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Eigentlich gilt die Mietpreisbremse auch in bayerischen Metropolen wie München oder Nürnberg. Wegen eines Formfehlers könnte die Regelung aber unwirksam sein. Die Landesregierung will die entsprechende Verordnung daher neu erlassen. Mit der Mietpreisbremse will die Bundesregierung die Mieten deckeln. Über die Umsetzung entscheiden allerdings die Bundesländer. Nötig ist der Erlass einer Landesverordnung, die den bundesgesetzlichen Anforderungen entspricht. "Der formale Erlass genügt hier nicht, vielmehr muss die Verordnung auch inhaltlich ausreichend begründet sein", erklärt der Münchner Rechtsanwalt Francesco di Pace. Genau dies monierte das Landgericht München I mit Berufungsurteil vom 6. 12. 2017 (14 S 10058/17), mit welchem es das am 21. Juni 2017 erlassene Urteil des Amtsgerichts München (414 C 26570/16) bestätigte. Dieses hatte entschieden, dass die Mieterschutzverordnung des Freistaates Bayern in der Fassung vom 10. November 2015 unwirksam sei. Diese leide an einem Verfahrensmangel, weil nicht für jede einzelne Gemeinde anhand der Begründung nachvollzogen werden könne, warum dort ein angespannter Wohnungsmarkt existiere und deswegen die Mietpreisbremse eingeführt werden müsse. Die bayerische Staatsregierung versuchte daraufhin, diesen Mangel dadurch zu beheben, dass sie - ohne die Verordnung neu zu erlassen - am 24. Juli 2017 in einem Ministerialblatt eine Begründung veröffentlichte. Daraufhin urteilte das Amtsgericht München am 14. September 2018 erneut: Eine rechtlich unwirksame Verordnung könne nicht durch "Nachbesserungsmaßnahmen" in Kraft gesetzt werden, sondern bleibe unwirksam. Die Verordnung müsse komplett neu erlassen werden. "Die Mietpreisbremse gilt daher schon seit dem Urteil des Amtsgerichts München nicht mehr", stellt Jurist di Pace fest. Vermieter könnten also momentan die Miethöhe bei Mietvertragsbeginn in Übereinstimmung mit dem neuen Mieter frei festsetzen. Die Staatsregierung bestreitet jedoch eine allgemein verbindliche Wirkung des Urteils und hält die Mietpreisbremse für wirksam. Um der Rechtsunsicherheit entgegenzuwirken und die Mietpreisbremse langfristig auf eine sichere Grundlage zu stellen, soll nun die bayerische Mieterschutzverordnung neu erlassen werden. Der Erlass war zunächst für diesen Herbst, dann bis Jahresende angekündigt worden. Ein vom Bayerischen Staatsministerium der Justiz beauftragtes Institut erstellt derzeit ein Gutachten zur Identifizierung von Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten. Wann die Verordnung kommen wird, ist nicht bekannt. Jedenfalls dürfte bis zu deren Erlass die von der Bundesregierung zum 1. Januar 2019 verschärfte Mietpreisbremse in Bayern nicht gelten. Es sei denn, die gegen das jüngste Urteil des Münchner Amtsgerichts eingelegte Berufung hat Erfolg. | Eigentlich gilt die Mietpreisbremse auch in bayerischen Metropolen wie München oder Nürnberg. Wegen eines Formfehlers könnte die Regelung aber unwirksam sein. Die Landesregierung will die entsprechende Verordnung daher neu erlassen. | geld | https://www.sueddeutsche.de/geld/mietpreisbremse-verwirrspiel-in-bayern-1.4266771 | Verwirrspiel in Bayern | 00/12/2018 |
Ob beim Bau, Kauf oder bei der energetischen Modernisierung: Auch im kommenden Jahr bietet der Staat zahlreiche Förderungen rund um die Immobilie. Neben vergünstigten Krediten können Verbraucher auch von direkten Zuschüssen profitieren. Angesichts stetig steigender Immobilien- und Baupreise lohnt es sich, nach Zuschüssen Ausschau zu halten. Zu den ersten Adressen gehören die KfW-Bank und das Bundesamt für Wirtschaft und Außenhandelskontrolle, kurz Bafa. Sie bieten Privateigentümern und solchen, die es werden wollen, insgesamt etwa 50 Förderprogramme. Einer der Schwerpunkte liegt auf der Energieeffizienz, ein anderer bei der Unterstützung beim Erwerb von Wohneigentum und dessen Sanierung. Wichtig in jedem Fall: Geld gibt es auf Antrag, und dieser müsse vor der Auftragsvergabe an die Handwerker oder das Bauunternehmen gestellt werden, erklärt Thorsten Weber, Berater des Verbands Privater Bauherren (VPB) aus Fulda. Während KfW-Förderung häufig über die Hausbank beantragt wird, läuft beim Bafa alles direkt und online. Sowohl KfW als auch Bafa erwarten, dass sich die Eigentümer vor dem Einreichen ihres Antrags informieren und möglichst einen Energieberater zu Hilfe holen. Dieser kümmert sich zudem um den mit der Antragstellung verbundenen Papierkram und besorgt die erforderlichen Nachweise bei den ausführenden Firmen. Ohne solche Belege zahlen die Förderinstitutionen nicht. Das Beraterhonorar wird unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls bezuschusst. "Bei zwei Wohnungen können dann maximal 800 Euro für eine Vor-Ort-Beratung herausspringen", sagt Weber. Das Bafa hat eigens für Immobilienbesitzer den Topf "Energieberatung Wohngebäude", aus dem Energieberater finanziert werden. Diese geben Eigentümern von Bestandsbauten Tipps, wie sie in ihrem Haus Energie sparen können. Voraussetzung ist, dass der Bauantrag für das Gebäude vor dem 1. Februar 2002 gestellt wurde. Im Rahmen des Programms macht der Fachmann eine Bestandsaufnahme. Auf dieser Basis erstellt er ein Konzept, um das Haus energetisch auf den aktuellen Stand zu bringen. Das Konzept beinhaltet nach Bafa-Angaben auch Hinweise auf Fördermöglichkeiten. Am Ende steht ein Sanierungsfahrplan. Das Programm können Eigentümer auch 2019 wieder nutzen. Es wendet sich sowohl an einzelne Hausbesitzer als auch an Wohnungseigentumsgemeinschaften. Die Förderung zahlt das Bafa direkt an den Energieberater aus, der es mit seinem Honorar verrechnen muss. Die Behörde empfiehlt auf ihren Internetseiten, im Vorfeld eines Antrags unbedingt die technischen Richtlinien zu beachten, an die ein Zuschuss mitunter geknüpft ist. So muss, wer 2019 seine Heizung optimieren will, bestimmte Pumpen einsetzen. Nur dann gibt der Staat 30 Prozent der Investitionskosten dazu. Die Höchstsumme aus dem Programm "Heizungsoptimierung" beträgt 25 000 Euro. Der Betrag fließt, sobald der Bauherr die detaillierte Rechnung ans Bafa geschickt und das Amt geprüft hat. Pellets und Hackschnitzel statt Kohle und Gas: Hausbesitzer, die den Umstieg auf Wärme aus nachwachsenden Rohstoffen planen, können ebenfalls von Zuschüssen profitieren. Vorausgesetzt, die alte Heizungsanlage ist mindestens zwei Jahre in Betrieb und soll ersetzt werden. Das Förderprogramm "Heizen mit Erneuerbaren Energien" ist mit Maßnahmen aus dem Angebot von Bafa und KfW kombinierbar. So ist weiteres Geld für das Vorhaben nutzbar. Die bundeseigene KfW-Bank kennen die meisten Hausbesitzer und Bauherren im Zusammenhang mit dem sogenannten KfW-Standard, der die Energieeffizienz eines Hauses umschreibt. 2019 behält das Institut seine Förderprogramme bei. Das Baukindergeld soll Familien beim Erwerb von Wohneigentum unterstützen Dazu gehört seit dem Sommer 2018 das Baukindergeld. Mit dem Geld unterstützt der Staat Familien. Bauherren und Käufern selbst genutzter Eigentumswohnungen wird mit 12 000 Euro pro Kind, verteilt auf zehn Jahre, unter die Arme gegriffen. Im Unterschied zu einem Kredit muss der Zuschuss aus der Staatskasse nicht zurückgezahlt werden. Familien beantragen das Baukindergeld direkt über die Internetseite der KfW, wo es unter dem Stichwort Baukindergeld oder unter der Bezeichnung Produkt 424 zu finden ist. Auch wer kein Baukindergeld in Anspruch nimmt, kann sich bei der KfW Geld für den Kauf oder Bau von Wohneigentum holen. Sie vergibt bis zu 50 000 Euro als zinsgünstigen Kredit, der nicht an Einkommensgrenzen gekoppelt ist (Programm 124). Wichtig ist, dass die Kreditnehmer selbst einziehen. Bei Neubauten kann das Darlehen eingesetzt werden für den Kauf des Grundstücks, Baukosten sowie Neben- und Beraterkosten. Käufer von Bestandsbauten dürfen das Geld für Kaufpreis, Umbau und Modernisierung sowie für die Erwerbsnebenkosten verwenden. Der Kredit kann mit anderen KfW-Angeboten - etwa zum energieeffizienten Bauen und Sanieren oder zum altersgerechten Umbau des Eigenheims - verknüpft werden. Beim energetischen Bauen und Sanieren zahlt die KfW außerdem einen Zuschuss von bis zu 4000 Euro, wenn ein Experte für Energieeffizienz das Projekt begleitet. Bis zu 50 000 Euro Kredit gibt die Förderbank denjenigen, die über eine Genossenschaft an Wohneigentum kommen wollen. Das Geld ist in den Kauf von Genossenschaftsanteilen zu investieren. Der Kredit (Programm 134) muss über eine Bank beantragt werden. Wegen der Vielfalt der Fördermöglichkeiten rät Alexander Steinfeldt von der Beratungsgesellschaft CO2online Immobilienbesitzern, die Programme genau zu vergleichen und Berechnungstools nutzen. Die Beratungsgesellschaft erarbeitet im Auftrag des Bundes die Fördergeldbroschüre 2019. Diese wird voraussichtlich im ersten Quartal des neuen Jahres erscheinen. | Ob beim Bau, Kauf oder bei der energetischen Modernisierung: Auch im kommenden Jahr bietet der Staat zahlreiche Förderungen rund um die Immobilie. Neben vergünstigten Krediten können Verbraucher auch von direkten Zuschüssen profitieren. | geld | https://www.sueddeutsche.de/geld/foerderungen-geld-vom-staat-1.4266775 | Förderungen - Geld vom Staat | 00/12/2018 |
Wenn Bürger bei Bauvorhaben mitreden wollen, geht es oft darum, etwas zu verhindern. Es geht gegen neue Projekte, Nachverdichtung, das Versiegeln von Flächen, allzu häufig nach dem Motto "Neubau gern, aber nicht hier". In Hamburg findet Bürgerbeteiligung derzeit anders statt - ideenreich, kompetent und konstruktiv, mit Ergebnissen, die beeindrucken. "Altstadt für alle!" heißt das Bürgerbündnis, das sich für die Erneuerung der Stadt einsetzt. Getragen wird die Initiative von der Patriotischen Gesellschaft von 1765, der Evangelischen Akademie der Nordkirche und der Bürgerinitiative "Hamburg entfesseln!". Den Impuls zur Gründung gab die Olympiaplanung der Stadt Hamburg, die erstmals seit Jahrzehnten eine breite öffentliche Debatte um die Zukunft der Innenstadt ausgelöst hatte. Nachdem die Bewerbung von den Bürgern im November 2015 gestoppt wurde, entstand zunächst ein Vakuum. Dies war Anlass für die Gründung der Gruppe "Hamburg entfesseln!", in der sich unterschiedliche Initiativen, Arbeitskreise, Vereine und Institutionen zusammenfanden. Mehr als 400 Menschen haben in den vergangenen Monaten in Veranstaltungen und Arbeitsgruppen Ideen für eine lebendige und vielseitige Innenstadt diskutiert. An die Stelle einer "Olympiavision" sollte die konkrete Idee von einer bunt gemischten und nachhaltigen Stadt treten, die sich an den Zielsetzungen der "Leipzig-Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt", der EU-Agenda "Pakt von Amsterdam" oder auch an den Oberzielen des "Innenstadtkonzepts Hamburg" von 2014 orientiert. Die wenig besuchte, abends "tote" Innenstadt soll wieder ein echtes Stadtzentrum werden Der Zeitpunkt ist günstig: Im Herzen Hamburgs, zwischen Binnenalster und Speicherstadt, Kunsthalle und Oberhafenquartier, sei eine Vielzahl von Projekten am Start, die, vernünftig geplant, Hamburgs City beleben und erneuern könnten, sagt Jörg Herrmann, Direktor der Evangelischen Akademie der Nordkirche. Die Initiative "Altstadt für alle!" will diese Bauvorhaben durch eine stärkere zivilgesellschaftliche Beteiligung mitentwickeln. Ziel ist, die von den Hamburgern wenig besuchte, abends "tote" Innenstadt wieder zu einem echten Stadtzentrum zu machen. Statt Bürogebäuden und Parkhäusern soll ein lebenswertes Wohn- und Geschäftsquartier mit Wegen und Plätzen für Begegnung und Kultur entstehen. Anders als viele europäische Städte habe Hamburg keine organisch gewachsene Altstadt mehr. Kriegszerstörungen und später die Orientierung am Ideal einer "autogerechten Stadt" hätten zu einer Fragmentierung des Stadtkerns geführt, erklärt Herrmann. "Wir wollen einen ergebnisoffenen Prozess. Wir müssen die Leute begeistern", sagt auch Dieter Läpple, Stadtplaner an der Hafencity-Universität. "Pläne gibt es genug", sagt er. "Das entscheidende Problem ist: Wir müssen die Luft zwischen Erkenntnis und Handeln überwinden." In Städten wie Kopenhagen, Barcelona, New York oder Marseille hätten solche Prozesse nur deshalb erfolgreich umgesetzt werden können, weil es entweder "mutige Politiker" gegeben habe oder "Gruppen, die so etwas wollten". Diese Gruppe will - und arbeitet deshalb systematisch an Sichtbarkeit, Öffentlichkeit und Medienresonanz. "Wir haben neben Pressekonferenzen sogenannte Roadshows veranstaltet, Frühstückseinladungen für die Politik, Immobilienwirtschaft und andere relevante Adressaten, auf denen wir unsere Ideen vorgestellt haben", so Herrmann. Inzwischen bestehe ein enger Austausch mit der Hamburger Politik. Einige Vorschläge sind bereits in Planung oder Umsetzung. Viele der Vorhaben sind kleine, aber lokal bedeutsame Projekte, die auf die Wiederbelebung alter Wegeverbindungen, auch auf dem Wasser, zielen. Fahrt aufgenommen hat zum Beispiel der Vorschlag, südlich und nördlich des Hamburger Hauptbahnhofs durch die Überdeckelung der Bahngleise einen großen Platz für eine Freizeitnutzung und die Verbindung zum Gebiet östlich des Hauptbahnhofs zu schaffen. Der Vorschlag werde heiß diskutiert, so Herrmann. Die Vision des Architekturbüros Reichwald-Schultz sieht vor, über die Gleise an der Südausfahrt ein Dach zu spannen und dieses mit einem "grünen Teppich" zu versehen. "Dieser Park soll Bahnhof, Museum, Stadt und Bibliothek verbinden", sagte Marc-Philip Reichwald. Diese Idee ist Herzstück des Projekts Kulturboulevard, das die Kultureinrichtungen auf den ehemaligen Wallanlagen zwischen Elbe und Alster miteinander verbindet. Der Vorschlag, schrittweise die Willy-Brandt- und Ludwig-Erhard-Straße zurückzubauen und damit die nach dem Zweiten Weltkrieg mitten durch Hamburgs Innenstadt geschlagene Schneise zu schließen, wurde von der Hamburger Lokalpresse mit großer Zustimmung aufgegriffen und wird inzwischen auch von der Hamburger Handelskammer unterstützt. Der Autoverkehr spielt bei allen Überlegungen eine wichtige Rolle. Etwas bewundernd schauen die Initiatoren von "Altstadt für alle!" auf Städte wie London, Oslo und Stockholm, die mit Citymaut-Konzepten den privaten innerstädtischen Autoverkehr nachhaltig verringern konnten. Sogar die Autostadt Paris habe das linke und rechte Seine-Ufer für den Autoverkehr gesperrt. "Das Umfeld der Kirchen wird heute stadträumlich zu wenig genutzt." Der Bezirk will inzwischen auch das in die Jahre gekommene Parkhaus Neue Gröninger Straße durch einen Wohnkomplex ersetzen. Frank Engelbrecht, Hauptpastor von St. Katharinen und Gründungsmitglied der Initiative, schlägt vor, das Parkhaus zum "Gröninger Hof" zu transformieren, die Untergeschosse zu erhalten und dort Nachbarschaftseinrichtungen unterzubringen. "Wir setzen uns für ein bunt gemischtes soziales Pilotprojekt mit günstigen Wohnungen, Gemeinschaftsräumen und Gewerbe an diesem Standort ein", sagt Engelbrecht. Das Business-Improvement-District (BID) Rathausquartier soll zum Community Improvement District (CID) weiterentwickelt werden. Dieses Ziel soll durch eine temporäre Autofreiheit unterstützt werden, deren Wirkung wissenschaftlich untersucht werden soll. Eine Mehrheit der hier aktiven Gastronomen hat sich bereits dafür ausgesprochen. Auch die Kirchen könnten eine neue, erweiterte Funktion bekommen, regt Jörg Herrmann an. Sie können sich zu Orten der Kunst, zu Stadthallen weiterentwickeln, in denen Kultur, demokratischer Diskurs und Alltagsthemen mehr Platz finden als die gegenwärtige Begrenzung auf Hochkultur und religiöse Praxis. "Das Umfeld der Kirchen wird heute stadträumlich zu wenig genutzt, hier könnten die Kirchen sich aktiv einbringen", so Herrmann. Die Organisatoren sehen sich auf einem guten Weg. "Die große Resonanz auf unsere Aktivitäten und unsere ersten Erfolge zeigen, wie wichtig unser zivilgesellschaftliches Engagement ist", betont Wibke Kähler-Siemssen, Geschäftsführerin des Trägers Patriotische Gesellschaft. Und Frank Engelbrecht sagt: "Ich glaube, die Zeit ist reif für einen mutigen Stadtumbau, der sich an den Menschen orientiert und in den sich Ökonomie und Finanzen einfügen, statt zu diktieren." | Weniger Autos, mehr Grünflächen, neue Konzepte: Wie eine Initiative die Hamburger Altstadt wieder attraktiver machen will. | geld | https://www.sueddeutsche.de/geld/hamburg-neues-leben-1.4266777 | Süddeutsche.de | 00/12/2018 |
Gerade im Winter tragen die Bewohner von Mietshäusern viel Schmutz ins Treppenhaus. Wer muss dann sauber machen? Was ist zu viel, was ist zu wenig? Welche Kosten sind angemessen? Darüber haben die Amtsgerichte einige Urteile gesprochen. Schnee und Matsch hinterlassen jetzt wieder unschöne Spuren im Treppenhaus. Aber wer muss den Dreck eigentlich aufwischen? Der Verband bayerischer Wohnungsunternehmen (VdW Bayern) hat wichtige Regelungen und Gerichtsurteile zusammengestellt. Demnach ist grundsätzlich der Vermieter für die Reinigung zuständig. Der kann allerdings einen Reinigungsdienst oder Hausmeister damit beauftragen und die Kosten dafür auf die Mieter umlegen. Dies muss aber im Mietvertrag oder in der Hausordnung, auf die der Mietvertrag verweist, festgelegt sein. Die Hausordnung kann aber auch die Bewohner zum Reinigen des Treppenhauses verpflichten. Ob der Mieter putzt oder ein Dienst bezahlt wird, muss schon vor dem Einzug klar sein, so der VdW. Eine nachträgliche Verpflichtung des Mieters habe das Landgericht Wuppertal untersagt (LG Wuppertal, Urteil v. 13.06.13, 9 S 245/12). Auch eine eigenmächtige Beauftragung einer Reinigungsfirma durch den Vermieter könne dazu führen, dass die Mieter die Kosten nicht tragen müssten (AG Magdeburg, Urteil v. 14.8.02, 12 C 66/02). Umgekehrt gelte, wenn ein Mieter seiner Pflicht nicht nachkomme, könne der Vermieter eine Firma beauftragen und die Kosten dem Mieter in Rechnung stellen (AG Bremen, Urteil v. 15.11.12 9 C 346/12). Eine Kündigung der Wohnung sei in einem solchen Fall aber nicht gerechtfertigt, habe das Amtsgericht Wiesbaden entschieden (AG Wiesbaden, Urteil v. 01.07.99, 91 C 2213/99 -19). Aber es geht nicht nur um das Ob, es geht auch um das Wie: Ist geregelt, dass der Mieter putzen muss, kann der Vermieter festlegen, wie oft und wie gründlich geputzt werden soll, berichtet der Verband. Zu welcher Uhrzeit oder an welchem Wochentag gesäubert werde, bleibe dem Mieter überlassen. Sei die Häufigkeit im Mietvertrag nicht geregelt, so habe das Landgericht Berlin entschieden, dass eine Reinigung pro Woche ausreichend sei (LG Berlin, Urteil v. 8.2.07, 67 S 239/06). Führten aber Schnee und Regen zu einer stärkeren Verschmutzung, könne der Mieter auch zu einer häufigeren Reinigung verpflichtet werden. Lasse der Vermieter jedoch das Treppenhaus immer zweimal pro Woche putzen, sei dies in den Augen des Amtsgericht Regensburg unverhältnismäßig oft und die Mieter müssten die Kosten nicht tragen - sofern eine Reinigungsfirma beauftragt sei (AG Regensburg, Urteil v. 26.02. 04, 11 C 3715/03). Neben der Reinigung des Treppenhauses könne es auch in anderen Punkten Streit geben. So stelle mancher Hausbewohner seine nassen Winterschuhe zum Trocknen vor die Wohnungstür. Das ist laut VdW auch erlaubt: "Auch wenn die Nachbarn sich davon womöglich gestört fühlen, hat das Amtsgericht Lünen geurteilt, dass das Abstellen von Schuhen in einer Hausordnung nicht verboten werden darf", heißt es (AG Lünen, Urteil v. 07.09.01, 22 II 264/00 WEG). Ein Verbot von Schuhen im Treppenhaus überschreite die Verhältnismäßigkeit. | Gerade im Winter tragen die Bewohner von Mietshäusern viel Schmutz ins Treppenhaus. Wer muss dann sauber machen? Was ist zu viel, was ist zu wenig? Welche Kosten sind angemessen? Darüber haben die Amtsgerichte einige Urteile gesprochen. | geld | https://www.sueddeutsche.de/geld/sauber-machen-dreck-weg-1.4260926 | Sauber machen - Dreck weg | 00/12/2018 |
Wie groß soll das Wohnzimmer werden? Soll in jedes Stockwerk ein Badezimmer oder lieber nur eines für das ganze Haus, dafür aber mit Whirlpool und angeschlossener Sauna? Brauche ich eine Doppelgarage oder ist noch Platz für einen Weinkeller? Und wohin mit Küche, Schlaf- und Kinderzimmer? Das Traumhaus ist rasch geplant, etwa in 45 Minuten. Kein Wunder, dass es so schnell geht: "Mein Traumhaus" ist ein Gesellschaftsspiel. Das Traumhaus können Kinder ab acht Jahren spielen, aber auch Erwachsene haben ihren Spaß. Die detailreiche Grafik sorgt dafür, dass nicht immer der Sieg das Ziel ist, sondern oft einfach ein Gebäude, das hübsch aussieht. "Ich wollte ein Spiel entwerfen, bei dem jeder sein eigenes Heim baut", sagt der polnische Spieleentwickler Klemens Kalicki. Der deutsche Verlag Pegasus hat den Vertrieb hierzulande übernommen. Das Thema komme gut an, erklärt Peter Berneiser, zuständig für die Kontakte zur Presse: "Vor dem Hintergrund von TV-Formaten wie 'Wohnen nach Wunsch' entspricht das Thema dem Wunsch oder Bedürfnis nach eigenen vier Wänden und einer sicheren Zukunft mit Wohlfühlatmosphäre." Wem ein Haus zu wenig ist, der plant gleich eine ganze Stadt. "Neom" aus dem Hause Lookout-Spiele ermöglicht das. Runde für Runde wächst das Straßennetz. Wohn- und Geschäftsviertel entstehen, öffentliche Gebäude wie Rathaus, Polizeiwache und Feuerwehr bringen spezielle Effekte. Industriegebiete fördern die Wirtschaft, die Baumöglichkeiten und den Handel mit anderen Spielern, bringen aber Minuspunkte, wenn sie direkt neben Wohnhäusern liegen. "Wir haben uns bei jedem Gebäude überlegt, welche Auswirkungen es in der Stadt haben könnte", sagt Hanno Girke, Geschäftsführer bei Lookout-Spiele. Das Spiel richtet sich an Menschen, die Spaß an taktischen Finessen haben. "Die Abrechnung ist aber zweitrangig, im Vordergrund steht das Umsetzen der eigenen Ideen", erläutert Girke. König Nepomuk II. gibt den Auftrag, ein Schloss und eine Siedlung zu errichten Schneller, aber ebenso reizvoll geht es bei "Machi Koro", einem Kartenspiel. Die Spieler errichten die Infrastruktur für eine Stadt, bauen unter anderem Cafés, Molkereien und einen Flughafen. Der japanische Autor des Spiels, Masao Suganuma, entwickelt eigentlich Computerspiele und wollte das in diesem Bereich beliebte Thema Städtebau in ein analoges Produkt umsetzen. Ein Würfel steuert einen Glücksfaktor bei. Zielgruppe sind Familien mit Kindern. Auf ein historisches Szenario setzt Ravensburger bei "Rise of Queensdale". Königin Margaret ist krank, und die Spieler sollen im Auftrag von König Nepomuk II. im Tal von Queensdale ein Schloss für die Königin und eine zugehörige Siedlung errichten, vom Weiler über ein Dorf bis hin zur Stadt. Das Besondere daran: "Rise of Queensdale" wird über mehrere Partien gespielt. Dabei geht es immer mit dem Stand der vorhergehenden Partie weiter. Im Spielverlauf ändern sich Regeln und Herausforderungen. Zudem können sich Entscheidungen aus der zweiten Partie beispielsweise in der achten als sinnvoll oder hinderlich erweisen. So wächst die Siedlung langsam heran. Diese Art Spiel, in der Branche Legacy-Spiel genannt, richtet sich an Menschen, die gerne und viel spielen. Ein weiteres historisches Thema liegt derzeit im Trend: die Stadt Rom. "Die Antike bietet eine schöne Atmosphäre, die Menschen fasziniert", erklärt Hermann Hutter, Geschäftsführer bei Hutter Trade, den Grund, warum Rom - und nicht beispielsweise Kiel oder Oslo - bei den Verlagen so beliebt ist. Allein in diesem Herbst sind mehrere Spiele erschienen, in denen Spieler die ewige Stadt oder zumindest Teile davon bauen. Bei "City of Rome" müssen sie unter anderem Wohngebäude, Aquädukte, Arenen und Badeanstalten so anordnen, dass ihr Entwurf für Rom dem Kaiser am besten gefällt. "Carpe Diem" stellt Stadtviertel in den Vordergrund. Und in "Forum Trajanum" errichten sie als Verwalter Gebäude in ihrer Colonia, einer Art Gemeinde in der Provinz, und schicken Gesandte nach Rom, um dort beim Bau des Forums zu helfen. Es ist sicherlich das komplexeste der drei Spiele. Doch auch "Carpe Diem" und "City of Rome" stellen die Spieler immer wieder vor schwierige Entscheidungen, wenn es darum geht, welches der ideale Standort für ein bestimmtes Gebäude ist. | Ein Traumhaus planen oder das alte Rom errichten: Viele Gesellschaftsspiele drehen sich um Immobilien. | geld | https://www.sueddeutsche.de/geld/spiele-bauen-mit-wuerfel-1.4260913 | Bauen mit Würfel | 00/12/2018 |
Wie soll eine moderne evangelische Kirche in Deutschland aussehen? Darüber berieten führende Theologen und Bauräte in Eisenach schon im Jahr 1861. Damals wurden - anders als heute - viele Kirchen zu klein, und die Zahl der Neu- und Umbauten wuchs. Die im sogenannten Eisenacher Regulativ getroffenen Vorschriften prägen immer noch das Aussehen vieler Kirchen. Man orientierte sich am mittelalterlichen Baustil. So sollte jede Kirche "nach alter Sitte orientiert" werden, sodass ihr Altarraum "gegen den Sonnenaufgang" liegt. Zudem wurde ein kreuzförmiger Grundriss mit ausgeprägtem Langhaus vorgeschrieben, die Orgel sollte ihren Platz über dem Haupteingang auf einer Empore am Westende der Kirche finden. Für die Kanzel wurde die Stelle festgelegt, wo Chor und Schiff zusammenstoßen, und der Altarraum sollte etwas erhöht angelegt werden. Backstein ist im modernen Bauwesen wieder gefragt - er ist robust und variabel einsetzbar Einer der Initiatoren des Eisenacher Regulativs war der Architekt Conrad Wilhelm Hase, der vor 200 Jahren geboren wurde und 1902 starb. Nach seinen Plänen wurden mehr als 170 Backsteinkirchen im neugotischen Rundbogenstil errichtet oder restauriert. Sie findet man vor allem auf dem Gebiet des heutigen Niedersachsens, aber auch in Berlin (die Erlöserkirche in Rummelsburg ist gut erhalten), Thüringen, Sachsen-Anhalt und Bremen. Der königlich-hannoversche Baurat und Konsistorialbaumeister der Hannoverschen Landeskirche, der auch eine zweijährige Maurerlehre absolvierte, gilt damit als einer der wichtigsten Kirchenbaumeister seiner Epoche. Zudem war er Inspirator für protestantische Gotteshäuser in ganz Deutschland, denn als Hochschullehrer prägte er viele seiner Schüler, die nach dem Vorbild Hases mehr als 1000 Kirchen schufen. Diese Kirchen zeichnen sich durch ihre unverputzte Ziegelfassade aus, gemäß Hases Motto "Putz ist Lüge". Ein Satz, der für die Abkehr von der höfischen Repräsentation und für eine Erneuerungsbewegung steht. Zuvor galt gebrannter Ton lange als schlichtes Material und für repräsentative Bauten wie Kirchen unwürdig. Bevorzugt wurde ein edler klassizistischer oder neobarocker Stil. Als Baumaterial dienten Natursteinblöcke, aus Kostengründen wurde oft Putz verwendet. Detailansicht öffnen Im Bild die Christuskirche in Hannover. (Foto: Christian A. Schroeder/CC BY-SA 4.0) Dass der Norden zum Zentrum der Backsteinkirchen wurde, deren Fassade häufig durch den Einsatz von dekorativ gesetzten Ziegeln mit glasierter Oberfläche verziert wurde, ist für Thorsten Albrecht kein Zufall. "Hier war das dafür nötige Material verbreitet", sagt der Kunstreferent bei der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannover. In der Tiefebene gab es weniger Steinbrüche als im Süden, dafür aber mehr Tonkuhlen als Basis für gebrannten Ziegel. Zu den bis heute am besten erhaltenen Hase-Sakralbauten gehören laut Albrecht die Kirchen in Eitzendorf, Lauenau und Hagenburg. Die in Eitzendorf bei Verden 1867 errichtete Kirche wurde 1893 als Modell auf der Weltausstellung in Chicago präsentiert. "Altar und Kanzel sind aus Backstein gemauert, das schafft eine besondere Atmosphäre. Die Kirche erfreut sich bis heute nicht nur bei Hochzeiten einer großen Beliebtheit", sagt der ehemalige Eitzendorfer Pastor Hartwig Helfritz. Detailansicht öffnen Conrad Wilhelm Hase befasste sich vor allem mit dem Bau und der Restauration von Kirchen. (Foto: gemeinfrei) Die kathedralengleich angelegte Christuskirche in Hannover mit ihrem 70 Meter hohen verzierten Turm gilt als neugotischer Musterbau Hases, der 1864 eröffnet wurde. Vor einigen Jahren wurde dort durch einen Umbau ein neues Chorzentrum geschaffen. Die Kirche wird heute sowohl für Gottesdienste als auch für Chorproben und Konzerte genutzt. "Die Wege in der Kirche haben sich nach dem Umbau verändert, was von vielen Gemeindemitgliedern bedauert wird. Doch es überwiegen die positiven Stimmen, denn die Kirche wird heute viel mehr genutzt als früher", sagt die Gemeindepastorin Stefanie Sonnenburg. In Göttingen wurde die mittelalterliche Hauptkirche St. Johannis nach Plänen Hases in zweijähriger Arbeit bis1898 restauriert. Dabei wurde alles entfernt, was nicht zu dem von ihm propagierten neugotischen Stil passte. Für die Steinmetzarbeiten an den Kirchenfenstern hatte Hase die Verwendung von Stadtoldendorfer Stein verlangt, woran sich die Handwerker aber nicht hielten. Hases Kommentar: "Es ist traurig, daß das Handwerk in Göttingen so herunter ist. Eine Freude ist es nicht, in Göttingen zu bauen, da man immer Ueberzogenheit und Dummheit gegenüber steht." Wein statt Weihwasser Selbst im katholischen Italien steht fest: Es werden weniger Kirchen gebraucht. Statistisch gesehen kommen hier auf eine Pizzeria noch eineinhalb Gotteshäuser, 67 000 sind es nach Angaben der Italienischen Bischofskonferenz. Papst Franziskus reagierte darauf und forderte vor Kurzem würdige Lösungen für nicht mehr benötigte Kirchengebäude. Dass viele Kirchen aufgrund von Gläubigen- und Priestermangel oder einer veränderten Bevölkerungsverteilung zwischen Stadt und Land nicht mehr gebraucht würden, sei ein "Zeichen der Zeit" und verlange Anpassungen, sagte er anlässlich eines römischen Kongresses mit dem Titel "Wohnt Gott hier nicht mehr?". Es sei wichtiger, Prozesse in Gang zu bringen als Räume zu besitzen. Der italienische Kurienkardinal Gianfranco Ravasi warf zuvor vielen Klerikern eine Ausblendung der Realitäten vor. Viele wollten immer noch nicht wahrhaben, dass im Westen gläubige Menschen eine Minderheit seien, sagte der Präsident des Päpstlichen Kulturrates der Zeitung Corriere della Sera. "Die leben immer noch so, als lebten wir in einem Dorf, in dem sonntagmorgens, wenn die Glocken läuten, die Leute zur Kirche rennen." Von Land zu Land ist die Säkularisierungslage unterschiedlich. In Deutschland wurden beispielsweise seit dem Jahr 2000 mehr als 500 katholische Kirchen profaniert, erläuterte Pawel Malecha vom obersten Kirchengericht, der Apostolischen Signatur. Ein Drittel sei abgerissen worden, die anderen habe man verkauft oder umgewidmet. Die gleiche Zahl an Kirchen komme in den Niederlanden im nächsten Jahrzehnt auf den Markt. Jurist Malecha verweist darauf, dass eine Kirche, einmal profaniert, nicht mehr dem Kirchenrecht unterliege. Sprich: Bischöfe sollten sich vorher versichern, was mit dem Objekt passiert - ob etwa ein Nachtclub oder ein Schönheitssalon in das bisherige Gotteshaus einzieht. Später gibt es kaum Handhabe gegen Schindluder. Papst Franziskus hält aber den Kirchenverkauf nicht für die "erste und einzige Lösung". Schon gar nicht das Modell von "Sacro und Profano", wo es Wein statt Weihwasser gebe und saftiges Thunfischfilet statt dürrer Predigtworte. KNa/SZ Bereits 1931 bekam der Innenraum von St. Johannis eine andere Farbe, in dem bis dahin auf Hases Veranlassung Rot, Grün und Blau dominierten. In den 60er-Jahren wurden die von Hase angelegten hölzernen Emporen entfernt. "Im Gegensatz zum Außenbau ist im Innenraum vom Gesamtkonzept des 19. Jahrhunderts wenig geblieben", sagt der Architekt, und Bauforscher Bernd Adam fügt hinzu: "Es ist zu fragen, wie mit den zwischenzeitlich oftmals fragmentierten Spuren seiner Tätigkeit zukünftig angemessen umgegangen werden kann." Dies betrifft auch andere bedeutende Gebäude Hases, zu denen unter anderem das Alte Rathaus Hannover, das Welfenschloss Marienburg, die Bahnhöfe von Nordstemmen, Lehrte, Celle, Oldenburg, Göttingen, Wunstorf und Salzderhelden sowie diverse Schulen gehören. Backstein erfreut sich heute im modernen Bauwesen wieder einer großen Beliebtheit, nicht zuletzt deshalb, weil er robust und variabel in der äußeren Gestalt ist, aus regionalen Quellen stammt und recycelt werden kann. Mit dem einstigen Plädoyer Hases für "konstruktive Ehrlichkeit" hat das allerdings nicht mehr viel zu tun - Backstein ist zum Verkleidungsmaterial geworden und dient dazu, Fassaden aufzuhübschen, hinter denen sich Betonwände befinden. | Vor 200 Jahren wurde Conrad Wilhelm Hase geboren. Er gilt als Vater der neugotischen Backsteinkirchen. Diese prägen bis heute den protestantischen Kirchenbau. | geld | https://www.sueddeutsche.de/geld/kirchen-putz-ist-luege-1.4260918 | "Kirchen - ""Putz ist Lüge""" | 00/12/2018 |
Wer plötzlich in ein Pflegeheim muss, hat viele Sorgen. Dazu gehört auch, wie es mit der alten Wohnung weitergeht. Mieter dürfen in so einem Fall nämlich nicht außerordentlich kündigen, sondern müssen erstmal die Miete weiterzahlen. Müssen ältere Menschen ihre Wohnung verlassen und unerwartet in ein Pflegeheim, kommen einige Kosten auf sie zu. Ärgerlich, wenn dann auch noch die Miete für die Wohnung weiter fällig ist. Aber dürfen sie in so einem Fall einfach die Zahlungen einstellen? Dazu urteilte jetzt das Amtsgericht Charlottenburg, worüber die Zeitschrift Das Grundeigentum (Nr. 20/2018) des Eigentümerverbandes Haus & Grund Berlin jetzt berichtete. Grundsätzlich gilt für Mieter eine Kündigungsfrist von drei Monaten. Müssen sie aus gesundheitlichen Gründen kurzfristig aus der Wohnung in ein Pflegeheim ziehen, dürfen sie dennoch nicht fristlos kündigen, hat das Amtsgericht entschieden. In dem verhandelten Fall forderten Bewohner nach Mietende ihre Kaution vom Vermieter zurück. Dieser hatte das Geld aber mit ausstehenden Mieten verrechnet, denn die Bewohner hatten die Miete nicht mehr gezahlt. Nachdem sie fristlos gekündigt hatten, fühlten sie sich nicht mehr dazu verpflichtet. Zu Unrecht, urteilen die Richter. Dem Vermieter standen die Mieten zu. Der Rückzahlungsanspruch des Klägers sei durch die Verrechnung erloschen. Eine außerordentliche Kündigung kann sich nur auf Gründe stützen, die in der Person oder dem Risikobereich des Vermieters fallen. Weder eine schwere Krankheit noch ein plötzlicher Wegzug des Mieters kann die Mietzeit verkürzen - auch wenn dieser dadurch seine Wohnung nicht mehr nutzen kann. Grundsätzlich kann ein Mieter ein berechtigtes Interesse an einem Aufhebungsvertrag haben. Ein Anspruch darauf besteht jedoch nur, wenn der Mieter einen Nachmieter benennt. Die Betreuerin der Mieter hatte zwar auf die Option hingewiesen, jedoch keinen Namen genannt (Az.: 205 C172/18) . | Wer plötzlich in ein Pflegeheim muss, hat viele Sorgen. Dazu gehört auch, wie es mit der alten Wohnung weitergeht. Mieter dürfen in so einem Fall nämlich nicht außerordentlich kündigen, sondern müssen erstmal die Miete weiterzahlen. | geld | https://www.sueddeutsche.de/geld/urteil-miete-zahlen-1.4260928 | Urteil - Miete zahlen | 00/12/2018 |
Winterzeit ist Kerzenzeit, wir kuscheln uns mit lieben Menschen und einem Glas Glühwein ans domestizierte Feuer. Doch nicht überall in Europa gilt die Gleichung: Temperaturen runter, Kerzenverbrauch rauf. Die Dänen verbrauchen 4,3 Kilogramm Kerzen pro Jahr und Kopf. Das entspricht rund 500 Stunden Kerzenschein bei unserem nördlichen Nachbarn. Hygge-Rekord! Mediterrane Länder wie Spanien, Italien, Frankreich und Griechenland verbrauchen kaum ein Viertel davon. Deutschland liegt gerade so im oberen Mittelfeld. Erstaunlich, dabei leidet ein Viertel der Bundesbürger unter SAD, der Seasonal Affective Disorder, dem Winterblues. Antriebslosigkeit und Stimmungsschwankungen haben einen Grund. Es fehlt an Licht, das den sogenannten circadianen Rhythmus des Körpers steuert. Da helfen keine Kerzen, da muss eine veritable Tageslichtleuchte her. Was heute selbstverständlich zu sein scheint, mal das Licht anzuknipsen, war die längste Zeit eher ein Problem. Je tiefer wir in der Kulturgeschichte zurückgehen, desto düsterer wird es: Licht ist und bleibt der beste Indikator für Zivilisation. Und da sah es Jahrtausende trübe aus. Stockfinster sogar. Europa war noch in der frühen Neuzeit gebunden an den natürlichen Rhythmus von Tag und Nacht. Nach Sonnenuntergang patrouillierten Nachtwächter durch stockdunkle Gassen, und hinter Butzenscheiben qualmten rußende Talgkerzen, Öllampen oder glühten Kienspäne, die hellsten Hölzer des Herdfeuers. Licht war Luxus. Erst Ende des 18. Jahrhunderts kam es zu einer kleinen Revolution in der Beleuchtungstechnik. 1783 stellte der Erfinder Aimé Argand den nach ihm benannten Brenner vor, der einen röhrenförmigen Docht durch einen Glaszylinder führte. Die unten offene Öllampe nutzte den Kamineffekt und entwickelte kaum mehr Rauch, da der Docht bei höherer Temperatur vollständig verbrannte. Zeitgenossen schwärmen vom "außerordentlich hellen, lebhaften, ja beinahe gleißenden Licht". Fast 100 Jahre blieben weiterentwickelte Argandlampen ein unersetzlicher Bestandteil des Haushalts. Parallel entwickelte die Industrie die Gasbeleuchtung. Das "Leuchtgas" entstand bei der Verkoksung von Steinkohle. Es dauerte nicht lange, bis das einstige Abfallprodukt ganze Städte mit Gas versorgte, allerdings mussten findige Unternehmer dafür erst ein Leitungsnetz installieren und ständig warten. In Theatern klagten Besucher über Kopfweh. Schwefel und Ammoniak griffen Tapeten an Ganz vorne dabei: London. 1814 gab es dort einen einzigen Gasometer, acht Jahre später teilten sich vier Gesellschaften das Geschäft mit 200 Meilen Hauptleitungen und 47 Gasometern, die zusammen eine Million Kubikfuß fassten. Gas war der überlegene Leuchtstoff, Zeitzeugen beschrieben das Gaslicht als "blendend weiß" oder als "künstliche Sonne". Es hatte nur einen Nachteil - sah man von Explosionen oder Vergiftungen einmal ab: Gaslicht entzog dem Raum Sauerstoff. In Theatern, die die neue Technik besonders verschwenderisch einsetzten, klagten Besucher über Kopfschmerzen und Schweißausbrüche während der Aufführung, dazu griffen Schwefel und Ammoniak Tapeten und Decken an. Dicke Luft war für elektrisches Licht kein Thema. Am 4. September 1882 eröffnete Thomas Alva Edison in der New Yorker Pearl Street das erste Kraftwerk der Vereinigten Staaten. Edison war Geschäftsmann. Er wusste: Ohne Strom war seine drei Jahre zuvor gemachte Erfindung, die Glühbirne, wertlos. Dann ging es Schlag auf Schlag. Lunaparks und Weltausstellungen trieben mit irrwitzigen Inszenierungen die Entwicklung neuer Lichtwelten voran. "Wie rothglühende Lava wälzt sich das Wasser über Felsen herab", beschreibt ein Zuschauer die Frankfurter Elektrizitätsausstellung von 1891. Die Menschen sind elektrisiert vom "eigenthümlichen Erregungszustand der Materie". Strom veränderte alles, vor allem die Wahrnehmung der Großstädter. Scheinwerfer richteten sich während der Weltausstellung vom 15. April bis zum 12. November 1900 auf den Eiffelturm. Wie ein Lauffeuer verbreiteten sich die Attraktionen der Nacht: 1901 leuchtete die Pan-American Exposition in Buffalo, 1903 der Luna Park auf Coney Island, 1904 die Louisiana Purchase Exhibition in St. Louis. In Amerika liegen die Grundlagen für das, was heute Lichtplanung heißt. "Bei Nacht erhellt das Strahlen von Millionen elektrischer Lichter den Himmel; sie erglühen an jedem Punkt, jeder Linie und Kurve der Umrisse dieser prächtigen Spielstadt und heißen den heimkehrenden Seemann schon dreißig Meilen vor der Küste willkommen", analysiert Stararchitekt Rem Koolhaas in "Delirious New York" die Architektur der Nacht. Der beißende Smog der Braunkohlenheizungen verzog sich, und die Hauptstadt des 20. Jahrhunderts lockte mit blinkenden Reklamen und hell erleuchteten Avenuen. Nachtschwärmer strömten durch die Clubs unter dem flirrenden Licht der Leuchtreklamen. Neon machte die Metropole lesbar. "Es war überhaupt die stärkste religiöse Erfahrung", erinnert sich der Lichtkünstler Keith Sonnier, "spät nachts vom Tanzen zu kommen und plötzlich Wellen von Licht zu sehen, die sich im dichten Nebel auf und ab bewegten." Die Großstadt wurde plötzlich selbst zur Bühne, mit grellbunten Reklamen und Auslagen. Der Lichtstrom ebbte nicht ab, im Gegenteil. Spätestens mit dem Siegeszug der LED, der Light Emitting Diode, gelten die Gesetze der Chip-Fertigung auch für die Leuchtenindustrie. Das Moore'sche Gesetz besagt, dass sich die Leistung verdoppelt, während sich die Preise halbieren. Bis zu 100 000 Stunden brennen die 1962 eingeführten Miniaturleuchten inzwischen. Sie lassen damit Niedervolt-Halogen-Glühlampen, Leuchtstofflampen und Halogen-Metalldampflampen weit hinter sich. Geholfen bei ihrem Siegeszug hat natürlich auch das sogenannte Glühlampenverbot der Europäischen Union von 2009. Die sechste und letzte Stufe der EU-Verordnung trat in diesem September in Kraft. Seither müssen alle "Lampen mit ungebündeltem Licht" mindestens die Energieeffizienzklasse B aufweisen. Experten weisen darauf hin, dass dies auch das Ende der Hochvolt-Halogenlampen bedeute. Wenigstens einige Schreckensszenarien der Designer sind nicht aufgegangen. Lichtpoet Ingo Maurer klagte 2008: "Ein mörderischer Gedanke, dass sie die Glühbirne umbringen wollen. Ich kann nur hoffen, dass Gott uns beisteht, dass dieser Kelch an uns vorübergeht." Es hat zwar Jahre gedauert, aber mittlerweile können Leuchtdioden auch bei der Farbwiedergabe mit der alten Glühbirne mithalten, ja übertreffen sie sogar. Die LED kehrt einige Gewissheiten um. Sie trennt Licht und Wärme immer besser, und sie wird bei zunehmender Leistung immer preiswerter. Inzwischen halten Leuchtmittel wesentlich länger als jede Leuchte, zumindest was den Geschmack angeht. Eigentlich könnten Innenarchitekten und Designer nun über Licht an sich nachdenken - ohne den Umweg der Leuchten. Sie könnten Stoffe zum Leuchten bringen oder ganze Wände. Doch offenbar brauchen wir noch immer ein sichtbares Objekt, eine kleine Sonne, die wir perfekt kontrollieren. Das kostbare Licht von einst jedenfalls ist ziemlich gewöhnlich geworden. Da können wir ja mal probeweise per Handbewegung oder Sprachbefehl die Beleuchtung ausschalten und eine Kerze anzünden. Einfach so. | Beleuchtete Städte waren früher ein Luxus. Heute ist Licht eine Selbstverständlichkeit. Eine kleine Kulturgeschichte. | geld | https://www.sueddeutsche.de/geld/licht-wider-die-dunkelheit-1.4260920 | Licht - Wider die Dunkelheit | 00/12/2018 |
