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wackenroder_herzensergiessungen_1797 | 1,190 | — Soll ich ſagen, daß er vielleicht mehr dazu geſchaffen war, Kunſt zu genießen als auszuüben? | — Soll ich sagen, dass er vielleicht mehr dazu geschaffen war, Kunst zu genießen als auszuüben? |
wackenroder_herzensergiessungen_1797 | 1,191 | — Sind diejenigen vielleicht glücklicher gebildet, in denen die Kunſt ſtill und heimlich wie ein verhüllter Genius arbeitet, und ſie in ihrem Handeln auf Erden nicht ſtört? | — Sind diejenigen vielleicht glücklicher gebildet, in denen die Kunst still und heimlich wie ein verhüllter Genius arbeitet, und sie in ihrem Handeln auf Erden nicht stört? |
wackenroder_herzensergiessungen_1797 | 1,192 | Und muß der Immerbegeiſterte ſeine hohen Phantaſieen doch auch vielleicht als einen feſten Einſchlag kühn und ſtark in dieſes irdiſche Leben einweben, wenn er ein ächter Künſtler ſeyn will? | Und muss der Immerbegeisterte seine hohen Phantasien doch auch vielleicht als einen festen Einschlag kühn und stark in dieses irdische Leben einweben, wenn er ein echter Künstler sein will? |
wackenroder_herzensergiessungen_1797 | 1,193 | — Ja, iſt dieſe unbegreifliche Schöpfungskraft nicht etwa überhaupt ganz etwas anderes, und — wie mir jetzt erſcheint — etwas noch Wundervolleres, noch Göttlicheres, als die Kraft der Phantaſie? | — Ja, ist diese unbegreifliche Schöpfungskraft nicht etwa überhaupt ganz etwas anderes, und — wie mir jetzt erscheint — etwas noch Wundervolleres, noch göttlicheres, als die Kraft der Phantasie? |
wackenroder_herzensergiessungen_1797 | 1,194 | — | — |
wackenroder_herzensergiessungen_1797 | 1,195 | Der Kunſtgeiſt iſt und bleibet dem Menſchen ein ewiges Geheimniß, wobey er ſchwindelt, wenn er die Tiefen deſſelben ergründen will; — aber auch ewig ein Gegenſtand der höchſten Bewunderung: wie denn dies von allem Großen in der Welt zu ſagen iſt. | Der Kunstgeist ist und bleibt dem Menschen ein ewiges Geheimnis, wobei er schwindelt, wenn er die Tiefen desselben ergründen will; — aber auch ewig ein Gegenstand der höchsten Bewunderung: wie denn dies von allem Großen in der Welt zu sagen ist. |
wackenroder_herzensergiessungen_1797 | 1,196 | — — | — — |
wackenroder_herzensergiessungen_1797 | 1,197 | Ich kann aber nach dieſen Erinnerungen an meinen Joſeph nichts mehr ſchreiben. | Ich kann aber nach diesen Erinnerungen an meinen Joseph nichts mehr schreiben. |
wackenroder_herzensergiessungen_1797 | 1,198 | — Ich beſchließe mein Buch, — und möchte nur wünſchen, daß es einem oder dem andern zur Erweckung guter Gedanken dienlich wäre. | — Ich beschließe mein Buch, — und möchte nur wünschen, dass es einem oder dem anderen zur Erweckung guter Gedanken dienlich wäre. |
wackenroder_herzensergiessungen_1797 | 1,199 | — | — |
wienbarg_feldzuege_1834 | 0 | Dir junges Deutſchland widme ich dieſe Reden, nicht dem alten. | Dir junges Deutschland widme ich diese Reden, nicht dem alten. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 1 | Ein jeder Schriftſteller ſollte nur gleich von vorn herein erklaͤren, welchem Deutſchland er ſein Buch beſtimmt und in weſſen Haͤnde er daſſelbe zu ſehen wuͤnſcht. | Ein jeder Schriftsteller sollte nur gleich von vornherein erklären, welchem Deutschland er sein Buch bestimmt und in wessen Hände er dasselbe zu sehen wünscht. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 2 | Liberal und illiberal ſind Bezeichnungen, die den wahren Unterſchied keineswegs angeben. | Liberal und illiberal sind Bezeichnungen, die den wahren Unterschied keineswegs angeben. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 3 | Mit dem Schilde der Liberalitaͤt ausgeruͤſtet ſind jetzt die meiſten Schriftſteller, die fuͤr das alte Deutſchland ſchreiben, ſei es fuͤr das adlige, oder fuͤr das gelehrte, oder fuͤr das philiſtroͤſe alte Deutſchland, aus welchen drei Beſtandtheilen daſſelbe bekanntlich zuſammengeſetzt iſt. | Mit dem Schilde der Liberalität ausgerüstet sind jetzt die meisten Schriftsteller, die für das alte Deutschland schreiben, sei es für das adlige, oder für das gelehrte, oder für das philiströse alte Deutschland, aus welchen drei Bestandteilen dasselbe bekanntlich zusammengesetzt ist. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 4 | Wer aber dem jungen Deutſchland ſchreibt, der erklaͤrt, daß er jenen altdeutſchen Adel nicht anerkennt, daß er jene altdeutſche, todte Gelehrſamkeit in die Grabgewoͤlbe aͤgyptiſcher Pyramiden verwuͤnſcht, und daß er allem altdeutſchen Philiſterium den Krieg erklaͤrt und daſſelbe bis unter den Zipfel der wohlbekannten Nachtmuͤtze unerbittlich zu verfolgen Willens iſt. | Wer aber dem jungen Deutschland schreibt, der erklärt, dass er jenen altdeutschen Adel nicht anerkennt, dass er jene altdeutsche, tote Gelehrsamkeit in die Grabgewölbe ägyptischer Pyramiden verwünscht, und dass er allem altdeutschen Philisterium den Krieg erklärt und dasselbe bis unter den Zipfel der wohlbekannten Nachtmütze unerbittlich zu verfolgen Willens ist. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 5 | Dir junges Deutſchland widme ich dieſe Reden, fluͤchtige Erguͤſſe wechſelnder Aufregung, aber alle aus der Sehnſucht des Gemuͤths nach einem beſſeren und ſchoͤneren Volksleben entſprungen. | Dir junges Deutschland widme ich diese Reden, flüchtige Ergüsse wechselnder Aufregung, aber alle aus der Sehnsucht des Gemüts nach einem besseren und schöneren Volksleben entsprungen. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 6 | Ich hielt ſie als Vorleſungen auf einer norddeutſchen Akademie, hoffe aber, ſie werden den Geruch der vier Fakultaͤten nicht mit ſich bringen, der bekanntlich nicht der friſcheſte iſt. | Ich hielt sie als Vorlesungen auf einer norddeutschen Akademie, hoffe aber, sie werden den Geruch der vier Fakultäten nicht mit sich bringen, der bekanntlich nicht der frischeste ist. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 7 | Ich war noch von der Luft da draußen angeweht und der Sommer 1833 war der erſte und letzte meines Dozirens. | Ich war noch von der Luft da draußen angeweht und der Sommer 1833 war der erste und letzte meines Dozierens. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 8 | Univerſitaͤtsluſt, Hofluft und ſonſtige ſchlechte und verdorbene Luftarten, die ſich vom freien und ſonnigen Voͤlkertage abſondern, muß man entweder gaͤnzlich vermeiden oder nur auf kurze Zeit einathmen. | Universitätsluft, Hofluft und sonstige schlechte und verdorbene Luftarten, die sich vom freien und sonnigen Völkertage absondern, muss man entweder gänzlich vermeiden oder nur auf kurze Zeit einatmen. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 9 | Riechflaſchen mit ſcharfſatiriſchem Eſſig, wie ihn z. B. Boͤrne in Paris deſtillirt, ſind in dieſem Fall nicht zu verachten. | Riechflaschen mit scharfsatirischem Essig, wie ihn z. B. Börne in Paris destilliert, sind in diesem Fall nicht zu verachten. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 10 | Lobenswerth iſt auch die Vorſicht, die man beim Beſuch der Hundsgrotte beobachtet — ſonderlich wenn's in die Hofluft geht — man buͤcke ſich nicht zu oft und zu tief. | Lobenswert ist auch die Vorsicht, die man beim Besuche der Hundsgrotte beobachtet — sonderlich wenn es in die Hofluft geht — man bücke sich nicht zu oft und zu tief. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 11 | Abſchreckend iſt das Beiſpiel von Miniſtern und Hofleuten, die des Lichtes ihrer Augen und ihres Verſtandes dadurch beraubt worden ſind und ſchwer und aͤngſtlich nach Luft ſchnappen. | Abschreckend ist das Beispiel von Ministern und Hofleuten, die des Lichtes ihrer Augen und ihres Verstandes dadurch beraubt worden sind und schwer und ängstlich nach Luft schnappen. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 12 | Dir junges Deutſchland widme ich dieſe Reden, dem braͤunlichen wie dem blonden, welches letztere mich umgab und die Muſe war, die mich zweimal in der Woche begeiſterte. | Dir junges Deutschland widme ich diese Reden, dem bräunlichen wie dem blonden, welches letztere mich umgab und die Muse war, die mich zweimal in der Woche begeisterte. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 13 | Ja, begeiſternd iſt der Anblick aufſtrebender Juͤnglinge, aber Zorn und Unmuth miſcht ſich in die Begeiſterung, wenn man ſie als Zuͤchtlinge gelehrter Werkanſtalten vor ſich ſieht. | Ja, begeisternd ist der Anblick aufstrebender Jünglinge, aber Zorn und Unmut mischt sich in die Begeisterung, wenn man sie als Züchtlinge gelehrter Werkanstalten vor sich sieht. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 14 | Sclaverei iſt ihr Studium, nicht Freiheit. | Sklaverei ist ihr Studium, nicht Freiheit. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 15 | Stricke und Bande muͤſſen ſie flechten fuͤr ihre eigenen Arme und Fuͤße, dazu verurtheilt ſie der Staat. | Stricke und Bande müssen sie flechten für ihre eigenen Arme und Füße, dazu verurteilt sie der Staat. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 16 | Die Ungluͤcklichen, wie haben ſie mich geſucht und geliebt, als ich ihnen die Freiheit wenigſtens im Bilde zeigte. | Die Unglücklichen, wie haben sie mich gesucht und geliebt, als ich ihnen die Freiheit wenigstens im Bilde zeigte. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 17 | Preußen traͤgt ſich mit dem Plan, die alten Univerſitaͤten umzuſchmelzen. | Preußen trägt sich mit dem Plan, die alten Universitäten umzuschmelzen. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 18 | Immerhin, und mag das gelehrte Deutſchland auch Blut uͤber den Frevel ſchwitzen. | Immerhin, und mag das gelehrte Deutschland auch Blut über den Frevel schwitzen. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 19 | Ich traue freilich dem neuen Guſſe nicht, weil ich nicht einſehe, woher Preußen das rechte Metall dazu nehmen will, es waͤre denn preußiſch-evangeliſches Kanonen- und Glockengut. | Ich traue freilich dem neuen Gusse nicht, weil ich nicht einsehe, woher Preußen das rechte Metall dazu nehmen will, es wäre denn preußisch-evangelisches Kanonen- und Glockengut. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 20 | Aber auch dieſes halte ich fuͤr beſſer als die alte tonloſe Miſchung, die ſelbſt unter Thors Hammerſchlaͤgen keinen Klang mehr von ſich geben wuͤrde. | Aber auch dieses halte ich für besser als die alte tonlose Mischung, die selbst unter Tors Hammerschlägen keinen Klang mehr von sich geben würde. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 21 | Zur Zeit der Reformation waren die Univerſitaͤten Stuͤtzpunkte fuͤr den Hebel des nenen Umſchwungs. | Zur Zeit der Reformation waren die Universitäten Stützpunkte für den Hebel des neuen Umschwungs. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 22 | Gegenwaͤrtig bewegen ſie nichts, ja ſie ſind Widerſtaͤnde der Bewegung und muͤſſen als ſolche aus dem Wege geraͤumt werden. | Gegenwärtig bewegen sie nichts, ja sie sind Widerstände der Bewegung und müssen als solche aus dem Wege geräumt werden. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 23 | Zu warnen aber ſind junge Maͤnner von Kraft und Talent, ſich nicht unbedacht jener edlen Taͤuſchung hinzugeben, als ob ſich dennoch ein zeitgemaͤßer und volksthuͤmlicher Wirkungskreis fuͤr ſie auf unſern Univerſitaͤten erſchwingen laſſe. | Zu warnen aber sind junge Männer von Kraft und Talent, sich nicht unbedacht jener edlen Täuschung hinzugeben, als ob sich dennoch ein zeitgemäßer und volkstümlicher Wirkungskreis für sie auf unseren Universitäten erschwingen lasse. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 24 | Glaubt mir, ihr hebt den Fluch nicht auf, den die Zeit uͤber jene alten Gemaͤuer ausgeſprochen hat, ihr ſetzt euch hingegen der Gefahr aus, mit demſelben Fluche auf euren eigenen geiſtigen Schwingen belaſtet zu werden. | Glaubt mir, ihr hebt den Fluch nicht auf, den die Zeit über jene alten Gemäuer ausgesprochen hat, ihr setzt euch hingegen der Gefahr aus, mit demselben Fluche auf euren eigenen geistigen Schwingen belastet zu werden. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 25 | Zittert vor der greiſen alma mater, die als Ahnfrau unſerer Univerſitaͤten ihr faltenreiches, mottenzerfreſſenes Gewand auf dem Boden der Aula einherſchleift, und ihre alten Liebhaber-Pedanten durch junge und friſche zu rekrutiren ſucht. | Zittert vor der greisen alma mater, die als Ahnfrau unserer Universitäten ihr faltenreiches, mottenzerfressenes Gewand auf dem Boden der Aula einherschleift, und ihre alten Liebhaber-Pedanten durch junge und frische zu rekrutieren sucht. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 26 | Zittert vor ihrer duͤrren Umarmung, vor dem Kuß ihrer geſpenſtiſchen grauen Lippen, denn ſie ſaugt euch das Blut langſam aus den Adern und ſchrumpft die Hochgefuͤhle eurer Bruſt zu jenem Minimum zuſammen, das etwa einem alten ausgedoͤrrten Wilhelm Traugott Krug oder Chriſtian Daniel Beck kaum verſchlaͤgt, um damit den letzten Athemzug fuͤr den Himmel zu beſtreiten. | Zittert vor ihrer dürren Umarmung, vor dem Kuss ihrer gespenstischen grauen Lippen, denn sie saugt euch das Blut langsam aus den Adern und schrumpft die Hochgefühle eurer Brust zu jenem Minimum zusammen, das etwa einem alten ausgedörrten Wilhelm Traugott Krug oder Christian Daniel Beck kaum verschlägt, um damit den letzten Atemzug für den Himmel zu bestreiten. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 27 | Denkt daran, daß alle große Deutſche der neuern Zeit nur zu ihrem Ungluͤck deutſche Univerſitaͤtslehrer geworden ſind, daß ein Fichte, Schelling, Niebuhr, Schleiermacher, geborene Tribunen des Volks, fuͤr das Volk und ihren eigenen hoͤheren Ruhm verloren gegangen ſind. | Denkt daran, dass alle große Deutsche der neueren Zeit nur zu ihrem Unglück deutsche Universitätslehrer geworden sind, dass ein Fichte, Schelling, Niebuhr, Schleiermacher, geborene Tribunen des Volks, für das Volk und ihren eigenen höheren Ruhm verlorengegangen sind. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 28 | Fichte's Reden an die deutſche Nation verhallten nicht blos deswegen in den Wind, weil die Nation taub war, ſondern weil zwiſchen ihr und ihm eine Scheidewand aufgerichtet war, die ſelbſt Fichte's eherne Stimme nicht zu durchdringen vermochte. | Fichtes Reden an die deutsche Nation verhallten nicht bloß deswegen in den Wind, weil die Nation taub war, sondern weil zwischen ihr und ihm eine Scheidewand aufgerichtet war, die selbst Fichtes eherne Stimme nicht zu durchdringen vermochte. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 29 | Nun denn, junges Deutſchland, mit Gott! | Nun denn, junges Deutschland, mit Gott! |
wienbarg_feldzuege_1834 | 30 | Wir leben ja noch einen Tag zuſammen, und wer weiß, ob unſer Hort und Fuͤhrer uns ſo lange durch die Wuͤſte ziehen laͤßt, wie Moſes die Iſraeliten. | Wir leben ja noch einen Tag zusammen, und wer weiß, ob unser Hort und Führer uns so lange durch die Wüste ziehen lässt, wie Moses die Israeliten. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 31 | Iſt aber eine Silberlocke unter deiner Schaar, ein Greis mit jugendlichem Herzen, ich kuͤſſe ihm Auge und Stirn und wuͤnſche auch mir einen warmen Fruͤhling unter der Eisdecke kuͤnftiger Jahre. | Ist aber eine Silberlocke unter deiner Schar, ein Greis mit jugendlichem Herzen, ich küsse ihm Auge und Stirn und wünsche auch mir einen warmen Frühling unter der Eisdecke künftiger Jahre. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 32 | Meine Herren. | Meine Herren. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 33 | Sie wollen mir die Ehre geben, meinen Vortraͤgen uͤber Aeſthetik beizuwohnen. | Sie wollen mir die Ehre geben, meinen Vorträgen über Ästhetik beizuwohnen. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 34 | Ich freue mich uͤber Ihre Zahl und ich bemerke mit Vergnuͤgen, aber nicht ohne Gefuͤhl meiner unzulaͤnglichen Kraͤfte und Huͤlfsmittel, die Theilnahme und Aufmerkſamkeit, womit Sie der Eroͤffnung dieſer in mehr als einer Hinſicht bedenklichen Vortraͤge entgegenſehen. | Ich freue mich über Ihre Zahl und ich bemerke mit Vergnügen, aber nicht ohne Gefühl meiner unzulänglichen Kräfte und Hilfsmittel, die Teilnahme und Aufmerksamkeit, womit Sie der Eröffnung dieser in mehr als einer Hinsicht bedenklichen Vorträge entgegensehen. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 35 | Es iſt zwar das, was die Seele, das Prinzip der Aeſthetik ausmacht, naͤmlich das Schoͤne, die Form, die Geſtalt ſchon im Alterthum von den tiefſinnigſten Weiſen behandelt worden; allein wie abſtechend von dieſer Behandlung iſt die heutige Form einer akademiſchen Disziplin, in welcher die Aeſthetik ſeit Baumgartens Zeit in Deutſchland aufgetreten iſt. | Es ist zwar das, was die Seele, das Prinzip der Ästhetik ausmacht, nämlich das Schöne, die Form, die Gestalt schon im Altertum von den tiefsinnigsten Weisen behandelt worden; allein wie abstechend von dieser Behandlung ist die heutige Form einer akademischen Disziplin, in welcher die Ästhetik seit Baumgartens Zeit in Deutschland aufgetreten ist. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 36 | Selbſt der Name ruͤhrt aus dieſer Zeit her, er iſt von Baumgartens Erfindung und war den alten Griechen und Roͤmern in dieſem Sinne voͤllig unbekannt. | Selbst der Name rührt aus dieser Zeit her, er ist von Baumgartens Erfindung und war den alten Griechen und Römern in diesem Sinne völlig unbekannt. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 37 | Aesthetica betitelt Baumgarten die beiden Volumina, welche im Jahr 1750 und 1758 ans Licht traten. | Aesthetica betitelt Baumgarten die beiden Volumina, welche im Jahr 1750 und 1758 ans Licht traten. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 38 | Den Barbarismus des Wortes will ich nicht tadeln, nur den Barbarismus, der darin lag, ein ſolches Werk in lateiniſcher Sprache zu ſchreiben. | Den Barbarismus des Wortes will ich nicht tadeln, nur den Barbarismus, der darin lag, ein solches Werk in lateinischer Sprache zu schreiben. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 39 | Barbariſch — pedantiſch war der Urſprung der Aeſthetik oder der vagen Wiſſenſchaft, welche man mit dieſem Namen bald allgemeiner zu bezeichnen anfing. | Barbarisch — pedantisch war der Ursprung der Ästhetik oder der vagen Wissenschaft, welche man mit diesem Namen bald allgemeiner zu bezeichnen anfing. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 40 | Riedel und Sulzer machten daraus eine Theorie der ſchoͤnen Kuͤnſte und Letzterer ſchrieb ſogar eine ſolche „allgemeine Theorie der ſchoͤnen Kuͤnſte“ nach alphabetiſcher Ordnung, zwei Quartbaͤnde unfruchtbarer Theorien, die weder dem Philoſophen noch dem Kuͤnſtler foͤrderlich ſein konnten. | Riedel und Sulzer machten daraus eine Theorie der schönen Künste und Letzterer schrieb sogar eine solche „allgemeine Theorie der schönen Künste“ nach alphabetischer Ordnung, zwei Quartbände unfruchtbarer Theorien, die weder dem Philosophen noch dem Künstler förderlich sein konnten. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 41 | In ein hoͤheres Gebiet wurde die Aeſthetik aufgenommen, als Kant ſeinen eminenten Scharfſinn auch nach dieſer Seite wandte und in „der Kritik der Urtheilskraft“ eine von ſeinem Standpunkt und ſeinen Prinzipien ausgehende Kritik des Geſchmacks aufſtellte. | In ein höheres Gebiet wurde die Ästhetik aufgenommen, als Kant seinen eminenten Scharfsinn auch nach dieser Seite wandte und in „der Kritik der Urteilskraft“ eine von seinem Standpunkt und seinen Prinzipien ausgehende Kritik des Geschmacks aufstellte. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 42 | Nach ihm wurde die Aeſthetik von mehreren Profeſſoren der Philoſophie bearbeitet, am Vollſtaͤndigſten von Fr. Bouterwek, deſſen Werk (in zwei Baͤnden) das bekannteſte iſt und drei Auflagen erlebt hat. | Nach ihm wurde die Ästhetik von mehreren Professoren der Philosophie bearbeitet, am vollständigsten von Fr. Bouterwek, dessen Werk (in zwei Bänden) das bekannteste ist und drei Auflagen erlebt hat. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 43 | Grundzuͤge aͤſthetiſcher Vorleſungen ſchrieb 1808 Heinrich Luden, die auf ſeine bekannte Weiſe geiſtreich und gediegen ſind. | Grundzüge ästhetischer Vorlesungen schrieb 1808 Heinrich Luden, die auf seine bekannte Weise geistreich und gediegen sind. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 44 | Bluͤhender und an wahrem aͤſthetiſchen Gehalt reicher iſt die Vorſchule der Aeſthetik von Jean Paul, die 1813 eine neue Auflage erlebte. | Blühender und an wahrem ästhetischen Gehalt reicher ist die Vorschule der Ästhetik von Jean Paul, die 1813 eine neue Auflage erlebte. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 45 | Ich werde mein Urtheil uͤber dieſe akademiſchen Schriften (die Jean Pauliſche gehoͤrt nicht in ihren Kreis) zuſammenfaſſen und nur vorher bemerken, daß die Aeſthetik nicht immer mit den Anſpruͤchen aus wiſſenſchaftliche Form und Vollſtaͤndigkeit in Deutſchland aufgetreten, ſondern daß es ſehr intereſſante aͤſthetiſche Abhandlungen gibt, die ſich ungebundener und freier auslaſſen. | Ich werde mein Urteil über diese akademischen Schriften (die Jean Paulische gehört nicht in ihren Kreis) zusammenfassen und nur vorher bemerken, dass die Ästhetik nicht immer mit den Ansprüchen aus wissenschaftliche Form und Vollständigkeit in Deutschland aufgetreten, sondern dass es sehr interessante ästhetische Abhandlungen gibt, die sich ungebundener und freier auslassen. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 46 | Dazu gehoͤren die aͤſthetiſchen Abhandlungen von Schiller, die ich als bekannt vorausſetze, z. B. ſein Aufſatz uͤber die aͤſthetiſche Erziehung des Menſchen, uͤber die nothwendigen Grenzen beim Gebrauch ſchoͤner Formen (! | Dazu gehören die ästhetischen Abhandlungen von Schiller, die ich als bekannt voraussetze, z. B. sein Aufsatz über die ästhetische Erziehung des Menschen, über die notwendigen Grenzen beim Gebrauch schöner Formen (! |
wienbarg_feldzuege_1834 | 47 | ), uͤber naive und ſentimentale Dichtung, uͤber das Erhabene, ſeine Gedanken uͤber den Gebrauch des Gemeinen und Niedrigen in der Kunſt u. ſ. w. Auch laſſen ſich viele Aufſaͤtze von Goethe in den Propylaͤen und in Kunſt und Alterthum als ſehr bedeutende Beitraͤge zu der Aeſthetik des Goethiſchen Jahrhunderts betrachten. | ), über naive und sentimentale Dichtung, über das Erhabene, seine Gedanken über den Gebrauch des Gemeinen und Niedrigen in der Kunst u. s. w. Auch lassen sich viele Aufsätze von Goethe in den Propyläen und in Kunst und Altertum als sehr bedeutende Beiträge zu der Ästhetik des goetheschen Jahrhunderts betrachten. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 48 | Was Schiller betrifft, ſo behandelte er die Theorie des Schoͤnen mehr in Beziehung auf dichteriſche Form und geſelliges Leben, dagegen Goethe mehr die bildenden Kuͤnſte, insbeſondere die Antike ins Auge faßte. | Was Schiller betrifft, so behandelte er die Theorie des Schönen mehr in Beziehung auf dichterische Form und geselliges Leben, dagegen Goethe mehr die bildenden Künste, insbesondere die Antike ins Auge fasste. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 49 | Bildender fuͤr den Geſchmack ſind bei weitem die Bemerkungen von Goethe, in ſofern ſie mehr aus dem einheitlichen Quell des Goethiſchen Lebens hervordringen und die ungetruͤbteſten Anſchauungen der Welt und ihrer Schoͤnheiten in Natur, Kunſt und Leben enthalten, wie die ſaͤmmtlichen Goethiſchen Werke, ſeien ſie Gedichte oder Proſa. | Bildender für den Geschmack sind bei weitem die Bemerkungen von Goethe, insofern sie mehr aus dem einheitlichen Quell des goetheschen Lebens hervordringen und die ungetrübtesten Anschauungen der Welt und ihrer Schönheiten in Natur, Kunst und Leben enthalten, wie die sämtlichen goetheschen Werke, seien sie Gedichte oder Prosa. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 50 | Waͤhrend Goethe's geiſtige Magnetnadel ſich unverwandt gegen den ſchoͤnen Kunſtpol neigte, bewegt ſich Schiller's ringende Natur nach den entgegengeſetzteſten Richtungen und ſtrebt vergebens nach dem Schwerpunkt, der ſeiner geiſtigen Natur angemeſſen war. | Während Goethes geistige Magnetnadel sich unverwandt gegen den schönen Kunstpol neigte, bewegt sich Schillers ringende Natur nach den entgegengesetztesten Richtungen und strebt vergebens nach dem Schwerpunkt, der seiner geistigen Natur angemessen war. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 51 | Reinhold hatte ihn in Jena in die Kantiſche Philoſophie eingefuͤhrt, als Schiller auf dortiger Akademie hiſtoriſche Vorleſungen hielt. | Reinhold hatte ihn in Jena in die Kantische Philosophie eingeführt, als Schiller auf dortiger Akademie historische Vorlesungen hielt. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 52 | Nun gerieth er zwiſchen zwei Feuer, das griechiſche der Kunſt und Poeſie, das in Weimar gluͤhte, und das nordiſche der Philoſophie, welches zu jener Zeit mit kritiſch verzehrendem Feuer, von der Oſtſee, aus Koͤnigsberg ausgebrochen war. | Nun geriet er zwischen zwei Feuer, das griechische der Kunst und Poesie, das in Weimar glühte, und das nordische der Philosophie, welches zu jener Zeit mit kritisch verzehrendem Feuer, von der Ostsee, aus Königsberg ausgebrochen war. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 53 | Es iſt gewiß, daß ſeine ſchoͤnere Natur zuletzt den Sieg davontrug, was beſonders ſeit der Zeit merklich wird, als die Vorurtheile zwiſchen ihm und Goethe hinweggefallen waren und beide große Naturen durch gegenſeitigen Umtauſch ihrer Gedanken und perſoͤnlichen Umgang in Weimar wetteifernd ihrer Ausbildung entgegenſchritten. | Es ist gewiss, dass seine schönere Natur zuletzt den Sieg davontrug, was besonders seit der Zeit merklich wird, als die Vorurteile zwischen ihm und Goethe hinweggefallen waren und beide große Naturen durch gegenseitigen Umtausch ihrer Gedanken und persönlichen Umgang in Weimar wetteifernd ihrer Ausbildung entgegenschritten. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 54 | Allein ſeine erwaͤhnten aͤſthetiſchen Anſichten tragen noch deutlich die Spuren geiſtiger Entzweiung, die aus dem Studium der Kantiſchen Philoſophie fuͤr ihn reſultirte. | Allein seine erwähnten ästhetischen Ansichten tragen noch deutlich die Spuren geistiger Entzweiung, die aus dem Studium der Kantischen Philosophie für ihn resultierte. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 55 | Er iſt ſich ſelbſt nicht klar und laͤßt daher auch einen ſehr unklaren Eindruck auf den Leſer zuruͤck. | Er ist sich selbst nicht klar und lässt daher auch einen sehr unklaren Eindruck auf den Leser zurück. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 56 | Die Bewunderung fuͤr Kant's diktatoriſches und von der moraliſchen Seite ſo erhabenes Genie, die ihm Reinhold's Vortraͤge und Studium der Kantiſchen Kritiken eingefloͤßt hatte, verleitete ihn zur Annahme Kantiſcher Prinzipien, die, wie man ſie ſonſt auch verſteht, auflegt, billigt oder verwirft, von Niemand ſo leicht als kunſtfoͤrderlich oder auch nur vertraͤglich mit den Forderungen des aͤſthetiſchen Sinnes betrachtet werden moͤgen. | Die Bewunderung für Kants diktatorisches und von der moralischen Seite so erhabenes Genie, die ihm Reinholds Vorträge und Studium der Kantischen Kritiken eingeflößt hatte, verleitete ihn zur Annahme Kantischer Prinzipien, die, wie man sie sonst auch versteht, auslegt, billigt oder verwirft, von Niemand so leicht als kunstförderlich oder auch nur verträglich mit den Forderungen des ästhetischen Sinnes betrachtet werden mögen. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 57 | Es gibt vielleicht keinen konſequenten Kantianer gegenwaͤrtig auf der Welt, damals aber war alle Welt Kantiſch, es ging eine Seuche durch Deutſchland, ſich Kantiſch auszudruͤcken und bei Dietrich in Goͤttingen erſchien im Jahr 1801 ſogar eine Kantiſche Poſtlehre mit dem Titel: „Vorlaͤufige Darſtellung der Begruͤndung einer allgemeinen Poſtanſtalt. | Es gibt vielleicht keinen konsequenten Kantianer gegenwärtig auf der Welt, damals aber war alle Welt Kantisch, es ging eine Seuche durch Deutschland, sich Kantisch auszudrücken und bei Dietrich in Göttingen erschien im Jahr 1801 sogar eine Kantische Postlehre mit dem Titel: „Vorläufige Darstellung der Begründung einer allgemeinen Postanstalt. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 58 | “ | “ |
wienbarg_feldzuege_1834 | 59 | Daher findet man denn auch die meiſten Handbuͤcher der Aeſthetik, die aus jener Zeit ſtammen, mehr oder weniger in die abſtrakten Formeln der Kantiſchen Philoſophie gebannt, z. B. die von Ben David und von Krug, welcher ſchon als ſolcher und inmitten ſeiner Philoſophie, der leibhaftige Tod fuͤr die Aeſthetik iſt. | Daher findet man denn auch die meisten Handbücher der Ästhetik, die aus jener Zeit stammen, mehr oder weniger in die abstrakten Formeln der Kantischen Philosophie gebannt, z. B. die von Ben David und von Krug, welcher schon als solcher und inmitten seiner Philosophie, der leibhaftige Tod für die Ästhetik ist. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 60 | An ſich, meine Herren, gehoͤrt das Element der Aeſthetik, das Schoͤne, ohne Zweifel in den Kreis der erhabenſten Philoſophie. | An sich, meine Herren, gehört das Element der Ästhetik, das Schöne, ohne Zweifel in den Kreis der erhabensten Philosophie. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 61 | Die Wirkungen der Schoͤnheit, die Schoͤnheit ſelber iſt uns ein Geheimniß, ein Raͤthſel, zu deſſen Aufloͤſung wir den Schluͤſſel bei einer Wiſſenſchaft ſuchen, von der, wie Sie wiſſen, wenigſtens die Rede geht, daß ſie den großen goldenen Schluͤſſel zu allen Geheimniſſen der Welt, wenn auch nicht beſitzt, doch wenigſtens zu ſchmieden befliſſen ſei. | Die Wirkungen der Schönheit, die Schönheit selber ist uns ein Geheimnis, ein Rätsel, zu dessen Auflösung wir den Schlüssel bei einer Wissenschaft suchen, von der, wie Sie wissen, wenigstens die Rede geht, dass sie den großen goldenen Schlüssel zu allen Geheimnissen der Welt, wenn auch nicht besitzt, doch wenigstens zu schmieden beflissen sei. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 62 | Dennoch, meine Herren, und wenn der Schluͤſſel auch gefunden waͤre, iſt aufſchließen und ſchauen, offenbar zweierlei. | Dennoch, meine Herren, und wenn der Schlüssel auch gefunden wäre, ist Aufschließen und Schauen, offenbar zweierlei. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 63 | Nehmen wir z. B. an, daß der verſtorbene Hegel, unter deſſen Schriften man ebenfalls eine Aeſthetik findet, die im geſchloſſenen Ringe ſeiner Philoſophie ihren beſtimmten Platz und Namen hat, daß Hegel den Grund und das Weſen aller Dinge nicht allein tiefer erforſcht haͤtte, als alle ſeine Vorgaͤnger, ſondern auch wirklich und wahrhaftig in dieſem Grunde angelangt waͤre und von da aus im Staͤnde waͤre, die ganze Welt dem lieben Gott nachzukonſtruiren und zu beweiſen, warum Alles ſo waͤre und nicht anders ſein koͤnnte, als es iſt, koͤnnte er mehr thun, als uns das Warum der Schoͤnheit in abſtrakter Formel auszuſprechen, koͤnnte er uns mit ſchoͤpferiſcher Kraft eine Ahnung der Schoͤnheit ſelbſt ins Herz floͤßen? | Nehmen wir z. B. an, dass der verstorbene Hegel, unter dessen Schriften man ebenfalls eine Ästhetik findet, die im geschlossenen Ringe seiner Philosophie ihren bestimmten Platz und Namen hat, dass Hegel den Grund und das Wesen aller Dinge nicht allein tiefer erforscht hätte, als alle seine Vorgänger, sondern auch wirklich und wahrhaftig in diesem Grunde angelangt wäre und von da aus imstande wäre, die ganze Welt dem lieben Gott nachzukonstruieren und zu beweisen, warum alles so wäre und nicht anders sein könnte, als es ist, könnte er mehr tun, als uns das Warum der Schönheit in abstrakter Formel auszusprechen, könnte er uns mit schöpferischer Kraft eine Ahnung der Schönheit selbst ins Herz flößen? |
