Mal ist es Mehl-, mal Kakao-, mal Aluminium-, mal Plastikstaub - ein Funke genügt, und das Gemisch entlädt sich mit ohrenbetäubendem Knall in einem zehn Meter hohen Feuerball. Dabei könnten Firmen, die mit solchen Stäuben hantieren, oft ganz einfach Abhilfe schaffen, etwa durch die Erdung statisch aufladbarer Gegenstände - oder schlicht durch mehr Sauberkeit. Einige Hundert Meter weiter, in der baumarktgroßen Brand-Versuchsanlage, haben Arbeiter zwei eiserne Hochregale aufgebaut, je 72 große Pappkartons stehen in vier Etagen darauf. Darüber schwebt eine riesige Dunstabzugshaube, die groß genug wäre, um alle Fernsehköche Deutschlands unter ihr zu versammeln. Dann setzt ein Feuerwehrmann mit Schutzanzug, Atemmaske und Gasflasche die Regale in Brand. Schon nach einer Minute züngeln die Flammen sieben, acht Meter hoch, kurz darauf hat sich das linke Regal in eine turmhohe, mehr als 900 Grad heiße Feuerwand verwandelt. Nach sieben Minuten - das ist in den USA die durchschnittliche Zeit, bis die Feuerwehr eintrifft - ist alles zerstört. Stürme, Fluten und Feuer werden immer heftiger Ganz anders rechts, wo die Hitze eine hochmoderne Sprinkleranlage in Gang gesetzt hat, die die Kartons gezielt so durchnässt, dass das Feuer keine Nahrung mehr findet. Während die FM-Feuerwehrleute links schon dabei sind, die Flammen mit Hilfe von riesigen Schläuchen zu löschen, stirbt das Feuer nebenan ohne menschliches Zutun einen raschen, schmählichen Tod. Ganze zehn, zwölf Kartons sind am Ende in Mitleidenschaft gezogen worden, die Halle wäre im Ernstfall nicht abgebrannt, sondern nach zwei, drei Stunden Aufräumarbeit wieder voll funktionsfähig gewesen. Exakt darum geht es: "Wir können nicht jede Katastrophe verhindern", sagt Sprecher Zenofsky. "Wir können aber verhindern, dass sie für ein Unternehmen zum Desaster wird." Das ist für Firmen und Versicherer auch deshalb so bedeutsam, weil Stürme, Fluten und Feuer wegen des Klimawandels immer heftiger, die Lagerhallen immer größer, die Hochregale immer höher, die gefährdeten Gebiete, in die Menschen und Betriebe ziehen, immer zahlreicher werden. Wer wollte nicht am Fluss, am Meer, am Waldesrand residieren? Als etwa 2016 ein Waldbrand in der kanadischen Stadt Fort McMurray 100 000 Einwohner zur Flucht zwang und Schäden von drei Milliarden Dollar hinterließ, waren die betroffenen Versicherer völlig perplex: Ihre Mathematiker hatten eine solche Katastrophe schlicht für unmöglich gehalten. | Wirbelstürme, Überflutungen und Brände werden immer heftiger, die Schäden steigen. Der US-Versicherer FM Global erforscht, wie sich Firmen besser schützen können. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/waldbrand-usa-versicherung-1.4233685 | Versicherungen - Zündeln gegen die Feuersbrunst | 00/12/2018 |
Auf solche Post aus Berlin hätten Bürgermeister gern verzichtet. Vor ein paar Tagen lobte die Bundesregierung in Schreiben an Städte zwar, wie viele die Luft mit Projekten wie dem Umstieg auf Elektrobusse verbessern wollten. Nur seien es leider zu viele für das Förderprogramm "Saubere Luft", ließ Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) wissen. Skizzen zu 40 Projekten mit einem Fördervolumen von 350 Millionen Euro hätten ihr Haus erreicht. Zur Verfügung stünden aber nur 92 Millionen Euro. Sie bedaure sehr, dass das Ministerium angesichts begrenzt verfügbaren Haushaltsmittel nur einen Teil der Projekte fördern könne, schrieb sie. In Deutschlands Rathäusern wächst angesichts solcher Bescheide der Ärger über die Regierung in der Dieselkrise. Ausgerechnet kurz vor dem nächsten Gipfel zur Lösung des Dauerthemas an diesem Montag herrscht Streit zwischen Stadtoberhäuptern und Bundesregierung. Denn vielerorts fühlen sich Kommunen mit dem Problem drohender Fahrverbote alleingelassen. Es geht um fehlende Finanzmittel zum Umsteuern, aber auch um die Frage, wer eigentlich die Verantwortung trägt. Dabei ist der Topf, insgesamt eine Milliarde Euro schwer, noch nicht mal ausgeschöpft. Mehr als ein Drittel ist noch da - aber eben für andere Projekte als für Elektrobusse. Die Luft ist dick, nicht nur im Wortsinn. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hat vorige Woche die Kommunen vor den Kopf gestoßen. Er habe kein Verständnis dafür - so der Minister im Bundestag - dass sie "mit alten Luftreinhalteplänen vor Gericht scheitern" und dann Fahrverbote verhängt würden. Im Klartext: Die Städte sind selber Schuld am Stillstand. Das wollen Bürgermeister bundesweit nicht auf sich sitzen lassen. "Wie der Verkehrsminister den Städten den Schwarzen Peter zuschiebt, ist beschämend", sagt Michael Ebling, Mainzer Oberbürgermeister und Präsident des Kommunalverbands VKU. In Mainz droht von September 2019 an Stillstand. Die Regierung habe das Thema nicht ernst genug genommen und werde nun von den Folgen überrollt, klagt Ebling (SPD). Viel schlimmer, findet man in Mainz: "Die Bundesregierung unterschätzt das Thema noch immer. Sie hätte die Sorgen der Städte viel früher ernst nehmen müssen. Nun kommt ein Urteil nach dem anderen. In Dutzenden Städten drohen Fahrverbote und damit Stillstand. Ein Gipfel alle paar Monate ist einfach zu wenig", findet Oberbürgermeister Ebling. Der Verbandschef wird am Montag nach Berlin kommen. Dort beginnt im Kanzleramt um 10 Uhr unter dem Titel "Besprechung der Bundeskanzlerin mit Kommunen und Ländern zur Luftqualität in Städten" ein Treffen im Internationalen Konferenzsaal, das es in sich haben wird. Denn die Probleme werden mit jedem Gipfel größer statt kleiner. In 65 Städten werden die Grenzwerte gerissen. In Hamburg ist die erste Straße für Dieselautos gesperrt, die nicht die neueste Abgasnorm erfüllen. In Köln dürfen ältere Fahrzeuge von April an weite Teile der Stadt nicht mehr befahren. Stuttgart muss sie von Anfang 2019 an aus dem Stadtgebiet aussperren. Auch in Frankfurt dürfen alte Diesel von Februar an nicht mehr den Bereich innerhalb des Autobahnrings befahren. Von September 2019 an soll das auch für jüngere Euro-5-Fahrzeuge gelten. In Essen ordneten Richter gar erstmals ein Fahrverbot für eine Autobahn an, in Berlin für stark belastete Hauptstraßen. Vielen weiteren Städten drohen Urteile. Als sei die Lage im städtischen Verkehr nicht schon dramatisch genug, sagt Ebling. "Wir kämpfen gegen den Kollaps. Die Städte wachsen weiter. Es wird immer enger auf den Straßen." Städte und kommunale Verkehrsbetriebe machen vor dem Gipfel deshalb mobil und fordern mehr Geld - dauerhaft. "Die Mittel aus dem Diesel-Fonds werden knapp", sagt auch der neue Präsident des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), Ingo Wortmann, gleichzeitig Chef der Münchner Verkehrsgesellschaft. "Wir benötigen eine Verstetigung dieser Mittel von jährlich einer Milliarde Euro. Und das für mindestens zehn bis 20 Jahre." Der Bund schaffe Verbraucher erster und zweiter Klasse, sagen die Kommunen Zudem sei ein Sonderprogramm für den Umbau des Verkehrs in größeren Städten erforderlich. Nicht nur beim Nahverkehr, sondern bei Verkehrsprojekten generell gehe es schließlich um Langfristplanung, sagt Wortmann. Nötig sei eine Fahrzeugförderung und eine Förderung für den Streckenausbau. "Allein der Sanierungsbedarf bei der vorhandenen Infrastruktur liegt bei derzeit vier Milliarden Euro", warnt er. Auch dafür sei eine Unterstützung wichtig. Berechnungen des Verbands zufolge wächst mit den Städten auch der Transportbedarf. Zu jährlich elf Milliarden Fahrgästen des öffentlichen Nahverkehrs in Deutschland werde bis 2030 ein Drittel hinzukommen, sagt Wortmann voraus. Für Ärger sorgt in den betroffenen Städten auch, dass nur die Orte mit den schlechtesten Werten vom Diesel-Paket mit Nachrüstung und Umtauschaktionen profitieren sollen. "In Mainz haben Autofahrer keinen Anspruch auf eine Nachrüstung", sagt