Unter reichen Chinesen, Arabern oder Russen gilt es schon länger als besonders chic, neben einem Luxusapartment in London auch ein Weingut in Frankreich zu besitzen. Neuerdings geraten immer häufiger auch deutsche Burgen und Schlösser in den Fokus der Superreichen. An solchen historischen Gemäuern ist hierzulande kein Mangel. Die Deutsche Burgenvereinigung schätzt, dass es allein etwa 25 000 Burgen gibt, also befestigte Wohnsitze von Adeligen, die bis etwa ins Jahr 1500 gebaut wurden. Zwei Drittel davon sind allerdings Ruinen und kommen für Käufer daher kaum in Betracht. "Unter Dach" und damit geeignet für einen Verkauf sind etwa 5000. Die Zahl der seit dem 17. Jahrhundert entstandenen Schlösser ist deutlich höher, nicht zuletzt eine Folge der deutschen Geschichte, die über lange Zeit von einer kaum überschaubaren Menge von Zwergstaaten gekennzeichnet war. Die Vermarktung von Burgen und Schlössern ist heute ein Nischenmarkt, aber groß genug, dass sich gleich mehrere Makler ganz auf ihn spezialisiert haben. Dabei hilft ihnen das Internet. Man kann heutzutage überall auf der Welt ohne großen Aufwand Werbung für Objekte machen. "Wir sind erkennbarer. Unsere Kundenklientel ist dadurch internationaler geworden", sagt Tobias Schulze von Sotheby's International Realty. Auch die Nähe zum Auktionshaus Sotheby's hilft, potente Kunden zu finden. "Für viele ist es unverständlich, dass es ein Baurecht gibt, an das man sich halten muss." Die meisten Käufer treibt der Wunsch nach Prestigegewinn an. Sie wollen ihre Objekte auf Fotos herzeigen, vielleicht auch gelegentlich mit Gästen für ein paar Tage vorbeischauen. Die Geschichte ihrer Burgen ist dabei oft unwichtig. Auch gibt es keine grundsätzlichen Präferenzen für Standorte. Wichtig ist aber eine gute Erreichbarkeit, also die Nähe zu einem großen Flughafen oder wenigstens die Möglichkeit, mit einem Hubschrauber ganz in der Nähe landen zu können. Während Araber und Russen schon länger zu den Interessenten für altes deutsches Gemäuer zählen, sind Chinesen erst seit einigen Jahren dabei. Sie gehören aber auch zu den schwierigsten Kunden. Vertragsverhandlungen dauern meistens lange, oft verlaufen sie im Sande. Und dann scheitert ein Kauf manchmal auch, weil sich chinesische Reiche nicht vorstellen können, dass man mit Geld nicht alles kaufen kann. "Für viele ist es unverständlich, dass es ein Baurecht gibt, an das man sich unbedingt halten muss, dass man zum Beispiel in ein Naturschutzgebiet keine Galopprennbahn mit Stallungen bauen darf", sagt Sotheby's-Experte Schulze. Dabei ist vieles schon möglich. Ein neuer Schlossherr ließ ein olympiataugliches Schwimmbecken unter seinem Schloss bauen, ein anderer eine Tiefgarage mit 50 Stellplätzen. Aber nicht immer geht es um die Darstellung von Protz und Prunk. Manche wollen auch nur ihre Leidenschaft für das Mittelalter oder die Romantik auf einer eigenen Burg ausleben. Ganz so wie Ludwig II. auf Schloss Neuschwanstein. Da muss bei der Renovierung alles baujahrgerecht sein, nur historische Materialien werden genutzt. "Diese Käufer wollen den ursprünglichen Zustand auch unter immensem finanziellen Aufwand wiederherstellen", sagt Schulze. Meist fielen Amerikaner in diese Kategorie, es gebe aber auch ein paar deutsche Mittelalterfreaks. Dazu gehört Lambert Lensing-Wolff nicht. Dennoch hat der Verleger aus Dortmund 2014 die Burg Reichenstein am Rhein nahe Bingen gekauft. "Die Burg war für uns ein bedeutender Familienplatz. Deshalb wollten wir sie wiederhaben", sagt er. Seine Vorfahren, die Puricelli, waren im 18. Jahrhundert aus der Gegend um Como in Norditalien an den Rhein gekommen. Als Wohnsitz war die Burg 1936 aufgegeben worden. Seither hatte sie wechselnde Eigentümer. Lensing-Wolff hat viel Geld in die Burg gesteckt. 2016 wurde ein Hotel eröffnet, ein Restaurant hatte es vorher schon gegeben. Eine kleine Wohnung auf der Burg wird heute nur von der Familie genutzt. "Jede Burg, die belebt ist, sei es von einer Familie oder durch einen Betrieb, bleibt erhalten. Deswegen wünscht man sich für jede Burg eine Initiative", sagt Lensing-Wolff. Der größte Teil der Burgen und Schlösser ist heute in Privatbesitz. Oft wohnen dort noch immer Adelige. Einige können ihren Besitz auf eine kaiserliche Schenkung aus dem frühen Mittelalter zurückverfolgen. Zunehmend aber stellen sie die Burgen zum Verkauf. "Viele Adelige verkaufen, weil ihre Kinder nicht auf einem Schloss oder einer Burg leben wollen", sagt Bernd Neuhäuser, Geschäftsführer des Maklerbüros Vermittlung historischer Immobilien. Zwei Drittel seiner Kunden sind schon über 70 Jahre alt, darunter viele Barone und Grafen. Die Gebäude zu unterhalten, ist teuer - Besitzer zahlen bis zu 40 000 Euro im Monat Aber nicht nur die Aussicht, weitab vom Schuss zu leben, stößt bei den Jüngeren auf Ablehnung. Es sind oft auch die hohen Unterhaltskosten, die immer schwerer aufzubringen sind, vor allem, wenn eine Burg keine gewerbliche Nutzung hat. In früheren Zeiten gehörte viel Land zu den Burgen und Schlössern. Darauf wirtschafteten Pächter, von deren Pacht die Kosten bestritten werden konnten. Diese Zeiten sind lange vorbei. "Die Unterhaltskosten liegen teilweise bei bis zu 40 000 Euro im Monat", erklärt Schulze von Sotheby's. Aber auch bei kleineren Burgen fallen schnell mehrere Tausend Euro an. Das liegt nicht nur an der alten Bausubstanz, sondern oft auch an den Auflagen des Denkmalschutzes. "Für alles braucht man ein Gutachten, auch wenn man nur eine Holztür streicht. Das wird schnell so teuer, dass es kein normaler Privater mehr macht", sagt Lensing-Wolff aus Erfahrung. Über den aus ihrer Sicht strengen Denkmalschutz klagen vor allem Eigentümer, die nicht im Geld schwimmen wie Käufer aus Fernost. In manchen Fällen führt es dazu, dass ein Objekt gar nicht renoviert wird und verfällt. Neuhäuser schildert einen Fall nahe Magdeburg. Ein kasachischer Geschäftsmann wollte ein Schloss kaufen und daraus ein Hotel machen. Das Schloss gehörte einer Kommune und stand seit 1945 leer. "Kurz vor Vertragsunterzeichnung sagten die Denkmalschützer, dass der Grundriss nicht verändert werden dürfe, weil er von einem berühmten Architekten stamme. Damit ging der Plan des Geschäftsmanns nicht auf. Das Kuriose ist nur, dass der Plan schon früher einmal verändert worden war", sagt Neuhäuser. Gerade für Kommunen, die manchmal mehrere alte Immobilienobjekte besitzen, wird das schnell zum Problem. "Stehen ihre Objekte unter Denkmalschutz, entsteht daraus eine Verpflichtung zur Instandhaltung. Das kann den Haushalt einer Kommune erheblich belasten", sagt Schulze. Für reiche Kunden aus dem Ausland spielt Geld dagegen oft keine Rolle. Deshalb findet Gerhard Wagner, Geschäftsführer der Deutschen Burgenvereinigung, auch gar nichts gegen sie zu sagen. "Wenn ein Reicher einsteigt, sichert das den Fortbestand der Burg oder des Schlosses. Für viele Burgen könnte das die Rettung sein." | Deutsche Burgen und Schlösser werden bei Superreichen immer beliebter. Seit Kurzem gehören auch Chinesen zum Kundenkreis. Die gelten als besonders schwierig. | geld | https://www.sueddeutsche.de/geld/alte-gemaeuer-wohnen-wie-ein-koenig-1.4260911 | Alte Gemäuer - Wohnen wie ein König | 00/12/2018 |
In Schleswig-Holstein gibt es immer weniger Sozialwohnungen, gleichzeitig steigt die Nachfrage nach bezahlbaren Immobilien. Dagegen wehrt sich eine Volksinitiative - offenbar mit großem Erfolg. Die Volksinitiative für mehr bezahlbaren Wohnraum in Schleswig-Holstein hat nach eigenen Angaben bereits weit mehr als die erforderlichen 20 000 Unterschriften gesammelt. Zwei Monate vor Abgabe der Unterschriftenlisten an Landtagspräsident Klaus Schlie zog die Landesvorsitzende des Sozialverbandes Deutschland, Jutta Kühl, vor Kurzem eine positive Zwischenbilanz. Man habe bereits jetzt gut 35 000 Unterschriften, werde aber bis zum Stichtag im Februar weitermachen. "Der große Zuspruch aus der Bevölkerung hat verdeutlicht, wie dringlich das Problem der Knappheit von bezahlbarem Wohnraum ist", sagte Kühl. "Wir fordern schon jetzt die Abgeordneten des Landtages auf, das Ergebnis der Volksinitiative zu akzeptieren und das Recht auf angemessenen und bezahlbaren Wohnraum in der Landesverfassung zu verankern." Sammelt eine Volksinitiative mehr als geprüfte 20 000 Unterschriften, muss der Landtag sich mit dem Thema befassen. Der Deutsche Mieterbund und der Sozialverband Deutschland (SoVD) hatten ihre Volksinitiative im Februar gestartet. In Schleswig-Holstein gibt es immer weniger Sozialwohnungen Die Zahl der Sozialwohnungen in Schleswig-Holstein ist laut Mieterbund von früher einmal 220 000 auf zuletzt nur noch 47 000 gesunken. Gleichzeitig nehme die Zahl einkommensschwacher Haushalte beständig zu, sagt der Landesvorsitzende des Mieterbundes, Jochen Kiersch. Das Land habe sich nämlich im Jahre 2009 - in Ermangelung von Weitsicht - den Luxus erlaubt, rund 20 000 öffentlich geförderte und sehr preiswerte Wohnungen vorzeitig aus den Bindungen zu entlassen. Das Zweckvermögen Wohnungsbau, aus dem das Land die Fördermittel dafür bereitstelle, reiche nicht aus, um den Bedarf zu decken. Deswegen brauche man zusätzliche Landesmittel in der Mietwohnungsbauförderung. Gleichzeitig müssten die Bindungsfristen wieder verlängert werden. Neben Sozialwohnungen fehlt es laut Sozialverband an barrierefreiem Wohnraum für Menschen mit Einschränkungen oder Behinderungen. "Wir haben die Landesregierung in einem offenen Brief an Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) aufgefordert, ein Aktionsprogramm für barrierefreien Wohnraum zu entwickeln", sagte der stellvertretende Landesvorsitzende Sven Picker. In Schleswig-Holstein sollen in den nächsten vier Jahren 6400 bezahlbare Mietwohnungen gefördert werden sowie 700 Eigenheime für sozial schwächere Familien. Das Kabinett stimmte dem neuem Programm zur sozialen Wohnraumförderung zu - von 2019 bis 2022 stehen 788 Millionen Euro bereit. Neben der Neubauförderung soll ein Schwerpunkt die Bestandsförderung sein. Ein Fokus soll insbesondere auf die zeitliche Verlängerung von auslaufenden Zweckbindungen - also der Nutzung als günstige Sozialwohnung - gelegt werden. Andreas Breitner, Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), meinte, am fehlenden Geld werde in den kommenden Jahren die Errichtung bezahlbarer Wohnungen nicht scheitern. "Jetzt kommt es darauf an, dass die Kommunen ausreichend Bauland ausweisen, um den Unternehmen den Bau von bezahlbaren Wohnungen zu ermöglichen." | In Schleswig-Holstein gibt es immer weniger Sozialwohnungen, gleichzeitig steigt die Nachfrage nach bezahlbaren Immobilien. Dagegen wehrt sich eine Volksinitiative - offenbar mit großem Erfolg. | geld | https://www.sueddeutsche.de/geld/volksinitiative-noete-im-norden-1.4260922 | Nöte im Norden | 00/12/2018 |
Wer Handwerker beschäftigt, kann die Kosten in der Steuererklärung geltend machen. Das gilt eigentlich nicht für den Neubau. Doch mit einem Trick können Bauherren dennoch Geld sparen. Sie brauchen nur etwas Geduld. Wer im eigenen Haushalt Handwerker beschäftigt, kann deren Arbeitskosten steuerlich geltend machen, das Finanzamt erkennt 20 Prozent an, maximal 6000 Euro im Jahr. Dieser sogenannte Steuerbonus wird gewährt, wenn es um Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen geht, nicht aber in Zusammenhang mit einem Neubau - zumindest war das bisher so. Nun hat ein Häuslebauer dafür gekämpft, dass das Finanzamt doch Arbeiten anerkennt. Der Fall wird in der Zeitschrift Der Steuerzahler geschildert. Demnach ließ der Bauherr bei seinem Haus die Außenputzarbeiten erst nach der Bezugsfertigkeit durchführen und forderte dafür einen Steuerbonus, 1200 Euro. Das Finanzamt und das anschließend angerufene Finanzgericht Berlin-Brandenburg lehnten dies ab mit der Begründung, dass die Verputzarbeiten bereits im Bauvertrag vereinbart gewesen seien und es sich somit noch um eine Neubaumaßnahme handele - für die es eben keinen Bonus gebe (Finanzgericht Berlin-Brandenburg vom 7. 11. 2017, Aktenzeichen 6 K 6199/16). Eine Revision wurde jedoch zugelassen, wegen der "grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache; denn die genaue Abgrenzung von Neubaumaßnahmen und begünstigten Maßnahmen betrifft jährlich eine Vielzahl von Bauherren", hieß es in der Gerichtsentscheidung. Der Bauherr hat gegen das Urteil Revision beim Bundesfinanzhof eingelegt - worauf das Finanzamt "überraschend seine Meinung änderte und die Steueranrechnung auch für die Verputzarbeiten akzeptierte", so der Bund der Steuerzahler. Womit das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg gegenstandslos geworden ist. Die Schlussfolgerung der Steuerexperten: "Es könnte daher zum Beispiel sinnvoller sein, eine Garage erst nach Einzug in das neue Haus erstellen zu lassen." Und dann die Arbeitskosten steuerlich geltend zu machen. Auch das Handwerk ist erfreut über die Wende des Finanzamts, und gibt in der Deutschen Handwerkszeitung, die von 23 Handwerkskammern herausgegeben wird, folgenden Tipp: "Steuerzahler sollten überlegen, welche Arbeiten für die Bezugsfertigkeit nicht wichtig sind. Werden diese nach Bezugsfertigkeit erst erbracht und bezahlt, kann die Steueranrechnung beantragt werden." Denkbar seien folgende Arbeiten nach Bezugsfertigkeit: Gartenerstellung, Keller- und Dachgeschossausbau sowie die Erstellung eines Wintergartens. Lehne der Sachbearbeiter die Steueranrechnung mit Hinweis auf das Urteil des FG Berlin-Brandenburg ab, solle er "dezent auf die neue Rechtslage hingewiesen werden". | Wer Handwerker beschäftigt, kann die Kosten in der Steuererklärung geltend machen. Das gilt eigentlich nicht für den Neubau. Doch mit einem Trick können Bauherren dennoch Geld sparen. Sie brauchen nur etwas Geduld. | geld | https://www.sueddeutsche.de/geld/steuern-bonus-fuer-geduldige-1.4260916 | Steuern - Bonus für Geduldige | 00/12/2018 |
Auf den Ernstfall vorbereitet: Wie dieser Feuerwehrschüler sollten auch Hausbewohner wissen, was bei einem Brand zu tun ist. Bei einem Brand muss es schnell gehen. Das wird schwierig, wenn der Weg durch Feuer oder Rauch versperrt ist. Doch es muss immer einen zweiten Rettungsweg geben. Bei einem Wohnungsbrand zählt jede Sekunde. Alle Bewohner müssen schnell in Sicherheit gebracht werden. Aber was ist, wenn Flur und Haustür durch Feuer und Rauch versperrt sind? Es muss ein zweiter Rettungsweg da sein, den auch die Feuerwehr zur Brandbekämpfung nutzen kann. Die wichtigsten Ratschläge: Welche Rettungswege sind in Wohnhäusern vorgeschrieben? "Der erste Rettungsweg ist immer die Eingangstür und die Treppe nach oben", erklärt Frank Hachemer vom Deutschen Feuerwehrverband in Berlin. Diesen Weg nimmt die Feuerwehr im Regelfall bei einem Wohnungsbrand. Fällt er aus, muss der Einstieg über die Feuerwehrleiter auf dem zweiten Rettungsweg erfolgen. Auch die Bewohner werden dann auf diesem Weg evakuiert. Welche Häuser brauchen einen zweiten Rettungsweg? Das ist in den Landesbauordnungen geregelt und daher regional unterschiedlich. "Einigkeit besteht aber darin, dass jedes Gebäude, das über Aufenthaltsräume verfügt, mehr als nur einen Rettungsweg haben muss, wenn nicht ein teurer Sicherheitstreppenraum gebaut werden soll", erklärt Hachemer. Das trifft auch auf Einfamilienhäuser zu. Ausgenommen sind lediglich Gebäude, die nur sporadisch von Menschen betreten werden, wie etwa ein Trafohäuschen, in dem nur ab und zu der Zähler abgelesen wird. Wo finden sich die Rettungswege? Sie müssen in jedem Stockwerk vorhanden sein, in dem sich Menschen aufhalten. Also in den Etagen, wo Wohn- und Schlafzimmer, Bad und Küche liegen. Aber auch im Keller oder Dachgeschoss, wenn diese für Wohnzwecke ausgebaut sind. Muss es eine Treppe oder Leiter sein? Es können Außentreppen sein. Die werden aber meist an größeren Gebäuden angebracht. In Ein- oder Zweifamilienhäusern, aber auch in Mehrfamilienhäusern werden in der Regel Fenster oder Balkone als zweite Rettungswege geplant. "Viele Bewohner wissen gar nicht, dass ihr Balkon der Rettung dient. Auch die großen Glastüren mit Gittern davor sind unter Umständen ein zweiter Rettungsweg im Notfall", erklärt Feuerwehrsprecher Hachemer. Die Fenster müssen entsprechend der jeweiligen Landesbauordnung eine gewisse Mindestgröße haben. "Auch im Dachgeschoss muss ein ausreichend großes Fenster zur Straße hin eingebaut werden, damit Bewohner von der Feuerwehr durch dieses Fenster geborgen werden können", ergänzt Eva Reinhold-Postina vom Verband Privater Bauherren. "Aus dem Keller sollten sich die Bewohner im Brandfall über eine Außentreppe oder einen ausreichend großen Kellerlichtschacht retten können." Was ist bei der Planung zu beachten? Grundsätzlich müssen Architekten beim Entwurf eines Gebäudes sichere Baustoffe und Konstruktionen wählen, Fluchtwege für die Bewohner vorsehen und Zufahrten für Rettungsfahrzeuge einplanen. "Zur seriösen Planung gehört auch der zweite Rettungsweg. Fehlt er, ist das ein Planungsfehler, der so früh wie möglich behoben werden muss", betont Reinhold-Postina. Um sicherzugehen, sollten Bauherren ihren Architekten oder die Hausbaufirma danach fragen und auch selbst in einer privaten Brandschutzübung testen, wie sie im Notfall gefahrlos ins Freie kommen. Muss die Feuerwehr auf dem Grundstück parken können? Die Bewohner sollten sich vor Augen führen, dass die Feuerwehr Zufahrtswege und Platz benötigt, um ihre Fahrzeuge und Rettungsgeräte aufzustellen. "Nicht nur auf der Straße behindern parkende Fahrzeuge oft unsere Einsätze", erklärt Hachemer. Auch auf den Grundstücken selbst gibt es Hindernisse. Wenn beispielsweise rund um das Haus dichte Büsche gepflanzt wurden, ist es schwer, die Rettungsleiter sicher aufzustellen. "Es ist hilfreich, das eigene Umfeld einmal aus der Sicht der Rettungskräfte zu betrachten." Welche Pflichten haben die Bewohner? Sie dürfen Fluchtwege nicht verstellen. Hachemer warnt auch davor, auf den Fluren von Mehrfamilienhäusern brennbare Gegenstände abzustellen. Dort fänden sich oft Dinge, die mit Blick auf den Brandschutz dort nicht hingehörten. "Fangen sie Feuer, versperren sie der Feuerwehr den wichtigen ersten Rettungsweg." Nicht allein die Flammen, schon der giftige Rauch sei ein entscheidendes Problem. Auch Balkone werden häufig zugestellt. "Es ist schon okay, wenn dort gefrühstückt oder gegrillt wird. Aber ein Balkon ist kein Lagerplatz. Das ist den meisten Menschen nicht bewusst." Bernhard Schuhmacher, Brandschutz-Sachverständiger bei der Prüforganisation Dekra in Stuttgart, ergänzt: "Ein häufiger Fehler ist es auch, Fluchttüren zu verstellen oder gar mit einem Schlüssel abzuschließen". Der Fluchtweg wird dann bei einem Feuer zur Todesfalle. Fluchttüren müssen im Notfall grundsätzlich ohne Schlüssel von innen nach außen zu öffnen sein. Das Gleiche gilt für Türen zu Tiefgaragen und Hauseingangstüren. Hausordnungen, nach denen diese Türen nachts abgeschlossen werden müssen, sind unzulässig. | Bei einem Brand muss es schnell gehen. Das wird schwierig, wenn der Weg durch Feuer oder Rauch versperrt ist. Doch es muss immer einen zweiten Rettungsweg geben. | geld | https://www.sueddeutsche.de/geld/fluchtwege-was-tun-wenn-s-brennt-1.4260924 | Was tun, wenn's brennt? | 00/12/2018 |
Der stationäre Handel muss sich anstrengen, um mit dem sich wandelnden Einkaufsverhalten der Verbraucher Schritt zu halten. Das Internet gibt mit seinem bequemen, schnellen Einkaufen zunehmend den Takt vor. Auch Einkaufszentren mit einer Vielzahl an Geschäften und einem breiten Warensortiment müssen sich anpassen. Wie man aus der Not eine Tugend entwickeln kann, zeigt ein Center in Schleswig-Holstein. Das "Stadtzentrum Schenefeld" erreicht seine Kunden zu Hause direkt und live im Chat-Modus übers Netz - und kann sie mittels eines Einkaufsassistenten im Center persönlich beraten und Bestellungen aufnehmen. "Live shopping assistant", abgekürzt Lisa, heißt der neue Kundenservice, der die Vorteile des bequemen Einkaufs von Zuhause mit der persönlichen Kundenberatung im Center verbindet. "Computer und Internet bieten unpersönliche Technik, Ladengeschäfte nur eine unvollständige Produktvielfalt", sagt Völkel. "In Schenefeld schließen wir die Lücke zwischen Online- und stationärem Handel", betont Dirk Völkel, Geschäftsführender Gesellschafter der Völkel Company, die das Einkaufszentrum betreibt. Und so funktioniert es: Kunden buchen ihren einstündigen Wunschtermin auf der Webseite des Einkaufszentrums (www.szs.sh). Die Terminbestätigung kommt per Mail zusammen mit einem Link. Zum gebuchten Zeitraum klickt der Kunde diesen Link auf seinem Computer, Tablet oder Smartphone an und wird online von seiner persönlichen Shopping- Assistentin in Empfang genommen. Der Video-Chat öffnet sich direkt aus dem Browser. Wer ein Apple-Produkt nutzt (iOS Betriebssystem), wird aufgefordert, die entsprechende App aus seinem App-Store herunterzuladen. Joanna Welsche ist die "amtierende" Lisa-Verkaufsberaterin. Die gelernte Veranstaltungskauffrau hat von den Entwicklern von Lisa ein Kamera- und Techniktraining bekommen und sich gründlich mit den Sortimenten im Center vertraut gemacht. Der Kunde nennt seine Wünsche, dann zieht Welsche mit ihrem Arbeitsgerät, einem fahrbaren Gestell mit Tablet, Mikrofon und beweglicher Kamera quasi zusammen mit dem Kunden durch in Frage kommende Geschäfte, zeigt Waren und Produkte, berät, nennt Alternativen. In Detailfragen wird Welsche von den Fachverkäufern der einzelnen Geschäfte unterstützt. Alle Handelsmieter im Stadtzentrum Schenefeld nehmen an der Shopping-Innovation teil, die Werbegemeinschaft trägt auch zusammen die Kosten für den neuen Service. Am 18. Oktober ist Lisa an den Start gegangen. Kinderkrankheiten der Anfangsphase sind überwunden, das Zusammenspiel Mensch und Technik funktioniert, auch in den Läden. "Wir werden das Pilotprojekt nun ein Jahr im praktischen Betrieb testen um festzustellen, wie der Service angenommen wird, wie das Einkaufsverhalten ist, wie hoch die Kosten sind", erklärt Centermanagerin Mercan-Songül Aksu. Dabei sei das Feedback der Kunden erwünscht, um das System zu optimieren. Mindestbestellwert sind 25 Euro. "Wir wollten die Schwelle niedrig halten, um einen Service für alle anzubieten, aber vermeiden, dass wir Deo und Zahnbürsten verschicken", sagt Aksu. Die Einkäufe können gebündelt per Online-Rechnung bezahlt werden, die Ware kommt per Post nach Hause oder kann am Infostand des Centers abgeholt werden. Retouren können kostenlos zurückgesandt oder persönlich zurückgebracht werden. Zum Service gehört auch, dass ein Kleidungsstück in der passenden Größe bestellt und geliefert wird. Entwickelt haben die integrierte Hard- und Software-Lösung Sophie Spethmann und Phillip Frères, Geschäftsführer des Düsseldorfer Start-up-Unternehmens Lisa Retail Innovation. Der Handel hofft auf Kunden, die selten oder gar nicht ins Stadtzentrum kommen Im Stadtzentrum Schenefeld feierte Lisa ihr Debüt in einem deutschen Einkaufszentrum. Dirk Völkel hatte das Start-up auf einer Veranstaltung des German Council of Shopping Centers, ein Interessenverband für die Handelsimmobilienbranche, kennengelernt. Wenn sich Lisa bewährt, soll der neue Service auch in anderen Centern seines Unternehmens zum Einsatz kommen. "Wir haben viele Gespräche mit unseren Mitarbeitern und Einzelhändlern geführt und uns dann gemeinsam entschlossen, Lisa einzusetzen", erklärt Aksu. "Wir setzen auf Kunden, die selten oder gar nicht kommen, weil die Wege im ländlichen Umfeld zu weit sind, die Verkehrsanbindung nicht optimal ist. Berufstätige, die die Anreise scheuen oder die gestresste Mutter, die es der Kinder wegen nicht ins Center schafft, aber ein komplettes Outfit, inklusive des passenden Nagellacks für die Einladung am Wochenende braucht". Viele kämen mit genau definierten Wünschen, Alltagsartikeln vom Drogeriemarkt, ein bestimmtes Buch oder Kleidungsstück, sagt Welsche. Viele, vor allem weibliche Kunden, ließen sich aber auch gern beraten, etwa, was modisch im Trend sei oder zu ihrem Typ passe. Sie sieht ihre Kunden durch das Kameraauge des Computers oder Handys. Die realistische Ton- und Farbwiedergabe in HD erleichtert die Beratung und Produktpräsentation. "Wenn ich den Pullover direkt vor die Kamera halte, ist er fast zum Anfassen", meint Welsche. Shopping-Center rücken über das Internet immer stärker an ihre Kunden heran, online und stationär wachsen zusammen. "Shopping wird zukünftig geprägt sein von spielerischen Elementen und digitalen Assistenten, die heute bereits beginnen, unseren Alltag zu erobern", sagt Peter Wippermann, Leiter der Studie "Wie kauft Deutschland übermorgen ein?", die im Auftrag des digitalen Handelsunternehmens QVC Deutschland durchgeführt wurde. Jeder fünfte Deutsche könne sich demnach vorstellen, gemeinsam im Online-Chat oder in der virtuellen Realität shoppen zu gehen. | Online-Shopping geht auch mit persönlicher Beratung - zumindest in einem Einkaufszentrum in Schleswig-Holstein. Dort gibt es nun Video-Assistenten. | geld | https://www.sueddeutsche.de/geld/innovation-einkaufen-mit-lisa-1.4251499 | Einkaufen mit Lisa | 00/12/2018 |
Leuchtende Engel, glitzernde Sterne und prächtig illuminierte Weihnachtsbäume: Die Kaufhäuser und Shopping-Center verwandeln sich in diesen Tagen wieder in ein weihnachtliches Lichtermeer, mit Glanz und Gloria auf allen Etagen. Das festliche Gefunkel lockt die Käufer in Scharen - ein Erlebnis, das der Einkauf im Internet nicht bieten kann. Allerdings lässt der Lichterglanz nicht nur die Kassen klingeln, sondern treibt auch die Energiekosten der Unternehmen in die Höhe. Immerhin 1,3 Prozent ihres Nettoumsatzes müssen stationäre Händler, Lebensmittelmärkte ausgenommen, auf das Jahr gerechnet für Strom und Wärme ausgeben, hat das EHI Retail Institute ermittelt. Angesichts knapper Margen in einigen Handelssegmenten sowie der stetig stärker werdenden Online-Konkurrenz ist das ein Posten, der für viele Unternehmen durchaus ins Gewicht fällt. Mit Abstand am meisten Energie benötigen sie dabei für die Beleuchtung - und das nicht nur in der Vorweihnachtszeit. Darauf entfällt etwas mehr als die Hälfte des Verbrauchs von Non-Food-Händlern, zeigt eine Studie der Deutschen Energie-Agentur Dena. Um ihre Waren ins rechte Licht zu rücken, setzen viele Unternehmen bis heute wenig effiziente Halogenstrahler ein. Doch die deutlich sparsameren LEDs sind stark im Kommen: Laut einer Umfrage des EHI Retail Institute ist der Anteil der mit LEDs ausgestatteten Handelsimmobilien zwischen 2014 und 2017 von zwanzig auf über vierzig Prozent gestiegen. "Die wenigsten Händler stellen gleich auf einen Schlag ihr ganzes Filialnetz um", sagt Benjamin Chini, Projektleiter im Forschungsbereich Energiemanagement beim EHI Retail Institute. Meist erfolgt der Austausch, wenn in einem Laden ohnehin Modernisierungsmaßnahmen anstehen. Dabei ist die Minderung der Energiekosten für viele Händler gar nicht mal der einzige Grund, ihre Läden auf LEDs umzurüsten. Oft geht es ihnen ebenso darum, mit neuer Beleuchtung die Präsentation der Produkte zu verbessern. So etwa in der "Papeteriewelt", einem Schreibwaren- und Geschenkeladen im Regensburger Donaueinkaufszentrum: Mit dem Umstieg von Halogen- auf LED-Leuchten können die Eigentümer ihre Waren nun heller ausleuchten, besondere Akzente setzen und zudem tageszeitabhängige Lichtstimmungen schaffen. Das hilft ihnen auch, von den flanierenden Besuchern besser wahrgenommen zu werden. "Der Laden hebt sich vom Rest der Mall ab, man betritt eine andere Welt", sagt Geschäftsführerin Berit Liebl. Zugleich spart die neue Lichttechnik 73 Prozent an Energie ein. Stellen Unternehmen auf LEDs um, wird es in den Räumen kühler Das Beheizen der Kaufhäuser und Malls dagegen hat, anders als bei Wohngebäuden, nur einen geringen Anteil am Energieverbrauch der Händler: Gerade einmal 17 Prozent entfallen auf die Wärmeversorgung, zeigt die Dena-Studie. Das liegt unter anderem daran, dass elektrische Geräte wie Bildschirme oder Kassensysteme und vor allem die Beleuchtung eine Menge Wärme in die Räume abgeben. "Auch die Kunden bringen viel Wärme in das Gebäude", sagt Energieexperte Chini. Manche Unternehmen erfassen deshalb mithilfe von Sensoren die Zahl der Kunden, die sich jeweils in der Immobilie aufhalten, um Heizung, Lüftung und Klimatisierung daran anzupassen. In einigen Läden steht sogar so viel Abwärme zur Verfügung, dass die Händler ganz ohne Heizung auskommen. Wenn solche Unternehmen nun aber auf LEDs umstellen, heizen sich die Räume weniger stark auf, weil die Leuchtdioden kühl bleiben. Sie müssen dann entweder nachträglich eine Heizung einbauen - oder aber bei der alten Lichttechnik bleiben. Während bestehende Gebäude meist mit Erdgas oder Fernwärme beheizt werden, kommen in neuen Handelsimmobilien laut Chini heute vermehrt Wärmepumpen zum Einsatz. "Diese Technologie hat den Vorteil, dass sie nicht nur für das Heizen, sondern auch das Kühlen der Gebäude eingesetzt werden kann", erklärt er. Zudem helfen die effizienten, vergleichsweise klimafreundlichen Wärmepumpen den Unternehmen dabei, die Anforderungen der Energieeinsparverordnung (EnEV) zu erfüllen. Die Verordnung macht Vorgaben für die Energieeffizienz neu errichteter Immobilien und gilt gleichermaßen für Wohn- wie für Handels-, Büro- oder Gewerbebauten. Gerade Neubauten werden heute häufig auch mit einer Photovoltaikanlage ausgestattet, die Strom für den Eigenbedarf liefert. Angesichts der stark gesunkenen Kosten der Solarsysteme ist das für viele Händler nicht nur aus Imagegründen attraktiv. Vor allem Lebensmittelhändler wie Rewe, Aldi und Lidl setzen auf Solarenergie. Wegen der vielen Kühl- und Tiefkühlgeräte verbrauchen sie deutlich mehr Strom als Non-Food-Händler. Da die Supermärkte häufig Flachdächer haben, ist die Installation hier meist sehr einfach. Doch auch baulich komplexere Immobilien können sich für die Photovoltaik eignen, wie das Beispiel des unabhängigen Modehauses Bruns im brandenburgischen Neuruppin zeigt: Die Eigentümer haben auf dem Satteldach des mehr als 200 Jahre alten Gebäudes in der Innenstadt eine Solaranlage installiert, die 29 Prozent des Strombedarfs deckt. Auch auf dem Dach des historischen Luitpoldblocks nahe dem Münchner Odeonsplatz sind Photovoltaikmodule montiert. Den Strom verkaufen die Eigentümer des Gebäudes an die Mieter der Laden-, Gastronomie- und Büroflächen im Haus. "Mit dem Begriff Energieeffizienz allein kann man kein Marketing machen." Viele Händler haben längst entdeckt, dass sie mit dem Thema Klimaschutz im Wettbewerb um die Kunden punkten können. Die Kommunikation von Effizienzmaßnahmen ist jedoch nicht ganz einfach. "Mit dem Begriff Energieeffizienz allein kann man kein Marketing machen", erklärt Lars Reimann, Abteilungsleiter Energie- und Umweltpolitik beim Handelsverband Deutschland (HDE). Denn die Umsetzung erfolge in den Technikräumen und damit außerhalb des Sichtfeldes der Kunden - eine hocheffiziente Heizung zum Beispiel bleibt ihnen verborgen. "Daher ist es sinnvoll, die Maßnahmen in Bilder zu übersetzen; etwa in die CO₂-Einsparung, die sie bewirken", sagt Reimann. Der Shopping-Center-Betreiber Unibail-Rodamco-Westfield scheint allerdings nicht so recht an die Werbewirkung seiner Effizienzschritte zu glauben - zumindest was seine Münchner Mall Pasing-Arcaden betrifft: Dass das Unternehmen sein Gebäude mit einer Wärmepumpe heizt und kühlt, dass das Dach mit Solarthermiekollektoren bestückt ist und die Rolltreppen Strom sparen, indem sie erst dann fahren, wenn Kunden sie auch wirklich benötigen, erfahren die Besucher nur auf dem Flur zu den Toiletten - dort sind einige spärlich beschriftete Infotafeln angebracht. Nicht erwähnt ist dort, dass die Mall das Nachhaltigkeitszertifikat Breeam trägt, das in der Immobilienbranche einen guten Ruf genießt. "Wir haben uns der Zertifizierung unterzogen, weil wir uns ambitionierte Ziele unter anderem zur Reduktion von CO₂-Emissionen und Schadstoffen gesetzt haben", erklärt Christian Krause, als Head of PMPS bei Unibail-Rodamco-Westfield für das Gebäudemanagement verantwortlich. "Zudem hilft uns die Zertifizierung bei der Vermarktung der Flächen, da für die meisten Händler das Thema Klimaschutz eine hohe Priorität hat." | Kaufhäuser und Shopping-Center brauchen viel Energie. Vor allem die Beleuchtung verursacht hohe Kosten. Heizen fällt dagegen kaum ins Gewicht - aus erstaunlichen Gründen. | geld | https://www.sueddeutsche.de/geld/shopping-center-lichterglanz-in-allen-etagen-1.4251493 | Lichterglanz in allen Etagen | 00/12/2018 |
Alles unter einem Dach: Viele Kunden schätzen das Konzept der Einkaufszentren. Experten erwarten allerdings, dass hierzulande mittel- bis langfristig jedes zehnte Center mangels Nachfrage schließen wird. Sie genügten dann nicht mehr den Ansprüchen der Verbraucher. Da ist zum Beispiel das "Sevens" auf der exklusiven Düsseldorfer Flanier- und Einkaufsmeile Königsallee: Nur wenige Monate nach der Eröffnung im Oktober 2000 wurde die spektakuläre Architektur dieses über sieben Etagen reichenden Shoppingcenters auf der weltgrößten Immobilienmesse in Cannes mit dem Mipim Award ausgezeichnet. Die Kunden kamen in Scharen. Gleich im ersten Jahr zählte das Center-Management knapp fünf Millionen Besucher. Düsseldorf hatte einen neuen attraktiven Einkaufstempel. Nur zehn Jahre später war das Shoppingcenter nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Die Besucherzahlen gingen zurück, Mieter wurden mehr und mehr unzufrieden, es gab Leerstand. Die Eigentümer reagierten und investierten 50 Millionen Euro in ein "Refurbishment" des Sevens. So bezeichnet die Branche den tief greifenden Umbau sowie die Neupositionierung eines Centers. Der Eingang wurde umgestaltet, Rolltreppen wurden verlegt, Laufwege verändert, Mietflächen neu zugeschnitten. Nach der Wiedereröffnung im Jahr 2011 bezog der Elektronikhändler Saturn fünf Etagen und belegt seitdem 11 000 der insgesamt 19 000 Quadratmeter großen Verkaufsfläche. Folgerichtig heißt das Center seitdem "Sevens - Home auf Saturn". Für die GMA Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung ist das Sevens ein Beispiel für die gelungene Revitalisierung eines Shoppingcenters. Das Beratungsunternehmen mit Sitz in Ludwigsburg betreut Städte und Gemeinden in Fragen der Einzelhandelsentwicklung. Seit Langem beschäftigen sich die Experten intensiv mit der Situation der Shoppingcenter in Deutschland. So untersuchte die GMA in einer vor Kurzem veröffentlichten Studie den Investitionsstau in 665 Einkaufszentren (480 größere Shoppingcenter sowie zahlreiche kleinere Objekte mit mehr als 8000 Quadratmetern). Ergebnis: Viele Standorte sind in die Jahre gekommen. Ein rasanter Wettbewerb und veränderte Erwartungen der Verbraucher haben dazu geführt, dass ihre Angebote nicht mehr zeitgemäß sind. Viele Betreiber haben reagiert. Seit 2010 ist jedes dritte Center entweder bereits umgebaut worden, oder es wird bis 2020 eine Neuausrichtung begonnen. Vor allem größere Standorte wurden beziehungsweise werden revitalisiert. Dabei nimmt das Tempo zu. Der durchschnittliche Revitalisierungszyklus hat sich auf 10,4 Jahre verkürzt. Das heißt, nach nur einer Dekade müssen die Betreiber viel Geld in die Hand nehmen, um ihrem Shoppingcenter neues Leben einzuhauchen. Ein kleines Facelifting reicht dabei nicht mehr aus. "Nach unserer Schätzung werden in der nächsten Dekade 270 bis 320 Center neustrukturiert oder modernisiert werden müssen. Bei Berücksichtigung der deutlich gestiegenen Baukosten entspricht dies nahezu einer Verdopplung der in den vergangenen zehn Jahren getätigten Investitionen von etwa 7,1 Milliarden Euro", rechnet Raimund Ellrott, Niederlassungsleiter von GMA in Hamburg, vor. Die Frage wird sein, wie viele Eigentümer solche Kosten bei ihrer Renditekalkulation eingepreist haben und bereit sind, zu investieren. Doch es gibt keine Alternativen. "Keine Renovierung heißt weniger Kunden", so das Fazit der GMA-Studie. Gleichwohl zögern manche Investoren. Schließlich sind Umbauten aufgrund ihrer hohen Komplexität (baulich-technische Möglichkeiten, funktionale Anforderungen, Laufzeiten der Mietverträge) oftmals sehr viel risikoreicher als Neubauprojekte. 2017 wurde kein neues Center eröffnet. Manche Experten halten den Markt für gesättigt Hinzu kommt: Noch lässt sich nicht absehen, welchen Stellenwert Shoppingcenter in einer immer stärker vom Onlinegeschäft dominierten Handelslandschaft in Zukunft haben werden. Manche Experten halten den Markt bereits für gesättigt. Tatsächlich ging im vergangenen Jahr kein neues Center an den Start. Auch 2016 hatte es nur drei Neueröffnungen gegeben. Die GMA erwartet, dass mittel- bis langfristig jedes zehnte Einkaufszentrum, das heute noch wesentlichen Ansprüchen genügt, mangels Nachfrage schließen wird. Marco Atzberger, Experte für Handelsimmobilien beim Handelsinstitut EHI, sieht in der schwachen Neubautätigkeit jedoch lediglich "eine kurze Phase der Entschleunigung, auf die schon bald wieder eine dynamische Entwicklung folgt". Allerdings werden die Center der neuen Generation nach seiner Überzeugung mehr sein müssen als bloße Einkaufsstätten. Der Trend seien Mixed-use-Konzepte, also Center, in denen Handel, Gastronomie, Freizeit und möglicherweise auch Wohnen und Büro nebeneinanderstehen, betont Atzberger. Als Beispiel nennt er das gerade in Bonn entstehende Projekt "Urban Soul": ein Ensemble aus drei Baukörpern ("Lifestyle-House", "Comfort Hotel", "City Office"), die nicht für sich alleine stehende Immobilien sein wollen, sondern Innenstadt und Bahnhof miteinander verbinden möchten. Sie bilden einen Mix aus 10 000 Quadratmeter Einzelhandels- und Gastronomiefläche sowie rund 15 000 Quadratmeter Hotel- und Bürofläche. Ein anders Beispiel ist die derzeit im Bau befindliche "East Side Mall Berlin" am nördlichen Spreeufer. Auch sie wird mehr sein als ein reines Einkaufszentrum, nämlich ein komplettes neues Quartier. Zur Konzeption gehören neben 120 auf drei Ebenen angesiedelten Shops noch 4900 Quadratmeter Gastronomie sowie ein 3000 Quadratmeter großes Fitness-Studio. Hinzu kommen 1900 Quadratmeter Büro- und Lagerflächen sowie 760 Pkw-Stellplätze. Wer jetzt renoviert, muss das Gastronomie-Angebot erhöhen Nach Einschätzung von Atzberger werden sich Shoppingcenter künftig auch als Logistikstandorte profilieren können. Denn neue Angebote wie Click & Collect, also die Möglichkeit, online bestellte Ware im stationären Handel abzuholen, führten zu einem neuen Mix von Lager- und Verkaufsflächen. "Die Paketdienste stoßen an Grenzen. Sie können bald nicht noch mehr Sendungen an die Haustüren liefern. Das eröffnet neue Chancen für Einkaufszentren", meint der Handelsimmobilien-Experte. Allen Renovierungsprojekten gemeinsam ist eine Vergrößerung des Gastronomieangebots. Egal, ob höherwertige Konzepte oder To-go-Angebote: Restaurants und Cafés liefern genau das Shopping-Beiwerk, das der Onlinehandel nicht bietet. Sie sorgen für Erlebnisse und Attraktion auf der Fläche und wirken somit als Frequenzbringer. Aber auch bei den Gastronomieangeboten zeichnet sich ein Generationswechsel ab. Ging es anfangs vor allem darum, Centerbesucher schnell und einfach satt zu machen, setzten die in den 2000er-Jahren verwirklichten Konzepte auf ein ansprechendes Ambiente. Die Besucher sollten sich wohlfühlen. Heute bieten sogenannte Food-Halls, also eigenständige Bereiche innerhalb eines Shoppingcenters, verschiedene Konzepte: Full-Service-Restaurants neben Ausgabetheken. Sie entwickeln sich zu einem Ort der Freizeitgestaltung und helfen möglicherweise so dem stationären Handel, verlorenes Terrain zurückzuerobern. Das Sevens in Düsseldorf hat diesen Trend bereits mit der Umgestaltung 2011 aufgegriffen: Unter den 35 Flächennutzern befinden sich elf Restaurants und zwei Bars. | Viele Shopping-Center sind nicht mehr zeitgemäß. Hunderte Malls müssten modernisiert werden, doch die Betreiber halten sich zurück. | geld | https://www.sueddeutsche.de/geld/renovierung-von-gestern-1.4251501 | Renovierung - Von gestern | 00/12/2018 |
Viele Menschen können sich die Mieten in den Städten nicht mehr leisten. Soll man daher den Bau von günstigen Wohnungen fördern? Oder das Geld direkt an die bedürftigen Haushalte zahlen? Darüber haben Experten auf einer Tagung in Nürnberg gestritten. Irgendwann gegen Ende der Diskussion sinkt Friedrich Breyer in seinen Stuhl. "Ich verstehe sie nicht", sagt der Professor für Volkswirtschaftslehre auf einer Tagung in Nürnberg etwas ratlos zu den Vertretern der Wohnungsgenossenschaften. Ganz überraschend ist das nicht, denn die Konstellation der Podiumsdiskussion hatte von vornherein Unverständnis-Potenzial: Auf der einen Seite der Volkswirt, der den sozialen Wohnungsbau abschaffen will, auf der anderen Seite jene sozial orientierten Unternehmen, die ihn betreiben. Über die Frage, wie der Staat Haushalten mit niedrigen Einkommen zu einer bezahlbaren Bleibe verhelfen kann, wurde immer schon gestritten. Im Kern geht es darum, ob der Bau von Wohnungen gefördert wird - oder ob das Geld besser direkt an die Menschen fließt, damit sich diese auf freien Märkten die Miete leisten können. In Deutschland gibt es mit der Objektförderung und dem Wohngeld ein kombiniertes Modell, allerdings ist die Wohnraumförderung Ländersache. Im August hatte der Wissenschaftliche Beirat des Wirtschaftsministeriums unter Breyers Federführung in einem umstrittenen Gutachten den sozialen Wohnungsbau erneut ins Visier genommen. "Das Wohngeld reicht alleine", sagt Breyer. Allerdings müsse es deutlich angehoben und gestärkt werden. "Das Wohngeld ist zielgenau", betont Breyer. Es bemesse sich nach der Bedürftigkeit der Menschen. Anders sei dies bei geförderten Wohnungen, "wo das Einkommen meist nur beim Einzug geprüft wird". Wer dann später einen besseren Job bekommt und mehr verdient, kann dennoch weiterhin in der günstigen Wohnung bleiben. "Die Fehlbelegung ist ein großes Problem", betont Breyer. Beim Wohngeld dagegen bekämen nur Menschen Hilfe, die sie tatsächlich bräuchten. Wäre es also besser, auf den sozialen Wohnungsbau verzichten? Für Hans Maier, Direktor des Verbandes bayerischer Wohnungsunternehmen, ist das ein groteskes Szenario. "Dann hätten wir in Städten wie München nur noch Mieten um die 25 Euro." Der Staat könne mit Zuschüssen solch hohe Mieten nicht auffangen. "Das wäre viel zu teuer", sagt Maier. Viele Punkte des Gutachtens hält der Verband für schlecht recherchiert und methodisch fragwürdig, etwa die Ermittlung der Fehlbelegungsquote. Zumindest in Bayern treffe es beispielsweise nicht zu, dass nur beim Einzug das Einkommen überprüft werde. Von einer Ghettoisierung könne schon allein deshalb nicht gesprochen werden, weil sehr viele Haushalte Anspruch auf eine geförderte Wohnung hätten. "Das Wohnungsproblem ist längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen", sagt Maier. Anders als in den Sechzigerjahren haben Wohnungsunternehmen heute außerdem die Quartiersentwicklung im Blick. Wie leben Menschen aus unterschiedlichen Einkommenssichten am besten zusammen? Was macht ein gutes Quartier aus? Wie kann man Nachbarschaften stärken? Was macht eine lebenswerte Stadt aus? "In der Wohnungspolitik geht es um die Frage, wie wir leben wollen", sagt Maier. Solche sozialen Fragen spielen in der ökonomischen Analyse des Wissenschaftlichen Beirats keine Rolle. Das wiederum können die Vertreter der sozial orientierten Unternehmer und Genossenschaften nicht verstehen. | Viele Menschen können sich die Mieten in den Städten nicht mehr leisten. Soll man daher den Bau von günstigen Wohnungen fördern? Oder das Geld direkt an die bedürftigen Haushalte zahlen? Darüber haben Experten auf einer Tagung in Nürnberg gestritten. | geld | https://www.sueddeutsche.de/geld/sozialer-wohnungsbau-haeuser-oder-menschen-1.4251495 | Häuser oder Menschen | 00/12/2018 |
In Deutschland werden in den kommenden Jahren deutlich mehr Hochhäuser gebaut. Vor allem in zwei Städten entstehen besonders viele Wohntürme. Viele Städte in Deutschland haben nur noch wenig Platz. Weil sie nicht mehr in die Breite wachsen können, suchen immer mehr Kommunen und Unternehmen den Ausweg in der Höhe. In den Achtziger- und Neunzigerjahren eher als Hort sozialer Brennpunkte verschmäht, gelten Hochhäuser heute als ein probates Mittel gegen die Wohnungsnot. Im Jahr 2023 wird es laut einer Prognose des Investment-Hauses Catella in Deutschland etwa 30 Wohntürme mehr geben als 2014. Die neue Begeisterung für die Wolkenkratzer ist allerdings kein flächendeckendes Phänomen. Fast alle Projekte finden sich in Berlin (14) oder in Frankfurt (11). Hinzu kommen noch Objekte in Hamburg, München, Düsseldorf und im Stuttgarter Umland. Als Wohnturm definiert Catella Gebäude mit einer Höhe von mehr als 50 Metern und einem Wohnanteil von mindestens 75 Prozent. Mit den Hochhäusern der ersten Generationen haben die aktuellen Projekte laut der Studie aber nur noch wenig zu tun. "Heute wird explizit ein Fokus auf die Belebung des Turms und des umliegenden Viertels gelegt", berichtet Thomas Beyerle, Leiter Marktforschung bei Catella. In den unteren Geschossen befänden sich häufig Geschäfte, Gastronomie, Arztpraxen oder Fitnessstudios. Auch der Austausch der Bewohner untereinander stehe im Mittelpunkt. Der größte Unterschied zeige sich bei den Mikrolagen. Standen die Objekte früher am Stadtrand oder in den Vororten, entstehen die Hochhäuser heute fast ausschließlich an zentralen Standorten. Ein großer Unterschied ist auch die anvisierte Bewohnerschaft der Hochhäuser. Die neuen Projekte sind nicht für ärmere, sondern für ziemlich wohlhabende Mieter und Käufer gedacht. Die Hochhäuser der neuen Generation sind laut Catella nahezu ausschließlich im Luxussegment positioniert. Die Mieten betragen in manchen Türmen im Schnitt 27 Euro pro Monat und Quadratmeter. In zukünftigen Projekten werde sich der Anteil geförderter Wohnungen allerdings erhöhen. | In Deutschland werden in den kommenden Jahren deutlich mehr Hochhäuser gebaut. Vor allem in zwei Städten entstehen besonders viele Wohntürme. | geld | https://www.sueddeutsche.de/geld/wolkenkratzer-hoeher-wohnen-1.4251497 | Wolkenkratzer - Höher wohnen | 00/12/2018 |