wienbarg_feldzuege_1834 | 64 | Muß nicht das Schoͤne auch wieder durch das Schoͤne bezeichnet werden, um ſich als ſchoͤn fuͤhlen zu laſſen, kann man durch undichteriſche Schoͤnheitslehren uͤber die Schoͤnheit belehren, hebt nicht eine abſtrakte Definizion die Schoͤnheit, die ſie definiren will, und daher ſich ſelber auf, kann man die geiſtigſte Bluͤthe alles Erſchaffenen, ſei es dem unmittelbaren Quell der Natur oder den Haͤnden der Kunſt entſprungen, unter das anatomiſche Sezirmeſſer bringen und iſt das, was unter ſolchen Haͤnden ſeufzſt, todt oder lebendig zu nennen? | Muss nicht das Schöne auch wieder durch das Schöne bezeichnet werden, um sich als schön fühlen zu lassen, kann man durch undichterische Schönheitslehren über die Schönheit belehren, hebt nicht eine abstrakte Definition die Schönheit, die sie definieren will, und daher sich selber auf, kann man die geistigste Blüte alles Erschaffenen, sei es dem unmittelbaren Quell der Natur oder den Händen der Kunst entsprungen, unter das anatomische Seziermesser bringen und ist das, was unter solchen Händen seufzt, tot oder lebendig zu nennen? |
wienbarg_feldzuege_1834 | 65 | Nicht jede Philoſophie alſo hat, als ſolche, die Kraft und die Eigenſchaft, das Prinzip der Schoͤnheit wuͤrdig darzuſtellen und noch weniger laͤßt ſich erwarten von den Schriften der gelehrten Pedanterie, wie ein ſolches muſterhaftes Beiſpiel oder Gegenſpiel der Aeſthetik in Baumgarten's lateiniſchen Werken vorliegt, der die auslaͤndiſche Form natuͤrlich noch zum geringſten Vorwurfe dient. | Nicht jede Philosophie also hat, als solche, die Kraft und die Eigenschaft, das Prinzip der Schönheit würdig darzustellen und noch weniger lässt sich erwarten von den Schriften der gelehrten Pedanterie, wie ein solches musterhaftes Beispiel oder Gegenspiel der Ästhetik in Baumgartens lateinischen Werken vorliegt, der die ausländische Form natürlich noch zum geringsten Vorwurfe dient. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 66 | Schon der Name Aeſthetik iſt ſo unpaſſend als moͤglich, dieſer Name, der das verdiente Schickſal gehabt hat, anfangs nur unter lateiniſch-deutſchen Gelehrten, unter akademiſchen Kathedriſten bekannt zu ſein, bei ſeinem Eintritt ins große Publikum aber, ſo wie in gegenwaͤrtiger Zeit, von den Gelehrten faſt verachtet, von ſuͤßlichen Schoͤngeiſtern erniedrigt und in der Meiſten Munde beſpoͤttelt zu werden. | Schon der Name Ästhetik ist so unpassend als möglich, dieser Name, der das verdiente Schicksal gehabt hat, anfangs nur unter lateinisch-deutschen Gelehrten, unter akademischen Kathedristen bekannt zu sein, bei seinem Eintritt ins große Publikum aber, so wie in gegenwärtiger Zeit, von den Gelehrten fast verachtet, von süßlichen Schöngeistern erniedrigt und in der meisten Munde bespöttelt zu werden. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 67 | Es waͤre in der That ſehr zu wuͤnſchen, daß der Name und die ganze Behandlung deſſen, was man unter dieſem Namen zuſammenfaßte, in Deutſchland gar nicht aufgekommen waͤre. | Es wäre in der Tat sehr zu wünschen, dass der Name und die ganze Behandlung dessen, was man unter diesem Namen zusammenfasste, in Deutschland gar nicht aufgekommen wäre. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 68 | Das Gefuͤhl des Schoͤnen iſt unter den Deutſchen keineswegs ſo verbreitet, befeſtigt und veredelt, daß es geſchuͤtzt und ſicher genug waͤre vor den erkaͤltenden Einfluͤſſen, womit daſſelbe auf der einen Seite von dem hoͤlzernen Scepter der Schulgelehrſamkeit, auf der andern von dem leichtfertigen Geckenthum des Gallizismus bedroht wird. | Das Gefühl des Schönen ist unter den Deutschen keineswegs so verbreitet, befestigt und veredelt, dass es geschützt und sicher genug wäre vor den erkältenden Einflüssen, womit dasselbe auf der einen Seite von dem hölzernen Szepter der Schulgelehrsamkeit, auf der anderen von dem leichfertigen Geckentum des Gallizismus bedroht wird. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 69 | Die Aeſthetik iſt als Wiſſenſchaft, fuͤr Deutſchland viel zu fruͤh gekommen. | Die Ästhetik ist als Wissenschaft, für Deutschland viel zu früh gekommen. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 70 | Das Gefuͤhl des Schoͤnen muß ſich vor Allem erſt durch das Leben befruchten und bilden, wenn es in Buͤchern und Hoͤrſaͤlen wuͤrdig dargeſtellt und ein wahrhaft integranter Theil der Philoſophie werden ſoll. | Das Gefühl des Schönen muss sich vor allem erst durch das Leben befruchten und bilden, wenn es in Büchern und Hörsälen würdig dargestellt und ein wahrhaft integranter Teil der Philosophie werden soll. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 71 | Das Schoͤne ſelbſt aber ſchwebt nicht in der Luft, eben ſo wenig, wie die Bluͤthe und das Roſenblalt, es muß befeſtigt ſein an einem Stamme, es muß Charakter haben und nichts fehlte zur Zeit, als Baumgarten ſeine Aeſthetik ſchrieb, der deutſchen Nation mehr als dieſe. | Das Schöne selbst aber schwebt nicht in der Luft, ebenso wenig, wie die Blüte und das Rosenblatt, es muss befestigt sein an einem Stamme, es muss Charakter haben und nichts fehlte zur Zeit, als Baumgarten seine Ästhetik schrieb, der deutschen Nation mehr als diese. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 72 | Nationalgefuͤhl, muß dem Gefuͤhl fuͤrs Schoͤne, politiſche Bildung der aͤſthetiſchen vorausgehen. | Nationalgefühl, muss dem Gefühl fürs Schöne, politische Bildung der ästhetischen vorausgehen. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 73 | Ohne Kraft gibt es keine Gewandheit, ohne Charakter keinen Ausdruck, ohne Ausdruck keine Schoͤnheit, weder im Stil des Bildhauers, noch im Stil des Schriftſtellers. | Ohne Kraft gibt es keine Gewandtheit, ohne Charakter keinen Ausdruck, ohne Ausdruck keine Schönheit, weder im Stil des Bildhauers, noch im Stil des Schriftstellers. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 74 | Begluͤckter war das griechiſche Volk, als wir. | Beglückter war das griechische Volk, als wir. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 75 | Es beſaß freilich keine Aeſthetik, aber dafuͤr platoniſche Dialogen, worunter wahre Opfer an die Goͤttin der Schoͤnheit, behandelten ſie auch nicht, wie ſie thun, das κα- λον κἀγαϑον als ihren Hauptgegenſtand und identifizirte ihr Urheber auch nicht, wie er thut, das Schoͤne mit dem ewig Einen, mit Gott ſelber. | Es besaß freilich keine Ästhetik, aber dafür platonische Dialogen, worunter wahre Opfer an die Göttin der Schönheit, behandelten sie auch nicht, wie sie tun, das ka- lon kagathon als ihren Hauptgegenstand und identifizierte ihr Urheber auch nicht, wie er tut, das Schöne mit dem ewig Einen, mit Gott selber. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 76 | Unſere neuere Aeſthetik beſchraͤnkt ſich daher auch, aus Mangel an Lebensfuͤlle, gaͤnzlich auf das Schoͤne oder die Schoͤnheiten in Poeſie und Kunſt und ſind, wie auch viele den Namen fuͤhren, bloße Theorien der ſogenannten ſchoͤnen Kuͤnſte und Wiſſenſchaften, die zu Anfang einige vorlaͤufige Definizionen vom Schoͤnen, Erhabenen, Anmuthigen, Witzigen u. ſ. w. aufſtellen und dann allerlei und mancherlei aus der Geſchichte und Technik der ſchoͤnen Kuͤnſte und Wiſſenſchaften folgen laſſen. | Unsere neuere Ästhetik beschränkt sich daher auch, aus Mangel an Lebensfülle, gänzlich auf das Schöne oder die Schönheiten in Poesie und Kunst und sind, wie auch viele den Namen führen, bloße Theorien der sogenannten schönen Künste und Wissenschaften, die zu Anfang einige vorläufige Definitionen vom Schönen, Erhabenen, Anmutigen, witzigen u. s. w. aufstellen und dann allerlei und mancherlei aus der Geschichte und Technik der schönen Künste und Wissenschaften folgen lassen. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 77 | Es gibt nur eine einzige Schrift uͤber gewoͤhnliche Aeſthetik, die genial und aͤſthetiſch iſt, die Jean Pauliſche, wie nur ein einziges Werk, das die Aeſthetik im hoͤhern, im griechiſch-platoniſchen Sinne auffaßt, der Erwin von Solger. | Es gibt nur eine einzige Schrift über gewöhnliche Ästhetik, die genial und ästhetisch ist, die Jean Paulische, wie nur ein einziges Werk, das die Ästhetik im höheren, im griechisch-platonischen Sinne auffasst, der Erwin von Solger. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 78 | Allein ſchon aus der allgemeinen Unkunde dieſes Werks, muß ſich zweierlei klar machen, daß es entweder nicht in zeitgemaͤßer Form geſchrieben, oder daß ſein Inhalt nicht zeitanſprechend ſei. | Allein schon aus der allgemeinen Unkunde dieses Werks, muss sich zweierlei klarmachen, dass es entweder nicht in zeitgemäßer Form geschrieben, oder dass sein Inhalt nicht zeitansprechend sei. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 79 | Beides iſt mir ausgemacht. | Beides ist mir ausgemacht. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 80 | Die Form iſt dialogiſch und der Inhalt eine Vergoͤtterung des Schoͤnen mit einem Anſchein des Enthuſiasmus, der dem Platoniſchen nicht allein nahe kommt, ſondern ihn noch zu uͤbertreffen ſcheint, der aber lange nicht die Waͤrme und Kunſtloſigeit hat, als der des griechiſchen Meiſters. | Die Form ist dialogisch und der Inhalt eine Vergötterung des Schönen mit einem Anschein des Enthusiasmus, der dem Platonischen nicht allein nahekommt, sondern ihn noch zu übertreffen scheint, der aber lange nicht die Wärme und Kunstlosigkeit hat, als der des griechischen Meisters. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 81 | Um ſich davon einen Begriff zu machen, vergleiche man die ſo wahre als genievolle Schilderung, die Jean Paul von den Griechen gibt, mit dem Leben, das wir Deutſche in Deutſchland fuͤhren, ſo wird man einſehen, daß die Begeiſterung eines platoniſchen Dialogs, wie des Sympoſions, eine natuͤrliche, Solger's aber eine gemachte war, wie mehr und weniger jede Begeiſterung, die iſolirt ſteht und ihre Quelle nicht aus der Zeit nimmt. | Um sich davon einen Begriff zu machen, vergleiche man die so wahre als genievolle Schilderung, die Jean Paul von den Griechen gibt, mit dem Leben, das wir Deutsche in Deutschland führen, so wird man einsehen, dass die Begeisterung eines platonischen Dialogs, wie des Symposions, eine natürliche, Solgers aber eine gemachte war, wie mehr und weniger jede Begeisterung, die isoliert steht und ihre Quelle nicht aus der Zeit nimmt. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 82 | Meine Herren. | Meine Herren. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 83 | Ich bitte Sie, ſich aus der erſten Vorleſung den Satz ins Gedaͤchtniß zuruͤckzurufen, daß der Gegenſtand der Aeſthetik, die Schoͤnheit und deren Erſcheinung in den Gebieten des Lebens und der Kunſt, weder von abſtrakter Philoſophie, noch von geiſt- und ahnungsloſer Gelehrſamkeit aufgewieſen und dargeſtellt werden koͤnne; daß aber die deutſche Aeſthetik, als akademiſche Wiſſenſchaft, mit wenigen Ausnahmen eben das Schickſal gehabt habe, von ſolchen Maͤnnern geſchrieben und gelehrt worden zu ſein, denen der rechte Naturſinn und die Bildung fuͤr die Schoͤnheit bald voͤllig abging, bald nur in ſehr geringem Grade beiwohnte. | Ich bitte Sie, sich aus der ersten Vorlesung den Satz ins Gedächtnis zurückzurufen, dass der Gegenstand der Ästhetik, die Schönheit und deren Erscheinung in den Gebieten des Lebens und der Kunst, weder von abstrakter Philosophie, noch von geist- und ahnungsloser Gelehrsamkeit aufgewiesen und dargestellt werden könne; dass aber die deutsche Ästhetik, als akademische Wissenschaft, mit wenigen Ausnahmen eben das Schicksal gehabt habe, von solchen Männern geschrieben und gelehrt worden zu sein, denen der rechte Natursinn und die Bildung für die Schönheit bald völlig abging, bald nur in sehr geringem Grade beiwohnte. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 84 | Einſeitigkeit in jeder Art iſt keiner Wiſſenſchaft nachtheiliger, als der Lehre vom Schoͤnen, ja es ſteht eben die Einſeitigkeit im graden Widerſpruch mit der Schoͤnheit, welche die freie Entfaltung liebt und nur im Elemente der Freiheit ſowohl gedeihen, als verſtanden werden kann. | Einseitigkeit in jeder Art ist keiner Wissenschaft nachteiliger, als der Lehre vom Schönen, ja es steht eben die Einseitigkeit im geraden Widerspruch mit der Schönheit, welche die freie Entfaltung liebt und nur im Elemente der Freiheit sowohl gedeihen, als verstanden werden kann. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 85 | Wenn in der Philoſophie, in der Wiſſenſchaft eine große einſeitige Schaͤrfe des Verſtandes, der Abſtraktion, wenn in Sachen der Gelehrſamkeit eine gewiſſe einſeitige Staͤrke des Gedaͤchtniſſes, bedeutenden Leiſtungen nicht nur nicht hinderlich, ſondern foͤrderlich ſcheint — eine Bemerkung, die ſich Ihnen bei der Geſchichte der Philoſophie und der Gelehrſamkeit aufdringen wird — ſo iſt dies der umgekehrte Fall bei den Lehren des Geſchmacks, welche bei einſeitigen Richtungen der darſtellenden Individuen und ganzer Zeitalter um deſto geſchmackloſer und den Sinn fuͤr das Schoͤne um deſto weniger erregend und bildend ſind, je naturwidriger und unharmoniſcher, das heißt, je einſeitiger die Bildung ihrer Urheber war. | Wenn in der Philosophie, in der Wissenschaft eine große einseitige Schärfe des Verstandes, der Abstraktion, wenn in Sachen der Gelehrsamkeit eine gewisse einseitige Stärke des Gedächtnisses, bedeutenden Leistungen nicht nur nicht hinderlich, sondern förderlich scheint — eine Bemerkung, die sich Ihnen bei der Geschichte der Philosophie und der Gelehrsamkeit aufdringen wird — so ist dies der umgekehrte Fall bei den Lehren des Geschmacks, welche bei einseitigen Richtungen der darstellenden Individuen und ganzer Zeitalter um desto geschmackloser und den Sinn für das Schöne um desto weniger erregend und bildend sind, je naturwidriger und unharmonischer, das heißt, je einseitiger die Bildung ihrer Urheber war. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 86 | Ich moͤchte noch immer, nach Allem, was bisher in Deutſchland Aeſthetiſches und uͤber Aeſthetik geſchrieben worden, ſo viele Goldkoͤrner Leſſing, Herder, Jean Paul, Schiller, ſelbſt Bouterwek auf dieſen duͤrren Boden hingeſtreut haben, ich moͤchte noch immer dem Juͤnger des Schoͤnen und dem Freund ſeiner eigenen harmoniſchen Ausbildung den Rath geben, ſich ſeinem eigenen Genius zu uͤberlaſſen und ſtatt ſich durch mehr oder minder willkuͤhrliche Raͤſonnements uͤber die Schoͤnheiten in Kunſt und Poeſie verwirren zu laſſen, ſich nur an die meiſterhaften Kunſtprodukte der alten und neuen Zeit ſelbſt zu halten und bei ihrer Leſung, ihrem Anſchauen ſich von den unausbleiblichen Wirkungen der geiſtigen Kraft der Schoͤnheit lebendig zu erfuͤllen, wozu dem Deutſchen insbeſondere Goethe's Werke als muſterhaft vorſchweben. | Ich möchte noch immer, nach allem, was bisher in Deutschland Ästhetisches und über Ästhetik geschrieben worden, so viele Goldkörner Lessing, Herder, Jean Paul, Schiller, selbst Bouterwek auf diesen dürren Boden hingestreut haben, ich möchte noch immer dem Jünger des Schönen und dem Freund seiner eigenen harmonischen Ausbildung den Rat geben, sich seinem eigenen Genius zu überlassen und statt sich durch mehr oder minder willkürliche Räsonnements über die Schönheiten in Kunst und Poesie verwirren zu lassen, sich nur an die meisterhaften Kunstprodukte der alten und neuen Zeit selbst zu halten und bei ihrer Lesung, ihrem Anschauen sich von den unausbleiblichen Wirkungen der geistigen Kraft der Schönheit lebendig zu erfüllen, wozu dem Deutschen insbesondere Goethes Werke als musterhaft vorschweben. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 87 | Doch vielleicht, meine Herren, kommt den Deutſchen, als Nation, die Schoͤnheitslehre und der Schoͤnheitsſinn viel zu fruͤh, und dies war der zweite Hauptſatz der erſten Vorleſung, in der ich dieſe Behauptung aufzuſtellen gewagt habe. | Doch vielleicht, meine Herren, kommt den Deutschen, als Nation, die Schönheitslehre und der Schönheitssinn viel zu früh, und dies war der zweite Hauptsatz der ersten Vorlesung, in der ich diese Behauptung aufzustellen gewagt habe. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 88 | Die Schoͤnheit, ſagte ich, beruht auf Kraft und Charakter, ſie beruht auf leiblicher und geiſtiger Geſundheit, auf Lebensfriſche, auf Behaglichkeit, auf Freiheit und Harmonie; denn unter dieſen Grundbedingungen kann jedes Volk des Erdbodens, nicht allein das griechiſche unter ſeinem ewigblauen Himmel und mit ſeiner offenen, ſonnigheitern Sinnlichkeit, ſondern auch der Deutſche, der Nordmann unter rauherem Himmel, den Sinn fuͤr Schoͤnheit unter ſich ausbilden und aller Segnungen deſſelben und des doppelten und dreifachen Lebensgenuſſes, der aus dieſem Sinn entſpringt, theilhaftig werden. | Die Schönheit, sagte ich, beruht auf Kraft und Charakter, sie beruht auf leiblicher und geistiger Gesundheit, auf Lebensfrische, auf Behaglichkeit, auf Freiheit und Harmonie; denn unter diesen Grundbedingungen kann jedes Volk des Erdbodens, nicht allein das griechische unter seinem ewigblauen Himmel und mit seiner offenen, sonnigheiteren Sinnlichkeit, sondern auch der Deutsche, der Nordmann unter rauerem Himmel, den Sinn für Schönheit unter sich ausbilden und aller Segnungen desselben und des doppelten und dreifachen Lebensgenusses, der aus diesem Sinn entspringt, teilhaftig werden. |
wienbarg_feldzuege_1834 | 89 | Aber faſt mehr noch als der Grieche, der Sohn des Suͤdens, hat der Deutſche, der Nordmann auf die Ausbildung ſeines Charakters hinzuarbeiten; unſer Geiſt iſt von Natur formloſer, als der griechiſche; zwiſchen unthaͤtiger Ruhe und traͤger Beharrung und momentaner heftiger Aufregung und aufblitzenden Leidenſchaften ſchwanken die Beſſeren und die Beſten unter uns hin und her; die geiſtigſten Aeußerungen und die tiefſten Gemeinheiten vereinigen ſich oft in einer und derſelben Perſon. | Aber fast mehr noch als der Grieche, der Sohn des Südens, hat der Deutsche, der Nordmann auf die Ausbildung seines Charakters hinzuarbeiten; unser Geist ist von Natur formloser, als der griechische; zwischen untätiger Ruhe und träger Beharrung und momentaner heftiger Aufregung und aufblitzenden Leidenschaften schwanken die Besseren und die Besten unter uns hin und her; die geistigsten Äußerungen und die tiefsten Gemeinheiten vereinigen sich oft in einer und derselben Person. |