Ebling. "Im 50 Kilometer entfernten Limburg aber schon, weil dort die Grenzwerte um einige Mikrogramm mehr überschritten werden." Der Bund schaffe so Verbraucher erster und zweiter Klasse und mit dem Schutz der Autobranche vor härteren Sanktionen einen Vertrauensverlust in die Politik. "Wir erleben eine eklatante Verletzung des Rechtsempfindens in Deutschland", warnt Ebling. Der Bundestag dagegen befasste sich am Freitag mit der Position von Messstellen. Deren ungünstige Lage, so fanden FDP und AfD, sorge für zu hohe Messwerte. "Fake News", erklärte Florian Pronold, Staatssekretär im Bundesumweltministerium. "Die Diskussion ist bewusste Irreführung." Für alle Fälle soll das aber nun auch eine unabhängige Prüfung bestätigen. | Kurz vor dem nächsten Diesel-Gipfel herrscht Streit zwischen Stadtoberhäuptern und Bundesregierung. Die Kommunen fühlen sich mit drohenden Fahrverboten allein gelassen und fordern mehr Geld. | wirtschaft | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/abgasskandal-staedte-sind-sauer-auf-die-bundesregierung-1.4233982 | Abgasskandal - Städte sind sauer auf die Bundesregierun | 00/12/2018 |
Steuer- und Beitragszahler profitieren im kommenden Jahr von neuen Regelungen. Hier die exklusiv für die SZ berechneten Veränderungen in den einzelnen Einkommensklassen. Im kommenden Jahr werden alle Steuerzahler sowie Familien mit minderjährigen Kindern oder Kindern in Ausbildung mehr Geld in der Tasche haben als bisher. Die jährlichen Entlastungen liegen zwischen mehr als 500 Euro für kinderlose Singles und etwas mehr als 1000 Euro bei Familien mit zwei Verdienern und zwei Kindern. Das geht aus Berechnungen hervor, die der Steuerprofessor Frank Hechtner von der TU Kaiserslautern für die Süddeutsche Zeitung erstellt hat. Hechtner hat dabei sowohl die Veränderungen bei den Sozialabgaben als auch beim Kindergeld und der Einkommensteuer berücksichtigt. Die ganz große Entlastung bleibt trotz der andauernden Haushaltsüberschüsse in Bund und Ländern und in den meisten Sozialkassen aus. "Die unterschiedlichen Maßnahmen führen zu spürbaren Entlastungen, insbesondere für Familien mit Kindern", sagt Hechtner. Er findet aber, dass die große Koalition hinter den Möglichkeiten zurückbleibt - und nachbessern sollte. "Angesichts der weiterhin guten Haushaltslage bleibt die Diskussion über zusätzliche Entlastungen." Die Bundesregierung hat auf eine große Steuerreform verzichtet und will erst 2021 beginnen, den Solidaritätszuschlag abzubauen. Sie hat lediglich ein Familienentlastungsgesetz beschlossen, das sie als kleine Steuerreform preist. Tatsächlich werden in diesem Gesetz vor allem Vorgaben umgesetzt, die jede Bundesregierung erfüllen muss. Nur bei den Vergünstigungen für Kinder geht die Koalition über das geforderte Minimum hinaus. So ist der Gesetzgeber verpflichtet, regelmäßig die Höhe des steuerlich freizustellenden Existenzminimums anzupassen. Außerdem muss die Bundesregierung den Einfluss der Inflation auf die Steuertarife prüfen und diese so ändern, dass Lohnerhöhungen nicht durch das Zusammenspiel von Inflation und steigenden Steuertarifen aufgezehrt werden. Im kommenden Jahr wird der steuerliche Grundfreibetrag bei 9168 Euro liegen, das sind 168 Euro mehr als im ablaufenden Jahr. Das Existenzminimum für Kinder wird analog zur Erhöhung des Kindergeldes angepasst - und damit stärker als gesetzlich erforderlich. Das geht auf ein Versprechen der großen Koalition zurück und ist im Regierungsprogramm verankert. Der Kinderfreibetrag steigt pro Elternteil um 96 Euro auf dann 2490 Euro pro Kind. Die Erhöhung des Kinderfreibetrages ist so konzipiert, dass sie ökonomisch der vollen Jahreswirkung des ebenfalls erhöhten Kindergeldes entspricht. Das Kindergeld steigt vom 1. Juli 2019 an um jeweils zehn Euro pro Kind und Monat und damit deutlich stärker als im 12. Existenzminimumbericht gefordert. Die