Viel Geld, das wenig Platz benötigt: Weil er oft bei der Geldwäsche zum Einsatz kommt, wird der 500-Euro-Schein abgeschafft. Die Tage des 500-Euro-Scheins sind gezählt. 2016 hatte die Europäische Zentralbank beschlossen, "gegen Endes des Jahres 2018" die Ausgabe und Produktion der größten Euro-Banknote einzustellen. In Deutschland bleibt nun noch etwas länger Zeit, sich von den lilafarbenen Geldscheinen zu verabschieden. Noch bis 26. April 2019 sind sie bei der Bundesbank zu haben. Auch die Österreichische Nationalbank verlängert die Frist bis zu diesem Termin. Die anderen 17 nationalen Zentralbanken des Eurosystems werden die Ausgabe am 26. Januar 2019 beenden. "Wir haben uns für diese längere Frist entschieden, weil die deutsche und die österreichische Notenbank netto die meisten 500-Euro-Banknoten in Umlauf bringen", erklärte Bundesbank-Vorstand Johannes Beermann. Der 500er habe "vor allem eine Wertaufbewahrungsfunktion". Möglicherweise werde die Nachfrage jetzt noch einmal angekurbelt. Auch wenn er nicht mehr produziert wird, bleibt der 500-Euro-Schein gesetzliches Zahlungsmittel. Viele Geschäfte akzeptieren ihn zwar schon länger nicht mehr, er kann aber bei den nationalen Banken umgetauscht werden. Eine Frist gibt es dafür nicht, der Schein behält auf unbegrenzte Zeit seinen Wert. Ermittler hoffen, dass ohne den 500-Euro-Schein Schwarzarbeit, Geldwäsche und Terrorfinanzierung in Europa schwieriger werden. Im Alltag wird er ohnehin kaum genutzt, allenfalls beim Gebrauchtwagenkauf kommt er zum Einsatz. Er bekam deshalb im Unterschied zu den übrigen Euro-Noten auch kein neues Design mit verbesserten Sicherheitsmerkmalen mehr. Nach der Entscheidung des EZB-Rates im Mai 2016 hatte der 500er zunächst an Attraktivität eingebüßt. In den Jahren 2016 und 2017 wurden mehr 500-Euro-Banknoten bei den nationalen Zentralbanken eingezahlt als ausgezahlt. Bei der Bundesbank kehrte sich der Trend 2017 um: Die Auszahlungen von 500-Euro-Scheinen überwogen im vergangenen Jahr wieder die Einzahlungen der lilafarbenen Scheine. Auch im laufenden Jahr zeigen die Zahlen bislang eine gestiegene Nachfrage nach 500-Euro-Scheinen - sowohl bei der Deutschen Bundesbank als auch im Eurosystem insgesamt. | Die Banknote wird europaweit ab Januar abgeschafft, die deutsche Bundesbank gibt ihr noch eine Gnadenfrist. | geld | https://www.sueddeutsche.de/geld/geld-banknoten-500-euro-1.4245551 | Das Aus für den 500-Euro-Schein rückt näher | 00/12/2018 |
Ein Grußwort in Peißenberg, eine Feier in Günzburg, eine Rede in Regensburg. Hans Maier vom Verband bayerischer Wohnungsunternehmen (VdW) ist derzeit viel in Bayern unterwegs. Weil sich viele Genossenschaften nach dem Ersten Weltkrieg gründeten, stehen im Terminkalender des Verbandsdirektors zahlreiche 100-Jahr-Feiern. Immer öfter geht es dann nicht nur um die historischen Verdienste, sondern auch darum, wie heute mehr bezahlbare Wohnungen entstehen können. Die werden nämlich längst nicht mehr nur in den Metropolen gebraucht. "Preisgünstige Mietwohnungen sind mittlerweile in nahezu allen bayerischen Städten knapp", sagt Maier. Sein Verband vertritt vor allem kommunale Unternehmen und Genossenschaften, also jene Akteure, die sich besonders stark im sozialen Wohnungsbau engagieren. Das allerdings wird immer schwieriger. "Das größte Problem sind die Grundstücke", betont der Verbandsdirektor. Entweder es gibt sie nicht, oder die Flächen sind so teuer, dass darauf keine günstigen Mietwohnungen entstehen können. Sozial orientierte Unternehmen sind daher darauf angewiesen, dass sie Baugrundstücke günstiger bekommen. Einige Kommunen wie München verkaufen daher schon lange nicht mehr zum Höchstpreis, sondern machen Konzeptausschreibungen. Vor allem in kleineren Städten fehle aber oft noch das Bewusstsein dafür, dass die Kommune eine Steuerungsaufgabe habe. Dabei wird Maier auf seiner Tour durch Bayern immer wieder mit Berichten konfrontiert, dass vor allem junge Leute aus kleineren Kommunen wegziehen müssen, weil es dort keine preisgünstigen Mietwohnungen gibt. "Diese Leute fehlen dann in den Orten, den Kultureinrichtungen, Trachtenvereinen oder der freiwilligen Feuerwehr", sagt Maier. Mehr Unterstützung bekommen die Kommunen nun vom Bund. Für die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) gilt seit diesem Jahr eine neue Richtlinie, nach der Kommunen Grundstücke vergünstigt kaufen und an Genossenschaften, Private oder kommunale Unternehmen weitergeben können - mit der Auflage, günstige Mietwohnungen zu bauen. "Das ist ein wichtiger Schritt", sagt Maier. In anderen Orten Bayerns bauen die kommunalen Unternehmen und Genossenschaften nicht, weil die Mieten zu niedrig sind und die Projekte nicht kostendeckend wären. Zum Beispiel in Teilen Ober- und Unterfrankens oder der Oberpfalz. Obwohl dort viele Märkte entspannt sind und einige Gemeinden schrumpfen, brauche es dort dennoch Wohnungsbau, ist Maier überzeugt. Zwar gebe es dort leer stehende Häuser - diese seien aber oft alt und unattraktiv. "Wenn man die Menschen im Ort behalten und die Regionen aktivieren möchte, muss man dort modernen und preisgünstigen Wohnraum schaffen", sagt Maier. Die jetzigen Instrumente seien dafür aber nicht ausreichend. "Wir brauchen daher dringend eine andere Regionalförderung", fordert Maier, "gerade, wenn die Ballungsräume entlastet werden sollen." Wenn die ländlichen Räume attraktive Mietwohnungen bieten, so das Kalkül, würden damit auch Metropolen wie München oder Nürnberg entlastet. Selbst wenn ein kommunales Unternehmen oder eine Genossenschaft ein Grundstück hat und die Fördermittel ausreichend sind, bedeutet das aber noch nicht, dass es mit dem Projekt auch losgehen kann. Denn es wird immer schwieriger, Handwerker und Bauunternehmen zu finden. "Die Bauwirtschaft ist an ihrer Kapazitätsgrenze", sagt Maier. Wie man das ändern kann? "Nur durch Kontinuität und Planungssicherheit", ist der Verbandsdirektor überzeugt. Der Bund und das Land müssten ihre Fördermittel langfristig festzurren. Nur dann würden Wohnungs- und Bauunternehmen ihre Kapazitäten erhöhen, also zum Beispiel Mitarbeiter einstellen. "Wenn die bayerische Landesregierung bis 2025 eine halbe Million Wohnungen bauen will, dann muss sie auch bis dahin die Mittel zusagen", fordert Maier. Vom Bund erhoffen sich die Wohnungsunternehmen, dass die erarbeiteten Ideen umgesetzt werden. Dazu gehört laut Maier zum Beispiel, dass Bauen nicht noch komplizierter wird. "Wir brauchen eine Baukostenbremse", sagt der Verbandsdirektor. Was es eher weniger brauche, sind die vielen neuen Kommissionen, die vor Kurzem ihre Arbeit aufgenommen haben. "Wir hatten in der vergangenen Regierung schon viele Kommissionen", sagt Maier. Diskussionen habe es genug gegeben, meint der Verbandsdirektor. "Wir müssen endlich handeln." | In Bayern sollen mehr Mietwohnungen entstehen. Kommunale Wohnungsfirmen und Genossenschaften fordern eine neue Regionalförderung. | geld | https://www.sueddeutsche.de/geld/mietwohnungen-raus-aufs-land-1.4241897 | Mietwohnungen - Raus aufs Land | 00/12/2018 |
Undichte Dächer, feuchte Wände, Risse: Neue Häuser haben immer häufiger schwerwiegende Mängel. Das liegt vor allem am Bauboom. Denn viele Unternehmen sind völlig überlastet und finden nicht genug qualifizierte Fachkräfte. Der Bauboom bringt neue Häuser und Wohnungen, aber auch viel Frust. Denn die Mängel an Gebäuden nehmen zu, legt eine Studie des Bauherren-Schutzbundes (BSB) nahe. Die Zahl der Versicherungsschäden hat sich demnach zwischen 2009 und 2016 fast verdoppelt (plus 89 Prozent). Schuld aus Sicht des Verbands, der mehr als 5800 Haftpflichtfälle der Architekt-Ingenieur-Assekuranz ausgewertet hat: überlastete Firmen, Fachkräftemangel und immer mehr Vorschriften am Bau. "Dadurch steigt auch die Fehleranfälligkeit bei Planung und Bauausführung", sagt BSB-Geschäftsführer Florian Becker. Die Mängel gibt es am häufigsten an Dächern, Decken, Fußböden und Wänden. Die Folge sind feuchte Wohnungen, Risse und falsche Abdeckungen. In der Regel tauchen die Schäden im ersten Jahr nach der Fertigstellung auf. "Manche Probleme wie die fehlerfreie Abdichtung bei bodengleichen Duschen, die schon auf dem Rückzug waren, kommen jetzt wieder verstärkt", sagt Becker. Hans-Ullrich Kammeyer, Präsident der Bundesingenieurkammer, macht vor allem Termindruck für steigende Bauschäden verantwortlich. "Jahrelang waren Ingenieurbüros nicht ausgelastet und mussten daher zwangsläufig Kapazitäten abbauen. Heute stoßen sie im Boom an ihre Grenzen." Am Bau fehlten Tausende Ingenieure. Die Lücke lasse sich mit Hochschulabsolventen so schnell nicht füllen, zumal es in der Ausbildung Defizite gebe. Er sieht aber auch die Politik in der Pflicht. "Wir brauchen Planungssicherheit bei Investitionen der öffentlichen Hand, damit wir nicht krasse Kapazitätsschwankungen haben." Auch das Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB) beobachtet mehr Schäden. "In Deutschland haben wir mehr als 15 Jahre unsere Infrastruktur, aber auch den Wohnungsbau sträflich vernachlässigt", sagt Hauptgeschäftsführer Felix Pakleppa. Auftraggeber würde zudem unqualifizierte Betriebe beauftragen, auch um Kosten zu sparen. Dazu zählten scheinselbständige Fliesenleger, die keine Meisterprüfung hätten, und Subunternehmerketten, an deren Ende unqualifizierte Beschäftigte stünden. Doch nicht nur die Zahl der Schäden steigt, sie werden auch immer teurer, zeigen die Daten des Bauherren-Schutzbundes: So seien 2009 bis 2011 bei Mängeln im Durchschnitt gut 63 000 Euro angefallen. Von 2015 bis 2017 lagen die Kosten nach Hochrechnungen rund ein Drittel höher - bei 84 000 Euro. Denn mit ausgefallenen Wohnwünschen, vielfältigeren Grundrissen und modernen Ausstattungen wird Bauen komplexer. "Früher kam es auch zu Mängeln, aber Häuser waren nicht so technisiert", sagt BSB-Geschäftsführer Becker. Er rät Bauherren zur Qualitätskontrolle durch Sachverständige. Das koste etwa 3000 Euro, jedoch würden Schäden so bestenfalls schon in der Entstehung erkannt. Andere Verbände sehen keinen so starken Trend zu mehr Schäden, aber grundsätzliche Mängel am Bau. Die Qualität im Schlüsselfertigbereich sei "durchgehend suboptimal", erklärte der Verband Privater Bauherren. Dort komme Planung und Bau aus einer Hand, was Interessenskonflikte mit sich bringe. Aber auch die Ansprüche am Bau verschärften das Problem: Bei der energetischen Dämmung etwa werde heutzutage eine komplett luftdichte Gebäudehülle angestrebt und so die Fehlertoleranz immer kleiner. "Früher wurde die Feuchtigkeit einfach herausgelüftet." | Undichte Dächer, feuchte Wände, Risse: Neue Häuser haben immer häufiger schwerwiegende Mängel. Das liegt vor allem am Bauboom. Denn viele Unternehmen sind völlig überlastet und finden nicht genug qualifizierte Fachkräfte. | geld | https://www.sueddeutsche.de/geld/bau-mehr-pfusch-1.4241893 | Bau - Mehr Pfusch | 00/12/2018 |
Helena Klinger ist Referentin Recht beim Eigentümerverband Haus & Grund Deutschland. Der Verein vertritt die Interessen der Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer. Vermieter müssen dafür sorgen, dass der Aufzug so sicher wie möglich ist. Seit 2015 gibt es eine neue Verordnung. Eine Rechtsexpertin erklärt. Die Betriebssicherheitsverordnung (abgekürzt BetrSichV) stellt seit Juni 2015 an die Betreiber von Aufzügen strenge Anforderungen. Vermieter müssen demnach jederzeit die Sicherheit und Gesundheit von Benutzern, Monteuren und Wartungskräften gewährleisten. Was dazu nötig ist, erklärt Helena Klinger von Haus & Grund Deutschland. SZ: Was hat sich im Vergleich zu früheren Zeiten geändert? Helena Klinger: Während Aufzüge früher nur alle zwei Jahre von einer zugelassenen Überwachungsstelle überprüft werden mussten, besteht diese Pflicht nun auch für die Zwischenprüfungen, das heißt jedes Jahr. Das führt natürlich zu höheren Kosten, die die Vermieter teilweise auf die Mieter umlegen können. Die Kosten für die erste Überprüfung nach dem Einbau des Aufzugs sowie nach einer Reparatur sind aber Sache des Vermieters. Was bringen die zusätzlich vorgeschriebenen Prüfungen? Der sogenannte Anlagensicherheits-Report des VdTÜV (Verband der TÜV e.V.) in Berlin hat gezeigt, dass im Jahr 2014 noch 150 000 aller Aufzüge nicht sicherheitsüberprüft waren. Diese Zahl ist gesunken, und zwar auf etwa 100 000 im Jahr 2017. Das ist eine gute Entwicklung. Schließlich geht es um den Schutz hoher Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit. Worauf müssen Betreiber von Aufzügen besonders achten? Betreiber von Aufzügen, also Eigentümer und Eigentümergemeinschaften, sind verpflichtet, eine Gefährdungsanalyse durchzuführen. Sie müssen erfragen, wie häufig der Aufzug im Haus genutzt wird, wie viele Personen damit täglich fahren und was damit transportiert wird. Da mit dem Einbau eines Aufzugs eine Gefahrenquelle geschaffen wird, können die Betreiber schnell in die Haftung geraten. Deshalb sollten auch alle Unterlagen über die durchgeführten Prüfungen und sämtliche Bescheinigungen gut aufbewahrt werden. Wie sieht der Pflichtenkatalog des Vermieters genau aus? Das fängt an mit einer Kennzeichnung im Aufzug, in welchem Monat und Jahr der turnusmäßige Termin für die nächste Prüfung ist. Der Vermieter muss auch eine sogenannte Zwei-Wege-Kommunikation einrichten: Wenn der Aufzug stockt, muss jemand sofort notfallmäßig erreichbar sein. Für dieses Kommunikationssystem gibt es eine Übergangsfrist bis zum 31. 12. 2020. Der für den Aufzug Verantwortliche muss auch einen Notfallplan erstellen und ihn dem Notdienst aushändigen. Dem Notdienst, der in der Regel eine 24- Stunden-Erreichbarkeit gewährleistet, muss eine Liste überreicht werden mit den Namen der Personen, die Zugang zum Haus haben und die die Befreiung vornehmen können, mit Kontaktdaten von Personen für eine Erste-Hilfe-Leistung, von Notarzt, Feuerwehr etc. Außerdem müssen im Haus Werkzeuge für die Befreiung bereitgestellt werden. Insgesamt ein enormer Pflichtenkatalog für den Vermieter. Was muss der Vermieter befürchten, wenn er die Betriebssicherheitsverordnung missachtet? Der VdTÜV in Berlin stellte für das Jahr 2017 fest, dass rund 85 Prozent aller überprüften Aufzüge keine oder geringfügige Mängel aufwiesen, aber rund 14 Prozent hatten sicherheitsrelevante Mängel, und 3500 Anlagen mussten sofort stillgelegt werden. Bei vorsätzlicher oder fahrlässiger Verletzung der Pflichten drohen Vermietern Bußgelder bis zu einer Höhe von 100 000 Euro. | Vermieter müssen dafür sorgen, dass der Aufzug so sicher wie möglich ist. Seit 2015 gibt es eine neue Verordnung. Eine Rechtsexpertin erklärt. | geld | https://www.sueddeutsche.de/geld/sicherheit-bloss-nicht-stecken-bleiben-1.4241907 | Sicherheit - Bloß nicht stecken bleiben | 00/12/2018 |
Von einem Aufzug können viele Mieter profitieren. Vor allem Senioren, Menschen mit einer Behinderung und Familien mit kleinen Kindern sind auf einen Fahrstuhl angewiesen. Dieser gilt als mitvermietet, auch wenn das nicht ausdrücklich im Mietvertrag vereinbart wurde. Der Vermieter muss deshalb dafür sorgen, dass sich der Aufzug ständig in einem betriebsbereiten und betriebssicheren Zustand befindet. Funktioniert der Aufzug nicht, ist das für die Bewohner mehr als ärgerlich - vor allem, wenn der Fahrstuhl mehrere Tage oder sogar Wochen stillsteht. Allerdings können Mieter für die Zeit des Ausfalls die Miete mindern. Wie hoch die Minderung ausfallen darf, haben zahlreiche Gerichte entschieden. Das Amtsgericht Berlin-Mitte etwa gewährte einem Mieter im zehnten Stock für einen Fahrstuhl, der 16 Tage außer Betrieb war, eine Mietminderung von 20 Prozent. Bei der Lage der Wohnung im zehnten Obergeschoss stelle der Ausfall des Fahrstuhls eine erhebliche Gebrauchsbeeinträchtigung dar, denn das Erreichen der Wohnung sei nur unter erheblichen Mühen möglich (Urteil vom 10. April 2007, 10 C 24/07). Keine Mietminderung ist allerdings möglich, wenn der Aufzug nur kurz ausfällt, zum Beispiel, weil der Strom ausgefallen ist. "Die Höhe der Mietminderung richtet sich immer danach, wie sehr die Gebrauchstauglichkeit oder der Wohnkomfort des Mieters durch den Ausfall beeinträchtigt wird", sagt die Münchner Rechtsanwältin Florentina Mantscheff. Deshalb konnte auch eine Mieterin die Miete um 50 Prozent kürzen, die im vierten Stock wohnte und zu 100 Prozent schwerbehindert war (Amtsgericht München, Urteil vom 29. September 2015, 425 C 11160/15). Und wer zahlt für Wartung und Reparaturen? Ob der Mieter sich an den Betriebskosten des Aufzugs beteiligen muss, richtet sich nach dem Mietvertrag. Für die Beteiligung an den Aufzugskosten genügt ein Hinweis auf die Betriebskostenverordnung. Bei einer entsprechenden Vereinbarung muss der Mieter auch dann zahlen, wenn die Betriebskosten erst nach Abschluss des Mietvertrags entstehen, also beispielsweise der Aufzug erst später eingebaut wird. Streit kann es darüber geben, ob sich auch die Erdgeschossmieter an den Kosten beteiligen müssen - schließlich brauchen sie den Aufzug in der Regel nicht. Ob Mieter in diesem Fall zahlen müssen, liegt im Ermessen des Vermieters. Die Gerichte entschieden, dass die Umlage auf den Erdgeschossmieter jedenfalls dann nicht unangemessen ist, wenn der Mieter mit dem Aufzug andere Räumlichkeiten im Haus erreichen kann, etwa den Speicher, die Garage oder den Keller (Amtsgericht Hamburg, Urteil vom 6. März 1987, 41 C 1423/86). "Besteht eine mietvertragliche Vereinbarung, dass der Mieter sich anteilig je nach Wohnnutzfläche an den Aufzugskosten beteiligen muss, ist diese Vereinbarung gültig", erklärt Juristin Mantscheff. Darin liegt keine unangemessene Benachteiligung des Mieters, hat der Bundesgerichtshof entschieden (Urteil vom 20. September 2006, VIII ZR 103/06). Liege der Aufzug aber in einem anderen Gebäudeteil, sodass der Mieter seine Wohnung gar nicht mit dem Fahrstuhl erreichen könne, dürften die Kosten nicht auf den Mieter umgewälzt werden, erläutert Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund. So entschied auch der Bundesgerichtshof (Urteil vom 8. April 2009, VIII ZR 128/08). In dem entschiedenen Fall bewohnte der Mieter in einem Berliner Altbau eine Wohnung im Hinterhaus, während sich der Aufzug im Vorderhaus befand. Der BGH befand, dass an Kosten für Einrichtungen, die einzelnen Mietern zur alleinigen Nutzung überlassen sind, ausgeschlossene Mieter nicht beteiligt werden dürfen. Welche Posten auf die Mieter umgelegt werden können, regelt die Betriebskostenverordnung. "Reparaturkosten können nicht den Mietern angelastet werden, sondern müssen neben den Wartungskosten auf der Rechnung getrennt ausgewiesen und separat vom Vermieter gezahlt werden", betont Mieterbund-Experte Ropertz. Gibt es dagegen einen sogenannten Vollwartungsvertrag, der die Kosten nicht gesondert aufführt, kann eine pauschale Trennung vorgenommen werden: Das Amtsgericht Bonn schlug vor, dass von den Gesamtkosten 35 Prozent abgezogen und der Restbetrag auf den Mieter umgelegt werden sollte (Urteil vom 11. Mai 2007, 8 C 451/06). Gibt es im Haus noch keinen Aufzug, kann der Vermieter einen einbauen lassen. Kündigt er das den Mietern drei Monate vor Beginn der Baumaßnahme an, kann er später - nach Abschluss der Bauarbeiten - eine höhere Miete verlangen. Bisher war es möglich, elf Prozent der Kosten als Modernisierung auf den Mieter umzulegen. Allerdings hat die Bundesregierung jetzt eine Änderung im Mietrecht beschlossen. Danach können Modernisierungskosten bundesweit künftig nur noch in Höhe von acht Prozent pro Jahr auf die Miete umgelegt werden. Das neue Mieterschutzgesetz soll zum 1. Januar 2019 in Kraft treten. Betreibt der Vermieter einen Aufzug, übernimmt er auch die Verkehrssicherungspflicht. Er muss beispielsweise die Türverschlüsse besonders sorgfältig überprüfen. Verletzt der Vermieter seine Pflichten, muss er dem Mieter möglicherweise Schadenersatz zahlen. In einem Fall stoppte ein Aufzug in einem Parkhaus 40 Zentimeter, bevor er das Bodenniveau erreicht hätte. Eine ältere Dame stürzte deshalb, verletzte sich schwer und verklagte den Betreiber wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main sah den Fall anders - der Eigentümer des Objekts könne nachweisen, dass der Lift regelmäßig fachkundig gewartet worden sei, letztmals zwei Tage vor dem Unfall. Mehr dürfe man nicht erwarten, so die Richter. Es handele sich um eine technische Störung, wie sie immer wieder einmal vorkommen könne (24. Januar 2013, 3 U 169/12). | Ein Aufzug ist eine große Hilfe, aber auch teuer. Manche Kosten müssen die Mieter tragen - oft auch die Bewohner im Erdgeschoss. | geld | https://www.sueddeutsche.de/geld/fahrstuhl-oben-gegen-unten-1.4241901 | Fahrstuhl - Oben gegen unten | 00/12/2018 |
Nachdem Ernst Borsig, Enkel des Unternehmensgründers, 1898 das neue Werk in Tegel eröffnet hatte, soll er seinen täglichen Arbeitsweg quer über den See mit einem Boot zurückgelegt haben. Den kleinen Hafen gibt es heute noch. Seinerzeit spielten die Wasserlage mit Zugang zur Havel und die Anbindung an das Schienennetz eine entscheidende Rolle für den Bau der Fabrik. Damals wurden hier Dampflokomotiven gebaut. Die Nutzung des Standorts hat sich ebenso gründlich gewandelt wie die Verkehrsmittel, mit denen man dort hinkommt. Der Grundstein für seine heutige Gestalt wurde in den 1990er-Jahren gelegt: Nach dem Fall der Mauer begann die Umwandlung des Industriegeländes in einen modernen Wirtschaftsstandort. Zu den größeren Unternehmen, die hierherkamen, gehörte auch Herlitz. Die Firma bezog bestehende Gebäude, baute daneben aber auch neu. Das ist allerdings auch schon wieder Geschichte, nun geht es in die nächste Runde. Wo der Papier- und Schreibwarenhersteller seinen Standort hatte, unterhält der Investment-Manager und Projektentwickler Beos heute den Gewerbe- und Logistikpark "Dock 100". Hier hat Amazon einen Standort, weitere Hauptmieter sind ein Management-Dienstleister einer Klinikgruppe und ein IT-Unternehmen. Auf dem historischen Fabrikgelände wird aber auch noch produziert, sogar mit Bezug zu Lokomotiven: Ein größerer Mieter ist Knorr-Bremse Powertech, ein auf elektrische Energieversorgungssysteme für den Schienenverkehr und industrielle Anwendungen spezialisiertes Unternehmen. Insgesamt hat das Dock 100 etwa 86 000 Quadratmeter Mietfläche, wovon mehr als 91 Prozent vermietet seien, sagt Marcus Reinelt von Beos, Projektmanager der Liegenschaft. Zum Dock 100, direkt am Ufer des Tegeler Sees gelegen, gehören neben dem Borsighafen fünf sehr unterschiedliche Gebäude mit Büros, Logistik, Lager und Stellplätzen. Mittelpunkt des Ensembles ist das "Factory Dock", ein Industriebau mit 47 000 Quadratmeter Fläche auf neun Etagen, 120 Meter lang, 50 Meter breit und 46 Meter hoch. Der riesige Kubus wurde für die industrielle Produktion und Lagerung gebaut. Die Böden dort können tonnenschwere Lasten tragen. Eine Deckenhöhe von gut vier Metern gibt Spielraum, um mit großem Gerät zu hantieren. Entsprechend dimensionierte Aufzüge ermöglichen auch auf den oberen Etagen den direkten Zugang zu weitläufigen Flächen von 50 mal 60 Meter Ausdehnung. "Die Nutzung des Hauses geht mittlerweile über Produktion und Lagerung hinaus", berichtet Reinelt. Aus den oberen Etagen werden Büroflächen. 14 000 Quadratmeter hat Beos an zwei Dienstleister der Sparkassen-Finanzgruppe vorvermietet. Einer der Gründe für die Umnutzung: Würde auf allen neun Etagen produziert, müssten die Mieter sich eng absprechen, wer wann die Lastenaufzüge nutzt. Im Büroalltag hingegen ist das kein Thema. Die Energieversorgung reicht für die veränderte Nutzung aus, aber bei der Wasserversorgung gibt es Nachholbedarf. Sanitäranlagen, Teeküchen und andere Einrichtungen, die im Büros Standard sind, müssen hier erst geschaffen werden. Der Umbau geht aber über Versorgungsleitungen deutlich hinaus, denn die enorme Tiefe des Gebäudes lässt zu wenig Tageslicht hinein. Deshalb wird das Haus an zwei Stellen von oben geöffnet. Zwei Lichthöfe in den drei obersten Etagen lassen dann auch in der Mitte des Gebäudes Helligkeit in die Räume. Nebenbei entstehen so auch noch zwei kleine Außenflächen. Die spektakulärste Freifläche bleibt auch nach dem Umbau das Dach. Rund um das Staffelgeschoss im neunten Stock zieht sich eine Terrasse, von der aus man über die ganze Stadt blicken kann. Höher als das Dock 100 ist in der direkten Umgebung nur der Borsigturm mit 65 Metern. Dieses Wahrzeichen des Areals wurde 1922 gebaut, seinerzeit das erste Hochhaus Berlins. Damals wurde aus Platzgründen so hoch gebaut - die Grundfläche des Turms beträgt gerade mal 20 mal 16 Meter. Heute ist trotz Neu- und Umnutzungen deutlich mehr Platz auf dem Areal als zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Vom Dach des Dock 100 hat man einen guten Blick auf die alten Industriegebäude und die Neubauten dazwischen. Auf der einen Seite geht der Blick bis zum Stadtrand, auf der anderen sieht man die Skyline von Berlin. Dabei fällt der Blick von der alten Lokomotivenfabrik auch auf die Verkehrsmittel der Gegenwart: Ganz in der Nähe, erstaunlicherweise kaum hörbar, starten und landen die Jets am Flughafen Tegel, der etwa zwei Kilometer südlich liegt. Die gute Verkehrsanbindung ist bis heute ein wichtiger Faktor für den Ort. Das gilt für die Lieferketten der ansässigen Firmen ebenso wie für deren Mitarbeiter, die jeden Tag hierherfahren. Die Stadtautobahn ist ganz in der Nähe, vor dem Gelände hält aber auch die U-Bahn, eine S-Bahn-Station ist nicht weit entfernt. Mit dem Boot jedenfalls kommt heute niemand mehr. | Einst Lokomotivenbau, heute moderner Wirtschaftsstandort: Das Borsig-Areal in Berlin zeigt, wie sich Industriestandorte verwandeln können. | geld | https://www.sueddeutsche.de/geld/industrieareal-neue-bueros-ueber-der-alten-fabrik-1.4241909 | Industrieareal - Neue Büros über der alten Fabrik | 00/12/2018 |
Für Mieter ist es ein Schreckgespenst: die Kündigung wegen Eigenbedarfs. Das bedeutet raus aus der gewohnten Umgebung, eine schwierige Suche nach einer anderen Wohnung, Umzugskosten und fast immer eine höhere Miete. Besonders hart trifft die Wohnungskündigung Menschen mit gesundheitlichen Handicaps oder anderen schwierigen Lebensumständen. Sie können sich allerdings oft auf die sogenannte Sozialklausel berufen und der Kündigung widersprechen. Dann gilt es, die Interessen abzuwägen: hier die des Vermieters an der freien Wohnung, dort die Interessen des Mieters, seinen Lebensmittelpunkt nicht zu verlieren. Gibt es keine Einigung, müssen Gerichte entscheiden. | Mieter müssen eine Wohnungskündigung nicht immer hinnehmen. Wenn sie schwerwiegende Gründe anführen können, dürfen sie oft drinbleiben. | geld | https://www.sueddeutsche.de/geld/eigenbedarf-kuendigung-haerte-1.4241883 | Kündigung wegen Eigenbedarf: Das ist die Härte | 00/12/2018 |
Es war im September 2009, als Yousef Ayoub genug hatte und den Klingelknopf an der Polizeiwache in Berlin Wedding drückte. Er wollte reden. Über seine Heimat, den Soldiner Kiez, in dem man sich damals zweimal überlegte, ob man ihn als Adresse in seiner Bewerbung angeben sollte. Die Zustände dort machten den damals 25-Jährigen wütend, verzweifelt - aber er hatte eine Idee, mit der sie sich vielleicht bessern ließen. Der Auslöser für seinen Besuch auf der Wache war ein Großeinsatz an der Soldiner Straße, Ecke Koloniestraße gewesen. Jemand hatte die Polizei gerufen, obwohl diesmal gar nichts vorgefallen war, wie Ayoub sagt, falscher Alarm. Die Polizei rückte mit einer Hundertschaft an. Mannschaftswagen hielten mitten auf der Kreuzung. Als die Polizisten merkten, dass sie umsonst angerückt waren, so erzählt es Ayoub, hätten sie alle Menschen auf dem angrenzenden Spielplatz kontrolliert: Erwachsene, Jugendliche, Kinder. Wahllos, sagt er. Als sie fertig waren, hob ein Jugendlicher ein kleines Baby aus dem Kinderwagen, streckte es einem der Polizisten in schusssicherer Weste entgegen und sagte: "Hier, den haben Sie vergessen!" Neun Jahre später, am 17. Oktober 2018, stellte die Polizei Berlin ein Video auf Youtube. Der Titel: "KbNa - Füreinander da". KbNa steht für "kiezbezogener Nachbarschaftsaufbau". Es war Ayoubs Idee, die mit seinem Besuch auf der Wache vor vielen Jahren begann. Im Video zu sehen: Der Spielplatz an der Soldiner Straße. Anwohner des Viertels, ihre lächelnden Kinder, eines davon auf dem Arm eines Polizisten. Man sieht Jugendliche, die Polizisten zur Begrüßung in die Arme fallen. Menschen verschiedenen Alters, verschiedener Kleidung und Hautfarbe, sie tanzen, spielen Fußball, lachen. Und ein Polizist, der zusammen mit Jugendlichen Sätze rappt wie "Ich arbeite für die Polizei, aber trotzdem kann ich auch dein Homie sein". Man kann das Sozialkitsch nennen, alles im Video scheint für die Kamera zu passieren. Gleichzeitig zeigt es eben genau das, was Ayoub damals vorschwebte: Begegnungen der unterschiedlichen Leute im Viertel, auf Augenhöhe. Doch polizeikritisch eingestellte Menschen trauten der heilen Welt im Video nicht. Wo bleibt da die Kritik an Polizeigewalt, fragten sie in ihren Online-Kommentaren, oder am "Racial Profiling"? Für sie war der Film nichts anderes als: "Bullen-PR", garniert mit ein paar Alibi-Migranten. Während sich die linke Seite in Kritik übte, kam von rechts: Hass. Eine Polizei, die vermeintlich kriminellen Migranten und Araber-Clans die Hände reicht statt Härte zu zeigen? Das sei die Kapitulation des Rechtsstaats. "Wenn die Polizei von ethnisch Fremden unterwandert wird, dann ist es vorbei mit Deutschland", schrieb einer. Als dann auch noch herauskam, dass der verantwortliche Produzent bereits im Jahr 2016 für den Rapper SadiQ ein Video zu dessen Islamismus verherrlichendem Song "Charlie Hebdo" gedreht hatte, war endgültig alles zu spät. Viele Medien griffen das Thema auf, jeder mit seiner eigenen Art von Kritik. Die Meinung zu "Füreinander da" war einhellig: schlecht. "Das war richtig zerstörend für uns, wir haben mit völlig anderen Reaktionen gerechnet", bekennt Eckhard Mantei, 57 Jahre alt, Hauptkommissar in der Dienstgruppe 4. Er sitzt im Aufenthaltsraum der Wache, auf den Ledersofas um ihn die Polizisten aus dem Video, die Kaffeemaschine blubbert, Funksprüche tönen aus den Geräten. Mantei wirkt wie aus einer Folge von "Polizeiruf 110" gefallen: kugelrunder Kopf, freundliche Augen, kein Beamtendeutsch, sondern Brandenburger Schnauze - aber in nett. "Wir sind davon ausgegangen, dass alle so denken wie wir", sagt er, "tolle Sache, schönes Projekt. Das war für uns Realität." Synchron-Seufzen bei seinen Kollegen. Wie sieht sie denn aus, ihre Realität? "Vor zehn Jahren gab es noch richtig heftige Angriffe auf Polizisten, auf Einsatzwagen, man hat uns mit Steinen beworfen oder die Reifen zerstochen. Jugendliche und Polizisten haben sich bekriegt." Die damals naheliegende Lösung war "Mannpower", wie es Mantei nennt: Stärke zeigen, Machtdemonstration, Kontrollen. "Hat aber nichts gebracht, es wurde nur noch unangenehmer für alle Seiten. Die Polizisten waren fix und fertig und die Jugendlichen genervt, andauernd zum Ziel von Repressionsmaßnahmen zu werden." Dann tauchte Yousef Ayoub auf. "Der stand einfach so vor der Wache und fragte: ,Können wir uns nicht mal kennenlernen'?" Ayoubs Idee: Ein Netzwerk aus allen für das Zusammenleben im Kiez relevanten Einrichtungen, seien es die Jugendzentren, Nachbarschaftscafés, Theater, Kirchen, Moscheen, Krankenhäuser - und eben auch die Polizei. Für den Anfang schlug er vor, dass sich Polizisten und die Jugendlichen aus der Freizeiteinrichtung JFE, wo er als Sozialarbeiter tätig war, zum gemeinsamen Kicken treffen. "Ich war da selbst sehr skeptisch anfangs", erzählt Hauptkommissar Mantei. "Ich dachte: Die greifen uns doch ständig an, zerstören die Einsatzmittel, Polizisten werden verletzt. Ich hatte schon echt Herzklopfen, als ich zum ersten Mal in diesen Jugendklub reingelaufen bin." Zunächst aus Mangel an Alternativen habe man sich aber auf die Idee eingelassen - und wurde positiv überrascht. In den vergangenen neun Jahren ist die Polizei zu einem festen Bestandteil des Projekts mit dem etwas sperrigen Namen KbNa geworden. "Den Hass, der uns da früher entgegengeschlagen ist, den haben wir ziemlich erfolgreich abgebaut", sagt Mantei. "Er ist kaum noch zu spüren. Aus einem einfachen Grund: Weil wir uns jetzt alle untereinander kennen. Für viele Jugendliche sind wir jetzt nicht mehr die bösen Polizisten, sondern bekannte Gesichter mit Namen." Die Polizei rappt in einem Video - und wird von allen Seiten heftig kritisiert Und lernen die Polizisten dabei auch etwas? Zum Beispiel über Erfahrungen mit Racial Profiling, der Auswahl vermeintlich Verdächtiger nach rassistischen Kriterien? "Klar, die Jugendlichen fragen oft: Warum werde gerade ich immer kontrolliert? Ist es, weil ich Ausländer bin? Wir diskutieren das aus." Mantei senkt seine Stimme. "Und dass es eben leider oft tatsächlich so ist, lässt sich ja nicht von der Hand weisen. Die Kritik, die uns von so manchem Kollegen entgegengebracht wurde, unterscheidet sich nicht großartig vom Hass im Netz." Dann geht es los zum Fußballturnier - diese Woche mit jungen Flüchtlingen und als schwer erziehbar geltenden Teenagern. "Viele haben im Video einfach nur die Polizisten gesehen, die mit den Jugendlichen rappend im Kiez stehen", sagt Yousef Ayoub, heute 35, zweifacher Vater und Erzieher an einer Grundschule, vor der Tür zur Turnhalle. "Die dachten sich dann eben: Klar, billige Polizei-Promo, ganz toll. Oder die Rechten eben: Warum stehen die da mit den Migranten rum, anstatt deren Kriminalität zu bekämpfen? Das könnte man ja alles erklären, die meisten haben aber gar nicht erst gefragt." Vielleicht sei missverständlich gewesen, das Video über den Youtube-Kanal der Berliner Polizei hochzuladen, glaubt er: "Dass die Polizei nur eine von mittlerweile 35 Einrichtungen ist, die bei KbNa mitmachen, das kapiert man wahrscheinlich nicht sofort". Ayoub erzählt vom Tag der offenen Moschee, für den die gegenüberliegende Kirche spontan ihre Stühle zur Verfügung gestellt hat. Oder vom vorweihnachtlichen Plätzchenbacken, mit denen die Jugendlichen Patienten im jüdischen Krankenhaus überraschen sollten: "Es geht hier um alle in der Nachbarschaft, nicht nur um ein bisschen gutes Gefühl bei der Polizei." Vom anderen Video des Produzenten für SadiQ habe man damals nichts gewusst und sich als Verein von Ehrenamtlichen über sein Angebot gefreut, das Video ohne Honorar zu produzieren. "Ich glaube, sowohl der Regisseur als auch wir haben aus diesen Erfahrungen gelernt", sagt Ayoub. Die Kritik, dass der Alltag im Soldiner Kiez im Video zu friedlich daherkommt, will der 35-Jährige nur teilweise gelten lassen: "Die Situation hat sich ja tatsächlich enorm verbessert in den vergangenen neun Jahren. Das kann ich besser beurteilen als jeder Kritiker, ich wohne schließlich dort." Manchmal reiche es eben schon aus, dass sich Polizisten und Jugendliche in einem anderen Kontext treffen. "Das heißt ja nicht, dass die beste Freunde sein müssen. Aber das Fremde ist eben weg. Heute gehen viele Jugendliche von sich aus zur Wache, um etwas zu klären." "Eins ist sicher", sagt Hauptkommissar Mantei. "Kaum einer von denen, die jetzt meckern, hat mitbekommen, wie es hier vor zehn Jahren zuging." Nicht seine skeptischen Kollegen, keiner der Hetzer im Netz. Er schon. Ein Jugendlicher mit Zigarette kommt vorbei und bittet den Polizisten um Feuer. Mantei lächelt. Er rauche nicht, sagt er. "Sportlich", grinst der Jugendliche - und geht weiter. | In dem unruhigen Berliner Viertel nähern sich Polizei und Jugendliche an - trotz Gegenwind nach einem missglückten PR-Video. Ein Besuch. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/soldiner-kiez-bulle-und-buddy-1.4269718 | Soldiner Kiez - Bulle und Buddy | 00/12/2018 |
Der Vulkan Anak Krakatau hat bei seinem Ausbruch zwei Drittel seiner Höhe verloren und so den Tsunami in Indonesien ausgelöst. Vor genau diesem Szenario hatten Forscher schon vor ein paar Jahren gewarnt. In den dicken Wolken aus Rauch und Qualm, die den Anak Krakatau in den vergangenen Tagen umhüllten, war die Gestalt des Vulkans gar nicht mehr zu erkennen. Dennoch ist es Wissenschaftlern jetzt gelungen, sich ein genaueres Bild zu machen. Sie haben dafür Radardaten und Fotos von Satelliten ausgewertet und können so belegen, was bislang nur vermutet wurde: Durch die Eruption in der Nacht zum 23. Dezember ist der Vulkan in Indonesien teils zusammengebrochen und stark geschrumpft. | Der Vulkan Anak Krakatau hat bei seinem Ausbruch zwei Drittel seiner Höhe verloren und so den Tsunami in Indonesien ausgelöst. Vor genau diesem Szenario hatten Forscher schon vor ein paar Jahren gewarnt. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/indonesien-der-berg-ist-weg-1.4269720 | Der Berg ist weg | 00/12/2018 |
Alexander Gerst bekommt immer die gleiche zu hören, Jennifer Lopez will ja keine aufwerfen und der britische Außenminister und seine Mitarbeiter würden ganz gerne auf die ein oder andere verzichten. Detailansicht öffnen Der britische Außenminister Jeremy Hunt. (Foto: Getty Images) Jeremy Hunt, 52, britischer Außenminister, und seine Mitarbeiter in den Botschaften des Vereinigten Königreichs haben einen schweren Job. Sie müssen nicht nur unbeantwortbare Fragen zum Brexit beantworten, sondern auch Fragen zur Handlung des Films "Braveheart" und den Heiratschancen in Argentinien. Hunts Foreign Office veröffentlichte eine Liste bizarrer Fragen von Briten, die sich 2018 unter der Notrufnummer der Botschaften gemeldet hätten. "Mit Bedauern kann ich bestätigen, dass das Außenministerium nicht in der Lage ist, Rat zu Vampiren, bösen Streunerkatzen oder Tanzshow-Kandidaten anzubieten", zitierte die BBC einen Sprecher. "Und es liegt leider weiterhin nicht in unserem Vermögen, vegetarische Würstchen zu vertreiben". Detailansicht öffnen Der deutsche Astronaut Alexander Gerst in der Internationalen Raumstation ISS. (Foto: dpa) Alexander Gerst, 42, kinderloser Astronaut, denkt zwar schon an seine Enkelkinder, hat aber noch gar nicht über Kinder nachgedacht. "Das werde ich jetzt ständig gefragt. Es ist aber nichts in Arbeit", sagte der 42-Jährige dem Nachrichtenportal Spiegel Online. Die letzte Video-Botschaft von "Astro-Alex" vor seiner Rückkehr von der Raumstation ISS hatte in sozialen Medien viel Aufmerksamkeit erregt. In der etwa fünfminütigen "Nachricht an meine Enkelkinder" entschuldigt sich Gerst: "Im Moment sieht es so aus, als ob wir, meine Generation, euch den Planeten nicht gerade im besten Zustand hinterlassen werden." Detailansicht öffnen Die US-amerikanische Schauspielerin und Sängerin Jennifer Lopez. (Foto: Jordan Strauss/dpa) Jennifer Lopez, 49, US-Sängerin und Schauspielerin, weiß, was wirklich wichtig ist im Leben. "Ich werde niemals irgendwo betrunken die Treppe runterfallen", sagte sie der Bild am Sonntag. Sie führe "ein verantwortungsvolles Leben, auch, weil ich weiß, dass ich eine Person der Öffentlichkeit bin". Nichts mache Lopez stolzer "als der Moment, in dem meine Kinder mir sagen, dass ich die beste Mama auf der Welt bin. Diesen Titel trage ich mit sehr viel Stolz vor mir her", so die Mutter von zehnjährigen Zwillingen. | Alexander Gerst bekommt immer die gleiche zu hören, Jennifer Lopez will ja keine aufwerfen und der britische Außenminister und seine Mitarbeiter würden ganz gerne auf die ein oder andere verzichten. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/leute-fragen-ueber-fragen-1.4270076 | Fragen über Fragen | 00/12/2018 |
Nach einem Zwischenfall am Flughafen Hannover ist am Samstagnachmittag der Flugverkehr für etwa vier Stunden eingestellt worden. Ein Mann in einem Auto habe kurz vor 16 Uhr ein Tor durchbrochen und sei auf das Vorfeld gefahren, sagte ein Sprecher der Bundespolizei. Beamte hätten ihn nach mehreren Hundert Metern stoppen können. Der Fahrer des Autos, ein etwa 25-jähriger Mann, wie es von der Polizei heißt, sei in Gewahrsam genommen worden. Ob es sich um einen Anschlag, einen Unfall oder um die Tat eines verwirrten Menschen handelte, war anfangs unklar. Inzwischen hat die Bundespolizei bekanntgegeben, dass der Mann wohl unter Drogeneinfluss stand. Ein entsprechender Test sei positiv auf Kokain und Amphetamine ausgefallen. Zur Staatsangehörigkeit des Mannes gibt es noch keine genauen Angaben. Das Auto hatte ein polnisches Kennzeichen. Es sei aber nicht auszuschließen, dass der Mann kein Pole sei. Der Flugbetrieb wurde am Nachmittag unterbrochen. Maschinen konnten nicht starten oder landen. Flugzeuge, die nach dem Vorfall schon in der Luft waren und sich im Anflug auf Hannover befanden, wurden umgeleitet. Ein Teilbereich des Terminals A wurde vorsichtshalber geschlossen, weil es eine Glasfront habe, die in Richtung des stehenden Autos zeige, sagte ein Sprecher des Flughafens. Ein Bombenentschärfungsdienst untersuchte das Auto, fand jedoch keinerlei gefährliche Gegenstände. Eine terroristischen Hintergrund schließt die Polizei aus. Gegen 19 Uhr wurde der Check-in wieder aufgenomen und von 20 Uhr an konnte auch der Flugbetrieb wieder aufgenommen werden. Für den Abend sind laut der Website des Flughafens noch einige Abflüge vorgesehen. Wie der NDR berichtet, befand sich genau zu dem Zeitpunkt, als der Autofaher das Tor durchbrach, eine Maschine der griechischen Aegean Airlines im Landeanflug. Die Piloten sollen nun befragt werden. Am Flughafen in Hannover werden jährlich etwa sechs Millionen Passagiere abgefertigt. Er liegt damit auf Platz 9 der meistfrequentierten Verkehrsflughäfen in Deutschland und verfügt über drei Terminals. | Grund war ein Auto, das ein Tor durchbrochen hat und auf das Vorfeld gelangt ist. Der Fahrer soll unter Drogen gestanden haben. Inzwischen können wieder Flugzeugen starten und landen. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/flughafen-hannover-sicherheit-1.4269533 | Hannover: Flugbetrieb war vier Stunden unterbrochen | 00/12/2018 |
Nach einem schweren Erdbeben auf den Philippinen sowie im Norden Indonesiens ist eine anfängliche Tsunami-Warnung aufgehoben worden. Der Erdstoß, der unterschiedlichen Angaben zufolge eine Stärke von 6,9 oder 7,2 hatte, ereignete sich laut US-Erdbebenwarte USGS am Samstag auf der Philippinen-Insel Mindanao südöstlich der Stadt Davao. Das Tsunami-Warnzentrum für den Pazifik warnte vor "gefährlichen Tsunami-Wellen" an der Südküste der Philippinen sowie im Norden Indonesiens. Diese Warnung wurde später jedoch deutlich abgeschwächt. Meldungen über Schäden oder Verletzte lagen zunächst nicht vor. Berichten von Augenzeugen zufolge dauerte die Erschütterung etwa eine Minute. Ein Behördenvertreter sagte: "Das Erdbeben war nicht zerstörerisch." Vor einer Woche hatte eine Tsunami-Flutwelle nach einem Vulkanausbruch die indonesischen Inseln Sumatra und Java getroffen. Mindestens 430 Menschen kamen ums Leben, knapp 1500 Menschen wurden verletzt. Dutzende Menschen werden vermisst. | Auf der Insel Mindanao auf den Philippinen sowie im Norden Indonesiens hat sich ein schweres Erdbeben ereignet. Einem Behördenvertreter zufolge war es aber nicht zerstörerisch. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/erdbeben-auf-den-philippinen-tsunami-warnung-aufgehoben-1.4269473 | Philippinen: Tsunami-Warnung aufgehoben | 00/12/2018 |
Heute mal keine Spaghetti Carbonara, keine pinke Box auf dem Rücken, kein piependes Handy, das sagt, was zu tun ist. Daniel Pafel sitzt in einem Café in Düsseldorf und sieht müde aus. Am Morgen hat er noch in einem Modeladen geputzt, jetzt hat er frei. Seit anderthalb Jahren fährt er für den Lieferdienst Foodora Essen auf dem Fahrrad aus. Der Kunde bestellt online, die App gibt Laut - und Pafel fährt los. | Pommes, Regen, verkaterte Kunden: Fahrradkurier Daniel Pafel vom Lieferdienst Foodora über seine Arbeit zwischen Weihnachten und Neujahr. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/foodora-lieferservice-1.4263028 | "Foodora: ""Ich rette die Leute quasi vor dem Verhungern""" | 00/12/2018 |