Beiträge zu den Sozialversicherungen ändern sich unterschiedlich. Entlastungen bei der Kranken- und bei der Arbeitslosenversicherung werden teilweise durch die steigenden Beiträge zur Pflegeversicherung aufgehoben. Die größten Entlastungen werden bei Einkommen erwartet, die nahe, aber noch unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze liegen. Diese entspricht dem Bruttoeinkommen, bis zu dem Arbeitnehmer Beiträge zur Sozialversicherung zahlen müssen. Übersteigt der Bruttolohn die Beitragsbemessungsgrenze, ist der darüber liegende Teil des Lohnes sozialabgabenfrei. Weil bis zu dieser Grenze die Sozialbeiträge wegen der prozentualen Abhängigkeit vom Lohn steigen, fallen die Entlastungen bei sinkenden Beiträgen vergleichsweise höher aus. Die Beitragsbemessungsgrenze steigt mit den Löhnen. Dass sie im Westen höher ist als im Osten, liegt daran, dass dort die Löhne noch immer höher sind. Im Jahr 2019 wird die Beitragsbemessungsgrenze deutlich angehoben, was grundsätzlich zu einer zusätzlichen Belastung für Arbeitnehmer und Arbeitgeber führt. Dass dennoch mehr Netto vom Brutto bleibt, liegt daran, dass die Beiträge zur Arbeitslosen- und Krankenversicherung sinken, die Steuertarife inflationsbedingt geändert werden und Kinderzuschläge steigen. Dass die Entlastung nicht höher ausfällt, verhindert der steigende Beitrag zur Pflegeversicherung. Versicherte in den alten Bundesländern müssen 2019 bis zu einem Bruttoeinkommen von 6700 Euro Beiträge an die Renten- und Arbeitslosenversicherung zahlen, im ablaufenden Jahr lag die Grenze bei 6500 Euro. In den neuen Ländern müssen die Versicherten künftig bis 6150 Euro voll in Rente- und Arbeitslosenversicherung zahlen; 2018 war bei 5800 Euro damit Schluss. Der Anstieg fällt besonders groß aus, weil die Löhne stärker gestiegen sind. Damit werden Arbeitnehmer im Osten insgesamt weniger entlastet als im Westen. Vorsorgeaufwendungen zur Rentenversicherung werden vom neuen Jahr an zu 88 Prozent steuerlich berücksichtigt und damit um zwei Prozentpunkte mehr als bisher. Die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung sind 2019 bundesweit bei 4537,50 Euro gedeckelt. Die Rechnungen des Steuerprofessors beziehen sich auf die alten Länder und konfessionslose Arbeitnehmer. | Steuer- und Beitragszahler profitieren im kommenden Jahr von neuen Regelungen. Hier die exklusiv für die SZ berechneten Veränderungen in den einzelnen Einkommensklassen. | geld | https://www.sueddeutsche.de/geld/steuern-und-abgaben-2019-so-viel-haben-die-buerger-mehr-im-portemonnaie-1.4268149 | So viel haben die Bürger 2019 mehr im Portemonnaie | 00/12/2018 |
Die neuen steuerfreien Gehalts-Extras Wer 2019 mehr Nettogehalt im Geldbeutel haben will, sollte seinen Chef oder seine Chefin nicht nur nach einer Gehaltserhöhung fragen. Von 100 oder 200 Euro mehr Bruttogehalt im Monat landet bei einem Durchschnittsverdiener sowieso nicht einmal die Hälfte auf dem Konto. Lukrativer kann es für solche Arbeitnehmer sein, um geldwerte Extras zusätzlich zum Gehalt zu verhandeln. Das Einkommensteuergesetz eröffnet Betrieben überraschend viele Wege, damit bei ihren Mitarbeitern steuerfrei netto mehr herauskommt. Und die Arbeitgeber profitieren auch noch davon. Nächstes Jahr dürfen sie ihren Beschäftigten gleich drei neue umweltfreundliche Geschenke machen. | Jobticket, Dienstrad und Elektroauto: Darüber können Arbeitnehmer im kommenden Jahr verhandeln. | geld | https://www.sueddeutsche.de/geld/aenderungen-2019-die-neuen-steuerfreien-gehalts-extras-1.4268241 | Die neuen steuerfreien Gehalts-Extras | 00/12/2018 |