Viele Menschen hierzulande vertrauen der Justiz - aber dieses Vertrauen hat Grenzen. Eine Mehrheit findet, dass Verfahren zu lange dauern, Gesetze zu kompliziert sind und Strafen zu milde ausfallen. Aber stimmt das überhaupt? Die Mehrheit der Deutschen hat großes Vertrauen in die Justiz - eigentlich. So steht es im Roland Rechtsreport 2018, einer Untersuchung des Instituts für Demoskopie in Allensbach unter fast 1500 Befragten. Liest man allerdings genauer, erkennt man das bröckelnde Vertrauen: Die Verfahren sind zu lang, die Strafen zu milde, die Gesetze unverständlich, meinen viele Deutsche. Stimmen diese hartnäckigen Vorurteile über die Justiz? Erster Kritikpunkt: "Die Urteile der deutschen Gerichte sind oft zu milde." Mehr als die Hälfte der Befragten sind dieser Meinung. Wie kommt man dazu, ein Urteil als zu milde einzustufen? Es ist eine Art intuitiver Abgleich, der eine Sanktion neben einem abscheulichen Verbrechen irgendwie mickrig aussehen lässt. Ein Beispiel: Ein junger Mann hatte 2016 seine Ex-Freundin in ihrer Wohnung gefangen gehalten, mehrfach zum Oralverkehr gezwungen und vergewaltigt - ein Martyrium von elf Stunden. Das Gericht ließ den Mann trotzdem mit einer Bewährungsstrafe davonkommen, trotz Vorstrafe. Das ist skandalös wenig, da stimmt erst einmal jeder zu. Matthias Jahn, Professor für Strafrecht in Frankfurt und zugleich Richter am dortigen Oberlandesgericht ist trotzdem nicht der Ansicht, dass die Strafen im Allgemeinen zu niedrig sind. Er fragt zunächst nach dem "Bezugspunkt" solcher Einschätzungen - und hat eine interessante Erfahrung gemacht: "Je weniger man über ein Verfahren weiß, desto mehr ist man geneigt, eine Strafe für zu milde zu halten." Und meist weiß man eben wenig: Man hat 90 Zeilen in der Zeitung gelesen oder 90 Sekunden im Fernsehen gesehen, vielleicht mit Bildern des gezeichneten Opfers. Die Richter haben dagegen die Akten gelesen, die Zeugen verhört, dem Angeklagten und dem Opfer ins Gesicht gesehen, wochen- oder sogar monatelang. Und wenn man im erwähnten Vergewaltigungsprozess weiß, dass der Mann nur eingeschränkt schuldfähig war, dass er 10 000 Euro Schmerzensgeld aufgebracht hat, die sonst kein Gerichtsvollzieher je bei dem notorisch klammen Mann hätte eintreiben können, dass er geständig war und damit der Frau einen quälenden Aussage-gegen-Aussage-Prozess mit ungewissem Ausgang erspart hat, dann wird man das Urteil vielleicht nicht mehr für einen großen, sondern allenfalls noch für einen kleinen Skandal halten. Und wenn man dann noch erfährt, dass die milde Strafe Resultat einer Verständigung war, dann kommt man ins Grübeln - denn der Staatsanwalt und das Opfer haben zugestimmt. Natürlich gibt es zu milde Strafen. Manchmal sagt die Justiz dies sogar selbst, etwa, als der Bundesgerichtshof die Bewährungsstrafe gegen die Raser von Köln aufhob, die eine Studentin totgefahren haben. Aber unsere eigene Einschätzung, ein Urteil sei zu milde, bewegt sich meist auf dem schwankenden Boden einer emotionalisierenden Medienberichterstattung. Wir wissen zu wenig und fühlen zu viel. Aber würden härtere Strafen nicht doch für mehr Sicherheit sorgen? Für eine effektivere Abschreckung, die potenzielle Täter von Verbrechen abhält? Auch hier legt sich Jahn auf ein klares Nein fest: "Mehr Sanktionen bringen nicht mehr Prävention. Das sagen die Zahlen." Es gibt ein paar Ausnahmen: Wirtschaftskriminelle beispielsweise kalkulieren etwas rationaler - wobei die Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden, deutlich wirkungsvoller ist als die Höhe der drohenden Strafe. Aber meistens gilt: "Die Strafe verpufft." Eine Studie des Freiburger Max-Planck-Instituts hat untersucht, ob eher Geldstrafen oder doch die härteren Freiheitsstrafen Rückfälle verhindern. Resultat: Es besteht kein Unterschied. Beides wirkt gleich gut. Oder gleich schlecht. Und was ist mit dem Rechtsempfinden? Der BGH hat im Kölner Raserfall angemahnt, Strafgerichte müssten sich Gedanken darüber machen, wie sich eine Strafaussetzung zur Bewährung "auf das allgemeine Rechtsempfinden" auswirkt. Das ist allerdings ein gefährlicher Pfad. Rechtsempfinden, das ist auch der blinde Zorn, der uns packt, wenn wir von einem furchtbaren Sexualmord an einem Kind hören. Das ist menschlich nachvollziehbar, aber kann im Rechtsstaat nicht Leitlinie sein, weil der Zorn maßlos ist: Es wäre die Rückkehr zur Rache - Aug' um Auge. Zweiter Kritikpunkt: "Viele Verfahren dauern zu lange, die Gerichte sind überlastet." 83 Prozent klagen über zu lange Verfahren, fast 80 Prozent halten die Gerichte für überlastet - und beide Werte sind in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Muss also was dran sein, oder? Die Statistik spricht erst einmal dagegen. Im EU-Justizbarometer liegt Deutschland bei den Zivil- und Handelsprozessen mit knapp 200 Tagen für die erste Instanz im guten Mittelfeld. Nimmt man die Amtsgerichte, an denen das Massengeschäft anlandet, dann ist fast die Hälfte der zivilrechtlichen Fälle in drei Monaten erledigt und etwa 90 Prozent innerhalb eines Jahres. Auch bei den Landgerichten, also eine Etage höher, werden drei Viertel der erstinstanzlichen Verfahren binnen Jahresfrist fertig. Das klingt nach Entwarnung. "Schneller als in Deutschland geht das nicht", meint Jörg Elsner, Fachanwalt für Verkehrsrecht. Haftungsprozesse nach Autounfällen schließe er meist nach neun bis zwölf Monaten ab. Aber natürlich weiß jeder: Es gibt die notorischen Endlosverfahren - und ganz oben auf der Liste stehen Bauprozesse und Arzthaftungsklagen. In ihnen geht es um viel Geld, es stellen sich komplizierte Beweis- und Kausalitätsfragen, ein Gutachten jagt das nächste. Eine Studie in drei Gerichtsbezirken, die sich mit den Ursachen sehr lange dauernder Verfahren beschäftigt hat, kam zu dem Ergebnis: Ein schriftliches Gutachten zieht die Sache um fast sieben Monate in die Länge. Auch deshalb, weil gute Sachverständige oft den Aufträgen nicht hinterherkommen und gerichtliche Fristen nicht einhalten können. Hinzu kommt eine hausgemachte Verfahrensbremse. In mehr als der Hälfte der untersuchten Dauerprozesse wurde die Sache in die Länge gezogen, weil der zuständige Richter gewechselt hat. Ein Problem der Organisation, weniger der Überlastung. Aber ist nicht doch die Überlastung der Gerichte der eigentliche Sand im Getriebe? Wie groß ist die Last überhaupt? Der Deutsche Richterbund beklagt seit Jahren 2000 fehlende Richterstellen, eine Lücke, die sich aus der offiziellen Personalbedarfsberechnung mit dem hübschen Namen "Pebb§y" ergebe. Die Zahl hat es inzwischen in den Koalitionsvertrag geschafft, dort sind 2000 Richterstellen zugesagt. Besonders stark unter Druck stehen derzeit die Verwaltungsgerichte wegen der zahlreichen Asylverfahren. | Viele Menschen hierzulande vertrauen der Justiz - aber dieses Vertrauen hat Grenzen. Eine Mehrheit findet, dass Verfahren zu lange dauern, Gesetze zu kompliziert sind und Strafen zu milde ausfallen. Aber stimmt das überhaupt? | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/recht-gesetze-paragrafen-1.4268673 | Komplizierte Gesetze: Versteh einer die Juristen | 00/12/2018 |
Ihr Kinderlein kommet! Es gibt auf Youtube ein verstörendes Musikvideo zu sehen. "Jede Zelle meines Körpers ist glücklich" heißt der Song. Man kann nicht glauben, was man da sieht: eine Halle, vollgestopft mit Menschen, wild entschlossen zum Gut-drauf-sein. Auf der Bühne: drei Personen mit Headsets, die ihnen die Anleitung zum Glücklichsein tanzen. Die Meute, ungelenk aber bemüht, schwenkt Gliedmaßen und singt mit. Beim Betrachten lösen Freude und Fremdscham einander ab. Aber die Botschaft des Liedes könnten wohl auch unsere dieswöchigen Prominenten unterschreiben. Eddie Murphy zum Beispiel. Er ist vor ein paar Wochen Vater geworden - zum zehnten Mal wohlgemerkt. Wenn der US-Schauspieler, 57, seine Familie auf einem Foto abbilden will, ist das gar nicht so einfach. Man braucht eine Treppe, um die Größenunterschiede auszugleichen und ein gutes Weitwinkel-Objektiv, um alle afs Bild zu bekommen. Das kleinste Mitglied der Familie, Sohn Max Charles, ist auf diesem Bild im Arm von Murphys Verlobter Paige Butcher, 39, zu sehen. Bria Murphy, 29, die älteste Tochter, auf dem Foto hinten in der Mitte, hat das Foto auf Instagram gepostet und "Fröhliche Weihnachten" dazugeschrieben. Auch die Mütter von Eddie Murphy und Paige Bucther haben sich dazugesellt, insgesamt wurde im Hause Murphy also mit 14 Personen gefeiert, da dürfte das Geschenkeauspacken gedauert haben. | Instagram ist das wichtigste Verlautbarungsorgan für Familienstandsänderungen bei Prominenten. Diese Woche teilen Eddie Murphy, Miley Cyrus und Heidi Klum ihr Glück mit der Welt. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/promis-der-woche-familienstand-gluecklich-1.4268058 | Familienstand: glücklich | 00/12/2018 |
Noch immer geben die Deutschen ein Mordsgeld für Heuler, Leuchtfontänen und Pyrosalven aus. Auch wenn die Feinstaub-Debatte anderes vermuten lässt, die Böllerei passt gut in die bis ins Alltagsdetail normierte Gesellschaft. Die ganze Nacht über hatten 2000 Menschen mit Schlafsäcken, Campinggrills und sehr viel Alkohol vor der Feuerwerksfabrik ausgeharrt, dann war es endlich soweit: Der diesjährige Verkauf von Bodenfeuerwirbeln, Knallsternraketen und Leuchtbatterien mit Goldregen-Knistereffekt hatte begonnen. Dieser Werksverkauf einer sehr erfolgreichen Silvesterkracherfirma ist in Eitorf bei Bonn so eine Art kultureller Höhepunkt des Jahres. Von Jahr zu Jahr lockt er mehr Menschen an. Um möglichst früh an ihre Lieblingsböller zu kommen, haben manche sogar Wartezeiten von mehr als zwölf Stunden in Kauf genommen. Auf der einen Seite also ein Mordsgeld für Heuler, Leuchtfontänen und Pyrosalven (die Branche rechnet insgesamt wieder mit einem Umsatz von gut 140 Millionen Euro in Deutschland) - auf der anderen Seite politische Feinstaubdebatten, regionale Dieselverbote und Innenstadtschutzzonen zur Protektion von Mensch und Dachgestühl: Wie, bitte, geht das zusammen? Einerseits muss sich der Deutsche ja dafür rechtfertigen, dass er zum Beispiel noch Rinderschnitzel isst, Wattestäbchen aus Plastik benutzt, so simpel wie ein Mann denkt und ohne Fahrradhelm zur Arbeit fährt. Andererseits fühlt er sich beinahe schon ausgegrenzt, wenn er Weihnachten nicht mit blinkendem Rentier-Geweih auf dem Kopf verbringt, an "Halloween" einfach mal nur das Grab seiner Großeltern besucht und an Silvester auch ohne 43-Schuss-Stufenbatterie mit 45 Metern Effekthöhe glücklich werden kann. Zum Beispiel mit einer guten Flasche Wein (Alkohol!), einer Playlist mit sehr bösen Songs von Randy Newman (diskriminierend!) und einer herrlichen Tabakspfeife (Krebs!). Geht alles gar nicht mehr, da es nicht der Norm entspricht. Schon im Mittelalter wurden mit Schwarzpulver rauschende Feste gefeiert Doch Vorsicht! Vom höchsten Ordnungssinn zur Pedanterie ist es, folgt man dem Dichter Christian Morgenstern, nur ein sehr kleiner Schritt. Außerdem: Eine geradezu pedantische, subtil bis ins letzte Alltagsdetail grundnormierte, fast vollständig instagramisierte, aber äußerlich noch einigermaßen kontrolliert wirkende Gesellschaft sowie Tausende, die nachts vor einer Feuerwerksfabrik auf ihre Lieblingskracher warten - das muss gar kein Widerspruch sein. Seit Menschengedenken steht Feuer für die - zumindest im ausreichenden Abstand - lebensspendende Kraft der Sonne. Und schon im frühen Mittelalter wurden in China und später Italien und Japan mit Schwarzpulver rauschende Feste gefeiert sowie mutmaßlich böse Geister vertrieben. Und heute? Heute benutzen die Leute "Feuerwerk als Ventil für ihren innerhalb des Jahres aufgestauten Frust". So hat es der Direktor einer großen deutschen Feuerwerksfabrik mal in einem Interview formuliert. Na, da muss man am Ende schon fast froh darüber sein, dass es letztlich nur Knallerbsen sind, für die die Menschen so ihr Geld ausgeben. Guten Rutsch! | Noch immer geben die Deutschen ein Mordsgeld für Heuler, Leuchtfontänen und Pyrosalven aus. Auch wenn die Feinstaub-Debatte anderes vermuten lässt, die Böllerei passt gut in die bis ins Alltagsdetail normierte Gesellschaft. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/silvester-boeller-feinstaub-1.4268357 | Meinung am Mittag: Feuerwerk als Frustabbau | 00/12/2018 |
Heute beginnt in Deutschland der Verkauf von Raketen und Knallern. Ein Experte erklärt, worauf es dabei ankommt und warum es sinnvoll sein kann, um Mitternacht die Rollläden zu schließen. Auch am 1. Januar 2018 waren es wieder die typischen Schlagzeilen: Im thüringischen Triptis erlitt eine 14-Jährige durch einen explodierenden Böller schwere Augenverletzungen. In Passau musste eine 23-jährige Frau ins Krankenhaus, nachdem sie ein Böller am Hals getroffen hatte. In Kleinmachnow kam ein 19-jähriger Mann durch "unsachgemäßen Umgang mit Feuerwerk" ums Leben. Jahr für Jahr verbringen Menschen die Silvesternacht in der Notaufnahme. Sie kommen mit Brandverletzungen, Lärmtraumata und Schnittwunden. Lässt sich das nicht verhindern? Klaus Gotzen ist Geschäftsführer des Verbands der pyrotechnischen Industrie. Im Gespräch erklärt er, was manche Böller explosiver als andere macht und wie man Raketen so starten lässt, dass sie niemanden gefährden. Interview am Morgen Diese Interview-Reihe widmet sich aktuellen Themen und erscheint von Montag bis Freitag spätestens um 7.30 Uhr auf SZ.de. Alle Interviews hier. SZ: Im vergangenen Jahr haben die Deutschen etwa 137 Millionen Euro in Böller und Raketen investiert. Was ist so faszinierend daran, etwas in die Luft zu jagen? Klaus Gotzen: Dafür gibt es verschiedene Gründe, manche wollen mit dem Lärm die bösen Geister vertreiben, andere freuen sich an den vielen Farben und Formen, die am Himmel entstehen. Und viele spielen einfach gerne mit dem Feuer. In jedem Jahr liest man von schlimmen Unfällen. Wo lauern die größten Gefahren? Richtig gefährlich sind illegale Feuerwerkskörper. Davon sollte man im wahrsten Sinne des Wortes die Finger lassen. Nur zugelassene Produkte bieten die Gewähr, dass ihre Verwendung sicher ist. Bei illegalem Feuerwerk kann es passieren, dass es frühzeitig losgeht und Betroffene Finger oder sogar die ganze Hand verlieren. Was macht diese Böller so gefährlich? Sie reagieren deutlich heftiger und schneller und halten nicht immer die bei legalen Böllern vorgeschriebene Verzögerungszeit ein. Teilweise haben sie einen sogenannten Blitzknallsatz. Das kann man sich ähnlich vorstellen wie bei einer Explosion mit Sprengstoff. Oft bleibt keine Zeit mehr, sich nach dem Anzünden zu entfernen. Das kann zu wirklich schlimmen Verletzungen führen. Wie findet man heraus, welcher Böller legal und welcher illegal ist? Grundsätzlich lässt sich sagen, dass eigentlich alle Feuerwerkskörper legal sind, die man in bekannten Verkaufsstellen, in Supermärkten, Baumärkten und Drogerien kaufen kann. Zugelassene Produkte haben ein CE-Zeichen und eine Registriernummer. Die weisen nach, dass die Feuerwerkskörper durch eine zertifizierte Stelle geprüft wurden. Wichtig ist noch, dass eine deutsche Gebrauchsanweisung beiliegt. Es ist durchaus sinnvoll, da reinzuschauen und sich auch daran zu halten. Was gibt es beim Zünden von Raketen zu beachten? Wenn es geht, sollte man einen Sicherheitsabstand von acht Metern einhalten. Außerdem empfehle ich, Raketen in Flaschen zu stecken, die in einem Getränkekasten stehen. Dann ist die Sache etwas stabiler und damit auch gewährleistet, dass sie wirklich nach oben steigt. Es ist übrigens keine gute Idee, eine Rakete vom Balkon aus zu zünden, weil man nie genau weiß, wo sie landet. Manchmal zündet eine Rakete nicht. Sollte man es nochmal versuchen? Nein. Das sollte eigentlich nicht passieren, aber dann bleibt einem nichts anderes übrig, als diese Rakete wegzulegen und es mit einer anderen zu versuchen. Schreiben Sie uns Ihre Vorsätze für 2019! Liebe Leserinnen und Leser, haben Sie Vorsätze für das neue Jahr? Ein Ehrenamt, einen Marathon laufen oder mehr Mut? Schicken Sie uns bis zu drei Vorsätze an debatte@sz.de - mit dem Betreff "Meine Vorsätze 2019". Bitte nennen Sie uns zu Beginn Ihren Namen (Nachname gerne abgekürzt) sowie Ihr Alter. Eine Auswahl der Einsendungen wird auf SZ.de veröffentlicht. Was kann man als Anwohner tun, um sich auf Silvester vorzubereiten? Es ist auf jeden Fall ratsam, die Fenster zu schließen und im besten Fall auch die Rollläden. Gleiches gilt für Garagentore oder Balkontüren. Dann kann da schon mal keine Rakete reinfliegen. Manche stellen zur Sicherheit einen Eimer Wasser bereit. Braucht es den? Schaden kann das nicht. Auch wenn der Eimer nur dem Gefühl der Sicherheit dient. | Heute beginnt in Deutschland der Verkauf von Raketen und Knallern. Ein Experte erklärt, worauf es dabei ankommt und warum es sinnvoll sein kann, um Mitternacht die Rollläden zu schließen. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/feuerwerk-boeller-silvester-1.4261822 | Feuerwerk: Warum illegale Böller so gefährlich sind | 00/12/2018 |
In sozialen Medien machten Witze über eine Invasion von Außerirdischen die Runde. Doch es war nur ein explodierter Trafo, der die bizarren Lichtblitze verursachte. Eine Explosion eines Transformators in einem Kraftwerk hat in New York am Donnerstagabend für Aufregung gesorgt. Die Detonation tauchte den Nachthimmel der Metropole teils in ein gespenstisches Blau, vereinzelt kam es zu Stromausfällen. In sozialen Medien machten daher Witze über eine angebliche Invasion von Außerirdischen die Runde. Die Explosion in dem im Stadtteil Queens gelegenen Kraftwerk löste ein Feuer aus, das jedoch schnell gelöscht werden konnte. Verletzt wurde niemand. Allerdings war der U-Bahn-Betrieb in der Gegend beeinträchtigt. Der Rauch sei bis nach Manhattan sichtbar gewesen. Viele besorgte Bürger hätten sich gemeldet. Auch der Flughafen La Guardia war betroffen. Einige Maschinen konnten nicht starten, weil auf dem Gelände ebenfalls der Strom ausgefallen war. Gegen 23 Uhr wurde die Versorgung dann weitgehend wiederhergestellt und der Betrieb wieder aufgenommen. New Yorks Gouverneur Andrew Cuomo sprach von einem "schwerwiegenden elektrischen Ausfall". | In sozialen Medien machten Witze über eine Invasion von Außerirdischen die Runde. Doch es war nur ein explodierter Trafo, der die bizarren Lichtblitze verursachte. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/new-york-kraftwerk-unfall-1.4267971 | New York: Unfall in Kraftwerk - Himmel färbt sich blau | 00/12/2018 |
Bei einem Überfall in einer Wiener Kirche sind fünf Mönche verletzt worden, einer von ihnen schwer. In die katholische Kirche Maria Immaculata im Stadtteil Floridsdorf sei am Donnerstag ein Mann gekommen und habe einen dort anwesenden Ordensbruder mit einer Pistole gezwungen, sich auf den Boden zu legen, teilte ein Polizeisprecher mit. Der Täter habe den Mönch misshandelt und ihn dabei schwer am Kopf verletzt. Vier weitere Ordensbrüder, die nach und nach in die Kirche kamen, mussten sich der Polizei zufolge ebenfalls auf den Boden legen, wurden geschlagen und gefesselt. Alle fünf Männer wurden nach ihrer Entdeckung ins Krankenhaus eingeliefert. Die Polizei leitete eine Großfahndung nach insgesamt zwei Verdächtigen ein, die bis zum Abend jedoch erfolgslos blieb. Zum Zeitpunkt des Überfalls fand in der Kirche kein Gottesdienst statt. Nach bisherigem Ermittlungsstand habe zumindest ein Verdächtiger Bargeld und Wertsachen von den Ordensbrüdern gefordert, hieß es von der Polizei. Das genaue Tatmotiv sei noch nicht klar, einen terroristischen Hintergrund schließe man jedoch aus. "Kirchen sind Orte des Friedens und der Zuwendung - das macht uns die Weihnachtszeit in besonderer Weise bewusst. Umso trauriger ist die Nachricht vom brutalen Raubüberfall", sagte der Wiener Erzbischof, Kardinal Christoph Schönborn. "Gott sei Dank kommt so etwas in Österreich nur sehr selten vor. Ich bete für die baldige Genesung der Opfer und die Reue der Täter", so Schönborn. Im Zentrum von Wien war am Donnerstag der berühmte Stephansdom wegen eines Bombenalarms geräumt worden. Eine Stunde später wurde die Kathedrale wieder geöffnet, nachdem kein Sprengmaterial gefunden worden war. | Die Polizei sucht nach einem Tatverdächtigen, der die Geistlichen gefesselt, geschlagen und Geld von ihnen verlangt haben soll. Ein terroristisches Motiv scheint ausgeschlossen. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/wien-fuenf-moenche-bei-ueberfall-auf-kirche-verletzt-1.4267967 | Wien: Fünf Mönche bei Überfall verletzt | 00/12/2018 |
Es war ein schweres Problem, das den Airbus A340 mit der Kanzlerin an Bord Ende November zu einer Sicherheitslandung auf dem Flughafen Köln/Bonn zwang. Eine Verkettung mehrerer Fehler hatte zu einem Stromausfall geführt, so dass das komplette Funksystem lahmgelegt wurde. Außerdem konnte der Pilot durch den Defekt kein Kerosin in der Luft ablassen, um das Landegewicht zu verringern. Ärgerlich für Angela Merkel, denn eigentlich wollte sie mit der Konrad Adenauer - so der Name des Flugzeuges - über den Atlantik bis nach Argentinen zum G-20-Gipfel fliegen. Doch über den Niederlanden musste der Pilot umkehren. Nun hat das Verteidigungsministerium einem Bericht widersprochen, wonach ein Wartungsfehler der Lufthansa für die Odyssee verantwortlich sei. "Maßgeblich für den Zwischenfall war ein Ausfall eines Bauteils, in der Folge auch der Funkgeräte. Dies liegt nicht an Lufthansa Technik", sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. "Das Flugzeug war immer in einem sicheren Zustand, und die Sicherheit an Bord war immer gewährleistet", betonte er. Der Spiegel hatte am Donnerstag berichtet, die Panne sei maßgeblich auf einen Fehler der Lufthansa-Tochter zurückzuführen. Dies ergebe sich aus einem vertraulichen Untersuchungsbericht der Bundeswehr, meldete das Nachrichtenmagazin. Laut Bericht hatte es die Lufthansa-Tochter versäumt, die Flugbereitschaft der Bundeswehr über ein neu eingebautes, digitales Kommunikationssystem zu informieren. Als das System während des Flugs zum G-20-Gipfel ausfiel, verließ sich demnach die Crew der Regierungsmaschine auf eine falsche Notfall-Checkliste. Es sei ihr deshalb nicht gelungen, das Funksystem wieder hochzufahren. Der Konzernsprecher von Lufthansa Technik, Jens Krüger, sagte am Donnerstag: "Die Lufthansa Technik hat zu jedem Zeitpunkt sämtliche luftrechtlichen Vorgaben eingehalten. Das gilt auch für den Umgang mit den Dokumentationspflichten." Transformator und Relais sind inzwischen ausgetauscht, dennoch wird die Konrad Adenauer nach Angaben eines Bundeswehr-Sprechers wohl noch bis Ende Januar am Boden bleiben. Bis dahin steht eine turnusgemäße Wartung an. In der Zwischenzeit steht die Theodor Heuss zur Verfügung, eine baugleiche A340. Auch in diesem Flieger wurden Transformator und Relais sicherheitshalber ausgetauscht, damit nicht nochmal ein Regierungsmitglied umdrehen muss. | Weil der Funk ausfiel, musste die Maschine mit der Kanzlerin an Bord Ende November auf dem Weg zum G-20-Gipfel umkehren. Nachdem der Lufthansa Fehler vorgeworfen wurden, nimmt das Verteidigungsministerium die Fluggesellschaft nun in Schutz. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/flug-von-angela-merkel-verteidigungsministerium-widerspricht-bericht-zu-g-20-flugzeugpanne-1.4266583 | Verteidigungsministerium widerspricht Pannen-Bericht | 00/12/2018 |
54 Tage auf Skiern durch klirrende Kälte: Colin O'Brady ist nach eigenen Angaben der erste Mensch, der die Antarktis ohne Hilfsmittel durchquert hat. Der US-Amerikaner Colin O'Brady hat nach eigenen Angaben als erster Mensch überhaupt ohne Hilfsmittel und nur mit eigener Muskelkraft die Antarktis durchquert. Er reiht sich damit ein in die Riege anderer kurioser Abenteurer. Es gibt viele originelle Möglichkeiten, die so schrecklich fade Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr sinnvoll zu verbringen. Der Franzose Jean-Jacques Savin, 71, beispielsweise, ist gerade zu einer Reise über den Atlantik aufgebrochen. In einer kunstharzbeschichteten Sperrholztonne will er sich in drei Monaten von der Meeresströmung von den Kanaren zu den Antillen treiben lassen. Die 81 Jahre alte Berlinerin Heidi Hetzer wiederum, die zuletzt in einem 84 Jahre alten Oldtimer die Welt umrundet hat, ist dieser Tage in Äthiopien unterwegs. Wenn auch diesmal in einem pinkfarbenen, 30 Jahre alten Landcruiser. Und dann gibt es noch Colin O'Brady, 33, ehemaliger Wirtschaftsstudent aus dem US-Bundesstaat Oregon sowie Meister der digitalen Selbstvermarktung. Als erster Mensch überhaupt will er alleine und ohne Hilfsmittel (außer seinen Langlaufskiern und einem vollbepackten Überlebensschlitten) die Antarktis durchquert haben. Für 1482 eiskalte Kilometer brauchte er 54 Tage. Detailansicht öffnen Gepäck und Verpflegung zog der Antarktis-Durchquerer O'Brady auf einem Schlitten hinter sich her. (Foto: AP) Der Brite Louis Rudd, der zeitgleich mit ihm aufgebrochen war, wird wohl auch demnächst noch ankommen. Die New York Times jedenfalls verglich die beiden schon jetzt mit den Polarhelden Scott und Amundsen. Zur Erinnerung: Amundsen überlebte seinen GPS- und Instagram-freien Trip vor mehr als hundert Jahren. Scott leider nicht. O'Brady immerhin dürfte den Rest seines Lebens als gefragter Referent auf Führungskräfte-Seminaren ein gutes Einkommen haben. Doch sind die Helden dieser Tage nicht ganz andere? Zum Beispiel Rettungshund Gétro, der gerade 40 Minuten nach einem Lawinenabgang in den französischen Alpen einen zwölfjährigen Skifahrer im Schnee aufgespürt hat. Dank ihm konnte der Junge gerettet werden, wie die Zeitung La Dauphine berichtet. Oder Chris Schelfhout, der mit einem Obstanbau-Projekt die australische Region Pilbara wieder fruchtbarer machen will. Fast 50 Grad werden in der Gegend dieser Tage gemessen. Von dem, was einige Menschen (auf Langlaufskiern oder in kunstharzbeschichteten Sperrholztonnen) für Heldentum halten, bleibt am Ende meist nichts anderes übrig als "ein verfallener Hügel, bewachsen mit Unkraut". So hat es der chinesische Philosoph Konfuzius einmal vor gut 2500 Jahren formuliert. Und da ist bis heute was dran. | Der US-Amerikaner Colin O'Brady hat nach eigenen Angaben als erster Mensch überhaupt ohne Hilfsmittel und nur mit eigener Muskelkraft die Antarktis durchquert. Er reiht sich damit ein in die Riege anderer kurioser Abenteurer. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/antarktis-abenteurer-durchquerung-1.4267332 | Antarktis-Querung: Der Preis ist Eis | 00/12/2018 |
Im ausklingenden Jahr 2018 verging kaum eine Woche, in der nicht irgendwo in Deutschland ein Geldautomat in die Luft flog. Die Vorgehensweise der Täter ist immer ähnlich: Erst suchen sie nach einem Automaten, der günstig liegt. Nah an der Autobahn oder an einer Bundesstraße, mit vielen Fluchtoptionen. Dann benutzen sie ein Gasgemisch, dessen Sprengkraft nur schwer zu kontrollieren ist. Viele Täter sind in Banden organisiert, arbeitsteilig und hoch professionell. Nach einem leichten Rückgang von 2016 auf 2017 rechnet das Bundeskriminalamt (BKA) im Jahr 2018 mit einem neuen Höchststand von etwa 350 erfolgreichen oder versuchten Automatensprengungen. Die meisten Delikte wurden der Prognose nach in Nordrhein-Westfalen verübt, gefolgt von Niedersachsen, Hessen, Rheinland-Pfalz sowie Berlin. 2008 zählte das BKA noch 33 Fälle, davon 14 Versuche. Viele Vorfälle gehen glimpflich aus, aber: "Die Gefährdung ist immens", sagt Jörg Reinemer mit Blick auf die schwer einzuschätzenden Folgen der Detonation. Er ist Sprecher des Polizeipräsidiums Mittelhessen. Das Risiko betreffe vor allem die Täter, in Einzelfällen aber auch unbeteiligte Dritte. Wie viel Beute die Diebe im Durchschnitt machen, dazu hat das BKA bisher keine Zahlen veröffentlicht. Es handelt sich einem BKA-Bericht zufolge aber um teils "beträchtliche Geldbeträge". "Oft verläuft die Sprengung nicht wie erhofft", sagt Reinemer. Dann reicht die Kraft nicht, um den Automaten aufzuknacken. Oder die Wucht der Detonation ist so groß, dass nicht nur der Automat zerstört wird, sondern auch Teile des Gebäudes, in dem er steht. "Die durch Straftaten verursachten Sachschäden übersteigen die Beuteschäden in vielen Fällen deutlich", heißt es im Bundeslagebericht "Angriffe auf Geldautomaten" für 2017. Genaue Zahlen werden aber nicht genannt. Auch die Banken haben investiert, um es den Tätern schwerer zu machen: In einigen Automaten stecken Gasdetektoren und die Geldkassetten sind besser gesichert; werden sie aufgebrochen, spritzt Tinte auf die Geldscheine, die nicht abzuwaschen ist. Ein System, das auch immer öfter in Fahrkartenautomaten eingebaut wird. Die Diebe nehmen laut BKA oft weite Wege in Kauf, um ihre Taten zu begehen: Bei den meisten Verdächtigen handelt es sich um reisende Täter aus dem europäischen Ausland. Das erschwere die Ermittlungen. Ein anderes Problem: Durch die Explosionen werden häufig Spuren vernichtet, die zur Aufklärung beitragen könnten. | Noch nie haben Kriminelle in Deutschland so viele Geldautomaten aufgesprengt wie 2018. Die Suche nach den Tätern stellt die Polizei vor ein Problem: Durch die Explosionen werden häufig Spuren vernichtet. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/geldautomaten-sprengung-1.4267556 | Der große Knall | 00/12/2018 |
Was ist passiert? Miley Cyrus, 26, hat drei Fotos auf Instagram gepostet, allesamt Schwarzweiß-Aufnahmen in perfekter Ästhetik. Zwei der Bilder zeigen ein ähnliches Motiv: eine Frau in einem eleganten weißen Kleid, die einen Mann im Smoking umarmt. Es ist Liam Hemsworth, 28, ihr Freund. Im Hintergrund opulenter Blumenschmuck. Bildunterschrift im ersten Fall: "Zehn Jahre später". Bildunterschrift beim zweiten Bild: nur ein Datum, der 23. Dezember 2018. Die dritte Aufnahme zeigt das Paar bei einem Kuss, dem "einemillionsten Kuss", wie es unter dem Bild heißt. Auch Hemsworth hat auf seinem Instagram-Profil eine der Aufnahmen geteilt und "Meine Liebe" daruntergeschrieben. Was bedeutet das alles? Man muss nicht Sherlock Holmes heißen, um zu erkennen: Das sollte eine Hochzeit sein. Warum gibt es keine offizielle Erklärung? Wie langweilig wäre das? Eine dürre Pressemitteilung, vom Management verfasst, in etwa mit dem Wortlaut: "Hiermit geben wir, Miley Cyrus, geboren am 23. November 1992 in Nashville/Tennessee, und Liam Hemsworth, geboren am 13. Januar 1990 in Melbourne/Australien, bekannt, dass wir von nun an verheiratet sind." Das geht in der Welt der Prominenten im Jahr 2018 nicht. Wer etwas auf sich hält, postet auf Instagram, dem inzwischen wichtigste Verlautbarungsorgan für prominente Familienstandsänderungen. Wichtig: immer einen Interpretationsspielraum lassen. Nie explizit sagen, wir haben geheiratet und erwarten ein Kind. Immer die Fantasie der Follower anregen. Zwei Paar große und ein Paar kleine Turnschuhe posten (wie die Schweinsteigers) oder eine Hand mit Verlobungsring, die über ein bärtiges Männergesicht streicht (wie Heidi Klum und Tom Kaulitz). In diese Art der privaten Neuigkeitsverkündung reihen sich Cyrus und Hemsworth perfekt ein. Wie begann die Liebesgeschichte? Die US-Sängerin und Schauspielerin lernte Hemsworth, der auch Schauspieler ist, im Jahr 2009 bei den Dreharbeiten zum Film The Last Song kennen (deutscher Titel: "Mit Dir an meiner Seite"). 2012 verlobte sich das Paar, ein Jahr später zerbrach die Beziehung. Im Jahr 2016 erwachte die Liebe von Neuem und findet mit der Hochzeit nun ihren vorläufigen Höhepunkt. Kam das überraschend? Gerüchte und den verdächtig nach Hochzeitsfeier aussehenden Post eines Freundes gab es schon vor Weihnachten, die Bilder von Miley Cyrus selbst sind nun gewissermaßen die Bestätigung. Professionelle Liebesanalytiker dürften außerdem vor einigen Wochen einen besonders innigen öffentlichen Liebesschwur bemerkt haben, ein Vorzeichen für eine nahende Hochzeit quasi. Im November hatten Cyrus und Hemsworth einen Schicksalsschlag zu verkraften. Durch die verheerenden Waldbrände wurde die Villa der beiden in Malibu komplett zerstört. Hemsworth rettete heldenhaft die Haustiere von Cyrus (Katzen, Hunde, Pferde, Schweine), dafür werde sie ihn noch mehr als zuvor lieben, schrieb sie. Das Paar spendete 500 000 US-Dollar für Kalifornier, die von den Waldbränden betroffen sind - und Liam Hemsworth postete ein Bild auf Instagram. Es zeigt einen völlig zerstörten Wohnraum, die komplette Einrichtung liegt in Schutt und Asche, nur eine Art Wanddekoration aus vier Buchstaben noch einigermaßen erhalten geblieben und liegt jetzt, leicht angekokelt auf dem Boden: L-O-V-E. | Fotos von der Sängerin und ihrem Freund Liam Hemsworth auf Instagram lassen kaum einen anderen Schluss zu. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/prominenten-hochzeit-miley-cyrus-hat-wohl-geheiratet-1.4266689 | Miley Cyrus hat wohl geheiratet | 00/12/2018 |
Die indonesischen Behörden haben am Donnerstag die Warnstufe für den Vulkan Anak Krakatau in der Sundastraße erhöht. Vulkanexperten und Seismologen warnen vor weiteren Ausbrüchen. Die schlechten Wetterbedingungen mit viel Regen könnten den Krater außerdem noch fragiler machen. Gleichzeitig wurde die Sperrzone rund um den Vulkankrater auf fünf Kilometer ausgedehnt, teilte die Katastrophenschutzbehörde in Jakarta mit. Nach Angaben von Sprecher Sutopo Purwo Nugroho seien am Mittwoch verstärkt Rauchwolken und heiße Asche ausgetreten. Die Asche sei zwar harmlos, doch sollten die Menschen in den betroffenen Gebieten Schutzmasken und Schutzbrillen tragen. Satellitenfotos der Vulkaninsel des Anak Krakatau gibt es bislang nicht, Radardaten sollen aber eine dramatische Schrumpfung der Insel zeigen. Die Daten japanischer und europäischer Satelliten weisen nach Expertenangaben darauf hin, dass die Südwestflanke der Insel verschwunden ist. Der Vulkan etwa 50 Kilometer vor der indonesischen Küste war am Samstag ausgebrochen. Die Eruption verursachte einen Erdrutsch, der dann wiederum den Tsunami auslöste. 430 Menschen starben neuesten Zählungen zufolge, 1500 wurden verletzt, nach 159 Personen wird noch gesucht. Das indonesische Archipel als Teil des "Pazifischen Feuerrings" ist immer wieder Schauplatz von Naturkatastrophen. Schwere Erdbeben verwüsteten im Juli und August Teile der Insel Lombok. Auf Sulawesi starben im September mehr als 2.000 Menschen durch eine Doppelkatastrophe aus Erdbeben und Tsunami. An jedem sechsten der 120 indonesischen Vulkane werden derzeit seismische Aktivitäten registriert. | Nach dem Ausbruch, der samt anschließendem Erdrutsch den tödlichen Tsunami auslöste, haben die Behörden die Sperrzone ausgeweitet. Der Vulkan spuckt noch immer Asche und Rauchwolken. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/indonesien-erhoehte-warnstufe-fuer-vulkan-anak-krakatau-1.4266573 | Indonesien: Erhöhte Warnstufe für Vulkan Anak Krakatau | 00/12/2018 |
Für den Präsidenten Indonesiens werden Ausflüge in die Todeszonen seines Landes zur traurigen Routine. Mehrmals bestieg Joko Widodo in diesem Jahr einen Helikopter, um Katastrophengebiete anzusteuern: im Sommer die Ruinen von Lombok, im Herbst die Trümmer von Sulawesi. Und nun, zur Weihnachts- und Ferienzeit, die verwüsteten Strände Javas und Sumatras. In solchen Momenten sieht das Volk einen Staatschef, der nahe bei den Menschen ist, er tröstet Überlebende von Erdbeben und Tsunamis, er macht erschöpften Rettungsmannschaften Mut. Und er bittet auch mal um Geduld, wenn Hilfe nicht so schnell kommt, wie sie gebraucht wird. Der indonesische Katastrophenschutz hat viel Erfahrung mit Notständen aller Art, doch ist dies auch eine Geschichte chronischer Überforderung. Die Mittel und die Mitarbeiter reichen nicht aus, um große Verwüstungen in dieser hohen Frequenz zu bewältigen. Und auch die jüngste Katastrophe am Krakatau deutet auf Defizite bei der Überwachung von gefährlichen Vulkanen hin. Nur wenige Länder haben so häufig mit verheerenden Naturgewalten zu kämpfen wie der Vielvölkerstaat in Südostasien, der sich von Sumatra im Westen bis nach Papua-Neuguinea im Osten erstreckt. Mehr als 17 000 große und kleine Inseln, großartige Landschaften, bevölkert von 250 Millionen Menschen - aber eben auch gespickt mit tödlichen Gefahren, die schwer zu beherrschen sind. Die Musiker spielten weiter, bis die Wasserwand durchs Zelt brach Indonesien liegt auf dem sogenannten pazifischen Feuerring, einem explosiven Gürtel aus Vulkanen, der sich rund um den großen Ozean zieht. Auch Erdbeben und Tsunamis treten in den Gebieten gehäuft auf und stürzen Menschen immer wieder ins Verderben. Die große Welle, die in der Nacht zum 23. Dezember auf die Strände von Sumatra und Java prallte, traf die Menschen ohne Vorwarnung, ansonsten wären die Musiker der Popband Seventeen ja noch schnell von der Bühne gehüpft, sie hätten die Flucht aus der Partyzone am Strand angetreten und versucht, auf höher gelegenes Gelände zu gelangen. Das ist nicht geschehen. Stattdessen bearbeiteten die Musiker ahnungslos Gitarre, Bass und Schlagzeug, bis die Wasserwand von hinten durch das Zelt brach, die Bühne niederriss, Musiker und Gäste davonspülte. Festgehalten ist das in einem Videoclip, der deutlich macht: Viele Indonesier hatten in jener Nacht keine Chance. Am dritten Tag nach dem Tsunami zählten Helfer mehr als 400 Tote und 1500 Verletzte. Wissenschaftler versuchten unterdessen, sich ein Bild davon zu machen, wie die Flut eigentlich zustande gekommen ist. Sie blicken auf eine Insel im Ozean, die raucht und spuckt und grollt. Der "Anak Krakatau" ragt zwischen Sumatra und Java aus dem Ozean, 30 bis 50 Kilometer von den Küsten entfernt. Es gilt als sehr wahrscheinlich, dass eine Eruption des Vulkans die Flut in der Nacht zum 23. Dezember ausgelöst hat. Erdrutsche an der Flanke des Vulkans sollen dafür verantwortlich sein. Etwa neun von zehn Tsunamis gehen weltweit auf Erdbeben zurück, aber die Flut in der Sundastraße hat ihre Ursache in den Explosionen am Anak Krakatau. Hätte man das alles absehen können? Haben staatliche Behörden die Gefahren des Vulkans im Meer unterschätzt? Die Diskussionen darüber beginnen gerade. Zwar ist in Südostasien nach dem verheerenden Tsunami 2004 mit mehr als 230 000 Toten ein Frühwarnsystem installiert worden. Doch "messen unsere Sensoren tektonische Aktivitäten, nicht vulkanische", erklärte Dwikorita Kranawati, die Chefin der indonesischen Behörde für Meteorologie, Klimatologie und Geophysik (BMKG). Deshalb habe man vor diesem Tsunami nicht warnen können. Präsident Widodo hat nun Anweisung gegeben, die nötige Technik einzukaufen. Der Geophysiker Jörn Lauterjung aus Potsdam sprach von hohen Investitionen, die nötig seien, ein solches neues Warnsystem aufzubauen. | Sie hatten keine Chance: Die Flutwelle traf die Menschen an den Küsten Javas und Sumatras völlig unvorbereitet. Wissenschaftler erheben nun heftige Vorwürfe. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/tsunami-indonesien-flut-krakatau-1.4265636 | Tsunami in Indonesien: Arglos in den Untergang | 00/12/2018 |
Eine vor 32 Jahren entführte Frau aus Argentinien ist in Bolivien gefunden worden. Die heute 45-Jährige sei im Alter von 13 Jahren Opfer von Menschenhandel geworden, teilte die argentinische Polizei am Dienstag mit. Gefunden wurde die Frau nun im Zuge gemeinsamer Ermittlungen von Argentinien und Bolivien. In den vergangenen Monaten habe eine Spezialeinheit der bolivianischen Polizei auf Bitten der argentinischen Behörden Beweise dafür gesammelt, dass sich die Frau im südbolivianischen Bermejo befinde, hieß es. Die bolivianische Polizei schritt schließlich ein und befreite die Frau und deren Sohn. Gemeinsam mit ihrem Sohn wurde die Frau anschließend zurück zu ihrer Familie in der argentinischen Stadt Mar del Plata gebracht. | Vor 32 Jahren wurde sie entführt, nun ist die Frau in Bolivien gefunden worden. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/menschenhandel-entfuehrte-frau-wieder-aufgetaucht-1.4265706 | Entführte Frau wieder aufgetaucht | 00/12/2018 |
Und wieder reden die Sizilianer von einem Wunder, als liege alle Rettung immer in der göttlichen Vorsehung. Aber wie lange noch? Diesmal ist am gefährlich dicht bebauten Fuß des Ätna, Europas größtem und aktivstem Vulkan, der in diesen Tagen wieder mächtig zittert und grollt und Asche speit, etwas passiert, was vielleicht am Wunderglauben der Menschen zehrt. In Pennisi, einem Stadtteil von Acireale, ist in der Nacht auf den Stephanstag, um genau 3.19 Uhr, als die Erde mit einer Stärke von 4,8 bebte, die Statue eines ganz besonderen Heiligen zu Boden gefallen. Sant' Emidio, so heißt er, war der Schutzpatron von Pennisi. Sie hatten ihn in der Kirche Santa Maria del Carmelo ausgestellt gehabt, auf dass er die Menschen, die ihn ehrten, vor Erdbeben schütze. Als es endlich Tag wurde, ein klarer Wintertag, und die Schäden ersichtlich wurden, da war die zerbrochene Statue von Sant' Emidio die größte Nachricht. Ein böses Omen. Aber diesmal ging es gerade noch einmal gut. 28 Bewohner von Acireale und Zafferana Etnea wurden verletzt, alle nur leicht - "Codice verde", nennen die Italiener das, tiefste Alarmstufe. Es fielen zwar viele Häuser in sich zusammen, weil sich das Epizentrum nur 1,2 Kilometer unter der Erdoberfläche befand, aber viele davon waren alt und verlassen. Da und dort löste sich Stuck aus Fassaden. Augenzeugen berichteten von einem großen Knall, den das Beben verursacht habe. Eine Bewohnerin von Zafferana twitterte: "Ragazzi, ich wache sonst nie auf in der Nacht, aber, verdammt noch mal, diesmal schon." Der Ätna ist ein mythenhafter Berg im kollektiven Gedächtnis der Sizilianer, der Ostsizilianer vor allem: gefürchtet und geliebt. Sein Innenleben wird beschrieben, als hätte er menschliche Launen: Mal ist er "böse", mal "rabiat", mal gar "brutal". An der höchsten Stelle ist der Ätna 3326 Meter hoch, man sieht den Vulkan schon von weither, am besten natürlich dann, wenn die Krause oben am Krater mit Schnee bedeckt ist. Oder wenn sich wieder ein Loch in einer seiner Flanken öffnet, bedrohlich donnernd. Es steigt dann jeweils eine Rauchsäule aus ihm auf, und die schwarze Asche legt sich auf alle Städte rundherum. Die Bauern fürchten dann um ihr Gemüse, ihre Reben und Zitrusfrüchte, die vielleicht nirgends so prächtig gedeihen wie auf dem vulkanisch fruchtbaren Boden an den Abhängen des Ätna. Das erklärt auch, warum die Menschen so nahe an ihm dran leben, obschon sie die Risiken kennen. Seit Heiligabend ist er wieder böse. Der internationale Flughafen von Catania musste bereits mehrmals für einige Stunden geschlossen werden, weil man den Piloten das Landen nicht zumuten mag. Seit Beginn des Ausbruchs bebt auch die Erde in schneller Abfolge: Das "Istituto nazionale di geofisica e vulcanologia" (Nationales Institut für Geophysik und Vulkanologie) nennt es einen Erdbebenschwarm. Die Erschütterung in der Nacht auf Mittwoch war die stärkste einer langen Serie. Die A 14, die Autobahn zwischen Messina und Catania, musste gesperrt werden, weil an manchen Stellen der Asphalt gerissen war. Auch der Stromboli, der Vulkan auf der gleichnamigen Äolischen Insel, erlebt gerade wieder eine aktive Phase und wirft Steinchen aus, sogenannte Lapilli. Die Zeitung Giornale di Sicilia schreibt: "Der Stromboli antwortet dem Ätna." Die Gleichzeitigkeit überrascht nicht: Die Launen der beiden Vulkane bedingen sich offenbar gegenseitig. Ganz sicher ist man sich aber trotzdem nicht. Im Netz erscheinen nun wieder Videoaufnahmen von Leuten, die trotz der Gefahren die Hänge des Ätna hochsteigen, für spektakuläre Bilder. Bis 2600 Meter über dem Meeresspiegel gehen manche dafür, es ist ziemlich verrückt. Zumal niemand sagen kann, wie es weitergeht. Die Vulkanologen sagen: "Der Ätna lässt uns keine Ruhe." Es sei gut möglich, dass sich bald weitere "Münder" öffneten, auch in tieferen Lagen. Einer der waghalsigen Filmer kommentierte seine Bilder live, samt Glückwünschen zu Weihnachten. Da erinnert man sich in Italien wieder an Dante, der in seiner "Divina Commedia" den Mongibello, wie der Ätna auch genannt wird, im Inferno verortete - in der Hölle eben. Er nannte den Vulkan eine "schwarze Schmiede". | Seit Heiligabend zittert und grollt und speit der Ätna. Häuser sind eingestürzt, Menschen wurden leicht verletzt. Der mythenhafte Vulkan wird von den Sizilianern gefürchtet und geliebt. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/aetna-sizilien-vulkan-1.4265702 | Ätna wieder aktiv - der mythenhafte Vulkan | 00/12/2018 |
Die Einziehung der Kirchensteuer durch den Staat ist ein Anachronismus. So hat es der katholische Sozialethiker Nell-Breuning schon vor fünfzig Jahren festgestellt. Es wäre eigenartig, dieses umstrittene Modell, bei dem der Staat als bezahlter Dienstleister für die Einziehung der Mitgliedsbeiträge der Kirche auftritt, auch noch in Form einer Moschee-steuer auf die Muslime auszudehnen. Die Kirchensteuer verlangt von jedem steuerpflichtigen Kirchenmitglied acht bis neun Prozent seiner Einkommensteuer. Grund für die Forderung nach der Moscheesteuer ist nicht die Gleichbehandlung mit christlichen Kirchen. Man will auf diese Weise dem Fundamentalismus in Riad und Ankara entgegentreten, der derzeit viele deutsche Moscheegemeinden finanziert. Das Ziel ist zwar gut, das Mittel aber nicht. Die Moscheesteuer ist kein politisches Steuerungsinstrument, um Reformation zu erzwingen. Wenn überhaupt, dann müsste die Forderung von den Muslimgemeinden kommen. Die Islam-Vereine müssten sich als öffentlich-rechtliche Körperschaft organisieren. Sie würden dann feststellen, dass es viele säkulare Muslime gibt, die sich nicht registrieren lassen wollen - und dann konfessionslos bleiben. Und es würde muslimische Vereine geben, die sich lieber weiterhin anders finanzieren und dankend verzichten. | Die Kirchensteuer ist umstritten. Soll das Modell nun auf Muslime ausgedehnt werden, um den Islam zu modernisieren? | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/islam-muslime-steuer-1.4265802 | Die Moscheesteuer ist keine gute Idee - Kommentar | 00/12/2018 |
Kaum als Frau zu erkennen - die legendäre Päpstin Johanna auf dem Thron in Rom (hier ein französischer Stich). Hartnäckig hält sich das Gerücht, dass es im neunten Jahrhundert eine Frau auf dem Papstthron gegeben habe. Aber kann die Legende stimmen, angesichts der historischen Fakten? Vor Kurzem jährte sich die Einführung des Frauenwahlrechts zum hundertsten Mal. Wieder wurde über fehlende Gleichberechtigung und den beschämend geringen Frauenanteil im Bundestag diskutiert. Doch zumindest ist in der säkularen westlichen Welt theoretisch jedes Amt für jedes Geschlecht erreichbar. Anders sieht es im Katholischen aus, hier hat wenigstens eine Debatte begonnen, ob Frauen Priesterinnen werden dürfen. Angesichts solcher Rückständigkeit klingt die Geschichte der Päpstin Johanna umso beeindruckender, soll sie doch im 9. Jahrhundert vollbracht haben, was auch heute noch völlig undenkbar ist. Die Legende wurde immer wieder modifiziert und politisch instrumentalisiert, etwa im Konfessionsstreit als "List des Weibes" oder als Beispiel der Verkommenheit der katholischen Kirche. Es dauerte mehr als 400 Jahre, bis der Fall aktenkundig wurde Die in Mainz geborene Johanna erhält eine gehobene Bildung durch ihren Vater. Sie verkleidet sich als junger Mann und kann so in Athen studieren. Dank der Gelehrten dort erreicht sie ein intellektuelles Niveau, das sie in Rom außergewöhnlich erscheinen lässt. Als "Johannes Anglicus" macht sie in der römischen Kurie Karriere und wird zuletzt Nachfolger(in) von Papst Leo IV.: Im September 855 wird sie zum Papst gewählt, ihr Name: "Johannes VIII.". Ihr Pontifikat ist geprägt von mehreren heimlichen Liebschaften, die in eine Schwangerschaft münden. Während "einer Prozession durch Rom offenbart sich ihr Geheimnis den Gläubigen, es kommt zur blutigen Sturzgeburt. Ob sie nach dieser Enthüllung ins Kloster verbannt oder von der empörten Menge gelyncht wird, darüber herrscht Uneinigkeit. Stutzig macht an der Legende vor allem, dass es über 400 Jahre dauert, bis jener Fall erstmals aktenkundig wird. Es ist unwahrscheinlich, dass eine solche die Grundfesten der Gläubigen betreffende Angelegenheit keine Erwähnung findet, um erst 1277 von Martin von Troppau in seiner "Chronik der Päpste und Kaiser" ausgegraben zu werden. Der Dominikanermönch nennt seine Quellen nicht, dass er jedoch nach Selbstauskunft auch den Volksmund und Alltagsgespräche auf den Straßen Roms mit einbezog, hilft der Vertrauenswürdigkeit nicht. Vermutlich bezog sich von Troppau auf den Ruf des von 872 bis 882 regierenden Papst Johannes VIII. Der sann auf gute Beziehungen zum byzantinischen Reich und rehabilitierte den Patriarchen Photios I., für die orthodoxen Kirchen bis heute ein Heiliger. Diese Kompromissbereitschaft brachte Johannes satirische Zuschreibungen einer "weibischen" Wesensart ein. Der Nachfolger exkommunizierte Photios I. wieder, das Schisma zwischen römisch-katholischer und orthodoxer Kirche blieb. Eine weitere Deutung sieht Marozia, Mutter und Großmutter zweier Päpste mit Namen "Johannes", als Inspiration für die Legende: In der sogenannten Pornokratie übte sie mit weiteren Mätressen Einfluss auf diverse Päpste aus, seit dem 16. Jahrhundert auch als "dunkles Jahrhundert" bekannt. Fraglich bleibt, wann genau sich das Pontifikat ereignet haben soll: Leo IV. starb 855, sein offizieller Nachfolger war Benedikt III. Da es über den nur wenige Informationen gibt, wurde Benedikt III. von Anhängern der Päpstin-Johanna-Hypothese zu einer Erfindung der Kirche erklärt. Dem widersprechen aber einige Münzen, Rundschreiben und Korrespondenzen. Der sich anschließende Verdacht nährte sich nun von der Unterstellung, dass das Pontifikat der Johanna alias "Johannes VIII." sich zwischen Leo IV. und Benedikt III. ereignet habe. Doch Patriarch Photios I. widerlegt diese Hypothese, in seinen Schriften folgt auf Leo IV. direkt Benedikt III. Auch findet sich hier kein Verweis auf eine(n) "Johannes VIII.", den zu liefern Photios I. als Gegner der katholischen Kirche sicher nicht schuldig geblieben wäre, hätte es Anhaltspunkte oder Gewissheiten gegeben. Da Martin von Troppaus erste Erwähnung der Päpstin nicht gerade durch Stichhaltigkeit brillierte, wurde die Legende ausgeschmückt und fortgeschrieben. Besonders amüsant ist die Deutung, ein Porphyrthron mit Loch, heute in den vatikanischen Museen zu besichtigen, sei eine Apparatur für einen Männlichkeitstest. Jeder neue Papst habe sich als Lehre aus der Johanna-Schmach danach durch den Nachweis seiner primären Geschlechtsorgane qualifizieren müssen. Tatsächlich handelt es sich um einen spätantiken Toilettenstuhl. Die Legende wird von Boccaccio, Achim von Arnim und Bert Brecht erwähnt Bei aller Fragwürdigkeit hatte die Legende eine große Wirkungsgeschichte: Giovanni Boccaccio thematisierte sie ebenso wie Achim von Arnim und Bertolt Brecht. Am bekanntesten ist heute der Bestseller "Die Päpstin" von Donna Woolfolk Cross, in der Johanna als aus dem kirchlichen Gedächtnis getilgte Frau beschrieben wird. Auch wenn Cross deutlich macht, dass dies ein Roman ist, halten nicht wenige die Geschichte für wahr. Mit dem Feminismus des 20. Jahrhunderts wurde die Legende der Päpstin Johanna endlich zur Geschichte der ungerechte Ketten sprengenden Frau mitten im Epizentrum kirchlicher Moral. Dabei sagt das angebliche Ende der Päpstin viel über den misogynen Geist, aus dem die Legende erwuchs: Die Frau galt als Gebärmaschine mit Haushaltsfunktion; ihr Anspruch auf Macht entweihte für die "gläubigen" Männer das Papstamt. Dass die Päpstin sich vermeintlicher Liebschaften nicht erwehrte, den Zölibat brach und sich so als unwürdig erwies: Ein solches Klischee steigert die Glaubwürdigkeit nicht. | Hartnäckig hält sich das Gerücht, dass es im neunten Jahrhundert eine Frau auf dem Papstthron gegeben habe. Aber kann die Legende stimmen, angesichts der historischen Fakten? | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/paepstin-johanna-kirche-vatikan-johannes-anglicus-legende-mittelalter-1.4212286 | Kirche: Päpstin Johanna - Mythos Heilige Mutter | 00/12/2018 |
Wann kommt endlich der Mann mit den Geschenken? In den USA können Kinder den Präsidenten anrufen und fragen. Ein Mädchen aus South Carolina bekam nicht die Antwort, die es erwartet hatte. Eine der noblesten Aufgaben des Nordamerikanischen Luft- und Weltraumverteidigungskommandos Norad ist es, an Heiligabend die Flugrute des Weihnachtsmanns zu verfolgen. Kinder aus allen Teilen der USA können die Streitkräfte anrufen und sich den neusten Stand durchgeben lassen. Ab und zu wird ein Kind an den Oberbefehlshaber durchgestellt. Weihnachten 2018 ging also Donald Trump ans Telefon. Sein Gespräch mit der siebenjährigen Collman Lloyd löste weltweit Schlagzeilen aus. Denn Trump ließ im Gespräch durchblicken, dass es den Weihnachtsmann vielleicht doch nicht gebe. Collmans Familie hat das Gespräch gefilmt und an die Lokalzeitung aus Charleston, South Carolina, Post and Courier geschickt. Collman werde ein paar Kekse für den Weihnachtsmann rausstellen und dann mit ihren Freunden abhängen, verrät sie Trump ihre Pläne für Heiligabend. In den USA gibt es Geschenke am Morgen des 25. Dezember. "Habt eine gute Zeit", wünscht ihr Trump. "Yes, Sir", antwortet Collman. "Glaubst du noch an Santa Claus?", fragt der Präsident. "Yes, Sir", sagt Collman. "Denn mit sieben Jahren ist das grenzwertig, oder", sagt Trump. "Yes, Sir", sagt Collman. Trump benutzte im Englischen das Wort "marginal", das "nebensächlich", "grenzwertig" oder auch "randständig" bedeuten kann. Collman sagte der Zeitung Post and Courier, dass sie vor dem Gespräch das Wort noch nie gehört habe. Dass sie plötzlich mit dem Präsidenten gesprochen habe, sei "wow" gewesen, sagte sie. Sollte sie noch mal mit ihm sprechen, würde sie Trump nach seiner Familie fragen. Collman und ihre Geschwister haben nach dem Telefonat Kekse und Milch für den Weihnachtsmann hinterlassen und sind ins Bett gegangen. Am nächsten Morgen waren Kekse und Milch verschwunden, stattdessen lagen Geschenke unter dem Baum. Collmann bekam eine Puppe. Es gibt den Weihnachtsmann eben (doch), sagte sie der Zeitung. | Wann kommt endlich der Mann mit den Geschenken? In den USA können Kinder den Präsidenten anrufen und fragen. Ein Mädchen aus South Carolina bekam nicht die Antwort, die es erwartet hatte. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/usa-siebenjaehrige-glaubt-trotz-trump-an-den-weihnachtsmann-1.4265619 | Siebenjährige glaubt trotz Trump an den Weihnachtsmann | 00/12/2018 |
Insgesamt sammelten die Beamten 1860 Waffen ein, wie ein Polizeisprecher am Dienstag sagte. Die Polizei hatte 100 Dollar pro Revolver, Pistole oder Gewehr, 200 Dollar für halbautomatische Gewehre und 500 Dollar für vollautomatische Gewehre geboten. Außerdem wurde Anonymität zugesichert. Mit der dreitägigen Aktion wollte die Polizei die Zahl der im Umlauf befindlichen illegalen Waffen reduzieren - und so die Gewaltkriminalität eindämmen. In der 600.000-Einwohner-Stadt an der US-Ostküste wurden vier Jahre in Folge mehr als 300 Menschen ermordet. Für den Waffenrückkauf stellte die Stadt 250.000 Dollar bereit. Die Aktion ist allerdings umstritten. Die Zeitung Baltimore Sun bezeichnete sie in einem Kommentar als "große Verschwendung von Zeit, Geld und Ressourcen". Kriminelle würden ihre Waffen auf diese Weise nicht abgeben. Polizeichef Gary Guttle argumentierte in der Zeitung dagegen, wenn Waffen "nicht existieren, nicht zu Hause sind, können sie nicht verwendet und nicht gestohlen werden". In den USA garantiert der zweite Verfassungszusatz das Recht auf privaten Waffenbesitz. In rund jedem dritten Haushalt gibt es eine Schusswaffe. Durch Schusswaffen starben in den USA im vergangenen Jahr fast 40 000 Menschen. Die Zahl umfasst auch Suizide. | Jährlich werden in der 600.000-Einwohner-Stadt Baltimore mehr als 300 Menschen ermordet. Jetzt hat die Polizei der von Gewalt geplagten US-Stadt fast 2000 Waffen von Bewohnern aufgekauft - darunter einen Granatwerfer. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/usa-polizei-von-baltimore-kauft-bewohnern-2000-waffen-ab-1.4265614 | USA - Polizei von Baltimore kauft Bewohnern 2000 Waffen ab | 00/12/2018 |
Für die christlichen Gemeinden treibt der Staat automatisch die Kirchensteuer ein, für muslimische Gruppen ist das in Deutschland bislang nicht möglich. Politiker der schwarz-roten Koalition wollen das ändern und bringen analog zur Kirchensteuer eine sogenannte Moscheesteuer ins Spiel. Unions-Bundestagsfraktionsvize Thorsten Frei (CDU) sprach sich in der Welt dafür aus. Ziel müsse sein, "dass sich der Islam in Deutschland von der Einflussnahme ausländischer Staaten emanzipiert und eine stärkere Inlandsorientierung gewinnt", sagte er. Eine Moscheesteuer wäre "ein wichtiger Schritt". Sie würde es Muslimen erlauben, finanziell auf eigenen Füßen zu stehen. Auch der Justiziar der Unionsfraktion, Michael Frieser (CSU), unterstützt eine Moscheesteuer. "Das Ziel muss eine eigenständige Finanzierung sein, um die Unabhängigkeit der Moscheegemeinden zu gewährleisten", sagte Frieser der Welt. Er gehe davon aus, dass eine solche Steuer für mehr Transparenz sorgen werde. SPD-Innenexperte Burkhard Lischka bezeichnete die Idee, "die Finanzierung von muslimischen Gemeinden in Deutschland von ausländischen Geldgebern zu entkoppeln", als "diskussionswürdig". Dadurch ließe sich die Gefahr des Einflusses von außen und einer möglichen Radikalisierung verringern. "Bis zu einem fertigen Konzept dürfte es aber noch ein weiter Weg sein, den wir nur mit den Ländern gemeinsam gehen können, denn Kirchensteuern sind Ländersache", sagte Lischka der Zeitung. Unterstützung kam auch von der Gründerin der liberalen Moschee in Berlin, Seyran Ates. Muslime sollten damit die Finanzierung ihrer Gemeinden verstärkt selbst organisieren, sagte Ates. "Alles, was die Gemeinden brauchen, kann in Zukunft von den Mitgliedern selbst aufgebracht werden." Ates ist Initiatorin der Ibn-Rushd-Goethe-Moschee im Stadtteil Moabit, die für einen liberalen Islam steht und für eine geschlechtergerechte Auslegung des Koran eintritt. | Politiker der großen Koalition sprechen sich - ähnlich der Kirchensteuer - für die Einführung einer Moscheesteuer aus. Sie soll Geld und Einfluss aus dem Ausland zurückdrängen. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/moschee-steuer-islam-deutschland-1.4265612 | Moschee-Steuer für Muslime gefordert | 00/12/2018 |
Die Zahl der Wohnungseinbrüche in Deutschland dürfte im zu Ende gehenden Jahr zum dritten Mal in Folge gesunken sein. "Auch für 2018 erwarten wir einen weiteren Rückgang der Fallzahlen", teilte der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Holger Münch, mit. "Die gute Zusammenarbeit der Polizeien des Bundes und der Länder und die Maßnahmen, die sowohl Prävention als auch die Strafverfolgung umfassen, zahlen sich aus." Die Zahl der versuchten und vollendeten Wohnungseinbrüche war in den Jahren 2008 bis 2015 kontinuierlich nach oben gegangen und hatte ein hohes Niveau erreicht. Der Höhepunkt lag schließlich bei insgesamt 167 136 registrierten Fällen. Im Jahr 2016 gab es dann erstmals wieder einen Rückgang, der sich 2017 fortsetzte, als bundesweit noch 116 540 Fälle erfasst wurden. Die Zahl für 2018 wird mit der neuen Kriminalstatistik veröffentlicht - voraussichtlich im kommenden Frühjahr. Die Versicherer rechnen ebenfalls mit einem erneuten Rückgang. "Unsere Schadenzahlen der ersten drei Quartale sinken", teilte Bernhard Gause, Mitglied der Geschäftsführung beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft, der dpa mit. "Das erfahrungsgemäß schadenreichste vierte Quartal ist noch nicht zu Ende, aber wir haben keinerlei Anzeichen für einen überdurchschnittlichen Verlauf." Ein Grund für den Rückgang könnte aus Sicht der Versicherer die höhere Ausstattung der Haushalte mit Sicherheitstechnik sein. Viele Menschen hätten dafür die staatliche Förderung der KfW genutzt. "Das zahlt sich aus: Fast 45 Prozent der Einbruchsversuche brechen Täter ab, wenn sie nicht schnell genug reinkommen." Dennoch blieben Einbrüche ein gesellschaftliches Problem. "Denn trotz des Rückgangs sind die Fallzahlen zu hoch, die Aufklärungsquoten zu gering", kritisierte Gause. Im Jahr 2017 lag die Aufklärungsquote gerade einmal bei 17,8 Prozent, wie aus der bundesweiten Kriminalstatistik hervorgeht. Das war nur geringfügig mehr als im Jahr davor mit 16,9 Prozent. BKA-Chef Münch versprach: "Die Bekämpfung des Wohnungseinbruchdiebstahls hat auch weiterhin hohe Priorität bei den Polizeibehörden." Angesichts der starken Zunahme von Wohnungseinbrüchen bis 2015 waren Ermittler und Politiker unter Druck geraten, ihren Kampf gegen Einbrecher zu verstärken. Eine Konsequenz war eine Strafverschärfung, die seit Sommer 2017 gilt: Beim Einbruch in eine Privatwohnung ist für überführte Täter jetzt eine Mindeststrafe von einem Jahr Haft statt zuvor sechs Monaten fällig. Der Strafrahmen reicht bis zu zehn Jahren Gefängnis. | Jahrelang hatten Wohnungseinbrüche in Deutschland zugenommen. Für das zu Ende gehende Jahr hat das Bundeskriminalamt aber nun eine gute Nachricht. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/kriminalitaet-weniger-wohnungseinbrueche-1.4265613 | Kriminalität - Weniger Wohnungseinbrüche | 00/12/2018 |
Die Isla de las Muñecas im Süden von Mexiko-Stadt gilt als einer der gruseligsten Orte der Welt. Auf der Insel sind unzählige Puppen verstreut - wegen einer Geistergeschichte. Babys und Kleinkinder, wohin man schaut. Niedlich, mögen einige denken. Doch der Anblick ist alles andere als süß. Die Augen: leer, verloren, kalt. Der mal nackte, mal mit Stofffetzen bekleidete Rumpf: von der Sonne versengt, aufgeplatzt und löchrig. Die Glieder: verdreht. Oder zu klein oder groß im Gegensatz zum Kopf. Manche fehlen ganz. Wer die Isla de las Muñecas in Xochimilco, dem südlichen, von Kanälen durchzogenen Stadtteil des Molochs Mexiko-Stadt, betritt, muss starke Nerven haben. Auch wenn er natürlich weiß, dass es sich bei all den ramponierten Kindlein nur um Puppen handelt. Aber was heißt hier "nur"? Isla de las Muñecas, die Puppeninsel, war bis zu seinem ungeklärten Tod 2001 das Domizil des zumindest verschroben zu nennenden Blumen- und Gemüsezüchters Julián Santana Barrera und so gut wie unbekannt. Heute lockt sie dank eines geschäftstüchtigen Neffen Scharen legendenhungriger Mexikaner und abenteuerlustiger Touristen an, die alle die Frage umtreibt: Welches Geheimnis verbirgt sich hinter den Puppen, die der Einsiedler Don Julián 50 Jahre lang über das ganze Eiland verteilte? Viele Hunderte sollen es sein, die hier seitdem verwittern. Und weil die Besucher selbst welche mitbringen, werden es von Jahr zu Jahr mehr. Sie hängen in den Ästen wie Aufgeknüpfte. Bei Wind baumeln sie hin und her, ein noch bizarreres Schauspiel. Oder sie hocken verdreckt auf klapprigen Stühlen und liegen verstaubt in hinfälligen Kinderwagen. Und sie stecken überall an den Palisaden, die den Ort blickdicht abriegeln. Vielleicht als eine Art Schutzfiguren, wie man sie von mittelalterlichen Kathedralfassaden kennt? So scheint ein plärrendes Baby im hellblauen Strampler direkt losstürmen zu wollen, die rechte Hand wütend zum Fäustchen geballt, das winzige linke Bein weit nach vorn gestreckt, um jedem Fremdling, der die mitunter mühselige Gondelpartie auf sich genommen hat, den Eintritt zu verwehren. Trajineras heißen die Gondeln und tragen, anders als in Venedig, nicht Trauer, sondern sind hübsch bunt bemalt. Wer nachforscht, stößt schnell auf die Geschichte von dem Mädchen, das 1951 in den Kanälen, die inzwischen zum Unesco-Weltkulturerbe zählen, unter rätselhaften Umständen ertrunken sein soll. Eine Geschichte, von der manche jedoch behaupten, sie wäre nie passiert. Stattdessen hätte sie Don Julián - ein Foto, das heute in der Inselhütte über dem Holzaltar hängt, an dem die Menschen Geschenke niederlegen und um Glück beten, zeigt einen Mann von schmaler Statur und ledriger Haut - in seiner Einsamkeit schlicht erfunden. Will man ihr jedoch glauben, dann wollte er die Kleine noch aus dem Wasser retten, scheiterte aber. Fortan fühlte er sich schuldig. Als kurze Zeit später eine Puppe ans Ufer gespült wurde, die womöglich der Ertrunkenen gehörte, nahm er sie und hängte sie aus Respekt vor der Toten in einen Baum. Nicht zuletzt deshalb, um den Geist des Mädchens milde zu stimmen, der ihn seit dem Unglück zu verfolgen schien. Doch der ließ sich nicht so leicht besänftigen. Ständig hörte Don Julián nach eigenem Bekunden dessen unheimlichen Klagegesang. So begann er immer mehr Puppen kultisch zu sammeln und sie überall auf der Insel zu drapieren, fünf Jahrzehnte lang. Gestorben an der Stelle, an dem angeblich das Mädchen gelegen hatte Bis man ihn zuletzt ausgerechnet an der Stelle ertrunken auffand, an der er einst das Mädchen entdeckt haben wollte. Ob der 86-Jährige betrunken war oder einen Herzinfarkt erlitt, darüber gehen die Meinungen auseinander. Ob die Geschichte nun ganz oder teilweise erfunden ist, und wenn ja, welche Teile, ist nicht das Spannendste. Don Julián könnte sehr einsam, sehr abergläubisch, aber auch psychisch krank gewesen sein. So oder so: Dass die Mexikaner Mythen und Legenden über alles lieben, ist bekannt. Dass sich dabei nicht selten Religion und Aberglaube die Hand reichen, auch. Daher pilgern sie, sieht man einmal vom erwarteten Nervenkitzel ab, auf die Puppeninsel, beten mitunter am Altar. Mit dem berühmten Brauch des sogenannten Tages der Toten, den man vom 31. Oktober bis zum 2. November feiert und der immer mehr von Halloween bedroht wird, dürfte die Begeisterung für die Gruselpuppen indes wenig zu tun haben. Der Día de Muertos ist ein buntes Volkstreiben zu Ehren der Verstorbenen. Don Julíans kaputte Baby- und Kinderpuppen, an denen der Zahn der Zeit kräftig genagt hat, schauen aber aus, als wären sie direkt einem Horrorfilm entsprungen. Die auf den ersten Blick so unschuldig anmutende Puppe geistert von Anfang an durch das sinistre Genre. Mal als herrschsüchtige Bauchrednerpuppe ("Dead of Night"). Mal als fluchbeladenes Wesen ("Annabelle"). Wieder ein anderes Mal als besessene Mörderpuppe. Nicht wenige der Geschöpfe auf der Isla de las Muñecas erinnern an den kleinen, rothaarigen Chucky mit dem irren Blick aus mittlerweile sieben Horrorfilmen. Warum wir uns gleichzeitig angezogen und abgestoßen fühlen von Puppen? Die Psychologie kennt dafür den Begriff der "Automatonophobie", also die Angst vor belebt scheinenden, menschenähnlichen Geschöpfen. Es war nicht zuletzt Sigmund Freud, der anhand von E. T. A. Hoffmanns Erzählung "Der Sandmann" mit der Automatin Olimpia das "Unheimliche" zu definieren versucht hat. Nimmt man das ernst, erklärt sich wohl die Faszination für die Puppeninsel, die Horror-Aficionados zu den gruseligsten Orten weltweit zählen. Dass Don Julían davon überzeugt war, die Puppen würden ihn permanent anschauen und sich miteinander unterhalten, als wären sie lebendig und beseelt, gehört also vielleicht nicht bloß ins Reich der Legende. Dieser Text erschien zuerst in der SZ-Ausgabe vom 27.10.2018 | Die Isla de las Muñecas im Süden von Mexiko-Stadt gilt als einer der gruseligsten Orte der Welt. Auf der Insel sind unzählige Puppen verstreut - wegen einer Geistergeschichte. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/isla-de-las-munecas-mexiko-insel-puppen-1.4182434 | Isla de las Muñecas: Insel der toten Augen in Mexiko | 00/12/2018 |
Die verheerende Flutwelle, die am Samstag die Küsten von Java und Sumatra in Indonesien traf, hat Häuser, Strandhütten, und Autos mitgerissen und unter Schlamm begraben. Straßen sind durch Trümmerteile und entwurzelte Bäume unpassierbar geworden. Erst jetzt haben Helfer auch die abgelegensten Dörfer an der Südwestspitze der Insel Java erreicht, die durch einen indirekt von einem Vulkanausbruch ausgelösten Tsunami zerstört wurden. Nach neuen Behördenangaben sind dabei mindestens 429 Menschen ums Leben gekommen. Die Zahl der Opfer könnte noch steigen: Mehr als 1485 Menschen seien verletzt worden, 154 weitere würden noch vermisst, teilte der indonesische Katastrophenschutz mit. Zudem erschwert starker Regen die Bergungsarbeiten. Straßen in der besonders betroffenen Provinz Banten waren bereits vor dem Tsunami in schlechtem Zustand. Nun können viele nur mit Hilfe von Baggern passierbar gemacht werden. Teams von Soldaten, Behördenmitarbeitern und anderen Helfern arbeiten sich unermüdlich zu Dörfern im Bezirk Pandeglang vor. Dort richtete der Tsunami besonders schwere Schäden an. Die Regierung habe für die Region einen zwei Wochen dauernden Notstand ausgerufen, sagte Katastrophenschutz-Sprecher Sutopo Purwo Nugroho. Das Gebiet ist vor allem bei Einheimischen als Urlaubsziel beliebt. Deutsche sind nach Angaben des Auswärtigen Amts vom Montag nicht unter den Opfern. Zum Zeitpunkt des Tsunami herrschten Flut und Vollmond, was die Wirkung der Wellen verstärkte. Musiker während eines Konzerts weggespült Unter den zahlreichen Opfern war auch die in Indonesien beliebte Band Seventeen. Die Musiker wurden während ihres Konzerts auf einer Strandbühne vom Tsunami weggespült. Nur Sänger Riefian Fajarsyah überlebte. Seine Frau starb ebenso wie die anderen Bandmitglieder. Auf Instagram entschuldigte sich der Musiker, er könne nicht zur Beisetzung der Bandkollegen reisen, er müsse bei seiner Frau bleiben. Auslöser des Tsunamis war nach offiziellen Angaben eine Eruption des in der Sundastraße rund 50 Kilometer von der Küste entfernten Vulkans Anak Krakatau. Die Erschütterung hatte demnach zu einem Erdrutsch geführt, der dann den Tsunami auslöste. Die Flutwelle traf insgesamt fünf Bezirke auf Java und Sumatra. Am schlimmsten verwüstet wurde der Bezirk Pandeglang im Westen von Java. Das Tsunami-Warnsystem hatte nicht reagiert, da es ausschließlich Seebeben registriert. Der Vulkan Anak Krakatau - das "Kind des Krakatau" - ist noch nicht zur Ruhe gekommen. Die Insel wächst seit Jahrzehnten aus den Überresten der bei der verheerenden Explosion des Krakatau 1883 fast vollständig zerstörten Vulkaninsel aus dem Meer. Experten warnten vor weiteren Tsunamis, solange die derzeitige Aktivität des Vulkans anhalte. Denn sie kann zu weiteren Erdrutschen unter Wasser führen. Das Gerücht einer weiteren Flutwelle löste am Dienstag in einem Dorf in der Provinz Lampung auf Sumatra eine Massenpanik aus. Hunderte Menschen, teilweise mit ihren Kindern auf den Armen, flüchteten, als das Wasser anstieg. Viele nahmen Motorräder oder schwangen sich auf die Ladeflächen von Lkw, um zu entkommen. "Rennt in die Berge - Wasser", schrien die verzweifelten Menschen. Polizei und Rettungskräfte versuchten, den Menschen zu helfen, bis klar wurde, dass es nur ein Gerücht war: Über die Lautsprecher der örtlichen Moschee hieß es, es habe sich lediglich um den regulären Wechsel von Ebbe und Flut gehandelt. | Drei Tage nach der verheerenden Flutwelle haben Bergungsteams auch die abgelegensten Dörfer auf den Inseln Java und Sumatra erreicht. Experten warnen vor weiteren Tsunamis. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/indonesien-tsunami-vulkan-1.4265514 | Tsunami in Indonesien: Regen erschwert Rettungsarbeiten | 00/12/2018 |
Papst Franziskus hat an Heiligabend Maßlosigkeit kritisiert und zu Nächstenliebe aufgerufen. "Wenn wir auf die Krippe schauen, verstehen wir, dass das, was das Leben nährt, nicht der Besitz, sondern die Liebe ist; nicht Gier, sondern Nächstenliebe; nicht der Überfluss, den man zur Schau stellt, sondern die Einfachheit, die man bewahrt", sagte das Katholikenoberhaupt am Montagabend bei der Christmette vor Tausenden Gläubigen im Petersdom in Rom. "Der Mensch ist gierig und unersättlich geworden", sagte der Papst. "Das Haben, das Anhäufen von Dingen scheint für viele der Sinn des Lebens zu sein." Er beklagte die daraus entstehenden Ungleichheiten zwischen den Menschen. "Eine unersättliche Gier durchzieht die Menschheitsgeschichte, bis hin zu den Paradoxien von heute, dass einige wenige üppig schlemmen und so viele kein Brot zum Leben haben." Papst fordert zum Verzicht auf Das Christuskind, geboren in einem Stall und gelegt in eine Futterkrippe, eröffne ein anderes Lebensmodell: "Nicht verschlingen und hamstern, sondern teilen und geben." Franziskus appellierte an die Gläubigen, sich zu fragen: "Schaffe ich es, auf viele überflüssige Nebensächlichkeiten zu verzichten, um ein einfacheres Leben zu wählen?" Papst Franziskus ruft immer wieder zu Bescheidenheit auf oder übt Kritik an der Konsumgesellschaft. Aus Sicht vieler verkörpert der Argentinier selbst die Einfachheit, die er fordert, so verzichtete er als Papst auf einige Privilegien. Er ist außerdem für seinen Einsatz für Arme und Ausgegrenzte bekannt. So lädt er immer wieder Obdachlose oder Flüchtlinge in den Vatikan ein oder trifft Häftlinge. Im vergangenen Jahr hatte Franziskus an Heiligabend zu Mitgefühl für Verfolgte aufgerufen. In seiner Weihnachtsbotschaft am Dienstag, dem ersten Weihnachtstag, betonte Franziskus die Bedeutung des Zusammenlebens zwischen Menschen verschiedener Nationen, Kulturen und Religionen. "Unsere Verschiedenheit schadet uns (...) nicht, sie bedeutet keine Gefahr; sie ist vielmehr ein Reichtum", sagte er am Dienstag von der Loggia des Petersdoms aus, vor Tausenden Gläubigen auf dem Petersplatz. Die universale Botschaft von Weihnachten sei, dass "wir alle Geschwister sind". In seiner Weihnachtsbotschaft äußerte das Katholikenoberhaupt die Hoffnung auf Dialog und Frieden zwischen Israelis und Palästinensern, auf eine politische Lösung in Syrien und auf Waffenruhe im Jemen. Franziskus sprach auch die Konflikte zwischen Nord- und Südkorea, Venezuela, Nicaragua und in der Ukraine an. Anschließend spendete der Papst den traditionellen "Urbi et Orbi"-Segen. | Der Papst beklagt an Heiligabend die Maßlosigkeit der Menschen. Vor dem traditionellen "Urbi et Orbi"-Segen am Dienstag betont er den Wert der Verschiedenheit. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/papst-franziskus-weihnachten-1.4265476 | Papst Franziskus kritisiert Maßlosigkeit | 00/12/2018 |
Bei dem verheerenden Tsunami zwischen den indonesischen Inseln Sumatra und Java sind noch weitaus mehr Menschen ums Leben gekommen als bislang bekannt. Neuen Angaben zufolge starben bei der Naturkatastrophe mindestens 429 Menschen. Mehr als 1485 Menschen seien verletzt worden, 154 würden noch vermisst, sagte ein Behördenvertreter. Die Zahl der Toten könnte also noch steigen, zuletzt war sie am Montag mit 373 Toten angegeben worden. Der Tsunami war am Samstagabend nach einem Vulkanausbruch ohne Vorwarnung über Küstenregionen und Touristenstrände an der Meerenge von Sunda hereingebrochen. Die Flutwellen trafen im Süden Sumatras und im Westen Javas an Land. Der britische Guardian berichtet unter Berufung auf Behördenangaben, 882 Häuser sowie 73 Hotels und Villen seien zerstört worden. Ein Sprecher sagte, etwa 16 000 Menschen könnten nicht mehr in ihre Häuser zurück, weil diese zerstört, unbewohnbar oder unzugänglich seien. Außerdem wurden mehr als 430 Boote beschädigt. Indonesien wird immer wieder von katastrophalen Tsunami-Flutwellen heimgesucht. Diese entstehen in der Regel durch Erdbeben unter dem Meeresboden. Dass sie durch Vulkanausbrüche und Erdrutsche ausgelöst werden, ist eher selten. Experten warnten vor weiteren Tsunamis, solange die derzeitige Aktivität des Vulkans anhalte. Denn diese könne zu weiteren Erdrutschen unter Wasser führen. | Militärangehörige und Freiwillige bergen immer weitere Opfer aus den Trümmern, die der verheerende Tsunami in der Meerenge von Sunda hinterlassen hat. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/tsunami-indonesien-1.4265479 | Tsunami in Indonesien: Zahl der Toten steigt auf 429 | 00/12/2018 |
Der Vorfall, um den es geht, liegt mehr als zwei Jahre zurück, nun könnte er für Kevin Spacey ein juristisches Nachspiel haben: Der US-Schauspieler wird wegen des Vorwurfs sexueller Übergriffe vor Gericht zu einer Anhörung erscheinen müssen, teilte die Staatsanwaltschaft im US-Bundesstaat Massachusetts mit. Spacey soll am 7. Januar 2019 dem Haftrichter im Bezirk Nantucket vorgeführt werden. Ihm wird vorgeworfen, im Juli 2016 in einem Restaurant auf der Insel Nantucket einen 18-Jährigen bedrängt und unsittlich berührt zu haben. Bei einer Verurteilung wegen sexueller Nötigung und Körperverletzung könnte Spacey bis zu fünf Jahre Gefängnis bekommen. Kurz nach Bekanntwerden des Vorwurfs brach Spacey sein langes öffentliches Schweigen und meldete sich auf Twitter und YouTube mit einem bizarren Video zu Wort. In dem dreiminütigen Auftritt mimt der frühere "House of Cards"-Star seine TV-Figur, den skrupellosen Politiker Frank Underwood, der offenbar auf Vorwürfe gegen sich reagiert. "Ihr würdet doch nicht ohne Beweise das Schlimmste glauben und ohne Fakten vorschnell urteilen, oder?", sagt Spacey in die Kamera. Er werde bestimmt nicht den Preis für Dinge zahlen, die er nicht getan habe. Bald werde die "ganze Wahrheit" ans Licht kommen. "Ihr wollt mich zurück", sagt er zudem in dem Video. Es war sein erster Tweet seit Oktober 2017. Kevin Spaceys Videobotschaft "Vermissen Sie mich?" Zum Video Artikel (Video: Süddeutsche Zeitung , Foto:Süddeutsche Zeitung ) Im Herbst 2017 waren zahlreiche Vorwürfe sexueller Übergriffe gegen Spacey vorgebracht worden. Der Erste, der mit Missbrauchsvorwürfen gegen Spacey an die Öffentlichkeit gegangen war, war der Schauspieler Anthony Rapp. Er sagte, er sei im Jahr 1986 als 14-Jähriger von Spacey sexuell bedrängt worden. Spacey entschuldigte sich daraufhin bei Rapp, sagte aber, er könne sich nicht an den Vorfall erinnern. Der jetzt zur Anklage zugelassene Fall in Massachusetts dreht sich um den damals 18-jährigen Sohn der ehemaligen TV-Moderatorin Heather Unruh. Ihr zufolge soll der Schauspieler den jungen Mann in einem Restaurant auf Nantucket betrunken gemacht und dann unsittlich berührt haben. Ihr Sohn sei aus dem Restaurant geflohen, als Spacey auf Toilette gegangen sei, sagte Unruh. Er habe den Übergriff nicht sofort gemeldet, weil es ihm peinlich gewesen sei. Gegen Spacey wird weiter wegen des Verdachts auf einen sexuellen Übergriff in Los Angeles ermittelt, der sich 2016 ereignet haben soll. Spacey wird auch sexuelles Fehlverhalten während seiner Zeit als künstlerischer Direktor des Old Vic Theatre in London vorgeworfen. Spacey ist eine der prominentesten Persönlichkeiten, gegen die im Zuge der #MeToo-Bewegung Vorwürfe erhoben wurden. Die Bewegung wurde durch den Fall des Hollywood-Studiobosses Harvey Weinstein im Oktober 2017 in Gang gesetzt, dem Dutzende Frauen sexuelle Übergriffe vorwarfen. Der Fall von Kevin Spacey auf Nantucket ist ein seltener Fall von strafrechtlicher Verfolgung in dem Zusammenhang. Viele andere Fälle sind zu alt, um ihnen strafrechtlich nachzugehen. So lehnte es die Staatsanwaltschaft ab, Anklage wegen eines möglichen Vorfalls von 1992 zu erheben, weil die Verjährungsfrist abgelaufen sei. Der Streaming-Dienst Netflix kündigte im Zuge der Enthüllungen die Zusammenarbeit mit dem Oscar-Preisträger bei der Polit-Serie "House of Cards" auf. Seine Figur Frank Underwood wurde durch den Tod des Protagonisten aus der Serie gestrichen. Die Karriere des Schauspielers liegt seither brach. Nach Angaben einer Sprecherin hatte sich Spacey 2017 in therapeutische Behandlung begeben. | Es geht um sexuelle Nötigung und Körperverletzung: Anfang Januar muss Kevin Spacey vor einen Haftrichter treten. Kurz nach der Ankündigung bricht er sein langes Schweigen. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/kevin-spacey-1.4265481 | Sexuelle Nötigung - Kevin Spacey droht Anklage | 00/12/2018 |
Es ist eine lang gehegte Tradition im Weißen Haus: Jedes Jahr an Weihnachten rufen Kinder dort an, um sich zu erkundigen, wo der Weihnachtsmann gerade unterwegs ist. Neben Hunderten Freiwilligen nehmen üblicherweise auch der amtierende Präsident und die First Lady Anrufe entgegen, so auch dieses Jahr Donald und Melania Trump. Weniger üblich ist vermutlich, dass die Kinder dabei mit Zweifeln an der Existenz von "Santa Claus" konfrontiert werden, wie dies einer Anruferin namens Collman passierte, als er den US-Präsidenten an die Strippe bekam. "Hallo, ist das Coleman? Fröhliche Weihnachten. Wie geht es dir? Wie alt bist du?", begann Trump den Plausch. Dann nahm das Gespräch eine ungewöhnliche Wendung: "Glaubst du noch an den Weihnachtsmann?", erkundigte sich der Präsident. Und schob hinterher: "Weil mit sieben Jahren ist das an der Grenze, richtig?" Auf Colemans Antwort, die die Presse nicht hören konnte, lachte Trump. Einem anderen Kind wünschte Trump: "Habe ein tolles Weihnachten, und wir reden wieder miteinander. Ok?" First Lady Melania wünschte einem weiteren Anrufer, dass seine Träume wahr werden würden. Sie freute sich später über die Aktion: "Kindern im Land beim Verfolgen von Santa zu helfen wird eine meiner Lieblingstraditionen", twitterte Melania Trump. Der sogenannte Santa-Tracker wird vom Nordamerikanischen Luftverteidigungskommando (Norad) organisiert, und zwar schon seit 1955. Damals war in einer Zeitungsanzeige für eine Anrufaktion für Kinder versehentlich eine falsche Telefonnummer angegeben worden: Die Anrufe landeten bei der für die USA und Kanada zuständigen Luftabwehr. Um die Kinder nicht zu enttäuschen, wies der damalige Kommandeur seine Mitarbeiter an, die angebliche Reise des Weihnachtsmanns auf den Radarschirmen zu verfolgen und die Kinder auf dem Laufenden zu halten. Neben der Telefon-Hotline können Kinder heutzutage auch im Internet auf einer eigens programmierten Norad-Seite die Tour des Weihnachtsmanns in seinem Schlitten verfolgen. Auch, dass eine Haushaltssperre in den USA derzeit Teile des Regierungsapparats lahmlegt, beeinträchtigte die Weihnachtsaktion nicht. Das Luftverteidigungskommando hatte klargestellt, dass die Tradition auch bei einem sogenannten Shutdown fortgeführt werde. Wegen des Haushaltsstreits hat Trump seine geplante Reise in seinen Privatclub Mar-a-Lago in Florida verschoben und war am Heiligen Abend im Weißen Haus geblieben. Bevor der Präsident sich gemeinsam seiner Frau an die Telefone begab, saß er am 24. Dezember, wie er selbst mitteilte "ganz allein (ich Armer)" im Weißen Haus und hielt Amerika mit einer ganzen Reihe von Twitterbotschaften in Atem. Unter anderem beschwerte er sich über den Widerstand der Demokraten gegen den Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko - der von Trump selbst entfachte Streit darüber hatte zum Shutdown geführt. Er schob der US-Notenbank die Schuld an der Talfahrt an den amerikanischen Börsen zu ("Das einzige Problem, das unsere Wirtschaft hat, ist die Fed"). Und er zeigte sich überzeugt: "Amerika wird wieder respektiert." Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version stand, dass Trump mit einem Jungen telefoniert habe. Das ist falsch: Statt Coleman heißt das Mädchen Collman. | Eigentlich wollte sich die Siebenjährige wohl nur erkundigen, wo sich Santa Claus auf seiner Geschenketour gerade befindet. Doch im Gespräch mit dem US-Präsidenten musste sie sich einer grundsätzlicheren Frage stellen. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/trump-weihnachtsmann-norad-1.4265478 | Trump sät Zweifel an der Existenz von Santa | 00/12/2018 |
Lassen sich Katastrophen wie jene in Indonesien vorhersehen? Vulkanologe Jacques-Marie Bardintzeff erklärt, warum der Krakatau so gefährlich ist - und warum die Behörden zu Recht weiter zur Vorsicht mahnen. Der Krakatau in Indonesien ist wieder erwacht: Nach dem jüngsten Ausbruch des Vulkans hat ein Tsunami an den Stränden Sumatras und Javas mehrere Hundert Menschen getötet. Noch immer werden Leichen aus den Trümmern geborgen. Indonesien trauert um seine Toten und blickt mit Schrecken auf einen Vulkan, der einst, im Sommer des Jahres 1883, eine der größten Naturkatastrophen der Neuzeit ausgelöst hatte. Damals starben Zehntausende Menschen. Der französische Vulkanologe Jacques-Marie Bardintzeff von der Université Paris-Sud erklärt, was von diesem Vulkan noch alles zu erwarten ist. SZ: Herr Bardintzeff, haben die Menschen in Indonesien nun das Schlimmste überstanden oder müssen sie weiterhin Angst haben? Der Vulkan ist schon seit einigen Wochen wieder aktiv, in den vergangenen Tagen hat sich das noch verstärkt. Das ganze Gebäude des Vulkans ist instabil, sodass in den kommenden Tagen erneut ein Tsunami auftreten kann. Das muss nicht so passieren, aber es ist eine Möglichkeit. Deshalb ist es richtig, dass die indonesischen Kollegen jetzt zur Vorsicht mahnen und die Menschen warnen, an die Küsten zu gehen. Sie müssen sich vom Strand in diesen Gebieten fernhalten. Wissen Sie denn schon, wie dieser Tsunami genau zustande gekommen ist? Sowohl seismische als auch vulkanische Aktivitäten können so einen Tsunami auslösen. Im Fall des Krakatau gab es zuerst eine Eruption, die einen Erdrutsch an der Flanke ausgelöst hat. Die Gesteinsmassen rutschten unter die Wasseroberfläche und lösten so die Welle aus. Wie das genau im Einzelnen abgelaufen ist, ist schwer zu sagen. Womöglich hat es eine sogenannte "phreatomagmatische Explosion" gegeben. Sie entsteht zum Beispiel, wenn heißes Magma auf das Wasser des Ozeans trifft. Das erzeugt gewaltigen Dampf und setzt eine enorme Energie frei. Gut möglich, dass dabei auch Teile des Vulkanberges abgerutscht sind. Es ist schwer zu sagen, was genau unter Wasser in solchen Momenten passiert. Kann man Menschen vor solchen Gefahren nicht rechtzeitig warnen? Das ist wirklich nicht einfach. Die Distanz zwischen Vulkan und Strand ist ja nur sehr gering, wir reden hier von 30 bis 50 Kilometern, da kommt so eine Welle sehr schnell am Strand an, das dauert kaum eine halbe Stunde. Zwischen Ursache und Wirkung liegt nur wenig Zeit. Das macht es schwer, Menschen zu schützen, zumal solche Ereignisse sehr schwer vorherzusehen sind. Könnte es sein, dass dieser Vulkan, den sie das "Kind des Krakatau" nennen, genauso verheerend ausbrechen wird wie damals, im Sommer 1883, als der ganze Berg explodierte, riesige Tsunamis die Küsten trafen und Zehntausende Menschen starben? Es ist unmöglich, das zu wissen. Vielleicht macht der Krakatau noch einige Wochen so weiter wie jetzt und kommt dann wieder für ein paar Jahre zur Ruhe. Oder auch nicht. Es kann schon wieder etwas Ähnliches passieren wie 1883. Vielleicht in einem Jahr, in zehn Jahren oder in hundert Jahren. Wir können nicht wissen, was alles in der Magmakammer unter dem Krakatau passiert. Wir wissen nur: Dies ist ein gefährlicher Vulkan, dem man mit großer Vorsicht begegnen muss. | Lassen sich Katastrophen wie jene in Indonesien vorhersehen? Vulkanologe Jacques-Marie Bardintzeff erklärt, warum der Krakatau so gefährlich ist - und warum die Behörden zu Recht weiter zur Vorsicht mahnen. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/indonesien-tsunami-vulkan-ausbruch-1.4265467 | Tsunami in Indonesien: Experte warnt vor neuem Tsunami | 00/12/2018 |