Zum 1. Januar 2019 tritt das Mietrechtsanpassungsgesetz in Kraft. Der Eigentümerverband befürchtet, dass Eigentümer weniger Geld in energetische Modernisierungen investieren. Manches wird für Vermieter aber auch einfacher. Zum 1. Januar 2019 tritt das Mietrechtsanpassungsgesetz in Kraft. Damit gelten bei Mieterhöhungen nach Modernisierungen und bei der Mietpreisbremse neue Regelungen. Julia Wagner von Eigentümerverband Haus & Grund Deutschland erklärt, was die Änderungen für Vermieter bedeuten. SZ: Frau Wagner, sind Sie mit den neuen Regelungen einverstanden? Julia Wagner: Tendenziell führen die Neuregelungen mit Ausnahme des vereinfachten Verfahrens bei kleinen Modernisierungen dazu, dass das Vermieten immer aufwendiger wird. Die Modernisierungsmieterhöhung wird von elf auf acht Prozent abgesenkt. Ist das eine spürbare Änderung für Vermieter? Sicherlich ist dies ein erneutes deutliches Signal an die Vermieter. Zwar haben insbesondere private Vermieter in der Vergangenheit die Miete gar nicht oder nur geringfügig aufgrund von Modernisierungsmaßnahmen erhöht. Grundsätzlich muss man nun aber davon ausgehen, dass Modernisierungen unwirtschaftlicher werden für Vermieter. Schon eine nur geringfügige Steigerung der Zinsen hat zur Folge, dass Modernisierungen für Vermieter unrentabel sind. Dies wird sich auf die Modernisierungsquote auswirken, es werden vermutlich künftig weniger Vermieter modernisieren als bisher. Dafür sind kleine Modernisierungen aber künftig einfacher umlegbar. Das ist eine gute Sache. Bei kleinen Modernisierungen - pro Einheit bis maximal 10 000 Euro - können Vermieter jetzt pauschal 30 Prozent für den Erhaltungsaufwand abziehen. Das ist gerade für kleine Vermieter, die häufig nur nach und nach renovieren können, eine große Erleichterung. Die bisherige Regelung ist äußerst kompliziert und führt dazu, dass Vermieter häufig gar keine Modernisierungen umlegten beziehungsweise gar nicht modernisierten. Dafür können Vermieter aber nach einer solchen kleinen Modernisierung fünf Jahre lang keine Modernisierungsmieterhöhung nach § 559 BGB mehr geltend machen. Das ist richtig. Dafür wurden aber jetzt noch zwei Ausnahmetatbestände von dieser Sperrfrist ins Gesetz aufgenommen: Bei einer Modernisierung aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung kann der Vermieter auch innerhalb der fünf Jahre eine Modernisierungsmieterhöhung nach § 559 BGB geltend machen. Das gilt auch für Modernisierungen aufgrund eines WEG-Beschlusses, der frühestens zwei Jahre nach Zugang der Mieterhöhungserklärung beim Mieter gefasst wurde. Was halten Sie denn von dem neuen Bußgeldtatbestand des Herausmodernisierens? Da dies keine Praktiken privater Vermieter sind, hat diese Neuregelung keine großen Auswirkungen. Damit sollen vor allem Praktiken großer Investoren bestraft werden. Was bedeutet die sogenannte einfache Rüge für Vermieter? Wenn sich der Vermieter nicht auf eine der Ausnahmen der Mietpreisbremse bezieht, kann der Mieter die Miethöhe ins Blaue hinein rügen. Dann muss der Vermieter darlegen, dass er nicht gegen die Mietpreisbremse verstößt. Das ist vor allem in Gebieten, in denen kein Mietspiegel vorliegt, äußerst schwierig. Vermieter werden dann faktisch gezwungen, die ortsübliche Vergleichsmiete gerichtlich feststellen zu lassen. | Zum 1. Januar 2019 tritt das Mietrechtsanpassungsgesetz in Kraft. Der Eigentümerverband befürchtet, dass Eigentümer weniger Geld in energetische Modernisierungen investieren. Manches wird für Vermieter aber auch einfacher. | geld | https://www.sueddeutsche.de/geld/neue-regeln-vermieten-wird-aufwendiger-1.4266773 | """Vermieten wird aufwendiger""" | 00/12/2018 |