Nachdem Teile der Küste von Indonesien in der Nacht zum Sonntag von einem Tsunami überflutet wurden, ist die Zahl der Toten inzwischen auf mindestens 373 gestiegen. Mehr als 1500 Menschen wurden verletzt, teilte Katastrophenschutzsprecher Sutopo Purwo Nugroho am Montag mit. Es würden außerdem noch mindestens 128 Personen vermisst. Hunderte Militärangehörige und Freiwillige suchten auf trümmerübersäten Stränden nach Überlebenden. "Die Zahl der Opfer und der Schäden wird weiter ansteigen", sagte Nugroho, nachdem die Behörde die Zahl der Toten angehoben hatte. Rettungskräfte waren bei regnerischem Wetter mit schwerem Gerät im Einsatz, um in den betroffenen Gebieten Trümmer zu entfernen. Indonesiens Präsident Joko Widodo wird am Montag in der Unglücksregion erwartet. Hingga 23/12/2018 pukul 07.00 WIB, data sementara dampak tsunami di Selat Sunda: 43 orang meninggal dunia, 584 orang luka-luka dan 2 orang hilang. Kerugian fisik meliputi 430 unit rumah rusak berat, 9 hotel rusak berat, 10 kapal rusak berat dan puluhan rusak. pic.twitter.com/IfKnx29QKA — Sutopo Purwo Nugroho (@Sutopo_PN) 23. Dezember 2018 Nugroho berichtete außerdem, dass mindestens 700 Gebäude, 420 Schiffe und unzählige Autos beschädigt wurden und verbreitete Videoaufnahmen der Zerstörungen. Mit am schlimmsten betroffen war die Region Pandeglang in der Provinz Banten auf Java mit beliebten Stränden und dem Ujung Kulon Nationalpark. Im nördlich davon gelegenen Sumatra flüchteten Hunderte Einwohner der Stadt Bandar Lampung in die Residenz des Gouverneurs. Es gebe "bisher keine Hinweise auf betroffene Deutsche", teilte das Krisenreaktionszentrum des Auswärtigen Amtes auf Twitter mit. Die Botschaft bemühe sich, "darüber schnellstmöglich Gewissheit zu erhalten". Reisende würden gebeten, "Anweisungen von örtlichen Sicherheitskräften Folge zu leisten", hieß es weiter. Laut der Indonesischen Agentur für Geophysik war die Ursache für die Katastrophe vermutlich ein Ausbruch des Vulkans Anak Krakatau, der wiederum einen Unterwasser-Erdrutsch zur Folge hatte. Die Meerenge, in der der Vulkan liegt, verbindet die Inseln Java und Sumatra mit dem Indischen Ozean. Der Ausbruch sei um 21.03 Uhr Ortzeit erfolgt. Die Welle habe Indonesien 24 Minuten später erreicht, teilten die staatlichen Geologen mit. Der Anak Krakatau gehört zu den aktivsten Vulkanen der Erde. Verschlimmert wurde die Situation dadurch, dass gleichzeitig Flut herrschte, wie Sutopo Nugroho erklärte. Einige der am heftigsten getroffenen Gegenden befinden sich in Banten, wo es viele Strandunterkünfte für Touristen gibt. Angesichts der Urlaubssaison herrscht dort Hochbetrieb. Schwere Tsunami-Schäden wurden unter anderem vom Urlauberstrand Carita gemeldet. Im Internet kursieren außerdem Filmaufnahmen vom Auftritt der indonesischen Band Seventeen unter einem Zelt am Strand. Zwischen zwei Songs, während der Schlagzeuger noch spielt, stürzte die Bühne plötzlich nach vorn und schleuderte die Band mit ihren Instrumenten ins Publikum. Das Management teilte mit, der Bassist und ein Manager der Band seien tot geborgen worden. Drei weitere Bandmitglieder sowie die Frau des Sängers würden vermisst. Merkel und Steinmeier äußern Anteilnahme Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) haben dem indonesischen Präsidenten Joko Widodo ihre Anteilnahme ausgesprochen. "Unser besonderes Mitgefühl gilt den Angehörigen der Opfer sowie den vielen Verletzten", schrieb Merkel in einem Kondolenztelegramm. Steinmeier schrieb an Widodo, er sei von tiefer Trauer erfüllt: "Ich möchte Ihnen, auch im Namen meiner Landsleute, meine tief empfundene Anteilnahme aussprechen." Ende September erst starben in der Region nach einem Erdbeben mit anschließendem Tsunami mehr als 2100 Menschen. Betroffen waren vor allem die Stadt Palu auf der Insel Sulawesi östlich von Borneo. Besonders verheerend war der Tsunami vom Dezember 2004: Damals starben in den Anrainerstaaten um den Indischen Ozean rund 220 000 Menschen, allein 168 000 davon in Indonesien. Ausgelöst worden war diese Katastrophe durch ein Seebeben der Stärke 9,1 vor der Küste von Sumatra. Anm. d. Redaktion: In einer früheren Version dieses Textes war noch von der südkoreanischen Band Seventeen die Rede. Das ist falsch. Bei der Band in den genannten Videos handelt es sich um eine indonesische Band gleichen Namens. Wir haben den Fehler korrigiert. | Etwa 1500 Menschen wurden verletzt, knapp 130 gelten als vermisst. Die Behörden rechnen damit, dass die Opferzahlen noch steigen. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/tsunami-indonesien-vulkanausbruch-naturkatastrophe-1.4264245 | Tsunami in Indonesien - Mindestens 373 Tote | 00/12/2018 |
Die Eruption vom 27. August 1883 erzeugte den lautesten Knall, den Menschen jemals in der jüngeren Geschichte registrierten. Noch in 5000 Kilometern Entfernung war das Donnern zu hören, als der legendäre Vulkan Krakatau in die Luft flog und Verderben über die Menschen brachte. Der Ausbruch aber war weder Anfang noch Ende einer äußerst explosiven Geschichte, wie Indonesien in der Nacht zum Sonntag leidvoll erfuhr. Das Grauen des Krakatau ist zurück, wieder haben die Naturgewalten viele Menschen in den Tod gerissen. Aus der Asche des alten Vulkans war damals schon bald ein neuer geboren worden, sie nannten ihn "Anak Krakatau", das Kind des Krakatau. Dieser Jüngling, der im Laufe des 20. Jahrhunderts in der Meerenge zwischen den Inseln Sumatra und Java allmählich heranwuchs, eifert nun dem Vater nach und beweist zerstörerische Kraft. Um 21.03 Uhr brach der Anak Krakatau am Samstag aus, 24 Minuten später traf eine Flutwelle auf die Strände, die die Bewohner der Millionenmetropole Jakarta gerne als Ausflugsziel am Wochenende ansteuern. Wie ahnungslos sie waren, zeigt ein Video von einem Rockkonzert der lokalen Band Seventeen an der Westspitze von Java. Man sieht, wie die Musiker mit ihren Gitarren über die Bühne hüpfen, es herrscht gute Stimmung unter dem Zeltdach am Strand, der Schlagzeuger drischt auf seine Trommeln ein, die Nebelmaschine bläst Rauch in die Luft. Dann kommt das Wasser. Die Flut bricht von hinten über die Bühne herein, sie spült zuerst die Musiker und Instrumente weg und rauscht weiter durch die Reihen der Gäste, die um ihr Leben zu laufen beginnen. Dann bricht das Video ab. Der Bassist und der Manager überlebten den Abend nicht, wie der Bandleader am Sonntag auf Instagram schrieb. Auch viele andere Menschen an den Stränden haben sich nicht retten können. Mehr als 400 Menschen starben, etwa 1500 wurden verletzt. Das indonesische Fernsehen zeigte Bilder von verwüsteten Häusern und Schuttbergen entlang der Küste, die Behörden rechneten mit einem weiteren Anstieg der Opferzahlen. Dass ein Tsunami durch einen Vulkanausbruch entsteht, ist extrem selten "Diese Art Katastrophe ist nur schwer vorherzusehen", sagt Tsunami-Experte Jörn Lauterjung vom Deutschen Geoforschungszentrum in Potsdam am Telefon. "Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ist diese Flutwelle durch abgerutschte Flanken des Vulkans oder Erdrutsche unter der Meeresoberfläche ausgelöst worden." Ein Erdbeben war diesmal also nicht die Ursache. "Aus den Aufzeichnungen der letzten hundert Jahre weiß man, dass Tsunamis als Folge von Vulkanausbrüchen nur etwa fünf Prozent der Fälle ausmachen, 90 Prozent werden durch Erdbeben ausgelöst." Seit der Katastrophe von 2004, als durch eine riesige Flutwelle im Indischen Ozean mehr als 230 000 Menschen starben, ist ein Frühwarnsystem für Tsunamis installiert, die durch Erbeben ausgelöst werden. Doch sie schlagen bei Vulkanausbrüchen nicht an. Einen Alarm gab es diesmal also nicht, Lauterjung hat auch Zweifel, ob ein solcher im aktuellen Fall viel genützt hätte. "Dafür müsste man Sensoren am Meeresboden anbringen, bei den kurzen Distanzen vom Vulkan zur Küste hätte man aber nur eine Vorwarnung von ganz wenigen Minuten gehabt, wenn überhaupt. Und so etwas überall zu installieren, kostet viel Geld." Am Samstag war Vollmond, deshalb war die Flut ohnehin besonders stark. Das wirkte sich vermutlich auch auf die Höhe des Tsunamis aus, wie Katastrophenschützer Sutopo Purwo Nugroho erklärte. Gleichwohl war die Welle viel kleiner als jene im Oktober, die den Ort Palu auf der weiter östlich gelegenen Insel Sulawesi verwüstete. Am Samstagabend betrug die Höhe in Java etwa einen Meter. Doch das reichte, um eine große Zahl von Menschen zu töten, an den Stränden und in ufernahen Behausungen sind alle sehr verwundbar, wenn es keine Vorwarnung gibt. "Dieses Land trifft es schon besonders hart", sagt Lauterjung. Allein die Katastrophen dieses Jahres: die Erbeben von Lombok im Sommer, der Tsunami auf Sulawesi und nun auch noch der Ausbruch des Sohnes des Krakatau. Und doch ist das alles weit entfernt von den Verheerungen, die der Vatervulkan 1883 über die Menschen brachte. In 64 Kilometern Entfernung notierte damals der Kapitän des britischen Schiffes Norham Castle: "So gewaltsam sind die Explosionen, dass meiner halben Crew die Trommelfelle geplatzt sind." Der Ausbruch löste gewaltige Tsunamis aus, man nimmt an, dass mehr als 36 000 Menschen starben. Der Kapitän schrieb ins Logbuch: "Ich bin überzeugt, der Tag des Jüngsten Gerichts ist gekommen." | Als der Ur-Vulkan zwischen Java und Sumatra im Jahr 1883 explodierte, war der Donner noch in 5000 Kilometer Entfernung zu hören. Nun hat der "Sohn des Krakatau" neues Leid gebracht. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/tsunami-indonesien-vulkanausbruch-krakatau-1.4264485 | Indonesischer Vulkan - Grauen des Krakatau ist zurück | 00/12/2018 |
Eine Weihnachtsfeier der Zentralen Polizeidirektion Niedersachsen (ZPD) in Hannover ist aus dem Ruder gelaufen. Unter anderem wurde eine Geldkassette mit mehreren 100 Euro gestohlen, und eine Mitarbeiterin erlitt offenbar durch einen Flaschenwurf eine Platzwunde am Kopf. Auch am Sonntag war die gestohlene Geldkassette nach Polizeiangaben noch nicht wieder aufgetaucht. "Die Vorfälle haben für Betroffenheit gesorgt und werden jetzt untersucht", sagte Sprecher Karsten Wolff am Samstag. Bei der Weihnachtsfeier Mitte Dezember gab es demnach mehrere Zwischenfälle mit betrunkenen Beamten, eine Verletzte und eine Diebstahlanzeige. "Das haben wir so noch bei keiner Weihnachtsfeier erlebt, besonders die Verletzung der Kollegin und der Diebstahl machen sehr betroffen", sagte Wolff. Das Organisationsteam der Feier mit mehreren hundert Teilnehmern hatte sich am Donnerstag in einem Aushang über die Zwischenfälle beschwert. Demnach musste ein Kollege in den Schwitzkasten genommen werden, um eine Prügelei zu verhindern. Junge Polizisten hätten sich Kochsalzlösung gespritzt, damit der Schnaps am nächsten Morgen keinen Brummschädel verursacht. Ein Polizist habe gegen eine Feuerhütte gepinkelt und sei anschließend in den Dreck gestürzt. Zudem wurde ein Außenspiegel am Auto des DJs beschädigt - und eben die Geldkassette an einem Verkaufsstand gestohlen sowie die Mitarbeiterin verletzt. Einige wenige Täter hätten die gesamte Veranstaltung in Misskredit gebracht, sagte Wolff. Die Polizei habe eine Vorbildfunktion und könne derartige Vorfälle nicht dulden. Die Vorwürfe würden daher genau untersucht, Befragungen von Kollegen seien jedoch wegen der Ferientage derzeit schwierig. Eines sei aber jetzt schon klar, sagte Wolff: "Die Organisatoren werden die nächste Weihnachtsfeier nicht mehr in diesem Rahmen ausrichten." Er schloss disziplinarrechtliche oder auch strafrechtliche Konsequenzen nicht aus. | Bei der Polizei in Niedersachsen ist eine Weihnachtsfeier mal so richtig aus dem Ruder gelaufen. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/polizei-schoene-bescherung-1.4264489 | Schöne Bescherung | 00/12/2018 |
Das U-Boot, auf dem 2017 die schwedische Journalistin Kim Wall getötet wurde, ist nach einem Bericht der Zeitung Ekstra Bladet demontiert worden. Der Erbauer des Bootes, der dänische Erfinder Peter Madsen, war im September wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Das Gericht hatte auch angeordnet, dass das 18 Meter lange U-Boot zerstört werden müsse. Wall hatte über Madsen eine Reportage schreiben wollen. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Madsen die Frau aus sexuellem Motiv in dem U-Boot folterte und nach ihrem Tod zerstückelt über Bord warf. | Das Boot, auf dem Kim Wall starb, ist auf Anordnung eines Gerichts zerlegt worden. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/daenemark-madsens-u-boot-zerstoert-1.4264491 | Madsens U-Boot zerstört | 00/12/2018 |
Auch in Deutschland sind Zwischenfälle mit Drohnen an Flughäfen ein wiederkehrendes Problem. Auf dem Bild fliegt eine private Drohne in weiter Entfernung von einem Flugzeug, das im Anflug auf den Flughafen Düsseldorf ist. Das Ehepaar, das die Polizei nach Störkaktionen mit Drohnen am Londoner Flughafen Gatwick am Freitagabend festgenommen hat, ist wieder frei. Sie stünden nicht mehr unter Verdacht, den Flugverkehr lahmgelegt zu haben, teilten die Beamten der Grafschaft Sussex am Sonntag mit. Der 47-Jährige und die 54-Jährige aus der benachbarten Stadt Crawley hätten voll mit der Polizei kooperiert. Weil Drohnen über dem Gelände von Gatwick geflogen waren, musste der Flugbetrieb aus Sicherheitsgründen seit vergangenen Mittwochabend mehrfach eingestellt werden. Etwa 40 Drohnen seien nach Angaben der Beamten gesichtet worden. Rund tausend Flüge fielen deshalb aus, etwa 140 000 Fluggäste waren von dem Chaos in der Vorweihnachtszeit betroffen. Kein Hinweis auf einen terroristischen Hintergrund Der zweitgrößte Flughafen der britischen Hauptstadt hatte erst am Freitagmorgen den Betrieb wieder aufgenommen, nachdem dieser zuvor 36 Stunden lang unterbrochen worden war. Am Samstag normalisierte sich die Lage allmählich. Von einem terroristischen Hintergrund gingen die Behörden bislang nicht aus. Es gebe auch keine Hinweise darauf, dass eine ausländische Regierung ihre Finger im Spiel habe, sagte ein Polizeisprecher am Freitag. Nicht ausschließen wollten die Ermittler, dass es sich bei den Tätern um radikale Umweltschützer handeln könnte. Auch in Deutschland sind Zwischenfälle mit Drohnen ein wiederkehrendes Problem. In den vergangenen Monaten haben sie sogar deutlich zugenommen: So wurden nach Angaben der Deutschen Flugsicherung bis einschließlich November 152 Fälle gemeldet, bei denen Verkehrsflieger durch Drohnen behindert wurden, die gefährlich nah an Flughäfen oder auf der Strecke auftauchten. Im bisherigen Rekordjahr 2017 waren es nur 88 gewesen. | Tagelang legten Drohnen über dem Flughafen Gatwick den Verkehr lahm, etwa 1000 Flüge fielen aus. Ein festgenommenes Ehepaar steht nun nicht mehr unter Verdacht. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/drohnen-am-flughafen-gatwick-ehepaar-nicht-mehr-unter-verdacht-1.4264749 | Drohnen über Gatwick: Verdächtige sind wieder frei | 00/12/2018 |
Mark ist 14, als sein Vater seine Mutter umbringt. Mit 17 lebt er nur noch auf Dächern und Bäumen. Bis er eines Tages tot aufgefunden wird. Wie konnte es so weit kommen? Eine Rekonstruktion. Der Mann war mit dem Hund rausgegangen, es war ein trockener Samstag Ende April. Er ging durch Windberg im Norden von Mönchengladbach, wo sich Gärten an Backstein reihen, vorbei an Mehrfamilienhäusern, vorbei an Reihenhäusern, drei Stockwerke hoch, selten höher. An der Ecke Klagenfurter Straße/Am Steinberg blieb er stehen. Er schaute nach oben, Richtung Himmel, ins Geäst. Es war um die Mittagszeit, und er sah sich dem Tod gegenüber. | Mark ist 14, als sein Vater seine Mutter umbringt. Mit 17 lebt er nur noch auf Dächern und Bäumen. Bis er eines Tages tot aufgefunden wird. Wie konnte es so weit kommen? Eine Rekonstruktion. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/jahresrueckblick-toter-junge-im-baum-moenchengladbach-1.4028659 | Der tote Junge im Baum: Mark S. aus Mönchengladbach | 00/12/2018 |
Als der indische Prinz Manvendra Singh Gohil vor zwölf Jahren öffentlich machte, dass er Männer liebt, schlug ihm Hass entgegen, seine Eltern enterbten ihn. Zu Besuch bei einem, der sich den Respekt neu erkämpft hat. Jeden Morgen malt der Prinz das rote Siegeszeichen auf seine Stirn. "Ich stamme aus einem Geschlecht von Kriegern", sagt Manvendra Singh Gohil. "Meine Vorfahren haben das Blut von Opfertieren genommen, um das Zeichen zu machen. Aber ich bin auch Tierrechtsaktivist, deshalb benutze ich pflanzliche Farbe." Ein Nachmittag in einer Kaffeehauskette in Mumbai. Die Kinder der Mittelschicht trinken Latte Macchiato, die schlecht bezahlten Wachmänner schwitzen in ihren Uniformen, und Manvendra Singh Gohil, der einzige offen schwule Prinz Indiens, erzählt von seinen nie enden wollenden Kämpfen. "80 Prozent der schwulen Männer in Indien sind verheiratet. Ihre Familien zwingen sie dazu." Seit seinem Coming-out vor zwölf Jahren kämpft er gegen Heuchelei und Ignoranz. Dabei nutzt er das Prestige seiner Familie, die ihn öffentlich verstoßen hat - für eine gewisse Zeit. Manvendras Familie herrschte 650 Jahre lang über das Fürstentum Rajpipla im westindischen Bundesstaat Gujarat. Dann kam die Unabhängigkeit, und die politische Macht der Maharadschas war dahin. 1971 schaffte Premierministerin Indira Gandhi auch die offiziellen Adelstitel ab. Eine Institution ist die Familie Gohil offenbar geblieben. Egal ob es um Ehestreitigkeiten geht oder Probleme mit dem Bau einer neuen Straße - "die Leute kommen lieber zu mir als zu einem Richter oder einem Politiker", sagt der 53-Jährige, der zwischen dem Familienpalast in Gujarat und seinen beiden Wohnungen in Mumbai pendelt. Es gibt immer noch religiöse Zeremonien, die nur der alte Maharadscha und sein Sohn vollziehen dürfen. Ein Feuerritual zum Beispiel, mit dem das Böse aus der Welt vertrieben wird. Coming-out mit Anfang vierzig "Ich bin der Hüter des kulturellen Erbes", sagt der Prinz und nimmt einen Schluck Cappuccino. Und dieser Hüter teilte eines Tages der verblüfften Öffentlichkeit mit, dass er Männer liebt. Er gab einer Lokalzeitung ein Interview - die Zeitung sei erzkonservativ und Hindu-fundamentalistisch, sagt Gohil, aber der Artikel sei sehr wohlwollend gewesen. 2006 war das, der Prinz war Anfang vierzig und hatte eine gescheiterte, von den Eltern arrangierte Ehe mit einer Prinzessin hinter sich. Seine Hoffnung, in der Ehe irgendwie doch noch heterosexuell zu werden, hatte sich zerschlagen. Im indischen Strafrecht stand ein Paragraf, der schwulen Sex unter Strafe stellte. Und das ehemalige Fürstentum Rajpipla stand kopf. Die Menschen verbrannten das Abbild des Mannes, den sie zuvor verehrt hatten. "Ich wurde symbolisch ins Feuer geworfen, als Verkörperung der Sünde." Seine Eltern schalteten Zeitungsanzeigen, in denen sie sich von ihrem Sohn lossagten und ihn enterbten. Das sei auf Druck anderer Adelsfamilien geschehen, sagt Gohil. Denn in dem Coming-out-Artikel, der in ganz Indien für Schlagzeilen sorgte, sagte er: "Ich bin der erste schwule Prinz, der sich outet. Aber ich bin nicht der einzige." In Indien kämpfen Schwule, Lesben und Transgender um gesellschaftliche Akzeptanz, und langsam verändert sich was. Vor dreieinhalb Monaten hat der Oberste Gerichtshof das 150 Jahre alte Strafgesetz, das "fleischlichen Verkehr wider die Regeln der Natur" unter Strafe stellte, für verfassungswidrig erklärt. Schwule und Lesben feierten auf den Straßen von Mumbai, Delhi und Bangalore. Selbst in kleineren Städten gibt es die ersten Feiern zum Christopher Street Day, und in Mumbai liefen vergangenes Jahr zum ersten Mal die Eltern schwuler und lesbischer Kinder bei der Pride-Parade mit. Trauriger Alltag auf dem Land Doch die Entkriminalisierung durch den Gerichtshof, sagt Gohil, ist erst der Anfang eines langen Weges. Der Alltag, vor allem auf dem Land, sei immer noch traurig. "Wer sich in der Familie outet, muss damit rechnen, verstoßen zu werden." In Indien, wo Kinder bis ins Erwachsenenalter bei den Eltern wohnen, heißt das im Zweifelsfall: Man landet auf der Straße. Wer im Büro als Schwuler oder als Lesbe ausgemacht wird, habe keine Chance mehr aufzusteigen. "Warum brauchen Sie eine Beförderung, Sie haben doch keine Frau!", bekämen schwule Männer zu hören. Detailansicht öffnen "Ich stamme aus einem Geschlecht von Kriegern", sagt Manvendra Singh Gohil. (Foto: Hemant Bhavsar/CC BY-SA 3.0) Gohil spricht mit indischen Firmenchefs und wirbt für mehr Offenheit. Der Mann, der offiziell keine Macht mehr hat, sagt von sich selbst: "Ich habe gelernt, die Sprache der Politiker zu sprechen, um meine Ziele zu erreichen." Kürzlich erst habe er einem Abgeordneten vorgerechnet, wie viele Wählerstimmen er verliert, wenn Transgender-Menschen nicht als vollwertige Bürger registriert werden. Gohil hilft Politikern beim Wahlkampf - wenn die ihn dafür bei seinen Projekten unterstützen. Die Parteizugehörigkeit ist ihm dabei egal. In Gujarat hat der Prinz schon vor 18 Jahren, also noch vor seinem Coming-out, die Lakshya-Stiftung gegründet, die Aids-Aufklärung betreibt, für Transgender, schwule Männer und, ja: auch deren Ehefrauen. Die regierende Partei BJP, in Deutschland vor allem bekannt für ihren schrillen Hindu-Nationalismus, unterstützt ihn bei seiner Arbeit, auch finanziell, sagt Gohil - "und die wissen genau, dass ich schwul bin". Er nennt das "ein weiteres Paradox in meinem Land". Sein Traum: das erste Zentrum für Schwule in Indien Inzwischen verträgt Manvendra Singh Gohil sich wieder mit seiner Familie. Die Menschen in dem Reich, das nicht mehr sein Reich ist, respektieren ihn heute, sagt er. Wie das? "Es hat sicher mit der Entscheidung des Gerichtshofs zu tun. Und mit Oprah Winfrey." Die amerikanische Talkmasterin hatte den entehrten Thronerben 2007 auf ihr Sofa eingeladen. Manvendra Singh Gohil trug sein Geschmeide und einen lila Turban. "Was haben Sie in der Hochzeitsnacht gemacht?", fragte Oprah. "Haben Sie zu Ihrer Braut gesagt: Ich habe Kopfschmerzen!?" Das Publikum lachte. Der Prinz schaute kurz betreten, lachte dann auch und sagte: "Ja, das habe ich gesagt!" Er sei der erste indische Adelige in der berühmtesten Talkshow der Welt gewesen, und überhaupt erst der dritte Inder, dem die Ehre zuteil wurde, sagt Gohil. Das habe den Erzürnten in der Heimat enormen Respekt eingeflößt. Sein Vater hat ihm jetzt ein 60 Quadratkilometer großes Grundstück überlassen, damit der Sohn seinen Traum verwirklichen kann: ein Zentrum für Schwule, Lesben und Transgender, das erste überhaupt in Indien - und mitten auf dem Land. Menschen, die von ihrer Familie verstoßen wurden, sollen dort ein neues Zuhause finden. Es soll ein Bildungszentrum geben, wo sie einen Beruf erlernen können. Und wer Lust hat, kann auf dem riesigen Gelände auch Gemüse anbauen oder im Fluss Fische fangen. Also eine Art queerer Ashram? Der Prinz schüttelt den Kopf. "Ich kenne einige Ashrams, wo sie Alkohol trinken und Prostitution treiben. Und nach außen behaupten sie, vollkommen asketisch zu leben." Sein Zentrum dagegen werde ein Ort der Ehrlichkeit sein. "Wir sind Männer, die Männer begehren. Wir sind Frauen, die Frauen begehren. Wir stehen dazu, dass wir auch Sex haben wollen." | Als der indische Prinz Manvendra Singh Gohil vor zwölf Jahren öffentlich machte, dass er Männer liebt, schlug ihm Hass entgegen, seine Eltern enterbten ihn. Zu Besuch bei einem, der sich den Respekt neu erkämpft hat. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/maharadscha-indien-homophobie-1.4262944 | Indien: Der schwule Maharadscha | 00/12/2018 |
Die spanische Milliardenlotterie "El Gordo", übersetzt: "Der Dicke", hat am Samstag die Besitzer von Losen mit der Nummer 03347 reich gemacht. Bei dem Weihnachtsglücksspiel wurden in diesem Jahr insgesamt 2,4 Milliarden Euro ausgespielt. Das Fernsehen zeigte Sieger, die mit knallenden Sektkorken, Trommeln und spontanen Tänzchen ihr Glück feierten. Anders als in den Vorjahren verteilen sich die Erlöse der "Lotería de Navidad" in diesem Jahr auf fast alle Provinzen des Landes. "Ich kann es nicht fassen und bin total aufgeregt", jubelte eine Glückliche in die Fernsehkameras. "Das wird ein tolles Weihnachtsfest." Besonders viel Geld gab es in Huesca in der Region Aragonien mit 120 Millionen Euro und in einem Einkaufszentrum in Cuenca in der Region Kastilien-La Mancha, wo Kunden insgesamt 88 Millionen Euro gewannen, wie spanische Medien berichteten. Auch Bilbao und Gernika im Baskenland gehörten zu den großen Gewinnern der diesjährigen Lotterie. "Das ist ein echter Traum", freute sich Lotto-Verkäuferin Alba im galicischen Ort Teo, wo ebenfalls ein Teil des "Gordo" verteilt wird. "Wenn die Leute ihr Los kaufen, dann versprechen sie dir alles Mögliche im Falle eines Gewinns - sogar Reisen in die Karibik. Da wollen wir mal abwarten", erklärte sie. Erstaunen herrschte im Örtchen Manises in der Provinz Valencia, wo "El Gordo" seit 2012 bereits zum dritten Mal zuschlug. "Das ist völlig verrückt, wir sind geschockt und sprachlos", sagte ein Angestellter des Lottogeschäfts der Nachrichtenagentur Europa Press. Dabei ließ "der Dicke" dieses Mal lange auf sich warten. Erst um 12.35 Uhr - nach mehr als dreieinhalbstündiger Ziehung - sang die kleine Lottofee Carla García in der Madrider Oper die fünfstellige Nummer des Hauptgewinns vor: 03347. Die Gewinnsumme beläuft sich auf vier Millionen Euro für ein ganzes Los. "El Gordo" wird gleich 170 Mal vergeben, da jede Losnummer 170 Mal verkauft wird. Die meisten Spanier schließen sich traditionell zu Tippgemeinschaften unter Freunden, Kollegen, Nachbarn oder sogar ganzen Dörfern zusammen, weil der Spaß nicht billig ist: Ein ganzes Los kostet immerhin 200 Euro. Die meisten begnügen sich mit Zehntellosen, so dass sehr viele Menschen in den Genuss von zumeist kleineren Geldgewinnen kommen. Auch immer mehr Deutsche nehmen an der berühmten Lotterie teil. Die Losnummern und die entsprechende Gewinnsumme wurden wie immer singend von Schülern des Internats San Ildefonso vorgetragen. Einige Kinder hatten Tränen in den Augen angesichts der großen Ehre, bei "El Gordo" dabei sein zu dürfen. Ein Millionenpublikum verfolgte die mehr als vierstündige Ziehung im Teatro Real wie immer live in Kneipen, Cafés oder daheim vor den TV-Schirmen. Die Weihnachtslotterie, die es schon seit über 200 Jahren gibt, gilt nicht nur als die älteste, sondern - gemessen an der ausgespielten Gesamtsumme - auch als die größte der Welt. Der größte Gewinner der Lotterie steht allerdings schon vorher fest: das Finanzamt. Der spanische Staat kassiert allein 30 Prozent aus den Verkaufserlösen. In diesem Jahr war die Summe erhöht worden, ab der Steuern bezahlt werden müssen: Statt wie bisher bei Gewinnen ab 2500 Euro werden nun erst ab 10 000 Euro Abgaben fällig. Experten des spanischen Finanzministeriums rechneten vor, dass der Staat dieses Mal 188,7 Millionen Euro aus Lotterie-Steuern einnimmt, sechs Prozent weniger als im Vorjahr. | Spanien zelebriert die größte Weihnachtslotterie der Welt, die Sieger feiern im Fernsehen. Der Gesamtgewinn von 2,4 Milliarden Euro verteilt sich über das ganze Land. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/spanien-lotterie-gordo-1.4264150 | El Gordo Lotterie in Spanien - 03347 macht glücklich | 00/12/2018 |
Nach seiner Rückkehr von der Internationalen Raumstation ISS freut sich der deutsche ESA-Astronaut Alexander Gerst auf Weihnachten mit der Familie. Er werde nun zwei Tage zu Hause verbringen und "auch mit meiner Familie Weihnachten feiern", sagte Gerst nach seinem zweiten Raumflug bei seiner ersten Pressekonferenz in Köln. "Ich freue mich wirklich sehr, dass ich die Zeit mit meiner Familie habe". Wegen seines Langzeitaufenthalts auf der ISS habe er keine Weihnachtsgeschenke besorgen können, "aber mir ist versichert worden, darauf kommt es dieses Jahr auch nicht an", sagte der 42-Jährige. Sein Fitnessprogramm nach mehr als sechs Monaten in der Schwerelosigkeit müsse er auch an den Feiertagen fortsetzen. Daher stünden "Liegestütze unter dem Weihnachtsbaum" auf seinem Programm. Detailansicht öffnen Der kleine Joshua ist ein großer Gerst-Fan. Den Vierjährigen trieb eine Frage um: Ob "Astro-Alex" nach seiner Rückkehr schon Brokkoli gegessen habe? (Foto: Getty Images) Ein vierjähriger Junge namens Joshua hatte in Köln eine dringende Frage an Gerst: "Hast du schon Brokkoli gegessen, seit du auf der Erde bist?" Der antwortet: "Nein, ich habe viel Salat gegessen, auf Brokkoli hatte ich noch keine Hunger." Es habe sogar Brokkoli auf der ISS gegeben. "Das war eines meiner Lieblingsessen auf der Raumstation. Ist witzig, dass man Brokkoli plötzich mag, wenn man im Weltraum ist, vorher war das nicht so mein Lieblingsgericht." Auf die Frage nach möglichen Plänen für einen dritten Raumflug sagte Gerst, ein weiterer Einsatz als ESA-Astronaut sei "natürlich nicht meine Entscheidung". Er gehöre aber weiter zum europäischen Astronautencorps, "das heißt, ich stehe für Flüge zur Verfügung". Nun seien aber "erstmal wieder andere dran", fügte Gerst hinzu. Nach 197 Tagen im All war Gerst am Donnerstag in einer Sojus-Kapsel in der kasachischen Steppe gelandet. Schon bei seiner Ankunft zeigte sich der deutsche Raumfahrer nach mehr als sechs Monaten in der Schwerelosigkeit in gutem Gesundheitszustand: So konnte er die Treppe des Flugzeugs, mit dem er am Donnerstagabend nach Köln zurückkehrte, ohne Hilfe hinabsteigen. Er habe bei seinem Sportprogramm im Orbit Muskelmasse aufbauen können, sagte Gerst. Detailansicht öffnen Astronaut Alexander Gerst überreicht einem Mädchen ein Stofftier. Er sprach im Europäischen Astronautenzentrum über das Ende seiner jüngsten Weltraummission. (Foto: dpa) Hinzu komme, "dass mein Körper sich anscheinend sehr schnell an neue Umgebungen anpassen kann". Allerdings sei ihm das Sportprogramm in der Schwerelosigkeit leichter gefallen als nun auf der Erde. Zur Zeit sei er "in der Muskelkaterphase". Gerst gewöhnt sich derzeit im Europäischen Astronautenzentrum (EAC) der Europäischen Weltraumagentur ESA in Köln und im benachbarten raumfahrtmedizinischen Forschungszentrum Envihab des Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) wieder an die Erdschwerkraft. Mit Ausnahme der Weihnachtstage soll ein Ärzte- und Wissenschaftlerteam den Rückkehrer aus dem All noch bis in den Januar hinein betreuen. Während seines zweiten Langzeitaufenthaltes auf der ISS hatte der deutsche Astronaut an insgesamt etwa 200 Experimenten gearbeitet. Zum Forschungsprogramm von Gersts Mission "Horizons" zählten 65 ESA-Experimente, von denen wiederum 41 aus Deutschland stammten. Gerst hatte bereits 2014 im Zuge seiner damaligen Mission "Blue Dot" einen Langzeitaufenthalt auf der Raumstation absolviert. Insgesamt hat der als "Astro-Alex" populär gewordene Deutsche nun insgesamt 363 Tage an Bord der Raumstation verbracht. Bei seinem zweiten Raumflug Anfang Oktober übernahm er als erster Deutscher und zweiter Europäer das Kommando der ISS. | Nach 197 Tagen im All hat "Astro-Alex" seine erste Pressekonferenz in Köln gegeben. Es ging um seine Fitness, fehlende Weihnachtsgeschenke - und Brokkoli. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/astronaut-gerst-gibt-erste-pressekonferenz-1.4264092 | Astronaut Gerst gibt erste Pressekonferenz | 00/12/2018 |
Es ist mittlerweile schon Tradition im Vatikan: Kurz vor Weihnachten treffen sich Franziskus und Benedikt XVI. - und tauschen Geschenke aus. Vor fünf Jahren an Rosenmontag erklärte Benedikt XVI. seinen Rücktritt als Papst. Damals eine Sensation. Seit mehr als 700 Jahren war kein Kirchenoberhaupt diesen Schritt gegangen. Langsam hat sich die Welt daran gewöhnt, dass es zwei katholische Päpste geben kann - einen amtierenden und einen im Ruhestand. Benedikt XVI. und Franziskus haben mittlerweile selbst zwei Rituale eingeführt: den Vorweihnachtsbesuch und das Treffen vor Ostern. Am Freitagabend trafen sie sich im Kloster Mater Ecclesiae und wünschten sich frohe Weihnachten, wie der Vatikan mitteilte; dort lebt der emeritierte Papst seit seinem Amtsverzicht 2013. Fotos zeigen den 91-jährigen Benedikt XVI. und den 82-jährigen Franziskus an einem Couchtisch mit einem Adventskranz und drei brennenden Kerzen. Zuvor sollen sie Geschenke ausgetauscht haben. An den Gottesdiensten im Petersdom kann Benedikt XVI. aus Altersgründen aber nicht mehr teilnehmen. Daher feiert er mit der Hausgemeinschaft und seinem aus Regensburg angereisten Bruder Georg, 94, das Weihnachtsfest im Kloster in den Vatikanischen Gärten. | Es ist mittlerweile schon Tradition im Vatikan: Kurz vor Weihnachten treffen sich Franziskus und Benedikt XVI. - und tauschen Geschenke aus. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/papst-weihnachten-1.4264079 | Treffen von Papst Benedikt und Papst Franziskus | 00/12/2018 |
Passagiere in Gatwick warteten am Freitag erneut auf ihre Flüge, nachdem eine weitere Drohnensichtung gemeldet worden war. Die britische Polizei hat zwei Verdächtige in Zusammenhang mit den Drohnen-Störaktionen über dem Londoner Großflughafen Gatwick festgenommen. Die Zugriffe seien am Freitagabend in der Grafschaft Sussex erfolgt, teilte die Polizei in der Nacht mit. Details sollen am Samstag folgen. Sollte es sich um die Täter handeln, droht ihnen eine harte Strafe wegen gefährlichen Eingriffs in den Flugverkehr. Am Freitagabend hatte es kurz nach 18 Uhr mitteleuropäischer Zeit erneut einen Zwischenfall gegeben, bei dem eine Drohne über dem Flughafengelände gesichtet worden sei. Der Flugverkehr wurde erneut unterbrochen, dieses Mal für anderthalb Stunden. Am Samstagmorgen erklärte der Flughafenbetreiber, alle Start- und Landebahnen seien benutzbar, der Betrieb werde regulär fortgesetzt. Der zweitgrößte Flughafen der britischen Hauptstadt hatte erst am Freitagmorgen den Betrieb wieder aufgenommen, nachdem dieser zuvor 36 Stunden lang wegen der Gefahr durch umherfliegende Drohnen unterbrochen worden war. 40 Mal wurden in den vergangenen zwei Tagen Drohnen über Gatwick gesichtet. Insgesamt waren von der Störung mehr als 150 000 Reisende betroffen. Hunderte Flüge fielen aus. In den Tagen vor Weihnachten sind besonders viele Passagiere unterwegs. Nach Angaben des Guardian sollten an diesem Freitag alleine 160 000 von ihnen in Gatwick abgefertigt werden. Der Flughafen liegt südlich der britischen Hauptstadt und hat eine Kapazität von 43 Millionen Passagieren pro Jahr - das entspricht etwa derjenigen, über die der Flughafen München verfügt. Auch in Deutschland sind Zwischenfälle mit Drohnen ein Problem. Laut der Deutschen Flugsicherung wurden bis einschließlich November dieses Jahres 152 Fälle gemeldet, bei denen Verkehrsflieger durch Drohnen behindert wurden, die gefährlich nah an Flughäfen oder auf der Strecke auftauchten. | Am Freitag wurde der Flugverkehr erneut für 90 Minuten lahmgelegt. In der Nacht meldet die britische Polizei erste Festnahmen. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/londoner-flughafen-gatwick-polizei-nimmt-verdaechtige-nach-drohnen-stoeraktionen-fest-1.4263953 | Drohnen über Gatwick: Polizei nimmt Verdächtige fest | 00/12/2018 |
Helene Fischer und Florian Silbereisen Nach zehn Jahren Beziehung ist Schluss. Und wie in jedem guten Schlagersong liegen auch bei dem nun ehemaligen Traumpaar der Volksmusik Freude und Schmerz eng beieinander. Sie seien sehr traurig, dass sie ihren Lebenstraum nicht gemeinsam verwirklichen konnten, schreibt Fischer auf Facebook. "Aber ja, es gibt einen neuen Mann in meinem Leben und daraus will ich kein Geheimnis machen", schreibt sie weiter. Um wen es sich dabei handelt, verrät sie nicht. Die Bunte berichtet, Fischer sei nun mit einem Luftakrobaten liiert, der schon länger in Fischers Show auftrete. Für sie soll er seine bisherige Partnerin verlassen haben. Die ebenfalls zu Fischers Team gehören soll. | Nicht nur Helene Fischer, auch Cora Schumacher hat einen neuen Freund - und Barack Obama spielt Weihnachtsmann. Die Promis der Woche. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/promis-1.4260154 | Promis der Woche: Trennung, neue Liebe und Bescherungen | 00/12/2018 |
Bislang durfte Olivia Andrew beim Missionieren keine Hosen tragen. Auch nicht im Winter. Bislang lief "Sister Andrew", wie sie während ihrer Zeit als Missionarin genannt wird, in Rock und Strumpfhose durch den Schnee. Und fror. Die 21-Jährige gehört einer Glaubensgemeinschaft an, die sich gerade spürbar wandelt - der vor allem als "Mormonen" bekannten Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage. So wollen sie nun genannt werden. Nun, da Andrew und ihren Glaubensschwestern beim Missionieren auch das Tragen von Hosen gestattet wird. "Ich wurde von der Nachricht überrascht", sagt Andrew. Die US-Bürgerin ist gerade in Deutschland stationiert, 18 Monate lang leistet sie ihren Dienst hier ab, gerade im Raum Frankfurt. Donnerstagnacht stellten die Kirchenoberen im Hauptsitz in Salt Lake City ein Video auf ihre Website, in dem die frohe Kunde veröffentlicht wurde. Wichtiger als ihre Kleidung sei ihr die Botschaft, die sie vermittelt, sagt Andrew. "Aber natürlich freue ich mich auch über die Änderung." Für sich, weil sie sich nun wärmer kleiden kann. Und für Glaubensschwestern, die sich beim Missionieren in Röcken auch schon mal unwohl fühlen. Ein allzu großer Schritt sei der Erlass nicht, sagt Ralf Grünke, Sprecher der Glaubensgemeinschaft in Deutschland. In etwa der Hälfte der 407 Missionen weltweit hätten Missionarinnen schon Hosen tragen dürfen, aber nur zur Regenzeit, um sich vor Moskitos zu schützen. Die regionale und zeitliche Begrenzung sei nun eben weggefallen, sagt Grünke. Damit die Missionarinnen überall auf der Welt vor Mückenstichen sicher sind. Und doch sei die Änderung erstaunlich. Sie sei der nächste Schritt, es werde weitere Veränderungen geben, schätzt Grünke. Schließlich hat das Oberhaupt der Glaubensgemeinschaft, Russell M. Nelson, zuletzt dazu aufgerufen, Vitamine zu essen und sich genügend Schlaf zu gönnen. Nelson hat Medizin studiert, ihm gelang 1960 die weltweit erste Herzklappen-OP. Doch etwa 16,1 Millionen Gläubige hören nicht allein deshalb auf seine gesundheitlichen Ratschläge. Nelson, seit knapp einem Jahr geistliches Oberhaupt, interpretiert sein Amt als Erneuerer. Der 94-Jährige twitterte kürzlich: "Wir sind Zeugen eines Erneuerungsprozesses." Dieser habe gerade erst begonnen. Die Gläubigen sollten gespannt ins neue Jahr blicken und in das Jahr darauf: "Da wird noch viel mehr kommen." Die Mitglieder seiner Kirche leben nach einem strengen Verhaltenskodex, sie verstehen sich als seriöse und konservative "Botschafter des Herrn". Klar vorgegebene Regeln sollen es vor allem den Missionaren ermöglichen, sich "ohne Ablenkung voll auf Gott zu konzentrieren", sagt Grünke. Das sollen sie natürlich auch in Zukunft. Vom neuen Jahr an aber werden junge Menschen mehr Verantwortung in der Gemeinschaft übernehmen. In den Tempeln sollen sie selbst "Sakramente ausüben", junge Frauen sollen stärker involviert werden, wenn sich die Kirche um Kranke und Alte kümmert. Außerdem ändern die Gläubigen ihre Rituale. Bislang kommen sie sonntags in Kirchen zusammen, drei Stunden dauert das. "Künftig werden wir die Gottesdienste auf zwei Stunden reduzieren", sagt Grünke. Der Glaube solle sich stärker im Alltag entfalten. Da, wo die in Deutschland etwa 40 000 Anhänger der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage sonst eher nicht auffallen. "Wir stellen unseren Glauben nicht offensiv zur Schau", sagt Grünke. Außer eben bislang etwas unfreiwillig. Im Rock, trotz Minusgraden und Schnee. | In einem Video verkündet die Glaubensgemeinschaft, dass Missionarinnen nun ohne besondere Begründung auf Hosen zurückgreifen dürfen. Das erleichtert ihnen kalte Winter - aber der Erlass steht für mehr. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/mormonen-hosen-regelaenderung-1.4262947 | Regeländerung in der Glaubensgemeinschaft - Mormoninnen dürfen Hosen tragen | 00/12/2018 |
In der Wiener Innenstadt ist ein Mensch durch Schüsse gestorben, ein weiteres Opfer wurde schwer verletzt. Ein terroristisches Motiv könne ausgeschlossen werden, so die Polizei, es habe sich um eine "gezielte Straftat" gehandelt. Die Schießerei ereignete sich am Nachmittag in einer Passage vor einem bekannten Schnitzellokal, das auch häufig von Touristen besucht wird. Das Areal wurde großräumig abgesperrt, Betreiber der Geschäfte wurden dazu angehalten, ihre Türen zu verriegeln. Mit Helmen und schusssicheren Westen ausgerüstete Polizisten postierten sich am Tatort, der unweit des Stephansdoms liegt. Auch ein Polizeihubschrauber kreiste über der Innenstadt. Zeugen berichteten, dass der Täter mit einem Auto geflohen sei. | Vor einem Schnitzellokal nicht weit vom Stephansdom wird ein Mensch erschossen, ein weiterer schwer verletzt. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/oesterreich-schiesserei-in-wien-1.4262952 | Schießerei in Wien | 00/12/2018 |
Die Retter, die in 880 Metern Tiefe nach Überlebenden suchen sollten, arbeiteten die ganze Nacht durch und am Freitagmorgen weiter, doch sie hatten keinen Erfolg: 13 Bergleute sind tot. Sie starben, weil sich unter Tage ein Gemisch aus Luft und Methangas plötzlich entzündete, eine Druckwelle und ein Grubenfeuer auslöste. Wegen der extremen Hitze und der giftigen Gase, die sich im Schacht sammeln, können die Retter derzeit nicht einmal die Leichen bergen. Das wird bis zum neuen Jahr dauern, schätzen Experten. Am Freitag errichteten die Einsatzkräfte Barrieren, um die Ausbreitung des Feuers zu verhindern. Mehr können sie nicht tun. Es ist das schwerste Grubenunglück in der Region seit Jahrzehnten. Das Steinkohle-Bergwerk liegt nahe der Stadt Karviná, in einem Abbaugebiet etwa 300 Kilometer östlich von Prag und nahe der Grenze zu Polen. Zwölf der ums Leben gekommenen Männer sind Polen, einer Tscheche, daher ist die Trauer in beiden Ländern groß. Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki schrieb auf Twitter von einer "großen Tragödie", genauso wie sein tschechischer Kollege Andrej Babiš. Die Regierung in Warschau hat den Sonntag zum Trauertag erklärt; das Parlament in Prag hielt eine Schweigeminute ab und Ondřej Feber, der Bürgermeister von Stonava, jenem Ort, der der Katastrophe am nächsten liegt, appellierte an die Einwohner, Weihnachten in stillem Gedenken zu verbringen und an Silvester auf das Feuerwerk zu verzichten. Die ganze Region bangt noch um zwei der Kumpel, die mit schwersten Verbrennungen in einem Krankenhaus liegen. Acht Bergarbeiter wurden zudem leicht verletzt. Grube wurde erst modernisiert Grubenunglücke werden häufig durch sogenannte Schlagwetterexplosionen verursacht. Sie ereignen sich, wenn Methangas, das beim Kohleabbau aus dem Gestein freigesetzt wird, durch einen Funken entzündet wird. In modernen Zechen gibt es aufwendige Absaugvorrichtungen, die verhindern, dass sich eine zu hohe Methangaskonzentration bildet. Außerdem warnen Messgeräte vor einem gefährlichen Gasgemisch in der Luft, und Löschsysteme können die Ausbreitung eines Grubenfeuers eindämmen. Warum all diese nach dem Stand der Technik möglichen Sicherungsmaßnahmen in Karviná nicht oder nicht ausreichend gegriffen haben, ist noch unklar. Die Grube, die seit 1968 betrieben wird, ist nach Angaben der Betreiberfirma OKD in den vergangenen Jahren modernisiert worden. OKD war Anfang des Jahres von der Insolvenz bedroht, doch die Regierung investierte drei Millionen Euro und rettete das Unternehmen. 9500 Arbeitsplätze blieben erhalten, wichtig in der wirtschaftlich eher schwach entwickelten Region Mähren-Schlesien. Im dortigen Revier ist der Bergbau noch immer Teil der regionalen Identität. "Wir sind alle eine große Familie", sagte ein Bergmann, der nur durch Zufall nicht an der Unglücksstelle war und jetzt viele seiner Kollegen verloren hat, im lokalen Fernsehsender Polar TV. In Tschechien, davon geht die Regierung aus, könnte noch bis zum Jahr 2030 rentabel Steinkohle gefördert werden, anders als in Deutschland. In Bottrop wurde am Freitag die Ära des "schwarzen Goldes" mit einer Feierstunde offiziell beendet, und in die salbungsvollen Politikerreden und die Ruhrpott-Romantik mischte sich ein Moment des Innehaltens für die Toten von Karviná. | Bei einem Grubenunglück in einem Steinkohle-Bergwerk nahe der Stadt Karviná sterben 13 Bergleute in 880 Metern Tiefe. Zwölf von ihnen sind Polen, einer Tscheche. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/tschechien-tod-im-schacht-1.4262950 | Tod im Schacht | 00/12/2018 |