Die Mieten, das zeigen die aktuellen Prognosen, werden wohl auch im kommenden Jahr weiter steigen. Für Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) ist bezahlbarer Wohnraum "die soziale Frage unserer Zeit". Die Bundesregierung hat daher einige Änderungen im Mietrecht beschlossen. Mieter müssen weniger für Modernisierungen zahlen, sie können sich einfacher gegen zu hohe Mieten wehren und sind besser davor geschützt, durch extreme Preiserhöhungen aus ihren Wohnungen verdrängt zu werden. Nach zähem Ringen hatten sich die Koalitionsparteien im Deutschen Bundestag auf das neue Mietrechtsanpassungsgesetz geeinigt. Die Reform konzentriert sich auf zwei Schwerpunkte: Mieterhöhungen bei Modernisierungen werden reduziert, die Mietpreisbremse wird verschärft. Während Vermieter bisher Wohnwertverbesserungen oder Maßnahmen zur nachhaltigen Einsparung von Energie mit elf Prozent der Kosten pro Jahr auf Mieter umlegen konnten, ist dies jetzt nur noch in Höhe von acht Prozent pro Jahr möglich. Diese Absenkung gilt bundesweit. Zudem wird eine Kappungsgrenze eingeführt: Die Miete darf nach einer Modernisierung nicht um mehr als drei Euro pro Quadratmeter innerhalb von sechs Jahren angehoben werden. Liegt die Miete gar unterhalb von sieben Euro pro Quadratmeter, darf sie wegen einer Modernisierung nur um höchstens zwei Euro innerhalb von sechs Jahren steigen. Für Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund können viele Mieter auch diese Beträge nicht schultern: "Insgesamt ist der Umfang der Umlage noch viel zu hoch und bedeutet oft extreme Mietpreissteigerungen für die Mieter", kritisiert Ropertz. Die Modernisierungsumlage wird künftig einfacher berechnet: Bei Kosten von bis zu 10 000 Euro ziehen Vermieter 30 Prozent für den Erhaltungsaufwand ab und können den Rest dann als Modernisierungskosten umlegen. Die Preisbremse gilt nur für die Neuvermietung von Bestandswohnungen Neben der Absenkung der Modernisierungsumlage wurde die Mietpreisbremse bundesweit verschärft. Sie gilt für die Neuvermietung von Bestandswohnungen, nicht für Neubauten. Die Miete für eine neu errichtete Wohnung kann der Eigentümer ohne Beschränkung frei festlegen. Denn Investoren sollen durch die Mietpreisbremse nicht gehemmt werden. Anders bei Bestandsbauten: Vermieter sind hier künftig verpflichtet, dem Mieter vor Abschluss des Mietvertrags unaufgefordert und schriftlich offenzulegen, wie hoch die Miete des Vormieters war. Diese Pflicht besteht allerdings nur dann, wenn der Vermieter eine Miete verlangen will, die mehr als zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt oder wenn sich der Vermieter auf andere Ausnahmen von der Mietpreisbremse berufen will. Dies ist etwa bei Wohnungen der Fall, die erstmals nach dem 1. Oktober 2014 genutzt und vermietet wurden, und für die erste Vermietung nach einer umfassenden Modernisierung oder nach einer vorangegangenen Modernisierung. Kommt der Vermieter seiner Auskunftspflicht nicht nach, kann er höchstens die nach der Mietpreisbremse zulässige Höchstmiete verlangen. Neu ins Gesetz aufgenommen wurde noch, dass Vermieter die Auskunft nachholen können, wenn sie diese vergessen haben. Sie müssen dann aber zwei Jahre warten, bis sie die höhere Miete verlangen können. "Das ist nicht wirklich einsichtig", moniert Ropertz. Letztlich erwiesen sich die Änderungen damit als zahnloser Tiger. "Die neuen Regelungen sind halbherzig und gehen uns nicht weit genug. Bei der Mietpreisbremse schaffen sie zwar mehr Transparenz, bringen aber keine wirklichen Verbesserungen für Mieter", kritisiert Ropertz. Immerhin ist es für Mieter künftig einfacher, Verstöße gegen die Mietpreisbremse zu rügen. Während sie bisher eine sogenannte qualifizierte Rüge erheben mussten, genügt jetzt eine einfache Rüge wie zum Beispiel der Satz: "Ich rüge die Verletzung der Mietpreisbremse." Anders ist die Lage, wenn sich der Vermieter auf eine der Ausnahmen beruft und darüber auch den Mieter informiert hat. "In diesen Fällen muss der Mieter sich auf die erhaltenen Informationen beziehen, also qualifiziert rügen", erläutert die Rechtsanwältin in der Arbeitsgemeinschaft Mietrecht und Immobilien im Deutschen Anwaltverein, Beate Heilmann. Allerdings können Mieter nur Mieten zurückfordern, die nach der Rüge fällig geworden sind. Entscheidend bei der Mietpreisbremse: Sie ist nur dann wirksam, wenn sie von der jeweiligen Landesregierung durch eine gültige