"Nie wieder" dürfe Missbrauch vertuscht werden, sagte Papst Franziskus. Das Kirchenoberhaupt - hier ein Bild von 2016 - thematisierte die Skandale auch am Freitag in seiner Weihnachtsansprache in Rom. Sie haben sich dieses Jahr etwas Besonderes einfallen lassen im katholischen Bistum Essen: ein Drei-Minuten-Video mit Sicherheitshinweisen für alle, die zu Weihnachten mal wieder in die Kirche kommen, aber nicht mehr so recht wissen, was sie da erwartet. Im Mittelgang einer neogotischen Kirche steht eine Stewardess und sagt: "Die Gottesdienstdauer wurde mit 65 Minuten vorausberechnet." Sie erklärt, dass man in dieser Zeit stehen, sitzen, knien wird und man bei Unsicherheit einfach machen soll, was der Nachbar macht. Merke: In der Kirche gehört auch die erste Reihe zur Economy Class. Beim Friedensgruß reicht man dem Banknachbarn die Hand. Scherzlein müssen sein: Die Sauerstoffmaske hilft gegen Weihrauchschwaden. Und wenn bei "Stille Nacht, heilige Nacht" Tränen fließen, bitte erst zur eigenen Sicherheit die Schwimmweste anlegen, danach den Nachbarn mit Papiertaschentüchern aushelfen. Es sind Scherze am Ende eines Krisenjahres: Der Missbrauchsskandal hat die Kirchen mit voller Wucht getroffen. Sie mussten erkennen, dass Pfarrer, Priester, Kirchenmitarbeiter Minderjährigen sexualisierte Gewalt angetan haben, viel häufiger als bislang angenommen. Und es hat sich gezeigt, dass die Ursachen dafür im System liegen, im Selbstbild der Kirche. Es ist eine Krise, die an die Existenz geht. Zu Weihnachten ist normalerweise für ein paar Tage die Welt der Kirchen in Ordnung, allen Säkularisierungstendenzen zum Trotz. Immerhin 18 Millionen Deutsche strömen abends am 24. Dezember in die Gotteshäuser - Tendenz seit einigen Jahren wieder steigend. Das sind so viele, dass mancherorts (kostenlose) Platzkarten vergeben werden müssen, um des Ansturms Herr zu werden, und es im evangelischen Berliner Dom protestantisch ernste Sicherheitshinweise gibt: Taschen, Rucksäcke, Koffer sind verboten, mit mehr als 100 Metern Schlange ist zu rechnen. Detailansicht öffnen Erschüttert ist die gesamte Weltkirche. In Chile hat eine komplette Bischofskonferenz eingeräumt, Missbrauch vertuscht zu haben. (Foto: Evandro Inetti/dpa) Vielen sind die Riten tatsächlich so fremd geworden, dass sie ein Einführungsvideo bräuchten. Doch wenn in der Kirche das Licht ausgeht und nur noch Kerzen und Baum strahlen, wenn selbst die Pfeifen der Orgel zittrig werden und die Töne aus der Gemeinde aneinanderkleben wie mit Zuckerguss bestrichen, dann braucht das keine Übersetzung und Deutung. Dann kommt: "Holder Knabe im lockigen Haar". 200 Jahre wird das Lied an diesem Heiligabend alt. 1818 war es ein Trostlied für die geschundenen Menschen im Salzburger Land. Es gab Missernten, Napoleons Truppen hatten gewütet, alles lag darnieder. Das sentimentale Lied vom Frieden, der Harmonie und der Rettung bezog seine Kraft aus dem realen Mangel und der unerfüllbaren Sehnsucht. 1914, zum ersten Weihnachtsfest im Ersten Weltkrieg, sangen es die deutschen und britischen Soldaten über die Schützengräben hinweg: Stille Nacht, holy night. 2018 leben die meisten Menschen in Deutschland materiell gesichert und in friedlicher Umgebung, allen Unsicherheiten im Land und auf der Welt zum Trotz. Es sind in diesem Jahr vielmehr die Kirchen, deren Nächte weder still noch heilig sind. Vor allem die katholische Kirche, die größte Institution des Landes, ist in Aufruhr. Im September offenbarte der Bericht eines Forscherkonsortiums das bedrückende Ausmaß sexualisierter Gewalt gegen Minderjährige im Bereich der katholischen Kirche - und dass die Ursachen der Gewalt und ihrer Vertuschung im System begründet liegen. Im November musste sich dann die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland mit dem Thema beschäftigen und erkennen: Auch in ihrem Bereich beschränkt sich der Missbrauch nicht auf ein paar schmerzliche Einzelfälle. Der Weihnachtsfrieden fällt dieses Jahr aus, vor allem für die katholische Kirche. Am 12. Dezember richteten Hunderttausende Frauen aus der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschland Taschenlampen auf Kirchentüren; mit der Aktion "Macht Licht an" forderten sie von ihren Bischöfen, endlich konsequent gegen die Gewalt und ihre Vertuschung vorzugehen. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken, die Vertretung der katholischen Laien, plädierte im November für die Abschaffung des Pflichtzölibats für katholische Priester. Der Skandal ist ganz oben angekommen: Robert Zollitsch, einst Erzbischof von Freiburg und Bischofskonferenzvorsitzender, hat zugegeben, in einem Missbrauchsfall dramatisch falsch gehandelt zu haben - ebenso Osnabrücks Bischof Franz-Josef Bode. Heiner Wilmer, der neue Bischof von Hildesheim, hat das Fehlverhalten seines Vorgängers offengelegt und bestätigt, was bislang strittig war: Sein Vorvorgänger Heinrich Maria Janssen wurde übergriffig. Es dürften nicht die letzten Fälle sein, bei denen offenbar wird, dass hochrangige Würdenträger im Umgang mit dem Thema versagten - oder gar selber sexualisierte Gewalt ausübten. Erschüttert ist die gesamte Weltkirche. In Chile hat eine komplette Bischofskonferenz eingeräumt, Missbrauch vertuscht zu haben; in Australien steht Kardinal George Pell vor Gericht, des Papstes Finanzchef, weil er Kinder und Jugendliche unsittlich berührt und zum Sex gezwungen haben soll. In seiner Weihnachtsansprache vor der römischen Kurie hat Papst Franziskus von "Stürmen und Hurrikanen" gesprochen, die 2018 die katholische Kirche getroffen hätten. "Nie wieder" dürfte Missbrauch vertuscht werden, die Kirche müsse die Täter konsequent vor Gericht bringen. Der Papst dankte allen, die "den Opfern eine Stimme geben", übte sich aber doch in Relativierungen. Man müsse berechtigte Anschuldigungen von Verleumdungen unterscheiden, zudem sei ja nicht nur die Kirche betroffen. Sollte Pell ins Gefängnis wandern, würde des Papstes Pathos hohl klingen. Er machte den Kardinal 2014 zum führenden Mitarbeiter, obwohl es da schon Vertuschungsvorwürfe gab. | Millionen Menschen besuchen an den Feiertagen den Gottesdienst, für viele ist es das einzige Mal im Jahr. Sie erleben dort eine Kirche in Aufregung. Selbst katholische Bischöfe sprechen inzwischen offen von Machtmissbrauch. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/kirche-missbrauch-skandal-weihnachten-1.4263192 | Katholische Kirche: Das Böse in den eigenen Reihen | 00/12/2018 |
Anfang des Jahres wurde eine Frau bei einem Fastnachtsumzug im baden-württembergischen Eppingen schwer verletzt. Nun ist das Urteil gegen einen 33-Jährigen gefallen, der dafür verantwortlich gemacht wird. Das Amtsgerichts Heilbronn verurteilte den Mann wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 6600 Euro. Damit blieb das Gericht etwas unter der Forderung der Staatsanwaltschaft, der Verteidiger hatte einen Freispruch gefordert. Er kündigte an, gegen das Urteil vorgehen zu wollen. In Eppingen gehört es zur Tradition, dass an Fastnacht als Hexen verkleidete Narren durch die Straßen ziehen. Spaß mit ein bisschen Grusel - so sollte es auch in der besagten Samstagnacht Anfang Februar sein. Eine Gruppe von Teilnehmern hatte auf einem Bollerwagen einen Kessel mit heißem Wasser und integriertem Holzofen dabei. Die 18-Jährige wurde offenbar von einem Freund geneckt und zu der Gruppe geschoben. Sie sollten sie doch mal ein Stück mitnehmen, sagte er. Eine der Hexen hob die junge Frau hoch und hielt sie über den Kessel. Die Staatsanwaltschaft ging davon aus, dass die 18-Jährige dem Verdächtigen dabei aus den Händen glitt und mit beiden Beinen im heißen Wasser landete. Ein Bekannter habe sie aus dem Kessel gezogen, sagte das Opfer aus. Nach ein paar Schritten zurück zu ihrer Gruppe sei sie zusammengebrochen. Mehrere Wochen kam sie ins Krankenhaus, die Haut an den Beinen war so stark verbrüht, dass eine Hauttransplantation vorgenommen werden musste. Außerdem konnte sie monatelang weder laufen noch richtig sitzen. In Chatprotokollen, die der Polizei zugespielt wurden, wurde das Opfer zudem verhöhnt. "Ich habe liebend gerne Kleider getragen", sagt die 18-Jährige vor Gericht. Das gehe nun nicht mehr, weil ihre Beine so schwer vernarbt seien. Das Opfer konnte den Täter nicht identifizieren. Wie auch? Es war dunkel, es war laut und alle 19 Hexen aus der Gruppe trugen ein ähnliches Kostüm mit einer Plastikmaske - und alle schwiegen oder wiesen die Vorwürfe zurück. 43 Zeugen hat das Gericht vernommen. Mehrere hatten den Angeklagten als Täter identifiziert. Der Verteidiger wies dagegen auf zahlreiche Widersprüche in den Zeugenaussagen hin. Außerdem kritisierte er die Ermittlungsarbeit der Polizei. Es seien schwere Fehler zum Beispiel bei der Vorlage von Fotos gegenüber Zeugen gemacht worden. Der Falsche sitze auf der Anklagebank, so fasste der Verteidiger es zusammen. Sein Mandant sei "von den Socken" gewesen, als er gehörte habe, dass er die Hexe gewesen sein soll, die das Mädchen verletzte. "Von uns war das keiner", sagte der 33-jährige Angeklagte in einer Prozesspause mit Blick auf die Mitglieder seiner Gruppe, die "Bohbrigga Hexenbroda" wie sie sich selbst nannten. Das ist nun vorbei. Im kommenden Jahr wird kein Fastnachtsumzug in Eppingen stattfinden. Die "Bohbrigga Hexenbroda" hat sich aufgelöst, wegen der Ermittlungen zu dem Fall, hieß es vom Angeklagten. Wie "eine echte Hexenjagd" sei das gewesen. | Eine Frau wird beim Fastnachtsumzug schwer an den Beinen verbrüht. Das Problem: Alle in Frage kommenden Verdächtigen tragen gleich aussehende Kostüme. Doch jetzt hat ein Gericht einen Mann verurteilt, den es für den Verantwortlichen hält. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/hexenkessel-prozess-urteil-1.4239948 | Geldstrafe für Angeklagten im Hexenkessel-Prozess | 00/12/2018 |
Der Täter ist auf der Flucht. Das Areal rund um den Tatort wurde großräumig abgesperrt. Es bestehe derzeit keine Gefahr für Unbeteiligte, teilte die Polizei mit. In der Wiener Innenstadt ist ein Mensch erschossen worden, ein weiteres Opfer wurde schwer verletzt. Die Polizei fahndet nach einem männlichen Täter, einen Terrorakt schließt sie aus. "Es dürfte sich um eine gezielte Straftat handeln", teilte die Polizei per Twitter mit. Es bestehe derzeit keine Gefahr für Unbeteiligte. Demnach ereignete sich die Tat gegen 13.30 Uhr im Bereich Lugeck. Offenbar in einer Passage vor einem bekannten Schnitzellokal, das auch häufig von Touristen besucht wird. Dem Geschäftsführer zufolge hatten die drei Männer vorher gemeinsam in dem Restaurant gegessen. Dabei seien sie völlig unauffällig gewesen. Erst nachdem sie das Lokal verlassen hatten, seien die Schüsse gefallen. Das Areal rund um den Tatort wurde großräumig abgesperrt. Polizisten sind mit Helmen und schusssicheren Westen postiert. Auch ein Polizeihubschrauber ist im Einsatz. | Der Täter ist auf der Flucht. Das Areal rund um den Tatort wurde großräumig abgesperrt. Es bestehe derzeit keine Gefahr für Unbeteiligte, teilte die Polizei mit. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/wien-schuesse-toter-1.4263090 | Wien: Ein Toter nach Schüssen in der Innenstadt | 00/12/2018 |
Feuerwehrleute in Ahrensburg, Schleswig-Holstein, bei einer Übung - es gilt, das Feuer in einem nachgebauten Wohnzimmer zu löschen. Björn Sachau hat die Erfahrung gemacht, dass man seine Pflicht am besten freiwillig tut. Sachau ist Feuerwehrführer in der Ostseegemeinde Grömitz, ein überzeugter Vertreter des ehrenamtlichen Feuerwehrbetriebs, und es gefällt ihm eigentlich nicht, dass die Grömitzer Gemeindevertretung beschlossen hat, neben der freiwilligen Feuerwehr eine Pflichtfeuerwehr einzurichten. "Freiwillige sind viel motivierter als jemand, den man zwingt", sagt Sachau. Trotzdem findet er den Grundsatzbeschluss richtig und steht auch zu den Satzungen der neuen Pflichteinheiten in den sechs Grömitzer Ortsfeuerwehren, welche die Gemeindevertretung ebenfalls verabschiedete. Es geht nicht anders. Es fehlen Leute. Die Grömitzer Feuerwehr arbeitet an der Grenze ihrer Belastbarkeit. Drei der sechs Ortsfeuerwehren auf dem Gebiet der 7700-Einwohnergemeinde leiden unter Personalmangel. Die größte Wache in Grömitz müsste mit 63 Kräften besetzt sein, hat aber nur 35. Nach den Brandschutzgesetzen der Bundesländer hat aber jedes noch so kleine Dorf eine schlagkräftige Feuerwehr zu unterhalten. Das Prinzip der Freiwilligkeit hat sich dabei zum Rückgrat des Brandschutzes entwickelt, weil man früh feststellte, dass die Pflicht mehr mürrische als leidenschaftliche Brandschützer hervorbrachte. Nicht jeder mag ein Lebensretter sein Doch Freiwilligkeit birgt immer auch das Risiko des Personalmangels, weil die Leute sich ja ebenso für ein anderes oder gar kein Ehrenamt entscheiden können. Und nicht jeder kann oder mag sich zu allen Tages- und Nachtzeiten für lebensrettende Einsätze bereithalten. Längst werben die Feuerwehren deshalb aktiv um Nachwuchs, lancieren Imagekampagnen, nutzen Netzwerke, schaffen Kooperationen mit dem Handwerk oder Bauhöfen, versuchen, dem Vorurteil entgegenzuwirken, Feuerwehren seien ein Hort für schale Brauchtumspflege und Rechtsradikale. Das scheint sich auszuzahlen. In Schleswig-Holstein zum Beispiel meldet Holger Bauer, Sprecher der Landesfeuerwehr, "leicht steigende Mitgliederzahlen", nachdem der Trend jahrelang negativ war. Auch die Gemeinde Grömitz mit dem parteilosen Bürgermeister Mark Burmeister versuchte lange, den Einheimischen das Ehrenamt schmackhaft zu machen: mit Plakataktionen, Einzelgesprächen, Jobangeboten, Vergünstigungen wie freies Parken oder freien Eintritt im Erlebnisbad Grömitzer Welle. Vergeblich. Die Pflichtfeuerwehr ist das letzte Mittel, das den Brandschutz gewährleisten soll. "Es bleibt nichts anderes übrig", sagt Sachau. Silvia Darmstädter, Sprecherin des Deutschen Feuerwehrverbandes, sieht die Situation gelassen: "Es gibt in ganz Deutschland fast 23 000 Feuerwehren. Weniger als zehn davon sind Pflichtfeuerwehren." Grömitz? Bezeichnet sie als "Einzelfall". Auch Landesfeuerwehr-Sprecher Bauer verwahrt sich gegen den Eindruck, Schleswig-Holstein sei ein Land in Feuerwehrnot, bloß weil es auch in List auf Sylt, in Friedrichstadt/Nordfriesland und Burg/ Dithmarschen schon Pflichtfeuerwehren gibt. Nicht Mitgliederschwund habe dort zu einem gefährlichen Personalmangel geführt, sondern örtliche Streitereien, die inzwischen beigelegt seien. Während die anderen Pflichtfeuerwehren in Schleswig-Holstein die freiwillige Feuerwehr ersetzen, existieren in Grömitz jetzt beide Versionen nebeneinander. Das ist neu und zeigt, dass die Gemeinde es sich nicht leisten mag, jene zu verprellen, denen die Freiwilligkeit wichtig ist. Nicht die einzige Gemeinde mit solchen Problemen Bürgermeister Burmeister kann nun zusätzlich Frauen und Männer im Alter zwischen 18 und 50 zum Brandschutzdienst einbestellen. Diese müssen eine Truppmannausbildung absolvieren wie jeder freiwillige Feuerwehr-Einsteiger. Wer nicht erscheint, muss ein Bußgeld zahlen. Kein Lust zu haben, ist kein Grund. Gesundheitliche oder besondere familiäre Umstände schon eher. "Letztlich muss man von Fall zu Fall entscheiden, wen man verpflichten kann", sagt Sachau, "es gibt dazu keine hundertprozentige Vorschrift." Björn Sachau sagt: "Wir sind nicht die einzige Gemeinde mit solchen Problemen." Es könnte also sein, dass sich demnächst weitere Pflichtfeuerwehren formieren. Sachau findet das nicht schön. Wenn es nach ihm geht, ist die Grömitzer Pflicht zum Löschen nur ein vorübergehendes Phänomen. "Wir hoffen, dass durch den sanften Druck der eine oder andere merkt, dass der Dienst für die Allgemeinheit auch Spaß machen kann", sagte er. Manche Leute muss man vielleicht erst zwingen zu dem Glück, ein Feuerwehrmensch zu sein. | Die Freiwillige Feuerwehr in Grömitz an der Ostsee hat ein Nachwuchsproblem. Jetzt sollen geeignete Bewohner zum Dienst verpflichtet werden. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/freiwillige-feuerwehr-verpflichtung-1.4261740 | Pflicht zum Löschen | 00/12/2018 |
Bei einem schweren Grubenunglück in einem Steinkohlebergwerk sind mindestens 13 Arbeiter ums Leben gekommen. Zwei Männer seien mit lebensgefährlichen Verbrennungen ins Krankenhaus gebracht worden. Acht weitere wurden leicht verletzt. Das berichtet die Agentur CTK unter Berufung auf einen Sprecher des Betreibers OKD. Aus noch ungeklärter Ursache entzündete sich am Donnerstagabend ein Luft-Methangas-Gemisch schätzungsweise in etwa 800 Metern Tiefe, anschließend brach ein Feuer aus. Die Zahl der Opfer könnte noch steigen. Die Helfer konnten wegen der enormen Hitzeentwicklung und auströmender giftiger Gase den am schwersten betroffenen Bereich des Bergwerks bisher nicht betreten. Die Bergungsarbeiten könnten sich noch bis ins neue Jahr ziehen. Es ist schon jetzt das schwerste Grubenunglück in Tschechien seit 1990. Das Unglück sei eine große vorweihnachtliche Tragödie, sagte der Bürgermeister der angrenzenden Bergwerksgemeinde Stonava, Ondřej Feber, der Onlineausgabe der Zeitung Pravo. Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki schrieb auf Twitter: "Das ist eine große Tragödie für alle Polen und Tschechen." Er sprach den Familien der Opfer sein Beileid aus. Warschau ordnete für Sonntag Staatstrauer an. Viele der in der Grube beschäftigten Bergarbeiter stammen aus dem nahen Polen, wie der Betreiber OKD bestätigte. Das Bergwerk nahe der Stadt Karviná in Mährisch-Schlesien, rund 300 Kilometer Luftlinie östlich von Prag, ist seit 1968 in Betrieb und wurde vor einigen Jahren modernisiert. Die Stollen liegen in einer Tiefe von bis zu 1100 Metern. Der Bergwerksbetreiber OKD ist seit April wieder im Besitz des tschechischen Staates. Die Regierung in Prag hatte den Betrieb nach der Insolvenz für umgerechnet rund drei Millionen Euro übernommen. Das Unternehmen beschäftigt in der strukturschwachen Region rund 9500 Menschen. In diesem Jahr wurden rund fünf Millionen Tonnen Steinkohle gefördert. | Bei einem Grubenunfall in der Stadt Karviná sind mindestens 13 Menschen ums Leben gekommen. Das Bergwerk wurde erst vor einigen Jahren modernisiert. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/explosion-mine-tschechien-1.4262291 | Tschechien - Tote und Verletzte nach Explosion in Bergwerk | 00/12/2018 |
Am Frankfurter Flughafen ist ein groß angelegter Schmuggel von geschützten Glasaalen vereitelt worden. Ein malaysischer Reisender habe die Tiere mit sich geführt, teilte die Zollfahndung mit. Mitarbeiter der Sicherheitskontrolle hatten die Aale im Gepäck des 59-Jährigen entdeckt, der über Moskau nach Vietnam fliegen wollte. Sie verständigten den Zoll. In den drei Koffern des Reisenden fanden die Beamten 26 mit Wasser gefüllte Beutel, in den schätzungsweise 100 000 Glasaale schwammen. Glasaale sind junge, noch fast durchsichtige Aale. In Asien gelten sie als Delikatesse. Sie sind geschützt und dürfen ohne Genehmigung nicht exportiert werden. Die beschlagnahmten Tiere wurden im Rhein ausgesetzt. | Ein Schmuggel von etwa 100 000 Glasaalen wurde gerade noch verhindert. Ein Mann aus Malaysia wurde gestoppt. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/frankfurt-aal-schmuggel-vereitelt-1.4261699 | Aal-Schmuggel vereitelt | 00/12/2018 |
Helene Fischer und Florian Silbereisen machen bei ihrer Trennung als Liebespaar vor, wie das geht: Schlussmachen im Heile-Welt-Milieu. Und zwar auch noch so, dass die Trennung zugleich Karrierechance und PR-Coup ist. Wenn eine Beziehung den Punkt erreicht, an dem Trennung die bessere Entscheidung ist, stehen drei Fragen im Raum: 1. Wie findet man die richtigen Worte ("Du hast was Besseres verdient/Es liegt nicht an dir!")? 2. Wann ist der richtige Zeitpunkt (Vor oder nach Weihnachten, morgens, mittags, abends?) 3. Wie regelt man die Sache so, dass beide, eventuell auch die Kinder, möglichst wenig leiden ("Wir bleiben Freunde/Wir sind beide für euch da")? Die Antworten kann man von Paartherapeuten, Mediatoren oder Trennungsratgebern erfragen. Oder man orientiert sich an prominenten Musterpaaren. Da sind perfekte Trennungen und öffentliche Respektbekundungen direkt nach Bekanntgabe der Trennung ja Standard. Wer jetzt an Gwyneth Paltrow und Chris Martin denkt, die ihre bewusste Entpaarung ("Conscious Uncoupling") zelebriert haben, ist total hinterher. Trennung als Chance für die Beziehung kann mittlerweile jeder: Jennifer Garner begleitet ihren Ex Ben Affleck in die Entzugsklinik. Cameron Diaz und Justin Timberlake, längst Kumpels, stehen gemeinsam vor der Kamera. Und Orlando Bloom sagt über seine Ex Miranda Kerr: "Wir sind keine Freunde, wir sind Familie." Doch Trennung als Karriere-Chance, das ist die Kür. So geht PR! Auf Facebook und Instagram beantworten Helene Fischer und Florian Silbereisen die drei Trennungsfragen, indem sie 1. die richtigen Worte finden ("Wir sind als Freunde noch enger zusammengewachsen"), 2. den richtigen Zeitpunkt wählen (kurz vor der großen Fischer-Weihnachtsshow) und 3. dafür sorgen, dass die Fans nicht unnötig leiden ("Wir möchten irgendwann unsere erste gemeinsame TV-Show präsentieren!"). Keine Frage, die beiden schätzen sich dermaßen, dass sie sich vermutlich wundern, warum sie sich überhaupt getrennt haben. Alles perfekt also. Genau der Stoff, aus dem Schlager sind. | Helene Fischer und Florian Silbereisen machen bei ihrer Trennung als Liebespaar vor, wie das geht: Schlussmachen im Heile-Welt-Milieu. Und zwar auch noch so, dass die Trennung zugleich Karrierechance und PR-Coup ist. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/stilkritik-perfekte-trennung-1.4261693 | Perfekte Trennung | 00/12/2018 |
Eine Frau stirbt infolge des Unfalls, acht Personen werden zum Teil schwer verletzt. Auch der Fahrer des Wagens musste in die Klinik gebracht werden. In Recklinghausen ist am Donnerstag ein Autofahrer in eine Menschengruppe an einer Bushaltestelle gefahren. Eine 88-jährige Frau wurde getötet, acht Wartende im Alter ztwischen 17 und 67 Jahren wurden zum Teil schwer verletzt, wie ein Polizeisprecher sagte. Auch der Autofahrer, ein 32-jähriger Mann, wurde demnach verletzt. Beim Eintreffen der Polizei saß der Mann noch in dem Auto. Er wurde ebenso wie die anderen Verletzten ins Krankenhaus gebracht. Die Hintergründe des Vorfalls ermittelt die Polizei derzeit. Wie die Bild-Zeitung schreibt, ereignete sich der Unfall kurz vor 15 Uhr. Der Fahrer sei von seiner Spur abgekommen und über die Gegenfahrbahn auf die an der Haltestelle wartenden Menschen zugerast. Rettungskräfte hätten von chaotischen Situationen am Unfallort gesprochen. Unter anderem Mitarbeiter einer benachbarten Kieferorthopädie-Praxis halfen bei der Versorgung der Verletzten. Nach dem Unfall musste die Straße gesperrt werden, woraufhin in der Innenstadt von Recklinghausen ein Verkehrschaos entstand. | Eine Frau stirbt infolge des Unfalls, acht Personen werden zum Teil schwer verletzt. Auch der Fahrer des Wagens musste in die Klinik gebracht werden. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/recklinghausen-auto-rast-in-menschen-an-bushaltestelle-1.4262193 | Recklinghausen - Auto rast in Menschen an Bushaltestelle | 00/12/2018 |
Vor der evangelischen Kirche im Essener Stadtteil Haarzopf müssen sich vergangenes Jahr zum Weihnachtsfest chaotische Szenen abgespielt haben. Gläubige, die sich vor der Pforte des Gotteshauses drängten und um Einlass ersuchten, aber abgewiesen wurden wie Berlintouristen, die am Türsteher des Berghains scheitern. Grund dafür war aber keineswegs willkürliche Auslese. Keiner der abgewiesenen Gottesdienstbesucher bekam ein: "Sorry, heute nur für Stammgäste" oder "Du kommst hier nicht rein" zu hören. Es waren schlicht zu wenig Plätze vorhanden. Die Kirche war tatsächlich "wegen Überfüllung geschlossen". Pastorin Anne Simon zufolge soll es am Eingang sogar zu Wortgefechten und Pöbeleien gekommen sein, sagte sie der Nachrichtenagentur epd. Solcherart unchristliche Szenen sollen sich nicht wiederholen, so die Pfarrerin. Dafür will die Kirchengemeinde sorgen - mit einem effizienteren Sitzplatzmanagement. Für den Heiligabend sollen Eintritsskarten ausgegeben werden. Sie seien selbstverständlich kostenlos, sagt Simon, aber sie garantieren einen Sitzplatz im Inneren des Gotteshauses. Die Karten seien im Gemeindebüro oder nach den Adventsgottesdiensten beim Gemeindevorstand zu erhalten. Exakt 333 Plätze bietet die Kirche Haarzopf, noch einmal 170 Gläubige das Gemeinezentrum Fulerum. Offenbar sind die Protestanten in Essen sehr eifrige Kirchgänger. Denn für die 2900 Mitglieder der Gemeinde werden an Heiligabend gleich fünf Gottesdienste angeboten, drei in der Kirche, um 14.30, 16.00 und 18.00 Uhr sowie zwei im Gemeindezentrum, um 14.30 und 16.00 Uhr. Auf der Website kann man den Sitzplatzstatus sehen. Stand Donnerstagnachmittag: drei von fünf Messen sind bereits ausgebucht. Lediglich die Christmette um 23 Uhr im Gemeindezentrum sei von der Eintrisskartenregelung ausgenommen, weil um diese Uhrzeit erfahrungsgemäß nicht so viele Menschen kommen. Und wer keine Karte für Heiligabend mehr bekommt, der könne ja auch am Ersten Weihnachtsfeiertag in den Gottesdienst kommen, sagt die Pastorin. Seit dem die Kirche in Essen-Haarzopf vor einigen Tagen die Eintritsskartenregelung beschlossen hat, ist die Gemeinde in Wallung. So sehr, dass die Pastorin sich gezwungen sah, sich an diesem Donnerstag mit einem offenen Brief im Internet zu erklären. Man wolle "Enttäuschung, Ratlosigkeit und Ärgernis" in diesem Jahr unbedingt verhindern, heißt es dort. Ihr sei bewusst, dass das Prozedere die Gemeinde ungewöhnlich sei, so Simon. Aber die Sicherheitsauflagen, die in Nordrhein-Westfalen unter dem Eindruck des Loveparade-Unglücks im Jahr 2010 verschärft wurden, machten da strenge Vorgaben, was die Höchstzahl der Besucher und die Rettungswege angehe. Allerdings regt sich ziviler Ungehorsam in der Kirchengemeinde gegen die Reservierungspflicht. Einige Gemeindemitglieder haben schon angekündigt, ohne Eintrittskarte kommen zu wollen. | Vor einer evangelischen Kirche in Essen sollen sich im vergangenen Jahr tumultartige Szenen abgespielt haben. Zu viele wollten hinein. Das will die Gemeinde nun verhindern - mit einem effizienten Sitzplatzmanagement. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/ruhrgebiet-gottesdienst-eintrittskarten-1.4261458 | Essen: Kirche vergibt Eintrittskarten für Heiligabend | 00/12/2018 |
Im Fall der Gruppenvergewaltigung in Freiburg hat die Polizei einen zehnten Tatverdächtigen festgenommen. Der 18-Jährige sei am Mittwoch nahe einer Gemeinschaftsunterkunft in Emmendingen, nördlich von Freiburg, entdeckt worden, wie Polizei und Staatsanwaltschaft mitteilten. Als er einige Stunden später dem Haftrichter im Freiburger Amtsgerichts vorgeführt wurde, sprang er aus einem Fenster im zweiten Stock. Am Abend wurde der Mann auf einer Straße in Freiburg erneut festgenommen, hieß es weiter. Der Mann sei der Polizei bereits durch Eigentums- und Drogendelikte bekannt. Er stamme aus Algerien und habe keinen festen Wohnsitz. Eine 18-Jährige war Mitte Oktober in Freiburg nach einem Discobesuch von mehreren Männern vergewaltigt worden. Neun Verdächtige sind bereits festgenommen worden - acht Syrer im Alter von 18 bis 29 Jahren und ein 25 Jahre alter Deutscher ohne Migrationshintergrund. Sie sitzen in Untersuchungshaft. Anmerkung der Redaktion In der Regel berichtet die SZ gemäß Pressekodex nicht über ethnische, religiöse oder nationale Zugehörigkeiten mutmaßlicher Straftäter. Wir weichen nur bei begründetem öffentlichen Interesse von dieser Linie ab. Das kann bei außergewöhnlichen Straftaten wie Terroranschlägen oder Kapitalverbrechen der Fall sein oder bei Straftaten, die aus einer größeren Gruppe heraus begangen werden (wie in der Silvesternacht 2015 in Köln). Ein öffentliches Interesse besteht auch bei Fahndungsaufrufen oder wenn die Biographie einer verdächtigen Person für die Straftat von Bedeutung ist. Wir entscheiden das im Einzelfall und sind grundsätzlich zurückhaltend, um keine Vorurteile gegenüber Minderheiten zu schüren. Hauptbeschuldigter in dem Fall ist ein inzwischen 22 Jahre alter Syrer. Er gilt als Intensivtäter. Gegen ihn wird auch wegen einer weiteren Vergewaltigung ermittelt. Er soll die 18-Jährige, die sich in einem wehrlosen Zustand befand, in einem Gebüsch vor der Disco vergewaltigt und danach andere Männer zum Vergewaltigen animiert haben. Zuvor soll er der Frau etwas ins Getränk gemischt haben. Gegen den Mann bestand bereits vor der Tat ein Haftbefehl, verhaftet wurde er damals allerdings nicht. Polizei und Politik stehen deshalb in der Kritik. Nach Angaben des Innenministeriums in Stuttgart war der Hauptbeschuldigte seit seiner Einreise in Deutschland im Herbst 2014 mit 29 Delikten aufgefallen. | Mitte Oktober wurde eine 18-Jährige von mehreren Männern vergewaltigt. Nun hat die Polizei einen weiteren Verdächtigen nahe einer Gemeinschaftsunterkunft in Emmendingen aufgegriffen. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/freiburg-vergewaltigung-festnahme-1.4261051 | Freiburg - Zehnter Tatverdächtiger festgenommen | 00/12/2018 |
Harvey Weinstein ist überpünktlich an diesem Donnerstagmorgen. Um genau 9.22 Uhr betritt er den Saal 1317 des New York County Supreme Courts im Süden Manhattans, dessen hölzerne Bänke bis auf den letzten Platz besetzt sind. Das Gesicht wie immer unrasiert, weißes Hemd, dunkler Anzug, dunkelblaue Krawatte. Das rechte Bein zieht Weinstein, noch vor 15 Monaten der mächtigste Film-mogul Hollywoods, ein wenig hinterher. Alt ist er geworden, der Mann, dem Dutzende sexuelle Übergriffe auf junge Schauspielerinnen vorgeworfen werden. Alt, fahl und grau. Die Anhörung dauert keine Viertelstunde, dann ist klar: Sollte Weinstein gehofft haben, dass gleich der erste von wohl mehreren Prozessen gegen ihn platzen wird, dann hat er sich getäuscht. Vorerst zumindest. Richter James Burke zitiert die Staatsanwälte und Weinsteins Verteidiger Benjamin Brafman zu sich nach vorne, redet zehn Minuten lang leise auf sie ein und verkündet dann ohne weitere Erklärung: "Der Prozess wird am 7. März fortgesetzt." Weinstein steht auf und geht langsam auf die alte Flügeltür am Ausgang des Saals zu, die so ausgeleiert ist, dass ihre Hälften beim Schließen gegeneinander schlagen. Als er auf den Zuschauerbänken einen Bekannten entdeckt, lächelt er kurz und nickt. Die Staatsanwälte und die Aktivistinnen von "Me too" dürften aufgeatmet haben, als Burke seinen Beschluss verkündete, denn in den vergangenen Tagen hatte es mehr und mehr so ausgesehen, als werde der Richter womöglich weitere oder gar alle Anklagepunkte gegen Weinstein fallen lassen - und das obwohl fast 90 Frauen dem heute 66-Jährigen sexuelle Übergriffe bis hin zur Vergewaltigung vorwerfen. Doch viele Fälle sind verjährt, und auch das Gericht in New York, das als erstes tatsächlich Anklage gegen den Produzenten erhoben hatte, ließ bereits im Oktober einen der sechs verbliebenen Vorwürfe nicht länger zur Verhandlung zu. Aus drei Anklägerinnen wurden auf diese Weise zwei, ausgerechnet die Vorwürfe der einzig namentlich bekannten Anklägerin Lucia Evans werden nun nicht mehr berücksichtigt. Bei den zugelassenen Punkten geht es um eine Vergewaltigung und mehrere Fälle sexueller Nötigung. Weinstein bestreitet die Vorwürfe und plädiert auf "nicht schuldig". Statt den Opfern gehörten die Schlagzeilen zuletzt einmal mehr dem Angeklagten: Weinstein beschwerte sich in einer E-Mail an Freunde, die an die Medien weitergeleitet wurde, über ein "höllisches Jahr" - wohlgemerkt nicht für die vielen Schauspielerinnen, die er bedrängte, sondern für ihn selbst. Doch wie konnte die Anklage derart ins Wanken geraten? Grund ist unter anderem, dass Nicholas DiGaudio, einer der Ermittler im Fall Weinstein, bei seiner Arbeit höchst fragwürdig vorgegangen war. So wurde Anfang Oktober zunächst bekannt, dass DiGaudio einer der Anklägerinnen geraten hatte, kompromittierendes Material von ihrem Smartphone zu löschen, bevor sie das Gerät der Staatsanwaltschaft übergibt. Noch schwerer wog, als kurz darauf herauskam, dass der Ermittler bereits im Februar eine wichtige Zeugin ermutigt hatte, Angaben, die Weinstein entlasteten, vor der Staatsanwaltschaft nicht zu wiederholen. "Weniger ist mehr", soll er der Frau gesagt haben. Die Zeugin hatte zuvor Aussagen von Evans infrage gestellt, die Weinstein vorwirft, sie 2004, als damals Anfang Zwanzigjährige, in seinem Büro zum Oralsex genötigt zu haben. Die Zeugin, eine Freundin von Evans, gab jedoch gegenüber DiGaudio zu Protokoll, dass sie eine ganz andere Version der Geschichte erzählt bekommen habe: Demnach willigte Evans in den Oralsex ein - im Tausch für eine Filmrolle. Doch diese nicht unwesentliche Information erreichte die Staatsanwälte erst, nachdem diese schon Anklage erhoben hatten. Richter Burke dampfte die Anklage daraufhin ein. Für die Staatsanwaltschaft war das verheerend, denn sie steht in der Öffentlichkeit ohnehin schon schlecht da: Die Behörde von Bezirksstaatsanwalt Cyrus Vance war in den Medien heftig kritisiert worden, nachdem sie 2015, also lange vor Entstehung der "Me too"-Bewegung, ein erstes Verfahren gegen Weinstein blockiert hatte. Obwohl die Polizei damals sicher war, genügend Beweise für einen sexuellen Übergriff des Filmmoguls auf ein italienisches Model zu haben - unter anderem ein Quasi-Geständnis Weinsteins auf Band - weigerte sich Vance, gegen Hollywoods mächtigsten Mann vorzugehen. Die Presse witterte einen Promi-Bonus. Weinsteins Anwalt spricht von einem "irreparabel befleckten" Verfahren Weinsteins Verteidiger Brafman hat Richter Burke im vergangenen halben Jahr wiederholt aufgefordert, die Anklage komplett abzuschmettern. Das Verfahren sei durch DiGaudios Ermittlungsfehler "irreparabel befleckt". In einem Schriftsatz von Ende November beruft sich der prominente New Yorker Anwalt auf eine neue Entlastungszeugin: Die Frau sei bereit, auszusagen, dass sich eines der mutmaßlichen Opfer über einen längeren Zeitraum immer wieder mit Weinstein zum Sex verabredet habe, vollkommen einvernehmlich. In dieser Zeit habe die Zeugin, eine Freundin der Anklägerin, nicht ein schlechtes Wort über den Produzenten gehört. Die Anwälte der Anklägerinnen und Frauenrechtsgruppen wandten umgehend ein, dass das mitnichten ein Unschuldsbeweis sei: Es sei nicht ungewöhnlich für Opfer sexueller Gewalt, mit dem Täter in Kontakt zu bleiben. Dass Weinsteins Verteidigerteam versuchen würde, die Glaubwürdigkeit der Anklägerinnen in Zweifel zu ziehen, war absehbar. Die Strategie seiner Anwälte zielt nicht zuletzt darauf ab, die öffentliche Meinung zu drehen und so Druck auf das Gericht aufzubauen. Brafman hat Erfahrung mit Promi-Fällen: 2011 vertrat er den früheren Chef des Internationalen Währungsfonds, Dominique Strauss-Kahn. Auch damals ging es um einen Vergewaltigungsvorwurf, und auch in diesem Fall war die fehlende Glaubwürdigkeit des mutmaßlichen Opfers am Ende der entscheidende Faktor. Dass der Prozess gegen Weinstein noch komplett scheitert, erscheint nach der Anhörung am Donnerstag vorerst unwahrscheinlich. Verteidiger Brafman sagte vor Journalisten, er sei von Burkes Entscheidung enttäuscht, jedoch weiterhin davon überzeugt, dass sein Klient am Ende des Verfahrens von allen Anklagepunkten "vollständig entlastet" werde. Weinstein selbst sagte nichts. Er verließ das Gericht, wie er gekommen war: alt, fahl und grau. | Als Harvey Weinstein im Mai verhaftet wurde, sah es so aus, als ob die US-Justiz Fällen sexueller Gewalt auch dann gewachsen ist, wenn der Beschuldigte sehr prominent ist. Doch die Ankläger haben zahlreiche Fehler gemacht. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/harvey-weinstein-prozess-1.4260909 | Weinstein-Prozess: Eine Anklage, die zusammenfällt | 00/12/2018 |
Im US-Bundesstaat Illinois haben sich möglicherweise weit mehr katholische Geistliche des sexuellen Missbrauchs schuldig gemacht als bisher bekannt. In einem am Mittwoch (Ortszeit) in Springfield veröffentlichten Bericht der zuständigen Generalstaatsanwältin Lisa Madigan ist die Rede von mehr als 690 beschuldigten Priestern und Diakonen. Durch eine Telefonhotline habe ihr Büro Hunderte von Hinweisen auf Missbrauchstaten erhalten. Viele Berichte seien herzzereißend, so Madigan. Sollten die neuen Zahlen zutreffen, wären das über 500 potenzielle Täter mehr als die sechs Diözesen des Bundesstaates zuvor angegeben hatten. Sie hatten von 185 Beschuldigten gesprochen, die glaubhaft des Missbrauchs beschuldigt wurden. Vertreter der Diözesen wiesen die weitreichenden Anschuldigungen Madigans zurück, vor allem der Vorwurf des mangelnden Aufklärungswillens treffe nicht zu. Es sei nicht angemessen, eine Liste von Verdächtigungen zu veröffentlichen, ohne die Beschuldigungen genau überprüft zu haben. Die Ermittlungen in Illinois folgen auf den Missbrauchsskandal, den die Staatsanwaltschaft des US-Staats Pennsylvania in der dortigen katholischen Kirche im August offengelegt hatte. Ihrem Bericht zufolge hatten sich dort mehr als 300 Priester in den vergangenen 70 Jahren an mehr als 1000 Kindern und Jugendlichen vergangen. Die Kirchenoberen hatten nach Überzeugung der Ermittler trotz Kenntnis der Vorgänge teils nicht durchgegriffen oder Vorfälle sogar vertuscht. Die meisten Fälle sind strafrechtlich verjährt. Ihr vorläufiger Untersuchungsbericht zeige, dass die katholische Kirche in Illinois sich nicht selbst beaufsichtigen könne, sagte Madigan. Die Diözesen hätten gäußert, zum Zeitpunkt der Anschuldigungen seien die Priester entweder schon tot gewesen oder hätten ihr Amt nicht mehr ausgeübt. Deshalb sei es zu keinen Ermittlungen gekommen. Der Kardinal der in Illinois gelegenen Metropole Chicago, Blase Cupich, drückte in einer Mitteilung sein tiefes Bedauern darüber aus, dass die Kirche gescheitert sei, die "Geißel des sexuellen Missbrauchs" seitens Geistlicher anzugehen. Seine Erklärung druckte die Zeitung Chicago Tribune. | Die katholische Kirche im US-Bundesstaat Illinois hat 185 Priester und Diakone wegen sexuellen Missbrauchs angezeigt. Nach Ermittlungen der Staatsanwaltschaft weiten sich die Vorwürfe noch massiv aus. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/missbrauch-kirche-illinois-1.4260806 | USA: Fast 700 Priester des Missbrauchs beschuldigt | 00/12/2018 |
Nach zehn Jahren Beziehung ist zwischen der Sängerin und dem Moderator Schluss. Dieses Mal wirklich. Fischer hat bereits einen neuen Partner. Was ist passiert? Die Schlagersängerin Helene Fischer, 34, und der Moderator und Sänger Florian Silbereisen, 37, haben sich nach zehn Jahren Beziehung getrennt. Das bestätigte Fischer am Mittwochabend auf ihrer Facebookseite. "So traurig wir darüber sind, dass wir unseren Lebenstraum gemeinsam nicht verwirklichen konnten und Florian und ich nun getrennte Wege als Paar gehen, umso schöner und kraftvoller gehen wir aus dieser bitteren Erfahrung nun als Freunde neue Wege", heißt es dort. Der Zeitschrift Bunte hatte Silbereisen zuvor gesagt: "Während in den letzten Wochen mal wieder über eine bevorstehende Hochzeit spekuliert wurde, waren wir längst getrennt." Warum interessiert uns das? Weil Helene Fischer Helene Fischer ist und Florian Silbereisen Florian Silbereisen. Oder, um in der Sprache des Boulevard zu sprechen: Es handelt sich hier um das Traumpaar der Volksmusik! Über Fischer wurde unlängst bekannt, dass man sie durchaus als "Weltstar" bezeichnen kann, das Magazin Forbes listete sie als eine der bestbezahlten Künstlerinnen weltweit, noch vor Britney Spears und Celine Dion. Vom gemeinsamen Privatleben gaben beide immer wenig preis, was die Klatschpresse natürlich nicht davon abhielt, sich täglich neue Skandale, Trennungsgerüchte oder Schwangerschaftsspekulationen einfallen zu lassen. Und jetzt? Wird Silbereisen wohl entscheiden müssen, ob er seine Helene-Tätowierung auf dem linken Oberarm behält. Auf Facebook schreibt Fischer: "Wir gehen hier als Freunde gestärkt raus und werden nicht zulassen, dass sich uns die Medien auch nur ansatzweise in den Weg stellen oder uns gegeneinander ausspielen. Nichts und niemand kann uns erschüttern!" Einen neuen Partner habe sie ebenfalls, verkündet Fischer: "Aber ja, es gibt einen neuen Mann in meinem Leben und daraus will ich kein Geheimnis machen." Die Bunte berichtet, Fischer sei nun mit einem Luftakrobaten liiert, der schon länger in Fischers Show mit auftrete. Für sie soll dieser seine bisherige Partnerin verlassen haben. So kurz vor Weihnachten und der (bereits gedrehten) Weihnachtsshow von Fischer, die am 25.12. ausgestrahlt wird, erscheint die Trennung also, wie damals der Beginn der Beziehung - "es hat uns wie ein Blitz erwischt", hatte Silbereisen seinerzeit gesagt. | Nach zehn Jahren Beziehung ist zwischen der Sängerin und dem Moderator Schluss. Dieses Mal wirklich. Fischer hat bereits einen neuen Partner. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/trennung-helene-fischer-florian-silbereisen-1.4260716 | Helene Fischer und Florian Silbereisen getrennt | 00/12/2018 |
Für sieben Fälle sexueller Belästigung, zum Teil mit Körperverletzung, ist ein 28-Jähriger zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Er ging offenbar mit der immer gleichen Taktik vor: Er radelte von hinten an Frauen heran, griff ihnen an den Po und flüchtete. Das Amtsgericht Berlin-Tiergarten verurteilte ihn dafür zu einer Geldstrafe von 4500 Euro. Zu den Taten war es zwischen Januar und April 2017 in Hohenschönhausen und Prenzlauer Berg gekommen. Der 28-Jährige ist mehrfach vorbestraft, hat die Taten gestanden und um Entschuldigung gebeten. Er habe damals wegen einer "schwierigen Trennung" viel Alkohol und Kokain konsumiert. Wie es zu den Übergriffen kam, könne er nicht erklären. | Ein 28-Jähriger muss eine Geldstrafe in Höhe von 4500 Euro zahlen, weil er Frauen an den Po griff. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/berlin-grabscher-verurteilt-1.4259677 | Grabscher verurteilt | 00/12/2018 |
Das Wort "Stealthing" kommt aus dem Englischen. Es leitet sich von stealth ab und lässt sich am ehesten mit List oder Heimlichtuerei übersetzen. Wobei das die Niederträchtigkeit der Tat nicht ansatzweise umfasst: Von "Stealthing" ist die Rede, wenn ein Mann, heimlich und ohne die Einwilligung seiner Sexpartnerin oder seines -partners, das Kondom abzieht und den Beischlaf fortsetzt. Wer auf diese Weise hintergangen wird, dem kann eine ungewollte Schwangerschaft drohen oder die Ansteckung mit einer Krankheit - eben alles, was man mit der Nutzung eines Kondoms zu verhindern sucht. Nun wurde zum ersten Mal in Deutschland ein Mann wegen "Stealthings" verurteilt. Das Berliner Amtsgericht-Tiergarten verhängte gegen den 37-Jährigen eine achtmonatige Bewährungsstrafe und eine Geldstrafe. Das Gericht sprach den Mann wegen eines sexuellen Übergriffs, nicht aber wegen Vergewaltigung schuldig. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Gül Pinar ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Strafrecht. Sie erklärt den Unterschied zwischen einem sexuellen Übergriff und einer Vergewaltigung als "rein formell". Beide seien im Gesetz gemeinsam geregelt, sagt Pinar. "Bei einer Vergewaltigung geht es um eine besonders schwere Form des sexuellen Übergriffs, bei dem eine Person gegen ihren Willen penetriert wird." Der konkrete Fall sei sehr schwierig zu beurteilen, weil der Sex einvernehmlich gewesen sei. "Das einzige, was nicht einvernehmlich war, ist, dass das Kondom abgezogen wurde." "Stealthing"-Opfer sollten rechtliche Schritte einleiten können Über "Stealthing" wird in Deutschland erst seit vergangenem Jahr diskutiert. Im April 2017 veröffentlichte die Juristin und Yale-Absolventin Alexandra Brodsky eine Studie im Columbia Journal of Gender and Law. Für sie ist die Sache ziemlich klar: "Stealthing"-Opfer sollten die Möglichkeit haben, rechtliche Schritte einzuleiten. Die Frauen, mit denen sie für ihre Studie gesprochen hat, haben entsprechende Vorfälle als überaus verletzend empfunden. Sie waren aber nicht sicher, ob es sich dabei um eine Form der Vergewaltigung handelte oder nicht. "Stealthing" sollte deshalb nach Brodsky aus zwei Gründen strafrechtlich verankert werden: damit Opfer Anzeige erstatten können und damit die Praktik klar als Straftat benannt werden kann. Rechtsanwältin Gül Pinar zweifelt mit Blick auf den Berliner Fall daran, "ob dabei tatsächlich immer das Strafrecht eingreifen muss". Sie sagt: "Das Wichtige ist, dass zumindest gesellschaftlich darüber gesprochen wird und dass es einen Konsens darüber gibt, dass ein solches Verhalten nicht in Ordnung ist." Wie sehr betroffene Frauen leiden, zeigt ein Blick in Internet-Foren: Dort schildert beispielsweise eine junge Studentin eine entsprechende Situation. "Allein der Gedanke, was passiert ist, lässt mein Herz rasen, dieser Moment, ich wollte ihn anschreien und weiß was noch, aber ich war wie gelähmt. Bin ich denn überhaupt ein Opfer? Ich hatte ja schließlich freiwillig mit ihm Sex", schreibt sie unter Pseudonym. | Weil er ohne die Einwilligung seiner Sexpartnerin das Kondom während des Beischlafs abzog, wurde ein 37-Jähriger zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/berlin-respektlose-tat-1.4259675 | Respektlose Tat | 00/12/2018 |
Das hätte sich der grüne, griesgrämige Grinch nicht besser ausdenken können: In der nordchinesischen Stadt Langfang, Provinz Hebei, haben die Lokalbehörden Weihnachten verboten. Angeblich, um die "soziale Ordnung und Stabilität" zu bewahren, wurden die Bewohner der Stadt dazu aufgefordert, jeglichen Weihnachtsschmuck zu entfernen. Dieser darf auch nicht mehr von lokalen Geschäften verkauft werden, wie es in einem Statement der Behörden heißt. Auf der Verbotsliste stehen Weihnachtsbäume und -stiefel, Adventskränze und Figuren des Weihnachtsmannes. Bewohner seien zudem aufgefordert worden, Menschen zu melden, die in der Öffentlichkeit, etwa in Parks und auf Plätzen, "religiöse Inhalte" verbreiteten. Weihnachten ist in China kein offiziell begangener Feiertag. Seit vielen Jahren wird das Fest dort aber immer beliebter. Viele Einkaufszentren im Land schmücken sich mit Weihnachtsdekoration und Christbäumen. In Großstädten wie Shanghai gibt es Weihnachtsmärkte mit Punschausschank und mit Ständen, an denen Schneekugeln und Engelsfiguren verkauft werden. Kirchliche Symbole wie Marienstatuen und Bilder von Jesus Christus sind dagegen eher selten zu sehen. Die große Mehrheit der Einwohner verbindet mit Weihnachten schlicht eine westliche - und damit für viele junge Chinesen ziemlich coole - Tradition, weniger das christliche Fest der Geburt Jesu Christi. Anders ist das für die laut der Nichtregierungsorganisation Freedom House schätzungsweise 60 Millionen protestantischen Christen und zwölf Millionen Katholiken in China, die diesen Tag in ihren Gemeinden begehen. Bisher wurden diese meist in Ruhe gelassen. Offiziell ist das Christentum in China anerkannt. Religionsfreiheit ist in der chinesischen Verfassung festgeschrieben. Aber unter Präsident Xi Jinping ist der Druck auf die wachsende christliche Bevölkerung gestiegen. Seitdem Präsident Xi vor einer fremden Einflussnahme durch Religion gewarnt hatte, wurden zahlreiche Kirchen geschlossen, an vielen Orten wurden Kreuze von religiösen Gebäuden verbannt. Religion solle sich "sinisieren", fordert Xi, sich also den politischen Anliegen Chinas unterordnen. Das betrifft auch den Islam und den Buddhismus. Im Januar hatten Behörden in der Provinz Shanxi eine von Chinas größten evangelischen Gemeinden mit rund 50 000 Mitgliedern aufgelöst. Erst vergangene Woche nahmen Lokalbehörden im westchinesischen Chengdu mehr als 100 Mitglieder der Early Rain Covenant Church fest. Es handelt sich dabei um eine der bekanntesten protestantischen Untergrundkirchen, die sich nicht registrieren lassen, um der staatlichen Kontrolle zu entgehen. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch sprach zuletzt von einem "unerbittlichen Angriff" der Regierung auf die Religionsfreiheit im Land. Das nun im nordchinesischen Langfang ausgesprochene Verbot von Weihnachtsfeierlichkeiten gilt bisher nicht für ganz China, sondern scheint die Maßnahme einer einzelnen Lokalregierung zu sein. 2017 hatte aber schon ein Ableger der Jugendorganisation der Kommunistischen Partei in der Provinz Hunan seine Mitglieder aufgefordert, eine Verpflichtung zu unterschreiben, nicht an Weihnachtsfeierlichkeiten teilzunehmen. | Eine Lokalbehörde in Nordchina verbietet christliche Feierlichkeiten und Weihnachtsschmuck. Die "soziale Ordnung und Stabilität" soll nicht gefährdet werden. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/china-weihnachten-verbot-1.4259673 | China: Weihnachten ist abgesagt | 00/12/2018 |
Er ging offenbar immer mit der gleichen Taktik vor: Er radelte von hinten an die Frauen heran, griff ihnen an den Po und flüchtete. Sieben Mal hat ein 28-Jähriger in Berlin Frauen auf diese Art belästigt. Dafür wurde er nun vom Amtsgericht Berlin-Tiergarten zu einer Geldstrafe von 4500 Euro verurteilt. Das Gericht folgte mit dem Urteil dem Antrag des Staatsanwalts. Der Verteidiger hatte keinen konkreten Strafantrag gestellt. Zu den Taten war es in der Zeit von Januar bis April 2017 in den Stadtteilen Hohenschönhausen und Prenzlauer Berg gekommen. "Er holte mit voller Wucht aus und schlug auf den Po", schilderte eine 22-jährige Geschädigte im Prozess. Sie sei damals mit ihren Kindern auf dem Weg zur Kita gewesen. "Ich war total geschockt." Eine 29-Jährige sagte, sie habe drei Tage unter Schmerzen gelitten, so fest hatte der Mann offenbar zugegriffen. Zwei der vier betroffenen Frauen wurden sogar wiederholt von dem Radfahrer belästigt. Der 28-Jährige ist mehrfach vorbestraft. Er hat die Taten gestanden und um Entschuldigung gebeten. Er habe damals wegen einer "schwierigen Trennung" viel Alkohol und Kokain konsumiert, sagte er vor Gericht. Zudem sei er arbeitslos gewesen. Wie es zu den Übergriffen kam, könne er sich heute nicht mehr erklären. | Ein Radfahrer belästigt im Vorbeifahren immer wieder Frauen. Dafür muss er nun eine Geldstrafe von 4500 Euro bezahlen. Bei der Verhandlung zeigt sich der frühere Müllmann reuig. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/prozess-berlin-urteil-radfahrer-frauen-1.4259466 | Prozess in Berlin - Radfahrer belästigt Frauen | 00/12/2018 |
Wer in Thailand den König oder seine Familie kritisiert, kann für Jahre ins Gefängnis kommen. Majestätsbeleidigung ist ein Straftatbestand. Einer, welcher einem Social-Media-Star des Landes nun zum Verhängnis werden könnte, wie mehrere Medien übereinstimmend berichten. Demnach hat Wanchaleom Jamneanphol, die sich selbst "mixy bigmouth" nennt, ein Kleid der Miss Universe Thailand 2018 als hässlich bezeichnet. Nun wurde gegen sie Anklage erhoben. Konkret geht es um ein hellblaues, meerjungfrauenartiges Stück aus Seide, das besagte Miss Sophida Kanchanarin bei einem Gala-Dinner Anfang Dezember getragen hat. Problem ist jedoch nicht die Trägerin des Kleides, sondern die Designerin: Sirivannavari Nariratana, 31 Jahre alt und Mitglied der thailändischen Königsfamilie, genauer gesagt die Tochter des amtierenden Königs Rama X. alias Maha Vajiralongkorn, der vor zwei Jahren seinem verstorbenen Vater auf den Thron folgte. Das Kleid sei eine perfekte Kombination aus einem traditionellen thailändischen und einem modernen Stil, heißt es in einem Instagrampost der Modefirma der Prinzessin. Es sei inspiriert von der Mode der amtierenden Königin. Mit anderen Worten: die Kritik von Jamneanphol wird wohl nicht nur als Angriff auf die Arbeit der Tochter empfunden, sondern auch als Attacke auf den Geschmack der Königin. Dass Majestätsbeleidigung in Thailand kein Kavaliersdelikt ist, hat sich in der Vergangenheit immer wieder gezeigt. In den vergangenen Jahren sollen mehr als 100 Menschen deswegen verurteilt worden sein. 2015 kam eine Mutter von zwei Kindern deshalb 28 Jahre ins Gefängnis, ein Mann sogar für 30 Jahre. Das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte nannte die Urteile "entsetzlich", angesichts "schockierend unangemessener Haftzeiten". Zudem erfüllten die Verfahren nicht die internationalen Standards fairer Prozesse. So gebe es beispielsweise keine Chance auf Berufung. Die Urteile fielen noch unter dem Regiment von König Bhumibol Adulyadej, dem Vater von Rama X. Bis jetzt gibt es jedoch keine Anzeichen, dass der Sohn an diesem Prinzip etwas ändern will. Auch ob Jamneanphols Popularität sie schützen wird, ist unklar. Auf Youtube, Instagram und Facebook hat sie mehrere hunderttausend Follower. Jamneanphols besagter Facebookpost wurde bereits gelöscht, wie der britische Guardian berichtet. Dafür sei ein neuer Post mit einer Entschuldigung erschienen. Sie habe nicht die Absicht gehabt, das Königshaus zu beleidigen, schreibt Jamneanphol. | Social-Media-Star Wanchaleom Jamneanphol hat ein Kleid als hässlich bezeichnet, das von der Tochter des Königs entworfen wurde. Nun droht ihr eine drakonische Strafe. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/thailand-klage-kleid-beleidigung-koenig-1.4259396 | Social-Media-Star kritisiert Kleid - und wird angeklagt | 00/12/2018 |
Marokko gilt als relativ sicheres Reiseland, die marokkanischen Tourismusbehörden feierten das vergangene Jahr als "außergewöhnlichen" Erfolg: fast elf Millionen Reisende besuchten das Land. Trekkingtouren im Atlasgebirge sind besonders beliebt bei vielen der aktiveren Touristen. Die Region gilt als friedfertig. Anders etwa als im Rif-Gebirge im Norden des Landes. Dort dulden die Farmer der Haschisch-Plantagen keine ungebeten Gäste. Die Bevölkerungsmehrheit der im Atlas lebenden Berber hingegen gilt als gastfreundlich. Mit umso größerer Bestürzung hat man deswegen nun in Dänemark und Norwegen die Nachricht zur Kenntnis genommen, dass im Atlasgebirge die Leichen zweier ausländischer Studentinnen gefunden wurden. Es handelt sich um Maren Ueland, eine 28-jährige Norwegerin, und Louisa Vesterager Jespersen, eine 24-jährige Dänin. Beim Campen am Fuße des Berges Toubkal wurden sie allem Anschein nach Opfer eines brutalen Verbrechens. Ihre Hälse wiesen "Spuren von Gewalt" auf, teilten marokkanische Behörden mit. Offenbar haben die Täter den beiden Frauen die Kehlen durchtrennt. Eilig gaben die marokkanischen Behörden noch am Dienstagvormittag bekannt, sie hätten einen Verdächtigen bereits gefasst, drei weiteren sei man auf der Spur. Zwei weitere Verhaftungen erfolgten einige Stunden später. Leichen weisen Stichverletzungen auf Die beiden jungen Frauen kannten sich vom Studium an der Universität von Südostnorwegen in der Gemeinde Bø. Sie waren am vergangenen Wochenende aufgebrochen zu einer einmonatigen Rucksackreise, und am Sonntag in Marokko gelandet. Die Mutter der 28-jährigen Norwegerin berichtete dem norwegischen Rundfunksender NRK, sie habe am Sonntag eine letzte Nachricht ihrer Tochter erhalten. Die Tochter habe ihr erklärt, daß sie nun vielleicht längere Zeit keinen Kontakt aufnehmen könne, weil sie und ihre Freundin nun in abgelegene Bergregionen wandern würden. Die Leichen der beiden wurden dem marokkanischen Innenministerium zufolge mit Stichverletzungen rund zehn Kilometer entfernt vom Ort Imlil gefunden, einem beliebten Stützpunkt von Wanderern für Ausflüge zum Berg Toubkal. Der ist mit 4167 Metern der höchste Berg des Hohen Atlas sowie des gesamten Maghreb. In norwegischen und dänischen Medien beschrieben die Familien der beiden die Studentinnen als erfahrene Outdoor-Sportlerinnen: voller Tatendrang, hungrig auf neue Erfahrungen, dabei aber nicht übermütig. Vesterager Jespersen studierte in Norwegen, um Reiseleiterin zu werden, schrieb sie auf Facebook. "Regel Nummer eins war für sie immer Sicherheit", sagte die Mutter von Maren Ueland dem norwegischen Sender NRK. Die beiden hätten vor der Reise alle möglichen Vorsichtsmaßnahmen getroffen. Die Mutter der jungen Dänin erzählte der dänischen Zeitung BT, sie habe die Tochter vor der Reise gewarnt: "Wir rieten ihr ab davon, dort hinzufahren, weil es so ein chaotischer Ort ist und weil man von Leuten gehört hat, die dort ermordet wurden." Norwegische Medien wiesen darauf hin, dass das norwegische Außenministerium Marokko als ungefährlich einstufe. Das Auswärtige Amt in Berlin warnt für das Land vor Touren abseits befestigter Straßen ohne lokale Führer. Explizite Reisewarnungen gelten jedoch auschließlich für die Grenzregionen zu Algerien, Mauretanien und das umkämpfte Gebiet Westsahara. Die norwegische Zeitung VG zitierte marokkanische Beamte, die ihr Land als "friedlich" verteidigten und die Morde als "untypisch und selten" für Marokko beschrieben. "Ganz Imlil steht unter Schock", sagte ein lokaler Bergführer der Zeitung: "So etwas ist hier noch nie geschehen." Vorest hat die Regierung eine Touren-Sperre für die Region verhängt. Eine erste Festnahme durch die marokkanische Polizei erfolgte am Dienstag in den frühen Morgenstunden in Marrakesch. Offenbar hatten sich die Tatverdächtigen in die rund 60 Kilometer von Imlil entfernt liegende Stadt abgesetzt.. Die Polizei teilte mit, sie hab auch die übrigen Tatverdächtigen schon identifiziert, die Suche nach ihnen habe höchste Priorität. Die mutmaßlichen Täter hätten in der Nähe der beiden Frauen gecampt. Über ihr Tatmotiv ist bisher nichts bekannt. Korrektur: In einer früheren Version des Artikels haben wir fälschlicherweise Alter und Nationalität der beiden jungen Frauen vertauscht. | Die beiden Studentinnen aus Dänemark und Norwegen waren im Atlasgebirge unterwegs. Drei Tatverdächtige sind festgenommen. Die Hintergründe der Tat sind noch unklar. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/marokko-atlasgebirge-touristinnen-1.4258757 | Marokko - Zwei Touristinnen im Atlasgebirge ermordet | 00/12/2018 |
Im Winter finden Obdachlose im Freien selten Schlafstellen, an denen sie es über Monate aushalten können. Im Winter wird aus dem Leben auf der Straße ein Überleben auf der Straße. Ein Dortmunder Obdachloser erzählt, wie er durchkommt und wie Weihnachten trotzdem schön wird. Statt sich vom Servierwagen zu bedienen, hat sich Stefan Cramer zum Frühstück eine Pizza mitgebracht. Nicht die Aussicht auf ein leckeres Essen, sondern die Kälte hat den 39-Jährigen an diesem Dezembermorgen in die Dortmunder Obdachloseneinrichtung Gast-Haus getrieben. Der Raum ist überfüllt, es riecht nach kaltem Schweiß, wenigstens ist es warm. Cramer kennt die wichtigen Anlaufstellen im Winter. Seit dem 19. Januar 2017 lebt er auf der Straße. Erst kamen psychische Probleme und Schulden, dann eine Zwangsräumung. Seitdem schlägt sich Cramer wie Tausende Obdachlose in Deutschland irgendwie durch. SZ: Herr Cramer, wie verbringen Sie Heiligabend? Stefan Cramer: Frühstücken werde ich wohl nicht. Es gibt eh genug zu essen an dem Tag. Ich besuche nachmittags zwei Gottesdienste. Dann gehe ich vielleicht mal zur Diakonie. Abends bin ich bei einem Essen von katholischer und evangelischer Kirche eingeladen. Da kommen Ältere und Obdachlose. Der Pfarrer ist 'ne richtig coole Sau. Um 23 Uhr mache ich wahrscheinlich noch die Christmette mit. Der Glaube hilft Ihnen? Das ist die Ruhe in der Kirche. Dort geht es darum, Mensch zu sein. Jeder ist willkommen. Ich erlebe dort auch menschliche Nähe, kenne das ganze Personal, mit einer Pfarrerin bin ich per Du. Wie verändert sich im Winter Ihr Leben auf der Straße? Im Sommer sitze ich abends am U-Turm. Teilweise kannst du da schön den Sonnenuntergang sehen. Die Leute treffen sich und machen Musik. Im Winter ist es viel zu kalt dafür. Was ist die Alternative? Abends ist man erst mal im Gast-Haus. Ab acht Uhr muss man sehen, dass man die Zeit rumkriegt. Im letzten Jahr bin ich mit dem Fahrrad rumgefahren oder habe noch was zu essen gekauft. Dann bin ich zu meinem Schlafplatz. Da kann ich erst ab 22.45 Uhr hin. Die Kälte schränkt Sie ein? Na ja, wenn es auch noch regnet, is' es scheiße. Dann geht nicht mehr viel. Du musst dich unterstellen, damit nicht alles nass wird. Und wenn du irgendwo rein willst, wo es warm ist, musst du konsumieren. Das kostet Geld. Der Winter ist teurer, im Sommer trinke ich abends meine 19-Cent-Cola. Was ist für Sie das Wichtigste, wenn es kalt wird? Dass ich einen guten Schlafsack habe. Meiner wurde mir zwei Mal geklaut. Mittlerweile trage ich den immer mit mir. Leider schränkt das Schleppen meine Reichweite ein. Wenn es richtig kalt wird, reicht der Schlafsack nicht mehr. Jedes Jahr lesen wir von Menschen, die auf der Straße erfrieren. Wie bereiten Sie sich auf die extremen Tage vor? Zum Glück war es in diesem Winter erst in einer Nacht richtig kalt. Letztes Jahr hatte ich zu dieser Zeit die Schnauze voll. Da habe ich in der Übernachtungsstelle für Wohnungslose überwintert. Da gehe ich dieses Jahr wohl wieder hin. Warum sind Sie nicht dauerhaft dort? Am Tag, als meine Wohnung geräumt wurde, habe ich mich in der Männerübernachtungsstelle angemeldet. Ein Achterzimmer als Aufnahmeraum. Da hat man keine Privatsphäre, aber ich war ja auch beim Bund mit vier Leuten auf der Stube. Trotzdem penne ich seit sieben Monaten lieber draußen. Es war super Wetter. Klar, die Unterkunft ist eigentlich besser. Aber da musst du immer um 7.45 Uhr aus dem Haus. Draußen reglementiert mich keiner. Sind die Passanten hilfsbereiter im Winter? Wenn man dir ansieht, dass du arm bist, kommen 'ne Menge Leute und geben dir einen aus. Wenn es kalt ist, ist das noch mal stärker. Interview am Morgen Diese Interview-Reihe widmet sich aktuellen Themen und erscheint von Montag bis Freitag spätestens um 7.30 Uhr auf SZ.de. Alle Interviews hier. In Köln gab es zuletzt eine Aktion, bei der Menschen Mäntel für Obdachlose in Bäume gehängt haben. Hilft das? Kleiderspenden sind gut. Man kann den Leuten auf der Straße auch Geld geben. Früher dachte ich, denen würde ich kein Bier holen. Heute sage ich: Scheiß' drauf. Wenn du einem kein Geld gibst, bekommt der trotzdem irgendwo sein Bier her. Viele haben Sorge, dass Obdachlose von ihrer Spende noch härtere Drogen kaufen. Einige sagen dem Obdachlosen noch, dass er keine Drogen kaufen soll. Aber natürlich kauft der welche. Der ist so kaputt, der muss sich breit machen, sonst hält der es nicht mehr aus. Die müssen selber an den Punkt kommen, an dem sie erkennen, dass es nicht weitergeht. Die meisten schaffen es nicht und sterben. Außer Keith Richards habe ich nie einen Junkie erlebt, der 60 Jahre alt wurde. Was ist mit Essen? Sind Sie da versorgt? Verhungern kann man nicht, das ist schön. In Dortmund haben wir viele Anlaufstellen. Seitdem ich meine Wohnung verloren habe, habe ich 18 Kilo zugenommen. Jetzt muss ich mal abnehmen. Die Weihnachtszeit ist natürlich gehaltvoll. Aber ansonsten fehlt es an Hilfe. In der Sozialen Arbeit geht es zu wenig um Obdachlose. Man kann nur seine erbärmliche Situation aufrechthalten. Aber eigentlich muss man die Leute doch wieder fit für eine Wohnung machen. | Im Winter wird aus dem Leben auf der Straße ein Überleben auf der Straße. Ein Dortmunder Obdachloser erzählt, wie er durchkommt und wie Weihnachten trotzdem schön wird. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/obdachlosigkeit-winter-weihnachten-interview-1.4252161 | Interview am Morgen: Obdachlose im Winter | 00/12/2018 |
Amerika ist nicht nur das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, es ist auch das Land der kuriosesten Gerichtsurteile. Mal wird ein ohrfeigender Texaner vom Richter in einen Yoga-Kurs geschickt, weil man bei den Yogis besonders gut Beherrschung lernen kann. Dann wird eine Frau aus Pennsylvania dazu verdonnert, ein Jahr lang ein Foto von den sterblichen Überresten genau jenes Mannes mit sich herumzutragen, den sie zuvor unter Alkoholeinfluss überfahren hatte. Und jetzt muss, wie nicht nur CNN berichtet, der Wilderer David Berry auf Beschluss eines Gerichts in Missouri während seiner Haftstrafe mindestens einmal im Monat Walt Disneys "Bambi" schauen, um endlich zu kapieren, welches Unglück das Erschießen einer Hirschkuh bei einem jungen Hirschkalb auslöst. (Hätte Berry nicht Hirsche, sondern andere Tiere getötet, so hätte der Staatsanwalt womöglich auf "König der Löwen" plädiert.) Film als Strafe - da kann wirklich jeder mitreden, der sich im Kino bei "50 Shades of Grey", "Call me by your name" oder dem Spätwerk von Lars von Trier wundgesessen hat. Meist ist es ja so: Arthaus-Fans fürchten sich vor Blockbustern. Popcorn-Fans fürchten sich vor dem, was im Programmkino so läuft. Für moderne Frauen sind alte Doris-Day-Filme die absolute Pest, junge Männer hingegen fürchten sich vor Filmen mit Julia Roberts. Und Kinder mögen all das nicht, was ihre Eltern einst gut fanden: Stummfilme, Zeichentrickfilme und alles im Format 4:3. Nur "Bambi" - das finden wirklich alle gut. Bis auf Wilderer vielleicht. Verirrte Menschen pädagogisch wertvoll wieder auf den rechten Weg zu bringen - so wie die drei Weihnachtsgeister den Geizhals Ebenezer Scrooge in Charles Dickens "A Christmas Carol" - eigentlich ist das keine schlechte Idee. Statt, zum Beispiel, wegen zu lautem Sex ein Ordnungsgeld von 255 000 Euro anzudrohen, hätte der zuständige Richter des Amtsgerichts Rendsburg das junge Pärchen vor einigen Jahren auch einfach zum Betrachten des französischen Films "Delicatessen" verpflichten können. Denn dort sieht man ja, wozu der aufgenötigte Takt eine Hausgemeinschaft auf Dauer bringen kann. Und dem deutschen Jugendlichen, der einst von einem Ladenbesitzer Schmerzensgeld dafür verlangte, dass dieser ihm genau jenen Alkohol verkaufte, durch dessen Konsum er sich später etwas im Reißverschluss einzwickte (mit weitreichenden Folgen), hätte der Richter auch "Verrückt nach Mary" verordnen können. Nach dem Motto: So kann es gehen, mein Lieber, wenn du nicht aufpasst! Aber dafür kann der Ladenbesitzer ja nix. Fest steht schon jetzt: In der internationalen Rechtsprechung könnte das Bambi-Urteil von Missouri eine ganz neue Phase einläuten. | Ein Wilderer in den USA soll "Bambi" schauen, um bekehrt zu werden. Aber gäbe es da nicht noch mehr Möglichkeiten? Beispiele, bei welchen Straftaten sich andere Zeichentrick-Filme geradezu aufdrängen würden. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/verbrechensbekaempfung-zur-reh-sozialisierung-1.4258358 | "Verurteilt zu ""Bambi"": Reh-Sozialisierung" | 00/12/2018 |
Seine Familie wurde von den Nazis vertrieben, trotzdem ist der britische Moderator Nick Ross jetzt deutscher Staatsbürger geworden. Er sagt, es sei Zeit, "sich auf die Seite der Anständigen zu schlagen". Ganz zum Schluss schreibt Nick Ross an die Willy-Brandt-Straße Nummer 1, Berlin, Germany. "Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin", steht da auf Englisch, "Sie werden diesen Brief nie lesen. Aber ich hoffe, Ihre Mitarbeiter erzählen Ihnen zumindest kurz von einem britischen Fernsehmoderator, der gerade seinen deutschen Pass bekommen hat. Es war ein sehr emotionaler Moment." | Seine Familie wurde von den Nazis vertrieben, trotzdem ist der britische Moderator Nick Ross jetzt deutscher Staatsbürger geworden. Er sagt, es sei Zeit, "sich auf die Seite der Anständigen zu schlagen". | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/nick-ross-brexit-1.4258489 | Nick Ross und der Brexit: You're welcome | 00/12/2018 |
Ein Passant lässt in Hannover zum Jahreswechsel Raketen in den Himmel steigen, während weitere Hunderte Menschen am Kröpcke feiern. Die Stadt Hannover will 2018 erstmals ein Feuerwerksverbot für die Innenstadt erlassen. Gwendolin von der Osten spricht vom Feuerwerksverbot wie von einem Akt der Freundlichkeit. Sie ist die Leiterin der Polizeiinspektion Hannover-Mitte und hat die Stimmung erlebt, die in der vergangenen Silvesternacht über der Innenstadt lag. Sie hatte kein gutes Gefühl dabei. "Ich habe kaum Personen gesehen, die Feuerwerkskörper sachgerecht abgebrannt haben", sagt sie. Sie zündeten Raketen und Böller aus der bloßen Hand, sie feuerten sie in die Menge, sie gefährdeten Kinder und andere Leute, und am Ende mussten acht Menschen ins Krankenhaus. Gwendolin von der Osten sitzt im Hannoverschen Rathaus neben dem Finanz- und Ordnungsdezernenten Axel von der Ohe bei einer gut besuchten Pressekonferenz, auf der die Stadt erklärt, warum sie dieses Silvester in der City das Mitführen und Abbrennen von Feuerwerkskörpern verbietet. Die Polizistin lächelt. Sie glaubt, dass Silvester durch das Verbot besser wird. Man kann darüber streiten, ob das wirklich mit guter Silvesterstimmung zu tun hat, wenn es knallt und kracht. Aber es gehört nun mal zum deutschen Selbstverständnis, das neue Jahr mit Böllern und buntem Feuer zur begrüßen. In vielen Normalbürgerinnen und -bürgern scheint das ganze Jahr über eine Lust an der Detonation zu schlummern, der sie nur einmal im Jahr, am 31. Dezember und 1. Januar, nachkommen dürfen. Die Erste Verordnung des Sprengstoffgesetzes gewährt ihnen ausdrücklich dieses Zeitfenster zur Feier der Silvesternacht. Und die Leute mögen dieses Zugeständnis. Das drückt sich an Silvester nicht nur in nächtlichen Raketengewittern über den Städten aus. Man hört es auch tagsüber, wenn Knallfrösche knattern und Kanonenschläge explodieren. Aber die Frage bleibt, inwiefern der Spaß mit dem Feuer wirklich gut für Umwelt und Mitmenschen ist. In Hannover haben die Verantwortlichen der Stadt das Gefühl, dass die fröhliche Knallerei immer mehr in einer Art Kriegsspiel mündete. "Man muss schon zum Ergebnis kommen, dass sich was verändert hat", sagt Axel von der Ohe, "es besteht Handlungsbedarf." Die Debatte ums Böllern erzählt viel über die Grenzen der Freiheit und das Gebot der Rücksichtnahme. Mancher mag es humorlos finden, dass das Gesetz Feuerwerkpartys "in unmittelbarer Nähe von Kirchen, Krankenhäusern, Kinder- und Altersheimen sowie besonders brandempfindlichen Gebäuden oder Anlagen" verbietet. Für den gesellschaftlichen Frieden ist es gut. Und der Bedarf an Verboten wächst offensichtlich. Hannover folgt einem Trend. "Wir fühlen uns in breiter Gesellschaft", sagt von der Ohe. Die Gründe für die Knaller-Verbote sind unterschiedlich. In Städten wie Göttingen und Lüneburg geht es vor allem darum, die historischen Innenstädte vor fatalen Einschlägen zu bewahren. Auch auf den Inseln und dem ländlichen Festland im Norden ist Brandschutz der wichtigste Grund für die Verbote. Die Reetdächer der alten Häuser dort sind leicht entzündlich. Selbst auf der ausgewiesenen Party-Insel Sylt darf kein Privatmann ein Feuerwerk abbrennen. Nur eines ist genehmigt, jenes der Gemeinde Hörnum im Süden, ansonsten sollen Lasershows und eine Fackelwanderung vom fehlenden Funkenregen ablenken. Auf Amrum trösten die Inselbewohner enttäuschte Feuerwerksfreunde mit der nordfriesischen Tradition des Hulkens: Dabei gehen verkleidete Nachbarn von Haus zu Haus. Wer errät, welcher Nachbar in der Verkleidung steckt, bekommt je nach Alter Schnaps oder Süßigkeiten. Es wird Polizeikontrollen geben Auch in München wird diskutiert, ob die Böllerei noch zeitgemäß ist. Auf Facebook hat ein Aufruf mit dem Namen "Freiwillig kein privates Feuerwerk an Silvester" schnell die Runde gemacht. Mehr als 86 000 Menschen haben der Veranstaltung schon zugesagt, 53 000 sind interessiert. Diskutiert wird auf der Seite über Feinstaub, Müll und die Folgen für Tiere. Manche teilen persönliche Geschichten wie "Eine Freundin wurde durch eine Rakete von einem betrunkenen Deppen schwer verletzt". An anderer Stelle tauschen sich Interessierte aus, wohin man das Geld spenden könnte, anstatt Böller und Raketen zu kaufen. Eine Userin postete ein Foto auf dem mehrere Hunde mit überzeugendem Hundeblick in die Kamera schauen. "Friedliche Demonstration gegen Böllergeballer", steht darüber. In den Kommentaren geht es aber auch um die Müllberge, die sich nach Silvester bilden. Im vergangenen Jahr war das Münchner Baureferat in den Grünanlagen in der Innenstadt einem besonders hohen Silvesterschrott-Aufkommen ausgesetzt, heißt es in einer Mitteilung. Insgesamt waren es rund 60 Tonnen. In Augsburg darf seit vergangenem Jahr nicht mehr in der Innenstadt geböllert werden. Weitere Städte werden diesem Beispiel wohl folgen. "Das ist keine Ewigkeitsentscheidung", sagt Axel von der Ohe in Hannover. Aber er geht davon aus, dass sich das Verbot bewähren und deshalb auch bleiben wird. Es gilt für den Ernst-August-Platz, die Bahnhofstraße, Kröpcke, Opernplatz, für all jene Plätze also, auf denen die Party in den vergangenen Jahren entgleiste. Es wird Polizeikontrollen geben. Wer Feuerwerkskörper dabei hat, wird sie abgeben müssen und kann dann zusehen, wie die Polizisten sie zerstören. Still und ganz feuerwerksfrei wird es trotzdem nicht sein in Hannovers City. Der Verbotsplan ist detailreich. Es gibt viele Stellen, an denen es erlaubt bleibt, eine schöne Rakete in den schwarzen Himmel zu schicken. Gwendolin von der Osten wünscht sich kein lautloses Silvester. Sie hofft auf "eine schöne Feier mit respektvollem Umgang". | Für Teile der Innenstadt hat Hannover ein Feuerwerksverbot verhängt. In vielen Städten laufen ähnliche Diskussionen. Ein Silvester ohne Raketen und Böller - ist das nicht freudlos? Immerhin: Es gibt Alternativen. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/silvester-feuerwerk-verbot-hannover-1.4258351 | Silvester: Böllern verboten | 00/12/2018 |
Dass er so lange nicht gefasst wurde, bezeichnete selbst der Angeklagte als "Riesenzufall". 14 Mal hatte der Angeklagte Bank- und Postfilialen ausgeraubt, meist mit einer Spielzeugpistole befwaffnet, einmal mit einem Messer. Das hat er vor Gericht gestanden. Er habe die Überfälle spontan und ohne Plan in primitiver Art und Weise durchgeführt, sagte der 55-jährige Tiroler. Bei seinen Überfällen erbeutete er rund 190 000 Euro. Das Geld habe er zur Finanzierung seines Lebens aufgebraucht. Zu zwölf Jahren Haftstrafe ist der "Postkartenräuber" vom Landesgericht Feldkirch im österreichischen Bundesland Vorarlberg am Dienstag verurteilt worden. Die Überfallserie fand zwischen 2008 und 2017 statt, betroffen waren elf Filialen in Vorarlberg und drei in Bayern. "Postkartenräuber" wurde der Mann genannt, weil er auch noch die Dreistigkeit besessen hatte, den Ermittlern Postkarten zu schreiben - zweimal sogar: "Das war noch nicht alles. Komme wieder." Deutschen Medien hatten über den Serientäter auch als "Spinnenman" oder "Spiderman-Räuber" berichtet: Bei manchen Überfällen hatte der Tiroler eine Spiderman-Maske getragen. Im September 2017 wurde er schließlich in Heimenkirch im Landkreis Lindau von einem couragierten 32-jährigen Bankkunden überwältigt - und der Polizei übergeben. Der Angeklagte hat jedoch nicht nur finanzielle Schäden hinterlassen: Teilweise soll er den Bank- und Postangestellten auch mit dem Erschießen bedroht haben. Einige der Opfer sind schwer traumatisiert worden, wie der ORF berichtet. Es tue ihm leid, soll der 55-Jährige vor Gericht gesagt haben. Sein Mandant sei durchaus ein sozialer Mensch, sagte sein Verteidiger. Er habe etwa über Jahre hinweg 3.500 Rettungseinsätze bei der Bergrettung absolviert, berichtet der ORF weiter. Die Staatsanwältin dagegen beschrieb den Tiroler als "eiskalt und berechnend". Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig: Der Angeklagte hat Berufung gegen die Strafhöhe angemeldet. Diesmal allerdings nicht per Postkarte. | 14 Bank- und Postfilialen hat der "Postkartenräuber" in Österreich und Bayern überfallen, jetzt soll er dafür ins Gefängnis. Bekannt wurde der Dieb durch seine einseitige Brieffreundschaft mit der Polizei. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/oesterreich-verurteilung-postkartenraeuber-1.4258947 | Österreich: Hochmut vor dem Überfall | 00/12/2018 |
Das Plakat des Künstlers Christian Ludwig Attersee - von dem der ÖSV "nicht im Geringsten einen irritierenden Effekt" erwartet hatte. Nach massiver Kritik hat der Österreichische Skiverband ein Werbeplakat für ein Frauenrennen zurückgezogen. Christian Ludwig Attersee, der das Plakat entworfen hat, versteht das nicht. Christian Ludwig Attersee, 78, hat sich in den Sechzigern einen Namen als Pop-Art-Künstler erarbeitet. Mit Werken, die er "Gegenstandserfindungen" nannte, die aber in Erotik und Alltag angesiedelt waren. Nun beruft sich der Österreicher auf eine Vergangenheit, die weiter zurückliegt - das Mittelalter. Seit damals sei es "Ausdruck der Stärke der Frauen gegenüber der kriegerischen Männerwelt", wenn Frauen ihre nackte Brust zeigen. Im Wiener Kunsthistorischen Museum seien außerdem "auf jedem zweiten Bild entkleidete Frauen" zu sehen. Weswegen Attersee nicht versteht, dass sein jüngstes Werk in Österreich gerade für gehörige Aufregung sorgt: Ein Plakat für den Ski-Weltcup am Semmering, das eine nackte Frau auf Skiern zeigt, flankiert von aufgespießten Tierköpfen und einem Mond, der ihr zwischen die Beine blickt. Seit 1996 entwirft Attersee Plakate für den österreichischen Skiverband (ÖSV), auch freizügige, wie für die WM 2013. Ein Plakat, das die österreichische Post sogar als Briefmarke vertrieb. Seitdem aber ist rund um den ÖSV einiges ans Licht gekommen. Seit etwas mehr als einem Jahr gibt es Enthüllungen über sexuelle Übergriffe im alpinen Skirennsport. Ehemalige Rennfahrerinnen hatten öffentlich gemacht, von Trainern belästigt oder gar vergewaltigt worden zu sein. Vertrauen in ihre Umwelt In dieser Situation mit einer nackten Frau für ein Skirennen zu werben, erregt entsprechende Kritik. Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner hatte das Plakat am 3. Dezember auf Facebook gepostet. Hämisch wird es dort unter anderem als "die niederösterreichische Antwort auf ein Jahr, in dem sexuelle Übergriffe im Schisport endlich aufflogen" bezeichnet. Inzwischen hat der ÖSV gleich zwei Mal reagiert. Zunächst hieß es, man habe die Beschwerden "mit Betroffenheit und ein wenig Erstaunen zur Kenntnis genommen", schrieb ÖSV-Generalsekretär Klaus Leistner an den Werberat und Mikl-Leitner. "Es lag uns wirklich fern, mit der Arbeit eines bedeutenden Künstlers die Befindlichkeit von Betrachtern in irgendeiner Weise zu verletzen." Die Poster, die zwei Frauen-Rennen am 28. und 29. Dezember bewerben, sollten aber hängen bleiben. Die Verbindung von Kunst und Sport sei "wertvoller Beitrag zur Stärkung der Bedeutung und Annerkennung des Damen-Rennsports". Am Montagabend scheint die Kritik aber zu heftig geworden zu sein. Um "jegliche weitere Irritation zu vermeiden" habe sich der ÖSV entschlossen, Attersees Plakat zurückzuziehen, schreibt Leistner nun. Der Verband sei zuversichtlich, dass sein Bedauern und "ergriffene Maßnahmen anerkannt werden". Bedauern ist ein Begriff, der Attersee eher fern liegt. "In einer Welt, die von Pornografie in der Öffentlichkeit besetzt ist, bin ich sehr froh, dass ich mit meiner Kunst eine dem entgegengestellte Sicht der Darstellung der Frauenwelt anbieten kann", hatte Attersee im Schreiben an Werberat und Mikl-Leitner mitgeteilt. Sein Motiv, schreibt Attersee, zeige eine Sportlerin in voller Aktion, "die Nacktheit schenkt ihr Vertrauen in ihre Umwelt". Dadurch erreiche sie eine märchenhafte Pose. Klingt nach einem Frauenbild, das noch weiter zurückliegt als das Mittelalter. | Nach massiver Kritik hat der Österreichische Skiverband ein Werbeplakat für ein Frauenrennen zurückgezogen. Christian Ludwig Attersee, der das Plakat entworfen hat, versteht das nicht. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/oesterreich-skisport-plakat-1.4258353 | Skiplakat: Zu nackt für die Piste | 00/12/2018 |
Der Betreiber der Internetseite "Migrantenschreck" ist wegen Waffenhandels zu zwei Jahren und zehn Monaten Gefängnis verurteilt worden. Der 35-jährige Mario R. habe 167 Schusswaffen, mit denen Hartgummigeschosse abgefeuert werden können, illegal von Ungarn nach Deutschland verkauft, begründete das Landgericht Berlin sein Urteil. R. habe sich des unerlaubten Handels und des Verbringens von Schusswaffen in den deutschen Geltungsbereich schuldig gemacht. Die Waffen habe er zudem perfide beworben. Ein Tatgewinn vonetwa 99 000 Euro sei einzuziehen, so die Richter. Der mutmaßliche Rechtsextremist aus Thüringen hatte im Prozess den Verkauf der Waffen im Jahr 2016 zugegeben. Diese seien in Ungarn als Alarm- und Signalgeräte allerdings erlaubt, erklärte R., der wegen Betrugs vorbestraft war. Er sei davon ausgegangen, sich mit dem Verkauf der Waffen nicht strafbar zu machen. Seine Verteidiger hatten auf Einstellung des Verfahrens oder Freispruch plädiert und kündigten nach dem Urteil Revision an. Das Gericht folgte in seiner Entscheidung im Wesentlichen der Staatsanwältin, die drei Jahre und zwei Monate Haft gefordert hatte. R. war nach jahrelangen Ermittlungen am 28. März 2018 in Budapest festgenommen worden. Die Polizei durchsuchte dann seine Wohnsitze in Budapest und Barcs, einem kleinen Ort an der Grenze zu Kroatien, und beschlagnahmte Computer. Gegen seine Auslieferung nach Deutschland hatte sich der Verdächtige juristisch gewehrt. Ungarische Gerichte lehnten die Beschwerde aber ab. Seit dem 28. Juni ist er in Berlin inhaftiert. SZ.de und Motherboard hatten in den vergangenen Jahren immer wieder zu Migrantenschreck recherchiert und unter anderem mit Käufern gesprochen, die über die Website Waffen gekauft hatten. Mario R. soll neben Migrantenschreck auch die Facebook-Seite anonymous.kollektiv betrieben haben, auf der er vor zwei Millionen Fans gegen Muslime, Politiker und Flüchtlinge hetzte. | Der rechtsextreme Aktivist und Webshop-Betreiber Mario R. wird zu fast drei Jahren Haft verurteilt. Seine Verteidiger wollen gegen Urteil des Landgerichts Berlin in Revision gehen. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/waffenhandel-migrantenschreck-haftstrafe-1.4258587 | """Migrantenschreck""-Betreiber muss in ins Gefängnis" | 00/12/2018 |
Im Juni 2017 tritt ein 38-jähriger Mann nachts um 23 Uhr die Fliethstraße in der Gladbacher Innenstadt. Er will die vierspurige Straße queren, als plötzlich zwei Autos heranrasen. Eines davon als Geisterfahrer auf der falschen Fahrspur. Diesem kann der Mann nicht ausweichen, es erfasst ihn, er fliegt fast 40 Meter durch die Luft und prallt gegen einen parkenden Wagen. Er ist sofort tot. Jetzt sind in dem Prozess vor dem Landgericht Mönchengladbach die Urteile gefallen: Der 29-jährige Unfallfahrer muss wegen fahrlässiger Tötung und wegen vorsätzlicher Verkehrsgefährdung für drei Jahre ins Gefängnis. Der 26-jährige Fahrer, der an dem mutmaßlichen Rennen ebenfalls teilnahm, sich anschließend zwei Tage lang nicht meldete und sich somit der Unfallflucht strafbar machte, muss eine Geldstrafe von 3000 Euro bezahlen. Damit ging das Gericht sogar über das von der Staatsanwaltschaft geforderte Strafmaß für den Unfallverursacher hinaus. Diese hatte zwei Jahre und zehn Monate Haft gefordert. Der Angeklagte hatte zwar gestanden, viel zu schnell gefahren zu sein, will sich aber kein Rennen geliefert haben. Sein Anwalt hatte auf Bewährungsstrafe plädiert. Junge Männer überschätzen sich maßlos Die beiden Seat-Fahrer sollen sich Mitten in Mönchengladbach nach Aussagen einiger Zeugen ein spontanes Autorennen geliefert haben. Die wilde Fahrt soll bereits Hunderte Meter vor dem Unglücksort begonnen haben. Die Autos sollen etwa mit Tempo 100 über die Straße gerast sein, in der Fliethstraße sind wegen Lärmschutz aber nur 40 Stundenkilometer erlaubt. Offenbar lag der silberne Seat des 26-Jährigen vorne und fuhr in der Mitte der zwei Spuren, woraufhin der schwarze Seat des 29-Jährigen auf die Gegenspur auswich, um zu überholen. In dem Moment trat der Fußgänger auf die Straße. Zwar bremste der Raser noch, doch beim Aufprall sei das Auto laut Gutachten immer noch mit mindestens 75 km/h unterwegs gewesen. Doch das Gericht differenzierte in seiner Urteilsbegründung: Der 29-Jährige habe sich möglicherweise zu einem illegalen Rennen herausgefordert und angestachelt gefühlt, führte der Vorsitzende Richter aus. Entsprechend rücksichtslos sei er durch die niederrheinische Stadt gerast. Eine Verabredung und eine Aufforderung zu einem Rennen habe man aber nicht feststellen können. Die zwei beteiligten Autofahrer hätten zurückgesteckt und den Fuß vom Gaspedal genommen - der eine früher, der andere später. Daher ging das Gericht nicht davon aus, dass ein Rennen im Gang war, als der Wagen des 29-Jährigen auf vierspuriger Straße den Fußgänger erfasste. Rennen mit Verletzten oder Toten sind ein schauerlicher Vorgang, aber kein Einzelfall. Solche illegalen Wettkämpfe sind in manchen Szenen ein regelrechtes Hobby. So sprach zum Beispiel eine Ermittlungsgruppe im oberbayerischen Rosenheim während des vergangenen Jahres 39 Fahrverbote aus. In der öffentlichen Wahrnehmung rufen diese Rennen stets die gleiche Reaktion hervor: Es kann jeden treffen, der sich irgendwie am Straßenverkehr beteiligt. Ob Fußgänger, Radfahrer oder Autofahrer. Und dass nur, weil sich junge Männer (die Raserszene besteht fast nur aus jungen Männern) nicht im Griff haben, sich gnadenlos überschätzen, sich in ihren oft getunten Autos beweisen und den großen Macker spielen wollen. Das führt zu Unverständnis und Wut. Der Fahrer wurde zunächst wegen Mordes angeklagt Deutsche Gerichte haben zuletzt einige Male gerungen, wie sie mit solchen Tätern umgehen sollen, die sich in Innenstädten Autorennen liefern. Sie sprachen höchst unterschiedliche Urteile aus. In Köln kamen zwei Raser zunächst mit einer Bewährungsstrafe davon, obwohl bei ihrem Rennen eine junge Radfahrerin tödlich verunglückt war. Nach einem öffentlichen Aufschrei revidierte der Bundesgerichtshof (BGH) das Urteil, unter anderem wegen der Wirkung "auf das allgemeine Rechtsempfinden und das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts". Die Täter mussten am Ende doch ins Gefängnis. In Berlin hingegen wurden zwei Raser wegen Mordes zu einer lebenslangen Haft verurteilt, weil einer von beiden bei einem Rennen über den Kurfürstendamm ein Auto gerammt hatte und der darin sitzende Fahrer gestorben war. Auch hier hob der BGH das Urteil auf, der Tötungsvorsatz sei nicht ausreichend belegt. Derzeit wird der Fall in Berlin neu aufgerollt. Wohl unter dem Einfluss des ersten Berliner Urteils hatten auch die Ermittler in Mönchengladbach gegen den Unfallfahrer ein Verfahren wegen Mordes eingeleitet. Das hatte das Gericht allerdings schnell wieder kassiert. Es gebe keinen hinreichenden Verdacht für einen Tötungsvorsatz, argumentierte das Landgericht und reduzierte die Anklage auf fahrlässige Tötung und vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs. Auch fielen die Angeklagten nicht unter die vor einem Jahr im Bundestag beschlossene Gesetzesverschärfung. Laut Paragraf 315d des Strafgesetzbuches müssen Raser jetzt mit bis zu zehn Jahren Haft rechnen, wenn bei einem illegalen Rennen ein Mensch schwer verletzt oder getötet wird. Und auch wenn niemand verletzt wird, können Gerichte nun Freiheitsstrafen von bis zu zwei Jahren aussprechen. Zuvor hatten solche Rennen lediglich als Ordnungswidrigkeiten gegolten. Die Tat in Mönchengladbach fand allerdings vor der Gesetzesänderung statt. | Der 29-Jährige war in der Innenstadt von Mönchengladbach fast doppelt so schnell unterwegs gewesen wie erlaubt. Der zweite Fahrer kommt mit einer Geldstrafe davon. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/moenchengladbach-raser-urteil-1.4258385 | Mönchengladbach - Raser zu drei Jahren Haft verurteilt | 00/12/2018 |
Wer einmal studieren will, wie sehr das Recht letztlich kulturell geprägt ist, der sollte sich über deed poll kundig machen, den britischen Weg zur Namensänderung. Man benötigt ein Formular, einen Zeugen und einen neuen Namen, das war's. Die Leichtigkeit bei der Namenswahl führt naturgemäß zu Verirrungen, laut Independent läuft jetzt irgendwo ein "Bacon Double Cheeseburger" herum - aber er wollte es ja nicht anders. Andere Neunamen klingen sehr vernünftig. Ilyena Vasilievna Mironov zum Beispiel heißt nun Helen Mirren und gewann einen Oscar. Und in Deutschland? Muss man schon von der Cosa Nostra verfolgt werden oder wenigstens Jens Rüdiger Vollpfosten heißen, sonst wird es schwierig. Denn im deutschen Namensrecht gilt, jawoll, die Ordnungsfunktion. Das musste gerade Silke Nicole V. erfahren, eine Ballettlehrerin aus dem Fränkischen, die sich in London niedergelassen hatte und nun beide Pässe hat. Man weiß nicht, wie, aber irgendwann war ihr der Gedanke gekommen, dass es schön wäre, wenn sie fortan Silia Valentina Mariella Gräfin von Fürstenstein heißen könnte. Angelehnt war das an das hessische Adelsgeschlecht Diede zum Fürstenstein, das Anfang des 19. Jahrhundert erloschen ist. Gedacht, getan. Seit 2013 hat sie einen Reisepass, der sie als Gräfin ausweist; ihre Zwillinge sind bereits geborene von Fürstensteins. Doch mit ihrem Versuch, den frisch erworbenen Adelsnamen ins deutsche Personenstandsregister eintragen zu lassen, biss sie beim zuständigen fränkischen Standesamt auf Granit. Die Sache ging vor Gericht, nun hat der Bundesgerichtshof entschieden: Woanders mag sie als Gräfin auftreten, für Deutschland bleibt sie Silke Nicole V. Auch im BGH-Urteil klingt die urdeutsche Sorge durch, dass namensmäßig alles drunter und drüber ginge, wenn man den Menschen die Wahl ließe. Ähnlich war das vor bald zehn Jahren beim Bundesverfassungsgericht, damals ging es um die Frage, ob Dreifach-Nachnamen zulässig sein sollten; die Richter fanden, das würde zu unübersichtlich - Ordnung muss sein. Weil aber die Staaten Europas hier ganz unterschiedliche Traditionen kennen, hat der Europäische Gerichtshof vor zehn Jahren darauf gedrungen, dass man im zusammenwachsenden Europa nicht so streng sein dürfe - weil Europäer, die in einem Land so und im nächsten anders heißen müssen, sich letztlich nicht frei bewegen könnten. Deshalb gilt: Wer aus einem EU-Staat einen legal erworbenen und dort eingetragenen Namen mitbringt, der darf ihn ins deutsche Personenstandsregister eintragen lassen. Dennoch ließ der BGH Gräfin von Fürstenstein am Personenstandswesen scheitern und stellte dafür eine sehr komplizierte Überlegung an, die zurückreicht bis zur Weimarer Reichsverfassung. Damals wurden die Adelsprivilegien abgeschafft; Adelsbezeichnungen blieben nur noch im Namen erhalten und durften nicht mehr neu verliehen werden. Die Folgerung, die der BGH daraus zieht, läuft nun ein bisschen auf den Schutz des ererbten Namensadels hinaus. Laut BGH darf sich niemand selbst, und sei es nur namensmäßig, in den Adelsstand erheben. Auch nicht über ein deed poll in London. Warum nicht? Das sei ein Gebot der staatsbürgerlichen Gleichheit. | Der BGH hat entschieden, dass im Ausland erworbene Adelsnamen nicht einfach in deutsche Personenstandsregister übernommen werden dürfen. Dem Urteil liegt eine urdeutsche Sorge zu Grunde. | panorama | https://www.sueddeutsche.de/panorama/namensrecht-keine-graefin-von-und-zu-vollpfosten-1.4256603 | Namensgebung - Adel nur per Erbe | 00/12/2018 |