Rechtsverordnung umgesetzt wird (siehe Kasten). Wer Modernisierungen ankündigt, aber nicht durchführt, kann bestraft werden Vermieter, die umfangreiche Modernisierungsmaßnahmen nur zu dem Zweck ankündigen, Mieter zur Kündigung zu veranlassen, können künftig zur Kasse gebeten werden. Als Ordnungswidrigkeit kann dann eine Geldbuße von bis zu 100 000 Euro verlangt werden. Eine Ordnungswidrigkeit wird vermutet, wenn der Vermieter nicht innerhalb von zwölf Monaten mit den Baumaßnahmen beginnt oder die Arbeiten nach Beginn mehr als zwölf Monate lang ruhen lässt. Dies ist auch der Fall, wenn der Vermieter eine Mieterhöhung von mindestens 100 Prozent ankündigt oder die Modernisierung so durchgeführt wird, dass der Mieter erheblich belastet wird. "Ein solches Verhalten wird als Pflichtverletzung angesehen und kann zu Schadenersatzforderungen des Mieters führen", erklärt Heilmann. Die Vermutung gelte aber nicht, wenn der Vermieter darlegen könne, dass es für sein Verhalten einen objektiven Grund gebe. Und schließlich werden künftig auch Mietverhältnisse geschützt, die eingegangen werden, um die angemieteten Räume sozial bedürftigen Personen zur Verfügung zu stellen. Diese waren bisher als Gewerberaummietverträge grundlos kündbar. "Dies wird dazu führen, dass es künftig Sozialträgern deutlich erschwert wird, geeigneten Wohnraum für solche Personen zu finden", glaubt Rechtsexpertin Heilmann. | Im kommenden Jahr ändern sich wichtige Regeln für Mieter und Eigentümer. Bewohner sollen zum Beispiel besser vor Luxusmodernisierungen geschützt werden. Verbraucherschützer sind dennoch unzufrieden. | geld | https://www.sueddeutsche.de/geld/mietrecht-auf-der-bremse-1.4266769 | Auf der Bremse | 00/12/2018 |
Rollheimer, Wägler oder Wagendörfler, so nennt man Menschen, die in mobilen Heimen wohnen, aber nicht auf dem Campingplatz. In Berlin gibt es zur Zeit zehn Wagendörfer, große wie das an der Wuhlheide oder jenes an der Pankgrafenstraße, kleine wie das am Kinderbauernhof Kreuzberg oder an der Schillingbrücke. Doch die Brachflächen, die es nach dem Ende der DDR in Ost-Berlin zuhauf gab, schwinden zusehends, und so wird auch die Zahl der Wagendörfer kleiner. Die Wagendörfer der 90er-Jahre stießen bei vielen auf Ablehnung - sie wirkten manchmal wie eine wilde Müllkippe, in der abgewrackte Wohnmobile oder Hänger herumstanden. Neugierige, die sich zu weit vorwagten, wurden angepöbelt und auch schon mal mit Steinen beworfen. 1993 kam es zu einer spektakulären Polizeiaktion, als die Wagenburg am Engelbecken von 900 Polizisten gestürmt und aufgelöst wurde. | In Berlin gibt es noch etwa zehn Wagendörfer. Zu Besuch bei einer Familie, die etwas anders wohnt. | geld | https://www.sueddeutsche.de/geld/alternative-wohnform-leben-im-bus-1.4266781 | Alternative Wohnform - Leben im Bus | 00/12/2018 |
Die Mieterin war erbost. Im Sommer erhielt sie von der Hausverwaltung die Mitteilung, dass das Haus für zwei Monate eingerüstet werden sollte. Auf die besondere Lebenssituation der Bewohnerin wurde in dem Schreiben nicht eingegangen - die Mieterin ist auf einen Elektrorollstuhl angewiesen. Für diesen aber war nun wegen des Gerüstes der Zugang zu ihrer Wohnung zu schmal. Weder lässt sich ihre Wohnungstüre elektrisch öffnen, noch ist die Türschwelle barrierefrei. Verletzungen und Sachbeschädigungen sind deshalb programmiert. Ein Beispiel, das typisch ist für viele andere: Oft bekommen Mieter und Wohnungseigentümer in und außerhalb ihrer Wohnungen Probleme, weil diese nicht behindertengerecht gebaut sind. Allerdings hat der Gesetzgeber dem Mieter einen Anspruch auf Barrierefreiheit gegeben. Der Vermieter muss demnach baulichen Veränderungen zustimmen, wenn diese für eine behindertengerechte Nutzung der Mietwohnung oder den Zugang zu ihr erforderlich sind. Aber ganz so einfach ist es nicht. "Es muss dann eine Interessenabwägung stattfinden", sagt Julia Wagner von Haus & Grund Deutschland. Dabei seien neben den Interessen des Vermieters am unveränderten Erhalt der Wohnung oder des Gebäudes auch die Interessen der anderen Mieter im Haus zu berücksichtigen. In jedem Fall muss der Mieter den Vermieter fragen, bevor er die Wohnung oder den Zugang barrierefrei gestaltet. "Andernfalls kann der Vermieter das Mietverhältnis fristlos kündigen", warnt Wagner. Bei der geplanten Gesetzesreform sollte die Kostenfrage geklärt werden Mieter müssen vor Abschluss des Mietvertrags nicht auf ihre Behinderung hinweisen. "Die Behinderung darf nicht zu einer Benachteiligung des Mietinteressenten führen", erläutert Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund. Einen Anspruch auf Barrierefreiheit haben nicht nur Mieter, sondern auch andere Personen, die der Mieter berechtigterweise in seiner Wohnung aufgenommen hat wie zum Beispiel der Lebensgefährte, entschied das Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 28. 3. 2000, 1 BvR 1460/99). Das Gericht erklärte, dass auch dem Lebenspartner der Zugang zur Wohnung gewährt werden müsse. Im entschiedenen Fall wollte der Mieter für seine querschnittsgelähmte Lebensgefährtin auf eigene Kosten einen Treppenlift einbauen und diesen bei seinem Auszug aus der Wohnung wieder ausbauen. Der Vermieter hatte den Einbau abgelehnt. Das Bundesverfassungsgericht sah darin eine Verletzung der Abwägung der Interessen beider Seiten und hob die Entscheidung auf. Der Vermieter muss allerdings nicht jedes Angebot akzeptieren, zum Beispiel nicht das Angebot einer Treppenliftfirma, die den kostenlosen Rückbau anbietet. Dem Vermieter sei es nicht zuzumuten, das Insolvenzrisiko eines Dritten zu übernehmen, den er sich nicht selbst als Vertragspartner ausgesucht habe, entschied das Amtsgericht Pankow/Weißensee (Urteil vom 11. Oktober 2012, 3 C 181/12). In einer Eigentümergemeinschaft müssen alle zustimmen Anders liegt der Fall, wenn es um Wohnungseigentum geht. Da hier das Gemeinschaftseigentum betroffen ist, müssen alle Eigentümer ihre Zustimmung zum Einbau einer Rampe oder eines Treppenlifts geben. Der vermietende Eigentümer muss dies zum Tagesordnungspunkt auf der Eigentümerversammlung machen und versuchen, so den Rechten seines Mieters Gehör zu verschaffen. In einem Fall wollte ein Wohnungseigentümer auf eigene Kosten einen Personenaufzug einbauen. Er machte geltend, dass er wegen seiner behinderten Enkelin auf den Aufzug angewiesen sei. Der BGH entschied gegen den Bau des Aufzugs, da die anderen Wohnungseigentümer dem nicht zugestimmt hätten. Ein Teil des Treppenhauses, das ja Gemeinschaftseigentum sei, werde dann nur wenigen Wohnungseigentümern zur Nutzung überlassen, hieß es zur Begründung. Dafür sei aber eine Vereinbarung aller Wohnungseigentümer erforderlich (Urteil vom 13. Januar 2017, V ZR 96/16). Für Gabriele Heinrich vom Verbraucherschutzverband Wohnen-im-Eigentum e.V. sollte wegen solcher Schwierigkeiten im Rahmen der anstehenden Reform des Wohnungseigentumsrechts die Barrierefreiheit gleich mitgeregelt werden. "Eigentümer, die für einen barrierefreien Zugang und die barrierefreie Nutzung ihrer Wohnung auf bauliche Maßnahmen im Gemeinschaftseigentum angewiesen sind, sollten dafür die Zustimmung zu diesen Maßnahmen von den anderen Eigentümern verlangen können", führt Heinrich aus. Zudem sollte das Gesetz vorsehen, dass der Eigentümer zum Rückbau auf seine Kosten verpflichtet ist, meint die Verbraucherschützerin. Dies sollte dann auch rechtlich abgesichert werden, mit einer Eintragung im Grundbuch oder durch Hinterlegung einer Sicherheit für den späteren Rückbau. | Mieter dürfen ihre Wohnung barrierefrei umbauen, wenn das nötig ist. Kompliziert ist die rechtliche Lage in Eigentümergemeinschaften. | geld | https://www.sueddeutsche.de/geld/barrierefreiheit-rampe-aufzug-treppenlift-1.4266779 | Rampe, Aufzug, Treppenlift | 00/12/2018 |